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Der Prophet Daniel (00) - Einleitung
Online seit dem 28.01.2014, Bibelstellen: Daniel 2
Wir stehen hier am Ende der alttestamentlichen Geschichte des irdischen Volkes
Gottes, und das Buch Daniel gibt uns den Wendepunkt, an dem Gott Seine direkte
Regierung über Sein Volk und über die Erde beendet und die Zeiten der Nationen (Lk
21,24) beginnen lässt. In diesen Zeiten der Nationen leben wir heute
übrigens noch immer – das gibt dem Buch Daniel auch eine große Aktualität für
unsere Tage.
Gott lässt jetzt in Seiner Vorsehung die Welt von den großen vier Weltreichen
beherrschen. Das ist nicht ein Ergebnis menschlicher Politik oder Kriegsführung,
sondern Er selbst hat diesen Wandel herbeigeführt. In 2. Chr 36,16 lesen
wir, dass Zedekia, der letzte König von Juda, so treulos gehandelt hatte, dass
keine Heilung mehr war. Gott hatte daraufhin den König von Babel gegen Juda
heraufkommen lassen und Sein Volk in die Gefangenschaft gegeben. Zu diesem
Zeitpunkt beginnen die Zeiten der Nationen, und sie werden andauern bis zur
Erscheinung des Herrn Jesus in Herrlichkeit auf dieser Erde, wenn Er Sein Reich
aufrichten wird.
Überblick über das Buch Daniel:
Das Buch Daniel ist von überragender Bedeutung für das Verständnis der gesamten
Prophetie. Wenn man Daniel und die Offenbarung zusammen hat, dann hat man das
ganze Bild der Prophetie, die sich nicht in erster Linie nur auf Israel bezieht.
Jesaja, Jeremia, Hesekiel haben immer Israel als das irdische Volk Gottes im
Mittelpunkt ihres Dienstes. Letzten Endes gibt es in der biblischen Prophetie
drei wesentliche Gesichtspunkte:
Es gibt in der Tat kein wichtigeres Buch im Blick auf die Prophetie als das Buch
Daniel. Wenn wir dieses Buch nicht hätten, würden wir viele Passagen des
prophetischen Wortes – vor allen Dingen im Neuen Testament – nicht verstehen
können. Die prophetische Rede des Herrn in Lk 21 könnten wir ohne Daniel
nicht verstehen; wir wüssten nämlich nicht, was die Zeiten der Nationen
eigentlich sein sollen. Und in der Offenbarung wird nicht nur Daniel zitiert,
sondern es ist geradezu die Grundlage für alles, was dort geschildert wird. Wenn
wir verstehen wollen, was die Offenbarung zeigt, brauchen wir unbedingt das Buch
Daniel.
Und dieses Buch Daniel ist nicht nur sehr wichtig, sondern es ist auch mehrfach
als authentisch bezeugt und bestätigt worden. Der Teufel hatte Angriffe auf
dieses Buch gestartet, um einerseits den Propheten selbst aber auch seine
Botschaft in Misskredit zu bringen. Deshalb bezeugt das Wort Gottes selbst den
Propheten Daniel als eine geschichtliche Person, und seine Botschaft als
Offenbarung Gottes. In Mt 24,15 z.B. nennt der Herr Jesus selbst Daniel
mit Namen und bestätigt ihn als einen Propheten. In Mt 21,44 spielt der
Herr ganz offensichtlich auf das Bild aus dem Traum Nebukadnezars an, wo dieses
Bild in seiner letzten Erscheinungsform an den Füßen zerschmettert werden wird.
Und in Mt 26,64 gebraucht der Herr Jesus eine Schilderung aus Daniel 7
für die Ankündigung Seiner Ankunft. In Heb 11,33+34 wird eindeutig auf
die Begebenheiten von Daniel in der Löwengrube und den drei Freunden im
brennenden Feuerofen angespielt.
Es ist bemerkenswert, wie viel Mühe sich Gott macht, dieses Buch zu
legitimieren. Hesekiel und Jeremia waren Zeitgenossen Daniels. In Hes
14,13+20 spricht Gott selbst von seinem Knecht Daniel und stellt ihn auf
eine Stufe mit Noah und Hiob. Er hat in der Endzeit des Alten Testaments
die gleichen moralischen Qualitäten bewiesen, wie die beiden Patriarchen ganz
aus der Anfangszeit der Geschichte des Alten Testamentes. Daniel ist eine
wirklich außergewöhnliche Person, er ist der einzige Mensch im Wort Gottes, der
mehrmals „Vielgeliebter“ genannt wird. Wir wissen viel über seine
Herzensübungen, über seine Gedanken und seine Empfindungen. Von ihm werden uns –
wie auch von Joseph – keine Fehler berichtet. Gott hat es für gut befunden,
keine Schwäche dieses Mannes aufzuzeichnen.
Grundsätzliches über biblische Prophetie:
Prophetie und Geschichte liegen dicht beieinander. Aber zuerst steht die
Prophetie, und dann hat sich in der Geschichte die Prophetie erfüllt. Und in
dieser Reihenfolge müssen wir uns auch hier diesem Thema nähern. Zunächst haben
wir es hier mit Prophezeiungen zu tun darüber, wie sich die Dinge entwickeln
würden, und dann hat es sich genauso in der Geschichte erfüllt. Wir dürfen also
dieses Kapitel nicht anhand der geschichtlichen Entwicklungen auslegen, sondern
nur anhand des Wortes Gottes. Rückblickend sehen wir heute in der
geschichtlichen Entwicklung eine Bestätigung der Auslegung – aber Ausgangspunkt
und Basis aller Erklärungen ist das Wort Gottes. Wir dürfen nie versuchen, die
Prophetie mit der Geschichte zu erklären! Das ist ein total falscher Weg. Die
Geschichte wird das bestätigen, was die Prophetie gesagt hat; aber die Auslegung
der Prophetie hängt niemals auch nur im Geringsten von der Geschichte ab.
Für Gott ist Prophetie vorausgesagte Geschichte! Wir sehen Geschichte nur im
Nachhinein, wenn sie sich ereignet hat. Aber Gott sagt sie uns in Seinem Wort im
Voraus. Und das ist ja auch der größte Angriff gegen das Buch Daniel, dass man
ihm wegen dieser wortwörtlichen Voraussagen vorwirft, es könne unmöglich vor
diesen ganzen Ereignissen geschrieben worden sein, es muss erst hinterher
geschrieben worden sein. Damit zieht man die ganze Autorität der Bibel in
Zweifel und kommt dahin, dass sogar in den großen Kirchen die Bibel als
Märchenbuch angesehen wird. Aber wir dürfen daran festhalten, dass Gottes Wort
in Ewigkeit fest steht in den Himmeln (Ps 119,89). Für uns heute besteht
die größte Gefahr nicht in Verfolgung, sondern in Verführung. Mit äußerster
Raffinesse wird unseren Kindern in den Schulen Zweifel am Wort Gottes
beigebracht. Deshalb müssen wir uns ernstlich darum bekümmern, welchen
Einflüssen sie in den Schulen ausgesetzt sind, damit wir sie in den guten Wegen
des Herrn unterweisen können – so wie Daniel es in seinem Elternhaus vor der
Zeit der Wegführung nach Babylon erfahren haben muss, sonst hätte er nicht so
stehen können, wie er stand.
Online seit dem 26.08.2013, Bibelstellen:
Daniel 1,1-21
Geschichtlicher Hintergrund zur Zeit Daniels
Hier am Anfang des Buches Daniel befinden wir uns im Jahr 606 v.Chr. Die
ersten Verse zeigen uns die erste Wegführung des Volkes der Juden unter
Nebukadnezar. Als Hiskia seinerzeit von seiner schweren Krankheit wieder genesen
war, da hörte der König von Babel davon und sandte ihm eine Botschaft. Und der
genesene Hiskia zeigte den Gesandten aus Babel seine ganzen Schätze. Als diese
dann wieder weggezogen waren, lässt Gott durch Jesaja dieses Gericht
voraussagen, was wir hier in Daniel 1 finden (Jes
39,4–7). Es folgte dann unter Jojakin noch eine zweite Wegführung im Jahr
597 v.Chr. (2. Kön 24,8–17), wo dann alle Geräte
des Heiligtums geraubt wurden; und unter Zedekia erfolgte dann bei der dritten
Wegführung die völlige Zerstörung Jerusalems im Jahr 586 v.Chr. (2.
Kön 25,1–12)
Um das Buch Daniels und den Standpunkt, den Gott hier einnimmt, recht zu
verstehen, müssen wir einige Stellen aus dem AT zu dem geschichtlichen
Hintergrund lesen. Sie zeigen, wie wunderbar die Geschichte des Volkes Israel
begann, und wie erschütternd ernst das Ende war. Hier ist eben Gott nicht mehr
der Gott Israels und das Volk nicht mehr Sein Volk.
• 5. Mo 32,8 zeigt einen Grundsatz Gottes im Blick
auf Sein Volk, so begann die Geschichte des Volkes Gottes. Die ganzen Völker
ringsumher bekamen ihre Bestimmung nur durch das Volk Israel, alles drehte sich
um dieses Volk.
• In 1. Chr 29,23 wird von Salomo gesagt, dass er
sich auf den Thron des HERRN setzte an
seines Vaters Davids statt. Das war der Ausgangspunkt, da gab es einen Thron
Gottes, der zuerst von David und danach von Salomo eingenommen wurde.
• Amos 3,2 zeigt, wie Gott in Seiner souveränen
Gnade alles bemisst nach Seinen Gedanken über Israel. Aber weil Israel Sein
irdisches Volk war, würde Er gerade deswegen ihre Ungerechtigkeiten an ihnen
heimsuchen.
• Und dann sehen wir im Lauf der Geschichte, wie zuerst die zehn Stämme in die
Gefangenschaft nach Assyrien kamen, und wie dann später auch Juda – und das
finden wir hier im Buch Daniel – gerichtet werden musste. Von Manasse lesen wir
z.B., dass er Juda verleitete, mehr Böses zu tun als die Nationen (2.
Chr 33,9), d.h. Juda war verdorbener als die Nationen dieser Erde mit all
ihrem Unflat.
• Und dann hat Gott gesagt, dass das nicht mehr Sein Volk und Er nicht mehr ihr
Gott sei – Lo-Ammi (Hos 1,9). Und so kommt jetzt
die Botschaft durch einen einzigen Mann, durch Daniel.
Es hatte Gott nicht wohlgefallen, solange Er noch mit Israel in Verbindung
stand, eine Nation dieser Erde so zur Supermacht werden zu lassen, wie es dann
unter den vier Weltreichen, von denen Nebukadnezar das Haupt von Gold war, der
Fall wurde. Diese Weltreiche waren gekennzeichnet durch sehr hohe
Persönlichkeiten, und ihr Reich umschloss mehr oder weniger die ganze damalige
bekannte Welt. Das hatte Gott nicht gestattet, solange noch Verbindung mit
Israel bestand. Es gab wohl mächtige Staaten, z.B. das hochkultivierte Ägypten,
die Sumerer, die Assyrer, aber Gott gestattete nicht, dass sie eine überragende
Position einnahmen, solange noch Israel bestand. Jetzt aber war Israel
beiseitegesetzt, und das ist der Startpunkt des Buches des Propheten Daniel.
Jetzt benutzt Gott nicht mehr Propheten, um zu Seinem Volk zu sprechen. Es
ist überhaupt ein Charakterzug Gottes, dass Er immer dann, wenn der Verfall in
Seinem Volk eingetreten war, Propheten sandte. Das Senden von Propheten ist an
sich kein gutes Zeichen. Es ist durchgängig so, wenn Propheten kamen und Gott
durch sie redete, dass das Volk irgendwie abgefallen war. Letzten Endes war das
Auftreten von Propheten natürlich auch Gnade, aber es war eben auch ein Zeichen
dafür, dass die Dinge in Unordnung waren. Dass Gott also durch Propheten zu
Seinem Volk redete, fehlt im Buch Daniel komplett. Hier wird nicht mehr
irgendwie zu einem Überrest gesprochen, sondern es ist eine einzelne Person –
dieser gottesfürchtige Daniel – der Gott sich offenbart, sonst niemandem. Es ist
keine Botschaft Gottes an Sein Volk. Dass wir im Lauf des Buches auch immer
wieder Hinweise auf den kommenden Fürsten, den Herrn Jesus, haben werden, macht
dieses Buch so beglückend. Sonst aber ist es ein Buch von sehr ernster Natur.
Wir sehen also im Buch Daniel, dass die Zeiten der Nationen (Lk
21,24) begonnen haben. Diese Zeiten der Nationen dauern an, bis der Herr
zur Aufrichtung Seines Reiches wiederkommt und dann auch diese Nationen richten
wird, weil sie ihrer Verantwortung ebenfalls nicht entsprochen haben. Aber in
dieser Zeit der Nationen bewahrt sich Gott einen Überrest auf, und den finden
wir im Buch Daniel dargestellt in Daniel und seinen Freunden. Und es sind zwei
Dinge, die diesen Überrest besonders kennzeichnen:
• sie erhalten sich rein in fremdem Land, und
• Gott gibt ihnen aufgrund ihrer Treue Kenntnis und Einsicht über Seine Gedanken
(vgl. Ps 25,14)
Es ist bemerkenswert, dass Gott sogar das, was Er tun würde, zunächst nicht
Daniel offenbart, sondern den König Nebukadnezar in einem Traum sehen lässt. Und
dieser König braucht dann Daniel, um überhaupt zu verstehen, was er gesehen
hatte. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass Gott sich zurückgezogen hatte in den
Himmel und dass es sich hier um die Zeiten der Nationen handelt. Typisch für das
Buch Daniel ist deshalb der Ausdruck Gott des Himmels, er kommt viermal in
diesem Buch vor (Dan 2,18+19; 2,37+44), sonst
überwiegend in den Büchern Esra und Nehemia. Gott als König ist im Himmel, Er
redet in Seiner Gnade noch zu Einzelnen, aber während der Zeit der vier
Weltreiche hat Er Seinen Platz im Himmel und offenbart sich nicht und hat die
Macht auf der Erde diesen vier Weltreichen überlassen.
Einen weiteren Hinweis darauf finden wir in der Tatsache, in welcher Sprache
Gott einen großen Teil des Buches Daniel hat schreiben lassen; von
Dan 2,4 – 7,28ist der Text in aramäischer Sprache
geschrieben (s. Fußnote in Dan 2,4). Auch das
drückt durchaus eine Art Gericht Gottes aus, denn Aramäisch war früher für das
Volk Israel eine Fremdsprache, die sie nicht verstanden (vgl.
2. Kön 18,26).
Daniel
Das Buch Daniel ist eines der am meisten vom Feind angegriffenen Bücher der
Bibel. Wohl deshalb, weil Daniel zum Teil weit bevor Dinge eingetroffen sind,
historische Wahrheiten vorhergesagt hat. Es ist sehr auffällig, dass der Geist
Gottes immer dann, wenn ein besonderer Angriff Satans bevorstand, im NT
ausdrücklich bestätigt, was im AT geschrieben war. So betont das NT auch
ausdrücklich, dass Daniel ein Prophet war (Mt 24,15),
dass seine Weissagungen Wort Gottes sind und dass der Herr Jesus selbst seine
Aussagen bestätigt (Mk 13,14). Er ist also der
Verfasser dieses ganzen Buches. Über die meisten schreibenden Propheten wissen
wir sehr wenig von ihren persönlichen Hintergründen. Bei Daniel ist das anders,
über ihn wissen wir sehr viel.
Daniel bedeutet mein Richter ist Gott. Als junger Mann wird er nach Babel
deportiert und bleibt dort bis ins hohe Alter Seinem Gott treu! Er hatte nicht
nur einen guten Anfang genommen sondern blieb auch bis zum Schluss treu und
entschieden. Ähnlich wie bei Joseph schildert uns Gottes Wort keine Schwäche
oder Sünde oder etwas Böses in seinem Leben. Gleich im ersten Kapitel werden
eine ganze Reihe moralischer Charaktereigenschaften von ihm gezeigt, seine
Entschiedenheit und Treue, sein Herzensentschluss und seine Absonderung. Er war
ein junger Mann von vielleicht 16 Jahren, der da schon mit absoluter
Entschiedenheit fern von seinem Zuhause unter den schwierigsten Umständen in der
Fremde auftritt. Auch bewies er tiefes Mitempfinden und Erschütterung über die
furchtbaren Dinge sein eigenes irdisches Volk betreffend, die Gott ihm in diesem
Buch zeigte. Mehrmals wird er deshalb in diesem Buch von Gott als Vielgeliebter
angesprochen (Dan 9,23; 10,11+19). Gott hatte Sein
besonderes Augenmerk auf ihn gerichtet, weil Er sah, welch ernste Auffassung er
von seinem Glauben an den HERRN hatte.
Auch außerhalb des Buches Daniel selbst finden wir verschiedene Hinweise auf
bemerkenswerte Eigenschaften dieser vorbildlichen Person:
• in Mt 24,15 wird er als Prophet bezeichnet; die
Art und Weise, wie Gott ihn als Prophet benutzt, ist etwas anders als bei den
übrigen Propheten, wo Gott durch den Propheten eine direkte Ansprache an das
Volk hatte. Prophet bedeutet, dass jemand ein Sprachrohr für jemand anderen ist.
Daniel ist Sprachrohr Gottes an uns; was er in diesem Buch niedergeschrieben
hat, ist eine Ansprache Gottes an uns, Gott benutzt Daniel als Sprachrohr. Aber
ein Prophet ist auch ein Sprachrohr von Menschen zu Gott, und Daniel übernimmt
auch diese Rolle eines Propheten in seinem beeindruckenden Gebet in
Daniel 9.
• in Hes 14,14+20 wird er sittlicherweise auf eine
Stufe mit Noah und Hiob gestellt, und Gott gibt ihm hier ein außergewöhnliches
Zeugnis seiner praktischen Gerechtigkeit, d.h. dass Daniel in Übereinstimmung
mit dem lebte, was er von Gott und Seinem Willen wusste. Noah war Prediger der
Gerechtigkeit (2. Pet 2,5), und bei Hiob wird
wiederholt seine Vollkommenheit und Rechtschaffenheit gerühmt (Hiob
1,1+8). Und auf diese Stufe stellt Gott auch den Daniel.
• in Hes 28,3 wird Daniel noch einmal erwähnt, und
Gott zieht dort einen Vergleich, um die Weisheit des gefallenen Engelsfürsten zu
beschreiben, und die Referenz, die Er dabei benutzt, ist Daniel. Er muss ein
überaus weiser Mann gewesen sein (vgl. Dan 1,17).
• In Heb 11,33 wird er zwar nicht namentlich
erwähnt, aber von welchem Propheten sonst könnte gesagt werden, dass durch
dessen Glauben der Löwen Rachen verschlossen wurden?
Das Buch Daniel
Die ersten 6 Kapitel Daniels zeigen uns die äußere Entwicklung der vier
antiken Weltreiche, die sukzessive aufeinander folgten, aber in ihrer Kraft
jeweils nachließen, wie sie uns in dem Traum Nebukadnezars von dem Standbild
vorgestellt werden (Dan 2,31–33). Zuerst haben wir
das babylonische Weltreich (das Haupt von feinem Gold), das größte an Macht, das
es je gegeben hat; dann folgt das medo-persische Königreich des Königs Kores
(Brust und Arme von Silber); dann das griechische Weltreich (Bauch und Lenden
von Kupfer), und dann noch das römische Reich (Schenkel und Füße von Eisen und
Ton). Die Hochzeiten dieser Reiche sind natürlich längst vorbei. Das römische
Reich ist auch in gewissem Sinn vorbei, hat seine Blütezeit längst hinter sich,
aber es wird wieder erstehen. Gott wird noch einmal mit Rom anknüpfen, wie uns
die Offenbarung zeigt.
Während uns also die Kapitel 1–6 die äußere Entwicklung dieser 4 Weltreiche
zeigen, beschäftigen sich die Kapitel 7–13 mehr mit dem inneren Wesen und
Charakter dieser Weltreiche. In diesem zweiten Teil des Buches werden sie
vorgestellt in dem Gesicht Daniels von den vier großen Tieren (Dan
7,3–7).
„“Im dritten Jahr der Regierung Jojakims, des Königs von Juda, kam
Nebukadnezar, der König von Babel, nach Jerusalem und belagerte es. Und der Herr
gab Jojakim, den König von Juda, in seine Hand, und einen Teil der Geräte des
Hauses Gottes; und er brachte sie in das Land Sinear, in das Haus seines Gottes:
Die Geräte brachte er in das Schatzhaus seines Gottes“ (Vers 1+2)
Die ersten Verse des Buches Daniel stellen die Erfüllung der Prophezeiung
Jesajas an Hiskia dar. Nebukadnezar kam im dritten Jahr der Regierung Jojakims
zur Belagerung Jerusalems, und der Herr gab die Stadt in seine Hand. Wir haben
hier eine sehr ernste Entwicklung vor uns. Gott zieht sich gleichsam zurück in
den Himmel, sodass Daniel mit Recht sagt, dass die Macht und der Wille Gottes es
war, die Nebukadnezar zu einem König der Könige gemacht hat, während Er sich
selbst als Gott des Himmels im Himmel zurückhielt (Dan
2,37).
Jojakim war der Sohn des gottesfürchtigen Königs Josia. Neko, der König von
Ägypten, hatte ihn zum König an seines Vaters statt gemacht und ihm den Namen
Jojakim gegeben (2. Kön 23,34+35). Welch ein
gewaltiger Unterschied bestand zwischen Josia und seinem Sohn Jojakim bezüglich
der Wertschätzung und Anerkennung des Wortes Gottes! Josia zerriss seine
Kleider, als er die Worte dieses Buches hörte (2. Kön
22,11); Jojakim dagegen zerschnitt die Buchrolle mit den Worten Gottes
und warf sie ins Feuer (Jer 36,23). Er war
verantwortlich als König über das Volk Gottes, aber er hat dieser Verantwortung
nicht entsprochen. In Jer 22,18+19 wird dann das
Ende dieses Königs beschrieben.
Das Land Sinear wird schon in 1. Mo 10,10
erwähnt, dort wird Babel als Teil dieses Landes beschrieben, wahrscheinlich das
Kernland des Landes Sinear. Der damalige Herrscher dieses Reiches war Nimrod.
Babel ist ein Bild dieser Welt. Die Bibelzeigt uns vier Charakterzüge von Babel,
wie wir sie auch in der Welt heute wiederfinden: der gewaltige Jäger Nimrod in
1. Mo 10,8–10 zeigt uns ihre Härte und Brutalität.
Auch wenn Babel manchmal lächelt und freundlich erscheint, sollten wir uns
nichts vormachen. Wir dürfen von dieser Welt und ihrem Fürsten kein Erbarmen
erwarten, Härte und Brutalität stehen dahinter. 1. Mo
11,1–9 zeigt uns dann bei dem Turmbau zu Babel den Hochmut als zweiten
Charakterzug dieser Welt. Der Prophet Daniel hier zeigt uns einen dritten
Charakterzug, nämlich den der Vermischung oder Toleranz. Der Teufel versucht,
auf welche Weise auch immer, uns mit dieser Welt zu vermischen. Wenn es um
Toleranz geht, ist die aus Sicht der Welt auch immer einseitig, denn immer
sollen die Christen Eingeständnisse machen, um sich an die Welt anzupassen, nie
umgekehrt. Und in Off 17 + 18 finden wir dann
einen vierten Charakterzug, dort wird Babel als ein Bild der religiösen Welt
vorgestellt. In Babel geht es nicht nur um moralische Vermischung, es geht auch
um religiöse Vermischung.
Nebukadnezar als König von Babel ist aber nicht ein Bild von dem Teufel, dem
Fürsten der Welt. Er war von Gott eingesetzt worden, er war das Haupt von Gold.
Durch ihn hatte Gott dafür gesorgt, dass auf dieser Erde stabile Regierungen
entstünden, nachdem das Volk Israel beiseite gesetzt war. Natürlich war der Hof
Nebukadnezars voller Götzendienst, aber wir können ihn nicht nur negativ sehen,
er war eine von Gott gegebene Autorität (Dan 2,37)
– zum Guten für die Menschen und zum Zügeln der Leidenschaften der Menschen. Er
war letzten Endes sogar ein Knecht Gottes (Jer 43,10).
„Und der König befahl Aschpenas, dem Obersten seiner Hofbeamten, dass er von
den Kindern Israel, sowohl vom königlichen Geschlecht als auch von den
Vornehmen, Jünglinge brächte, an denen keinerlei Fehl wäre und die schön von
Aussehen und unterwiesen in aller Weisheit und kenntnisreich und mit Einsicht
begabt und tüchtig wären, im Palast des Königs zu stehen, und dass man sie die
Schriften und die Sprache der Chaldäer lehre“ (Vers 3+4)
Zuerst nun geht dieser König von Babel nach Jerusalem und holt dort die Elite
Jerusalems zu sich nach Babel, und dann folgt die Integration und Umerziehung
nach den Prinzipien Babels. Was ist das Ziel des Teufels heute? Er möchte uns in
seinen Einflussbereich bekommen. Damals konnten die Jünglinge gar nicht anders,
sie mussten von Jerusalem nach Babel. Wir haben heute diesen politischen Zwang
nicht, aber es gibt doch gewisse Sachzwänge. Wir gehen in Babel zur Schule, wir
bilden uns aus in Babel, wir arbeiten in Babel, in dieser Welt.
Die Prophezeiungen Jesajas und Jeremias über dieses Gericht Gottes an Seinem
Volk (Jes 39,6+7; Jer
25,11+12) war also eingetreten (vgl. auch 5. Mo
28,32). Und Nebukadnezar tut jetzt etwas ganz Raffiniertes. Er will diese
Jünglinge aus Israel, die ja an sich schon außergewöhnlich sein sollten, zu
Chaldäern machen. Und die Beschreibung der Kriterien, die diese jungen Männer
haben sollten, beginnt nicht bei ihren inneren Fähigkeiten, sondern bei ihren
äußeren Qualitäten. Es ist immer die Weise des Teufels, dass er den Blick auf
das äußerlich Beeindruckende hat, Gott aber sieht auf das Herz (1.
Sam 16,7). Diese Jünglinge sollten in der Sprache und der ganzen Weisheit
der Chaldäer unterwiesen werden. Nebukadnezar wollte sie damit vergessen machen,
wo sie herkamen, dass sie zum Volk Israel gehörten. Und er bot ihnen damit auch
die Möglichkeit, in diesem Riesenreich aufzusteigen und Karriere zu machen, eine
wichtige Rolle zu spielen. Natürlich ist es das Ziel des Teufels, uns alle in
seinen Einflussbereich zu bekommen und uns dann umzuerziehen. Aber wir sehen
hier, auf wen er es besonders abgesehen hat.
Seine Auswahlkriterien lassen sich in zwei Gesichtspunkten zusammenfassen: er
will die Besten haben, und er will die Jungen haben. Wenn er die kriegen kann,
dann hat er nicht nur diesen Jungen und Besten geschadet, dann hat er auch dem
Herrn geschadet. Napoleon Bonaparte hat einmal gesagt: Wer die Jugend hat, hat
die Zukunft. Das wusste damals der Pharao und das wusste hier auch Nebukadnezar.
Und heute ist das nicht anders. Sind auch wir Älteren, die wir uns mit der
Jugend beschäftigen, bewusst, dass der Teufel es gerade auf die jungen Leute
abgesehen hat? Wenn er Ältere vom Weg abzieht, ist das schlimm genug, dann ist
vielleicht ein halbes Leben verloren für den Herrn. Wenn er aber einen Jungen
abzieht, ist ein ganzes Leben verloren für den Herrn! Wenn er die, die
nachrücken, für sich instrumentalisieren kann, dann hat er damit dem Herrn
geschadet, und das ist letztlich immer das Ziel bei allen seinen Bemühungen.
Die Zahl der Jünglinge in der Gefangenschaft ist nicht bekannt, es mögen
Hunderte gewesen sein. Sie waren eigentlich drei bösen Einflüssen ausgesetzt,
zunächst den Schriften und der Sprache der Chaldäer, dann der Tafelkost und dem
Wein des Königs, und schließlich kam noch die Namensänderung hinzu. Das waren
Riesenversuchungen für sie; zunächst eine kostenlose hochqualifizierte
Ausbildung, dann kostenlose Verpflegung und schließlich die höchsten Stellungen
in beruflicher Hinsicht, glänzendste Karriere-Aussichten.
Was die chaldäischen Schriften und Sprache betraf, zielte das auf ihren
Intellekt ab, ihr Verstand sollte auf babylonisch umgepolt werden. Im weiteren
Verlauf des Buches sind mit den Chaldäern direkt schon die Wahrsager gemeint,
die astrologische, heidnische Kenntnisse besaßen. Übrigens gehen deren damalige
vermeintliche Weisheiten bis in unsere heutigen Tage und in die Schulbücher
unserer Kinder hinein. Empfinden wir nicht zu unserer heutigen Zeit ernste
Parallelen zu dieser damaligen Gefahr der Indoktrinierung unserer Kinder durch
die Sprache und die Schriften der Welt? Heute wird unserer Jugend nicht nur
Mathematik und Physik beigebracht, sondern die angeblichen Kenntnisse über
Evolution sind aus keinem Lehrplan wegzudenken.“Und der König bestimmte ihnen
für jeden Tag eine Tagesration von der Tafelkost des Königs und von dem Wein,
den er trank, und dass man sie drei Jahre lang erzöge; und an deren Ende sollten
sie vor dem König stehen“ (Vers 5)
Drei Jahre lang sollte die Ausbildung oder Umerziehung dauern, und während
dieser drei Jahre sollten sie mit der Tafelkost des Königs ernährt werden und
von seinem Wein trinken. An der Tafelkost des Königs Nebukadnezar teilzunehmen,
war ein hochgefährliches Angebot. Speise ist das, was wir aufnehmen. Bei dieser
zweiten Gefahr geht es nicht um das Intellektuelle, sondern um die Einflüsse für
unser natürliches Leben. Denken wir an die Sexualkunde mit allem, was dazu
gehört; furchtbare Dinge, die gegen Gottes Wort sind. Das ist die Speise, die
unseren Kindern heute vorgesetzt wird. Und hochgestellte Politiker leben uns das
im Blick auf Homosexualität sogar noch vor. Diese zweite Gefahr betraf ihre
Moral und Ethik, und hier versuchten sie sich, dagegen zu wehren. Dieser Bericht
ist ungefähr 2600 Jahre alt, aber hochaktuell für unsere Tage, und wir brauchen
in unseren Tagen die Entschiedenheit dieser vier Freunde. In der Welt wird
Entschiedenheit überhaupt nicht mehr erwartet, eher sogar verachtet, da ist
Toleranz gefragt, alles muss mitgemacht werden.
Diese Tafelkost war aus mehreren Gründen unrein. Die Speisen Nebukadnezars
konnten unmöglich den Forderungen Gottes aus 3.Mose entsprechen. Aber noch
ernster ist es, dass das, was Nebukadnezar gegessen und getrunken hatte, vorher
den Götzen geopfert worden war. Das machte die Sache so ernst.
Es ist auffallend, dass jedes Mal, wenn von der Tafelkost die Rede ist, der
Wein als zusätzliches Genussmittel noch besonders erwähnt wird. Der Wein ist an
sich ein Bild der natürlichen, unschuldigen, an sich nicht bösen Freude auf
dieser Erde (Ri 9,13; Ps
104,15). Aber hier ist es der Wein Babels (Off
17,2), der mit absolut weltlichem Bösen verbunden ist. Weltliche
Begierden und Freuden verunreinigen, sowohl sittlich-moralisch als auch
religiös. Es war also ein zusätzliches Lockmittel des Königs, diesen Jünglingen
verderbliche und verunreinigende Freuden geben zu wollen. Das ist auch in
unserer Zeit ein ganz gefährlicher Punkt für uns alle, denn wir leben in einer
genusssüchtigen Welt, die viele schöne Dinge anbietet; dabei dürfen wir aber nie
vergessen, dass es der König von Babel ist, der sie uns anbietet.
„Und unter ihnen waren von den Kindern Juda: Daniel, Hananja, Misael und
Asarja. Und der Oberste der Hofbeamten gab ihnen Namen; und er nannte Daniel
Beltsazar, und Hananja Sadrach, und Misael Mesach, und Asarja Abednego“ (Vers
6+7)
Der Oberste der Hofbeamten mochte gedacht haben, dass die Namen dieser vier
Freunde nicht zum Hof des Königs Nebukadnezars passten, weil sie alle einen
Hinweis auf Gott in ihrem jeweiligen Namen tragen:
• Daniel: mein Richter ist Gott; dieser Name war Programm für Daniel, er sah
sich persönlich als verantwortlich vor Gott als seinem Richter; er wollte nicht
treu sein, damit Gott ihn gebrauchen konnte, aber Gott konnte ihn gebrauchen,
weil er treu war
• Hananja: den der HERR gnädiglich gegeben
hat, der Herr ist gnädig
• Misael: wer ist wie Gott
• Asarja: dem der HERR hilft, der HERR
hilft
Diese Namen gaben ein deutliches Zeugnis von der Herkunft dieser Männer, aber
sie passten nicht an den Hof des Königs. Bei diesen jungen Leuten sollte ihre
Identität verändert werden, sie sollten Chaldäer werden und das Judentum und den
Gott, den sie bis dahin verehrt hatten, total vergessen. Das Gedächtnis an den
Namen Gottes sollte völlig ausgelöscht werden bei ihnen und durch ihre neuen
Namen sollte ausgedrückt werden, dass die Götter der Chaldäer stärker seien.
Deshalb ließ dieser Oberste ihnen neue Namen geben, die alle mit dem bösen
Götzen dieser Völker zu tun haben:
• Beltsazar: den Bel begünstigt oder beschirmt; Nebukadnezar sagt selbst, dass
das ein Name seines Gottes ist (Dan 4,5), nach
Jes 46,1 sogar einer der Hauptgötter von Babel
• Sadrach: Befehl des Aku (der Mondgott)
• Mesach: wer ist wie Aku
• Abednego: der Knecht des Nego (der Gott der Weisheit); Nego ist wahrscheinlich
eine bewusste Entstellung von Nebo, einer weiteren Hauptgottheit von Babel (Jes
46,1)
Und diese vier Freunde akzeptierten erst einmal, dass man ihre Namen änderte;
sie hatten auch gar keine andere Wahl, denn sie waren Sklaven, ohne jedes Recht
in der Fremde. Auffallend ist aber, dass gleich im nächsten Vers Daniel bei
seinem alten Namen genannt wird. Und er selbst hält auch an seinem alten Namen
fest, wie der weitere Verlauf dieses Buches zeigt (z.B.
Dan 8,1+15+27; 9,2; 10,7+11+12). Und auch der Herr Jesus selbst spricht
von ihm als Daniel. Wenn wir treue Knechte Gottes sind, wenn es unser Wunsch
ist, auch in der Fremde unseren Herrn zu verherrlichen, dann wird Er unseren
Namen bewahren – bis in Ewigkeit! Daniel bleibt Daniel, auch im Himmel.
„Und Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, sich nicht mit der Tafelkost des
Königs und mit dem Wein, den er trank, zu verunreinigen; und er erbat sich vom
Obersten der Hofbeamten, dass er sich nicht verunreinigen müsse“ (Vers 8)
Daniel war ein Mann von Vorsätzen. Im Alter von ca. 16 Jahren hatte er
Vorsätze, und er war bereit, als diese Vorsätze auf die Probe gestellt wurden.
Daniel war deshalb später ein Vielgeliebter, ein Mann nach dem Herzen Gottes,
weil er als junger Mann ein entschiedener Mann war. Er hatte Grundsätze Gottes,
für die er eintreten wollte. Und wenn er je Gedeihen haben sollte – und er hatte
über mehrere Dynastien hinweg bis zur Zeit des Kores Gedeihen gehabt – dann nur,
weil er als junger Mann Entschlüsse gefasst hatte, die er mit der Hilfe des
Herrn durchführte. Hatte nicht Gott sie in die Ferne geführt? Konnten sie denn
hier in Babel überhaupt darauf achten, nur das zu essen, was rein war? Und doch
hatte Daniel diesen Herzensentschluss, sich nicht mit der Tafelkost des Königs
zu verunreinigen. Was muss er schon in seinem Elternhaus an Unterweisungen
bekommen haben, dass er sich als Jugendlicher nicht von den Verlockungen der
Welt verleiten ließ.
Das spricht auch unsere Verantwortung als Eltern an. Unsere Kinder und jungen
Leute sind heute umgeben von dem Sumpf Babylons und diesen Einflüssen
ausgesetzt. Da ist es unsere Aufgabe, ihnen beizustehen und zu helfen. Haben wir
als Väter Zeit für unsere Kinder, um sie vor diesen Einflüssen zu schützen? Was
geben wir unseren Kindern an geistlichem Rüstzeug mit, welche Grundsätze lernen
sie im Elternhaus kennen? Kennen unsere Kinder, wenn sie das Elternhaus
verlassen, die Grundsätze und Gedanken Gottes für unser Leben? Und haben sie bei
uns auch sehen können, dass wir selbst danach leben?
In 1. Pet 3,15 werden wir aufgefordert,
Christus in unseren Herzen zu heiligen. Es geht nicht nur um eine äußerlich zur
Schau gestellte Frömmigkeit, vielleicht sogar mit einer gewissen Heuchelei
verbunden, sondern die Entscheidungen für den Herrn müssen aus unserem Herzen
hervor kommen. Und wenn es vom Herzen ausgeht, dann wird auch das äußere
Verhalten dem Herzenszustand entsprechen. Als Barnabas nach Antiochien kam,
ermahnte er die Geschwister dort, mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu
verharren (Apg 11,23). Wir brauchen heute solche
entschiedenen Christen mit Herzensentschlüssen für den Herrn! Wie wertvoll, wenn
unsere Herzen von dem erfüllt sind, was die Ehre Gottes ausmacht. Daniel und
dann auch seine Freunde zeigen uns, dass man auch in böser Zeit treu sein kann.
Das ist auch die Botschaft des 2.Tim-Briefes, dieses dreifache „Du aber“ (2.
Tim 3,10+14; 4,5). So wurde Daniel zu einem Vorbild für alle jungen
Gläubigen, und sogar auch für die alten.
Daniel hatte diesen Herzensentschluss gefasst, als die Versuchung konkret vor
ihn gestellt wurde. Was mag in seinem Herzen vorgegangen sein, als er in
Jerusalem gefangen genommen und nach Babel deportiert wurde? Wir dürfen
annehmen, dass er dort schon um Bewahrung gebetet hat. Er wusste sicher noch
nicht im Einzelnen, welche Art von Versuchung in Babel auf ihn zukommen würde,
aber er wusste, dass es ein Ort war, an welchem dem Götzendienst gehuldigt
wurde. Wenn heute ein junger Mensch sein Elternhaus wegen Ausbildung oder
Studium oder aus anderen Gründen verlassen muss, dann weiß er meistens auch noch
nicht, was an dem neuen Ort alles auf ihn zukommen wird. Eins aber weiß er ganz
sicher, es handelt sich immer um Plätze in dieser Welt, wo es auch Versuchungen
geben wird. Und deshalb ist diese Bitte um Bewahrung so wichtig für einen jeden.
Entscheidend ist aber auch, dass ein solcher Herzensentschluss gleich ganz am
Anfang in der neuen Umgebung auch umgesetzt wird. Je länger wir warten, umso
schwieriger wird es, weil unser Verhalten vorher einer solchen Entscheidung dann
oft entgegensteht.
Bis hier ist es übrigens nur Daniel, noch nicht seine drei Freunde, der sich
in seinem Herzen diese Sache vornahm. Es ist oft in der Bibel zu finden, dass
die Energie und die Erweckung bei einer einzelnen Person beginnt und dann auf
die Übrigen übergreift, so wie auch hier bei den drei Freunden Daniels. Sein
Beispiel hat seine drei Freunde angespornt, und so erlebt er, was Paulus in
2. Tim 2,19–22 dem Timotheus schreibt, dass das
Abstehen von der Ungerechtigkeit und das Fliehen der jugendlichen Begierden mit
denen verwirklicht werden kann, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen. Unsere
Entscheidungen und unser Verhalten haben Auswirkungen auf andere, ob wir das
wollen oder nicht, und das gilt sowohl positiv als auch negativ. Aber weil
Daniel solch einen Herzensentschluss gefasst hatte, hat Gott ihn auch so
außerordentlich gesegnet. Ja, Er zieht Seine Augen nicht ab von dem Gerechten (Hiob
36,7). Aber es ist auch ein trauriger Gedanke, dass es weit mehr
Jünglinge gewesen sein mögen, die dem Beispiel Daniels nicht gefolgt sind! Sie
dachten nicht so, wie diese vier Freunde – und sie versagten in der Erprobung.
Wir lernen daraus, dass man sich selbst unter Gläubigen manchmal gegen den Strom
stellen muss.
Absonderung ist ein fundamental wichtiger Gedanke für unser geistliches
Leben! Sie äußert sich hier darin, dass diese jungen Männer sagen, dass sie
diese Speisen nicht essen und den Wein des Königs nicht trinken können. Bei den
Speisen gab es ja klare Gebote von Seiten Gottes (3. Mo
11); und das Einhalten dieser Anordnungen bewirkte geradezu die
Absonderung von den umgebenden Völkern. Dabei ging es um die Unterscheidung
zwischen rein und unrein (3. Mo 11,46+47; vgl.
Hes 22,26; 44,23). Gott möchte auch heute, dass
immer wieder Belehrung da ist zur Unterscheidung zwischen Unreinem und Reinem,
und die Verantwortung darüber fängt in der Familie an. Die Probleme unserer
Kinder sind in erster Linie die Probleme ihrer Eltern! Joseph war unter seinen
Brüdern der Abgesonderte (1. Mo 49,26;
5. Mo 33,16), deshalb konnte auf ihm das
Wohlgefallen Gottes ruhen. Woher kommt all diese Schwachheit unter uns? Weil wir
diesen klaren Standpunkt nicht mehr einnehmen, weil wir nicht mehr in jeder
Hinsicht klar auf der Seite des Herrn stehen. Auch wenn es sich um scheinbar
belanglose Äußerlichkeiten handelt, wie hier diese Speisen – es war Gottes Wort,
und unter keinen Umständen wollten Sie gegen Gottes Willen handeln. Das ist kein
Sektierertum sondern der wahre Charakter des Glaubens! Ich kann nicht ein Herz
für den Herrn haben und dann Sein Wort nicht beachten oder als Nebensächlichkeit
abtun; auch nicht, wenn es mir unwichtig vorkommt. Wenn wir unsere persönliche
Meinung neben das Wort Gottes stellen und ihr mehr Gewicht geben, dann ist das
ein Mangel an Hingabe und Treue bei uns.
Wichtig ist auch zu sehen, auf welche Art und Weise Daniel seinen Entschluss
vorbrachte. Ein Herzensentschluss ist ja nicht etwas, was im Herzen bleibt, es
muss ja auch zur Ausführung kommen (Spr 4,23). Wir
entschuldigen manchmal unser eigenes Versagen damit, dass wir zwar etwas in
unserem Herzen vorhatten, aber es nicht geschafft haben. Daniel war da anders.
Er hatte zunächst ein klares Urteil über das Angebot des Königs, er wusste, dass
diese Tafelkost verunreinigende Auswirkungen auf ihn haben würde. Aber dann gab
er auch ein ehrliches Bekenntnis über sein Urteil ab; er gebrauchte keine
Ausreden irgendwelcher Art, sondern bezeugte klar, dass er sich damit
verunreinigen würde. Und schließlich trug er seinen Entschluss auch in einer
geziemenden Weise dem Obersten der Hofbeamten vor, denn er erbat es sich von
ihm, dass er sich nicht verunreinigen müsse. Keine Opposition oder Widerstand
oder Aufbegehren, sondern in schicklicher, anständiger Weise als Bitte
formuliert. Ein vorbildliches Verhalten dieses 16-jährigen Jünglings für uns
alle!
„Und Gott gab Daniel Gnade und Barmherzigkeit vor dem Obersten der
Hofbeamten“ (Vers 9)
Was Daniel gemacht hatte, war nicht ganz ungefährlich gewesen. Wenn man als
Sklave in Babel es wagte, den Mund aufzutun, hätte das auch schnell den Tod zur
Folge haben können. Aber Gott stand dahinter, und Daniel erfuhr ein Stück weit,
dass sogar seine Feinde mit ihm in Frieden waren, weil seine Wege dem HERRN
wohlgefielen (Spr 16,7).
Gott gab ihm Gnade und Barmherzigkeit. Daniel brauchte beides. Er brauchte
die unverdiente Zuwendung Gottes, denn er war ja Teil eines Volkes, das Gott
nicht mehr Sein Volk nennt, Teil eines Volkes, das sich total von Gott abgewandt
hatte. Dennoch gibt Gott dem Daniel unverdienterweise Seine Zuwendung. Aber
Daniel brauchte auch Barmherzigkeit, denn er war in ganz schwierigen und
notvollen Umständen als Gefangener in fremdem Land. Darin brauchte er das
Mitempfinden Gottes mit seiner Situation. Gott gibt ihm beides! Das bedeutete
aber nicht, dass die Wege Daniels sofort glatt verlaufen wären; sein Glaube wird
auch noch weiter geprüft.
Was war das Erfolgsrezept Daniels? War es sein Herzensentschluss, oder war es
die Gnade und Barmherzigkeit Gottes? Beides ist unabdingbar! Dieser Vers zeigt
uns ein Prinzip Gottes, das wir immer wieder in der Bibel sowohl im AT als auch
im NT finden, nämlich das Prinzip von Gnade und Verantwortung. Diese beiden
Grundsätze laufen immer parallel nebeneinander. Daniel war zu 100% von der Gnade
und Barmherzigkeit Gottes abhängig; aber es war genauso zu 100% wichtig, dass er
diesen Herzensentschluss gefasst hatte und ihn auch umsetzte, indem er sein
Anliegen in angemessener Form vorbrachte. Die Gnade Gottes nimmt nie unsere
Verantwortung weg; und unsere Verantwortung nimmt nie die Gnade Gottes weg.
„Und der Oberste der Hofbeamten sprach zu Daniel: Ich fürchte meinen Herrn,
den König, der eure Speise und euer Getränk bestimmt hat; denn warum sollte er
sehen, dass eure Angesichter verfallener wären als die der Jünglinge eures
Alters, so dass ihr meinen Kopf beim König verwirktet?“ (Vers 10)
Daniel scheint seine drei Freunde sogleich in diese Angelegenheit mit
einbezogen zu haben, denn der Oberste der Hofbeamten antwortet hier schon in der
Mehrzahl. Sie müssen die gleiche Gesinnung wie er selbst gehabt haben. In dieser
Situation ging es um die Abwehr verderblicher Einflüsse, und die Einstellung
Daniels hatte sich auf seine Glaubensgenossen übertragen.
Aber der Oberste fürchtete um sein Leben und verweigerte den vier Freunden
ihre Bitte. Menschenfurcht trifft auf Gottesfurcht. Wir sehen deutlich den
Unterschied zwischen Glaube und Unglaube. Glaubensmut ist nicht Unnüchternheit,
aber die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus (1. Joh
4,18 ). Glaube überwindet entgegenstehende Hindernisse.
„Und Daniel sprach zu dem Aufseher, den der Oberste der Hofbeamten über
Daniel, Hananja, Misael und Asarja bestellt hatte: Versuche es doch mit deinen
Knechten zehn Tage, und man gebe uns Gemüse zu essen und Wasser zu trinken; und
dann mögen unser Aussehen und das Aussehen der Jünglinge, die die Tafelkost des
Königs essen, von dir geprüft werden; und tu mit deinen Knechten nach dem, was
du sehen wirst“ (Vers 11–13)
Daniel aber gibt deshalb nicht auf, er zeigt ganze Entschiedenheit,
Beharrlichkeit und Vertrauen auf Gott. Er hätte sich ja auch sagen können, dass
er jetzt alles in seiner Macht stehende versucht hatte, sogar bei dem Obersten
der Hofbeamten, und dass er sich nun halt doch unterwerfen müsse und von dieser
Tafelkost und dem Wein ernähren müsse. Aber er sucht in aller Demut und
Unterwürfigkeit einen anderen Weg und wendet sich an einen anderen. Dieses Mal
geht er zu dem Aufseher, den der Oberste über diese Kleingruppe eingesetzt
hatte, also eine Ebene tiefer. Wenn es darum geht, in einer Welt, in der es oft
schwierig ist, für den Namen des Herrn einzustehen, dürfen wir ruhig
Einfallsreichtum in geistlichem Sinn beweisen und sollten uns nicht vorschnell
geschlagen geben. Der Herr wird uns helfen, wenn wir die rechte Gesinnung haben
und uns von Schritt zu Schritt richtig verhalten (Heb
11,6 ).
In aller Demut und Bescheidenheit zeigt Daniel dem Aufseher eine Möglichkeit
auf, in einem überschaubaren Zeitraum mit ganz einfachen und trotzdem nahrhaften
Mitteln versorgt zu werden und danach einen Vergleich mit den Übrigen zu machen.
Können wir uns vorstellen, wie sehr Daniel und seine Freunde besonders in diesen
10 Tagen um den Segen Gottes für diese Speisen gebetet haben mögen? Sicher haben
sie dabei ein ganz anderes Bewusstsein dabei gehabt als wir heute, wenn wir
Speise aus der Hand Gottes annehmen.
Die Zahl 10 ist in der Bibel immer ein Hinweis auf eine Zeit der Erprobung,
des Testes; und Daniel ist mit seinen Freunden bereit, sich diesem Test zu
stellen. Wir lesen ja nicht, dass Gott ihm Gelingen zugesagt hatte zu seiner
erneuten Bitte, aber er hatte das Vertrauen zu Gott, dass er Segen dazu geben
würde.
„Und er hörte auf sie in dieser Sache und versuchte es zehn Tage mit ihnen.
Und am Ende der zehn Tage zeigte sich ihr Aussehen besser und völliger an
Fleisch als das aller Jünglinge, die die Tafelkost des Königs aßen“ (Vers 14+15)
Gott sorgt dafür, dass diesem neuen Vorschlag Daniels stattgegeben wird.
Eigentlich hat diese konsequente Treue Daniels und seiner Freunde sogar eine
dreifache Antwort Gottes zur Folge: zunächst wird ihrem Vorschlag stattgegeben,
dann zeigt sich nach den Tagen der Erprobung ihr Aussehen besser als das der
Übrigen, und schließlich gibt Gott ihnen weitere Einsicht und Verständnis in
aller Schrift und Weisheit (Vers 17).
Ein eigentlich ganz unnatürliches Ergebnis dieses Versuches. Natürlicherweise
konnten sie allein mit Gemüse und Wasser nach 10 Tagen nicht blühender aussahen,
als alle Übrigen. Ihre Gebete, dass diese einfachen Speisen zur Ehre Gottes ihre
Wirkung tun würden, wurden erhört. Gott stand auf ihrer Seite, und dieses
Ergebnis bei den vier Freunden war der Ausdruck Seines Wohlgefallens an ihnen
und ihrer Treue. Gott hat immer reiche Belohnungen für den, der sich auf Seine
Seite stellt. Es ist etwas Großes, die Zustimmung und Bestätigung Gottes zu
erleben (1. Sam 2,30 ; Spr
16,7 ). Aber ein weltliches Sprichwort sagt auch: „Man ist, was man
isst“. Sicher hat auch die unreine Speise des Königs ihre Spuren bei den Übrigen
hinterlassen.
„Da tat der Aufseher ihre Tafelkost und den Wein, den sie trinken sollten,
weg und gab ihnen Gemüse“ (Vers 16)
Erst nach den 10 Tagen wurden die Tafelkost und der Wein weggenommen, die
ganze Zeit über stand sie neben dem Gemüse und Wasser, worum Daniel gebeten
hatte. Aber für den Rest der drei Jahre blieb sie dann weg, die Versuchung in
dieser Hinsicht war zu Ende für die Freunde. Es gab später neue Erprobungen,
aber diese Erprobung war zu Ende. Nachdem der Herr 40 Tage und Nächte in der
Wüste versucht wurde, wich der Teufel für eine Zeit von ihm (Lk
4,13 ). Auch in unserem Leben wird das so sein: wenn wir in einer
Erprobung wirklich standhalten, dann wird diese Erprobung auch einmal aufhören.
Wenn wir aber in einer Erprobung immer wieder nachgeben, werden wir über lange
Jahre mit solchen Dingen zu kämpfen haben.
Jeden Tag in den 10 Tagen hatten die vier Freunde die Tafelkost vorgesetzt
bekommen – und sie haben sie jeden Tag stehen lassen! Das war eine harte
Versuchung für sie. Und jetzt wurde nur ihnen die Tafelkost des Königs
weggenommen, nicht allen Jünglingen. Es war ja nur der Aufseher über diese vier
Freunde gewesen, der ihnen diesen Versuch gestattet hatte (Vers 11).
„Und diesen vier Jünglingen, ihnen gab Gott Kenntnis und Einsicht in aller
Schrift und Weisheit; und Daniel hatte Verständnis für alle Gesichte und Träume“
(Vers 17)
Wir müssen in diesem Kapitel zwischen zwei verschiedenen Arten von Weisheit
unterscheiden. Wenn in Vers 4 von den jungen Leuten gesagt wird, dass sie schon
Weisheit besitzen sollten, dann ist das eine irdische, praktische Befähigung,
erworbene Kenntnisse anzuwenden. Das ist ganz allgemein auch der Unterschied
zwischen Weisheit und Kenntnis. Weise Menschen sind meistens ältere Menschen,
die aufgrund ihrer Erfahrungen die Kenntnisse, die sie besitzen, angemessen
anwenden können. Im Geistlichen wird diese Unterscheidung in 1.
Kor 12,8 auch gemacht, wo von dem Wort der Weisheit und dem Wort der
Erkenntnis die Rede ist. Weisheit und Kenntnis sind also nicht identisch.
Weisheit ist die richtige praktische Anwendung des Wissens. Und das war die
Anforderung Nebukadnezars an die Jünglinge in Vers 4, und diesen gleichen
Maßstab der einsichtsvollen Weisheit legt er dann auch bei der Prüfung am Ende
der dreijährigen Ausbildung in Vers 20 an. Wenn Daniel dem Nebukadnezar später
seinen Traum anzeigt und deutet, dann spricht er in Dan
2,30 auch zuerst von dieser menschlichen Weisheit. Aber er sagt dann
sofort, dass er diese Traumdeutung nicht aufgrund dieser menschlichen Weisheit
anzeigen konnte, sondern aufgrund einer Offenbarung Gottes.
Was Gott den vier jungen Männern hier aber gibt, ist die Weisheit Gottes, und
wahre Weisheit kommt immer von oben (Jak 3,15+17 ).
Gott gibt sie uns gern, wenn wir darum bitten (Jak 1,5 ),
und der Herr Jesus ist der Inbegriff dieser Weisheit von Gott (1.
Kor 1,30 ). Wir besitzen auch den Geist der Weisheit (Eph
1,17 ), das meint nicht den Heiligen Geist, sondern dass wir durch den
Heiligen Geist Weisheit empfangen, Gottes Gedanken zu verstehen, denn der
natürliche Mensch kann sie nicht verstehen. Es ist dem Menschen auch nicht
möglich, von sich in den Besitz der Weisheit zu gelangen, Gott muss sie uns
geben (vgl. Hiob 28,12–28 ). Uns steht die
Weisheit Gottes zur Verfügung (Kol 1,9 ), aber sie
kann nur in einem gottesfürchtigen Herzen aufblühen, nur dort wird der Herr sie
zur Entfaltung bringen. Das ist fundamental wichtig. Gott gibt die Erkenntnis
Seines Willens nur dann, wenn wir aufhören, unsere eigenen Gedanken zu
verfolgen. Wir machen oft den großen Fehler, dass wir unsere Gedanken
festhalten, und dann den Herrn um Einsicht bitten. Aber wir müssen unsere
eigenen armseligen Gedanken total aufgeben, und dann wird der Herr uns Weisheit
schenken und Erkenntnis Seines Willens und geistliches Verständnis, ein vom
Geist Gottes geprägtes und gefördertes Verständnis.
Die Kenntnis und Einsicht in aller Schrift bezieht sich hier eindeutig auf
das Wort Gottes – im Gegensatz zu dem Ziel Nebukadnezars für die Jünglinge in
Vers 4 in Bezug auf die Schriften der Chaldäer. Wenn wir wünschen, dass Gott uns
Verständnis über Sein Wort schenkt, dann ist das untrennbar verbunden mit einem
Leben der Hingabe und der Absonderung. Wir werden niemals so nebenbei neben
einem weltförmigen Leben Erkenntnis über Gottes Wort erlangen (2.
Tim 2,7 ). Das Geheimnis des HERRN
ist für die, die ihn fürchten (Ps 25,14 ; Spr
3,32 ). Und diese Einsicht, die Gott ihnen hier schenkt, möchte Er auch
benutzen, um dadurch Sein übriges Volk zu belehren und zu unterweisen (Dan
11,33 ). Der junge König Salomo hatte um ein verständiges Herz gebeten,
um das Volk Gottes richten zu können, und Gott hatte dieser Bitte entsprochen (1.
Kön 3,9–12; 5,9 ).
Daniel als Initiator der vier Freunde erhält noch zusätzlich ein besonderes
Teil von Gott, eine besondere Gabe. Aber diese Unterschiede haben sie nicht
auseinander gebracht. Sie bleiben Freunde, sie werden nicht neidisch aufeinander
oder hochmütig, sie bleiben Genossen (Dan 2,17).
Es ist ja nicht immer einfach, eine Freundschaft zu bewahren unter solchen, die
der Herr unterschiedlich begabt.
„Und am Ende der Tage, nach denen der König sie zu bringen befohlen hatte,
brachte sie der Oberste der Hofbeamten vor Nebukadnezar. Und der König redete
mit ihnen; und unter ihnen allen wurde keiner gefunden wie Daniel, Hananja,
Misael und Asarja; und sie standen vor dem König. Und in allen Sachen
einsichtsvoller Weisheit, die der König von ihnen erfragte, fand er sie zehnmal
allen Wahrsagepriestern und Sterndeutern überlegen, die in seinem ganzen
Königreich waren“ (Vers 18–20)
Wir haben jetzt hier das Ende der drei Jahre vor uns, in denen die jungen
Männer aus Israel am Hof des Königs erzogen werden sollten (Vers 5). Und auch
Daniel und seine Freunde müssen dem Ruf des Königs folgen. Durch all das, was
Gott diesen vier treuen Freunden gegeben hatte, waren sie doch nicht aus ihrer
Stellung als Knechte am Hof Nebukadnezars herausgekommen. Der mächtigste Mann
der damaligen Welt befragt jetzt auch diese vier Freunde. Was mögen das für
Sachen einsichtsvoller Weisheit gewesen sein, die er von ihnen erfragte?
Auch in der Antike haben sich die Menschen ja schon mit seht tiefgehenden
Fragen beschäftigt, Fragen philosophischer und metaphysischer Art. Aber wer kann
allein über solche tiefgehenden Fragen Antwort geben? Nur die von Gott gelehrten
vier Freunde; ihre Antworten müssen sich völlig unterschieden haben von den
Ansichten der Weisen Babylons. Das stimmt übrigens auch heute noch. Auch heute
gibt es sehr viel kluge Leute, und doch sind sie töricht hinsichtlich fast aller
Fragen des Seins, über die Gott uns Gläubige in Seinem Wort unterrichtet.
Wenn wir das Ergebnis dieser Befragung sehen, denken wir an Ps
119,98–100, das hätten ihre Worte sein können. Und das Geheimnis in jedem
dieser Verse ist die Bezugnahme auf das heilige Wort Gottes. Wir dürfen uns aber
nicht dem Gedanken hingeben, wir wären unseren Mitmenschen überlegen in Bezug
auf Intelligenz und menschliche Weisheit. Aber hinsichtlich geistlicher Weisheit
sind wir ihnen zehnmal überlegen, denn diese Welt tappt geistlicherweise im
Dunkeln. Diese Überlegenheit führt aber niemals dazu, dass wir hochmütig oder
eingebildet werden.
Zehn Tage hatte sich Daniel von dem Aufseher erbeten, um Gemüse zu essen und
Wasser zu trinken; danach waren er und seine Freunde den Wahrsagern zehnmal
überlegen. Zehn ist oft in der Bibel die Zahl unserer Verantwortung Gott
gegenüber. Die vier Freunde haben die ganzen zehn Tage durchgehalten; sie haben
nicht nach dem fünften Tag aufgegeben, sondern ihrer Verantwortung Gott
gegenüber entsprochen. Und dann belohnt Gott sie damit, dass sie zehnmal den
Wahrsagern überlegen waren. Wie die Juden später bei Stephanus (Apg
6,10 ) konnte der König Nebukadnezar der Weisheit, mit der diese vier
Freunde redeten, nicht widerstehen.
Beantwortet Gott Treue Ihm gegenüber immer auf eine solche Weise? Es hat zu
allen Zeiten treue Gläubige gegeben, die ihr Leben nicht geliebt haben und
schließlich den Märtyrer-Tod sterben mussten. Gott antwortet nicht immer so wie
hier. Aber eins ist sicher: Treue wird immer auf irgendeine Weise belohnt
werden.
„Und Daniel blieb bis zum ersten Jahr des Königs Kores“ (Vers 21)
Daniel hatte Bestand. Er muss sehr alt geworden sein. Wenn er als 16-jähriger
nach Babel kam und die 70-jährige Gefangenschaft überdauert hat, dann muss er im
dritten Jahr Kores (Dan 10,1 ) ungefähr 90 Jahre
alt gewesen sein. Wenn wir doch mehr Herzensentschlüsse hätten, auch wir
Älteren, wenn wir es doch mehr öffnen würden für die kostbare Person unseres
Herrn, dann würde Er auch uns Gedeihen und Bestand geben. Den Jünglingen wird
gesagt: „Die Welt vergeht und ihre Lust, wer den Willen Gottes tut, bleibt in
Ewigkeit“ (1. Joh 2,17 ). Auch das Königreich
Nebukadnezars musste letztlich vergehen, aber Daniel hatte Bestand, er blieb!
Warum wird jetzt auf Kores Bezug genommen? Damit wird deutlich gemacht, dass
Daniel das erste Weltreich Babel überlebt hat. Er hatte den Niedergang dieses
ersten Weltreichs und das Aufkommen des zweiten Weltreichs miterlebt. Daniel ist
aber auch ein Bild des jüdischen Überrestes, der durch die ganze Zeit der
Nationen hindurch gerettet wird bis er schließlich in die Segnungen des
1000-jährigen Reiches eingehen kann.
[Aufzeichnung aus einer Betrachtung]
Online seit dem 30.01.2014, Bibelstellen: Daniel 2,1-13
Kapitel 1 war eine Art Einleitung zu diesem Buch, der eigentliche Beginn der
prophetischen Botschaft ist Kapitel 2. Kapitel 1 war sozusagen die Vorbereitung
für die Schau, die jetzt folgt. Es zeigte uns den Schauplatz der Ereignisse, die
handelnden Akteure, und das Ergebnis Gottes. Ein junger Mann und seine drei
Freunde ehrten Gott durch Treue und Vertrauen in der Gefangenschaft in einer
fremden und gottlosen Umgebung. Sie möchten sich nicht verunreinigen, und Gott
gibt darauf Antwort, indem Er ihnen zum Lohn mehr Weisheit als allen anderen
schenkt. Kapitel 3 zeigt dann, dass ein treuer Überrest – zu welcher Zeit auch
immer – durch Verfolgungen zu gehen haben wird. Also zeigt uns
Dieses lange Kapitel 2 nun könnte in etwa in folgende Abschnitte eingeteilt
werden:
„Und im zweiten Jahr der Regierung Nebukadnezars hatte Nebukadnezar
Träume, und sein Geist wurde beunruhigt, und sein Schlaf war für ihn dahin. Und
der König befahl, dass man die Wahrsagepriester und die Sterndeuter und die
Magier und die Chaldäer rufen sollte, um dem König seine Träume kundzutun; und
sie kamen und traten vor den König“ (Vers 1+2)
„Der vergessene Traum“ könnte die zutreffende Überschrift über dieses Kapitel
sein. Nebukadnezar hatte einen Traum, den er danach wieder vergaß. Wir lernen
daraus schon eine erste wichtige Lektion: Gott hat die Zügel vollkommen in
Seiner Hand! Er regiert hier ja nicht mehr direkt, aber Er hat die Zügel in der
Hand. Ob es sich um große Entwicklungen oder um kleine unscheinbare Dinge
handelt – Gott hat die Zügel zu jeder Zeit in Seiner Hand, auch heute! Gott war
es, der den Traum gegeben hatte, und Gott war es, der dafür sorgte, dass
Nebukadnezar den Traum vergaß. Beides miteinander führt dazu, dass nach Seinem
Rat dieser gottesfürchtige junge Mann vor den größten König der Erde, den es je
gab, gebracht wird. Gott ist im Regiment, auch heute noch!
Es mag eine gewisse Schwierigkeit darstellen, dass Daniel und seine Genossen
drei Jahre lang umerzogen werden sollten (Dan 1,5), und er hier schon
im zweiten Jahr der Regierung Nebukadnezars diesen Traum deuten sollte.
Der Grund wird in den verschiedenen Zählweisen über die Regierungsjahre der
Könige liegen. Hier ist alles babylonisch, auch die Zählweise der
Regierungsjahre. Wenn in Dan 1,1 vom dritten Jahr Jojakims die Rede ist,
dann war es tatsächlich nach Jer 25,1 schon sein viertes Regierungsjahr.
Bei der babylonischen Zählung wurde das erste Regierungsjahr als das Jahr der
Thronbesteigung nicht mitgerechnet. Deshalb wurde das dann folgende zweite Jahr
als das erste Regierungsjahr gezählt, und damit ist das hier erwähnte zweite
Regierungsjahr Nebukadnezars eigentlich schon sein drittes Jahr.
Träume stehen hier in der Mehrzahl; Nebukadnezar hätte vielleicht bei nur einem
einzelnen Traum gesagt, dass dieser durch seine viele Geschäftigkeit verursacht
worden sei (Pred 5,2). Offensichtlich hatte Gott mehrfach durch Träume zu
ihm gesprochen, sodass ihm bewusst wurde, dass da mehr dahinter stecken musste
als einfach nur ein Traum. Aus Vers 29 sehen wir, dass Nebukadnezar sich selbst
Gedanken über die Zukunft seines Reiches gemacht hatte. Er war ein
hochintelligenter Mann, der nicht gedankenlos in den Tag hinein lebte. Und dann
kamen diese Träume, die einander ergänzten und durch Gott von Daniel in diesem
einheitlichen Bild gedeutet wurden. Nebukadnezar sollte lernen, dass Gott selbst
etwas mit ihm tun und dass Er durch Nebukadnezar etwas bewirken wollte. Er
sollte lernen, dass Gott ihm diese Macht verliehen hatte, und dass er für das
Verständnis dieser Dinge andere brauchte. Gott hatte zwar den Nationen die Macht
gegeben, aber die Einsicht darüber war nur bei den treuen Gläubigen aus dem
Überrest Seines Volkes.
Im Alten Testament offenbarte sich Gott auch durch Träume. Heute ist das nicht
mehr die Regel, in uns wohnt der Heilige Geist, und wir haben das vollendete
Wort Gottes in Händen, und darin lernen wir heute die Gedanken Gottes kennen.
Wir sollten deshalb Träumen nicht ein Gewicht beimessen, das sie heute nicht
mehr haben.
Der König rief auf diese Träume hin seine gesamte wissenschaftliche und
religiöse Elite zusammen. Sie übten Dinge aus, die Gott Seinem Volk ausdrücklich
verboten hatte, die aber am Ende ihrer irdischen Geschichte unter Manasse
praktiziert wurden (5. Mo 18,9–12; 2. Chr 33,5+6). Deshalb musste Gott
das angekündigte Gericht über Sein Volk bringen.
Nebukadnezar hatte aus seiner Sicht alles Nötige getan, um an seinem Hof
Weisheit zu haben, aber als diese Weisheit aufs Äußerste erprobt wurde, dachte
er nicht an Daniel. Eigenartig, denn er selbst hatte sie doch zehnmal überlegen
gefunden all seinen Leuten gegenüber (Dan 1,20). Er muss ihn entweder
vergessen oder sogar verachtet haben. Diese Berater hatten gewissen Einfluss auf
die Regierungsgeschäfte und Entscheidungen des Königs (Jes 47,12+13).
Wenn sie nun den Befehl erhielten, dem Nebukadnezar seine Träume kundzutun, so
umfasste das sowohl erst einmal das Nennen der Träume, als dann auch das Angeben
der Bedeutung dieser Träume.
„Und der König sprach zu ihnen: Ich habe einen Traum gehabt, und mein
Geist ist beunruhigt, diesen Traum zu verstehen. Und die Chaldäer sprachen zum
König auf Aramäisch: O König, lebe ewig! Sage deinen Knechten den Traum, so
wollen wir die Deutung anzeigen. Der König antwortete und sprach zu den
Chaldäern: Die Sache ist von mir fest beschlossen: Wenn ihr mir den Traum und
seine Deutung nicht kundtut, so sollt ihr in Stücke zerhauen werden, und eure
Häuser sollen zu Kotstätten gemacht werden; wenn ihr aber den Traum und seine
Deutung anzeigt, so sollt ihr Geschenke und Gaben und große Ehre von mir
empfangen. Darum zeigt mir den Traum und seine Deutung an“ (Vers 3–6)
In den ersten Versen dieses Kapitels machen verschiedene Umstände absolut
deutlich, dass hier die Zeiten der Nationen angebrochen sind:
Dass der König seinen eigenen Traum nicht mehr wusste und jetzt nicht nur die
Deutung des Traumes von seinen Weisen verlangte, sondern auch den ganzen Traum
an sich, wird aus der englischen Übersetzung von JND deutlicher. Was hier
übersetzt ist mit „die Sache ist von mir fest beschlossen“, übersetzt Darby mit
„the command [word, matter, thing] is gone forth from me“, was so viel bedeutet
wie „die Sache ist mir entschwunden oder entflohen“. Das Hebräische ist so knapp
in seinem Wortbestand, es hat viel weniger Formen als im Deutschen, dass es in
manchen Fällen nicht einfach ist, den Sinn eindeutig zu verstehen. Aber es
scheint doch hier der Gedanke zu sein, dass Nebukadnezar nur noch einen Eindruck
von diesem gewaltigen Traum hatte, er aber die Offenbarung Gottes tatsächlich
nicht mehr präsent hatte und sie nicht mehr in Worte kleiden konnte.
Nebukadnezar hatte seine Macht von Gott empfangen, aber das bedeutete überhaupt
nicht, dass er in Übereinstimmung mit Gott lebte und nach Gott fragte. In
Kapitel 3 werden uns die moralischen Merkmale seines Reiches vorgestellt, aber
auch hier schon finden wir zwei Charakterzüge in seiner Machtausübung: er war
ein gottloser Mann, und er war ein grausamer und gewalttätiger Mann, so
beschreibt ihn auch der Prophet Habakuk (Hab 1,5–13). Es war nicht nur
ein Test für die Chaldäer, in dem Nebukadnezar sie auf diese Probe stellen
wollte, sondern es ging um Leben und Tod für sie. Es gab für sie nur eine
grausame und furchtbare Perspektive: entweder sie halfen dem König und deuteten
ihm seinen Traum, oder sie würden auf grausamste Weise ihr Leben verlieren.
Nebukadnezar war beunruhigt worden durch seine Träume und wollte unbedingt
Klarheit darüber bekommen. Er zeigt einerseits seine alles überragende
Machtfülle, aber andererseits auch seine totale Unwissenheit über Gott. Das ist
übrigens das Bild der Welt bis heute; und auch alle Wissenschaft der Welt kann
daran nichts ändern – ohne Gott und ohne Hoffnung (Eph 2,12).
„Sie antworteten zum zweiten Mal und sprachen: Der König sage seinen
Knechten den Traum, so wollen wir die Deutung anzeigen. Der König antwortete und
sprach: Ich weiß zuverlässig, dass ihr Zeit gewinnen wollt, weil ihr seht, dass
die Sache festbeschlossen ist, dass, wenn ihr mir den Traum nicht kundtut, es
bei eurem Urteil bleibt; denn ihr habt euch verabredet, Lug und Trug vor mir zu
reden, bis die Zeit sich ändert. Darum sagt mir den Traum, und ich werde wissen,
dass ihr mir seine Deutung anzeigen könnt. Die Chaldäer antworteten vor dem
König und sprachen: Kein Mensch ist auf dem Erdboden, der die Sache des Königs
anzeigen könnte, weil kein großer und mächtiger König jemals eine Sache wie
diese von irgendeinem Wahrsagepriester oder Sterndeuter oder Chaldäer verlangt
hat. Denn die Sache, die der König verlangt, ist schwer; und es gibt keinen
anderen, der sie vor dem König anzeigen könnte, als nur die Götter, deren
Wohnung nicht bei dem Fleisch ist“ (Vers 7–11)
Die Weisen Babels konnten den Traum Nebukadnezars weder ansagen noch deuten,
obwohl sie den Anspruch hatten, in geheime göttliche Dinge vordringen zu können.
Es ging also um zwei verschiedene Forderungen des Königs. Deshalb erzählt Daniel
später auch zuerst den Traum selbst, bevor er die Deutung angibt.
Wo jetzt die Weisen Babels auf die Probe gestellt werden, müssen sie ihre totale
Unfähigkeit bekennen. Es ist der völlige Zusammenbruch aller weltlichen
Weisheit. Aber die Verlegenheiten der Menschen sind Gottes Gelegenheiten. Gott
ließ es soweit kommen, dass sie nicht mehr ein noch aus wussten. Seine Hand
führte es so, dass Sein treuer Zeuge vor die höchste Autorität gebracht wurde.
Daniel wusste wie einst Joseph, dass die Deutungen der Träume Gottes sind (1.
Mo 40,8). Wenn Gott durch Träume redet, dann lässt Er sich die Deutung nicht
aus der Hand nehmen. Die Chaldäer besaßen ein sehr hohes Maß an Sicherheit, den
Traum deuten zu können, wenn sie ihn denn kennen würden (Vers 4). Doch diese
Selbstsicherheit wurde gespeist aus okkultem Vertrauen, und sie erwies sich als
Illusion. Diese Chaldäer bringen noch zwei Dinge zum Ausdruck, von denen das
eine wahr und das andere nicht wahr ist. Wahr ist, dass tatsächlich kein Mensch
auf dem Erdboden aus sich selbst dem König diesen Traum anzeigen konnte; und
falsch ist, dass sie dann wieder zu ihren Göttern ihre Zuflucht nahmen. Beides
wird offenbar gemacht durch das Handeln Gottes. Allerdings war es dann dem
Daniel durch Offenbarung von Gott doch möglich (Ps 25,14).
„Darüber wurde der König zornig und ergrimmte sehr, und er befahl, alle
Weisen von Babel umzubringen. Und der Befehl ging aus, und die Weisen wurden
getötet; und man suchte Daniel und seine Genossen, um sie zu töten“ (Vers 12–13)
Nebukadnezar war ungerecht und brutal in seinem Vorgehen, und auch Daniel und
seine Freunde sollten dem Tod überliefert werden. Es ist nicht ganz klar, wie
weit dieser Befehl schon umgesetzt worden war, als Daniel und seine Genossen
hinzugebracht wurden. Aber hier wird auch ein prophetisches Bild deutlich. Der
gläubige Überrest wird aus vor diesem Tod bewahrt, Daniel und seine Freunde
werden verschont. Ein Hinweis auf kommende Tage, wo Gott den gläubigen Überrest
Israels Schutz gewährt und ihn hineinbringt in die Segnungen des Reiches.
Online seit dem 01.02.2014, Bibelstellen:
Daniel 2,14-26
„Da erwiderte Daniel mit Verstand und Einsicht dem Arioch, dem Obersten
der Leibwache des Königs, der ausgezogen war, um die Weisen von Babel zu töten;
er antwortete und sprach zu Arioch, dem Oberbeamten des Königs: Warum der
strenge Befehl vom König? Da teilte Arioch Daniel die Sache mit. Und Daniel ging
hinein und erbat sich vom König, dass er ihm eine Frist gewähre, um dem König
die Deutung anzuzeigen.“ (Vers 14–16)
Es wird überhaupt nicht einfach gewesen sein, direkt bis vor den König zu
gelangen. Aber Daniel gelang es; und dann erbittet er von dem König eine Frist,
nicht etwa, um danach vielleicht dem König die Deutung anzeigen zu
können. Nein, Daniel geht definitiv davon aus, dass Gott ihm den Traum und seine
Deutung zeigen würde. Er sagt kein vielleicht, sondern er hat volle
Gewissheit. Was hat ihn dazu geleitet, so sprechen zu können? Er hatte ein
totales Vertrauen auf seinen Gott. Zwei Punkte mögen zu diesem Gottvertrauen
Anlass gegeben haben:
·
es war eine ganz außergewöhnliche Situation; die
ganze Weisheit der Menschen war erprobt worden bis zum Äußersten, und sie hatte
sich als machtlos und nutzlos und umsonst erwiesen. Und Daniel hat gesehen, dass
dieser Moment geeignet war, dass sein Gott sich groß und herrlich erweisen
könnte durch Seinen Knecht Daniel – eine einmalige Situation
·
Daniel hatte seine Treue Gott gegenüber erwiesen,
er hatte in schwierigsten Umständen die Ehre Gottes hochgehalten; und er konnte
sich nicht vorstellen, dass dieser Gott, der ihm so viel Gnade und
Barmherzigkeit erwiesen hatte, jetzt ihn und seine drei Freunde fallen lassen
würde, wo sie in Todesgefahr schwebten
Eine Lektion auch für uns, dem Gott zu vertrauen, der Sich verherrlichen will
und der auch Seinen Knecht nicht zu Schanden werden lässt!
Warum erbittet Daniel diese Frist vom König? Wenn er so viel Vertrauen besaß,
hätte denn Gott ihm das alles nicht auch gleich offenbaren können? Gott hatte
natürlich keine Frist nötig, aber Daniel brauchte sie, um in dieser Zeit das
Angesicht Gottes im Gebet zu suchen. Gottvertrauen macht uns nicht unabhängig,
sondern es führt uns im Gegenteil in vermehrte Abhängigkeit von Gott.
Gottvertrauen lässt uns auch nicht voreilig oder selbstsicher handeln, aber es
heißt: „wer glaubt, wird nicht ängstlich eilen“ (Jes
28,16). Wir können uns vorstellen, dass Daniel in würdevoller Ruhe
hineinging und vor den König trat, denn Glaube gibt Sicherheit! Es ist übrigens
bemerkenswert, dass dem Daniel die erbetene Frist gewährt wird, denn den
Chaldäern wirft Nebukadnezar in Vers 8 noch vor, dass sie Zeit gewinnen wollten.
Wir können hier drei verschiedene Reaktionen bei Daniel unterscheiden. Es
geht für ihn um Leben und Tod, aber er reagiert nicht spontan und lässt sich
nicht überrumpeln, sondern angesichts größter Probleme handelt er mit Einsicht
und Verständnis, er wandelt in Weisheit gegenüber denen, die draußen sind (Kol
4,5). Eine geistlich besonnene Reaktion kommt aus einem
gewohnheitsmäßigen Umgang mit Gott hervor. Genauso beeindruckend ist dann sein
nächster Schritt: sein Glaube lässt sich nicht lähmen, sondern er ergreift eine
sichere Initiative und geht zu dem König hinein. Und als letztes versichert er
in Kühnheit und Vertrauen des Glaubens, dass er nach der Frist dem König die
Deutung anzeigen könne.
„Hierauf ging Daniel in sein Haus; und er teilte die Sache seinen
Genossen Hananja, Misael und Asarja mit, damit sie von dem Gott des Himmels
Barmherzigkeit erbitten möchten wegen dieses Geheimnisses, damit Daniel und
seine Genossen nicht mit den übrigen Weisen von Babel umkämen. Hierauf wurde
Daniel in einem Nachtgesicht das Geheimnis offenbart. Da pries Daniel den Gott
des Himmels.“ (Vers 17–19)
Wir haben hier das erste gemeinsame Gebet von Gläubigen in der Bibel. Das
zeigt uns, welches innere Glaubensleben diese vier jungen Männer gepflegt haben.
Wir sehen vier junge Männer auf den Knien – das war ein Spektakel! Daniel wollte
durch die Frist vom König nicht nur Zeit gewinnen, sondern er geht zu seinen
Brüdern, um mit ihnen zusammen auf die Knie zu gehen. Wenn wir heute vom Herrn
eine Aufgabe bekommen haben, ist die Gebetsgemeinschaft darüber mit unseren
Brüdern außerordentlich wichtig dabei. Was nicht im Einklang mit den Brüdern
geschieht, kann Gott nicht segnen.
Daniel wendet sich hier an den Gott des Himmels, genau an den Gott,
der nach Vers 37 dem Nebukadnezar diese Macht und Gewalt verliehen hat. Zum
ersten Mal finden wir diesen Ausdruck in 1. Mo 24,7.
In den geschichtlichen Büchern ist es immer in Verbindung mit den Zeiten der
Nationen, dass Gott mit diesem Namen bezeichnet wird (mehrfach in Esra und
Nehemia). In guten Zeiten war Gott in Israel der Gott der ganzen Erde (z.B.
Jos 3,11) und hatte in Israel Seinen Thron.
Von dort aus ging Sein Einfluss über Sein irdisches Volk und über die ganze
Erde. Diese Position ist durch die Untreue des Volkes Gottes verloren gegangen.
Gott hatte sich in den Himmel zurückgezogen, Sein Thron ist nicht mehr in
Jerusalem. Und dass Daniel den Gott des Himmels anrief, war zuerst eine
Anerkennung dessen, was durch die Untreue des Volkes Israel eingetreten war. Es
ist auch für uns in unseren Tagen sehr wichtig, dass wir uns eins machen mit dem
Verfall in unserer Mitte!
Er erbittet von dem Gott des Himmels Barmherzigkeit. In
Dan 1,9 hatte er schon einmal Gnade und
Barmherzigkeit von Gott empfangen. Barmherzigkeit ist für elende Leute, ist
Mitleid mit dem Elend anderer. Und weil diese vier Freunde in großer Gefahr
waren, bitten sie um Barmherzigkeit – wie angemessen war das. Brauchen nicht
auch wir alle Barmherzigkeit, jeder von uns in seinen persönlichen Umständen?
Wir haben auch den großen Gott auf unserer Seite, und wenn wir Seinen Weg gehen,
wird Er uns nie fallen lassen.
Daniel muss in völligem Gottvertrauen in dieser Nacht sogar geschlafen haben,
denn Gott gab ihm die Antwort auf das gemeinsame Gebet in einem Nachtgesicht, in
einem Traum. Gottvertrauen gibt Ruhe, das hatte auch schon David auf seiner
Flucht vor Absalom erlebt (Ps 3,6); Petrus
hatte im Gefängnis die Nacht vor seiner beschlossenen Hinrichtung so fest
geschlafen, dass der Engel Mühe hatte, ihn wach zu bekommen (Apg
12,6+7). Dem Nebukadnezar war nach den Träumen der Schlaf dahin, er
war beunruhigt (Vers 1). Daniel dagegen hatte Gottvertrauen, und das machte ihn
ruhig.
Vers 19 zeigt den engen Zusammenhang zwischen Offenbarung und Lobpreis. Es
ist immer das eigentliche Ziel Gottes, wenn Er uns Wahrheit offenbart, dass das
bei uns Lobpreis und Anbetung bewirkt. Wenn Gott sich den Patriarchen
offenbarte, antworteten sie oft mit einem Altar, mit Anbetung.
„Daniel hob an und sprach: Gepriesen sei der Name Gottes von Ewigkeit
zu Ewigkeit! Denn Weisheit und Macht, sie sind sein. Und er ändert Zeiten und
Zeitpunkte, setzt Könige ab und setzt Könige ein; er gibt den Weisen Weisheit,
und Verstand den Verständigen; er offenbart das Tiefe und das Verborgene; er
weiß, was in der Finsternis ist, und bei ihm wohnt das Licht. Dich, Gott meiner
Väter, lobe und rühme ich, dass du mir Weisheit und Kraft gegeben und mir jetzt
kundgetan hast, was wir von dir erbeten haben; denn du hast uns die Sache des
Königs kundgetan“ (Vers 20–23)
Es ist bemerkenswert, dass Daniel nicht sofort zum König geht und ihm die
Deutung anzeigt, noch nicht einmal geht er schnell zu seinen Freunden, um ihnen
davon zu berichten, sondern zuerst geht er direkt zu Gott. Das zeigt uns das
geistliche Wesen dieses Mannes. Wie oft haben wir Gott schon um eine Gnade
gebeten; aber haben wir auch immer Gott verherrlicht, wenn Er sie uns gewährt
hat? Wie leicht nehmen wir die Wohltaten und die Erhörungen Gottes an, und
vergessen dann den Geber; wir erfreuen uns der empfangenen Dinge, aber wir
vergessen den Geber!
Nicht so Daniel, das erste, was er tut: er geht zu seinem Gott! Und während
die Worte des Gebetes der vier Freunde uns nicht aufgeschrieben sind, wird die
Danksagung Daniels Wort für Wort wiedergegeben. Das zeigt uns, dass bei Gott die
Danksagung sehr wichtig ist; Er will verherrlicht werden, und Daniel gibt Ihm
die Herrlichkeit, die Ihm gebührt. Er erfreut sich nicht nur der Segnung,
sondern er preist den, von dem alles gekommen ist.
Bevor Daniel Gott dafür rühmt, dass Er ihm den Traum und seine Deutung
kundgetan hat, preist er Gott selbst (der Name steht für die Person). Er hat
einen Lobpreis für Gott, und er möchte, dass dieser Lobpreis eine ewige Wirkung
habe. Das sagt ein Gläubiger des Alten Testamentes! Was für ein Gebet hat dieser
junge Gläubige von 20 Jahren gesprochen! Und in dem Inhalt seines Lobpreises
werden dann sieben verschiedene Merkmale Gottes gerühmt, die wir vielleicht am
besten in vier Haupt-Kennzeichen zusammenfassen können:
·
dass Weisheit und Macht Sein sind;
durch die Deutung des Traumes wurde sichtbar, dass auf Seiten Gottes Weisheit
und Macht sind (vgl. Hiob 12,13). Bei dem
Lobpreis des Lammes auf dem Thron Gottes in Offb 5,12 werden auch Seine
Macht und Weisheit gerühmt. Der Herr Jesus als das Lamm Gottes ist der heutige
Ausdruck der Macht und Weisheit Gottes. Woanders als bei Gott kann man Weisheit
und Macht nicht finden, sie sind Sein, sie gehören allein Ihm. Und wenn wir
heute in unseren Umständen diese Dinge brauchen, dann müssen und dürfen wir zu
Ihm gehen. Es ist ein wichtiges Eingeständnis, dass wir das in uns selbst nicht
besitzen.
Im Christentum ist die Kombination von Weisheit und Macht nicht
vorherrschend. Die Weisheit nimmt im Christentum eine ganz hohe Stelle ein;
heute ist die Versammlung der Ausdruck der Weisheit Gottes.
1. Kor 1,30 zeigt uns die Weisheit Gottes
in einem gestorbenen Christus; geistliches Verständnis und wahre Weisheit
gipfelt in der Kenntnis der Heiligen Schrift (Kol 1,9).
Der König Nebukadnezar hatte Macht, besaß aber keine Weisheit; seine Chaldäer
besaßen in einem gewissen Sinn Weisheit, hatten aber keine Macht.
·
dass Er Zeiten und Zeitpunkte ändert und
Könige absetzt und einsetzt; die Unumschränktheit Seines Handelns, die
Ihm eigene Souveränität. Menschen meinen, sie könnten durch politische
Vereinbarungen Regierungen einsetzen oder stürzen, durch Kriege Länder und
Könige besiegen, aber letzten Endes können sie sich nur in den Bahnen bewegen,
die Gott ihnen freigibt. Nebukadnezar anerkennt am Ende seines Lebens nach
seiner Wiederherstellung genau diese Souveränität Gottes (Dan
4,32). Gott hat absolute Autorität zu handeln, so wie Er es will.
Der Ausdruck Zeiten und Zeitpunkte hat es immer mit dieser Erde zu
tun, bezieht sich immer auf das Geschehen auf der Erde. Zeiten meint dabei mehr
Zeitepochen, und Zeitpunkte bestimmte Merkmale, die diese Epochen kennzeichnen.
·
dass Er Weisheit den Weisen und Verstand
den Verständigen gibt; seltsam, diese Leute haben doch schon Weisheit,
brauchen sie noch mehr davon? Es ist ein wichtiger Grundsatz, dass der große
Gott nur dort etwas gibt, wo der Herzensboden in Übereinstimmung mit Ihm ist. In
Mt 25,29 lernen wir durch die Worte des
Herrn Jesus, dass „jedem, der hat, gegeben werden wird“. Wo die Furcht Gottes,
der Weisheit Anfang (Ps 111,10;
Spr 9,10) ist, da gibt Gott mehr. Er gibt da
Weisheit, wo Er eine Einstellung findet, die von Gottesfurcht geprägt ist
·
dass Er das Tiefe und das Verborgene
offenbart, und weiß, was in der Finsternis ist, und bei Ihm das Licht wohnt;
die absolute Kenntnis und Allwissenheit Gottes. Für Gott gibt es nichts, was
dunkel wäre, Er schaut durch alles hindurch, für Ihn ist alles Tag und Licht, Er
ist der allwissende Gott. Ps 139,1–6 zeigt uns diesen allwissenden Gott.
Ps 104,2 zeigt, dass Gott sich praktisch in
Licht einhüllt, und 1.Joh 1,5 zeigt uns, dass Gott selbst Licht ist und
keine Finsternis in Ihm ist.
Auch im Neuen Testament finden wir bestätigt, dass Gott das Verborgene
offenbart (1. Kor 4,5), dabei geht es
allerdings um den Richterstuhl des Christus, wo alles offenbar werden wird.
Dieser Lobpreis ist in seinem Inhalt eigentlich eine Auslegung des Traumes
des Königs. Das, was Daniel hier über Gott zum Ausdruck bringt, zeigt, dass er
in seinem Herzen im Glauben erfasst hat, was dieser Traum eigentlich bedeutet.
Er sagt, dass es einen Gott gibt, der über allem steht. Dieser Gott war es, der
Nebukadnezar eingesetzt hatte. Wenn Gott uns eine Wahrheit in Seinem Wort
offenbart hat, dann ist es nicht damit getan, diese Dinge an andere
weiterzugeben. Ich muss sie zuerst mit Gott selbst in Verbindung bringen. Dann
wird auch der Dienst des Weitergebens Kraft haben.
In Vers 23 ist der Wechsel von ich und mir zu wir und
uns auffallend. Die vier Freunde hatten miteinander gebetet, aber die
Deutung des Traumes wurde nur dem Daniel gegeben. Trotzdem verbindet er sich
auch darin mit seinen drei Freunden. Diese gegenseitige Anerkennung ist etwas
Großartiges, was wir unter Brüdern eigentlich auch kennen sollten.
Daniel konnte dann in diesem Vers sagen, dass Gott ihm Weisheit und Kraft
gegeben hatte. Es sind die gleichen Ausdrücke, wie sie in Vers 20 Gott
zugeschrieben werden. Diese Weisheit ist nicht Daniels eigener Verstand, und
diese Kraft sind nicht seine Muskeln; wenn Gott sie einem Menschen verleiht,
dann haben sie immer ihre Quelle in Ihm.
Wir finden in diesen Versen im Verhalten Daniels sieben verschiedene Punkte,
in denen er seinen Gott ehrt:
·
er ehrt Ihn durch ein Verhalten und Auftreten in
Weisheit (Vers 14)
·
er ehrt Ihn durch bedingungsloses Vertrauen; er
sagte dem König schon im Voraus, dass er ihm die Antwort bringen würde (Vers 16)
·
er ehrt Ihn durch Abhängigkeit im Gebet in der
Gemeinschaft mit seinen Genossen (Vers 17)
·
er ehrt Ihn durch Dankbarkeit und Lobpreis, noch
bevor er dem König die Antwort bringt (Vers 19+20)
·
er ehrt Gott dadurch, dass er Ihn kennt (Vers
20+21)
·
er ehrt Ihn dadurch, dass er diesem Gott allein
die Ehre gibt (Vers 23)
·
er ehrt Ihn dadurch, dass er selbst demütig
bleibt und nichts sich selbst zuschreibt (Vers 23)
„Deshalb ging Daniel zu Arioch hinein, den der König beauftragt hatte,
die Weisen von Babel umzubringen; er ging hinein und sprach zu ihm so: Bring die
Weisen von Babel nicht um; führe mich vor den König, und ich werde ihm die
Deutung anzeigen. Da führte Arioch Daniel schnell vor den König, und er sprach
zu ihm so: Ich habe einen Mann unter den Weggeführten von Juda gefunden, der dem
König die Deutung kundtun wird. Der König hob an und sprach zu Daniel, dessen
Name Beltsazar war: Bist du imstande, mir den Traum, den ich gesehen habe, und
seine Deutung kundzutun?“ (Vers 24–26)
Daniel hatte unter großem Druck gestanden und die Hilfe des Herrn erfahren;
und doch reagiert er hier nicht in einem fleischlichen Triumph, sondern
zusätzlich zu der bisher gezeigten Demut handelt er in geistlicher Besonnenheit
und bleibt abhängig. Es ist eine nur sehr schwer zu kontrollierende Eigenschaft
unseres Fleisches, dass es sich mit Erfolgen – auch auf geistlichem Gebiet –
kränzen und rühmen will. Daniel offenbart dabei die geistliche Haltung von
Ps 115,1.
Es ist sehr beeindruckend, dass Daniel vor dem Arioch sich als erstes um die
Lebensgefahr der chaldäischen Wahrsager kümmert. Er offenbarte damit sein Herz
für diese ungläubigen Menschen, und er wollte verhindern, dass noch mehr von
ihnen umgebracht würden. Er dachte nicht nur an sein Volk, sondern auch an diese
ungläubigen Menschen.
Im Gegensatz zu dieser Demut und Besonnenheit Daniels schmückt sich der
Arioch mit fremden Federn und hat nichts Eiligeres zu tun, als vor dem König
Nebukadnezar zu betonen, dass er einen Mann gefunden habe, der dem König
die Deutung anzeigen kann. Es ist eine traurige Eigenschaft des Menschen, dass
er sich selbst gern der Dinge rühmt, die Gott anderen hat zu Teil werden lassen.
Aber er muss doch bekennen, dass dieser Mann von den Weggeführten Judas war,
dass also die Deutung des Traumes nur durch einen Mann Gottes erfolgen konnte.
Arioch nennt den Daniel nur einen Mann unter den Weggeführten von Juda. Zwei
Begriffe, die jeweils ein anderes Licht auf Daniel werfen. Als die Weggeführten
stehen sie unter der demütigenden Zucht Gottes, aber als der Mann aus Juda zeigt
er seine eigentliche wahre geistliche Identität. Tun wir das in unserer Umgebung
auch? Und wenn der König dann spricht, werden sogar beide Namen Daniels erwähnt,
da stoßen praktisch wieder zwei verschiedene Welten aufeinander.
Online seit dem 03.02.2014, Bibelstellen:
Daniel 2,27-36
„Daniel antwortete vor dem König und sprach: Das Geheimnis, das der
König verlangt, können Weise, Beschwörer, Wahrsagepriester und Sterndeuter dem
König nicht anzeigen. Aber es ist ein Gott im Himmel, der Geheimnisse offenbart;
und er hat dem König Nebukadnezar kundgetan, was am Ende der Tage geschehen
wird. Dein Traum und die Gesichte deines Hauptes auf deinem Lager waren diese:
Dir, o König, stiegen auf deinem Lager Gedanken auf, was nach diesem geschehen
wird; und der, der die Geheimnisse offenbart, hat dir kundgetan, was geschehen
wird. Mir aber ist nicht durch Weisheit, die in mir mehr als in allen Lebenden
wäre, dieses Geheimnis offenbart worden, sondern deshalb, damit man dem König
die Deutung kundtut und du die Gedanken deines Herzens erfährst.“ (Vers 27–30)
Daniel steht jetzt wohl zum dritten Mal vor dem König, als 20-jähriger vor
dem mächtigsten Mann der Erde! Was würde er auf die Frage des Königs antworten?
Würde er sich oder das Volk Gottes ins beste Licht rücken, Ehre für sich selbst
suchen? Wir sehen in seiner Antwort, dass wahre Erkenntnis niemals aufbläht.
Wahre Erkenntnis führt zu Demut. Daniel verbirgt sich selbst hinter Gott und
gibt Ihm die Ehre. Ein wahrer Diener des Herrn strebt nicht selbst in den
Vordergrund. Es ist ja nicht nur eine Gefahr für uns, Ehre in der Welt zu
suchen, Ehre unter Brüdern kann auch ein Antrieb für uns sein!
Daniel zeigt dem König dann auch nicht nur den Traum und dessen Deutung an,
sondern er spricht auch von dem, was diesem Traum vorausgegangen war, was die
persönlichen Befindlichkeiten und inneren Beweggründe bei Nebukadnezar waren,
die dazu geführt hatten, dass Gott ihm diesen Traum gezeigt hatte. Der König
hatte sich offenbar Gedanken und Sorgen über die zukünftige politische
Entwicklung seines eigenen babylonischen Reiches gemacht, was seine Nachfolger
wohl einmal machen würden. Gott gibt ihm in seinem Traum aber eine Schau, die
weit über das hinausgeht, was er eigentlich hatte wissen wollen.
Die Antwort Daniels erstreckt sich auf drei Teile:
·
Vers 27–30: Daniel zeigt hier, wer die
Quelle dieser Offenbarung ist. Er weist weit von sich, dass er das etwa sei. Die
Quelle von allem ist der Gott im Himmel. Und die Absicht, die Gott mit dieser
Offenbarung verband ist, dass Nebukadnezar wissen sollte, was am Ende der Tage
geschehen würde. Und dann zeigt Daniel, dass Gott Interesse hat an diesem
heidnischen König. Danach verbirgt sich Daniel; Offenbarung führt sowohl zur
Anbetung als auch auf Seiten des Dieners zu einer wirklichen Demut.
·
Vers 31–36: hier wird das Bild in seinen
ganzen Einzelheiten gezeigt
·
Vers 37–45: die außerordentlich wichtige
Deutung des Bildes
Nebukadnezar sollte wissen, was am Ende der Tage geschehen wird. Mit
diesen Worten wird angedeutet, dass dieser Traum eine Offenbarung Gottes war,
die nicht nur Nebukadnezar betreffen würde, sondern ihre Auswirkungen bis an das
Ende der Tage hat. Damit ist das Ende der Zeiten der Nationen gemeint, was mit
dem Ende des wiederhergestellten römischen Reiches erreicht sein wird. Dieser
Ausdruck wird mehrfach im Alten Testament gebraucht, zum ersten Mal in
1. Mo 49,1; und auch diese Prophetie von
Jakob erstreckt sich bis in die Endzeit (vgl. auch die Weissagung Bileams in
4. Mo 24,14). So gewaltig ist der Umfang
dessen, was Gott Nebukadnezar offenbaren wollte. Es ist eine gewaltige Sache,
dass Gott Seinen ganzen Ratschluss, der münden wird in die Regierung Christi auf
Erden, in diesen kurzen Worten offenbart! Das Ende der Tage darf also nicht
verwechselt werden mit den letzten Tagen (z.B. 2. Tim
3,1; 2. Pet 3,3) aus dem Neuen
Testament, wo es um die letzten Tage des christlichen Bekenntnisses geht.
Dreimal finden wir in diesen Versen den Ausdruck offenbaren und
dreimal auch den Ausdruck kundtun. Es ist etwas bis dahin nie
Dagewesenes, dass Gott sich in solch einer gewaltigen weltverändernden
Angelegenheit nicht Seinen Propheten offenbart, sondern diesem ungläubigen
König, den Er selbst in Seiner Vorsehung dazu erkoren hat, das Haupt von Gold zu
sein (vgl. Vers 38). Nebukadnezar ist zwar nicht die einzige ungläubige Person,
die jemals eine Offenbarung von Gott bekommen hat (z.B. Bileam, die Frau von
Pilatus), aber es ist schon etwas sehr Außergewöhnliches, dass Gott ungläubigen
Menschen Dinge offenbart.
„Du, o König, sahst: Und siehe, ein großes Bild; dieses Bild war
gewaltig und sein Glanz außergewöhnlich; es stand vor dir, und sein Aussehen war
schrecklich. Dieses Bild, sein Haupt war aus feinem Gold; seine Brust und seine
Arme aus Silber; sein Bauch und seine Lenden aus Kupfer; seine Schenkel aus
Eisen; seine Füße teils aus Eisen und teils aus Ton.“ (Vers 31–33)
Es sind nicht vier Bilder von vier Königreichen, sondern ein
einheitliches, zusammenhängendes Bild, so dass die vier Königreiche, die
aufeinander folgen, ein einheitliches Ganzes bilden und nicht in vier einzelnen
Teilen gesehen werden. Es geht um einen einheitlichen Zeitabschnitt, in dem vier
Weltreiche aufeinander folgen. Es geht hier um Veränderungen in der
Weltgeschichte, die für das Verständnis der ganzen Prophetie des Alten
Testamentes und des Neuen Testamentes von fundamentaler Bedeutung sind. Mit der
Geschichte Nebukadnezars ist eine völlig neue Zeitperiode angebrochen. Sie
beginnt mit der Wegführung Judas in die babylonische Gefangenschaft, und das
Ende dieses Bildes ist, dass der Herr hier auf der Erde das letzte Reich, das
hier beschrieben wird, selbst beseitigen und an dessen Stelle Sein eigenes
1000-jähriges Reich errichten wird. In diesem Zeitabschnitt der Zeiten der
Nationen wechselt übrigens auch ein heilsgeschichtlicher Zeitabschnitt, die
Haushaltung des Gesetzes endet, und mit dem ersten Kommen des Herrn auf diese
Erde (während des vierten Weltreiches) beginnt die Haushaltung der Gnade.
Dass das Bild groß und gewaltig war, zeigt die ganze Ausdehnung dieser
Reiche, es handelt sich um Weltreiche. Und dass das Aussehen schrecklich war,
deutet auf die Grausamkeiten hin, die in diesen Weltreichen ausgeübt wurden;
das, was Gott gegeben hatte, wurde in den Händen der Menschen wieder verderbt.
Die ganze Beschreibung des Bildes weist auf einen Menschen hin, und das zeigt
deutlich, dass jetzt die Macht von Gott in die Hand von Menschen gegeben wird.
Das Bild wird von oben nach unten beschrieben und in vier Bereichen von
jeweils abnehmendem Wert aber zunehmender Härte des Metalls vorgestellt. Es gibt
in diesen Weltreichen einen fortschreitenden Verfall, und der hat seinen Grund
darin, dass die Menschen immer weiter abgewichen sind von der Quelle ihrer
verliehenen Macht, von Gott selbst. Je weiter man sich von Gott entfernt, umso
mehr weicht man auch in der Art und Weise der Ausübung dieser Macht von Gott ab.
Daniel sagte dem Nebukadnezar in Dan 4,24,
dass er statt Sünden Gerechtigkeit und statt Ungerechtigkeiten Barmherzigkeit
gegen Elende üben sollte, wenn sein Friede Dauer haben soll. Gerechtigkeit
und Barmherzigkeit sollten nach dem Willen Gottes die Prinzipien seiner
Herrschaft sein. Die Geschichte lehrt leider gerade das Gegenteil!
·
Haupt von feinem Gold: das babylonische
Weltreich; ca. 606 – 538 v.Chr. = ca. 68 Jahre
·
Brust und Arme von Silber: das
medo-persische Weltreich; ca. 538 – 336 v.Chr. = ca. 202 Jahre
·
Bauch und Lenden aus Kupfer: das
griechische Weltreich; ca. 336 – 30 v.Chr. = ca. 306 Jahre
·
Schenkel aus Eisen und Füße teils aus Eisen,
teils aus Ton: das römische Weltreich; ca. ab 30 v.Chr.
In Lk 21,24 spricht der Herr Jesus
prophetisch von der Dauer der Zeiten der Nationen. Diese Zeiten haben ihren
Anfang genommen mit Nebukadnezar, und das Reich Christi wird diese Zeiten und
die Macht der Nationen beenden. Zwischen Lk 21,24
und Lk 21,25 liegt die Zeit der Gnade, eine
Zeit von unbestimmter Länge, die nicht im Alten Testament gezeigt wird, höchsten
in schwachen Andeutungen. Das große Standbild ist also ein Bild, das
verschiedene Stadien der Zeiten der Nationen zeigt, die mit dem babylonischen
Reich begannen und mit der Erscheinung Christi in Herrlichkeit enden werden.
Dieser Stein, der das alles zerschmettern wird, ist also ein Hinweis auf das
Kommen des Herrn in Macht und Herrlichkeit (vgl. Mt
24,30; Heb 1,6;
Off 19,11 ff.), um in der äußersten Endzeit
des wiedererstandenen römischen Reiches die Rechte Gottes hier auf der Erde zu
verwirklichen.
„Du schautest, bis ein Stein sich losriss ohne Hände und das Bild an
seinen Füßen aus Eisen und Ton traf und sie zermalmte. Da wurden zugleich das
Eisen, der Ton, das Kupfer, das Silber und das Gold zermalmt, und sie wurden wie
Spreu der Sommertennen; und der Wind führte sie weg, und es wurde keine Stätte
für sie gefunden. Und der Stein, der das Bild geschlagen hatte, wurde zu einem
großen Berg und füllte die ganze Erde. Das ist der Traum; und seine Deutung
wollen wir dem König ansagen:“ (Vers 34–36)
Es ist auffallend, dass die Beschreibungen der vier aufeinander folgenden
Weltreiche hier relativ knapp gehalten wird, während das Erscheinen des Steines
und die damit verbundenen Auswirkungen sehr ausführlich beschrieben werden.
Ausführlicher wird das in der Deutung in den Versen 44+45 auch nicht mehr
dargestellt. Dieser Stein wird das monumentale Bild vollständig und plötzlich
zerstören. Ohne Zweifel ist das ein Bild von dem Herrn Jesus (vgl.
1. Mo 49,24). Wenn dann gesagt wird, dass
dieser Stein das Bild an seinen Füßen trifft, dann weist das darauf hin, dass
das zur Zeit des wiederhergestellten römischen Reiches geschehen wird. Und die
Zerstörung dieser Weltreiche wird dann nicht von oben nach unten sondern von
unten nach oben geschildert – das ganze Bild wird zerstört werden, das Ende des
römischen Reiches wird auch das Ende aller anderen ehemaligen Weltreiche sein.
Dass der Stein zu einem Berg wird und die ganze Erde erfüllt, ist ein Hinweis
auf das 1000-jährige Reich (Ps 72,8). Der
Stein riss sich los ohne Hände, ohne menschliche Vermittlung und nicht von
dieser Schöpfung (vgl. Heb 9,11). Dieses
Eingreifen Gottes liegt völlig außerhalb alles dessen, was der Mensch sehen oder
gar beeinflussen könnte. Es bleibt bei dieser Zerstörung der Weltreiche kein
riesiger Trümmerhaufen übrig, es wird alles verweht werden; und was übrigbleibt,
ist die Herrlichkeit des Herrn!
Frage: Warum wird es hier so geschildert, als würden erst durch den
Stein alle vier Weltreiche zusammenbrechen? Sind sie denn nicht vorher schon
zusammengebrochen? In der zurückliegenden Geschichte sind sie natürlich als
Weltmacht schon einmal zerstört worden, zunächst das babylonische, dann das
medo-persische und dann das griechische Weltreich. Aber als Restbestände werden
sie unter anderem Namen eine Existenz bewahren in allen Ländern – bis heute.
Alle vier Länder, die in diesem Bild gezeigt werden, bestehen heute und bis ganz
zum Schluss als Restbestände. Es besteht z.B. Persien, es besteht der Irak, und
wir sehen heute, dass all diese Länder wieder aktiv werden. Zeigt uns das nicht,
wie nahe das Ende sein mag? Ein atemberaubender Gedanke! Ein zweiter Gedanke zu
dieser Frage ist, dass es hier um das moralische Verderben geht, das diese vier
Weltreiche kennzeichnete. Und das wiedererstehende römische Weltreich wird eine
moralische Zusammenfassung dessen sein, was Satan in den vorhergehenden
Weltreichen schon bewirkt hat. Das wird alles ein Ende finden, wenn dieser Stein
die Füße trifft.
Durch das bis in Vers 34 wird wohl angedeutet, dass Nebukadnezar sich
das Standbild eine Zeit lang in seinem Traum anschauen konnte. Aber dieses
bis ist sicher auch ein Hinweis auf den gleichen Zeitpunkt, der in
Ps 110,1 beschrieben wird, wo der Herr
Jesus dann aufstehen wird und Sein Reich antreten wird.
Das ist der Traum. Wir können uns vorstellen, dass Nebukadnezar atemlos
zugehört haben muss; und auch uns geht es heute nicht viel anders. Empfinden wir
nicht eine gewisse Ehrfurcht angesichts dieser Mitteilungen des Geistes Gottes
durch Daniel? Es handelt sich um ganz gewaltige Ereignisse! Sie betreffen zwar
diese Welt und haben letzten Endes mit der Hoffnung des Christen nichts zu tun.
Aber die Dinge sind trotzdem für uns wichtig. Sind wir nicht manchmal etwas
leichtfertig, wenn es um Dinge geht, die nicht direkt uns angehen? Aber sie
gehen unseren Herrn Jesus an und Seine endgültige Herrschaft. Seinetwegen ist
uns das alles doch wichtig. Gott erwartet von uns, dass uns das interessiert,
was Seinen geliebten Sohn angeht.
Online seit dem 06.02.2014, Bibelstellen:
Daniel 2,37-45
„Du, o König, du König der Könige, dem der Gott des Himmels das Königtum,
die Macht und die Gewalt und die Ehre gegeben hat; und überall, wo
Menschenkinder, Tiere des Feldes und Vögel des Himmels wohnen, hat er sie in
deine Hand gegeben und dich zum Herrscher über sie alle gesetzt – du bist das
Haupt von Gold.“ (Vers 37–38)
Jeremia, Hesekiel und Daniel haben ungefähr in der gleichen Zeit geweissagt;
Jeremia und Hesekiel kurz vor dem Fall und während der Wegführung Judas, und
Daniel ab der babylonischen Gefangenschaft bis zur Wiederherstellung am Ende der
70-jährigen Gefangenschaft. Es gibt ganz erhebliche Überschneidungen der
Dienstzeiten dieser drei Prophe-ten, nicht aber ihrer Weissagungen. Denn Jeremia
und Hesekiel beschäftigen sich in erster Linie mit dem Volk Gottes während
dieser Zeit, während Daniel mehr den Schwerpunkt darauf legt, dass Israel
beiseite gesetzt ist und die Zeiten der Nationen begonnen haben.
Wir fragen uns vielleicht, warum die Beschreibung dieser vier Weltreiche in
diesem Traum mit dem babylonischen Reich beginnt, denn davor bestand doch schon
das assyrische Weltreich. Nach menschlicher Geschichtsschreibung ist das
sicherlich so, aber wenn Gott Seine Weltgeschichte beschreibt, dann immer so,
wie Sein irdisches Volk davon be-troffen ist. Sicher war der König von Assyrien
ein gewaltiger Herrscher seiner Zeit, und er zog zur Zeit Hiskias gegen Juda
herauf (Jes 36 + 37), aber er hat Jerusalem nie
besiegt, die Zeiten der Nationen hatten noch nicht begonnen. Erst später
Nebukadnezar hat die Stadt Jerusalem und den Tempel zerstört, und Hesekiel
beschreibt in diesem Zusammen-hang sehr eindringlich, wie Gott die Herrlichkeit
Seiner Gegenwart aus Jerusalem entfernt (Hes 8,4; 9,3;
10,4.18+19; 11,23) und sich außerhalb Jerusalems hingestellt hat.
Damit hat Gott selbst gewissermaßen den Weg frei gemacht, dass Nebukadnezar
diesen nun von Gott nicht mehr be-wohnten Tempel zerstören konnte. Die Gegenwart
Gottes konnte an dem Ort, den Er sich selbst als Wohnort erwählt hatte, nicht
mehr bestehen. Nachdem Gott nun nicht mehr von Jerusalem aus regierte, hat Er
selbst diesen Mann, Ne-bukadnezar, als das Haupt von Gold eingesetzt. Von den
dann folgenden drei Weltreichen lesen wir das nicht mehr, die-se Königreiche
sind nicht mehr direkt von Gott selbst eingesetzt worden.
Gott setzt jetzt auf der Erde einen Menschen zum Regenten ein. Dass
Nebukadnezar das Haupt von Gold war, weist da-rauf hin, dass er seine Macht und
Größe von Gott selbst erhalten hatte. Aber es erstreckt sich nicht nur auf die
Person Nebukadnezars, sondern auch auf seine Söhne; in
Jer 27,7 werden praktisch die drei Generationen des babylonischen
Weltreiches zusammengefasst, die alle unter dem Begriff Haupt von Gold
fungieren. Der erste Sohn als Nachfolger Ne-bukadnezars war Ewil-Merodak (2.
Kön 25,27), und dessen Sohn ist dann Belsazar als der letzte König des
babyloni-schen Reiches. Gold ist in der Bibel ein Bild der göttlichen
Herrlichkeit. Bei der Schilderung des Traumes in Vers 32 war noch von feinem
Gold die Rede; feines Gold, oder wie bei den Geräten des Heiligtums in der
Stiftshütte reines Gold spricht eigentlich immer von dem Herrn Jesus. Gott hat
einen gewissen Abglanz von dem, was Er selbst ist, auf Nebukadnezar gelegt (vgl.
Jer 51,7); auch hatte Er vollkommene Absichten,
die aber von Nebukadnezar überhaupt nicht verwirklicht wurden. Dieser hat sich
als völlig unwürdig erwiesen. Und es ist dabei von Bedeutung, dass Gott in
diesem gleichen Augenblick auch schon deutlich gemacht hat, dass sein Reich
begrenzt sein würde, dass es nur für eine Zeit bestehen würde, denn Er hat in
diesem Traum schon das nachfolgende Reich bestimmt, wovon Daniel später dem
König Belsazar sogar wörtlich voraussagte, dass es Persien sein würde (Dan
5,26–28).
Daniel nennt Nebukadnezar hier König der Könige, ein Titel, den Gott in
Hes 26,7 selbst auch für diesen König ver-wendet.
Er ist der einzige Mensch, der diesen Titel von Gott bekommt. König der Könige
bedeutet, dass Nebukadnezar nicht nur Regent über sein eigenes Land sein,
sondern auch über Könige anderer Länder regieren würde. Er hatte die
Oberherrschaft über verschiedene andere Nationen und auch Gewalt, unantastbare
Autorität. Aber Nebukadnezar war nur ein König der Könige, der König der Könige
ist der Herr Jesus (1. Tim 6,15;
Off 19,16).
Worüber wurde Nebukadnezar von Gott gesetzt? Es gibt dabei eine gewisse
Parallelität zu der Herrschaft, die Gott dem ersten Menschen übertragen hat (1.
Mo 1,26), ausgenommen die Fische des Meeres. In diesem Sinn war seine
Herr-schaft begrenzter als die Adams, aber Nebukadnezar hatte auch Macht über
Menschen (Dan 5,18+19), in diesem Sinn war seine
Herrschaft weiter als die Adams. Einen solchen Herrscher hat es wohl nie wieder
auf der Erde gegeben! Wenn wir das aber einmal mit der Herrschaft des Sohnes des
Menschen vergleichen, sehen wir aber einen ganz deutli-chen Unterschied (Ps
8,7–9). Seine Machtfülle geht weit über das hinaus, was Menschen je an
Macht besessen haben, und Sein Reich wird ewigen Bestand haben.
„Und nach dir wird ein anderes Königreich aufstehen, geringer als du; und
ein anderes, drittes Königreich, aus Kupfer, das über die ganze Erde herrschen
wird.“ (Vers 39)
Furchtlos tritt dieser junge Daniel vor den mächtigsten Herrscher hin und
kündigt ihm mit den Worten „nach dir wird ein anderes Königreich aufstehen“
unumwunden die Tatsache an, dass sein Reich nur für eine Zeit bestehen würde. In
Jer 25,11+12 hatte Gott schon deutlich gemacht,
dass das Reich Nebukadnezars nur 70 Jahre dauern würde. Diese Zeit ist die Dauer
der Gefangenschaft der Juden, aber es ist zugleich auch das Ende des Reiches der
Babylonier. Und auch Jesaja hatte schon über 100 Jahre früher das Ende dieses
babylonischen Reiches durch die Meder vorhergesagt (Jes
13,1+17; auch Jer 51,1+11). Gott hat alles
in Seiner Hand, Er verkündigt das Ende von Anfang an (Jes
46,10).
Dieses Haupt von Gold wird also durch ein nächstes Weltreich abgelöst. Es ist
das medo-persische Reich (Dan 8,20); die beiden
Arme stehen dabei für Medien und Persien, die zusammen dieses Weltreich bildeten
und ungefähr 538 v.Chr. das babylonische Weltreich ablöste. Es waren also nicht
zwei verschiedene Reiche, sondern die Perser hatten die Meder erobert und waren
mit ihnen eine Art Allianz eingegangen, so dass im Buch Daniel auch von zwei
Fürsten dieses Reiches die Rede ist: Kores, der Perser, und Darius, der Meder.
Die Gesetze in diesem medo-persischen Reich werden ja auch die Gesetze der Meder
und Perser genannt (Dan 6,13+16). Dieses zweite
Reich würde geringer sein als das ba-bylonische Weltreich. Das Silber ist in
seinem Wert geringer als das Gold. Aber das bezieht sich weder auf die Größe
noch auf die Zeitdauer des medo-persischen Reiches, denn unter diesen Aspekten
war es ausgedehnter als das babyloni-sche Reich. Geringer ist das medo-persische
Reich im Blick auf die Regierungsform, auf die Machtausübung und Machtposition
seines Herrschers. Kores hatte schon nicht mehr diese absolutistische Macht wie
Nebukadnezar sie be-saß; er konnte z.B. seine eigenen Befehle nicht mehr
aufheben und war den Gesetzen selbst unterworfen.
Gott hatte den Nebukadnezar benutzt, um Sein irdisches Volk zu richten und
Jerusalem und den Tempel zu zerstören; und Er benutzt jetzt Kores, der
einerseits das babylonische Weltreich vernichtete, aber andererseits auch den
Befehl zu gab, dass der Tempel in Jerusalem wieder aufgebaut werden sollte. Gott
hält zu allen Zeiten alle Dinge in Seiner Hand!
Das dritte Königreich ist dann das griechische Weltreich (Dan
8,21), das etwa 336 v.Chr. das medo-persische Reich ab-löste. Gottes Wort
sagt das wieder ganz genau voraus, und es bleibt absolut nicht unseren
menschlichen Vermutungen überlassen, wer damit gemeint sein könnte. Auch
Dan 11,2–4 zeigt diese Abfolge deutlich auf; der
vierte König aus Vers 2 ist der Ahasveros des medo-persischen Reiches aus dem
Buch Esther, der tapfere König aus Vers 3 ist Alexand-er der Große von
Griechenland. Mit diesem griechischen Weltreich setzt sich die Degeneration der
Machtausübung üb-rigens fort. Alexander der Große konnte nur mit Unterstützung
und Zustimmung seiner Generäle regieren. Im römi-schen Weltreich wurde dann
schon immer mehr die Stimme des Volkes befragt. Und jetzt, am Ende dieser Zeiten
der Nationen, leben wir hier in unserem Land in einer Demokratie, in der laut
Grundgesetz alle Macht vom Volk ausgeht. Man sieht also, dass die
Regierungsformen sich immer weiter von dem entfernen, was Gott als Regierung
haben wollte, dass sie immer geringer werden. Die Demokratie ist von dem, was
Gott eigentlich will, am weitesten entfernt.
Auffallend ist, dass Daniel recht ausführlich über das erste Weltreich
spricht, dass er ganz knapp nur das zweite und dritte Weltreich in einem Vers
zusammenfasst, und dass er dann wieder in mehreren Versen ausführlicher über das
rö-mische Weltreich spricht.
„Und ein viertes Königreich wird stark sein wie Eisen; ebenso wie das
Eisen alles zer-malmt und zerschlägt, so wird es, wie das Eisen, das
zertrümmert, alle diese zermalmen und zertrümmern“ (Vers 40)
Als der Kanon der Schriften des Alten Testamentes vollendet war, gab es noch
keinen geschichtlichen Hinweis auf das dritte und das vierte Weltreich. Bis zum
Abschluss des Alten Testamentes existierte Rom als wahrnehmbare Macht noch gar
nicht. Der direkte Übergang des griechischen Reiches zum römischen Reich vollzog
sich während der 400-jährigen Zeit des Schweigens zwischen Altem Testament und
Neuem Testament. Die Geschichtsschreibung des Alten Testamentes schließt mit der
Zeit des zweiten Weltreiches. Das römische Weltreich als das vierte hier in
diesem Bild hat ungefähr 30 v.Chr. seinen Anfang genommen. In der Deutung des
Traumes wird hier nicht mehr von den Schenkeln aus Eisen gesprochen (Vers 33).
Es sind zwei Schenkel, was eine Anspielung auf das west-römische und das
ost-römische Reich ist. Der riesige Komplex des römischen Reiches wurde 396
n.Chr. geteilt in einen West-Teil und einen Ost-Teil. Das ost-römische Reich
hatte als Hauptstadt Konstantinopel, es ist 1453 erst zerstört worden und spielt
keine Rolle mehr in der biblischen Prophetie. Wenn später von dem
wiedererstandenen römischen Reich die Rede sein wird, ist damit immer das
west-römische Reich gemeint. Das ost-römische Reich als solches ist nicht mehr
existent.
Vers 40 bezieht sich zurück auf Vers 33 a, die erste große Phase dieses
römischen Reiches. Das charakteristische We-sen dieses Reiches ist Grausamkeit,
es zermalmt und zertrümmert alles; zwei Beispiele aus dem Neuen Testament
ma-chen das deutlich: Pilatus hatte das Blut der Galiläer mit ihren
Schlachtopfern vermischt (Lk 13,1), und es gibt
keine grausamere Tötungsmethode als die Kreuzigung – und genau in diese Zeit mit
seinem grausamsten Herrscher hinein ist der Herr Jesus Mensch geworden und hat
diesen Kreuzestod erlitten! Schon zu der Zeit, als der Er geboren wurde, be-saß
dieses römische Reich sehr ausgedehnte Macht und Umfang (vgl.
Lk 2,1). An vielen weiteren Stellen des Neuen
Testaments finden wir noch Hinweise darauf (z.B. Lk 3,1;
20,25; Joh 19,12+15). Aber wo ist nun
dieses Reich heute? Es existiert tatsächlich nicht.
„Und dass du die Füße und die Zehen teils aus Töpferton und teils aus
Eisen gesehen hast – es wird ein geteiltes Königreich sein; aber von der
Festigkeit des Eisens wird in ihm sein, weil du das Eisen mit lehmigem Ton
vermischt gesehen hast. Und die Zehen der Füße, teils aus Eisen und teils aus
Ton: Zum Teil wird das Königreich stark sein, und ein Teil wird zerbrechlich
sein. Dass du das Eisen mit lehmigem Ton vermischt gesehen hast – sie werden
sich mit den Nachkommen der Menschen vermischen, aber sie werden nicht
anei-nander haften: so wie sich Eisen nicht mit Ton vermischt“ (Vers 41–43)
Die Verse 41–43 beziehen sich dann zurück auf Vers 33b, wo es nicht mehr um
das mittlerweile vergangene römische Reich geht, sondern um das wiedererstehende
römische Reich, das auch heute noch zukünftig ist. Es wird zwar nicht
ausdrücklich von zehn Zehen gesprochen, aber in diesem Bild von einer
menschlichen Gestalt sind sie in den Füßen mit Zehen zumindest angedeutet.
Off 13,1+2 zeigt uns den kommenden König des
wiedererstehenden römischen Reiches. Dieser römische Fürst wird Gewalt vom
Teufel (dem Drachen) bekommen. Diese Regierung ist die erste, die nicht von Gott
ist, sie ist direkt vom Teufel; er hat zehn Hörner, was für zehn Königreiche
steht, die dieses Tier aus dem Völker-meer beherrschen wird. Es wird also eine
Konföderation aus zehn Staaten sein. Der römische Fürst wird mit großer
Schnelligkeit diese zehn Staaten zusammenbringen. Wenn wir übrigens jetzt an die
EWG denken, die einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt aus zehn Ländern bestand,
dann würden wir die Prophetie erklären mit der Geschichte. Die Ver-träge, auf
denen das vereinte Europa gegründet ist, heißen bis heute die römischen
Verträge. Aber man muss sich doch die Frage stellen, was Europa eigentlich
treibt, dass sie mit Gewalt eine einheitliche Währung haben müssen? Es gibt
keine vernünftige ökonomische Notwendigkeit, eine einheitliche Währung für ganz
Europa einzuführen. Es sind die Vorbereitungen unter der Wirksamkeit des Teufels
für das bald wieder erstehende römische Reich. Der EU-Ratsvorsitzende Gaston
Thorn aus Luxemburg hat schon vor ca. 30 Jahren in seiner Antrittsrede gesagt,
dass seit dem Untergang des römischen Reiches Europa noch nie so nahe an einer
Wiedererstehung dieses Reiches war, wie heute.
Das Haupt des wiedererstehenden römischen Reiches wird verglichen mit einem
Leoparden, mit einem Bären und mit einem Löwen. Aus einem Vergleich mit der
Beschreibung der Charaktere der ersten drei Reiche in Dan
7,3–6 sehen wir, dass dieser kommende Fürst alle Charakterzüge der
vorhergehenden Reiche in sich vereinigen wird. Off 17,3
zeigt eine weitere nähere Beschreibung dieses Reiches, wobei die sieben Köpfe
für sieben verschiedene Regierungs-formen stehen könnten, unter denen das
römische Reich im Laufe der Zeit regiert wurde (Republik, Diktatur, Konsule,
Kaiser usw.). Andererseits können sie auch als ein Hinweis auf die sieben Hügel
Roms gedeutet werden.
Die zehn Hörner stehen auch hier wieder für die zehn Staaten dieses Reiches (Off
17,12). Und dann finden wir in Off 17,7+8
die Bestätigung dafür, dass das römische Reich erst noch wiedererstehen wird: Es
„war“ (das beschreibt die Zeit des Reiches in der Vergangenheit zur Zeit des
Herrn Jesus), „und ist nicht“ (in unserer gegenwärtigen Zeit be-steht es nicht),
„und wird aus dem Abgrund heraufsteigen“ (aus heutiger Sicht in noch zukünftigen
Tagen). Die zehn Könige dieses Reiches sind die Zehen der Füße aus
Dan 2,41+42. Es zeigt den letzten Zustand des
römischen Reiches. Und das Gericht Gottes wird an den Füßen dieses Reiches, also
an seinem letzten Zustand auf der Erde beginnen. Off
19,19+20 zeigt uns dann dieses Gericht durch den aus dem Himmel kommenden
Herrn Jesus. Es ist ein erschütternder Akt der Gerechtigkeit Gottes, wenn das
Tier (der Fürst dieses römischen Reiches) und der falsche Prophet (der
Anti-christ) persönlich in ihrem Körper in den Feuersee geworfen. Es sind die
ersten Wesen, die in der Hölle sein werden – nicht der Teufel, sondern der
falsche König und der falsche Prophet!
Diese letzte Phase des wiedererstandenen römischen Reiches wird die kürzeste
Epoche dieser Zeiten der Nationen sein und seine Regierungsform wird durch
Vermischung gekennzeichnet sein. Dreimal in diesen Versen ist von dieser
Ver-mischung die Rede:
• zunächst nur die Füße und die Zehen (Vers 41); dabei geht es nicht um eine
äußere Teilung, sondern um innere Vermischung. Eisen ist ein Element, und Ton
(Lehm) ist an sich schon ein Gemisch aus Gesteinsmehl, das überhaupt keine
Stabilität besitzt. Lehm ist ein absolut formbares Material ohne jede
Festigkeit. Es sind Ele-mente der Machtzerstörung Roms.
• dann die Zehen der Füße (Vers 42); hier wird nicht die Teilung oder
Vermischung an sich beschrieben, sondern die Festigkeit bzw. Instabilität dieser
Materialien; es wird eine Vermischung von stark und zerbrechlich sein. Das Eisen
als das starke Element ist die Monarchie in der Form einer absoluten Monarchie.
Ein Monarch be-herrscht alle zehn Reiche. Die zehn Könige des Endes in diesem
zukünftigen römischen Reich ist das Element, was dieses Reich schwächt, in
diesem Bild der Ton. Diese Könige sind schwach, weil sie ihre Macht dem Tier
geben werden. Sie werden nur durch die Macht Satans gebildet und
zusammengehalten.
• die Vermischung mit den Nachkommen der Menschen (Vers 43); hier kommt die
menschliche Schwäche zum Ausdruck. Lehm und Ton ist in der Bibel immer der
Ausdruck der Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit des menschlichen Elementes (2.
Kor 4,7). Das menschliche Element ist so einflussreich, dass es die
Regierungs-form als solche, die an sich von äußerer Gewalt gekennzeichnet ist,
insgesamt schwächt. Das ist ein deutlicher Hinweis auf die negativen Auswüchse
einer Demokratie. Gottes Regierungs-Ideal ist nicht Demokratie, son-dern
Autokratie, und das wird im 1000-jährigen Reich vollkommen durch den Herrn Jesus
ausgeübt werden. In einer Demokratie kommt es vor, dass ein Regierungsbeschluss
(Eisen) durch menschliche Argumente und Ein-flüsse (Ton) zu Fall gebracht wird,
siehe z.B. ganz aktuell das Geschehen um Stuttgart 21. Die Demokratie geht an
sich selbst zugrunde, nichts ist zerbrechlicher als der Wille des Volkes.
Allerdings wollen wir betonen, dass wir heute nicht in dieser Zeit des römischen
Reiches leben.
„Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich
aufrichten, das in Ewigkeit nicht zerstört und dessen Herrschaft keinem anderen
Volk überlassen werden wird; es wird alle jene Königreiche zermalmen und
vernichten, selbst aber in Ewigkeit bestehen: Weil du gesehen hast, dass sich
von dem Berg ein Stein losriss ohne Hände und das Eisen, das Kupfer, den Ton,
das Silber und das Gold zermalmte. Der große Gott hat dem König kundgetan, was
nach diesem geschehen wird; und der Traum ist gewiss und seine Deutung
zuverlässig“ (Vers 44–45)
Das zweite sichtbare Kommen des Herrn Jesus wird in den Tagen dieser zehn
Könige des wiedererstandenen römischen Reiches stattfinden, und Er wird diesem
Reich ein Ende setzen. Von dem, der einst auf dieser Erde der Verworfene war,
wird dann die vollkommene Regierungsgewalt ausgeübt. Wirklich herrschen wird nur
der, der gehorchen konnte – Christus!
Frage: Gibt es denn dieses Reich Gottes nicht heute schon? Natürlich! In
Lk 17,21 sagt der Herr Jesus selbst, dass das
Reich Gottes – in Seiner Person – mitten unter ihnen ist. Aber das ist nicht
das, was hier vorgestellt wird. Das Reich Gottes so wie wir es heute haben, ist
ein Reich in einer verborgenen Form, wo der Herr dieses Reiches nicht öffentlich
sichtbar in Macht und Herrlichkeit regiert. Daniel beschreibt also nicht das
Reich Gottes in der verborgenen Form, wie wir es heute erleben, sondern hier
geht es um das Reich Gottes in seiner öffentlichen Form, wie es der Herr Jesus
nach Seinem zweiten Kommen auf dieser Erde gründen wird. Es wird Reich Gottes
genannt, weil Gott der Ursprung dieser Herrschaft ist. Wenn es das Reich des
Sohnes des Menschen genannt wird (Mt 13,41; 16,28),
beschreibt es den, dem die Regierung in diesem Reich übergeben worden ist.
Von diesem 1000-jährigen Reich des Herrn Jesus werden hier verschiedene
wertvolle Dinge gesagt:
• es wird in Ewigkeit nicht zerstört werden (vgl. Dan
7,14). Alle menschlichen Reiche haben dadurch ein Ende gefunden, dass sie
zerstört worden sind. Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft (Lk
1,33; Heb 1,6–8). Das Reich wird zwar nicht
ewig währen, sondern nach 1000 Jahren ein Ende haben, aber es trägt auch gewisse
Ewigkeits-Züge in sich, die weit über das 1000-jährige Reich hinausgehen und in
anderer Form weiter beste-hen (2. Pet 1,11;
Off 11,15; 21,5). Die Herrschaft Gottes durch das
Lamm wird nicht mit dem Ende des 1000-jährigen Reiches aufhören. Es wird nicht
zerstört werden, denn Er wird es Seinem Gott und Vater unbe-fleckt und
unbeschädigt übergeben, nachdem Er alle Gott entgegenstehenden Elemente durch
Seine Gerechtig-keit und Herrschaft unterdrückt und vernichtet und aus der Welt
geschafft hat (1. Kor 15,24–28). Dieses Ende und
dieses Übergeben an Seinen Gott und Vater, ist eine gewisse Bestätigung oder
Qualitätssiegel Seiner voll-kommenen Regierung.
Frage: Können wir sagen, dass nach dem Ende des 1000-jährigen Reiches, wenn die
neue Schöpfung, der ewige Zustand beginnt, nur noch Menschen auf der Erde sein
werden, die sich in nichts mehr voneinander un-terscheiden (Gal
3,28)? In Off 21,2+3 müssen wir gut
zwischen diesen beiden Versen unterscheiden. Im ewi-gen Zustand wird es nur noch
zwei Gruppen von Menschen geben: die Versammlung (die heilige Stadt, das neue
Jerusalem, die Braut); und mittels der Versammlung wohnt Gott dann bei den
erlösten Menschen (sowohl die Gläubigen des AT als auch die Gläubigen nach der
Entrückung; alle Erlösten, die nicht zur Versammlung gehören) auf der neuen
Erde. Diese Menschen auf der neuen Erde sind geschlechtslos (Lk
20,35+36), und sie werden in einem Herrlichkeitsleib dort sein, nicht in
einem normalen Körper. Der höchste Gedanke Gottes ist mit Seiner Versammlung
verbunden, und Er wird sich ewig verherrlichen in dieser Versammlung (Eph
3,21).
• nach Vers 35 wird dieses Reich die ganze Erde erfüllen; es wird auch ein
größeres Reich sein als alle Weltrei-che, die es je auf dieser Erde gegeben hat.
• seine Herrschaft wird keinem anderen Volk überlassen werden; wir Menschen
haben nachhaltig bewiesen, dass wir nicht herrschen können; wenn wir Menschen
Herrschaft bekommen, besteht immer die Gefahr, dass wir sie missbrauchen;
deshalb wird Er die Herrschaft niemand anderem mehr überlassen.
• es wird in Ewigkeit bestehen; auf alttestamentlichem Boden meint der Ausdruck
ewig nicht wirklich ewig, sondern eine sehr sehr lange Zeit, nach unserem
heutigen Verständnis bis zum Ende des 1000-jährigen Rei-ches (z.B.
Jes 60,21; Dan 7,11).
Auch Lk 1,32 bezieht sich auf alttestamentliche
Aussagen. Wusste man im Alten Testament überhaupt, dass das Reich des Herrn
Jesus eine zeitliche Begrenzung hatte? Wir wissen heute erst aus
Off 20, dass dieses Reich 1000 Jahre währen wird,
aber die Gläubigen des Alten Testamentes wohl nicht. Ewig im Sinne des Alten
Testamentes bedeutete eigentlich, dass die betreffende Sache durch nichts
an-deres ersetzt werden wird. Aber wir kommen hier an einen Punkt, wo wir nicht
wirklich verstehen können, was Gott gemeint hat, wenn Er im Alten Testament ewig
gesagt hat. Wir sollten wie Josua unsere Schuhe auszie-hen und vorsichtig sein.
Wie könnten wir beurteilen wollen, was Gott in Seiner Weisheit im Alten
Testament gedacht hat?
Welch ein wunderbares Reich wird dieses Reich des Herrn Jesus sein! Das Alte
Testament hat wunderbare Beschrei-bungen dieses vollkommenen Segenszustandes in
Seinem Reich. Beschäftigen wir uns damit nicht viel zu wenig? Es betrifft uns
zwar nicht direkt, aber es betrifft unseren Herrn ganz direkt, und deshalb muss
es uns einfach interessieren!
Dass die Vernichtung der vier Weltreiche nicht mit dem ersten Kommen des
Herrn auf diese Erde geschieht (scheinbar war es sogar genau umgekehrt), macht
Dan 11,13+14 deutlich, denn dort wird das Kommen
des Herrn Jesus so be-schrieben, dass Er mit den Wolken des Himmels kommen wird,
und das ist ein klarer Hinweis auf Sein zweites sichtba-res Erscheinen auf
dieser Erde. Und als erstes wird Er in einem Kriegsgericht diese Reiche alle
vernichten (Off 19,19+20). Das gehört auch zu dem
Gericht der Lebenden (2. Tim 4,1;
Mt 25,31 ff.). Wenn dieser Stein an die Füße des
Standbildes stößt, wird Er dieses ganze Gebilde zerstören; nicht nur das
römische Weltreich kommender Tage, sondern auch alle Restbestände der
vorhergehenden Reiche werden zu Pulver zermalmt werden. Es wird wie eine
Endabrech-nung mit allen entgegenstehenden Gewalten sein (Jer
25,31; Zeph 3,8). Alle diese Mächte werden
durch diesen Stein zerschmettert werden (Ps 2,8+9).
In Mt 21,44 wird uns eine zweifache
Gerichtsausübung dieses Steines vorgestellt: „wer auf diesen Stein fällt
(Israel), wird zerschmettert werden; auf wen irgend er aber fällt (die
Nationen), den wird er zermalmen“.
Daniel hatte seine Deutung mit dem Gott des Himmels begonnen, und er endet
hier mit dem großen Gott; alles geht von Gott aus und alles führt zu Gott hin.
Das ist das Wesen der göttlichen Wahrheit.
Daniel hatte beide Aufträge erfüllt und ist sich seiner Sache auf ganz
sicher. Er sollte zunächst den Traum anzeigen, und dann diesen Traum deuten. Und
jetzt hat er zu beiden Dingen eine klare Aussage: der Traum ist gewiss und seine
Deu-tung ist zuverlässig. Er fragt den König gar nicht erst, ob er denn den
Traum richtig wiedergegeben hatte, ob das auch wirklich sein Traum gewesen sei.
Was Gott sagt und was von Gott kommt, ist gewiss und zuverlässig, wir können uns
darauf verlassen. Aber es ist auch auffällig, dass solche Formulierungen gerade
in Verbindung mit Prophetie gebraucht werden (Off 21,5).
Wenn es um Prophetie geht, um die Zukunft, dann gibt es nur eine zuverlässige
Quelle für uns, und das ist Gottes Wort. Es gibt auch auf christlichem Gebiet
viele Bücher, die sich mit Zukunftsvisionen beschäftigen, es gibt viele Gedanken
und Theorien darüber; aber wenn wir wissen wollen, was wirklich und ganz sicher
geschehen wird, müssen wir die Bibel lesen (2. Pet 1,19).
Da bekommen wir Licht darüber, was mit dieser Erde passieren wird, was nach
diesem geschehen wird (Dan 2,29;
Off 1,19+4,1) – und das soll einen Einfluss auf
unser tägliches Leben haben!
Online seit dem 08.02.2014, Bibelstellen:
Daniel 2,46-49
Da fiel der König Nebukadnezar nieder auf sein Angesicht und betete
Daniel an; und er befahl, ihm Speisopfer und Räucherwerk darzubringen. Der König
antwortete Daniel und sprach: In Wahrheit, euer Gott ist der Gott der Götter und
der Herr der Könige und ein Offenbarer der Geheimnisse, da du vermocht hast,
dieses Geheimnis zu offenbaren.“ (Vers 46–47)
Daniel und seine drei Freunde sind ja ein Bild des zukünftigen gläubigen
jüdischen Überrestes. Gott sorgt dafür, dass die Feinde dieses Überrestes
anerkennen müssen, dass doch Gott diesen Überrest bestätigt (5.
Mo 28,9+10). Das ist übrigens wahr im Blick auf Israel und auch im
Blick auf uns (Off 3,9). Gott bekennt sich
zu der Treue eines Überrestes – sei es damals oder sei es heute.
Die Reaktion Daniels auf die Offenbarung des Traumes war Lobpreis gewesen
(Vers 20–23), in diesen Versen finden wir jetzt die Reaktion Nebukadnezars auf
die Deutung des Traumes. Als erstes finden wir eine typisch heidnische Reaktion
(Apg 14,11–13), er fällt vor Daniel nieder
um ihn anzubeten. Auch bei Kornelius finden wir eine ähnliches Verhalten (Apg
10,25), wie auch bei Johannes (Off 19,10;
22,8). Wenn es um die Verehrung von Menschen oder Geschöpfen geht,
ist es auffallend, dass Petrus und Paulus das von sich gewiesen haben, während
Herodes diese Anbetung annimmt und sich selbst dadurch das Gericht Gottes
zuzieht (Apg 12,21–23). Warum hat Daniel
diese Huldigung nicht zurückgewiesen? Gott teilt es uns einfach nicht mit, aber
seine Haltung in dieser Situation finden wir in Vers 49, wo er sich für seine
Freunde verwendet. Es war ihm nicht zum Verhängnis geworden.
Nebukadnezar sah auf den Menschen und hatte nicht verstanden, dass Gott die
Quelle dieser Offenbarung war, wie auch bei Paulus in Apg
14. Wenn ein Mensch keine Beziehung zu Gott hat, dann muss sein Gewissen
getroffen werden, und das war bei Nebukadnezar noch nicht der Fall. Es ist
praktisch eine Illustration von Rö 1,25,
und muss für Daniel eine schrecklich beklemmende Situation gewesen sein. Satan
versuchte durch diese Huldigung des Königs, ihn innerlich zu Fall zu bringen.
Die größte Gefahr für uns ist nicht die Löwengrube oder der Feuerofen, sondern
wenn uns durch Menschen Verehrung entgegengebracht wird! Wir müssen uns auch
davor hüten, Brüdern, deren Dienst wir schätzen, eine gewisse Verehrung zu
erweisen.
Auch was Nebukadnezar dann über Gott zum Ausdruck bringt, zeigt, dass er ist
immer noch in seiner heidnischen Götter-Vorstellung gefangen ist. Er spricht ihm
zwar allerhöchste Autorität zu und auch Macht über jeden Regenten dieser Erde,
aber er spricht zu Daniel von eurem Gott, er selbst hatte immer noch
keine persönliche Beziehung zu diesem Gott. Für ihn ist er der Gott der
Götter, der Oberste von allen Götzen. Aber was er so über Gott sagt, ist
natürlich überhaupt nicht wahr. 1. Kor 8,4–6
zeigt deutlich, dass es nur einen wahren und lebendigen Gott gibt und alle
Götzenbilder und Götter nichts sind. Was Menschen als Götter bezeichnen, ist
nichts als tote Materie, wenn auch Dämonen dahinterstehen. Wir können allerdings
nicht sagen, dass sie gar nicht existieren, es sind Kreaturen des Teufels; aber
es sind keine der Anbetung würdigen Götter. Satan, der Gott dieser Welt (2.
Kor 4,4) hält diese falschen Götter am Laufen; und zu bestreiten,
dass sie existieren, würde ihm direkt in die Karten spielen. Wenn wir wir auch
in Ps 136,2 aufgefordert werden, den Gott
der Götter zu preisen, ist das aber nicht der gleiche Sinn, wie Nebukadnezar es
ausgedrückt hat. Es ist die Anerkennung der Tatsache, dass Gott über allem
steht.
Nebukadnezar hatte außerdem auch anerkannt, dass Gott der Herr der Könige
ist. Das scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass er verstanden hatte, dass
seine Macht nur von begrenzter Zeit war, dass es einen Gott gibt, der Könige
absetzt und Könige einsetzt. Und als letztes hatte er auch noch anerkannt, dass
es bei seiner Elite keine Weisheit gab, dass wahre Weisheit nur bei diesem Gott
der Juden zu finden ist, der ein Offenbarer der Geheimnisse ist. Wenn
unser Gott sich mitteilt, dann tut Er es so, dass man es verstehen kann.
Nebukadnezar zeigt hier nur ein äußeres Beeindruckt-Sein von dem, was er
erlebt hatte, ohne sich unter diesen Gott zu beugen. Er kommt zu dem
verstandesmäßigen Ergebnis, dass das, was Daniel für ihn getan hatte, ein
normaler Mensch gar nicht hätte tun können. Es ist deshalb seine
Schlussfolgerung, dass dieses Wesen, das Daniel dazu geleitet hatte, höher als
alle seine Götter sein muss. Nebukadnezar ist also überhaupt nicht Gott näher
gekommen; er hatte nur anerkennen müssen, wenn er seinen Verstand nicht ganz
ausschalten wollte, dass es einen höheren Gott als alles, was er kannte, geben
musste. Es besteht also doch eine große Kluft zwischen einer gewissen
verstandes- oder gefühlsmäßigen Anerkennung Gottes und dem rettenden Glauben, zu
dem man nur kommen kann, wenn Herz und Gewissen erreicht worden sind.
Und wenn die Erkenntnis Gottes nur gefühls- oder verstandesmäßig bleibt, dann
wird sie auch nicht sehr dauerhaft sein und möglicherweise sogar ins
Gegenteil umschlagen. Das wird auch bei Nebukadnezar in
Daniel 3 deutlich, wo er offenkundig überhaupt nicht mehr an einen Gott
der Götter denkt, sondern dieses gewaltige Bild aus Gold und damit im Grunde
sich selbst anbeten lässt, und dann sogar der Überzeugung ist, dass es keinen
Gott gibt, der aus seiner Hand zu erretten vermöchte (Dan
3,15).
Frage: Wie weit kann eigentlich der natürliche Mensch Gott erkennen
oder in eine Beziehung zu Gott kommen? In Römer 1
wird vorgestellt, dass jemand, der die Schöpfung unvoreingenommen betrachtet, zu
der Schlussfolgerung kommen muss, dass es ein Wesen geben muss, der dies alles
hervorgebracht hat. Das ist eine Erkenntnis, die Gott dem Menschen durch den
Verstand gibt; der menschliche Verstand muss durch die Herrlichkeit der
Schöpfung zu dem Ergebnis kommen, dass es einen Gott im Himmel gibt. Es erhöht
seine Verantwortung, aber es hilft ihm noch nicht richtig weiter. Dazu ist dann
das Evangelium nötig. In diesem Sinn sind Daniel 2
und Römer 1 kein Evangelium. Es zeigt dem
Menschen, dass er eine Beziehung zu Gott hat, eine Stellung der
Verantwortlichkeit Gott gegenüber. Der einzige Weg, Gott zu erkennen und mit ihm
in Beziehung zu treten, geht allein über Herz und Gewissen eines jeden Menschen.
„Darauf machte der König Daniel groß und gab ihm viele große Geschenke,
und er setzte ihn als Herrscher ein über die ganze Landschaft Babel und zum
Obervorsteher über alle Weisen von Babel. Und Daniel bat den König, und er
bestellte Sadrach, Mesach und Abednego über die Verwaltung der Landschaft Babel.
Und Daniel war am Hof des Königs.“ (Vers 48–49)
Daniel und seine Freunde hatten Gott geehrt, und jetzt sorgt Gott dafür, dass
sie geehrt werden und an den Platz kommen, den Er ihnen zugedacht hat (1.
Sam 2,30; Spr 15,33). Wir finden
hier auch den so wichtigen inneren Zusammenhalt unter Gläubigen. Daniel hatte
die Offenbarung bekommen, aber er wollte den Ruhm nicht für sich allein haben,
sondern verwendet sich für die, die mit ihm gebetet hatten. So gibt es
unterschiedliche Aufgaben unter den Gläubigen, aber der dabei vom Herrn
geschenkte Segen ist für alle, nicht nur für die, die an vorderster Front stehen
(1. Sam 30,24)! So ist auch der Segen
dieser Konferenz nicht nur für die Brüder, die dabei sein konnten, sondern auch
für alle Geschwister, denen es nicht vergönnt war und die zu Hause für diese
Konferenz gebetet haben.
Daniel bekommt hier zwei große Ehren angeboten, er sollte zum Herrscher über
die zentrale Landschaft Babel und auch zum Obersten aller Weisen gemacht werden.
Aber anstatt das für sich anzunehmen, verwendet er sich für seine Freunde und
schlägt dem König vor, die Verwaltung über die Landschaft Babel ihnen zu geben.
Das Angebot, über alle Weisen gesetzt zu werden, hatte er nicht abgelehnt, und
das ist übrigens auch der Grund, warum er am Hof des Königs blieb und die drei
Freunde in Kapitel 3 ohne Daniel gefunden werden. Vers 49 ist also gewissermaßen
auch eine Einführung in das nächste Kapitel. Dort werden alle Regierungsbeamten
zur Einweihung des Standbildes gerufen, aber Daniel war kein Beamter sondern
Oberster der Weisen Babels. Daniel hat nie nach hohen Dingen getrachtet (Rö
12,16; Mt 6,33;
Spr 16,7), sondern in Einfachheit und
Schlichtheit um jeden Preis die Ehre bei Gott höher wertgeschätzt als die Ehre
vor den Menschen. Er wollte keinen Erfolg haben, er wollte nur seinem Gott treu
sein. Möchten wir diese Haltung für uns selbst und auch in der Erziehung unserer
Kinder nachahmen!
Online seit dem 10.02.2014, Bibelstellen:
Daniel 3,1-7
In Kapitel 2 hatten wir die äußere Entwicklung dieser vier Weltreiche
gesehen. In den Kapiteln 3 bis 6 finden wir jetzt historische Ereignisse, und
zwar in Dan 3 – 5 in Bezug auf das erste Weltreich
der Babylonier, und in Dan 6 ein historisches
Ereignis in Bezug auf das zweite Weltreich der Meder und Perser. Aber es sind
nicht nur historische Ereignisse, sondern sie tragen auch einen prophetischen
Charakter. In dem Standbild, das sich Nebukadnezar in diesem Kapitel aufstellt,
haben wir einen Hinweis auf den Gräuel der Verwüstung, der später im Tempel
aufgerichtet werden wird (Mt 24,15),
Götzendienst in seiner schlimmsten Form. Und in den drei Freunden im Feuerofen
haben wir einen Hinweis auf die Leiden des Überrestes in der großen
Drangsalszeit.
Diese vier Kapitel können wie folgt charakterisiert werden:
·
Kap 3: der Versuch, durch weltliche Religiösität
Einheit zu erreichen
·
Kap 4: das Haupt wird zum Tier, jedes
Gottes-Bewusstsein geht verloren
·
Kap 5: die Gottlosigkeit und Vermessenheit
Belsazars, in der er zur Verunehrung Gottes auftritt
·
Kap 6: der Mensch macht sich selbst zum Gott in
dem König Darius von den Medern
Und doch hat auf alle diese furchtbaren Fehlentwicklungen Gott eine Antwort,
und alle vier Kapitel enden damit, dass Gott die Oberhand behält. Wenn wir
bedenken, dass wir heute in diesen Zeiten der Nationen leben, dann müssen wir
doch feststellen, dass auch die Regierungen heute letztlich diese Kennzeichen
tragen. Wir dürfen uns keinen falschen Eindrücken von unseren sogenannten
christlichen Regierungen hingeben; der moralische Charakter für die gesamte
Zeitperiode der Zeiten der Nationen ist immer derselbe.
„Der König Nebukadnezar machte ein Bild aus Gold: seine Höhe sechzig
Ellen, seine Breite sechs Ellen; er richtete es auf in der Ebene Dura, in der
Landschaft Babel“. (Vers 1)
Nebukadnezar hatte gerade unmittelbar zuvor eine Offenbarung des Gottes des
Himmels gehört, aber seine Reaktion darauf war nur eine kurzfristige religiöse
Aufwallung gewesen, eine Form der Gottseligkeit, ein frommes Bekenntnis, in
seinem Herzen war er noch weit entfernt von Gott (Mt
15,8). Seine Lippen sprechen scheinbar wohllautende Worte aus, aber
sein Herz vermochte nicht zu glauben. Was tatsächlich sein Herz bewegt, finden
wir in diesem Kapitel. Diese Selbstverherrlichung in öffentlich zelebriertem
Götzendienst ist das zersetzende Element weltlicher Herrschaften und ist die
Wurzel ihres nahenden Endes. In diesem und den folgenden Kapiteln können wir
sehen, woran diese Weltreiche gelitten haben und woran sie letztlich zugrunde
gegangen sind.
Nebukadnezar ist ein erschütterndes Beispiel dafür, dass es ein vergebliches
Glauben gibt (1. Kor 15,2). Wenn man nur
glaubt aufgrund äußerer Wirkungen und Machterweisungen, wenn nur das der Inhalt
des Glaubens ist und nicht zugleich das Gewissen berührt wird und ein Werk
Gottes an der Seele geschehen kann, dann ist das, was man vorgibt zu glauben,
vergeblich. Joh 2,23–25 zeigt uns auch so
ein Beispiel für Glauben, ein Für-Wahr-Halten aufgrund von Beweisen, wo es keine
Bewegung im Herzen gab, wo kein Werk Gottes in der Seele geschehen war.
Nebukadnezar hatte auch geglaubt, dass der Gott Daniels der wahre Gott ist und
dass dieser Gott die Quelle der Offenbarung war, die Daniel erhalten hatte. Aber
das war zu wenig. Dan 4,5 zeigt deutlich,
dass er immer an seinem Gott festgehalten hatte. Wenn man nur die äußeren
Beweise zur Kenntnis nimmt und für wahr hält, und dann seinen Weg weitergeht,
dann ist das der Weg zum Verderben. Das gleiche finden wir auch bei Simon dem
Zauberer (Apg 8,13–21).
Babel ist von 1. Mo 10 bis
Off 18 immer das Bild von religiöser Macht,
gekennzeichnet durch Menschenverherrlichung bis hin zur Vergöttlichung von
Menschen und Gewaltausübung. Das zeigt sich schon bei Nimrod, dem ersten König
von Babel, der ein gewaltiger Jäger war (1. Mo 10,8+9).
Die Jagd ist Gewaltausübung, die nicht notwendig ist, Lust am Töten. Und das
zweite Kennzeichen finden wir dann in 1. Mo 11,4,
wo sich die Menschen von Babel durch den Turmbau einen Namen machen und bis an
den Himmel gelangen wollten. Und diese beiden Kennzeichen finden wir dann auch
noch bei dem Babel der Endzeit, obwohl es dann nur noch ein religiöses
Machtsystem sein wird Menschenverherrlichung und Gewaltausübung.
Es scheint fast, als wäre Nebukadnezar durch die Deutung des Traums, wo ihm
gesagt wurde, dass er selbst das Haupt von Gold sei, zur Errichtung dieses
goldenen Bildes inspiriert worden. Er machte von sich dieses Bild, vor dem sich
dann jeder niederbeugen musste. Ähnlich machte es später auch Rom bei den
Christenverfolgungen, wo den Gläubigen versprochen wurde, wenn sie sich vor dem
Kaiser niederwerfen würden, dass sie am Leben bleiben würden. Die Maße dieses
Bildes sind gewaltig, es war zehmal so hoch wie breit, 30 Meter hoch und 3 Meter
breit. Es erinnert tatsächlich auch an den Gräuel der Verwüstung in
Off 13,15–17, wo der Antichrist dieses Bild
aufrichten wird, und wer nicht davor niederfällt, zugrunde gehen wird.
Nebukadnezar hatte seine übrigen Götter nicht abgeschafft, das wird aus
Dan 3,14 deutlich; aber mit diesem
Super-Götzenbild wollte er alle verschiedenen Religions-Strömungen und
Götter-Kulten seines riesigen Reiches auf eine einfache Weise zusammenbringen.
Er führt hier eine Einheitsreligion auf einfachstem Niveau ein, um die
politische Einheit und vielleicht auch den Fortbestand seines Reiches zu
sichern. Dieses Götzenbild kommt dem natürlichen Menschen entgegen, denn jeder
Mensch trägt eine gewisse Religiösität in sich, und wenn es dann noch so
eindrucksvoll präsentiert wird, wie hier dieses 30 Meter hohe Bild aus Gold,
dann führt das die Menschen zusammen.
„Und der König Nebukadnezar sandte aus, um die Satrapen, die
Befehlshaber und die Statthalter, die Oberrichter, die Schatzmeister, die
Gesetzeskundigen, die Rechtsgelehrten und alle Oberbeamten der Landschaften zu
versammeln, damit sie zur Einweihung des Bildes kämen, das der König
Nebukadnezar aufgerichtet hatte. Da versammelten sich die Satrapen, die
Befehlshaber und die Statthalter, die Oberrichter, die Schatzmeister, die
Gesetzeskundigen, die Rechtsgelehrten und alle Oberbeamten der Landschaften zur
Einweihung des Bildes, das der König Nebukadnezar aufgerichtet hatte; und sie
standen vor dem Bild, das Nebukadnezar aufgerichtet hatte. Und der Herold rief
mit Macht: Euch wird befohlen, ihr Völker, Völkerschaften und Sprachen: Sobald
ihr den Klang des Horns, der Pfeife, der Zither, der Sambuke, der Laute, der
Sackpfeife und aller Art von Musik hören werdet, sollt ihr niederfallen und das
goldene Bild anbeten, das der König Nebukadnezar aufgerichtet hat. Und wer nicht
niederfällt und anbetet, der soll sofort in den brennenden Feuerofen geworfen
werden. Darum, sobald alle Völker den Klang des Horns, der Pfeife, der Zither,
der Sambuke, der Laute und aller Art von Musik hörten, fielen alle Völker,
Völkerschaften und Sprachen nieder und beteten das goldene Bild an, das der
König Nebukadnezar aufgerichtet hatte.“ (Vers 2–7)
Wenn Gott in den Zeiten der Nationen den Menschen Macht verleiht, entsteht
immer die Frage, ob sich der Mensch dieser verliehenen Macht würdig erweisen
wird. Auch dieses Kapitel zeigt wie damals schon bei Mose, dass Macht in der
Hand von Menschen zur Schlange wird (2. Mo 7,10),
der Mensch hat sich nie dieser Macht würdig erwiesen.
Zur Einweihung des Bildes wurden Legislative, Exekutive und Judikative, alle
Beamten, Gewalten und Repräsentanten der Führungsschicht des Landes
zusammengerufen, um dieses Bild anzubeten. Sie sollten praktisch dem einfachen
Volk damit zeigen, dass dies nun die Religion sei, der man zu folgen habe. Und
alle folgen diesem Ruf, vielleicht nicht alle freiwillig, aber sie folgten, weil
sie wussten, dass ihnen der Tod drohte, wenn sie nicht hingehen würden. Wenn
unter der Anstiftung Satans eine Massenbewegung ihren Anfang nimmt, müssen alle
ihr folgen. Gehören wir heute zu der Masse, die auch bestimmten Götzen hinterher
läuft?
Unsere Vorväter haben auch solche Machtausübung auf religiösem Gebiet erlebt,
als die Verbotszeit kam. Adolf Hitler hat sich verehren lassen mit dem Ruf „Heil
Hitler“ als vermeintlicher Retter seines Volkes, und dann hat er auch bestimmte
Auflagen den Gläubigen gegeben, wenn sie sich versammeln wollten. Und es haben
erschreckend viele Gläubige diesen Statuten zugestimmt, nur um sich versammeln
zu können. Aber wir wollen auch nicht vergessen, wie in dieser Zeit treue
Gläubige die Kraft hatten, diesem zu widerstehen und Verfolgungen und Gefängnis
auf sich zu nehmen – der Herr hat sich in dieser Zeit darin verherrlicht, dass
Er ein schwaches Zeugnis von seiner Versammlung erhalten hat. Und welchen Segen
haben wir dadurch empfangen! Unsere Voreltern haben gelitten, und den Segen von
ihrer Treue dürfen wir heute noch erleben.
Was die verschiedenen Musikinstrumente betrifft, so werden sie hier in erster
Linie als Signal benutzt, um anzuzeigen, wann man vor dem Bild niederfallen
musste. Musik hat aber auch einen betörenden Einfluss auf die Empfindungen des
Menschen. Und so können wir hier auch sehen, dass Nebukadnezar eigentlich zwei
Mittel benutzt, um die Gefühle des natürlichen Menschen und sein Fleisch
anzusprechen:
·
das Auge wird durch dieses beeindruckende und
gewaltige Standbild aus Gold gefesselt; dieses Standbild ist ein visuelles
Eingangstor – der wahre Gottesdienst setzt dagegen das Wort Gottes
·
das Ohr wird durch die Musik angesprochen; bei
der Musik mag sich die verschiedenen Epochen hindurch der Stil ändern, aber es
ist immer dasselbe Ziel der Beeinflussung – im wahren Gottesdienst hat Gott
Lieder gegeben, die wieder Sein Wort beinhalten und ausdrücken. Die dreimal in
diesen Versen wiederholten vielen unterschiedlichen Musikinstrumente weisen
darauf hin, dass für jeden Geschmack etwas dabei war. Auch in unseren Tagen
drohen uns durch das Eingangstor der Musik manche Gefahren. Den Ursprung der
Musik finden wir in 1.Mo 4,21, wo Jubal getrennt von Gott fröhlich sein
wollte.
Frage: Hat Nebukadnezar in diesem Abschnitt auch eine prophetische
Bedeutung? Steht er vielleicht für den Antichristen oder für den Fürsten des
kommenden römischen Reiches?
Bei der Betrachtung eines Abschnittes gibt es immer verschiedene Aspekte. In
erster Linie wollen wir immer erst die konkrete Auslegung des jeweiligen
Abschnittes in ihrem Schrift-Zusammenhang verstehen und festhalten.
Anwendungen sind immer Ausweitungen der Belehrung auf ganz andere Bereiche.
Wir erliegen sehr leicht der Gefahr, bei Anwendungen zu weit zu gehen. Natürlich
kann man Anwendungen machen, aber wir sollten uns dann immer fragen, ob wir
schon die eigentliche Auslegung richtig verstanden haben. Und dann haben wir
häufig noch den Aspekt der Prophetie eines Abschnittes, auf welche
zukünftigen Ereignisse weist ein Abschnitt neben seiner buchstäblichen
geschichtlichen Auslegung noch hin, denn natürlich kann Geschichte auch
prophetische Belehrungen enthalten.
In Kapitel 2 haben wir die göttlich inspirierte Darstellung der vier
Weltreiche, die damals mit Nebukadnezar begannen und die bei der Erscheinung des
Herrn zur Aufrichtung Seines Reiches ihr Ende finden werden. Diese vier Reiche
werden der Reihe nach so ablaufen und aufeinander folgen. In den Kapiteln 3 bis
6 haben wir dann Schilderungen des praktischen Verhaltens der Könige
Nebukadnezar, Belsazar und Darius, die spezielle Charakterzüge dieser Reiche
deutlich machen. Wenn also Nebukadnezar hier in Kapitel 3 dieses Bild aufrichten
lässt, dann bezieht sich das zunächst einmal auf ihn selbst und nicht auf das
vierte, noch zukünftige Reich. Es muss klar sein, dass hier nicht der Charakter
speziell der Endzeit des römischen Reiches beschrieben wird, sondern der des
babylonischen Reiches. Wenn dann in künftigen Tagen das römische Reich
aufgerichtet wird, wird es allerdings die Charakterzüge aller
vorhergehenden Reiche tragen. Auch der Charakter des babylonischen Reiches wird
im römischen Reich wieder auftreten.
Online seit dem 12.02.2014, Bibelstellen:
Daniel 3,8-12
„Deswegen traten zur selben Zeit chaldäische Männer herzu, die die
Juden anzeigten. Sie hoben an und sprachen zum König Nebukadnezar: O König, lebe
ewig! Du, o König, hast den Befehl gegeben, dass jedermann, der den Klang des
Horns, der Pfeife, der Zither, der Sambuke, der Laute und der Sackpfeife, und
aller Art von Musik hört, niederfallen und das goldene Bild anbeten solle; und
wer nicht niederfalle und anbete, der solle in den brennenden Feuerofen geworfen
werden..“ (Vers 8–11)
Dieser Abschnitt beginnt mit einem deswegen. Worauf bezieht es sich?
Vers 7 hatte damit geendet, dass alle Völker beim Klang der Musik niedergefallen
waren und das Bild angebetet hatten – bis auf diese drei Juden. Wir lernen
daraus, dass es nie ein Maßstab für Richtigkeit eines Handelns ist, wie viele
dabei mitmachen! Immer wenn etwas zwischen unser Gewissen und Gott tritt, müssen
wir Gott treu sein. Die drei Freunde kannten ganz einfach Gottes Wort und
hielten sich an das erste und das zweite Gebot aus 2.
Mo 20,3+4. Das war ihnen genug Motivation, einfach dem Befehl nicht
zu gehorchen. Wenn wir Gottes Willen klar und deutlich in Seinem Wort finden
können, brauchen wir nicht darum zu beten, wie wir uns verhalten sollen, dann
sollten wir einfach nur danach handeln.
Die drei Freunde leisten ihren Widerstand dem Befehl des Königs gegenüber
nicht in einer spektakulären Form. Als Beamte sind sie wohl zu der Einweihung
des Bildes eingeladen gewesen (Dan 2,49 + 2,3)
und dieser Einladung wohl auch gefolgt, aber sie haben sich vor dem Bild nicht
gebeugt. Sie unterschieden also sehr wohl, wie weit sie dem Befehl des Königs
noch Gehorsam leisten mussten, und wo sie an eine Grenze kamen, die sie in
Widerspruch zu Gottes Wort bringen würde. Aus Vers 12 können wir dann sehen,
dass diese Grenze für sie immer dann erreicht war, wenn es um die fremden Götter
Babels ging; und es war eine grundsätzliche Haltung bei ihnen, diese Göttern
nicht zu dienen. Und dann veranstalten sie keine Demonstration, sie verfassen
keine Petition, sie betreiben keine Öffentlichkeitsarbeit – sie machen einfach
nicht mit und sind sie dann dabei von ihren Anklägern beobachtet worden. Und
wenn es dann später darauf ankommt, zeugen sie auch treu von ihrem Gott.
Wohl ohne es zu wollen sprechen die chaldäischen Männer in den Versen 8 und
12 den drei Freunden Daniels ein schönes Zeugnis aus. Sie nennen sie zwar mit
ihren neuen babylonischen Namen, aber sie zeigen die Juden an und
sprechen von jüdischen Männern. In Kapitel 1 hatten wir gesehen, dass sie
um jeden Preis umerzogen werden sollten, um aus ihnen Chaldäer zu machen. Aber
sie waren Abgesonderte für ihren Gott geblieben und hatten sich nicht
unterkriegen lassen, und das erweckte den Hass dieser Chaldäer. Sie waren ein
Stein des Anstoßes und ein Dorn im Fleisch dieses babylonischen Reiches
geblieben. Bisher hatten wir übrigens immer gesehen, dass Daniel voranging, aber
jetzt finden wir bestätigt, dass diese drei Männer aus dem gleichen Holz
geschnitzt waren, dass sie die gleiche Treue hatten. Sie waren keine bloßen
Mitläufer gewesen, wie Lot es in seinen Tagen gewesen war.
Der Ausdruck, das hier mit anzeigen übersetzt wird, bedeutet
eigentlich jemandes Stücke essen, verleumden, verklagen. Es wird auch
später im Blick auf Daniel gebraucht (Dan 6,25).
So einen Hass hatten sie gegen diese Juden, dass sie sie am liebsten
aufgefressen hätten. Diese jüdischen Männer waren Abgesonderte unter diesem Volk
geblieben, hatten sich in ihrem gesamten Verhalten nicht dem babylonischen Ritus
angepasst. Sie wurden wegen ihrer Treue angezeigt, nicht wegen falschem Tun (1.
Pet 4,15+16).
Diese wenigen treuen Juden sind in der Fremde mit aller Macht der Verführung
ausgesetzt:
·
Kap 1 hatte die Verführung durch die
kulturelle Welt gezeigt,
·
Kap 2 hatte die Verführung mehr durch die
politische Welt gezeigt,
·
Kap 3 zeigt jetzt die Verführung durch die
religiöse Welt;
in all diesen Verführungen bleiben sie treu. Es sind nur wenige, aber sie
bleiben ihrem Gott wirklich treu, egal in welcher Färbung die Verführung kommt.
Und sie stehen hier gewissermaßen für das ganze Volk. Wenn ihre Ankläger von den
Juden sprechen, meinen sie in Wirklichkeit nur diese drei Männer. Gott sieht es
zu allen Zeiten so, dass diejenigen, die in Treue Sein Wort bewahren, die wahren
Repräsentanten Seines Volkes sind.
Von Joseph wird gesagt, dass er der Abgesonderte unter seinen Brüdern
war (1. Mo 49,26;
5. Mo 33,16). Offensichtlich hatten sich die meisten der Juden
angepasst, nur Daniel und diese drei Freunde nicht. So war es auch während der
Verbotszeit, wo viele in den Bund gegangen sind. Und wer es nicht getan hatte,
musste Schmach von den eigenen Glaubensgeschwistern erfahren. Damals haben
Brüder zu Brüdern gesagt: „Euch kriegen wir auch noch“! Wir sollten uns bewusst
sein, dass es auch in unseren heutigen Tagen insgesamt dunkler werden wird,
deshalb sollten wir innerlich enger zusammenrücken und mit mehr praktischer
Bruderliebe untereinander verbunden den Weg gehen, um uns in unserem Glauben
gegenseitig zu stärken und in gegenseitiger Wertschätzung und Unterstützung dem
gemeinsamen Ziel entgegenzugehen.
„Nun sind jüdische Männer da, die du über die Verwaltung der Landschaft
Babel bestellt hast: Sadrach, Mesach und Abednego; diese Männer, o König, achten
nicht auf dich. Deinen Göttern dienen sie nicht, und das goldene Bild, das du
aufgerichtet hast, beten sie nicht an“ (Vers 12)
Die Ankläger wiederholen in Vers 10+11 sowohl den ausdrücklichen Befehl des
Königs als auch die angedrohte Strafe, aber sie machen es in Vers 12 durch die
wiederholte persönliche Ansprache zu einer unmittelbaren Sache zwischen dem
König und den drei Freunden: „du hast sie …bestellt“; „auf dich
achten sie nicht“; „deinen Göttern dienen sie nicht“; „das Bild, das
du aufgerichtet hast, beten sie nicht an“. Sie wollen ihn damit darauf
hinweisen, dass er als Person und König von ihnen missachtet würde, dass seine
Religion von ihnen abgelehnt würde. Mit dieser Verschärfung der Anklage wollen
sie sicherstellen, dass an diesen drei Freunden die angedrohte Strafe auch
vollzogen würde. Allerdings war der erste Vorwurf, sie würden den König selbst
nicht achten, eine gemeine Lüge. In ihrer Verantwortung in Vers 18 gehen die
drei Freunde dann auch nur auf den zweiten und dritten Vorwurf ein und
bestätigen treu ihre entschiedene Haltung diesen fremden Göttern gegenüber.
In Daniel 1 hatten wir gefunden, dass sie die
Tafelkost des Königs nicht gegessen hatten, dann finden wir hier, dass sie
grundsätzlich den fremden Göttern nicht gedient hatten, und jetzt kam noch trotz
der Strafandrohung des Feuerofens ihre Weigerung, dieses goldene Bild anzubeten.
Sie hatten in den ersten beiden Fällen Standhaftigkeit bewiesen und den Geboten
Gottes gehorcht, und als dann drittens dieses königliche Gebot zur Anbetung des
Bildes kam, haben sie wieder gehorcht. Es gab kein stufenweises Nachgeben bei
ihnen. Wenn wir das nämlich tun, werden wir die Kraft verlieren, bei der
nächsten Versuchung, die gegen Gottes Gedanken ist, erneut standhaft zu bleiben!
Wir müssen in den kleinen Dingen Gott gehorchen und treu sein, dann werden wir
auch die Kraft haben, in weiteren Glaubenserprobungen gehorsam zu sein. Möchten
wir uns auch darin diese drei jungen Männer zum Vorbild für unser eigenes
Glaubensleben nehmen!
Online seit dem 29.05.2014, Bibelstellen:
Daniel 3,1-12
Überblick über Daniel 2 bis 7
Daniel 2 hatte uns in dem Traum Nebukadnezars
die Entwicklung der Herrschaft des Menschen auf der Erde gezeigt. Es waren vier
Weltreiche, die mit dem babylonischen Weltreich unter Nebukadnezar ihren Anfang
nahmen. Die ganze Geschichte der Herrschaft der Nationen wird in diesem Bild in
Daniel 2 in ihrem äußeren Ablauf
vorgestellt – vier Weltreiche, endend mit dem römischen Reich, das durch die
Macht des Herrn Jesus zerstört werden wird. Es ist ein außerordentlich wichtiger
Blick, den wir in diesem Kapitel finden: Gott gibt die Herrschaft den Menschen.
Und wie die Menschen diese Macht benutzen, ist dann der Gegenstand der Kapitel 3
bis 6, die historisch genannt werden können. In diesen vier Kapiteln werden
innere Entwicklungen gezeigt, die moralische Seite dieser Reiche:
·
Kapitel 3 – Götzendienst
·
Kapitel 4 – Selbst-Überhebung, Verlust der
Gottes-Erkenntnis
·
Kapitel 5 – Gottlosigkeit
·
Kapitel 6 – Anbetung des Menschen; die Spitze des
Verderbens
Diese historischen Kapitel 3 bis 6 sind eingebunden in die prophetischen
Weissagungen der Kapitel 2 und 7. Sie enthalten deshalb nicht nur Historie,
nicht nur moralische Unterweisungen, sondern unbedingt auch prophetische
Hinweise. Ganz eindeutig hat Gott vor, in diesen vier geschichtlichen Berichten
uns prophetische Entwicklungen der Endzeit zu zeigen. Es wird unseren Glauben
sehr stärken, wenn wir darin erkennen, wie Gott zu Seinem Christus steht, und
wie Er trotz aller Bosheit der Menschen zu Seinem Ziel kommt. Zwei große Linien
durchziehen also diese geschichtlichen Kapitel:
·
die innere Entwicklung innerhalb der Zeiten der
Nationen sowie der Missbrauch ihrer Macht durch ihre Herrscher
·
die äußeren Umstände und die inneren
Charakterzüge des treuen Überrestes, dargestellt in Daniel und seinen drei
Freunden
All diese Berichte können also auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden,
als historisch oder als prophetisch; aber wir wollen auch die Belehrungen dieser
Geschehnisse für uns persönlich nehmen.
Die Kapitel 2 bis 4 zeigen an dem Beispiel des Nebukadnezars auch, dass Gott
zu jedem Menschen zwei-, dreimal redet, um seine Seele abzuwenden von der Grube,
vom Rennen ins Geschoss (Hiob 33,29.14–18).
In Kapitel 2 muss er nach der Deutung des Traumes durch Daniel anerkennen, dass
der Gott Daniels der höchste Gott ist, da hatte Er sich ihm ganz klar offenbart.
Hier in Kapitel 3 offenbart sich Gott ihm wieder ganz deutlich darin, wie Er
sich der drei Freunde im Feuerofen annimmt. Und wieder kommt er in den Versen
28+29 unter einen gewissen Eindruck von der Größe und Macht Gottes – aber wie
auch beim ersten Mal scheint dieser Eindruck nicht bleibend bei ihm gewesen zu
sein. In Kapitel 4 haben wir dann noch ein Reden Gottes zu ihm, diesmal sogar in
einem zeitweiligen Gericht. Aber Gott lässt ihn in dieser geistigen Umnachtung
nicht laufen und gibt ihm sein Bewusstsein wieder zurück, und wieder muss
Nebukadnezar anerkennen, wer Gott ist.
Rückblick auf Daniel 3,1–12
In Kapitel 3 finden wir, dass Nebukadnezar scheinbar sehr schnell die
Eindrücke aus der Deutung des Traumes durch Daniel wieder verloren hatte.
Scheinbar unmittelbar danach richtete er dieses gewaltige Bild auf, 30 m hoch
und vollständig aus Gold. Er wollte damit durch eine gemeinsame Religion den
auseinanderdriftenden Kräften seines riesigen Reiches mit seinen vielen
unterschiedlichen Religionen entgegenwirken und sein Volk durch eine gemeinsame
Religion einigen. Er richtete dieses Bild auf und befahl seinen Untertanen,
diesem Bild göttliche Verehrung darzubringen. Gerade damit hatte er sich in
Gegensatz gesetzt zu Gott! Gott ist es, der über die Gewissen der Menschen
herrscht, und niemals ein Mensch. Das hat Nebukadnezar in seinem Hochmut total
übersehen. Er befiehlt den Menschen, zu glauben, was er für richtig hält,
nämlich sein goldenes Bild anzubeten. Das ist ein Eingriff in die Rechte Gottes!
Und so sahen das auch diese drei Freunde Daniels, die lieber in den Ofen gingen,
als Gott zu verleugnen.
Weshalb war eigentlich Juda in die babylonische Gefangenschaft gekommen? Sie
waren von Gott wegen ihres Götzendienstes aus dem Land der Verheißung entfernt
worden. Das war die Strafe Gottes an ihnen. Und jetzt kommen sie in die
Gefangenschaft, und beschämenderweise kannten sie das, wozu sie jetzt gezwungen
wurden, schon freiwillig aus dem Land Kanaan. Man muss davon ausgehen, dass die
Masse der Juden nicht so treu gewesen ist, wie Daniel und seine drei Freunde –
sie hatten es Jahrhunderte schon im eigenen Land so getrieben. Dadurch wird uns
das Verhalten dieser vier jungen Männer zu einem so eindrucksvollen Vorbild.
Unser Schwachpunkt heute ist, dass wir Gottes Gedanken nicht mehr genügend
kennen und deshalb auch nicht mehr mit letzter Treue gehorchen.
Nebukadnezar lässt sein Bild einweihen, und die ganzen führenden Leute seines
Reiches sind bei diesem Ereignis zugegen. Nur einer fehlt – Daniel; warum er
hier nicht in Erscheinung tritt, darüber gibt uns das Wort Gottes keine
Auskunft; aus Dan 2,48+49 kann man
allerdings entnehmen, dass sich die Wege der vier Freunde getrennt hatten durch
die unterschiedlichen Funktionen, die ihnen übertragen worden waren. Die jetzt
in Daniel 3 verordnete Religion des Königs war von
einfachster Art: wenn der Klang der Musikinstrumente ertönte, sollten alle
niederfallen vor diesem Bild und es anbeten – das war es auch schon. Es war also
keine so sehr problematische Angelegenheit, aber sie war böse, weil sie über die
Gewissen der Menschen herrschte und dem Verehrung zukommen ließ, was
Nebukadnezar geschaffen hatte. Sein grenzenloses Selbstbewusstsein wird in der
zweifachen Betonung in den Versen 14 und 15, dass er es aufgerichtet und gemacht
hatte, ganz deutlich. Wie stolz war dieser Mann auf dieses für sich selbst
aufgerichtete Bild.
Es scheint, dass das auch so in seinem ganzen Reich befolgt wurde, nur drei
Männer taten nicht nach dieser Aufforderung. Deshalb wurden sie vor dem König
angezeigt (Vers 8 ff.). Auffallend ist, dass sie als Juden und jüdische Männer
bezeichnet werden, solche, die Sklaven waren. Und dann wird immer wieder betont
– wie um das Gewissen Nebukadnezars zu treffen – dass Nebukadnezar selbst sie in
ihre jetzige Stellung befördert hatte: du hast sie bestellt, auf dich
achten sie nicht, deinen Göttern dienen sie nicht. Es kommt aber auch
unheiliger Neid und Eifersucht in den Worten dieser Männer zum Ausdruck.
Allerdings ist die Anschuldigung „deinen Göttern dienen sie nicht“ ganz
unberechtigt, denn das hatte Nebukadnezar nicht gefordert. Diese Anschuldigung
wird von den Anklägern den Worten Nebukadnezars hinzugefügt.
Diese treuen Männer waren gekennzeichnet durch Weisheit und durch
Einsicht. Sie erkannten, was hinter dem Bild von Nebukadnezar stand, nämlich
seine Götter. Sie durchschauten die ganze Sache und warfen sich deshalb nicht
vor dem äußerlichen Bild nieder, weil sie wussten, dass dahinter die Realitäten
der Götzen Babylons standen. Sie waren auch weise darin, wann sie etwas sagten
und wann sie schwiegen; und in dem wenigen, was sie dann sagen, bewiesen sie
auch wieder Weisheit und Unterscheidungsvermögen. Sie zeichneten sich auch nicht
nur durch Treue aus, sondern auch durch Standhaftigkeit und Mut;
sie waren nicht nur einmal treu, sondern sie blieben treu in ganz schwierigen
Umständen. Was können wir doch von diesen jungen Männern lernen! Wie wenig
zeigen wir oft in viel einfacheren Umständen von diesen Charakterzügen. Wie oft
mangelt es uns an Weisheit und Erkenntnis in Bezug auf das, was die Welt uns
heute anbietet. Wie oft fehlt es uns an Weisheit zum Reden und zum Schweigen,
auch an dieser Standhaftigkeit und Treue und auch dem Mut dieser jungen Männer.
Online seit dem 31.05.2014, Bibelstellen:
Daniel 3,13-18
„Da befahl Nebukadnezar im Zorn und Grimm, Sadrach, Mesach und Abednego
herbeizubringen. Da wurden diese Männer vor den König gebracht. Nebukadnezar hob
an und sprach zu ihnen: Ist es Absicht, Sadrach, Mesach und Abednego, dass ihr
meinen Göttern nicht dient und das goldene Bild nicht anbetet, das ich
aufgerichtet habe? Nun, wenn ihr bereit seid, zur Zeit, wenn ihr den Klang des
Horns, der Pfeife, der Zither, der Sambuke, der Laute und der Sackpfeife und
aller Art von Musik hört, niederzufallen und das Bild anzubeten, das ich gemacht
habe – wenn ihr es aber nicht anbetet, sollt ihr sofort in den brennenden
Feuerofen geworfen werden; und wer ist der Gott, der euch aus meiner Hand retten
wird?“ (Vers 13–15)
Jetzt werden diese drei Männer auf Befehl des Königs vor ihn gebracht. Wenn
hier von seinem Zorn und Grimm gesprochen wird, dann sehen wir aus
Dan 5,19, wie grausam Nebukadnezar war:
„wen er wollte, tötete er, und wen er wollte, ließ er leben“. Seine Autorität
war jetzt beleidigt und herausgefordert worden, und er reagiert auf eine typisch
fleischliche Art in Zorn und Grimm. Zorn und Grimm sind immer schlechte Berater
(Spr 27,4; 16,14), und durch eines Mannes
Zorn wird Gottes Gerechtigkeit nicht gewirkt (Jak 1,20).
Wir müssen uns über diesen Zorn nicht wundern, denn durch das treue Verhalten
der drei Freunde wurde sein ganzes Konzept verdorben, diese einheitliche
Religion zu schaffen als Bindeglied über sein großes Volk – dieser Plan wurde
mutwillig zerstört. Und doch scheint es so, als würde er den drei Freunden einen
gewissen Aufschub gewähren. Ob sie sich durch ihr bisheriges Verhalten seinen
Respekt erworben hatten? Er gibt ihnen noch einmal die Chance, sich die Sache zu
überlegen.
Diese zweite Chance bedeutete für die drei Freunde aber auch keine geringe
Gefahr, sie standen noch immer als ganz junge Männer vor dem mächtigsten
Herrscher, den die Welt je gesehen hatte. Zwischen den Kapiteln 2 und 3 wird
keine lange Zeitspanne vergangen sein. Nebukadnezar baut ihnen mit seiner Frage
„Ist es Absicht“ praktisch eine goldene Brücke, wo sie hätten zugeben können,
dass sie mit ihrer Weigerung, sich niederzuwerfen, unbedacht gehandelt hatten.
Sie hätten Ausreden finden können und mit vielen Möglichkeiten auf diese zweite
Chance reagieren können. Zuerst kam Satan als brüllender Löwe, und jetzt
versucht er in seiner List, sie aus ihrer treuen Nachfolge heraus zu verleiten.
Aber sie blieben treu und betonten, dass sie mit Absicht so gehandelt hatten.
Als der Zorn und Grimm Nebukadnezars aufwallen, trifft das allein diese drei
jungen Männer innerhalb einer riesigen Menge von Juden. Es ist ein Augenblick
größter Anfechtung, wo viele andere, die auch aus Juda gekommen waren, sich
offensichtlich angepasst hatten an das System Babels. Und sie widerstehen diesem
großen Druck, aber auch dem Entgegenkommen in dieser goldenen Brücke
Nebukadnezars, dem Lächeln Babels. Was ist wohl gefährlicher für einen, der treu
zu seinem Herrn stehen möchte, das Drohen Babels oder das Lächeln Babels? Hiskia
hatte dem Widerstand des Assyrers standgehalten, aber dem Lächeln Babels war er
zum Opfer gefallen (Jes 36 – 39). Unbewusst
stellt Nebukadnezar ihnen sogar noch ein doppeltes schönes Zeugnis aus: sie
hatten schon die ganze Zeit ihrer Gefangenschaft hindurch seinen Göttern nicht
gedient, und jetzt auch noch das goldene Bild nicht angebetet, das er
aufgerichtet hatte.
Zuerst kam Nebukadnezar also mit Verführung, am Ende von Vers 15 aber
schreckt er mit seiner unverhohlenen Drohung des brennenden Feuerofens ab. Mit
dieser schrecklichen Androhung will er sie noch einmal zur Umkehr ihrer Gedanken
bringen. Und dann tut er etwas ganz Furchtbares! Er fordert den Gott Israels
heraus mit einer frechen und unfassbar bösen Gesinnung: ‚Den Gott möchte ich mal
sehen, der euch aus meiner Hand erretten wird‘. Eine ganz böse Sprache!
Nebukadnezar hat mit diesen Worten direkt in die Rechte Gottes eingegriffen, und
ob bewusst oder unbewusst macht er die Sache damit zu einer Sache zwischen ihm
und Gott. Es handelt sich damit nicht länger um eine Sache zwischen Nebukadnezar
und den drei Freunden, sondern zwischen ihm und dem Gott dieser drei Freunde.
In 2. Mo 5,2 führt der Pharao von
Ägypten eine ganz ähnliche Sprache, und die Antwort des Herrn darauf ist: „Nun
sollst du sehen, was ich dem Pharao tun werde; denn durch eine starke Hand
gezwungen soll er sie ziehen lassen“ (2. Mo 6,1).
Ähnlich böse Worte führt der König von Assyrien in 2.
Chr 32,15 im Mund; und auch im Blick auf das Haupt des römischen
Reiches wird ähnlich herausfordernd gesprochen (Off
13,4).
„Sadrach, Mesach und Abednego antworteten und sprachen zum König:
Nebukadnezar, wir halten es nicht für nötig, dir ein Wort darauf zu erwidern. Ob
unser Gott, dem wir dienen, uns aus dem brennenden Feuerofen zu erretten vermag
– und er wird uns aus deiner Hand; o König, erretten – oder ob nicht, es sei dir
kund, o König, dass wir deinen Göttern nicht dienen und das goldene Bild, das du
aufgerichtet hast, nicht anbeten werden“ (Vers16–18)
Die drei Freunde antworten auf diese böse Herausforderung ihres Gottes
nichts. Sie lassen in ihrer Erwiderung sogar den Titel König bei der Anrede
Nebukadnezars weg, sie nennen nur seinen Namen, vor Gott war er einfach nur
Nebukadnezar. Diesen Angriff auf ihren Gott nehmen sie nicht auf und überlassen
es dem Gott, der hier beleidigt wurde, sich zu rechtfertigen und Seine
Herrlichkeit zu erweisen. Sie machen es bewusst zu einer Sache zwischen ihrem
Gott und dem König Nebukadnezar. Nebukadnezar hatte frech gefragt: „Wer ist der
Gott…“, und sie antworten jetzt: „Unser Gott…“; sie standen zu ihrem Gott und
stellten sich klar auf seine Seite, als Nebukadnezar Ihn so sehr in den Schmutz
gezogen hatte. Und der Gott Israels hat geantwortet, und Er hat das auf eine
Weise getan, die einfach kostbar ist, und Nebukadnezar muss später bekennen,
dass er überwunden worden ist.
Die drei Freunde bewiesen ein unerschütterliches Vertrauen auf ihren Gott,
sie wussten, dass der Gott, dem sie dienten, sie nicht in der Hand Nebukadnezars
lassen, sondern sie daraus retten würde. Allerdings lassen sie dabei doch offen,
wie Gott das tun würde. Aber sie wussten, egal wie Gott handeln würde, ob Er sie
vor dem Feuerofen bewahren würde oder in dem
Feuerofen bewahren würde, oder ob sie durch den Tod gehen müssten, Er würde sie
aus der Hand Nebukadnezars retten. Mit dem Erretten meinen sie also nicht die
Erhaltung ihres irdischen Lebens. Es ist die höchste der schönen Stufe (1.
Tim 3,13), sein Leben hinzugeben für den Herrn, als Märtyrer für Ihn
zu sterben. Es geht also nicht darum, ob Gott retten kann oder nicht, sondern es
geht um Seine Absichten in den jeweiligen Umständen, um Sein Wesen der
Heiligkeit. Sie wussten jedenfalls felsenfest, dass Gott ihnen helfen würde, dem
Befehl des Königs nicht gehorchen zu müssen; davor würde ihr Gott sie retten –
ob durch den Tod oder auf einem anderen Weg. Für Nebukadnezar wäre es ja ein
größerer Triumph gewesen, wenn die drei Freunde das Bild angebetet hätten, als
dass er sie in seiner Macht dem sicheren Tod im Feuerofen überlassen hätte.
Es ist nicht undenkbar, dass die drei Freunde aus ihrer Gemeinschaft mit Gott
heraus im Glauben erfasst hatten, dass Gott sie wirklich retten würde. Wenn wir
noch einmal an den Pharao von Ägypten denken und an den König von Assyrien, die
beide durch ihr freches Auftreten auch die Angelegenheit zu einer Sache zwischen
sich und Gott gemacht hatten, so hatten damals Mose und auch Hiskia erlebt, dass
Gott Sein Volk buchstäblich gerettet hatte. Das werden doch die drei Freunde
gekannt haben. Sie haben, was ihre Seite anging, durch Glauben die Kraft des
Feuers ausgelöscht (Heb 11,34). Bruder
Kelly schreibt zu diesem Vers: „Das, was diese drei gesagt haben, war keine
abstrakte Wahrheit sondern Glauben“! Sie hatten wirklich im Glauben die
Handlungen Gottes erfasst und ausgesprochen – neutestamentlich findet das
vielleicht eine Parallele in dem Beten im Namen des Herrn Jesus (Joh
16,23).
Die Standhaftigkeit und der Mut der drei Freunde kam aus dem tiefen
Bewusstsein hervor, das sie von dem Gott hatten, dem sie dienten. Sie dienten
und vertrauten einem größeren Gott und dienten deshalb den Göttern Nebukadnezars
nicht. Ihr Vertrauen ging in zwei Richtungen: sie vertrauten der Weisheit
Gottes und sie vertrauten der Allmacht Gottes. In den Worten „ob
unser Gott…oder ob nicht“ liegt das Vertrauen in Gottes Weisheit; und in
der Aussage „er wird uns…erretten“ liegt tiefes Vertrauen in die Allmacht,
die Gott hat Ein ähnliches Bewusstsein offenbart auch der Apostel Paulus auf der
Schiffsreise in Apg 27,23 – dieser Gott
verfügt über alles! Sie fürchteten wie Mose die Wut des Königs nicht und hielten
standhaft aus, als sähen sie den Unsichtbaren (Heb
11,27), sie setzen die unsichtbare Welt des Glaubens den sichtbaren
Drohungen des Königs entgegen, sie widerstanden dem brüllenden Löwen standhaft
im Glauben (1. Pet 5,8+9). Sie fürchteten
den nicht, der den Leib töten und danach nichts weiter zu tun vermag, aber sie
fürchteten den, der auch nach dem Töten noch Gewalt hat (Lk
12,4+5).
Diese Begebenheit hier ist ein Paradebeispiel dafür, dass man Gott mehr
gehorchen muss als Menschen (Apg 5,29). In
Rö 13,1 werden wir aufgefordert, den
obrigkeitlichen Gewalten untertan zu sein (vgl. auch
1. Pet 2,13+14). Es ist die Aufgabe von uns Christen, die
Regierungen, die Gott gegeben hat – auch heute – anzuerkennen. Wir haben sie
nicht in Zweifel zu ziehen oder zu hinterfragen, ob sie alles recht machen oder
wie sie eigentlich an die Macht gekommen sind, das geht uns absolut nichts an.
Unsere Verantwortung ist es, den Obrigkeiten unterworfen zu sein, d.h. ihnen zu
gehorchen. Noch heute sind die Regierungen Diener Gottes, die das Böse strafen
und das Gute loben. Es ist nicht recht, wenn wir gegen Regierungen vorgehen
würden, wir haben sie zu akzeptieren.
Die Regierungen haben also ihren von Gott übertragenen Herrschaftsbereich,
wenn sie aber diesen Bereich überschreiten, wenn sie sich in den Bereich der
Autorität Gottes hineinwagen, dann muss der Gläubige Gott mehr gehorchen als dem
Menschen. Gehorchen müssen wir also immer; es heißt nicht, dass wir in so einem
Fall dann gar nicht gehorchen bräuchten – wir gehorchen dann Gott. Diese jungen
Freunde wussten, dass man allein den Herrn anbeten sollte und dass sich der
König Nebukadnezar hier in die Rechte Gottes einmischte, und deswegen mussten
sie widerstehen. Das kann auch uns heute passieren, dass irgendwelche
Regierungsstellen Gesetze erlassen, die gegen Gottes Wort sind und uns direkt
betreffen und deshalb unser Gewissen beherrschen würden – dann müssen wir das
ablehnen, wie auch die Folgen sein mögen. Aber wir müssen dann immer noch
gehorchen, nämlich Gott. Es gibt keinen zivilen Ungehorsam1
in Gottes Wort, die Gehorsamspflicht bleibt für einen Gläubigen bestehen.
1 Ziviler Ungehorsam
gehört in Deutschland zum festen Repertoire des Protests. Ziviler Ungehorsam
zeichnet sich dadurch aus, dass mit ihm im Einklang mit dem Gewissen, aber im
Widerspruch zum Gesetz die Absicht verfolgt wird, ein empfundenes oder
tatsächliches Unrecht zu beseitigen. Eine mögliche Bestrafung wird dabei bewusst
in Kauf genommen. Den ungehorsamen Bürgern geht es also nicht um die Abschaffung
der herrschenden Ordnung, die sie im Grundsatz anerkennen und durch den Akt des
Widerstands im Prinzip sogar stärken wollen – ihren Widerstand empfinden sie als
Bürgerpflicht. (https://www.goethe.de/ges/pok/zdk/de11090504.htm)
Online seit dem 02.06.2014, Bibelstellen:
Daniel 3,19-23
„Da wurde Nebukadnezar von Grimm erfüllt, und das Aussehen seines
Angesichts veränderte sich gegen Sadrach, Mesach und Abednego. Er hob an und
befahl, den Ofen siebenmal mehr zu heizen, als zur Heizung nötig war. Und er
befahl Männern, den stärksten Männern in seinem Heer, Sadrach, Mesach und
Abednego zu binden, um sie in den brennenden Feuerofen zu werfen. Da wurden
diese Männer in ihren Mänteln, Röcken und Mützen und ihren übrigen Kleidern
gebunden und in den brennenden Feuerofen geworfen. Darum, weil das Wort des
Königs streng und der Ofen außergewöhnlich geheizt war, tötete die Flamme des
Feuers jene Männer, die Sadrach, Mesach und Abednego hinaufbrachten. Und diese
drei Männer fielen gebunden in den brennenden Feuerofen“ (Vers 19–23)
In den Versen 16–18 hören wir die Antwort der drei Freunde, aber ab Vers 19
sprechen sie nicht mehr. Als ihr Gott angegriffen wurde, haben sie eine klare
Aussage gemacht; aber als es dann ihnen persönlich an den Kragen ging und sie
gegriffen und in den Ofen geworfen wurden, hören wir keine Gegenrede mehr von
ihnen. Machen wir es nicht manchmal genau umgekehrt? Wenn unser Gott und Seine
Ehre angegriffen werden, dann schweigen wir oft und sagen nichts dagegen; aber
wenn wir persönlich angegriffen werden, dann setzen wir uns oft wenigstens mit
Worten zur Wehr. Was unser Reden betrifft, haben wir einen Hinweis in
1. Pet 3,15–17, die Freunde hatten
Rechenschaft gegeben und dabei ein gutes Gewissen gehabt. Und für das Schweigen
haben wir das wunderbare Beispiel des Herrn Jesus selbst in
1. Pet 2,23. Dieses Beispiel kannten die
drei Freunde noch nicht und entsprachen ihm doch schon auf eine so vorbildliche
Weise; – und wir kennen es und müssen doch bekennen, dass wir ihm so wenig
entsprechen.
Wenn sie selbst jetzt auch nicht mehr reden, so wird doch auffällig häufig
jetzt durch den Heiligen Geist von ihnen geredet. Es ist eine Freude
Gottes, die Namen derer, die zu Seiner Ehre ein Zeugnis für Ihn abgelegt haben
und jetzt bereit sind, restlos alle Konsequenzen angesichts des Feuerofens zu
tragen, immer wieder zu nennen. Gott liebt es, die Namen Seiner Treuen zu
nennen, sie sind Ihm kostbar!
Der Grimm Nebukadnezars steigert sich noch mehr, weil die drei Freunde mit
ihrem Verhalten furchtlos sowohl seiner Autorität als auch seiner Macht
entgegengetreten sind. Deshalb ließ er den Feuerofen siebenmal mehr heizen, eine
an sich wenig sinnvolle Sache, denn das machte ja letztlich überhaupt keinen
Unterschied, bloß dass die Zeit der Leiden verkürzt wurde dadurch. Feuer kann ja
auf zweierlei Weise von Gott gebraucht werden
·
zur Läuterung, um mögliche Unreinheiten des
Edelmetalls auszuscheiden (Mal 3,3+4)
·
um zu zeigen, dass das Gold wirklich kostbares
reines Material ist (1.Petr 1,7)
Hier würde das Feuer nur den bewährten, belastbaren Glauben der drei Freunde
offenbaren. Wie wäre das bei mir?
Wir hören auch nicht davon, dass die drei Freunde zu Gott um Bewahrung vor
dem Feuerofen gebetet hätten. Das wäre ja das Normalste der Welt gewesen, bei
bevorstehender Gefahr um Bewahrung zu beten. Sie haben die Konsequenzen ihrer
Treue einfach aus Gottes Hand angenommen, und sie überließen es ihrem Gott, wie
Er sich verherrlichen würde. Gott hätte ihnen sicher diese Probe ersparen und
sie auf andere Weise befreien können, aber sie waren einverstanden, ob so oder
so, ob durch den Märtyrer-Tod oder nicht. Wenn Gott sie vor dem Feuerofen
bewahrt hätte, dann wäre Er nicht so verherrlicht worden, wie es dann der Fall
war. Sie vertrauten ihrem Gott und wollten lieber mit Ihm in den Tod gehen, als
ohne ihn im königlichen Palast leben. Mit dem Herrn Jesus im Feuerofen ist
besser, als ohne Ihn in den Palästen der Könige.
Diese Geschehnisse haben auch eine prophetische Bedeutung: In
Off 13,5–7 haben wir den König des
wiedererstehenden römischen Reiches, der geradeso wie Nebukadnezar hier große
Dinge und Lästerungen reden wird. Und in Vers 7 finden wir dann im Bild das, was
hier in Daniel 3 Nebukadnezar mit den drei
Freunden tut. Nebukadnezar ist ein erschütterndes Vorbild von diesem letzten
König des römischen Reiches, der sich auch ein Bild machen und anbeten lässt
(Vers 15). Das ist genau der Vorgang, der hier in der Geschichte von
Daniel 3 vor uns ist.
Die drei Freunde stehen also auch für den jüdischen Überrest späterer jetzt
noch zukünftiger Tage, der auch ins Feuer geführt werden wird (Sach
13,9). In Off 12,17 sind sie in
den Übrigen ihrer [der Frau = Israel] Nachkommenschaft zu sehen,
die die Gebote Gottes halten. Und in Off 15,2
stehen sie als die Überwinder über das Tier und über sein Bild an dem gläsernen
Meer. Wir lernen aus der Offenbarung – deshalb ist das Buch Daniel auch so
notwendig für die Erklärung der Prophetie – dass der Überrest späterer Tage sich
wie damals auch aus dem jüdischen Volk rekrutieren wird. Wenn wir später sehen
werden, dass die drei Freunde aus dem Feuer bewahrt werden und unversehrt
herauskommen, dann ist das auch wieder ein Hinweis auf die späteren Tage. Ein
großer Teil wird in dieser Drangsal als Märtyrer umkommen (Off
13,7), aber diese, die das Tier nicht angebetet hatten noch sein
Bild, stehen weit über den anderen, die am Leben bleiben und lebendig in das
Reich auf der Erde eingehen werden, denn diese Märtyrer werden mit dem Herrn und
mit uns vom Himmel her regieren (Off 20,4).
Es ist tief beeindruckend, wie sich das Buch Daniel und die Offenbarung
ergänzen, man könnte fast sagen, sie bilden ein prophetisches Ganzes. Die
Offenbarung ist nicht zu verstehen ohne Daniel, und Daniel ist ohne die
Offenbarung nur halb so aussagekräftig. In der Offenbarung finden wir, wie Gott
alles zu Ende führt zur Verherrlichung Seines Sohnes, sie ist Fortsetzung und
Vollendung dessen, was Daniel hier schreibt.
Wenn Nebukadnezar hier den Ofen siebenmal mehr heizen ließ, so wird die
zukünftige große Drangsal so schrecklich sein, wie sie seit Anfang der Welt bis
jetzt nicht gewesen ist und auch nicht wieder sein wird (Mt
24,21; Jer 30,7). Obwohl wir
nicht so weit gehen können und sagen, dass wir hier eine prophetische
Beschreibung der großen Drangsal, die von dem Antichristen und dem Haupt des
römischen Reiches ausgeht. Wir finden das wohl dem Charakter nach angedeutet,
können es aber nicht 1:1 darauf übertragen und sagen, dass wir hier genau diese
Ereignisse vorgestellt finden.
Was wird dieser Feuerofen der großen Drangsal für eine furchtbare Zeit sein
für diesen jüdischen Überrest! Wie dankbar dürfen wir sein, dass wir vor
diesen furchtbaren Gerichten entrückt werden, dass die Gläubigen der Gnadenzeit
durch diese Drangsale nicht zu gehen haben! Allerdings müssen wir deutlich
unterscheiden, dass dieses Feuer späterer Tage angezündet wird von Gott selbst
als Gericht an Seinem Volk, weil sie Seinen Messias verworfen und an das Kreuz
gebracht haben. Das wird das Feuer der Reinigung des Überrestes sein. Hier ist
es das Feuer, das wohl unter der Duldung Gottes geschieht, das aber von der
Verfolgung Seines Volkes von Seiten der Menschen spricht, die dafür selbst
wieder bestraft werden. Denn das Element, das in der Hand Nebukadnezars die drei
Männer verderben sollte, richtete sich sofort gegen die, die Nebukadnezar zur
Vollstreckung des Gerichtes benutzte; das Gericht kehrt gleichsam um und
vernichtet die, die sie in den Ofen werfen sollten. Hier ist es also nicht das
direkte Gericht Gottes an Seinem Überrest wegen der Verwerfung des Messias,
sondern die Verfolgung des Überrestes von Seiten der Menschen.
Der Prophet Daniel (12) – Kapitel 3,24-27
Online seit dem 05.06.2014, Bibelstellen: Daniel 3,24-27
„Da erschrak der König Nebukadnezar, und er stand schnell auf, hob an und
sprach zu seinen Räten: Haben wir nicht drei Männer gebunden ins Feuer geworfen?
Sie antworteten und sprachen zum König: Gewiss, o König! Er antwortete und
sprach: Siehe, ich sehe vier Männer frei umhergehen mitten im Feuer, und keine
Verletzung ist an ihnen; und das Aussehen des vierten gleicht einem Sohn der
Götter.“ (Dan 3,24.25)
In den Kapiteln 3, 4 und 5 finden wir bei den Königen Babels ein Erschrecken in
absteigender Linie, es zeigt immer weniger Wirkung bei den Königen. Das
Erschrecken war aber durchaus gottgewollt, ein erwecktes Gewissen soll dadurch
in das ganze Licht Gottes kommen. In Kapitel 4 wird Nebukadnezar durch den Traum
erschreckt (Vers 2); und in Kapitel 5 ist es Belsazar, der durch die schreibende
Menschenhand entsetzt wird. Hier in Kapitel 3 führt es bei Nebukadnezar zur
Besinnung. Offenbar hat nur er den vierten Mann sehen können, seine Räte können
nur bestätigen, was sie getan hatten. Er vergleicht ihn mit einem Sohn der
Götter; es ist der Herr Jesus, der in Daniel 7,13 beschrieben wird wie
eines Menschen Sohn.
Die drei Freunde waren nicht darauf eingegangen, was Nebukadnezar gewagt hatte,
gegen den Gott Israels zu sagen. Sie hatten nur davon geredet, wie völlig sie
ihrem Gott vertrauten und Ihm die Sache überließen. Ihre Empfindungen werden in
den Psalmen ausgedrückt, z.B. in Psalm 25,2.3; 35,21.22. Und jetzt ist es
dieser vierte Mann, den Nebukadnezar sieht, der ihn zurückführt. Nur
Nebukadnezar sah diesen vierten Mann und das brachte ihn zurecht. Er sieht jetzt
kein Gesicht oder Traum, sondern er sieht zwei Wunder:
Dieser leidgeprüfte jüdische Überrest wird die Gegenwart Gottes in ungeahnter
Weise genießen!
Hier vergleicht Nebukadnezar diesen vierten Mann mit einem Sohn der Götter, in
Vers 28 nennt er ihn einen Engel Gottes. Er hatte schon große Einblicke in das
Handeln Gottes und Sein Wesen bekommen, und doch weiß man nicht, wie dieser Mann
innerlich wirklich gestanden hat. Er spricht hier absolut als Heide; Sohn der
Götter hat nichts mit Sohn Gottes zu tun! Im Hebräischen wäre das nicht so klar
zu sagen, weil im Hebräischen für Gott immer die Mehrzahl gebraucht wird und für
Götter eben auch die Mehrzahl. Man müsste aus dem Zusammenhang entnehmen, ob der
allein wahre Gott gemeint ist oder die Götter. Aber hier haben wir den Text in
aramäischer Sprache (Dan 2,4–7,28), und in dieser Sprache ist das anders. In
dieser Sprache wird Gott immer in der Einzahl genannt, und wenn die Mehrzahl
steht, sind immer Götzen gemeint.
Aber dieses Geschehen hat auch für uns eine Stimme: „Wenn du durchs Feuer gehst,
wirst du nicht versengt werden, und die Flamme wird dich nicht verbrennen“ (Jes
43,2). Jeder von uns hat seine Probleme; jeder von uns weiß ein wenig, was
der Feuerofen ist; jeder von uns weiß, dass es keine einfachen Dinge sind und
dass Gott sie uns eben nicht erspart und sie uns auferlegt. Aber dann erfahren
wir, dass in unseren Nöten der bei uns ist, der uns errettet (Ps 23,4).
Das Mitgefühl des Herrn Jesus mit uns im Ofen ist wertvoller als die
Bewahrung vor dem Ofen – viele Geschwister haben das im Lauf der
Jahrhunderte erlebt! Der Ofen wird zu einem Ort der Gemeinschaft mit Gott, und
die Erfahrungen, die dabei gemacht werden, können nicht gemacht werden, wenn der
Herr uns vor dieser oder jener Übung bewahrt. Gott verherrlicht sich oft mehr
dadurch, dass Er den Seinen in diesen Übungen beisteht und Kraft zum Tragen und
zum Ausharren gibt, als dadurch, dass Er in Seiner Macht das eine oder andere
verhindert. Gott verherrlicht sich gerade dadurch, dass Er uns prüft, dass Er
uns die Prüfungen nicht erspart!
Kirchengeschichtlich war die Epoche Smyrnas ein Feuerofen gewesen. Warum hatte
der Herr diesen Feuerofen zugelassen, welche Absicht hatte Er damit verfolgt?
Sollte nicht die Versammlung wieder zurückgeführt werden, weil sie ihre erste
Liebe verlassen hatte? Und wenn uns der Herr heute persönlich oder als örtlicher
Versammlung Prüfungen schickt, dann sollten wir sie auch einmal in diesem Licht
sehen. Was hat Er uns damit persönlich zu sagen? Wovon will Er uns freimachen?
Am Anfang der Geschichte des irdischen Volkes Israel sprach Gott aus dem
brennenden Dornbusch – ein Bild vom Volk Israel – zu Mose (2. Mo 3,4);
dann finden wir diese Tatsache erst wieder ganz am Ende der Wüstenreise erwähnt
(5. Mo 33,16). Es ist eine wunderbare Erfahrung, dass Gott mit Seinem
Volk in den Übungen gegenwärtig ist.
Der Herr hatte dafür gesorgt, dass an den drei Freunden nur die Fesseln
verbrannten. Manchmal führt der Herr auch durch Leiden, um Fesseln und Bindungen
zu lösen. Und Er führt dann aus den Leiden heraus, um Brüder oder Schwestern zu
befähigen, Ihm in einer besonderen Weise zu dienen. Bruder Heijkoop hat aus
seinem Leben berichtet, dass er die schwersten, aber auch die kostbarsten Tage
seines Lebens im Konzentrationslager hatte, als er jeden Tag damit rechnen
musste, zur Hinrichtung geführt zu werden. Freigelassen wurde er, weil ein
junger Offizier die Unterschriften der höheren Vorgesetzten für seine
Entlassungsurkunde gefälscht hatte. Dieser wurde dafür hingerichtet. Als Bruder
Heijkoop davon hörte, wurde ihm klar, dass der Herr ihn durch diese Umstände
freimachen wollte, vollzeitig in Seinem Dienst tätig zu werden.
Bruder Darby übersetzt in seiner Bibel sowohl in den Versen 21, 23, 24 und 26
wie auch in unserer Elberfelder Übersetzung in Vers 25 jeweils die Worte „mitten
in …“ bzw. „mitten aus dem Feuer heraus“. Wenn man beim Schmieden das
Stahlstück besonders glühend haben will, darf man es nicht an den Rand des
Feuers legen, dann muss es direkt in die Mitte des Feuers, dort ist die Hitze am
größten – und da befanden sich die drei Freunde und mit ihnen der vierte Mann.
„Da trat Nebukadnezar an die Öffnung des brennenden Feuerofens, hob an und
sprach: Sadrach, Mesach und Abednego, ihr Knechte des höchsten Gottes, geht
heraus und kommt her! Da gingen Sadrach, Mesach und Abednego aus dem Feuer
heraus. Und die Satrapen, die Befehlshaber und die Statthalter und die Räte des
Königs versammelten sich; sie sahen diese Männer, dass das Feuer keine Macht
über ihre Leiber gehabt hatte: Das Haar ihres Hauptes war nicht versengt, und
ihre Mäntel waren nicht verändert, und der Geruch des Feuers war nicht an sie
gekommen“ (Dan 3,25–27).
Es werden besondere Einzelheiten bei den drei Freunden beschrieben, als sie aus
dem Ofen herauskamen:
Wie vollkommen ist doch die Rettung Gottes an diesen drei Freunden! Dieses
dreifache Ergebnis wurde vor all den Statthaltern und Satrapen und Würdenträgern
Nebukadnezars bezeugt. Das erinnert uns kirchengeschichtlich an die Zusicherung
des Herrn für die Treuen in Philadelphia (Off 3,9) und an das Gebet des
Herrn in Johannes 17,23, wo die Welt erkennen soll, wie Er die Seinen
liebt.
Wir können vielleicht vier Ergebnisse dieser Prüfung des Feuerofens bei den drei
Freunden festhalten:
Zum ersten Mal wird in der Bibel von Gott dem Höchsten gesprochen in 1. Mose
14,18–22. Da ist Melchisedek auch ein Bild von dem Herrn Jesus, der einmal
König und Priester sein wird auf Seinem Thron (vgl. Sach 6,12.13), ein
Hinweis auf den Segen des 1000-jährigen Reiches. Nebukadnezar spricht hier etwas
aus, was er selbst überhaupt nicht verstanden hatte. Seine Worte machen
deutlich, dass er noch andere Götter neben diesem höchsten Gott zulässt.
Online seit dem 07.06.2014, Bibelstellen:
Daniel 3,28-30
„Nebukadnezar hob an und sprach: Gepriesen sei der Gott Sadrachs,
Mesachs und Abednegos, der seinen Engel gesandt und seine Knechte errettet hat,
die auf ihn vertrauten und das Wort des Königs übertraten und ihre Leiber
hingaben, um keinen Gott zu dienen oder ihn anzubeten, als nur ihrem Gott. Und
von mir wird Befehl gegeben, dass jedes Volk, jede Völkerschaft und Sprache –
wer Unrechtes spricht gegen den Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos, in Stücke
zerhauen werden soll und dass sein Haus zu einer Kotstätte gemacht werden soll;
weil es keinen anderen Gott gibt, der auf solche Weise zu erretten vermag.
Darauf beförderte der König Sadrach, Mesach und Abednego in der Landschaft
Babel.“ (Dan 3,28–30)
Unversehrt waren die drei Freunde vor all den Würdenträgern Babylons aus dem
Feuerofen herausgekommen. Und Nebukadnezar muss jetzt bekennen, dass Gott Seinen
Engel zu ihrer Rettung gesandt hatte. Prophetisch können wir darin ein Bild
sehen von der Anerkennung der Nationen und ihrer Führer angesichts der Befreiung
des Volkes Israels und auch ihre Huldigung dem König dieses Reiches gegenüber,
der diese Befreiung für Sein Volk bewirkte (Sach 8,23;
Ps 102,16). Das macht deutlich, dass die
prophetische Erfüllung dieses Bildes über die Grenzen der damaligen Geschehnisse
hinausgeht.
Wir würden allerdings den Hauptgedanken etwas aus den Augen verlieren, wenn
wir nicht bei dem bleiben, was wir hier vorliegen haben. Die Hauptbelehrung von
Daniel 3 ist für uns doch wohl die, wie wir uns
angesichts der über uns gesetzten Regierungen und Gewalten zu verhalten haben.
Das Standbild in Daniel 2 zeigt uns die komplette
Entwicklung der Zeiten der Nationen – von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende. Das
ist die Basis, auf der die daran anschließenden geschichtlichen Kapitel ruhen.
Aber diese geschichtlichen Kapitel enthalten über die normale sittliche
Anwendung hinaus auch prophetische Bilder. Wir dürfen sie nur nicht überdeuten.
Und diese prophetischen Hinweise sind maßgeblich für die Zeiten der Nationen.
Was wir in den Kapiteln 3 bis 6 finden, charakterisiert die ganze Zeit der
Nationen, also auch unsere heutigen Tage. Und in diesem Kapitel 3 lernen wir,
dass Götzendienst die Zeiten der Nationen bestimmt. Es ist kein Fragen nach
Gott, man macht sich seine eigenen Götzen. In den verschiedenen geschichtlichen
Berichten haben wir also prophetische Hinweise auf die komplette Zeit der
Nationen. Neben der sittlichen Anwendung auf uns dürfen wir diesen Gesichtspunkt
also auch weiter betrachten, wir dürfen sie nur nicht überdeuten und durch alle
möglichen Nebengedanken die grundsätzliche Linie verlieren.
Das Bild Nebukadnezars ist eine Religion, die verwirklicht werden sollte. Und
die heutigen Entwicklungen in Europa gehen in die gleiche Richtung. Es werden
heute Dinge gesetzlich geregelt, die gegen Gottes Wort sind. Dieser Geist hat
die gesamte Christenheit durchdrungen, z.B. die Stellung der Frau innerhalb des
christlichen Bekenntnisses – und auch in den christlichen Zusammenkünften. Die
Forderung des Staates nach Gleichstellung ist von der Kirche sofort übernommen
worden, und dadurch dringt es in sämtliche Bereiche der christlichen Welt
hinein. Können wir uns dem heute noch entziehen? Noch werden wir nicht dazu
gezwungen, aber wie weit geben wir diesem Trend freiwillig nach? Spätestens in
dem Augenblick der Entrückung der Versammlung wird die letzte Hemmschwelle
weggefallen sein (2. Thes 2,6.7). Ein
anderes beschämendes Beispiel ist die Gleichbehandlung jeder sexuellen
Orientierung; man muss sich heute schon fürchten, öffentlich zu sagen, dass
Homosexualität nach der Bibel böse ist. Wenn wir nicht mehr das Wort Gottes
sprechen lassen dürfen, dann fangen wir an, unseren Kopf vor diesem Bild zu
beugen, und am Schluss liegen wir platt auf dem Boden!
„Gepriesen sei der Gott Sadrachs, Mesachs und Abednegos“: Nebukadnezar hatte
erkannt, dass diese drei Freunde einem Gott vertrauten, der die Seinen nicht im
Stich lässt. Er schämt sich nicht, der Gott dieser Treuen genannt zu werden (Heb
11,16). Nebukadnezar muss anerkennen, dass die drei Freunde richtig
gehandelt hatten, als sie ihrem Gott vertraut und sich nicht dem König
unterworfen hatten. Sie hatten ihrem Gott mehr gehorcht als dem Mann, der sich
zwischen sie und ihren Gott stellen wollte. Sie hatten ihre Leiber hingegeben,
hatten nicht um ihr eigenes Leben gekämpft, sondern es für ihren Gott hingegeben
(vgl. Off 12,11). Mehr als ihr eigenes
Leben besaßen sie nicht; alles, was sie hatten, gaben sie für ihren Gott hin.
Hat das in der Anwendung von Römer 12,1
nicht auch eine sittliche Mahnung für uns heute? Sie gingen keine
Kompromisse ein und ihr Gott bekannte sich zu ihnen. Aber in dem, wie
Nebukadnezar von diesem Gott spricht, wird doch noch eine gewisse Distanz zu
diesem Gott deutlich, ähnlich wie in Daniel 2,47.
Er war beeindruckt von dem Handeln Gottes, aber mehr auch noch nicht:
·
Er anerkennt die Macht Gottes; er wusste dieses
machtvolle Eingreifen Gottes richtig zuzuordnen.
·
Er anerkennt, dass die drei Freunde Diener Gottes
waren und nicht Knechte Nebukadnezars.
·
Er anerkennt das Vertrauen der drei Freunde auf
diesen Gott; so wie Mose fürchteten sie die Wut des Königs nicht (Heb 11,27)
und schauten auf den Unsichtbaren, der dann im Feuerofen bei ihnen war.
Wenn Nebukadnezar jetzt von einem Engel des Gottes spricht, denen die drei
Freunde vertraut hatten, ist er in seiner Erkenntnis weiter gekommen als noch in
Vers 25. Hier spricht er ganz klar nicht mehr von einem Angehörigen seiner
Götterwelt, sondern von dem einen wahren Gott, der Seinen Engel gesandt hat. In
2. Mose 3,2;
Richter 6,11 und in vielen anderen Stellen des Alten Testaments ist
der Engel des Herrn der Herr Jesus selbst. Auffallend ist an diesen Stellen,
dass da im Wechsel vom Engel des Herrn und vom Herrn selbst gesprochen wird, was
deutlich macht, dass der Engel des Herrn nicht ein Geschöpf ist, sondern Gott
selbst, der Sohn Gottes, der das Bild des unsichtbaren Gottes ist. Die drei
Freunde hatten im Feuerofen erfahren, dass sich der Engel des Herrn um die her
lagert, die Ihn fürchten, und dass Er sie befreit (Ps
34,8).
Nebukadnezar hatte sich zu Unrecht zwischen das Gewissen der drei Freunde und
Gott gestellt; und jetzt tut er in Vers 29 etwas Ähnliches schon wieder. Er
schießt in seiner Reaktion über das Ziel hinaus und handelt im Übermaß. Es ist
bei uns oft so, dass wir von einer einseitigen Überbetonung schnell in genau das
andere Extrem verfallen können. So ein Verhalten finden wir auch beim König Saul
mehrfach, der oft aus dem Affekt heraus handelte. Das Neue Testament zeigt uns
dagegen deutlich, dass wir in unserem Verhalten durch Nüchternheit und
Besonnenheit gekennzeichnet sein sollen, sei es im persönlichen Leben oder auch
in den örtlichen Versammlungen.
Nebukadnezar hat aus all seinen schönen Worten nichts gemacht, er hat auch
nicht ein Atom gelernt. Er reagiert in Vers 29 genauso autoritär und fleischlich
wie in Daniel 2,5. Auch
Daniel 4 zeigt das dann sofort. Und es wird erst
dann anders mit ihm, als er zunächst zum Tier und danach wieder zum Mensch wird.
Erst danach war er ein anderer als vorher. Er findet zwar anerkennende Worte für
Gott, aber er ist noch nicht zu Ende mit sich. Das Handeln Gottes mit diesem
gottlosen Mann ist schon bewegend. Nebukadnezar hat etwas erlebt, was nie ein
Mensch erlebt hat. Gott hatte mit ihm Ziele; und weil Er ihn wiederherstellte,
dient er dann als Bild des Endes. Mit dem König Belsazar dagegen handelt Er ganz
anders und erledigt ihn an nur einem Tag (Dan 5),
Er brauchte nicht lange mit ihm, nachdem die Schrift erschienen war! Heinrich
Heine hat darüber eine Ballade verfasst, und sein letztes Wort ist: „Belsazar
ward aber in selbiger Nacht von seinen Knechten umgebracht.“1
Dieser Verachtung Gottes, dieser Gotteslästerung, begegnet Gott mit heiligem
Ernst; noch in der gleichen Nacht kommt er um und das Reich wird von ihm
genommen. Und das ist dann auch der Wechsel vom Babylonischen zum
Medo-persischen Reich.
Vers 28 ist die Reaktion Nebukadnezars im Blick auf den Gott Israels, Vers 29
ist seine Reaktion in Richtung auf alle Völker und Nationen, und in Vers 30 hat
er auch noch eine Zuwendung zu den drei Freunden. Gott sorgt hier durch den
König Nebukadnezar dafür, dass die drei Freunde eine besondere Antwort auf ihre
Treue bekommen (vgl. 1. Sam 2,30;
Jes 25,8). Gott ehrt diejenigen, die Ihn
ehren, und Er wird jede Erinnerung an durchlittenes Leid von ihnen wegnehmen!
Was diese Zuwendungen der babylonischen Könige an Daniel und seine Freunde
betrifft, sehen wir, dass nicht nur Gott mit den Königen Nebukadnezar und
Belsazar unterschiedlich gehandelt hatte, sondern dass auch die vier Freunde die
Zuwendungen dieser Könige unterschiedlich beantworten. Am Ende von
Daniel 2 und hier in Vers 30 haben sie diese
Gunsterweisungen offensichtlich angenommen, aber die Geschenke und Ehrungen des
Königs Belsazar weist Daniel entschieden zurück (Dan
5,17).
Belsazar
Die Mitternacht zog näher schon;
in stiller Ruh’ lag Babylon.
Nur oben in des Königs Schloss,
da flackert’s, da lärmt des Königs Tross.
Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.
Die Knechte saßen in schimmernden Reih’n,
und leerten die Becher mit funkelndem Wein.
Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht’;
so klang es dem störrigen Könige recht.
Des Königs Wangen leuchten Glut;
im Wein erwuchs ihm kecker Mut.
Und blindlings reißt der Mut ihn fort
und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.
Und er brüstet sich frech und lästert wild;
die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.
Der König rief mit stolzem Blick;
der Diener eilt und kehrt zurück.
Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.
Und der König ergriff mit frevler Hand
einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.
Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
und rufet laut mit schäumendem Mund:
„Jehova! dir künd ich auf ewig Hohn –
ich bin der König von Babylon!“
Doch kaum das grause Wort verklang,
dem König ward’s heimlich im Busen bang.
Das gellende Lachen verstummte zumal;
es wurde leichenstill im Saal.
Und sieh! und sieh! an weißer Wand
da kam’s hervor wie Menschenhand;
und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.
Der König stieren Blicks da saß,
mit schlotternden Knien und totenblass.
Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
und saß gar still, gab keinen Laut.
Die Magier kamen, doch keiner verstand
zu deuten die Flammenschrift an der Wand.
Belsazar ward aber in selbiger Nacht
von seinen Knechten umgebracht.
Online seit dem 09.06.2014, Bibelstellen:
Daniel 3,31-4,4
Vorbemerkungen zu Vers 31–33
Die Kapitel-Einteilung ist nicht inspiriert, und das wird hier auch deutlich.
Die Verse 31–33 gehören inhaltlich zu Daniel 4,
und in der früheren Elberfelder Übersetzung begann Daniel
4 mit Vers 31 aus Daniel 3. Hier ist die
überarbeitete Fassung der Elberfelder Übersetzung nicht besser geworden. Diese
drei Verse sind eine Vorwegnahme dessen, was in Daniel 4
dann geschieht. Nebukadnezar schreibt einen eigenen Brief, und man könnte sagen,
er schreibt diesen Brief über seine Bekehrung. Er schreibt an alle Völker der
Erde und will ihnen vorstellen, welche Wunder Gott mit ihm getan hat. Der
Bericht darüber folgt dann ab Dan 4,1. Die
Verse Dan 3,31–33 sind also eine
Zusammenfassung dessen, was am Ende sich dann sichtbar zeigt. Das Ende wird also
nach vorne projiziert, es wird zuerst gezeigt, was Gott erreicht hat, und dann
der Prozess geschildert, der dahin geführt hat. Auch in den Psalmen finden wir
oft eine ähnliche Struktur, dass das Ergebnis vorweggenommen wird in den ersten
Versen, und dann der Vorgang geschildert wird, der dahin geführt hat.
„Nebukadnezar, der König, allen Völkern, Völkerschaften und Sprachen,
die auf der ganzen Erde wohnen: Friede euch in Fülle! Es hat mir gefallen, die
Zeichen und Wunder mitzuteilen, die der höchste Gott an mir getan hat. Wie groß
sind seine Zeichen, und wie mächtig seine Wunder! Sein Reich ist ein ewiges
Reich, und seine Herrschaft währt von Geschlecht zu Geschlecht!“ (Vers 31–33)
Nebukadnezar macht hier eine Mitteilung an sein ganzes Reich und betont
darin, was der höchste Gott (vgl. Dan 3,26)
„an mir“ getan hat; damit bezieht er sich auf das, was er in Kap 4
erlebt. In Kap 3 hatte er erlebt, was der große Gott an denen, die ihm treu
waren, getan hatte. Aber jetzt in Kap 4 bekommt er es ganz persönlich mit Gott
zu tun. Wir bekommen eine tiefe Ehrfurcht davor, dass Gott diesen Nebukadnezar
nicht gehen lässt; er muss jetzt etwas erleben, was ans Mark geht. Und zu sehen,
wie Gott das macht mit diesem stolzen und mächtigen Mann, ist zutiefst
beeindruckend. Von keinem anderen Menschen in der Heiligen Schrift wird ein
solcher Prozess geschildert, dass er den Verstand verlor und zu einem Tier
wurde.
Nebukadnezar schildert in diesem offenen Brief nicht seine Größe sondern die
Herrlichkeit Gottes. Aber zuerst wünscht er allen Menschen Frieden in Fülle,
dass hatte es bei ihm bis dahin überhaupt noch nicht gegeben! Und neu ist dann
auch, dass er von den Wundern und Zeichen spricht, die der höchste Gott in dem
Kapitel 4 an ihm getan hat. Bislang war bei ihm nie eine Veränderung
eingetreten, ähnlich wie die Leute in Jerusalem zur Zeit des Herrn Jesus, die an
Seinen Namen glaubten, weil sie Seine Zeichen sahen, die Er tat (Joh
2,23). Aber der Herr vertraute sich ihnen nicht an, weil Er wusste,
dass bei diesem angeblichen Glauben keine wirkliche Buße vorhanden war, kein
wirkliches Werk an ihrer Seele geschehen war. So war es bis dahin auch bei
Nebukadnezar.
Aber jetzt schreibt er von den Geschehnissen des vierten Kapitels, dass Gott
sie an ihm getan hatte. Und er nennt sie große Zeichen und mächtige Wunder. Mit
diesem Mann waren Wunder geschehen! Und was er dann in Vers 33 über das Reich
und die Herrschaft Gottes sagt, lässt sich direkt verbinden mit seinen Aussagen
am Schluss des vierten Kapitels (Dan 4,31)
– und dazwischen kommt jetzt der Prozess.
Kapitel 4
In Daniel 3 hatten wir Götzendienst vor uns
gehabt, den das Haupt des ersten der vier Weltreiche eingeführt hatte und zu
einem Zwang für das ganze riesige Reich machen wollte. In
Daniel 4 wird uns ein anderer Gedanke vorgestellt, der immer
kennzeichnend für die Menschen gewesen ist von Anfang an: Selbstüberhebung,
Missbrauch der von Gott verliehenen Macht, Verlust der Beziehung zu Gott. Gerade
für Babel ist dieser Charakterzug kennzeichnend, wenn wir nur an den Turmbau zu
Babel, der genauso bis an den Himmel reichen sollte, wie hier dieser große Baum
im Traum Nebukadnezars (1. Mo 11,4;
Dan 4,8).
Gott ist von Anfang der Schöpfung an der alleinige Oberherrscher und König
der Welt. David hatte das verstanden, als er den Tempel bauen wollte und dann
sein Sohn Salomo dazu von Gott bestimmt wurde und er ihn vor der ganzen
Versammlung dazu einsetzte: „Dein, Herr, ist das Königreich, und du bist über
alles erhaben als Haupt…und du bist Herrscher über alles…“ (1.
Chr 29,11+12). Damit ist die allgemeine Weltherrschaft Gottes des
Schöpfers über Seine Schöpfung gemeint, die solange währen wird, wie die
Schöpfung existiert. Die erste Unter-Herrschaft hatte Gott dem Adam gegeben;
aber schon der erste Mensch hatte die ihm verliehene Fähigkeit und Autorität
dazu benutzt, sich gegen Gott zu stellen und sich von Ihm loszumachen. Und
dieses Sündenprinzip durchzieht seitdem die gesamte Menschheitsgeschichte. Gott
hatte sich Israel als Volk erwählt und wollte ihr König sein (2.
Mo 15,18), aber sie waren nicht damit zufrieden, direkt Gott
unterstellt zu sein und wünschten einen König wie alle übrigen Nationen zu haben
(1. Sam 8,5–7; 19 – 22) – Saul. Dann kam
David, der Mann nach dem Herzen Gottes; und schon Salomo, die zweite Generation,
versagte kläglich. Selbst diese bevorrechtigte Nation, die eine solche Beziehung
zu Gott hatte, hatte versagt. Und dann kommt diese Zeit der Nationen, wo Gott
den Menschen der Nationen die Weltmacht überlässt. Sie haben nicht solch eine
konkrete Beziehung wie Israel zu Gott, aber sie sollten doch zumindest das
Bewusstsein haben, dass Gott noch hinter der Szene steht und sie ihm
verantwortlich sind. So kam Nebukadnezar erst dann zur Wiederherstellung, als er
zu dieser Einsicht kam, dass die Himmel herrschen. Obwohl er von Gott als das
Haupt von Gold eingesetzt wurde, musste er doch anerkennen, dass es einen gibt,
der über ihm ist, dass es eine immerwährende Autorität Gottes gibt, die auch ihm
seinen Platz gegeben hatte. So schildert es dann Daniel auch dem Belsazar, als
er von diesen Erfahrungen Nebukadnezars berichtet (Dan
5,21). Viele Könige in der Geschichte Europas hatten das zumindest im
Ansatz verstanden, wenn sie sich als Könige von Gottes Gnaden bezeichnet haben.
Nachdem auch diese vier Weltreiche versagt hatten, kommt dann der, den Gott
erwählt hat, dem Er das Reich Gottes geben wird. Dann wird ein Mensch wirklich
in Übereinstimmung mit Gott über eine Erde herrschen, die in einem neuen Zustand
sein wird. Es wird eine Herrschaft sein, die gegründet ist auf Erlösung und
Vergebung. Unfassbar, dass sich auch das wieder verderben wird, und das wird
dann das Ende der Weltgeschichte sein. Sogar in diesem Reich wird der Mensch
beweisen, dass er in seinem natürlichen Zustand unverbesserlich ist und unfähig,
die Gedanken Gottes zu tun. 6000 Jahre Menschheitsgeschichte beweisen, dass der
Mensch einfach nicht zur Einsicht kommen und nach Gottes Gedanken leben kann und
will.
Gott verleiht den Menschen Regierungs-Autorität, Weltmacht, und der Mensch,
der ohne Gott lebt, benutzt diese von Gott verliehene Macht zu nichts anderem,
als sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen. Das ist das zweite große
Kennzeichen aller dieser Mächte und damit auch unserer Tage. Von Anfang an hat
Satan den Menschen mit dieser Verlockung versucht, dass sie sein würden wie Gott
(1. Mo 3,5). Und bis zum Ende der
Menschheitsgeschichte wird er den Menschen dahin verführen, sich selbst an die
Stelle Gottes zu setzen. Das heutige Bestreben der Autonomie ist nichts anderes
als diese Taktik Satans: „Über uns gibt es kein Wesen, keine Autorität“. Und das
wird enden in der Verbindung der beiden Machthaber mit dem wiedererstandenen
römischen Weltreich, wenn sich der Antichrist selbst in den Tempel Gottes setzen
wird und sich selbst als Gott darstellt und anbeten lässt (2.
Thes 2,4).
Es kann angenommen werden, dass die Ereignisse dieses Kapitels zeitlich nicht
unmittelbar im Anschluss an Daniel 3 stattgefunden
haben, sondern einige Jahre dazwischen liegen und eher in der zweiten Hälfte
oder gegen Ende der 43-jährigen Regierungszeit Nebukadnezars geschehen sind.
Daniel ist dann hier auch kein junger Mann mehr, sondern eher schon ein Mann
mittleren Alters. Das wird auch noch erhärtet durch den Umstand, dass sieben
Zeiten = sieben Jahre vergehen sollten, bis Nebukadnezar wieder in den
menschlichen Zustand zurückkehrte (Vers 13); und nach der Deutung des Traumes
durch Daniel und dem Moment, wo das Wort an ihm vollzogen wurde, vergingen ja
auch schon 12 Monate = 1 Jahr (Vers 26).
„Ich, Nebukadnezar, wohnte ruhig in meinem Haus und hatte Gedeihen in
meinem Palast. Ich sah einen Traum, er erschreckte mich; und Gedanken auf meinem
Lager und Gesichte meines Hauptes ängstigten mich. Und von mir wurde Befehl
gegeben, alle Weisen von Babel vor mich zu führen, damit sie mir die Deutung des
Traumes kundtäten. Darauf kamen die Wahrsagepriester, die Sterndeuter, die
Chaldäer und die Wahrsager herbei; und ich trug ihnen den Traum vor, aber sie
taten mir seine Deutung nicht kund“ (Vers 1–4)
Was Nebukadnezar jetzt schreibt, ist zu seiner tiefen Demütigung, aber er
schreibt es doch allen Völkern. Er schreibt, damit die Menschen seines Reiches
wüssten, wie es dazu gekommen ist, dass er jetzt auf einmal ein ganz anderer
war. Er sitzt da in seinem Palast und hatte Gedeihen; er war ein mit sich und
der Welt zufriedener und glücklicher Mensch, nur – ohne Gott. Über diesen Palast
wird er später noch mehr sagen (Dan 4,26+27),
nämlich dass er und niemand sonst ihn erbaut hatte. Er hatte erreicht, was er
erreichen wollte, sein Reich war soweit in Frieden. Eine Zeit der Muße, der
Sorglosigkeit und des Übermuts ist auch für den König David eine Gefahr und ein
Fallstrick geworden (2. Sam 11,1+2). Hat
das nicht auch uns etwas zu sagen? Wieviel Muße haben wir oft, und gerade in
unseren Tagen des Internets sind die Gefahren so groß, dass wir in solchen
freien Augenblicken gerade durch diese vielfältigen fleischlichen Anreize zu
Fall kommen!
Dann bekam Nebukadnezar einen Traum, und diesmal vergaß er den Traum nicht.
Ganz genau hatte sich dieser Traum in sein Gedächtnis eingegraben, jede
Einzelheit. Und dieser Traum beängstigte ihn, obwohl er seine Bedeutung noch
nicht verstand. Nebukadnezar empfindet wohl, dass über dem blauen Himmel sich
Wolken zusammenziehen, die wahrscheinlich ihn zum Ziel haben. Und wieder ruft er
seine Weisen zusammen, und wieder vermögen sie nicht, ihm den Traum zu deuten.
Offenbar aber hatte er Daniel dabei vergessen, obwohl er ihn doch zum Obersten
aller Weisen von Babel gemacht hatte (Dan 2,48).
Der Prophet Daniel (15) - Kapitel 4,5-16
Online seit dem 11.06.2014, Bibelstellen: Daniel 4,5-16
„Und zuletzt trat vor mich Daniel, dessen Name Beltsazar ist, nach dem
Namen meines Gottes, und in dem der Geist der heiligen Götter ist; und ich trug
ihm den Traum vor: Beltsazar, du Oberster der Wahrsagepriester, da ich weiß,
dass der Geist der heiligen Götter in dir ist und dass kein Geheimnis dir zu
schwer ist, so sage mir die Gesichte meines Traumes, den ich gesehen habe, und
seine Deutung. Was nun die Gesichte meines Hauptes auf meinem Lager betrifft, so
sah ich:“ (Vers 5–7a)
Nebukadnezar holt den Daniel scheinbar nur aus Verlegenheit, weil er mit seinen
eigenen Leuten nicht weiter kam. Daraus wird deutlich, dass er mit Daniel keine
Wesensverbindung hatte, er war ihm ein Fremder geblieben. Der Traum war ein
Traum des Himmels, aber die Philosophen dieser Welt kennen nur die Gedanken
dieser Erde, sie können nicht deuten, was vom Himmel kommt. Ist das aber nicht
auch eine Auszeichnung für Daniel, dass er getrennt von ihnen erwähnt wird?
Obwohl Nebukadnezar ihn zu einem dieser Männer gemacht hatte, gehörte er doch
nicht zu ihnen. Man konnte ihn unterscheiden von den anderen, offensichtlich war
er in seinem Lebenswandel geprägt durch Trennung. Von uns wird auch gesagt, dass
wir wohl in der Welt sind, aber nicht von der Welt sind (Joh 17,11+14).
Wie weit entsprechen wir dem in unserem praktischen Verhalten?
Nebukadnezar wusste ganz genau Bescheid, dass in dem Daniel ein Mann da war, der
fähig war, Dinge zu erläutern und zu deuten, die seinen eigenen Schriftgelehrten
verborgen blieben. Er nimmt also jetzt Zuflucht zu einem Mann, zu dem keine
Wesensverbindung bestand und redet ihn mit seinem heidnischen Namen Beltsazar
an. Er hätte lieber seine natürlichen Hilfsquellen benutzt und Daniel gar nicht
gebraucht, so wie es auch bei uns noch sein kann, dass wir zu den geistlichen
Quellen erst dann Zuflucht nehmen, wenn die natürlichen Hilfsmittel versagen.
Aber da sich sein Herz ängstigte und ihm keine Ruhe mehr ließ, nimmt er es in
Kauf, diesen Beltsazar zu holen und zu ihm zu sprechen.
„Und siehe, ein Baum stand mitten auf der Erde, und seine Höhe war
gewaltig. Der Baum wurde groß und stark, und seine Höhe reichte bis an den
Himmel, und er wurde gesehen bis an das Ende der ganzen Erde; sein Laub war
schön und seine Frucht zahlreich, und es war Nahrung an ihm für alle; die Tiere
des Feldes fanden Schatten unter ihm, und die Vögel des Himmels wohnten in
seinen Zweigen, und alles Fleisch nährte sich von ihm. Ich sah in den Gesichten
meines Hauptes auf meinem Lager: Und siehe, ein Wächter und Heiliger stieg vom
Himmel herab. Er rief mit Macht und sprach so: Haut den Baum um und schneidet
seine Zweige weg; streift sein Laub ab und streut seine Frucht umher! Die Tiere
unter ihm sollen wegfliehen und die Vögel aus seinen Zweigen! Doch seinen
Wurzelstock lasst in der Erde, und zwar in Fesseln aus Eisen und Kupfer, im Gras
des Feldes; und vom Tau des Himmels werde er benetzt, und mit den Tieren habe er
Teil am Kraut der Erde. Sein menschliches Herz werde verwandelt und das Herz
eines Tieres werde ihm gegeben; und sieben Zeiten sollen über ihm vergehen.
Durch Beschluss der Wächter ist dieser Ausspruch, und ein Befehl der Heiligen
ist diese Sache, damit die Lebenden erkennen, dass der Höchste über das Königtum
der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will, und den Niedrigsten der
Menschen darüber bestellt. Diesen Traum habe ich, der König Nebukadnezar,
gesehen; und du, Beltsazar, sage seine Deutung, da alle Weisen meines
Königreichs mir die Deutung nicht kundzutun vermögen; du aber vermagst es, weil
der Geist der heiligen Götter in dir ist.“ (Vers 7b-15)
Dieses Kapitel ist sehr lang, aber viele Verse sind reine Wiederholung des
Traumes von Nebukadnezar. Deshalb ist es hilfreich, bei der Betrachtung des
Traumes von Nebukadnezar auch gleich die Deutung durch Daniel mit zu betrachten.
Die Verse 7 bis 15 beinhalten also den Traum Nebukadnezars, und die Verse 16 bis
24 dann die Deutung des Traums durch Daniel, die fast eine wortwörtliche
Wiederholung des Traumes sind. Es ist eigentlich erstaunlich für Gottes Wort,
das ja nicht dadurch gekennzeichnet ist, dass es sich ständig wiederholt oder
ganze Abschnitte einfach wiederholt werden. Aber hier ist es so. Es muss Gott
sehr wichtig sein, sodass Er die Beschreibung fast Wort für Wort wiedergibt.
Hilfreich ist deshalb vielleicht die nachfolgende Gliederung der Verse des
Traumes und seiner Deutung:
Nebukadnezars Traum |
Daniels Wiederholung |
Daniels Deutung |
|
der Baum |
Verse 8+9 |
Verse 17+18 |
Vers 19 |
der Wächter+Heilige |
Verse 10+11 |
Vers 20 |
Verse 21–22 |
der Wurzelstock |
Vers 12+13 |
Vers 23 |
Vers 23 |
der Höchste herrscht |
Vers 14 |
Vers 22 |
Wenn es um diesen Traum geht, dann wird in diesem Kapitel mit ziemlichem
Nachdruck deutlich gemacht, warum Gott dem Nebukadnezar diesen Traum gegeben
hat. Dreimal wird eine Begründung für diesen Traum gegeben:
Der Traum ist also nicht nur eine Botschaft für Nebukadnezar, sondern
ausdrücklich auch eine Botschaft für die Lebenden, die hier etwas zur Kenntnis
nehmen sollen, nämlich diesen allgemeinen Grundsatz Gottes, dass Er den
erniedrigt, der sich selbst erhöht, und den erhöht, der sich selbst erniedrigt.
Aber in diesem Niedrigsten der Menschen können wir auch eine Andeutung
auf den Herrn Jesus sehen. Gerade in Ps 8,5–7 wird uns Seine Niedrigkeit
beschrieben und wie Er dann zum Herrscher über alles gemacht worden ist. Er
hatte sich selbst zu nichts gemacht (Phil 2,7+8), den tiefsten Platz
eingenommen – und Gott hat Ihn deshalb erhoben und erhöht und Ihn sehr hoch
gemacht (Jes 52,13). Er wird einmal derjenige sein, der die Regierung
antritt; wenn im 1000-jährigen Reich die Himmel herrschen werden, dann wird der
Herr Jesus, der einst der Niedrigste war, der sich selbst zu nichts gemacht hat,
die Herrschaft antreten!
„Da entsetzte sich Daniel, dessen Name Beltsazar ist, eine Zeit lang, und
seine Gedanken ängstigten ihn. Der König hob an und sprach: Beltsazar, der Traum
und seine Deutung ängstige dich nicht. Beltsazar antwortete und sprach: Mein
Herr, der Traum gelte deinen Hassern und seine Deutung deinen Feinden!“ (Vers
16)
Daniel muss beim Erzählen des Traumes sofort seine Deutung in allen Einzelheiten
verstanden haben, sonst hätte er sich wohl nicht gleich entsetzt. Ein solche
tiefe Betroffenheit finden wir bei ihm mehrfach (Dan 7,28; 8,27). Wir
können oft über Prophetie sprechen mit ihren sehr ernsten Einzelheiten, ohne
dass es uns betroffen macht, was die Menschen treffen wird, auf die sich die
Prophetie bezieht. Wir haben oft ein viel zu geringes Empfinden dafür, dass z.B.
die Gerichte in der Offenbarung einmal Menschen treffen werden, die vielleicht
heute schon leben, die wir kennen. Löst das Empfindungen bei uns aus diesen
Menschen gegenüber? Versuchen wir, die Menschen zu überreden, weil wir den
Schrecken des Herrn kennen (2. Kor 5,11+20)? Daniel jedenfalls versuchte
das in Dan 4,24; er hatte die Empfindungen Jeremias und suchte eher den
Frieden der Stadt, wohin der Herr sie weggeführt hatte (Jer 29,7). Hier
muss er nun etwas sehen, was Gericht für diesen Herrscher bedeutete, und das
erschütterte ihn. Ähnlich ging es wohl dem Samuel, als er dem Priester Eli das
Gericht ankündigen sollte (1. Sam 3,15); er hatte noch ein Empfinden für
die von Gott verliehene Autorität Elis in seiner Stellung als Priester, und er
als Jüngling sollte jetzt diesem Priester entgegentreten.
War es denn nun gut und richtig, dass er hier starr vor Entsetzen wurde?
Verständlich war es bestimmt, denn der König Nebukadnezar war ihm nicht egal, er
hatte offensichtlich ein gewisses Mitgefühl mit ihm. Und was er jetzt dem König
zu sagen hatte, war eine gewaltige Herausforderung, war etwas, was den König
zutiefst treffen würde, und dazu brauchte es Mut. Vielleicht können wir eine
gewisse menschliche Schwäche bei Daniel sehen, wenn er wünscht, dass der Traum
lieber nicht für den König sondern für einen seiner Feinde bestimmt sein sollte.
Es ist ja auffällig, dass Daniel in diesem Vers fast nur Beltsazar genannt wird.
Wenn er hier dem König antwortet, ist das wohl das einzige Mal, dass nur der
heidnische Name erwähnt wird ohne die Hinzufügung seines eigentlichen Namens
Daniel. Vielleicht auch ein kleiner Beleg dafür, dass er in diesem Augenblick,
beängstigt und bedroht durch die ernsten Dinge, die er sieht, selbst nicht ganz
auf der Höhe des Glaubens ist. Aber dies verändert sich sofort wieder wenn er
dem König die Deutung anzeigt. Aber wenn wir daran denken, dass dieses ganze
Kapitel ein Brief Nebukadnezars ist, dann fällt doch auf, dass dieser König
Babylons selbst Daniel zweimal bei seinem alten jüdischen Namen nennt (Vers 5
und 16). Der, der dem Daniel einen neuen Namen gegeben hatte, um alles
auszulöschen, was noch an den wahren Gott erinnerte, nennt ihn noch zweimal bei
diesem alten Namen.
Online seit dem 13.06.2014, Bibelstellen:
Daniel 4,17-24
„Der Baum, den du gesehen hast, der groß und stark wurde und dessen
Höhe an den Himmel reichte und der über die ganze Erde hin gesehen wurde, und
dessen Laub schön und dessen Nahrung war für alle, unter dem die Tiere des
Feldes wohnten und in dessen Zweigen die Vögel des Himmels sich aufhielten: Das
bist du, o König, der du groß und stark geworden bist; und deine Größe wuchs und
reichte bis an den Himmel und deine Herrschaft bis ans Ende der Erde“ (Vers
17–19)
Ein Baum wächst auf der Erde und ein Baum ist groß, und bildlich steht ein
Baum für Größe und Macht und Stärke auf der Erde, nicht vom Himmel sondern in
der Schöpfung. Ein Baum bezieht seine Kraft auch nicht vom Himmel her, sondern
aus der Erde. Hier in der Deutung wird der Baum direkt auf Nebukadnezar
persönlich bezogen, nicht auf Menschenmengen und Völker, und anders auch als
in dem Traum Nebukadnezars in Daniel 2, wo die
Größe und Herrlichkeit des Bildes auf sein Reich bezogen wird. Und so trifft das
Gericht hier auch den König persönlich und sein Reich bleibt weiter bestehen. In
Hes 31,10+18 wird ein ähnliches Bild von
einem Baum und seiner Größe auf den Pharao von Ägypten bezogen. Und was diesen
beiden Bildern gleich ist, ist die Erhebung des Herzens des Menschen. In
Mt 13,32 wird auch das Bild eines großen
Baumes gebraucht, um damit dieses böse System anzudeuten, zu dem die bekennende
Christenheit innerhalb des Reiches der Himmel geworden ist. Das System
religiöser Christenheit ist zu einem System äußerer Größe – getrennt von Gott –
geworden.
Der Baum ist in der Heiligen Schrift ein Symbol für ein großes beherrschendes
Regierungssystem auf der Erde. Wenn also hier Nebukadnezar mit einem Baum
verglichen wird, dann ist das ganz legitim, denn Gott hatte ihn zu einer
beherrschenden Macht auf der Erde gemacht. Schon in
Dan 2,38 hatte Gott die Tiere des Feldes und die Vögel des Himmels in
die Hand Nebukadnezars gegeben, sodass hier bei den Vögeln des Himmels in den
Zweigen des Baumes nicht unbedingt an Unreinheit zu denken ist, wie sonst oft
bei den Bäumen. Nebukadnezar hatte nicht nur die Macht über alle Geschöpfe unter
seiner Hand, selbst die Tiere fanden Schutz in diesem System, Nahrung und
Bleibe. Es ist also ganz schlicht eine Beschreibung von der Größe und
Erhabenheit dieses Königs, wo selbst alle Tiere unter seinem Schutz Gedeihen
haben und alle Annehmlichkeiten des Lebens finden. Aber wenn es heißt, dass der
Baum bis an den Himmel wuchs, dann ist darin wohl schon die Selbstüberhebung
Nebukadnezars angedeutet.
Wenn Nebukadnezar dann zum Tier wird, werden alle Tiere aufgefordert, diesen
Baum zu verlassen (Vers 11). Es ist tief bewegend, dass diese Erniedrigung
Nebukadnezars auch in gewissem Sinn sich auf die Schöpfung ausgedehnt hat.
Ein Unterschied zu der alles umfassenden Machtfülle des Herrn Jesus, der Er
als Sohn des Menschen auf dieser Erde ausüben wird, bleibt allerdings bestehen:
Nebukadnezar ist niemals mit der Macht über die Fische des Meeres ausgerüstet
worden; von dem Herrn Jesus heißt es, dass die Tiere des Feldes, die Vögel des
Himmels und die Fische des Meeres unter Seine Füße gestellt sind (Ps
8,7–9). Diese Herrlichkeit hat der Herr Jesus als der Erbe aller
Dinge ganz allein.
„Und dass der König einen Wächter und Heiligen vom Himmel herabsteigen
sah, der sprach: „Haut den Baum um und verderbt ihn! Doch seinen Wurzelstock
lasst in der Erde, und zwar in Fesseln aus Eisen und Kupfer, im Gras des Feldes;
und vom Tau des Himmels werde er benetzt, und er habe sein Teil mit den Tieren
des Feldes, bis sieben Zeiten über ihm vergehen“ – dies ist die Deutung, o
König, und dies der Beschluss des Höchsten, der über meinen Herrn, den König,
kommen wird: Man wird dich von den Menschen ausstoßen, und bei den Tieren des
Feldes wird deine Wohnung sein; und man wird dir Kraut zu essen geben wie den
Rindern und dich vom Tau des Himmels benetzt werden lassen; und es werden sieben
Zeiten über dir vergehen, bis du erkennst, dass der Höchste über das Königtum
der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will. Und dass man gesagt hat, den
Wurzelstock des Baumes zu lassen: Dein Königtum wird dir wieder zuteil werden,
sobald du erkannt haben wirst, dass die Himmel herrschen“ (Vers 20–23)
In der Beschreibung des Wächters sehen wir, dass Gott auch in der Zeit
der Nationen darüber wacht, wie die Herrscher ihre verliehene Macht ausüben und
wie Er zu Seiner Zeit eingreift. Und die Beschreibung des Heiligen
erinnert uns daran, dass Er Seinen Maßstab der Heiligkeit anlegt an diese
Menschen. Gott hatte gewacht und stieg selbst vom Himmel herab. Diese
Selbst-Überhebung Nebukadnezars ist in den Augen Gottes etwas ungemein Böses,
und als der Wächter Seiner eigenen Heiligkeit und Ehre musste Er darauf in
Gericht antworten. Es ist ein doppeltes Gericht, das Daniel aus dem Traum heraus
ankündigt:
·
„Haut den Baum um“: einerseits würde ihm seine
Herrschaft für eine Zeit weggenommen werden
·
„und verderbt ihn“: andererseits würde er durch
Gott in den Zustand eines Tieres degradiert werden
Aber es ist doch erstaunlich, dass es ein zeitliches Gericht bleibt, denn der
Wurzelstock sollte in der Erde bleiben. Wenn der Wurzelstock eines Baumes in der
Erde bleibt, so gibt es Hoffnung (Hiob 14,7–9).
So groß ist die Gnade Gottes, dass selbst in diesem Gericht noch Hoffnung
angedeutet bleibt. Eisen und Kupfer dieser Fesseln des Wurzelstocks sprechen von
der Festigkeit (Eisen) und der göttlichen Gerechtigkeit (Kupfer) des Gerichts.
Es sind Mittel in der Hand Gottes, einmal das Königtum zu bewahren, damit es
Nebukadnezar wieder gegeben werden könnte; es sind aber auch Mittel Gottes,
Nebukadnezar selbst zu erhalten in diesen sieben Jahren.
Nebukadnezar wurde erniedrigt, er wurde wie ein Tier. Es ist typisch für ein
Tier, dass es nach unten guckt. Nur der Mensch ist in der Lage, nach oben zu
schauen ohne sich anzustrengen. Eine Beschreibung dessen, was Tier bedeutet,
finden wir in Ps 49,21: keine Einsicht
haben, das traf auf Nebukadnezar zu! Und das ist also typisch für die Zeit der
Nationen, sie sind wie Tiere, sie haben keine Einsicht in die Dinge Gottes (vgl.
auch Ps 73,21+22). Ihre einzige
Blickrichtung geht zur Erde, und sie verstehen gar nichts von Gott. Sie gleichen
einem Tier, das keine Intelligenz hat. Ein erschütterndes Bild der Zeiten der
Nationen von Anfang bis zu Ende. Und wenn wir als Gläubige uns abwenden von dem
Verständnis der Gedanken Gottes, dann stellen wir uns auf die Stufe eines
Tieres.
Gott hatte vor, diesen Baum wieder sprossen zu lassen. Sieben ist die Zahl
der Vollkommenheit göttlichen Handelns, und hier hat Gott eine vollkommene Zeit
der Zucht, ein zeitlich befristetes Gericht über Nebukadnezar ausgeübt, die dazu
führte, dass er zu einer gewissen Erkenntnis Gottes kam. Sieben Zeiten stehen
für sieben Jahre, aber sie haben absolut nichts mit den sieben Jahren der
Drangsalszeit zu tun. Sie reden von der Fülle der Zeiten der Nationen; diese
Zeit wird gekennzeichnet sein durch das, was wir hier haben: Hochmut, man
vergisst, dass Gott die Macht gibt, dass man einfach Gott ausschaltet und sich
noch höher macht, als man schon hoch zu sein meint. Diese sieben Zeiten sind
also eine Beschreibung der Fülle der Zeiten der Nationen, wie sie sich von
Anfang bis Ende darstellen werden.
„Darum, o König, lass dir meinen Rat gefallen und brich mit deinen
Sünden durch Gerechtigkeit und mit deinen Ungerechtigkeiten durch Barmherzigkeit
gegen Elende, wenn dein Friede Dauer haben soll“ (Vers 24)
In diesem Vers haben wir die letzte Erwähnung Daniels in diesem Kapitel. Er
hatte die Deutung des Traumes angezeigt, und jetzt kommt mit dieser Mahnung sein
letztes Wort an den König. Er tut darin in aller Bescheidenheit einen
evangelistischen Dienst, sicherlich mit innerlichem Zittern, aber er spricht
dennoch Klartext. Hätten wir auch den Mut, mal in unserer nächsten Umgebung eine
klare Botschaft zu verkündigen? Es ist eine zeitlos gültige Botschaft, die
Daniel bringt: wenn wir je Gelingen haben wollen, dann müssen wir brechen mit
unseren Sünden. Die Sünden, von denen Nebukadnezar lassen sollte, waren nicht
nur allgemein sein Hochmut, sondern auch seine übergroße Grausamkeit und die
Einbildung auf seine eigene Kraft, die in Hab 1,6–11
beschrieben wird. Gott beurteilt und misst die Regenten in der Ausübung ihrer
Macht, die Er ihnen anvertraut hat, anhand ihrer Gerechtigkeit und ihrer
Barmherzigkeit gegen Elende.
Wer seine Übertretungen bekennt und lässt, wird Barmherzigkeit erlangen (Spr
28,13). Wieviel Langmut hat Gott mit Seinem irdischen Volk gehabt,
wieviel Propheten hatte Er gesandt (Jer 7,25).
Und wenn wir an die Geschichte der Kirche Gottes auf der Erde denken, wie sie in
den Sendschreiben vorgestellt wird, dann haben wir nur zwei Sendschreiben, wo
Gott nichts zu tadeln hatte. In allen anderen Sendschreiben ruft Er zur Buße auf
(z.B. Off 2,21). Wir wollen auch daraus für
uns lernen, langmütig zu sein und abwarten zu können, ob nicht das Vorstellen
der Wahrheit und der Aufruf zur Buße Früchte trägt; dass wir nicht zu schnell
handeln, sondern abwarten, ob Gott nicht ein Werk zur Umkehr und zur Buße wirken
kann. Hier hat Gott das ein Jahr lang getan, aber es hatte keine Frucht bei
Nebukadnezar bewirkt.
Diese ganze Szene erinnert stark an Felix und Paulus in
Apg 24,25. Für Felix kam die gelegene Zeit
nicht mehr, aber er hatte immerhin eine Reaktion auf das Reden Paulus gezeigt
und war von Furcht erfüllt worden. Bei Nebukadnezar hier finden wir das nicht.
Er lässt Daniel zwar ausreden, aber eine Reaktion in seiner Seele wird nicht
sichtbar.
Frage: Wenn Gott in diesem Traum nun das Urteil über Nebukadnezar
schon vorhergesagt hatte, besaß er dann überhaupt noch die Möglichkeit zur
Umkehr? Wir müssen bei dieser Frage zwischen den Regierungswegen Gottes und
Seinem Ratschluss unterscheiden. Wir können das mit der Botschaft Jonas an
Ninive vergleichen. Seine Gerichtsankündigung an diese Stadt war, dass Ninive in
40 Tagen umgekehrt sein würde (Jona 3,4).
Auch diese Ankündigung stand nicht unumkehrbar fest; in dem regierenden Handeln
Gottes gibt Er immer noch die Möglichkeit der Umkehr. Auch Nebukadnezar hätte
die Möglichkeit gehabt, in seinem Herzen umzukehren.
Online seit dem 15.06.2014, Bibelstellen:
Daniel 4,25-30
„Dies alles kam über den König Nebukadnezar. Nach Verlauf von zwölf
Monaten ging er auf dem königlichen Palast in Babel umher; und der König sprach:
Ist das nicht das große Babel, das ich zum königlichen Wohnsitz erbaut habe
durch die Stärke meiner Macht und zu Ehren meiner Herrlichkeit?“ (Vers 25–27)
Die Verse 25–30 sind so etwas wie ein Einschub, es ist keine Erzählung
Nebukadnezars in der Ich-Form mehr, sondern die Schilderung des an ihm
vollzogenen Gerichtes Gottes. Durch diese geänderte Form des göttlichen
Berichtes wird der ganze Vorgang wesentlich ernster noch. Erst in Vers 31
beginnt er wieder in der Ich-Form.
Zwölf ganze Monate wartet Gott. Dieser Umstand, dass Gott langmütig ist und
mit dem Gericht nicht sofort kommt sondern Zeit zur Buße gibt (2.
Mo 34,6; Jona 4,2), wird von dem
Sünder benutzt zu sagen, dass da sowieso kein Gericht kommt (Pred
8,11+12). Ein gewaltiger Irrtum! Eine erschütternde Verwechslung der
Langmut Gottes mit der eigenen Sorglosigkeit. Dieser König hatte zwölf Monate
Zeit, und dann erhebt sich sein Herz. In Spr 6,16+17
zeigt Gott sieben Dinge, die Ihm verhasst sind, und das erste davon sind hohe
Augen. „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“ (1.
Pet 5,5); dieser Grundsatz gilt heute genauso wie damals in Babel.
Wenn ein Herz sich erhebt, ist das für Gott ein Gräuel.
Geschichtlich gesehen hatte Nebukadnezar nicht Unrecht mit dieser Angeberei.
Sanherib hatte die Stadt in Schutt und Asche gelegt, und durch Nebukadnezar war
sie wieder aufgebaut worden. Aber so gewaltig das auch gewesen sein mochte, was
er dazu getan hatte oder hatte tun lassen, er schrieb sich hier alles selbst zu.
Wenn er hier von der Stärke seiner Macht spricht, werden wir an den totalen
Gegensatz zu Eph 6,10 erinnert, wo wir
aufgefordert werden stark zu sein in der Macht Seiner Stärke. Es gibt durchaus
Macht und Stärke, aber sie ist niemals in einem Menschen! Die Haltung
Nebukadnezars erinnert auch an die Einstellung des reichen Kornbauern in
Lk 16,17–20. So sehr auch die
Barmherzigkeit und Langmut Gottes eine Realität ist, wenn ihr Vollmaß ungenutzt
verstreicht, dann folgt das Gericht.
Nebukadnezar hatte alles von Gott empfangen, aber er rühmte sich, als hätte
er es nicht empfangen (1. Kor 4,7) und
spricht Worte reinsten Hochmuts. Aber Gott gibt Sein Ziel selbst mit diesem Mann
nicht auf und lässt jetzt die schwerste Erprobung von allen über ihn kommen. Es
ist eine Warnung an uns, ja nicht hoch von uns selbst zu denken. Wir stehen in
der eminenten Gefahr, dass wir uns auf das bisschen, was wir haben, etwas
einbilden; wie groß denken wir oft von uns, auch in der Versammlung – und wir
haben doch aus lauter Gnade alles nur geschenkt bekommen!
Bei allen Tagen der Langmut Gottes ist jeder Tag eine besondere Mahnung an
das jeweilige Herz. Das hat Nebukadnezar ignoriert. Und dieses Verhalten wird
seinem Nachfolger Belsazar zu einer Lektion gemacht (Dan
5,18–21). Er hatte die Tage der Langmut Gottes missbraucht und sein
Herz ist verstockt worden. Wenn wir die empfangene Gabe von dem Geber selbst
lösen, werden wir selbstherrlich und verlieren jede Zugänglichkeit des Herzens
bis hin zur Verstockung.
„Noch war das Wort im Mund des Königs, da kam eine Stimme vom Himmel
herab: Dir, König Nebukadnezar, wird gesagt: Das Königtum ist von dir gewichen!
Und man wird dich von den Menschen ausstoßen, und bei den Tieren des Feldes wird
deine Wohnung sein, und man wird dir Kraut zu essen geben wie den Rindern; und
es werden sieben Zeiten über dir vergehen, bis du erkennst, dass der Höchste
über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will. In
demselben Augenblick wurde das Wort über Nebukadnezar vollzogen; und er wurde
von den Menschen ausgestoßen, und er aß Kraut wie die Rinder, und sein Leib
wurde benetzt vom Tau des Himmels, bis sein Haar wuchs wie Adlerfedern und seine
Nägel wie Vogelkrallen“ (Vers 28–30)
Nebukadnezar war oft zurechtgewiesen worden und hatte bis hierhin immer
wieder seinen Nacken verhärtet; deshalb folgt jetzt sofort bei diesen
hochmütigen Worten das Gericht (Spr 29,1).
Es ist die Stimme des Wächters und Heiligen, die jetzt vom Himmel her ertönt.
Nebukadnezar wurde nicht zu einem Tier; sein menschliches Herz wurde
verwandelt und ihm wurde das Herz eines Tieres gegeben (Vers 14). Damit ist
nicht das Organ gemeint, sondern seine menschlichen Empfindungen,
Entscheidungen, Urteile. Er blieb in seiner äußerlichen Gestalt eines Menschen,
aber er verlor das Gottes-Bewusstsein und verwilderte in seinem Äußeren und
lebte bei den Tieren, aber er wurde nicht buchstäblich zu einem Tier. Er lebte
mit seiner menschlichen, verwilderten Gestalt wie ein Tier und bei den Tieren
und benahm sich wie ein Tier. Gott hat den Menschen in Seinem Bild geschaffen,
und davon ist jetzt bei Nebukadnezar überhaupt nichts mehr zu sehen. Wenn der
Mensch das Zeugnis Gottes ablehnt, dann wird er auch in seinem Äußeren
hingegeben (Rö 1,24+26+28).
Von den Menschen in der Endzeit wird in 2. Pet 2,12
und Judas 10 geschildert, dass sie wie
unvernünftige, natürliche Tiere sich verhalten. Wenn der Mensch meint, der beste
Freund des Menschen sei der Hund, dann meint er, das Tier auf sein Niveau zu
erheben, aber tatsächlich begibt er sich auf das Niveau eines Tieres. Wenn die
Moral des Menschen gegen Null geht, wird er in seinem Wesen wie ein Tier, das
nur noch seine Bedürfnisse und Triebe befriedigen will. Das traurige Beispiel
davon ist der verlorene Sohn in Lk 15,11–16.
Tiefer hinab als bis zu den Tieren geht es für den Menschen nicht.
Es ist ergreifend, dass jetzt wohl das Urteil angekündigt wird, dass es aber
gleich in gewisser Hinsicht begrenzt wird bis zu dem Augenblick, an dem
Nebukadnezar zur Einsicht kommen würde. Daniel hatte das auch schon in seiner
Deutung des Traumes in Vers 23 angedeutet mit den Worten „sobald du erkannt
haben wirst, dass die Himmel herrschen“. Wie unbegreiflich groß ist die Gnade
und Barmherzigkeit Gottes, diesen Mann, der bis zur Vermessenheit sein Herz
verstockte (Dan 5,20), doch eine
Wiederherstellung zu gewähren.
Online seit dem 17.06.2014, Bibelstellen:
Daniel 4,31-34
„Und am Ende der Tage erhob ich, Nebukadnezar, meine Augen zum Himmel,
und mein Verstand kam mir wieder; und ich pries den Höchsten, und ich rühmte ihn
und verherrlichte den ewig Lebenden, dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft ist
und dessen Reich von Geschlecht zu Geschlecht währt. Und alle Bewohner der Erde
werden wie nichts geachtet, und nach seinem Willen tut er mit dem Heer des
Himmels und mit den Bewohnern der Erde; und da ist niemand, der seiner Hand
wehren und zu ihm sagen könnte: Was tust du?“ (Vers 31–32)
Jetzt schildert Nebukadnezar seine Erlebnisse wieder in der Ich-Form, und er
schildert drei Dinge:
·
er erhob seine Augen zum Himmel; das war
die Verantwortung Nebukadnezars selbst; er nimmt jetzt eine persönliche
Beziehung zu Gott wahr (Ps 123,1)
·
sein Verstand kam ihm wieder; das war das
Geschenk Gottes an ihn; manchmal muss Gott auch uns demütigen – und dann gibt Er
alles wieder zurück; bei Hiob sogar das Doppelte (Hiob
1,3; 42,12)
·
er pries den Höchsten…; das Ziel, das Gott
mit ihm erreichen wollte. Nebukadnezar verherrlichte jetzt nicht länger sich
selbst und das, was er alles geschafft hatte, sondern er verherrlicht den ewig
Lebenden. Er war durch Gott gedemütigt worden, aber Gott war zum Ziel mit ihm
gekommen (Ps 119,67.71.75). Er erkennt jetzt, dass er selbst nur eine
Person der Zeitgeschichte ist, und dass der Höchste ein ewig lebender Gott ist.
Er selbst hatte nur für eine Zeit ein Reich anvertraut bekommen, aber dieser
Gott hat ein immerwährendes Reich
Wenn Nebukadnezar hier zweimal sagt, dass ihm sein Verstand wieder kam (Vers
31+33), zeigt uns das, dass er in der Tat wahnsinnig geworden war. Er war nicht
buchstäblich zu einem Tier geworden, sondern völlig heruntergekommen und lebte
wie ein Tier, weil ihm sein menschlicher Verstand von Gott genommen worden war.
Nach Verlauf dieser sieben Jahre konnte er sich seinen Verstand auch nicht
selbst wiedergeben, sondern es war das Eingreifen Gottes nötig. Gott geht auch
mit den Menschen der Welt Seine Erziehungswege bis sie sich demütigen, ohne dass
sie unbedingt eine Glaubensbeziehung zu Ihm haben müssen (1.
Kön 21,29). Aber auch bei uns ist es oft nötig, dass Gott uns
demütigt, weil wir es selbst nicht tun.
Bruder Wadie Behnam hat aus seinem Leben erzählt, dass er sich mit 20 Jahren
vom Herrn abgewandt hatte und nichts von dem wissen wollte, was in seinem
gläubigen Elternhaus gelehrt und gelebt wurde. Sein Ziel war es, seine eigenen
Wege zu gehen und ein Sportstudium zu machen. Dann geriet er unter eine
Straßenbahn und sein rechtes Bein wurde bis zum Knie abgetrennt. Im Alter von 60
Jahren sagte er, dass in den letzten 40 Jahren kein Tag vergangen sei, an dem er
dem Herrn nicht gedankt hätte für diese Straßenbahn. Er demütigt uns, aber Er
tut es in Treue, damit der Name des Herrn Jesus in unserem Leben verherrlicht
wird.
Dass Gott in Seiner Souveränität niemandem Antwort schuldig ist, was
Nebukadnezar am Ende von Vers 32 anspricht, wird in vielen weiteren Stellen der
Heiligen Schrift bestätigt, z.B. Jes 40,15.
Er ist erhabener als ein Mensch, und über all Sein Tun gibt Er keine Antwort (Hiob
33,12+13).
Es sind hier die letzten Worte aus dem Mund Nebukadnezars. Offensichtlich ist
Gott in Seiner Langmut und in Seiner Güte mit Seinen Wegen mit diesem mächtigen
König noch zu Seinem Ziel gekommen. Er hatte mit diesen sieben Zeiten (Jahren)
Sein Ziel mit Nebukadnezar – Lobpreis und Verherrlichung des Höchsten – und
Nebukadnezar hat sich von Gott zu diesem Ziel führen lassen. Nebukadnezar
spricht hier gar nicht mehr von seinen anderen Göttern, nur noch von seiner
Beziehung zu dem alleinigen Gott, dieser Gott allein steht vor seinem Herzen. Er
hatte die Lektionen, die Gott ihn schon in den Kapiteln 2 und 3 lehren wollte,
jetzt endlich verstanden.
Dass diese Veränderung bei Nebukadnezar auch seine Auswirkung auf die Juden
hatte, die bei ihm in der Gefangenschaft lebten, wird aus einem Vergleich von
Jer 51,34 mit Jer
52,31–34 deutlich. Dort finden wir zunächst die Schilderung der
Grausamkeiten dieses Königs gegen die „Bewohnerin von Zion“.
Jeremia 52 zeigt dann das Verhalten seines Sohnes
Ewil-Merodak, der gütig zu den Juden redete. Nebukadnezar muss wohl seinen
Nachkommen von seinen Erfahrungen mit diesem ewigen Gott weitergegeben haben.
Daniel 5 wird dann allerdings zeigen, dass der
Enkel Nebukadnezars, Belsazar, gar nichts mehr von diesen Wegen Gottes auf sein
eigenes Leben angewandt hatte. Also ist dieses gütige Verhalten nicht
charakteristisch für die Könige von Babel. Gerade bei Belsazar sehen wir sogar
noch eine weitere Entfaltung der Gottlosigkeit, die eigentlich direkte
Gotteslästerung ist.
„Zur selben Zeit kam mir mein Verstand wieder, und zur Ehre meines
Königtums kamen meine Herrlichkeit und mein Glanz mir wieder; und meine Räte und
meine Gewaltigen suchten mich auf, und ich wurde wieder in mein Königtum
eingesetzt, und ausnehmende Größe wurde mir hinzugefügt. Nun rühme ich,
Nebukadnezar, und erhebe und verherrliche den König des Himmels, dessen Werke
allesamt Wahrheit und dessen Wege Recht sind, und der die zu erniedrigen vermag,
die in Stolz einhergehen“ (Vers 33–34)
Frage: Können wir eigentlich hier am Ende von
Daniel 4 von einer echten Bekehrung Nebukadnezars sprechen?
Diese Verse enthalten gewisse Aussagen, die darauf schließen lassen. In
Dan 3,31–33 (diese Verse sind ja eine
vorweggenommene Zusammenfassung dessen, was Gott in
Daniel 4 mit Nebukadnezar erreicht hat) sagt Nebukadnezar zum ersten Mal,
dass der höchste Gott etwas an ihm getan hatte. Hier in
Dan 4,31 verherrlicht er den ewig Lebenden;
also er macht Gott groß in dem, was Er ist. Und in Vers 34 finden wir die beiden
Seiten einer Bekehrung angedeutet:
·
er gibt Gott Recht – „dessen Wege Recht sind“;
Gott Recht geben im Blick auf Sein Handeln mit einem selbst
·
er verurteilt sich selbst – „der die zu
erniedrigen vermag, die in Stolz einhergehen“; damit meint Nebukadnezar sich
selbst, seinen Hochmut und seine Selbstüberhebung
Daraus können wir doch den Schluss ziehen, dass es sich hier wirklich um eine
wirkliche Umkehr dieses Königs gehandelt hat, neutestamentlich würden wir sagen,
dass er sich bekehrt hat. Er hat Gott in seinen Worten verherrlicht und Ihm
dafür Dank dargebracht (vgl. Rö 1,21), dass
Er ihn wieder eingesetzt hatte und ihm sogar noch mehr gegeben hatte als er
vorher besessen hatte. Bei ihm sind die Reaktionen zu erkennen, die dem ewigen
Evangelium entsprechen (Off 14,7), Ihn als
Schöpfer-Gott zu erkennen. Nebukadnezar ist ja nicht zum Judentum übergetreten,
das bestand ja zu seiner Zeit nur in Gefangenschaft, aber zu dem ewigen Gott
scheint er sich doch in aller Aufrichtigkeit gewandt zu haben.
Nebukadnezar gibt hier ein erstaunlich hohes Zeugnis von dem Handeln Gottes
ab. Er spricht davon, dass Seine Werke allesamt Wahrheit und Seine Wege Recht
sind. Was Gott getan hatte, war in Übereinstimmung mit Seinem Wesen, und Sein
regierendes Handeln war auch genau das Richtige in der jeweiligen Situation.
Dann spricht er noch von dem Erniedrigen, aber nicht mehr davon, dass Gott ihn
danach wieder erhöht hatte. Das anzuerkennen in seinem Leben vermag nur jemand,
der das auch wirklich erlebt hat. Der Schlusspunkt seines Lobes ist, dass er die
Erniedrigung von Gott angenommen hatte. Vielleicht gibt es auch in unserem Leben
Situationen, wo Gott uns erniedrigen oder demütigen muss – wohl uns, wenn wir
das dann auch annehmen und uns nicht dagegen auflehnen.
Gott hat in Seinem Wort zwei Frauen benutzt, ähnliche Gedanken über das
souveräne Handeln Gottes auszusprechen. Hanna spricht davon, dass Er ein Gott
des Wissens ist und von Ihm die Handlungen gewogen werden. „Der Herr macht arm
und macht reich; er erniedrigt und erhöht auch. Er hebt aus dem Staub empor den
Geringen, aus dem Kot erhöht er den Armen“ (1. Sam
2,7+8). Und Maria drückt es so aus: „Er hat die zerstreut, die in der
Gesinnung ihres Herzens hochmütig sind. Er hat Mächtige von Thronen
hinabgestoßen und Niedrige erhöht“ (Lk 1,51+52).
Dass es bei Nebukadnezar diesmal echt war und nicht wie die vorigen Male nur
ein äußeres Bekenntnis, macht auch der Umstand deutlich, wie Gott mit seiner
Wiederherstellung verfährt. Er hatte ihm den Verstand genommen, und Er hatte ihm
diesen dann wiedergegeben. Damit nicht genug kamen ihm zur Ehre seines Königtums
auch seine Ehre und sein Glanz wieder, und ausnehmende Größe wurde ihm
hinzugefügt. Prophetisch zeigt uns Zeph 3,8+9,
dass in zukünftigen Tagen die Nationen auch durch Gericht dahin gebracht werden,
Gott zu erkennen. Durch Gericht kommen sie zur Erkenntnis Gottes und das führt
zur Verherrlichung Gottes, und genau das ist auch der Fall hier bei
Nebukadnezar. Haben auch wir Lob und Ruhm in unseren Herzen für das, was Gott an
uns und für uns getan hat?
In Dan 5,20+21 erinnert Daniel den König
Belsazar daran, was sein Vorfahre Nebukadnezar in Kapitel 4 erlebt hatte; und am
Ende von Vers 21 kommt dann sein zusammenfassendes Urteil über die
Wiederherstellung Nebukadnezars: „bis er erkannte, dass der höchste Gott über
das Königtum der Menschen herrscht und darüber bestellt, wen er will“. Der Kern
ist also, dass Nebukadnezar Gottes Allmacht und Autorität anerkannte. Weiter
geht Daniel dem Belsazar gegenüber nicht, was Nebukadnezar noch mehr erkannt
hatte, war offensichtlich nicht für die Ohren Belsazars bestimmt.
In den Zeiten der Nationen wird Gott nicht der Gott der Erde genannt. Nur
zweimal in 1. Mo 14,19+22 finden wir diesen
Ausdruck. In der jetzigen Zeit ist Jerusalem nicht der Thron Gottes, Er hat den
Regenten der Nationen Seine Macht übertragen. Aber der Augenblick wird kommen,
wo Er wieder der Gott des Himmels und der Erde genannt werden wird, das zeigen
prophetisch die beiden Verse in 1. Mo 14. Das wird
im 1000-jährigen Reich so sein. Welch ein herrlicher Augenblick, wenn Gott zu
Seinem Ziel gekommen sein wird sowohl im Blick auf Seine Wege mit den Nationen
als auch im Blick auf Sein irdisches Volk. Dann wird es Wirklichkeit sein, was
wir oft singen: „Erd‘ und Himmel werden spenden Lob und Dank an allen Enden“;
dann wird die Erfüllung der Wege Gottes 1000 Jahre auf dieser Erde geschaut
werden. In jener Zeit wird die Trennschicht zwischen Himmel und Erde aufgehoben
sein. Himmel und Erde werden ein harmonisches Ganzes bilden zu Ehren dessen, der
alles erdacht hat – welch ein Ende der Wege Gottes! Auf diesen Augenblick warten
wir, und wir geben dem die Ehre, der das alles bewirkt hat.
·
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EinleitungKapitel
2,1-13Kapitel
2,14-26Kapitel
2,27-36Kapitel
2,37-45Kapitel
2,46-49Kapitel
3,1-7Kapitel
3,8-12Rückblick
Kapitel 3,1-12Kapitel
3,13-18Kapitel
3,19-23Kapitel
3,24-27Kapitel
3,28-30Kapitel
3,31-4,4Kapitel
4,5-16Kapitel
4,17-24Kapitel
4,25-30Kapitel
4,31-34Kapitel
5,1Kapitel
5,1-4Kapitel
5,5-12Kapitel
5,13-24Kapitel
5,25-30Kapitel
6,1-4Kapitel
6,5-10Kapitel
6,11Kapitel
6,12-18Kapitel
6,19-25Kapitel
6,26-29Kapitel
7,1Kapitel
7,1-3Kapitel
7,4-6Kapitel
7,7-8Kapitel
7,9-10Kapitel
7,11-12Kapitel
7,13-18Kapitel
7,19-28Kapitel
8,1.2Kapitel
8,3-14Kapitel
8,15-25Kapitel
8,26-27Der
Prophet Daniel (01)Kapitel
9,1-2Kapitel
9,3-4Kapitel
9,5-6Kapitel
9,7-15Kapitel
9,16-19Kapitel
9,20-23Kapitel
9,24-25Kapitel
9,26-27Kapitel
10,1-3Kapitel
10,4-9Kapitel
10,10-14Kapitel
10,15-20Kapitel
11,1-2Kapitel
11,3-15Kapitel
11,16-28Kapitel
11,29-35Kapitel
11,36-39Kapitel
11,40-45Kapitel
12,1Kapitel
12,2-4Kapitel
12,5-13
Online seit dem 15.01.2015, Bibelstellen: Daniel 5
Rückblick auf Daniel 2 bis 4
Die ersten vier Kapitel des Buches Daniel hatten gezeigt, was der Geist Gottes
über Nebukadnezar sagt:
In Daniel 2 hatte er einen Traum, in welchem die vier Weltreiche gezeigt
werden, die nacheinander auftreten würden. Daniel hatte ihm diesen Traum
gedeutet und gezeigt, dass er das Haupt von Gold war: Nebukadnezar hatte von
Gott absolute Machtfülle für diese Erde bekommen. Dieses Bild endet damit, dass
der Herr Jesus im Vorbild gezeigt wird, der die Zeiten der Nationen beenden wird
durch Gericht und Gerechtigkeit.
In Daniel 3 führt Nebukadnezar systematisch Götzendienst ein, um sein
Reich in Einheit zu bewahren; jedermann war aufgefordert, dieses Bild zu
gegebener Zeit anzubeten. Drei Männer hatten sich diesem Befehl nicht
unterworfen, die drei Freunde Daniels. Sie kamen deshalb in den Feuerofen, aus
dem Gott sie in wunderbarer Gnade befreite. Nebukadnezar rühmt Gott, nachdem Er
so Großes an diesen drei Männern getan hatte.
Dann zeigt uns aber schon Daniel 4 wieder diesen König in Hochmut und
Stolz über das, was er meinte, getan und erreicht zu haben (Dan 4,27). Das war
der absolute Hochmut, dem Gott mit Gericht begegnete. Daniel kommt hier in
Daniel 5 auf diesen Punkt noch einmal zurück (Dan 5,18 ff.). Gott antwortet auf
diesen Hochmut mit einem überaus ernsten Gericht an Nebukadnezar: Für einen
Zeitraum von sieben Jahren wurde er wie ein Tier. Dann gab Gott Gnade, und der
Verstand kam ihm wieder und er wurde wieder in seine vorherige Stellung als
König eingesetzt. Und der letzte Blick auf diesen Nebukadnezar ist sein Lobpreis
gegenüber Gott am Ende von Kapitel 4.
Diese Ereignisse, die kompletten ersten sechs Kapitel des Buches Daniel, sind
geschichtliche Vorgänge. Aber sie haben auch eine tiefergehende, prophetische
Bedeutung. Es ist eben nicht nur Geschichte, was hier geschieht, es ist
Prophetie im höchsten Sinn. Es sind vier Dinge, die in diesen Ereignissen
prophetischen Charakter tragen und die uns einen Schlüssel zum Verständnis
geben:
Auch unter Belsazar und unter Darius werden wir diese vier Punkte wiederfinden.
Einleitung zu Daniel 5
Daniel 3 und 4
hatten also Götzendienst und den Hochmut des Menschen gezeigt. In Daniel 5
und 6 finden wir noch einmal eine Steigerung des Bösen. Nebukadnezar hatte
den Götzendienst eingeführt, Belsazar die absolute Gottlosigkeit. Das wird in
besonderer Weise am Ende der Zeit – wenn die Prophetie sich vollständig erfüllen
wird – dann unter dem römischen Herrscher künftiger Tage geschehen:
Frevelhaftigkeit im Blick auf alles, was heilig ist (Daniel 5) und dass
der Mensch sich selbst als Gott verherrlichen lässt (Daniel 6). Bei
Belsazar sehen wir eine unvorstellbare Selbstüberhebung und bei Darius einen
Götzendienst, der sich in seinem Fall in einem Menschen konzentriert. Diese Züge
werden in dem letzten Römischen Reich und dem wiedererstehenden Babel späterer
Tage als einer rein religiösen Macht eine gewisse Verbindung eingehen. Alle
Kennzeichen dieser vier Weltreiche werden in dem letzten zukünftigen Weltreich
kulminiert wiederzufinden sein; das macht ein Vergleich der Beschreibung von
Daniel 7,3–6 mit Offenbarung 13,1.2 deutlich. Das Tier, das in
Offenbarung 13 aus dem Meer heraufsteigt, trägt die Kennzeichen der drei
Vorgängerreiche von Löwe und Bär und Leopard.
Dieses Kapitel Daniel 5 erfüllt uns mit Schauder. Wir benötigen die Gnade
Gottes, um aus diesen sehr ernsten Vorgängen die rechten Anwendungen für uns zu
machen. Das Böse steigert sich hier bis hin zu einer zügellosen Ausschweifung.
In welch einer anmaßenden Haltung entehrt Belsazar die heiligen Gefäße des
Tempels! Er verlästert damit den Gott Israels und verherrlicht seine eigenen
Götzen. Deshalb folgt dann auch das unmittelbare Gericht über ihn am Ende des
Kapitels. Wir werden also auch sehen, dass Gott alle Dinge in Seiner Hand hält –
das galt damals, als ein Belsazar regierte, und das gilt auch heute in unserer
Zeit.
Gott selbst hatte den König von Babylon als das Haupt von Gold eingesetzt, und
hier sind wir in der letzten Nacht, in der dieses babylonische Reich zu Ende
kommen wird. Gott setzt Könige ab und setzt Könige ein (Daniel 2,21), und
genau das finden wir in diesem Kapitel. Nicht nur der König Belsazar wird
abgesetzt, sondern auch das Babylonische Weltreich als solches kommt zu seinem
Ende und wird durch das Medo-persische Weltreich abgelöst.
Die Völker dieser Erde sind Werkzeuge Gottes in den Gerichten über Sein eigenes
ungehorsames und abgewichenes Volk. Aber diese Völker sahen das selbst nie so,
ganz im Gegenteil. Das wird z.B. an der Haltung des Assyrers deutlich in
Jesaja 10,5–7; Gott benutzte diese Nation als Zuchtrute für Sein Volk, aber
der Assyrer dachte völlig anders als Gott und meinte, für sich zu erobern und
Beute zu machen. Diese Werkzeuge waren sich also überhaupt nicht bewusst, dass
sie von Gott benutzt wurden.
Das Wort Gottes enthält viele einzelne Begebenheiten kleinerer und größerer
weltgeschichtlicher Ereignisse. Aber Gott schreibt diese Geschichte immer aus
Seiner Perspektive heraus. Wenn man die Geschichtsschreibung der Menschen über
diesen Wechsel der Weltreiche liest, findet man viele Einzelheiten darüber, wie
sich das damals alles ereignete. Die Geschehnisse von Daniel 5 wuren lange Zeit
angezweifelt; aber man musste später feststellen, dass man sich geirrt hatte und
dass das, was Gott uns hat aufschreiben lassen, absolut die Wahrheit ist. Und
Gott stellt uns die Dinge nach Seinen Grundsätzen vor, damit wir als Gläubige
daraus lernen.
Online seit dem 17.01.2015, Bibelstellen:
Daniel 5,1-4
„Der König Belsazar machte seinen tausend Gewaltigen ein großes
Festmahl, und er trank Wein vor den Tausend. Belsazar befahl, als der Wein ihm
schmeckte, dass man die goldenen und die silbernen Gefäße herbeibrächte, die
sein Vater Nebukadnezar aus dem Tempel in Jerusalem weggenommen hatte, damit der
König und seine Gewaltigen, seine Frauen und seine Nebenfrauen daraus tränken.
Dann brachte man die goldenen Gefäße, die man aus dem Tempel des Hauses Gottes
in Jerusalem weggenommen hatte; und der König und seine Gewaltigen, seine Frauen
und seine Nebenfrauen tranken daraus. Sie tranken Wein und rühmten die Götter
aus Gold und Silber, aus Kupfer, Eisen, Holz und Stein“ (Dan
5,1–4).
Belsazar war ein Sohn oder sogar Enkel Nebukadnezars (Jer
27,6.7), aber nicht sein direkter Thronfolger. In
2. Könige 25,27–30 wird ein gewisser
Ewil-Merodak als König von Babel bezeichnet, der nur eine kurze Zeit regierte;
erst danach kam Belsazar an die Macht. Diese ganze Szene hier in
Daniel 5 findet übrigens statt, als das
Medo-persische Reich schon vor den Toren Babels stand und diese Stadt belagerte.
Was dieser Belsazar hier in Daniel 5 tut, so
etwas hatte selbst Nebukadnezar nie getan: Belsazar hatte keinen Respekt vor
heiligen Dingen, und in seiner Gottlosigkeit und Frechheit lässt er die heiligen
Gefäße der Juden holen. Offenbar hatte er sich nach mehrfachem Genuss von dem
Wein gehen lassen. Wenn der Wein seine Wirkung zeigt, dann brechen die Dämme in
Bezug auf Sitte und Moral – und wie wir hier sehen auch im Blick auf religiöse
Themen – sehr schnell. Dann kann es sehr schnell dazu kommen, dass gespottet und
geschmäht wird über heilige Dinge (Ps 69,13;
Spr 31,4). Allerdings sagt das Wort hier
nicht, dass Belsazar betrunken war, es heißt nur, dass der Wein ihm schmeckte,
und das ist sicher eine Gefahr. Es wird ihm vollkommen bewusst gewesen sein, was
er da tat, als er die heiligen Geräte des Tempeldienstes holen ließ. Und er wird
auch vollkommen verantwortlich gemacht dafür. Nebukadnezar hatte diese heiligen
Gefäße dem gottgemäßen Gebrauch entzogen, aber Belsazar hatte sie dem frivolen
Missbrauch preisgegeben.
Wenn wir uns fragen, wie diese Geräte überhaupt nach Babylon kamen, dann
müssen wir verschiedene Gesichtspunkte dabei sehen. Vordergründig waren sie
natürlich durch Nebukadnezar aus Jerusalem geraubt worden (2.
Chr 36,6.7). Wir dürfen aber auch nicht außer Acht lassen, dass es
auch die Schuld des Volkes Gottes war, dass diese Geräte in die Hand ihrer
Feinde gelangten. Die Untreue Israels war auch die Ursache dafür gewesen. Und
als eine dritte Antwort darauf finden wir in
Klagelieder 2,7, dass der Herr Seinen Altar verworfen und Sein
Heiligtum verschmäht und die Mauern ihrer Prachtgebäude der Hand des Feindes
preisgegeben hatte. Es war also auch ein Gericht Gottes, dass diese Geräte in
die Hand der Heiden gelangen konnten.
Was diese Gefäße betrifft, so waren sie durch die Könige und Priester des
Volkes Israel längst verunreinigt worden, und als Nebukadnezar sie wegführte,
hatte er sie offenbar noch bei sich gelassen und aufbewahrt. Davon wusste sein
Enkelsohn Belsazar und lässt sie holen. Für Gott waren diese Gefäße noch heilig;
was die Menschen und sogar Sein eigenes Volk damit getan haben mochten – für Ihn
waren das immer noch die heiligen Gefäße. In diesen Gefäßen war Gott gedient
worden und Er war in diesem Dienst verherrlicht worden. Gott sieht das noch so!
Und deshalb war es eine absolute Entheiligung, als dieser heidnische Monarch
sich damit über den wahren Gott praktisch lustig machte. Belsazar steigt
gleichsam in den Ring und meint, er könne es mit einem anderen Gott aufnehmen.
Aber das Gericht darüber kommt schnell und ohne Aufruf zur Buße, anders als bei
Nebukadnezar. Gott nimmt die Dinge ernst und Er sieht die Gefäße als heilig an –
auch in Tagen des Verfalls.
Die Bundeslade war bei diesen weggeführten Geräten des Heiligtums sicher
nicht dabei gewesen, denn sie war seit dem Fall Jerusalems verschwunden und wird
auch nie wieder auftauchen (Jer 3,16). Auch
der Altar und die Geräte des Heiligtums werden nicht dabei gewesen sein. Aus
Esra 1,7–11 können wir entnehmen, dass sie
mit einer gewissen Sorgfalt verzeichnet und verwahrt worden waren. Selbst die
feindlichen Nationen scheinen bis zu Belsazar eine gewisse Ehrfurcht davor
gehabt zu haben. Aber der dann darauf folgende König Kores hatte Kenntnis von
dieser guten Organisation in Listen und Unterlagen über diese Geräte. Gott hatte
so darüber gewacht in der 70-jährigen Gefangenschaft, dass diese Listen und auch
die Geräte noch vorhanden waren und herausgegeben werden konnten.
Nachdem der König und seine Gewaltigen in dieser absolut profanen Weise aus
diesen Gefäßen getrunken hatten, rühmten sie ihre eigenen Götter, weil sie ihnen
stärker schienen als der lebendige Gott des Volkes Israels – obwohl sie nicht
sehen und hören und wahrnehmen (Dan 5,23;
Ps 115,4–7). Aber Gott lässt sich nicht
spotten (Gal 6,7); in dem Moment, wo diese
Szene in ihrer Boshaftigkeit kaum noch zu steigern ist, kommt der Finger Gottes.
Gott wacht über diese heiligen Geräte und gibt Seine Ehre keinem anderen (Jes
42,8).
Ähnlich war es auch, als in den Tagen Elis die Bundeslade in die Hand der
Philister gefallen war und die Philister sie neben ihren Gott Dagon stellten.
Gott hatte nicht verhindert, dass die Bundeslade geraubt wurde, Er hatte es als
ein Gericht an Seinem Volk Israel zugelassen – aber als die Philister sie neben
ihren eigenen Gott stellten, griff Gott sofort ein und machte auch deutlich,
dass Er Seine Ehre keinem anderen gibt!
Praktische Bemerkungen für unsere Tage
Wenn Gott bis zur Zeit Esras so über Seine Dinge gewacht hat, hat das nicht
auch für uns eine Bedeutung? Sind nicht auch bis in unsere Zeit viele
christliche Wahrheiten von Menschen, die sich Christen nennen, misshandelt
worden? Luther hat zur Zeit der Reformation eine Schrift verfasst von der
„babylonischen Gefangenschaft der Christenheit“. Er hatte erkannt, dass die
ganze Christenheit in die Gefangenschaft eines Feindes geraten war und dort von
einer religiösen und politischen Macht unterdrückt worden ist. Dadurch sind
viele geistliche Wahrheiten völlig aus dem Bewusstsein verschwunden oder auch
missbraucht und entehrt worden – wie hier die Geräte des Heiligtums. Aber Gott
hat in Seiner Gnade Anfang des 19.Jahrhunderts vieles davon wieder ans Licht
gebracht.
Aber in weiten Teilen der Christenheit und besonders in den beiden großen
Kirchen werden viele dieser Wahrheiten immer noch auf völlig verkehrte Weise
missbraucht (z.B. Abendmahl, Taufe). Daran sieht man, dass wir uns wieder in
Richtung Babylon bewegen. Wenn wir heute entrückt werden, wird morgen Babylon
wieder da sein! Und alles, was sich in der Zukunft entwickeln wird, hat in
unseren Tagen seine Vorstufen. Deshalb müssen wir sehr wachsam sein, dass wir
nicht auch nur annähernd in eine Richtung kommen, wo kostbare Dinge Gottes von
einer babylonischen Macht missbraucht werden und dann gegen Gott verwendet
werden.
Denn auch unter uns werden kostbare Wahrheiten missbraucht!
Die Wahrheit von der Einheit des Leibes, die der Herr in Seiner Gnade vor ca.
200 Jahren wieder offenbar gemacht hat, ist durch die Angriffe der letzten
Jahrzehnte so lächerlich gemacht worden, dass man meint, man könnte sie mit
bloßen Abkürzungen (AV und NV) bezeichnen. Das wird von Hunderten älterer und
jüngerer Geschwister aus unserer Mitte einfach so übernommen, wenn man von dem
Zusammenkommen zum Namen des Herrn spricht. Und es ist doch nichts anderes als
der Missbrauch von den Gefäßen des Tempels: gedankenlosen Spott mit dem zu
treiben, was doch eigentlich wunderbare und erhabene Wahrheiten sind! Wir sind
uns oft nicht bewusst, was wir mit unseren Worten und Gedanken für
gotteslästerliche Dinge tun. In der Welt gibt es nichts Heiliges mehr, und
unsere Gefahr ist, dass wir uns von dieser Entheiligung anstecken lassen und
dass wir nicht mehr zu unterscheiden wissen zwischen dem Heiligen und dem
Unheiligen.
Fußnoten:
Online seit dem 19.01.2015, Bibelstellen:
Daniel 5,5-12
„In demselben Augenblick kamen Finger einen Menschenhand hervor und
schrieben, dem Leuchter gegenüber, auf den Kalk der Wand des königlichen
Palastes; und der König sah die Hand, die schrieb. Da veränderte sich die
Gesichtsfarbe des Königs, und seine Gedanken ängstigten ihn; und die Bänder
seine Hüfte lösten sich, und seine Knie schlugen aneinander“ (Dan
5,5.6).
Der Name Belsazar bedeutet Bel (eine babylonische Gottheit) schütze
den König. Unter dem Schutz dieses vermeintlichen Gottes meinte er, seine
Hand in frivoler Weise gegen den wahren Gott Israels erheben zu können. Eben
noch hatten sie scheinbar über den lebendigen Gott triumphiert, aber im gleichen
Augenblick schreitet dieser Gott ein. Eben noch hatten sie gemeint: „Frieden und
Sicherheit“, doch sofort kam ein plötzliches Verderben über sie (1.
Thes 5,2.3).
Und es ist keine Stimme, die da kommt – es erscheint eine Hand, Finger daran,
und auf den Kalk der Wand schreibt diese Hand vier Worte. Dieses Zeichen kommt
still und leise. Wir können uns vorstellen, dass es bei diesem Gelage von 1000
Leuten nicht leise zuging; und wenn der Wein seine Wirkung tut, wird das noch
verstärkt. Es war also eine turbulente Szene – aber dann kommt ganz leise,
unvernehmbar, diese Hand. Diese Hand kam von Gott, sagt Daniel später (Dan
5,24), weshalb nicht ganz sicher geschlossen werden kann, dass es
sich unbedingt um die Hand Gottes selbst gehandelt hat. Die Hand kam von Gott,
aber es war eine Menschenhand; Gott bringt das Gericht durch die Hand eines
Menschen (Joh 5,27). Die Beschreibung
speziell der Finger einer Menschenhand scheint auf eine besondere Akribie
in der jeweiligen Tätigkeit hinzudeuten. So wird in
Psalm 8,4 von den Himmeln als „deiner Finger Werk“ gesprochen.
Der Nachdruck liegt dabei auf der besonderen Genauigkeit, mit der etwas gemacht
wird.
Die Schrift erscheint also auf dem weißen Kalk, dem Leuchter gegenüber. Gott
lässt das Licht darauf fallen, so dass jeder es wahrnehmen kann. Aber der
Gottlose versteht es trotzdem nicht und auch seine eigenen Götter können ihm
dabei nicht helfen (1. Kor 2,14). In
welcher menschlichen Sprache diese Schrift geschrieben wurde, ob aramäisch oder
nicht, können wir nicht sicher sagen. Auch die Reihenfolge oder Formation der
Buchstaben wissen wir nicht. Immerhin konnten die Schriftgelehrten diese Worte
ja noch nicht einmal lesen und noch viel weniger erklären.
Was immer es auch für eine Hand war, sie kam von Gott; deshalb müssen wir ein
wenig vorsichtig sein, hier direkt von dem Finger Gottes zu sprechen. Der Finger
Gottes hatte einst das Gesetz als den Ausdruck Seines heiligen Willens in die
steinernen Tafeln eingraviert (2. Mo 31,18).
Auch Pharao musste nach seiner Vermessenheit gegen Gott erkennen, dass durch
Gottes Finger das Gericht über Ägypten kam (2. Mo
8,12–15). Es ist derselbe Finger, der einst als der Mensch gewordene
Sohn Gottes in die Erde schrieb (Joh 8,6).
Und jetzt schreibt ein von Gott gesandter Finger hier ein göttliches Urteil,
weil man sich gegen diese Heiligkeit versündigt hatte. Dieser Finger schreibt
hier das göttliche Urteil über diesen vermessenen König Belsazar, und zwar in
demselben Augenblick. Genauso unvermittelt und ohne Verzögerung, wie noch
in derselben Nacht sein Leben beendet wird (Dan
5,30) – Gott lässt sich nicht spotten!
Nebukadnezar hatte noch Raum zur Buße bekommen (Dan
4,24–30), bei Belsazar kam das Gericht unmittelbar; es scheint, dass
er nach dieser Gerichtsankündigung Gottes keine Möglichkeit zur Buße mehr hatte.
Seine Zeit war abgelaufen, wenige Stunden nach diesen Ereignissen musste er
sterben! Bei Ahab hatte Gott auch das Gericht ausgesprochen, aber Ahab hatte
sich gedemütigt und Gott hatte das Gericht noch einmal aufgeschoben (1.
Kön 21,27–29). Das Handeln Gottes ist in jedem einzelnen Fall
souverän und absolut gerecht.
Aus der Reaktion des Königs und seinem Erschrecken können wir schließen, dass
er doch noch ein Gewissen hatte. Wenn er auch meinte, sich über alles Göttliche
hinwegsetzen zu können und seine eigenen Götzen rühmen zu können – mit dieser
seiner Haltung war es in dem Augenblick zu Ende, als diese Schrift kam. Er
empfand sofort, dass diese Schrift etwas Böses für ihn bedeutete. In sein
Gesicht kam die Farbe des Todes, in seine Gedanken kam die Angst,
und in seine Knie und Hüften kam die Kraftlosigkeit.
„Der König rief mit Macht, dass man die Sterndeuter, die Chaldäer und
die Wahrsager hereinbringe; und der König hob an und sprach zu den Weisen von
Babel: Jeder, der diese Schrift lesen und ihre Deutung mir anzeigen wird, der
soll mit Purpur bekleidet werden, mit einer goldenen Kette um seinen Hals, und
er soll als Dritter im Königreich herrschen. Dann kamen alle Weisen des Königs
herbei; aber sie vermochten nicht, die Schrift zu lesen und dem König ihre
Deutung kundzutun. Da geriet der König Belsazar in große Angst, und seine
Gesichtsfarbe veränderte sich an ihm; und seine Gewaltigen wurden bestürzt“ (Dan
5,7–9).
Sofort lässt der König seine Schriftdeuter holen, und Belsazar scheint wie
sein Vater Nebukadnezar auch den Daniel dabei ganz vergessen zu haben, denn der
muss später wieder extra herzugeholt werden. Belsazar hätte wissen können, dass
seine Wahrsager ihm nicht weiterhelfen würden. Aber er hoffte doch, von ihnen
aus der Deutung dieser Schrift Trost zu bekommen. Doch er sah sich getäuscht.
Man kann hochintelligent sein, aber blind für den Finger Gottes! Wenn man etwas
verstehen soll, muss man es auch verstehen wollen.
Dass diese Weisen von Babel nicht an diesem Fest dabei waren und erst in den
Saal hereingebracht werden mussten, erklärt sich dadurch, dass es ein Fest für
die Großen der Politik war, zu denen die Sterndeuter und Wahrsager einfach nicht
dazu gehörten.
Es scheint, dass sowohl diese Wörter gar nicht zu lesen waren als auch erst
recht ihre Bedeutung nicht zu erkennen war. Auch bei dieser Szene wird deutlich,
dass diese gewaltige Weltmacht abhängig ist von dem kleinen jüdischen Überrest.
„Infolge der Worte des Königs und seiner Gewaltigen trat die Königin in
das Haus des Gelages. Die Königin hob an und sprach: O König, lebe ewig! Lass
deine Gedanken dich nicht ängstigen und deine Gesichtsfarbe sich nicht
verändern! Es ist ein Mann in deinem Königreich, in dem der Geist der heiligen
Götter ist. Und in den Tagen deines Vaters wurden Erleuchtung und Verstand und
Weisheit wie die Weisheit der Götter bei ihm gefunden; und der König
Nebukadnezar, dein Vater, hat ihn zum Obersten der Wahrsagepriester, der
Sterndeuter, der Chaldäer und der Wahrsager erhoben – dein Vater, o König –,
weil ein außergewöhnlicher Geist und Kenntnis und Verstand, ein Geist der
Traumdeutung und Rätselerklärung und der Knotenlösung bei ihm gefunden wurde,
bei Daniel, dem der König den Namen Beltsazar gegeben hat. So werde nun Daniel
gerufen, und er wird die Deutung anzeigen“ (Dan 5,10–12).
Belsazar hatte keine persönliche Beziehung zu Daniel, er muss durch die
Mutter des Königs auf ihn hingewiesen werden. Sowohl Daniel als auch die Mutter
des Königs waren auf dem Fest nicht dabei gewesen, und das wird von Gott
vermerkt. Bei der Mutter des Königs war es aber eine rein äußerliche Trennung
gewesen, während Daniel sich auch innerlich von dem Treiben am Hof des Königs
immer ferngehalten hatte. Gott jedenfalls nimmt Kenntnis davon, wenn es in
diesen gottlosen Zeiten solche gibt, die bei diesem Treiben nicht mitmachen. So
war es auch bei dem Herrn Jesus; nach Markus 14,64
waren es alle aus dem Synedrium, die den Herrn zum Tode verurteilten, aber
Lukas 23,50.51 zeigt doch, dass es einen
gab, Joseph von Arimathia, der in diesen Rat und in diese Tat nicht eingewilligt
hatte. Das ist auch eine Botschaft für uns heute in dieser gottlosen Zeit: Wenn
wir an diesem gottlosen Treiben nicht teilnehmen, wird das im Himmel vermerkt!
Und wie ist es, wenn es solche Situationen im Volk Gottes gibt?
Jesaja 22,12.13 beschreibt eine ähnliches
Festgelage wie hier bei Belsazar, nur im Volk Gottes. Sicher nicht so extrem bis
hin zu offener Gottlosigkeit, aber offenbar war der Zustand in Israel nur wenig
anders gewesen. Und Paulus benutzt diese Stelle aus
Jesaja 22 in 1. Korinther 15,32.33,
um den Korinthern zu sagen, was das Motto jener Tage war – und wir sagen: was
auch das Motto unserer Tage ist. Das ist unsere heutige Gesellschaft, sie
wird immer gottloser. Deshalb wollen wir uns warnen lassen, damit nicht mit
bösem Verkehr gute Sitten verdorben werden. Das ist es, was Absonderung meint!
Obwohl wir wissen, wie diese Welt ist, wollen wir doch zur Ehre unseres Herrn
Ihm folgen und auch noch ein Zeugnis sein in dieser Welt, auch wenn es
schwieriger wird – denn der Richter steht vor der Tür (Jak
5,9).
Die Mutter des Königs war eine indifferente Person, die keine eindeutige
Stellung bezog. Sie wusste bestens Bescheid über die Geschichte Nebukadnezars
und Daniels; sie hört von den Ereignissen im königlichen Palast während dieses
Festes; und dann geht sie zum König und sagt ihm, dass er das alles nicht so
ernst nehmen müsse, dass es da jemanden im Reich des Königs gebe, der ihm das
alles schon erklären könne. Sie selbst aber glaubte an diesen Gott des Himmels
nicht, sie hatte nur den Hinweis auf Daniel gegeben, war für sich selbst aber
indifferent geblieben. Es ist einfach zu wenig, wenn wir über die Wege Gottes
nur Bescheid wissen! Sie war zwar auch bei diesem Festgelage nicht dabei, aber
eine rein äußerliche Trennung von den Dingen dieser Welt führt nicht näher zu
den Dingen Gottes.
Sie beginnt mit den Worten: „O König, lebe ewig“ – doch der König lebte nur
noch einen halben Tag, noch in derselben Nacht wurde er getötet. Sicher war es
eine gebräuchliche Form der Anrede damals, die selbst Daniel schon mal gebraucht
hatte (Dan 6,23), aber wir müssen
aufpassen, dass wir manche Grüße unter uns nicht zu einer reinen Form werden
lassen. Dann spricht sie aus ihrer menschlichen Erfahrung heraus, was sie von
dem Daniel wusste: dass er nämlich zweimal mit Nebukadnezar zu tun hatte und mit
ihm gesprochen hatte und dass dies bei beiden Gelegenheiten letzten Endes gut
für Nebukadnezar ausgegangen war. Daraus schloss sie menschlich, dass das dieses
Mal bei Belsazar auch so sein würde. Aber damit lag sie total verkehrt.
Sie hatte auch ein gewisses Bewusstsein von einer übernatürlichen Kraft, die
in Daniel wirkte, ohne dass sie genau erkannte, dass diese Kraft von Gott kam.
Sie unterschied die Quelle nicht, aus der dieser außergewöhnliche Geist bei
Daniel kam. Daniel hatte selbst einmal gesagt, dass diese Weisheit nicht aus ihm
selbst kam (Dan 2,30). Und dann spricht die
Mutter dreimal von Belsazars Vater Nebukadnezar; damit macht sie dem Belsazar
einen ziemlich deutlichen Vorwurf, dass er von diesem Daniel eigentlich hätte
wissen müssen. Die Menschen hatten Daniel vergessen, auch der König Belsazar
selbst; aber gerade in diesen Jahren der Vergessenheit von den Menschen hatte
Daniel von Gott zwei ganz entscheidende Prophezeiungen bekommen (Dan
7,1; 8,1). Gott hatte ihn nicht vergessen und gerade diese Zeit
benutzt, um ihm großartige Weissagungen zu geben.
Und zum Schluss nennt die Mutter des Königs den Daniel nicht mit seinem
neuen, chaldäischen Namen Beltsazar. Der Eindruck, der sich bei ihr von Daniel
gefestigt hatte, war der, dass dieser Mann ein Mann Gottes war, der seinem Gott
treu geblieben war und seine Herkunft nicht ein einziges Mal aufgegeben hatte.
Was würde die uns umgebende Welt von uns sagen?
Online seit dem 22.01.2015, Bibelstellen:
Daniel 5,13-24
„Darauf wurde Daniel vor den König geführt. Der König hob an und sprach
zu Daniel: Bist du Daniel, einer der Weggeführten von Juda, die der König, mein
Vater, aus Juda hergebracht hat? Und ich habe von dir gehört, dass der Geist der
Götter in dir ist und dass Erleuchtung und Verstand und außergewöhnliche
Weisheit bei dir gefunden werden. Und nun sind die Weisen, die Sterndeuter, vor
mich geführt worden, damit sie diese Schrift läsen und mir ihre Deutung
kundtäten; aber sie vermögen nicht, die Deutung der Sache anzuzeigen. Ich habe
aber von dir gehört, dass du Deutungen zu geben und Knoten zu lösen vermagst.
Nun, wenn du diese Schrift zu lesen und mir ihre Deutung kundzutun vermagst, so
sollst du mit Purpur bekleidet werden, mit einer goldenen Kette um deinen Hals,
und du sollst als Dritter im Königreich herrschen“ (Daniel
5,13–16).
Nach dem Tod Nebukadnezars war Daniel also offenbar völlig von der Bildfläche
verschwunden, mindestens 15 bis 20 Jahre waren seitdem vergangen, denn hier in
Kapitel 5 sind wir ja am letzten Abend des ersten Weltreiches und Daniel muss
hier schon ein sehr alter Mann von 85 bis 90 Jahren gewesen sein. Wahrscheinlich
war Daniel während dieser Jahre von den Nachfolgern Nebukadnezars verkannt
worden (vgl. 2. Mo 1,8), war innerhalb von
zwei oder drei Generationen völlig aus dem Gedächtnis verschwunden. Aber Gott
sorgt dafür, dass dieser vielgeliebte Mann (Dan 10,11),
der Ihm sein ganzes Leben lang treu gedient hatte, gerufen wird, um dem König
dessen Endgericht zu verkündigen und damit auch das Ende des ersten der vier
Weltreiche.
Wenn nun Daniel vor Belsazar geführt wird, begrüßt ihn der König mit einer
verächtlichen und demütigenden Anrede: „einer der Weggeführten von Juda“. Aber
es liegt darin auch eine schöne und ernste Belehrung für uns. In
Daniel 2,25 wurde Daniel schon einmal mit
dieser Bezeichnung damals vor den Nebukadnezar gebracht. Die Nationen dieser
Welt sind von dem Volk Gottes abhängig, wenn es sich um die Zukunft, die
Wahrheit, das ewige Leben handelt. Nur ein Mann aus dem Volk Gottes konnte
helfen. Auch wir sollten jederzeit zur Verantwortung bereit sein gegen jeden,
der Rechenschaft von uns fordert (1. Pet 3,15).
Nur die Christen können der Welt ein Zeugnis von der Wahrheit und von der Gnade
Gottes bringen! Sind wir uns dessen noch bewusst?
Vers 15 darf nicht ohne Vers 8 gelesen werden. Vers 8 sagt ganz klar, dass
die Weisen die Schrift nicht lesen konnten und nicht zu deuten vermochten. Wenn
dann der König davon zu Daniel spricht, dass sie die Deutung nicht anzuzeigen
vermochten, wäre es zu oberflächlich, daraus zu schließen, dass sie die Schrift
doch hätten lesen können. Gottes Wort widerspricht sich nicht, und der König
erzählt dem Daniel hier in Vers 15 das Endergebnis der Bemühungen seiner Weisen.
In Vers 16 stellt Belsazar dem Daniel den Lohn in Aussicht, den er ihm geben
würde, wenn Daniel ihm die Deutung der Schrift anzeigen könnte. Vielleicht
fragen wir uns, warum er ihm nicht den zweiten, sondern nur den dritten Platz in
seinem Reich verspricht. Wir müssen dabei bedenken, dass Nabonid der eigentliche
König über dieses Reich nach dem Tod Nebukadnezars war, der aber die
Regierungsgewalt seinem Sohn Belsazar übergeben hatte. Also der erste und der
zweite Platz in diesem Reich wurden schon durch Nabonid und Belsazar
eingenommen.
„Da antwortete Daniel und sprach vor dem König: Deine Gaben mögen dir
verbleiben, und deine Geschenke gib einem anderen; jedoch werde ich dem König
die Schrift lesen und ihm die Deutung kundtun“ (Daniel
5,17).
Im Verhältnis zu Daniel 2 fällt hier die
Spontanität der Antwort Daniels auf. In Daniel 2,16–18
hatte er sich noch von dem König eine Frist erbeten, um im Gebet die Erklärung
von Gott zu erfahren. Hier ist er unmittelbar bereit zur Antwort und hat auch
direkt die Klarheit über die Bedeutung der Schrift. Dabei müssen wir
berücksichtigen, dass er zu diesem Zeitpunkt schon die Gesichte aus
Daniel 7 und 8 vor Augen hatte (Dan
7,1; 8,1) und deren prophetische Bewertung kannte. Er war von Gott
schon auf diesen Augenblick vorbereitet worden. Auch wir können übrigens im
Licht der prophetischen Belehrung eine Bewertung des moralischen Zustandes der
uns umgebenden Welt jetzt schon vornehmen, ihre Werte, ihre Gesinnung, die ganze
Atmosphäre dieser Gesellschaft.
Mit sehr kühnen Worten lehnte Daniel zunächst die Gaben des Königs ab, obwohl
ihm sicher bewusst war, dass er hier vor dem mächtigsten Monarchen dieser Welt
stand. Eine sehr mutige Sprache, die uns diesen Daniel immer mehr zum Vorbild
werden lässt. Ein wenig erinnert er uns an Abram vor dem König von Sodom in
1. Mose 14,23: „Damit du nicht sagst: Ich
habe Abram reich gemacht.“ Er wusste aber auch, dass es mit diesem Reich noch in
dieser Nacht zu Ende gehen würde und dass diese Gaben Belsazars keinen Bestand
hätten.
„Du, o König – der höchste Gott hatte Nebukadnezar, deinem Vater, das
Königtum und die Größe und die Ehre und die Herrlichkeit verliehen; und wegen
der Größe, die er ihm verliehen hatte, bebten und fürchteten sich alle Völker,
Völkerschaften und Sprachen vor ihm. Wen er wollte, tötete er, und wen er
wollte, ließ er leben; und wen er wollte, erhöhte er, und wen er wollte,
erniedrigte er. Als aber sein Herz sich erhob und sein Geist sich bis zur
Vermessenheit verstockte, wurde er vom Thron seines Königtums gestürzt, und man
nahm ihm seine Würde. Und er wurde von den Menschenkindern ausgestoßen, und sein
Herz wurde wie das der Tiere, und seine Wohnung war bei den Wildeseln; man gab
ihm Kraut zu essen wie den Rindern, und sein Leib wurde vom Tau des Himmels
benetzt – bis er erkannte, dass der höchste Gott über das Königtum der Menschen
herrscht und darüber bestellt, wen er will“ (Daniel
5,18–21).
Der Hauptgedanke dieser Verse ist, dass Gott wirklich über allem steht.
Daniel macht das noch einmal an dem Beispiel Nebukadnezars klar. Gott hatte ihm
diese Machtfülle verliehen, Gott hatte ihn wegen seiner Überhebung
herabgestürzt, und Gott herrscht über das Königtum der Menschen und bestellt
darüber, wen Er will!
Wir finden hier keine Aufforderung mehr an den Belsazar, mit seinen Sünden zu
brechen, sondern nur noch eine ganz ernste Ankündigung des Gerichts. Aber wenn
Gott richtet, dann gibt er im Allgemeinen vorher die Gründe an, warum Er so
handelt. Das ist der Grund, warum hier Daniel nicht sogleich die Deutung angibt.
Er muss diesem Mann zunächst zeigen, warum diese Schrift an der Wand erschienen
ist.
Und er beginnt damit, sich an das Gewissen des Belsazar zu wenden, und
spricht von dem, was sein Vater oder Vorfahre Nebukadnezar erlebt hatte, als
sich sein Herz erhoben hatte. Hochmut war ein Merkmal Nebukadnezars gewesen, er
hatte vergessen und nicht anerkannt, dass seine ganze Größe und unumschränkte
Macht von dem Höchsten selbst erhalten hatte. Dann wurde er ausgestoßen und kam
unter die Tiere. Hatte Belsazar aus der Geschichte seines Vaters gelernt? Nein!
Eine ernste Mahnung für uns; wir tun gut daran, aus der Geschichte unserer Väter
zu lernen!
Hier wird die unvergleichliche Machtfülle Nebukadnezars vorgestellt: Größe,
Ehre und Herrlichkeit – Attribute, die sonst nur Gott selbst zugeschrieben
werden (vgl. 1. Chr 29,11.12). Gott hatte
von diesen Eigenschaften, die eigentlich Ihn selbst kennzeichnen, dem
Nebukadnezar gegeben. Und auch, dass Nebukadnezar tötete, wen er wollte, und am
Leben ließ, wen er wollte, wird sonst von Gott gesagt (vgl.
5. Mo 32,39; 1.
Sam 2,6). Und dann erhob sich sein Herz – und das ist die Geschichte
Satans; der höchste Engelsfürst hatte sich ebenso erhoben.
Der Heilige Geist berichtet dann hier zum zweiten Mal über das Gericht, die
tiefe Erniedrigung, die über Nebukadnezar gekommen war, und er endet in Vers 21
mit nahezu den gleichen Worten, die damals Daniel dem Nebukadnezar gegenüber
gebraucht hatte (Dan 4,29). Von der
höchsten vorstellbaren Höhe hinabgestürzt in eine nicht vorstellbare
Erniedrigung! Es ist ein ganz wesentlicher Gedanke, dass der große Gott souverän
ist und souverän handelt, so wie Er will! Hinter allem steht immer Gott, auch
heute, wo wir auch Zeuge werden von abscheulichen Bluttaten, wie sie in der
Geschichte der Menschheit kaum einmal verübt worden sind.
„Und du, Belsazar, sein Sohn, hast dein Herz nicht gedemütigt, obwohl
du dies alles gewusst hast. Und du hast dich über den Herrn des Himmels erhoben;
und man hat die Gefäße seines Hauses vor dich gebracht, und du und deine
Gewaltigen, deine Frauen und deine Nebenfrauen, ihr habt Wein daraus getrunken.
Und du hast die Götter aus Silber und Gold, aus Kupfer, Eisen, Holz und Stein
gerühmt, die nicht sehen und nicht hören und nicht wahrnehmen; aber den Gott, in
dessen Hand dein Odem ist und bei dem alle deine Wege sind, hast du nicht
geehrt. Da wurde von ihm diese Hand gesandt und diese Schrift gezeichnet“ (Daniel
5,22–24).
Daniel zeigt ihm den wahren Charakter seines bösen Tuns. Er hatte eine
schuldhafte Ignoranz an den Tag gelegt, war arrogant und hochmütig; er hatte
alles gewusst und hatte sich doch nicht gedemütigt. Hören und Wissen allein
nützt nichts, es erhöht nur die Verantwortung; und weil Belsazar nicht
entsprechend gehandelt hatte, muss ihn das Gericht treffen. Wir sehen hier, dass
Gott auch bei Belsazar auf eine Demütigung gewartet hat. Aber der hatte sich für
den Herrn des Himmels nicht interessiert und sich im Gegenteil sogar über Ihn
erhoben. Das ist die eigentliche frevelhafte Tat Belsazars. In
Daniel 11,36 finden wir bei einem anderen,
noch zukünftigen König, dem Antichristen, ganz ähnliche Züge wie hier bei
Belsazar.
In Vers 23 wirft Daniel dem Belsazar seine böse Tat mit fast den gleichen
Worten vor, wie sie in dem eigentlichen Bericht in Vers 2 und 3 geschildert
werden. Und das, obwohl er bei diesem Fest und dieser Gottlosigkeit ja gar nicht
dabei gewesen ist. Woher wusste er das alles so wortgenau, wer hat ihm das
gesagt? Aus Kapitel 6 wissen wir, dass er einen gewohnheitsmäßigen Umgang mit
seinem Gott hatte. Und in der Stille vor Gott hatte er diese Klarheit darüber
bekommen, was sich dort in dem Festsaal des Königs abspielte. Das ist
Weissagung, eine Offenbarung, die er von Gott bekommen hatte. Wenn wir heute
Dinge klar sehen wollen, müssen auch wir uns nahe bei Gott aufhalten! Zu einer
Deutung gehört die Gemeinschaft mit Gott (1. Kor
2,14.15).
Dann folgt eine sehr wichtige Aussage, die für alle Geschöpfe Gottes gilt,
besonders aber für alle Gläubigen: „…in dessen Hand dein Odem ist.“ Eine
ähnliche Aussage trifft Paulus auf dem Aeropag in
Apostelgeschichte 17,25 über den Schöpfer-Gott: „Da er selbst
allen Leben und Odem und alles gibt“. Drei Dinge also gibt Gott:
·
Leben, das natürliche Leben
·
Odem oder Atem, das ist die
Aufrechterhaltung des Lebens; Gott gibt Leben, und Er hält es auch aufrecht; Er
wirkt, dass wir atmen können. Danken wir noch dafür, dass wir atmen können?
Keine Luft zu bekommen, ist etwas Erschütterndes!
·
alles; das meint alles, was wir sonst noch
brauchen
Wir sehen bei Daniel hier drei schöne Charakterzüge in der Art und Weise, wie
er zu dem König spricht. Zunächst einmal spricht er furchtlos und kühn und sehr
deutlich; dann hält er auch eine gewisse Distanz zu dem König in seiner
Ansprache. Man hat schon fast den Eindruck, als hätte er genötigt werden müssen,
um überhaupt vor den König zu treten (Dan 5,12.13:
er werde gerufen; er wurde geführt). Und als Drittes lehnt er die Geschenke ab;
als Prophet Gottes war er nicht käuflich oder beeinflussbar. Denken wir noch
einmal daran, dass er hier schon ein alter Mann geworden war – fest und treu bis
ins hohe Alter!
Online seit dem 25.01.2015, Bibelstellen:
Daniel 5,25-30
„Und dies ist die Schrift, die gezeichnet worden ist: Mene, mene, tekel
upharsin. Dies ist die Deutung der Sache: Mene – Gott hat dein Königtum gezählt
und macht ihm ein Ende. Tekel – du bist auf der Waage gewogen und zu leicht
befunden worden. Peres – dein Königreich wird zerteilt und den Medern und
Persern gegeben“ (Daniel 5,25–28).
Gott hatte also diese Hand eines Menschen gesandt, und die Schrift stand
jetzt wohl noch immer da an der Wand. Daniel legt jetzt den Nachdruck auf ein
Wort nach dem anderen und gibt die Deutung an. Aber Belsazar scheint davon
überhaupt nicht berührt zu sein. Belsazar und Nebukadnezar waren von total
unterschiedlichem Charakter.
Mene – Gott hat dein Königtum gezählt und macht ihm ein Ende.
„Die Tage gezählt“ bedeutet, dass sie zu Ende gehen. In
Jeremia 25,12 finden wir, dass ganz allgemein die Dauer dieses
Weltreiches schon mit 70 Jahren angegeben wurde. Aber in dem Ausspruch über
Babel in Jesaja 13,16–19 finden wir, was
das ganz real für dieses babylonische Weltreich bedeuten würde, die ganze
Schrecklichkeit des Gerichtes Gottes über Babel. So macht Gott dem Königtum
Babel ein Ende!
Hier wird das Königreich Babylons dem Belsazar zugeschrieben. Das Haupt von
Gold zeigt nicht nur den Nebukadnezar persönlich und seine Machtfülle, sondern
die ganze babylonische Dynastie. Nebukadnezar und seine Nachkommen werden als
eins gesehen, und der Letzte von ihnen ist hier der König Belsazar. Wir stehen
hier an dem erschütternden Augenblick, wo das große babylonische Reich – ein
Weltreich von ungeahnter Fülle – zugrunde geht! Die einstige Krone der
Regierungen wird zu einem öden Landstrich.
Dieser Ausdruck mene wird als einziger der drei Ausdrücke wiederholt.
Gott muss nicht zweimal zählen, aber Er macht mit dieser Wiederholung deutlich,
dass Er ganz genau abgezählt hat, genau abgemessen hat; die Tage Babylons werden
nicht verlängert werden (Jes 13,22). Auch
bei dem Traum des Pharao bedeutete die zweimalige Wiederholung des Traums, dass
die Sache ist von Seiten Gottes fest beschlossen war und dass Gott eilt, sie zu
tun (1. Mo 41,32).
Tekel – du bist auf der Waage gewogen und zu leicht befunden worden.
Gott hatte dem Belsazar etwas zu seiner Verantwortung anvertraut, und Belsazar
hatte dieser Verantwortung nicht entsprochen. Psalm
62,10 redet von den Waagschalen Gottes; dort werden die Menschen in
ihrer vermeintlichen Selbstherrlichkeit gewogen, und sie sind doch alle leichter
als ein Hauch. Die Waage des Heiligtums ist göttlich geeicht, sie entspricht
göttlich gerechten Maßstäben (vgl. 1. Sam 2,3;
Spr 5,21; 16,2; 21,2).
In einem allgemeinen Sinn wird jeder Mensch irgendwann einmal von Gott
gewogen. Jedem Menschen hat Gott etwas anvertraut; und jeder Mensch wird einmal
dem Urteil unterworfen werden, ob er dem entsprochen hat, was Gott ihm gegeben
hatte. Es ist ein sehr ernster Gedanke, dass die Menschen der Welt gewogen
werden. Und wenn sie den gerechten Ansprüchen Gottes nicht genügen, wird der
Feuersee die ewige Antwort Gottes darauf sein!
Es ist interessant, dass der hebräische Ausdruck für Herrlichkeit
eigentlich Gewicht bedeutet. Wenn irgendetwas vor Gott zählt oder wiegt,
dann ist das Seine eigene Herrlichkeit. Und diese Herrlichkeit haben wir in dem
Herrn Jesus empfangen, so dass wir wissen dürfen, dass wir in diesem Sinn im
Blick auf das Erreichen des ewigen Zieles nicht mehr von Gott gewogen werden.
Alles hat der Herr Jesus getan, und wir stehen angenehm gemacht in Ihm vor Gott!
Peres – dein Königreich wird zerteilt und den Medern und Persern
gegeben werden. Der Bereich, der von babylonischen Herrschern regiert wurde,
wird zerteilt werden. Damit ist nicht gemeint, dass jetzt ein Teil davon den
Medern gegeben würde und ein anderes Teil den Persern, sondern es würde in
Stücke zerhauen und nichts davon würde übrigbleiben. Belsazar hatte also durch
seine Bosheit und Verderbtheit nicht nur seine eigene Herrschaft verwirkt und
nicht nur er als Person kam nun unter das Gericht Gottes, sondern als Folge
davon wurde sein gesamter Herrschaftsbereich zerstört. Es würde eine Umkehrung
sein wie die Umkehrung Sodoms und Gomorras (Jes 13,19).
Es ist ein ernster Gedanke, dass unser Handeln und Tun nicht nur Folgen für uns
hat, sondern fast immer auch Auswirkungen auf andere.
Die Schrift an der Wand hatte bei diesem dritten Ausdruck upharsin,
während Daniel in seiner Erklärung das Wort peres gebraucht. Wenn Gott
diese Schrift gegeben hatte, dann ist auch allein Er in der Lage, sie zu deuten
und wie hier sogar geringfügig zu ändern. Das ist auch bei den Gleichnissen im
Neuen Testament manchmal so, dass die Deutung über den ursprünglichen Inhalt der
Gleichnisse hinausgeht. Eine Erklärung oder Mitteilung oder Bild, die Gott
gegeben hat, kann auch nur von Ihm und durch von Ihm geleitete Werkzeuge
gedeutet werden. Dafür ist nämlich eine Einsicht Voraussetzung, die über das
Sichtbare hinausgeht.
„Darauf befahl Belsazar, und man bekleidete Daniel mit Purpur, mit
einer goldenen Kette um seinen Hals; und man rief über ihn aus, dass er der
dritte Herrscher im Königreich sein solle“ (Daniel 5,29).
Trotz dieser ernsten Gerichtsankündigung erfüllt Belsazar noch sein
Versprechen und gibt dem Daniel die verheißene Belohnung. Er zeigt dadurch, dass
er nichts von dem angenommen hatte, was Daniel ihm gesagt hatte. Vor seinen
Tausenden sah das gut aus, dass er sein Versprechen einhielt, er wahrte damit
sein Gesicht vor ihnen. Das ist übrigens auch in unseren Herzen oft eine
Tendenz, dass wir unser Gesicht wahren möchten, wo wir uns doch in Demut zu
beugen hätten! Das kann uns und andere in große Mühe und Not bringen und zu
manchen Problemen auch unter uns Gläubigen führen. In der Bekleidung mit Purpur
ist seine öffentliche Würde zu sehen, in der goldenen Kette eine eher
persönliche Würde und in der Proklamation seine öffentliche Anerkennung in
dieser Stellung.
Belsazar verschenkt hier Würden, die er doch eigentlich schon fast nicht mehr
besaß. Was die Welt zu geben vermag, besitzt keinen dauerhaften Bestand! Diese
letzte königliche Handlung Belsazars hat wohl auch noch den Gesichtspunkt, dass
er nicht gewusst hatte, dass er noch in derselben Nacht umgebracht würde. Er
hatte die Botschaft gehört, aber dass sie praktisch auf der Stelle eintreffen
würde, hatte er nicht geahnt. Deshalb hatte er sein Wort nicht gebrochen. Es ist
aber auch sehr bewegend, dass er nicht wagte, diese Ankündigung Daniels
zurückzuweisen. Der Umstand, dass er seine Versprechen einhielt, zeigt, dass er
diese Botschaft für wahr hielt; er war davon überzeugt, dass das die Wahrheit
sei – eine Regung zum Guten hat es aber in seinem Herzen nicht bewirkt, sein
Gewissen wurde nicht getroffen!
In Vers 17 hatte Daniel noch in aller Kühnheit diese Geschenke des Königs
verweigert. Jetzt lässt er es dabei bewenden, es ließ ihn kalt. Kapitel 6 zeigt,
worauf er wirklich sein Herz gerichtet hatte. Diese Auszeichnungen waren ihm
nicht zu Kopf gestiegen.
„In derselben Nacht wurde Belsazar, der König der Chaldäer, getötet“ (Daniel
5,30).
Das Ende des babylonischen Weltreiches kann unter zwei Gesichtspunkten
gesehen werden. Auf der einen Seite hatten die Herrscher Babylons in ihrer
Verantwortung vor Gott versagt und Gott machte deshalb diesem Reich ein Ende (Jer
25,12), es ist die Rache Seines Tempels (Jer
50,28). Diesen Gesichtspunkt finden wir hier. Auf der anderen Seite
waren aber diese 70 Jahre die schon vorher von Gott bestimmte Zeit der
Gefangenschaft Judas in Babylon, während derer sich das verunreinigte Land
erholen und seine Sabbate nachholen sollte (2. Chr
36,20.21; 3. Mo 26,34.35),
danach würde Gott sich wieder in Gnade Seinem irdischen Volk zuwenden (Jer
29,10.11). Die zweimalige Erwähnung der 70 Jahre im Propheten Jeremia
zeigt also diese beiden Gesichtspunkte: Gottes Gericht an Babylon und Gottes
Gnade für Sein Volk. Gott allein kann zwei Ziele gleichzeitig verfolgen und in
vollkommener Übereinstimmung erreichen, und wir müssen beide Seiten erkennen und
voneinander unterscheiden können.
Gott hatte das Gericht angekündigt und noch in derselben Nacht wurde es
vollzogen. Das babylonische Reich wurde zerstört. Die Geschichte berichtet, dass
zu der Zeit, als Belsazar dieses Fest feierte, der König Kores schon die Stadt
Babel belagert hatte. Er konnte diese befestigte Stadt nicht erobern, deshalb
musste er den Euphrat umlenken, damit seine Soldaten in dem freien Flussbett
unter der Vergitterung der Stadtmauer in die Stadt hineinkamen und von innen die
Tore öffnen konnten (vgl. Jes 44,26 – 45,3).
In dieser gleichen Nacht wurde Belsazar getötet.
Dieses Gericht über Belsazar wurde durch Jeremia schon vorher angekündigt, es
war von Seiten Gottes längst vorher beschlossen und durch den Mund des Propheten
zum Ausdruck gebracht worden (Jer 51,24.28).
Das Gericht über Belsazar ist also nicht nur ein Gericht über eine Einzelperson,
sondern ein Gericht über das ganze Volk. Und in Vers 28 wird dann sogar Medien
genannt als Vollstrecker des Gerichtes. Es ist zutiefst beeindruckend, wie
Gottes Wort in Prophetie spricht und sich die Dinge dann ganz genau so erfüllen!
Babylonien ist einer Wüste gleich geworden. – Die Wege Gottes sind ernst, aber
sie sind auch anbetungswürdig!
Das Gericht über Babel ist ein erschütternder Hinweis auf das, was einmal
Babylon in der Offenbarung treffen wird. Dort wird Babylon in einer doppelten
Form gesehen: als Frau, die Mutter der Huren, und als Stadt. Und
was Belsazar in Daniel 5 widerfuhr und was die
Meder und Perser dann taten, finden wir auch in
Offenbarung 18,10 auf dieses antichristliche System der letzten Tage
gedeutet. Gott wird es richten in Schnelligkeit, das macht die dreifache
Beschreibung „in einer Stunde“ deutlich (Vers 10, 17 und 19). Aber es
wird nicht nur Gericht ausgeübt werden, sondern dann wird unser gelobter Herr
die Herrschaft ergreifen und alles zur ewigen Herrlichkeit Gottes führen!
Online seit dem 28.01.2015, Bibelstellen:
Daniel 6,1-4
Vorbemerkung zu Daniel 6
Mit diesem Kapitel endet der historische Teil des Buches Daniel. Hier in
Daniel 6 kommt jetzt also das zweite Reich vor
uns, das in dem Traum Nebukadnezars in Daniel 2,39
als geringer als das babylonische Reich bezeichnet wird, das also eine
schwächere Autorität haben würde. Der eine Schwachpunkt dieses zweiten Reiches
ist, dass es immer mit dem medischen Reich zusammen erwähnt wird. Ein weiterer
Schwachpunkt war, dass ihre Regenten niemals eine einmal erlassene Anordnung
widerrufen oder abändern oder rückgängig machen durften (Dan
6,9.13.16). Das Grundgesetz dieser Meder und Perser enthielt also
eine Regelung, nach der keine jemals erlassene Anordnung wieder rückgängig
gemacht werden konnte. Eine absolute Einschränkung der Autorität der Regierung,
die sich mit jeder jemals erlassenen Regelung für alle Zeiten selbst die Hände
band.
Darius selbst war jedenfalls ein Meder und kein Perser. Schon bevor die
Perser aufkamen, waren die Meder ein mächtiges Reich gewesen. Aber der erste
König Persiens, Kores, hatte als eine seiner ersten Eroberungen die Meder
besiegt. Dennoch hatte er einen gewissen Respekt vor ihnen, so dass er das
medische Reich nicht vernichtet hatte, sondern wohl unterworfen, aber parallel
neben seinem persischen Reich hatte existieren lassen. Deshalb ist fast nie von
den Persern allein die Rede, sondern immer von den Medern und Persern und
manchmal auch von den Persern und Medern. Oft aber stehen die Meder sogar an
erster Stelle. Das zeigt den Respekt der Könige von Persien vor diesem schon vor
ihrer Zeit mächtigen Reich der Meder. Das medo-persische Reich wird uns also
sofort in einer schwächeren Form vorgestellt, als es das babylonische Reich
gewesen war. Die von Gott gegebene Autorität Babels wurde in den darauf
folgenden Weltreichen nie wieder erreicht.
Das babylonische Weltreich hatte ca. 68 Jahre bestanden, und das war die
kürzeste Dauer aller vier Weltreiche. Das darauf folgende medo-persische Reich
währte ca. 202 Jahre, dann folgten das griechische Reich mit ca. 306 Jahren und
darauf die erste Phase des römischen Reiches mit ca. 508 Jahren. Die Zeitdauer
der Weltreiche nahm also immer zu, aber die Autorität ihrer jeweiligen Herrscher
nahm in dem gleichen Maß ab.
Das medo-persische Reich war auch nicht nur schwächer, was die Autorität
ihrer Regenten betraf, es war im Blick auf das Volk der Juden auch ein humaneres
Reich im Vergleich zu den Völkern, die vorher und auch nachher regiert hatten.
Von Kores wird gesagt, dass er sehr tolerant gegenüber anderen Religionen war.
Die autoritären Regimes dieser Welt waren dem Christentum gegenüber immer
feindlich. Und die Demokratie, die ja die am weitesten von Gott entfernte
Regierungsform ist, ist die am meisten dem Christentum gesonnene Regierungsform,
weil sie allen Menschen gegenüber Toleranz erweisen möchte. Dafür zumindest
können wir dankbar sein, obwohl wir uns von dem Gedanken verabschieden müssen,
dass wir in einem christlichen Europa leben – diese Zeit ist vorbei. Denken wir
nur einmal daran, was ungefähr seit den letzten vierzig Jahren an Gesetzen
erlassen worden sind, die sich ganz konkret gegen Gottes Wort richten, z.B. die
Ehe-Gesetzgebung, Kindererziehung und andere mehr.
Diese abnehmende Linie in der Autorität der Regierungen wird hier in
Daniel 6 auch darin deutlich, dass die Vorsteher
und Satrapen etwas beschließen konnten, was der König auszuführen hatte. Das
zeigt, welche Schwachheit der König bereits hatte. Die Verordnung selbst musste
er wohl noch in Gang setzen, aber allein der Umstand, dass diese Leute ihm das
vor die Füße legen konnten, zeigt uns diese absteigende Linie.
Aber die Charakterzüge dieser Weltreiche werden auch erkennbar werden am Ende
der Zeiten der Nationen. Wir hatten in Daniel 5
gesehen, dass das Gericht über das babylonische Weltreich eine Andeutung ist auf
das Gericht über Babylon, die große Hure. Und jetzt sehen wir in
Daniel 6 ein besonderes weiteres Merkmal dieser
Zeit, nämlich dass der Mensch sich an die Stelle Gottes setzt und sich für
unfehlbar hält (Dan 6,8). Niemand durfte von
irgendeinem Gott etwas erbitten als nur von diesem König Darius. Genau dieser
Charakterzug wird dann auch deutlich am Ende der Zeiten der Nationen, wo der
Antichrist dafür sorgen wird, dass alle Menschen das erste Tier (das Haupt des
wiedererstehenden Römischen Reiches) anbeten werden (Off
13,12). Und auch der Antichrist selbst wird sich in den Tempel Gottes
setzen und anbeten lassen (2. Thes 2,4).
„Und Darius, der Meder, bekam das Königreich, als er ungefähr
zweiundsechzig Jahre alt war“ (Daniel 6,1).
Weltliche Geschichtsschreiber hatten lange damit zu kämpfen, wer dieser
Darius war. Sie sind bei dieser Frage nicht zu einem befriedigenden Ergebnis
gekommen. Ähnlich war es ja auch mit Belsazar gewesen, bis vor 250 Jahren ein
Fund gemacht wurde, der das genau bestätigt hatte, was hier im Buch Daniel
geschildert wurde. Deshalb müssen wir nicht bezweifeln, dass Gott auch das ans
Licht bringen wird, was Darius betrifft. Gottes Wort gibt in diesem Buch Daniel
viele Details über diesen Mann; hier wird uns sein Alter genannt, in
Daniel 9,1 wird sein Vater genannt
(Ahasveros), und in Daniel 11,1 sehen wir,
dass hinter der Szene ein Engel ihn in seinem ersten Jahr als König als Helfer
und Schutz beistand.
Offenbar war dieser Darius ein Fürst aus diesem Haus der Meder, der als
Person parallel mit Cyros oder Kores geherrscht hat (vgl.
Dan 6,29). Kores war es ja gewesen, der den Erlass zur Befreiung
der Juden aus der Gefangenschaft verfasst hatte (2.
Chr 36,22.23; Esra 1,1–4).
Prophetisch war Darius also durchaus ein Vorausbild auf den zukünftigen
Antichristen. Es macht uns vielleicht Mühe, ihn so zu sehen, wo er doch als
Person ein durchaus liebenswürdiger Mann war. Er trug angenehme Züge an sich,
die wir bisher bei keinem anderen König gefunden haben; er schätzte den Daniel
und er trauerte auch um ihn, als er ihn in die Grube hatte werfen müssen –
trotzdem ist er ein Bild von dem kommenden Menschen, der sich an die Stelle
Gottes setzen wird.
Darius hatte schöne Züge an sich, und der Antichrist wird auch schöne Züge
haben. Als der Herr Jesus hier auf der Erde war, haben die Menschen an Ihm
nichts Gutes gesehen, Er war ohne Pracht und ohne Ansehen, dass wir Seiner
begehrt hätten (Jes 53,2). Wenn der
Antichrist kommen und sich in den Tempel setzen wird an Stelle von Gott –
übrigens meint Anti in erster Linie anstelle von –, dann wird er
Züge haben, die den Menschen gefallen. Darüber geht aber total verloren, dass er
ein böser Verführer ist, der sein Ende direkt im Feuersee finden wird (Off
19,20). Seine angenehme Persönlichkeit darf nicht zur Missdeutung
seiner wirklichen Bedeutung führen. Der Teufel nimmt sich Werkzeuge, die den
Menschen gefallen.
Von wem bekam Darius das Königreich? Vordergründig mögen wir an Kores, den
Perser, denken, aber wir wissen, dass hinter der Szene Gott steht und alle Dinge
lenkt. Immer wieder haben wir das gerade in diesem Buch Daniel gefunden, und Er
ist es auch, der dafür sorgte, dass Darius das Königtum bekam. Wir finden
übrigens im ganzen Wort Gottes niemanden, der älter gewesen wäre zu dem
Zeitpunkt, als er König wurde, wie hier den Darius.
„Es gefiel Darius, über das Königreich 120 Satrapen zu bestellen, die
im ganzen Königreich sein sollten, und über sie drei Vorsteher, von denen Daniel
einer war – damit jene Satrapen ihnen Rechenschaft gäben und der König keinen
Schaden erlitte. Da übertraf dieser Daniel die Vorsteher und Satrapen, weil ein
außergewöhnlicher Geist in ihm war; und der König beabsichtigte, ihn über das
ganze Königreich zu bestellen“ (Daniel 6,2–4).
Daniel war also einer von den drei Vorstehern über die 120 Satrapen, und weil
er mit seinen außerordentlichen Fähigkeiten alle anderen Satrapen und auch die
beiden anderen Vorsteher übertraf, wollte Darius ihn über das ganze Königreich
bestellen. Dieser Daniel, der nichts aus sich selbst machte, der immer wieder in
hohe Stellungen eingesetzt wurde und auch in der Zeit Belsazars in Treue diese
hohen Aufgaben ausübte (Dan 8,27), der ist
jetzt auch im nächsten Weltreich wieder in herausragende Stellung gesetzt
worden. Neue Regenten bringen beim Regierungswechsel in der Regel Leute ihres
eigenen Vertrauens mit und wechseln die Mannschaft der Vorgänger-Regierung aus,
aber durch seine Treue im Leben und im Dienst fiel dieser alte Mann Daniel
einfach auf. Treue in irdischen und in geistlichen Dingen wird gesehen und
geachtet!
Die Satrapen mussten also den drei Vorstehern Rechenschaft geben, und sie
alle wurden eingesetzt, damit der König keinen Schaden erlitte. Es ging dem
Darius nicht darum, dass dem Reich oder seinem Volk kein Schaden entstand,
sondern er hatte nur seinen persönlichen Nutzen im Auge, es ging ihm um seine
Ehre und seinen Reichtum. Wie viel Bemühungen unternehmen auch wir oft, damit
uns ja kein Schaden entsteht, statt in Ruhe die Sache Gott zu überlassen.
Online seit dem 31.01.2015, Bibelstellen:
Daniel 6,5-10
„Da suchten die Vorsteher und die Satrapen einen Anklagegrund gegen
Daniel von Seiten der Regierung zu finden; aber sie konnten keinen Anklagegrund
und keine schlechte Handlung finden, weil er treu war und kein Vergehen und
keine schlechte Handlung an ihm gefunden wurde. Da sprachen diese Männer: Wir
werden gegen diesen Daniel keinen Anklagegrund finden, es sei denn, dass wir
einen im Gesetz seines Gottes gegen ihn finden“ (Daniel
6,5.6).
Daniel sollte hier also eine Stellung bekommen, die die übrigen Vorsteher und
Satrapen auch gern für sich gehabt hätten. Offenbar hatte Darius diese Absicht,
Daniel über das ganze Königreich zu bestellen, nicht sofort umgesetzt. Aber die
beiden übrigen Vorsteher und die Satrapen hatten von dieser Absicht
augenscheinlich erfahren. Am ehesten waren sicher die beiden anderen Vorsteher
davon betroffen, dass Daniel noch über sie gestellt werden sollte; und man kann
sich vorstellen, dass sie dann versuchten, die Satrapen für sich zu gewinnen, um
etwas gegen Daniel vorbringen zu können. Sie nahmen praktisch Daniels komplettes
Leben unter die Lupe, sie forschten ihn aus, um irgendetwas in seiner
Amtsführung zu finden, was sie ihm ankreiden und vor dem König zur Last legen
könnten, damit er diese hohe Stellung nicht bekäme. Der Beweggrund dafür kann
nicht nur Neid und Missgunst gewesen sein (Jak 3,16),
sondern sogar Hass. Neid entsteht immer dann, wenn man etwas haben möchte und
nicht bekommt, was ein anderer besitzt. Das kann im materiellen Bereich so sein,
aber leider auch im geistlichen Bereich!
Die Satrapen und Vorsteher wussten, dass sie nur dann sie einen Anklagegrund
gegen Daniel finden könnten, wenn das Gesetz des Gottes Daniels gegen das Gesetz
des Königs stehen würde, wenn also im Gesetz Gottes etwas wäre, was im
Widerspruch zu dem Gesetz des Königs stand. Aber da gab es auch nichts, und
deshalb mussten sie selbst tätig werden und eine solche Situation herbeiführen
und eine entsprechende Verordnung in Gang setzen lassen. Diese entschiedene und
treue Haltung Daniels erinnert uns an 1. Petrus
4,15.16 und auch an Philipper 2,15.
Gläubige Leute sollten treue Leute sein! Und genau das unterstellten diese
Satrapen dem Daniel, dass er nämlich auch bei dieser beabsichtigten Verordnung
seinem Gott treu bleiben würde. Sie wussten, dass es im Leben Daniels eine
Bastion gab, die sie nicht erobern konnten, bei der es keine
Kompromissbereitschaft bei Daniel gab. Sie gingen ganz fest davon aus, dass er
sich nicht anpassen würde und dass sie ihn dann gerade dadurch kriegen würden.
Was für ein indirektes Zeugnis seiner Feinde für den Daniel!
In der Ausführung seiner beruflichen Verantwortlichkeiten war also kein
Anklagegrund und keine schlechte Handlung bei Daniel zu finden – nicht eine
einzige! Kein Vergehen, noch nicht mal eine Vernachlässigung seiner Pflichten
konnte gefunden werden, obwohl sie unter allen Umständen etwas finden wollten.
Die Begründung Gottes dafür ist, dass Daniel treu war, und dies alles bezieht
sich zunächst nur auf die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit. Er hatte
zuverlässig alles so getan, wie es nach Recht und Ordnung geschehen musste und
wie der König es getan haben wollte. Wer könnte das von seiner beruflichen
Aufgabenerfüllung sagen – keine einzige Unregelmäßigkeit?! Es hat in den Augen
Gottes einen außerordentlich hohen Wert, wenn wir unseren irdischen Beruf treu
erfüllen (Kol 3,22.23;
Tit 2,9.10). Und es besteht auch unbedingt ein
Zusammenhang zwischen der Treue eines Gläubigen im irdischen Beruf und seiner
Tätigkeit im geistlichen Bereich. Menschen, die der Herr in Seinen Dienst
beruft, sind in der Regel solche, die sich vorher in ihrem irdischen Beruf
bewährt haben; das Alte und auch das Neue Testament sind voll von solchen
Beispielen. Faulenzer wird der Herr nicht in Seinen Dienst stellen!
Es geht hier also um das Verhalten eines Gläubigen in einer feindlichen Welt,
um seine Treue im irdischen Beruf. Daniel hatte sich durch seinen
Herzensentschluss den dreifachen Einflüssen der Umerziehung der Babylonier – die
Sprache der Chaldäer, ihre Speise und die Umbenennung mit babylonischen Namen –
so weit wie möglich entziehen können. Da, wo es ging, hatte er Nein gesagt;
menschlich gesprochen eigentlich das Ende der Karriereleiter. Aber Gott hatte
genau das benutzt, ihn an die höchsten Stellen sowohl im babylonischen als nun
auch im medo-persischen Reich zu bringen. Selbst Darius musste bekennen, dass
Daniel seinem Gott ohne Unterlass gedient hatte (Dan
6,21). So ist das Beispiel Daniels auch vorbildhaft für alle jungen
Gläubigen im Blick auf ihre Ausbildung und ihre berufliche Laufbahn. Das heißt
nicht, dass ein Leben des Glaubens in Treue immer von wirtschaftlichem oder
irdischem Erfolg gekrönt ist, aber es gibt Lohn von Gott.
Was Karrieren im irdischen Beruf betrifft, können wir im Leben Daniels
lehrreiche Punkte finden: Er hatte nie den beruflichen Erfolg gesucht, sondern
hatte andere Dinge, die ihm wichtig waren. Und egal, in welcher Stellung er sich
befand, er hatte seine jeweilige Aufgabe immer treu erfüllt. Außerdem stand er
in allem, was er tat, zuerst vor seinem Gott. Und schließlich zeigt uns dieses
Kapitel, dass eine hohe Position auch besondere Gefahren mit sich bringt.
„Dann liefen diese Vorsteher und Satrapen eilig zum König und sprachen
zu ihm so: König Darius, lebe ewig! Alle Vorsteher des Königreichs, die
Befehlshaber und Satrapen, die Räte und Statthalter, haben beschlossen, dass der
König eine Verordnung aufstellen und ein Verbot erlassen soll, dass jeder, der
innerhalb dreißig Tagen von irgendeinem Gott oder Menschen etwas erbittet außer
von dir, o König, in die Löwengrube geworfen werden soll. Nun, o König, erlass
das Verbot und lass eine Schrift aufzeichnen, die nach dem Gesetz der Meder und
Perser, das unwiderruflich ist, nicht abgeändert werden darf. Deshalb ließ der
König Darius die Schrift und das Verbot aufzeichnen“ (Daniel
6,7–10).
Darius war selbst nicht der Mann gewesen, der das unaufhebbare Gesetz
eingeführt hatte. Dieses Gesetz der Meder und Perser bestand schon vorher; aber
auf der Grundlage dieses unaufhebbaren Gesetzes sollte er jetzt ein Verbot
erlassen, das dann eben nicht mehr abgeändert werden durfte. Er wurde von der
List seiner Satrapen in eine Falle gelockt, die er nicht erkannte.
Eben noch hatten die Satrapen gesagt, dass sie etwas finden müssten, wo
Daniel durch das Befolgen des Gesetzes seines Gottes in Konflikt geraten würde
mit den Gesetzen der Meder und Perser. Und sofort laufen sie jetzt zum
König. Sie hatten überhaupt nicht beraten müssen, wie sie das hinbekommen
würden. Sie müssen bei ihrer Untersuchung in der Amtsführung von Daniel auch
gesehen haben, wie treu und regelmäßig er zu seinem Gott betete. Das Leben
Daniels war eine Einheit, sein berufliches Leben und sein Leben mit Gott waren
eins.
Diese Männer hatten ein sehr feines Netz gesponnen. Es ist doch erstaunlich,
was für einen erheblichen Einfluss sie hatten, dass sie von dem König das
fordern konnten, was sie beschlossen hatten. Sie waren eines Sinnes geworden,
und was sie jetzt dem Darius vorlegen, ist von außergewöhnlicher Raffinesse: Der
König sollte nach ihrem Beschluss eine Verordnung aufstellen und ein Verbot
erlassen, dass niemand innerhalb von 30 Tagen etwas von irgendeinem Gott
erbitten dürfte außer von dem König. Und wer sich daran nicht halten würde,
sollte in die Löwengrube geworfen werden. Aber ihr Vorgehen beruhte auch auf
einer Lüge, denn es waren ja gar nicht alle Vorsteher, Satrapen und
sonstige Autoritäten zu diesem Vorschlag übereingekommen, denn Daniel war bei
diesem Ratschlag nicht dabei. Merkwürdig auch, dass der König Darius gar nicht
danach fragte, was denn Daniel als ihr Oberster in spe zu diesem Vorschlag zu
sagen hatte.
Von irgendeinem Gott war eine so raffinierte Ausdrucksweise. Darius
ging in die ihm gestellte Falle, weil er sich damit schmeicheln ließ. Er nahm
dieses Angebot nur zu gerne an, für diese 30 Tage sogar höher stehen zu sollen
als irgendein Gott, ganz zu schweigen von jedem Menschen. Zeigt das nicht, wie
traurig sein Zustand wirklich war? Wäre auch nur ein wenig Ehrfurcht bei ihm
vorhanden gewesen vor Gott, hätte er diese Schlinge erkannt, die ihm da gelegt
wurde. Aber er ließ sich blenden, und dadurch dass er dann das Verbot
aufzeichnen ließ, wurde er der Gefangene seiner eigenen Leute.
Darius ließ sich durch diese Verordnung an die Stelle Gottes setzen – auch
wenn es nur für 30 Tage war. Darin ist er ein erschütterndes Vorbild nicht nur
von dem Antichristen, sondern auch von dem letzten römischen Fürsten, der sich
selbst anbeten lässt, als wenn er Gott wäre. Hätte er doch mal eine Nacht über
diesen Vorschlag geschlafen! Aber nein, er lässt diese Schrift unmittelbar
aufzeichnen.
Die drohende Konsequenz für das Nichtbeachten dieser Verordnung zeigt auch,
dass diese Menschen überhaupt nicht mit Gott rechneten. Sie drohten nicht den
sofortigen Tod an, sondern für sie war das Werfen in die Löwengrube
gleichbedeutend mit dem sicheren Tod. Von der wunderbaren Rettung der drei
Freunde Daniels aus dem babylonischen Feuerofen hatten sie entweder nichts
gehört oder sie wähnten die Löwengrube als ein noch sichereres Mittel.
Online seit dem 02.02.2015, Bibelstellen:
Daniel 6,11
„Und als Daniel erfuhr, dass die Schrift aufgezeichnet war, ging er in
sein Haus. Und er hatte in seinem Obergemach offene Fenster nach Jerusalem hin;
und dreimal am Tag kniete er auf seine Knie und betete und lobpries vor seinem
Gott, wie er vordem getan hatte“ (Daniel 6,11).
Auffallend in diesem Vers sind sowohl der tiefe Frieden bei Daniel als auch
seine innerliche Ruhe und sein ungebrochenes Vertrauen trotz der menschlichen
Aktivitäten seiner Feinde. Dreimal lesen wir bei diesen Männern, dass sie
eilig waren in ihrem Tun (Dan 6,7.12.16; vgl.
Rö 3,15). Hinter dieser Eile steckt
zielgerichtete bösartige Energie. Aber Daniel ging ohne besondere Eile an den
Ort, den er gewohnheitsmäßig dreimal am Tag zum Gebet aufsuchte. Und er brachte
jetzt nicht nur Bitten und Flehen wegen dieser aktuellen Not vor seinen Gott,
sondern er fand auch Zeit zum Loben und Preisen. Wie leicht beschränken wir uns
in Notsituationen auf Beten und Flehen und Seufzen. Natürlich dürfen wir das
aktuelle Geschehen in unserem Leben zu einem zusätzlichen Anlass für unsere
Gebete machen und in dieser intensiven Form des Flehens vor Gott kommen. Flehen
verrät, dass einem die aktuelle Notsituation zutiefst nahegeht; auch der Herr
Jesus selbst hatte als Mensch sowohl Bitten als Flehen (Heb
5,7). Aber wir sollten darüber auch das Loben und Danken nicht
vergessen.
Daniel nutzt also nicht seine dienstliche Nähe zum Thronsaal, um dieses
Problem anzusprechen; er wendet sich an die höchste Stelle. Diese Nähe zu Gott
kannte er gewohnheitsmäßig. Er ist hier die personifizierte Erfüllung der Bitte
Salomos bei der Einweihung des Tempels in 1. Könige
8,47.48. Seine Füße waren in der Fremde, aber sein Herz an dem Ort,
den Gott sich erwählt hatte. Auch wir haben dieses Gebetsleben in einem
geistlichen Obergemach unverzichtbar nötig! Ein Ort, an dem wir ungestört mit
unserem Herrn reden können.
Warum eigentlich hat Daniel nicht interveniert bei dem König? Das wäre doch
sehr naheliegend gewesen. Aber Daniel war nicht nur ein treuer Mann, er war auch
ein weiser Mann. Und er kannte das Prinzip der Meder und Perser, dass diese
Verordnung auf keinen Fall rückgängig gemacht werden konnte. Und wenn diese
Verordnung auch auf die unmöglichste Art und Weise durch Lug und Trug und
Schmeichelei zustande gekommen war, so wusste er, dass ein Protest dagegen
überhaupt nichts bewirken konnte. Er hätte nur andere und sich selbst lächerlich
gemacht. Es hatte keinen Zweck, deshalb vor dem König vorstellig zu werden, aber
er hatte eine weit bessere Stelle, wo er vorstellig werden konnte – die höchste
Audienz-Möglichkeit, die es gibt! David und Asaph, die selbst körperlich nicht
in das Heiligtum Gottes hineingehen durften, hatten etwas davon verstanden, dass
sie sich geistlicherweise dort aufhalten konnten, es war für sie ein Refugium,
ein Rückzugsort angesichts ihrer Umstände im Leben (Ps
27,4; 73,17). Daniels Heiligtum war sein Obergemach (Mt
6,6). In dieser Hinsicht ist dieses Kapitel die Fortsetzung und sogar
Erhöhung von seinem Verhalten in Kapitel 1. Dort sehen wir die Vorbereitung und
hier haben wir die volle Entfaltung des Glaubens Daniels.
Es hatte also keinen Zweck, sich dagegen aufzulehnen. Es hätte aber auch
andere Möglichkeiten gegeben, die Daniel aber auch nicht tat. Er hat die Fenster
seines Obergemachs nicht geschlossen, und er hat sich auch nicht unterworfen und
die 30 Tage abgewartet und nicht gebetet in dieser Zeit – er hat alles so getan
wie immer.
Warum wohl hat er die Fenster nicht zugemacht? Hätte er sich nicht sagen
können, dass es in dieser kritischen Situation besser sei, die Dinge nicht
herauszufordern? Er hatte verstanden, dass sich der König Darius in einen
Autoritätsbereich hineingewagt hatte, der ihm nicht zustand – den Bereich der
Autorität Gottes. Deshalb konnte Daniel unmöglich das Gebot des Königs befolgen,
er wäre dadurch seinem Gott untreu geworden. Aber konnte er nicht bei
geschlossenem Fenster weiter zu seinem Gott beten? Hätten wir das nicht getan?
Es hätte unbedingt bei seinen Widersachern zu der Schlussfolgerung geführt, dass
Daniel eingeknickt wäre, deshalb ließ er die Fenster offen und gab weiterhin
seiner Hoffnung auf den Gott Israels hörbaren Ausdruck.
Praktische Hinweise für unser Gebetsleben:
Dreimal am Tag betete Daniel. Natürlich können wir auch öfter beten, aber es
wäre gut, wenn wir eine gewisse Konstanz in unserem Gebetsleben haben. Das wäre
eine nützliche Gewohnheit und eine Hilfe für unser praktisches Glaubensleben,
sich in einem regelmäßigen Gebetsleben zu erhalten. Es ist wichtig, dass wir uns
die Zeit dafür nicht wegrauben lassen und wenigstens an diesen gewohnten Zeiten
festhalten. Natürlich müssen wir diese festen Zeiten nicht nach der Uhr
festlegen, wie es in manchen Religionen der Fall ist, wo man genau zu diesen
festgelegten Zeiten beten muss. Aber wenn wir diese feste Angewohnheit haben,
regelmäßig zu beten, dann wird der Herr uns auch die Gelegenheiten dazu zeigen;
haben wir sie nicht, werden wir schnell Ausreden finden, warum es gerade nicht
passt. Gebetszeit ist nicht Zeitverlust, sondern Zeitgewinn!
Wenn wir das Beispiel Daniels vor uns haben, dürfen wir nicht außer Acht
lassen, dass Israel unter Gesetz stand. Wenn wir es wie Daniel dreimal am Tag
tun, dann kann bei uns schnell eine gesetzliche Haltung aufkommen, in der wir
uns besser als andere dünken (vgl. Lk 18,11).
Das ist nicht der Gedanke Gottes für die heutige Zeit. Für uns heute geht es
darum, nicht bloße feste Gebetszeiten einzuhalten, sondern auch zwischen den
Gebeten ein Leben mit dem Herrn zu führen. Paulus hatte Nacht und Tag gebetet (1.
Thes 3,10), für ihn gab es keine drei Gebetszeiten, für ihn waren der
ganze Tag und die ganze Nacht Gebetszeit. Das heißt nicht, dass er nur gebetet
hätte, denn für ihn gab es auch noch zwei andere Dinge, die er auch Tag und
Nacht tat. Mit seinen eigenen Händen hatte er Nacht und Tag gearbeitet (1.
Thes 2,9), um seinen eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und
bestimmten Versammlungen nicht zur Last zu fallen; und er hatte auch Nacht und
Tag einen jeden mit Tränen ermahnt (Apg 20,31).
Diese Ausdrucksweise ist also nicht in absolutem Sinn zu verstehen. Im Blick auf
das Gebet lernen wir daraus, dass es für uns überhaupt keine Zeit gibt, in der
wir nicht beten könnten. Es drückt eine beständige Abhängigkeit vom Herrn aus.
Wer mit dem Herrn wandelt, weiß gar nicht, wie oft er am Tag gebetet hat.
Wenn wir nur in Bedrängnis von irgendwelchen Nöten spontan zum Herrn rufen, dann
ist das an sich nicht verkehrt, aber unsere Gebete sind dann nur von unseren
persönlichen Bedürfnissen geprägt, es ist dann doch ein etwas einseitiges
Gebetsleben. Deshalb sollten wir doch versuchen, gewisse Zeiten für das Gebet zu
reservieren; wenn wir das nicht machen, wird es kaum zu einem ausgewogenen
Gebetsleben kommen. Wenn wir uns gewisse Regelmäßigkeiten eingerichtet haben,
dann haben wir auch Muße, für ganz andere Dinge als unsere persönlichen Umstände
zu beten. Es ist etwas Großes, ein Gebetsleben zu führen! Der Herr Jesus war
stets im Gebet (Ps 109,4), Er war immer in
der Haltung des Gebets.
Wofür beten wir eigentlich? Nicht am meisten für uns selbst? Haben wir Zeit,
in unseren Gebeten für die Nöte und Krankheiten unserer Geschwister zu beten?
Für das Werk des Herrn? Es gibt ein unendlich breites Spektrum für unsere Gebete
(Kol 4,12; Eph
6,18.19; 1. Tim 2,1.2;
2. Thes 3,1). Das alles würde zu kurz kommen,
wenn wir keine reservierten Gebetszeiten hätten und nur spontan in schwierigen
Umständen zum Herrn rufen würden. Wenn man die Gebete des Apostels Paulus mal
untersucht, wird man kaum eine Stelle finden, wo er für die äußeren Umstände der
Geschwister gebetet hatte, sondern er betete immer für das geistliche Wohl und
das geistliche Wachstum der Gläubigen. Ihm lag das Volk Gottes am Herzen wie
auch dem Daniel. Dreimal hatte er wegen des Dornes für sein Fleisch zu dem Herrn
gefleht; dreimal und nicht mehr, weil der Herr ihm gesagt hatte, dass Seine
Gnade ihm genügen würde (2. Kor 12,7–9). Es
kann auch in unseren persönlichen Gebetsanliegen mal sein, dass der Herr uns
sagt, damit aufzuhören (5. Mo 3,26). Dann
müssen wir uns geistlich damit abfinden, dass der Herr in irgendeiner Sache eine
Tür für uns geschlossen hat und sie nicht mehr öffnen wird.
Wir lernen also aus dem Beispiel Daniels nicht, dass wir seine
Gebetsgewohnheit in einem gesetzlichen und formalen Sinn eins zu eins übernehmen
sollten. Das Beispiel von Paulus zeigt uns, dass wir immer unsere Haltung
der Abhängigkeit vom Herrn durch Gebet zum Ausdruck bringen sollen. Was unser
persönliches Gebetsleben betrifft, sollten wir regelmäßig die am besten
geeignete Zeit des Tages dem Herrn geben – egal zu welcher Tageszeit das für
jeden Einzelnen sein mag – und uns nicht nur leiten lassen von notvollen
Umständen. Jedenfalls sollten wir den Tag nicht starten ohne Gebet, ohne in
Kontakt gewesen zu sein mit dem Herrn und mit Seinem Wort. Wo das fehlt, wird
der Tag nicht gesegnet sein!
Und Daniel hat sich für sein Gebet auch hingekniet. Die Bibel ist sowohl im
Alten wie auch im Neuen Testament voll von Beispielen gläubiger Menschen, die
sich im Gebet vor Gott hingekniet haben (z.B. Salomo in
2. Chr 6,13; Elia in 1. Kön 18,42;
Esra in Esra 9,5; Petrus in
Apg 9,40; Paulus in
Apg 20,36; 21,5); selbst unser Herr als Mensch auf der Erde hat
auf den Knien gebetet (Lk 22,41). Wenn wir
gesund sind, ist das die geziemende Haltung der Demut vor Gott, das Einnehmen
des Platzes der Unterwürfigkeit vor Gott. Wer kniet, ist ein hilfloses Wesen; es
ist der äußerliche Ausdruck dessen, was wir innerlich sind: unfähig in uns
selbst, aber im Vertrauen auf unseren Herrn und auf unseren Gott und Vater! Das
Hinknien ist nicht eine Nebensache, es ehrt Gott.
Neben dem persönlichen Gebet eines jeden Einzelnen ist auch das gemeinsame
Gebet jeder örtlichen Versammlung außerordentlich wichtig! Wenigstens einmal in
der Woche sollten wir als Versammlung zum Gebet zusammenkommen. Und auch dafür
gilt das, was für das persönliche Gebet wichtig ist: dass wir mehr für das
geistliche Wachstum und Wohlergehen der Geschwister beten sollten. Als Petrus
von Herodes ins Gefängnis geworfen wurde, wurde von der Versammlung in Jerusalem
anhaltend für ihn zu Gott gebetet (Apg 12,5);
das war ein Gebet für die äußeren Umstände des Petrus. Wir dürfen das also
durchaus tun, aber die anderen Gesichtspunkte dabei nicht vernachlässigen.
Zusammenfassend können wir aus der Gebetshaltung Daniels in diesem Vers
verschiedene Punkte als vorbildlich für unser Gebetsleben festhalten:
·
Die äußeren Umstände (die Verordnung des Königs)
hatten seine gute Gewohnheit nicht verändert.
·
Daniel betete in seinem privaten Umfeld in einem
ungestörten Raum (ein Obergemach in seinem Haus).
·
Er betete auf der Grundlage des Wortes Gottes
(offene Fenster nach Jerusalem; 1. Kön 8,47.48).
·
Er hatte den Ort der Wohnstätte Gottes und das
Volk Gottes nicht aus den Augen verloren (nach Jerusalem gerichtet; vgl. Ps
137).
·
Er betete mit einer bestimmten Regelmäßigkeit
(dreimal am Tag).
·
Seine äußere Gebetshaltung (auf den Knien)
drückte seine Ehrfurcht vor Gott aus.
·
Er hatte auch eine Vielfalt in seinem Gebetsleben
(Gebet und Lobpreis).
·
Er hatte ein echtes Bewusstsein davon, vor wem er
stand und mit wem er redete (vor seinem Gott).
Online seit dem 04.02.2015, Bibelstellen:
Daniel 6,12-18
„Da liefen jene Männer eilig herbei und fanden Daniel betend und
flehend vor seinem Gott. Dann traten sie hinzu und sprachen vor dem König
bezüglich des königlichen Verbots: Hast du nicht ein Verbot aufzeichnen lassen,
dass jedermann, der innerhalb von dreißig Tagen von irgendeinem Gott oder
Menschen etwas erbitten würde außer von dir, o König, in die Löwengrube geworfen
werden sollte? Der König antwortete und sprach: Die Sache steht fest nach dem
Gesetz der Meder und Perser, das unwiderruflich ist. Hierauf antworteten sie und
sprachen vor dem König: Daniel, einer der Weggeführten aus Juda, achtet weder
auf dich, o König, noch auf das Verbot, das du hast aufzeichnen lassen; sondern
er verrichtet dreimal am Tag sein Gebet“ (Daniel 6,12–14).
Nachdem der König die Schrift unterzeichnet hat, liefen diese Feinde Daniels
sofort zum Haus Daniels, um sich davon zu überzeugen, dass er bei seiner
Gewohnheit blieb. Wieder wird von ihrer Eile berichtet; doch als sie dann
festgestellt hatten, dass sich die Schlinge zugezogen hatte, treten sie im
nächsten Vers in aller Ruhe vor den König hin. Nun war in ihren Augen keine Eile
mehr nötig, denn ihr Plan war aufgegangen. Aber als sie dann mitbekommen, dass
der König Darius auf einen Ausweg aus dieser Schlinge sucht, eilen sie in
Vers 16 wieder, um ihn an die Unumkehrbarkeit seiner Verordnung zu erinnern.
Bevor diese Männer von Daniels treuer Gebetshaltung berichten, binden sie den
König praktisch durch ihre scheinheilige Frage nach dem königlichen Verbot. Sie
schreiben dem König die Urheberschaft davon vor. Natürlich hatte letztlich
Darius das Verbot unterzeichnet, aber sie selbst waren doch der Anlass dafür
gewesen, von ihnen war doch der Vorschlag erst gekommen! Sie fangen ihn
regelrecht in ihrer fein gesponnenen Schlinge; denn als der König diese
Verordnung bestätigt, schwärzen sie den Daniel vor ihm an. Sie tun das mit fast
den gleichen Worten, mit denen in Daniel 3,12
die drei Freunde Daniels vor dem Nebukadnezar angeschwärzt wurden. Aber die
letzten Worte ihrer Anklage sind gleichzeitig auch eine gewaltige Auszeichnung
für Daniel!
Merkwürdig, dass sie den Daniel nicht mit seiner offiziellen Amtsbezeichnung
erwähnen, sondern als einen der Weggeführten aus Juda. Dadurch möchten sie
Daniel herabwürdigen und die Distanz zwischen dem König und Daniel noch größer
machen.
„Da wurde der König, als er die Sache hörte, sehr betrübt, und er sann
darauf, Daniel zu retten; und bis zum Untergang der Sonne bemühte er sich, ihn
zu befreien. Da liefen jene Männer eilig zum König und sprachen zum König:
Wisse, o König, dass die Meder und Perser ein Gesetz haben, dass kein Verbot und
keine Verordnung, die der König aufgestellt hat, abgeändert werden darf. Dann
befahl der König, und man brachte Daniel und warf ihn in die Löwengrube“ (Daniel
6,15–17a).
Jetzt werden die Satrapen also wieder eilig, als sie merken, dass der König
einen Ausweg aus dieser Lage sucht. Sie hatten sich in ihrer Einschätzung
bezüglich der Treue Daniel nicht geirrt, aber sie hatten sich in dem König
Darius und seiner Reaktion geirrt. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass Darius
einen Weg zur Rettung Daniels suchen würde. Eine ganz ähnliche Situation finden
wir in dem Verhältnis von Pilatus zu den Juden im Blick auf die Verurteilung des
Herrn Jesus. Wie hier Darius den Daniel so suchte Pilatus den Herrn
freizulassen. Aber dann kommt die heftige Reaktion der Juden darauf, und Pilatus
überlieferte Ihn an sie (Joh 19,12–16).
Der König war in der listig gelegten Schlinge gefangen und musste nun gegen
alle seine eigenen Empfindungen diesen von ihm verehrten Mann Daniel in die
Löwengrube werfen. Die Empfindungen Darius’ sind anders als seine
Handlungsweise, er ist trotz seiner anziehenden Art ein Bild des Antichristen.
In ihrer Persönlichkeit werden sowohl der Antichrist als auch das Haupt des
Römischen Reiches sehr attraktive Menschen sein, sonst würde ihnen diese Macht
nicht zugesprochen werden.
„Der König hob an und sprach zu Daniel: Dein Gott, dem du ohne
Unterlass dienst, er möge dich retten! Und ein Stein wurde gebracht und auf die
Öffnung der Grube gelegt; und der König versiegelte ihn mit seinem Siegelring
und mit dem Siegelring seiner Gewaltigen, damit in Bezug auf Daniel nichts
verändert würde“ (Daniel 6,17b.18).
Von Daniel hören wir in dieser Situation überhaupt nichts, kein Wort über
seine Empfindungen! Ein über 80 Jahre alter Mann Gottes wird diesen Raubtieren
zum Fraß vorgeworfen (vgl. Ps 57,5).
Prophetisch gesehen muss auch der gläubige Überrest durch die große Drangsal
gehen. Hier die Löwengrube als Todesstrafe der Meder und Perser und in Kapitel 3
der Feuerofen als Todesstrafe der Babylonier zeigen doch jeder auf seine Weise
das Höchstmaß an Leiden, die erduldet werden müssen (Mt
24,21.22). Diese furchtbare Zeit wird in dieser Löwengrube
vorgeschattet.
Daniel ist in diesem ganzen Kapitel ein Bild des gläubigen Überrestes
späterer Tage. Der Überrest hat eine Beziehung zu Gott, der Überrest ist treu,
der Überrest betet, der Überrest wird angefeindet, der Überrest setzt sich nicht
zur Wehr. Und in dem Moment, wo der König sich an die Stelle Gottes setzt,
beginnt die große Drangsal des Überrestes. Aber in dieser Drangsal gibt es für
den Überrest auch ein Wort des Trostes: „Dein Gott, dem du ohne Unterlass
dienst, er möge dich retten.“
Wir müssen in unseren Anwendungen, die wir aus diesem Kapitel machen,
unterscheiden zwischen dem Bild für den gläubigen Überrest späterer Tage und den
Anwendungen für den einzelnen Gläubigen, der in seinem Leben durch Drangsale und
Verfolgungen und vielleicht sogar durch den Märtyrertod zu gehen hat. Der treue
gläubige Überrest wird gerettet werden; auch die gläubigen Märtyrer waren treu
bis zum Tod (Off 2,10) und sind doch nicht
gerettet worden. Wir dürfen daraus nicht den Schluss ziehen, dass sie etwa nicht
treu gewesen wären.
Die Begründung für die Versiegelung der Löwengrube in diesem Vers ist eine
sehr passende Erklärung grundsätzlich für die Anwendung eines Siegels. Bei einer
Versiegelung geht es um Endgültigkeit, nichts soll mehr verändert werden, wenn
einmal ein Siegel auf eine Sache gedrückt wird.
Online seit dem 06.02.2015, Bibelstellen:
Daniel 6,19-25
„Dann ging der König in seinen Palast, und er übernachtete fastend und
ließ keine Nebenfrauen zu sich hereinführen; und sein Schlaf floh vor ihm. Dann
stand der König bei der Morgenröte, sobald es hell wurde, auf und ging schnell
zur Löwengrube. Und als er sich der Grube näherte, rief er mit trauriger Stimme
nach Daniel. Der König hob an und sprach zu Daniel: Daniel, Knecht des
lebendigen Gottes, hat dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, vermocht, dich
von den Löwen zu retten?“ (Daniel 6,19–21).
Daniel wird sicher keine gute Nacht gehabt haben in der Löwengrube, aber doch
eine bessere als der König Darius in seinem Schlafgemach. Der hatte allen
Ablenkungen entsagt und war inzwischen dem Daniel so zugetan, dass er nicht
schlafen konnte. Und als der Morgen anbrach, da eilte auf einmal auch der
König, aber in einem guten Sinn. Und schon aus der Ferne rief er den Namen
Daniels. Die Wohlgesonnenheit des Königs Darius gegenüber Daniel nimmt zu. Darin
können wir einen sich langsam anbahnenden Wechsel in der Gesinnung der Nationen
sehen. Aber ihre Bekehrung, ein totales Umwenden der Nationen zu Gott, ist nur
das Ergebnis der Gerichte, die Gott über sie bringen wird.
Zum ersten Mal bezeichnet jetzt Darius den Gott Daniels als den lebendigen
Gott, später noch einmal in Vers 27. Und er zeichnet Daniel dadurch aus, dass er
ihn Knecht dieses Gottes nennt. Gott hatte den Daniel in all diese Leiden gehen
lassen, aber dann ist doch dieser Zuspruch da, dass dieser Märtyrer ein Knecht
des lebendigen Gottes ist. Und dann folgt die nächste Auszeichnung: Darius
bestätigt dem Daniel, dass dieser seinem Gott ohne Unterlass gedient hatte, die
ganzen vielen Jahre hindurch.
„Da sprach Daniel zum König: O König, leben ewig! Mein Gott hat seinen
Engel gesandt und hat den Rachen der Löwen verschlossen, dass sie mich nicht
verletzt haben, weil vor ihm Unschuld an mir gefunden wurde; und auch vor dir, o
König, habe ich kein Unrecht begangen. Da freute sich der König sehr, und er
befahl, Daniel aus der Grube herauszuholen. Und Daniel wurde aus der Grube
herausgeholt; und keine Verletzung wurde an ihm gefunden, weil er auf seinen
Gott vertraut hatte“ (Daniel 6,22–24).s
Daniel spricht den König hier in aller gebührenden Hochachtung an, diese
Anrede geziemte sich. Er anerkennt die Stellung des Königs und gibt ihm durch
diese Anrede die geziemende Ehrerbietung. Und dann könnten wir sagen, dass
Daniel danach von seinem doppelten Gewissen spricht. Wenn der Herr uns in
Prüfungen führt und wenn wir darin mit Gottes Hilfe rechnen wollen, dann muss
einerseits unser Verhältnis zu Ihm in Ordnung sein. Es darf nicht etwas auf
unserem Gewissen liegen, was nicht geordnet ist. Das ist auch ein wesentlicher
Punkt für den Frieden unserer Seele. Aber zweitens hatte Daniel auch vor dem
König ein gutes Gewissen, weil er vor ihm auch kein Unrecht begangen hatte. Er
hatte sich keinen Fehltritt vorwerfen müssen, ähnlich wie David es in
Psalm 26,1–6 zum Ausdruck bringt und Paulus
in Apostelgeschichte 24,16. Sein Gewissen
war also vor Gott und vor Menschen rein.
Keine Verletzung wurde an Daniel gefunden, nicht einmal eine Schramme! Warum?
Weil er seinem Gott vertraut hatte. Wir gehen alle mehr oder weniger durch
schwierige Tage und Umstände, persönlich und gemeinsam. Aber wenn wir auf
unseren Gott vertrauen, dann wird auch uns weder Teufel noch Welt eine
Verletzung beibringen können. Wenn wir das aus dieser Konferenz-Betrachtung
mitnehmen, dass wir unserem Gott still vertrauen, dann werden wir die Rettung
Gottes erfahren – auf die eine oder auf die andere Weise. Er wird behüten
unseren Ausgang und unseren Eingang (Ps 121,8),
Er wird jedes Vertrauen auf Ihn belohnen! So hatten es auch die drei Freunde
Daniels in dem Feuerofen erfahren, an sie war noch nicht einmal der Geruch des
Feuers gekommen (Dan 3,27). Auch in unserem
Leben möchte sich Gott verherrlichen; Er wird uns retten und sich dadurch
verherrlichen – „Meine Ehre gebe ich keinem anderen“ (Jes
42,8; 48,11).
In Hebräer 11,33.34 werden uns zwei
Begebenheiten von Glaubenshelden aus dem Buch Daniel beschrieben; zum einen die
drei Freunde Daniels, die durch ihren Glauben des Feuers Kraft auslöschten, und
zum anderen Daniel selbst, der durch Glauben der Löwen Rachen verschloss. Diese
Beispiele gehören in Hebräer 11 zu der Gruppe der
Glaubenshelden, deren Glaube ausharrt und dadurch Widerstände überwindet. Zur
gleichen Zeit aber tritt auch Gott machtvoll ein und setzt hier die Naturgesetze
außer Kraft, denn sonst hätten die Löwen den Daniel zerrissen. Daniel schreibt
also seine Rettung dem Engel Gottes zu, und Gott schreibt seine Rettung dem
Glauben Daniels zu (Heb 11).
Daniel selbst konnte gegen die Löwen nichts tun, er konnte nur seinem Gott
vertrauen. Und Gott belohnt solches Vertrauen mit Errettung (Ps
22,5). Gott hat Daniel gerettet – ein wunderbares Beispiel auch für
unser Glaubensleben: Das feste Glaubensvertrauen kann höchste Hindernisse
überwinden. Der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erretten (2.
Pet 2,9). Und Er tut das – wie auch bei den drei Freunden im
Feuerofen –, indem Er ihnen in ihrer Drangsal beisteht (Jes
63,9). Prophetisch ist es ein Bild davon, dass der Herr an den
Drangsalen des Überrestes teilnimmt.
Hatte Darius eigentlich das Recht, den Daniel jetzt aus der Löwengrube
herauszuholen? Brach er damit das Gesetz der Meder und Perser? Nein, die
Beschlussfassung lautete nur, dass derjenige in die Löwengrube geworfen werden
sollte; es war nicht verordnet worden, dass er auch von den Löwen gefressen
werden sollte. Genau das war geschehen: Daniel war in die Löwengrube geworfen
worden, dem Gesetz war Rechnung getragen worden, und Darius war jetzt
berechtigt, Daniel daraus herauszuholen. Er hatte sich damit keines Fehlers
schuldig gemacht.
„Und der König befahl, und man brachte jene Männer, die Daniel
angezeigt hatten, und man warf sie in die Löwengrube, sie, ihre Kinder und ihre
Frauen; und ehe sie noch auf dem Boden der Grube angekommen waren, bemächtigten
sich ihrer die Löwen und zermalmten alle ihre Gebeine“ (Daniel
6,25).
Darius reagiert hier mit unverhältnismäßiger Tyrannei, indem er auch noch die
Frauen und Kinder seiner Satrapen in die Löwengrube werfen lässt (vgl.
5. Mo 24,16). Aber aus Sicht der Satrapen
werden sie in dem Netz gefangen, das sie heimlich gelegt haben (Ps
9,16.17; Spr 11,8). Gott wird es
so leiten, dass diese Feinde des jüdischen Überrestes selbst in die Grube fallen
werden, die sie für den Überrest gegraben haben.
Durch das, was hier in diesem Kapitel ganz praktisch mit Daniel geschieht,
verherrlicht sich Gott. Und auch in der prophetischen Sichtweise dieses Kapitels
verherrlicht sich Gott dadurch, dass Er einen Überrest rettet und dass Er an den
Feinden Gericht übt. Das Gericht an den Feinden und die Aufrichtung des Reiches
des Herrn werden dazu führen, dass die Nationen, die Ihn bisher gehasst haben,
sich – nicht ohne Schmeichelei (Ps 18,45) –
direkt unterwerfen werden unter die Herrschaft des Herrn (Zeph
3,9; Sach 8,23).
Der Prophet Daniel (29) – Kapitel 6,26-29
Online seit dem 08.02.2015, Bibelstellen: Daniel 6,26-29
„Darauf schrieb der König Darius an alle Völker, Völkerschaften und
Sprachen, die auf der ganzen Erde wohnten: Friede euch in Fülle! Von mir wird
Befehl gegeben, dass man in der ganzen Herrschaft meines Königreichs bebe und
sich vor dem Gott Daniels fürchte; denn er ist der lebendige Gott und besteht
ewig, und sein Reich wird nie zerstört werden, und seine Herrschaft währt bis
ans Ende; der da rettet und befreit und Zeichen und Wunder tut im Himmel und auf
der Erde: Denn er hat Daniel aus der Gewalt der Löwen errettet“ (Daniel
6,26–28).
Die Reaktionen der Repräsentanten der ersten beiden Weltreiche in den Kapiteln 2
bis 6 sind bemerkenswert: In Daniel 2 nach der Deutung des Traumes spricht
Nebukadnezar einen Lobpreis aus; in Daniell 3 nach der Rettung der drei Freunde
Daniels aus dem Feuerofen spricht er wieder einen Lobpreis aus; in Daniel 4 nach
seiner Wiedereinsetzung in seine Stellung als König folgt wieder ein echter
Lobpreis Gottes; in Daniel 5 bei Belsazar finden wir gar nichts in dieser
Richtung, nur Gericht. Und hier in Daniel 6 bei Darius wieder ein Lobpreis.
Darius wendet sich hier an alle Völker, Völkerschaften und Sprachen, der gleiche
Kreis, wie er in Daniel 7,14 im Blick auf die Herrschaft des Herrn, des
Menschen Sohn, genannt wird. Wir müssen trotz dieser Anordnung des Königs Darius
aber festhalten, dass er keine persönliche, lebendige Beziehung zu Gott hatte!
Er spricht immer noch von dem Gott Daniels und ruft zur Furcht dieses Gottes
auf. Er nennt Ihn zwar den lebendigen Gott, aber das scheint mehr eine
Bewunderung der Tatsache zu sein, dass es einen Gott gibt, der Diener hat, die
angesichts solcher Bedrohungen treu an Ihm festhalten.
In der Beschreibung dieses Gottes bringt Darius – ein weltlicher Herrscher aus
dem Heidentum – in einer seltenen Fülle und Anhäufung bemerkenswerte Dinge zum
Ausdruck, die die Herrlichkeit dieses Gottes herausstellen sollen:
Es ist wirklich erschütternd, dass dieser Darius, der solche Dinge über Gott
sagt, nicht von seinem Gott sprechen kann! Daniel kannte und genoss eine
persönliche Beziehung zu diesem Gott, aber für Darius bleibt es der Gott
Daniels.
Darius kannte ja nur den konkreten Fall der Rettung Daniels durch Gott. Ein
einzelner Mann war gerettet worden, und doch zieht dieser König die allgemeine
Schlussfolgerung daraus, dass dieser Gott ein rettender Gott ist. Haben wir das
nicht auch alle erfahren (Tit 3,4.5; 2. Kor 1,10; Kol 1,13; 2. Tim 1,9
u.a.)?
„Und dieser Daniel hatte Gelingen unter der Regierung des Darius und unter
der Regierung Kores, des Persers“ (Daniel 6,29).
Auch in dem Leben Josephs lesen wir mehrmals davon, dass er Gelingen hatte (1.
Mo 39,3.23). Auch er war in seinem Leben wegen des Hasses seiner eigenen
Brüder durch tiefe Nöte und Leiden gegangen. Aber ob ein Leben letztlich von
Gelingen gekennzeichnet ist, entscheidet Gott und nicht die Machenschaften der
Menschen!
Wir hatten schon gesehen, dass Darius der Meder parallel zu Kores dem Perser
regiert hatte. Kores war es gewesen, der schon viele Jahre vorher mit Namen von
Gott angekündigt wurde als der, der es den Juden wieder gestatten würde, in ihr
Land zurückzukehren, und der von Gott bezeichnet wird als Sein Hirte und der,
der all Sein Wohlgefallen ausführt, als Sein Gesalbter und als der, den der Herr
liebt (Jes 44,28; 45,1; 48,14). Sind das nicht alles auch Hinweise
auf den Herrn Jesus, den wahren Kores? Mit diesem Ausblick endet der
geschichtliche Teil des Buches Daniel.
Der Prophet Daniel (30) – Kapitel 7,1
Online seit dem 09.07.2015, Bibelstellen: Daniel 7
Einleitung zu Daniel 7 – 12
Mit Kapitel 7 beginnt der zweite Teil des Buches Daniel. Im ersten Teil hatten
wir die Zeiten der Nationen gesehen, in denen vier Weltreiche nacheinander auf
der Erde die Autorität ausübten, wobei der Schwerpunkt in den ersten sechs
Kapiteln auf dem babylonischen Weltreich liegt. Gott hatte diesen Reichen
Autorität verliehen, nachdem Er Seinen Thron aus Jerusalem hatte entfernen
müssen. Vor dieser Zeit der vier aufeinanderfolgenden Weltreiche, als Israel
noch das Volk Gottes war, gab es keine Weltreiche. Zur der Zeit, als Gott dem
Nebukadnezar die Macht verlieh und damit das erste der vier Weltreiche begann,
war das assyrische Reich unter Sanherib (Jes 36 – 38) schon wieder
Geschichte; es kann auch nicht als erstes Weltreich gezählt werden, weil zu
dieser Zeit noch der Thron Gottes in Jerusalem stand. Man kann diese Zeiten der
Nationen ganz exakt bestimmen: Sie begannen mit der Zerstörung Jerusalems durch
Nebukadnezar und werden ihr Ende finden in der Herrschaft des Herrn Jesus bei
der Aufrichtung Seines Reiches.
Die Kapitel 1–6 zeigen uns, welche Antwort die Regenten dieser Weltreiche Gott
auf Seine Güte gegeben haben. Sie waren alle gegen Gott. Nebukadnezar, das Haupt
von Gold, der erste Regent, der von Gott direkt eingesetzt wird, verleitete sein
ganzes Volk zum Götzendienst. Sein Sohn Belsazar verunreinigte die heiligen
Gefäße des Tempels. Darius, der Meder, der das babylonische Reich zerstört
hatte, ließ sich göttliche Verehrung darbringen. Das ist in gedrängter Form der
Inhalt der ersten sechs Kapitel dieses Buches: Gott überträgt Menschen die Macht
– und sie erweisen sich als untreu!
In dem jetzt beginnenden zweiten Teil des Buches Daniel haben wir eine ganz
andere Sichtweise. Es ist nicht mehr ein äußerlich beeindruckendes Bild von
diesen vier Reichen, sondern in diesen Kapiteln kommt jetzt Israel, das Volk der
Juden, mehr vor uns. Wir sehen zwar den tiefen moralischen Zustand der
Unreinheit und des Verderbens der vier Weltreiche, aber andererseits auch das
Teil des Überrestes in dieser Zeit. Es wird uns gezeigt, welche Stellung und
welche Wege dieses Volk während der Herrschaft dieser vier Weltreiche erfahren
werden. Dadurch wird diese zweite Hälfte des Buches Daniel so besonders
wertvoll. Es ist eben nicht nur trockene und schwer zu verstehende Prophetie;
wir sehen, dass Gott – wie böse die Zeiten auch sein mögen – immer einen
Überrest für sich haben wird! Auch bei Daniel selbst veränderte sich seine
Gesichtsfarbe, als er sah, was mit seinem geliebten Volk noch alles geschehen
musste (Dan 7,15); aber er durfte doch auch sehen, dass Gott sich einen Überrest
bewahren würde. Und ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt dieser Kapitel ist,
dass Gott Seinen Sohn, diesen Sohn des Menschen, an die Stelle bringen wird, die
Er verdient hat! Gott wird Seinen Sohn als den Letzten, der Autorität hat,
öffentlich anerkennen.
In diesen Kapiteln 7 bis 12 finden wir, dass Daniel vier Gesichte hatte:
Sowohl Daniel 2, wo uns diese vier Weltreiche in diesem großen Bild gezeigt
werden, als auch Daniel 7, wo wir diese Reiche in den Bildern wilder Tiere
vorgestellt finden, enden mit der göttlichen Macht, die diesen Weltreichen ein
Ende machen wird. In Daniel 2 ist es der Stein ohne Hände, der das Bild
zerschmettern wird; und hier in Daniel 7 ist es der Sohn des Menschen, der das
Reich übernehmen wird.
Online seit dem 12.07.2015, Bibelstellen:
Daniel 7,1-3
Daniel 7 ist eigentlich der Höhepunkt des
ganzen Buches, denn in keinem anderen Kapitel wird die Herrschaft des Herrn
Jesus auf derart großartige Weise vorgestellt, wie hier. Es werden zuerst drei
Tiere vorgestellt (Dan 7,4–6) und dann ein viertes
Tier (Dan 7,7.8). Es sind wieder die vier
Weltreiche aus dem Kapitel 2, aber unter einem anderen Charakter; nicht in Form
eines Bildes, sondern als wilde Tiere. Tiere haben keinen Verstand und keinen
Geist und keine Kenntnis Gottes. Es geht dabei aber nicht um natürliche Tiere,
sondern um Symbole, die Ähnlichkeiten vorstellen sollen. Ein Tier ist im Wort
Gottes ein Symbol von einem Wesen, das keine Beziehung zu Gott haben kann. Und
der Hauptgegenstand dieses Kapitels sind nicht die ersten drei Tiere, die ja
bereits aus heutiger Sicht Vergangenheit sind – sie spielen fast keine Rolle in
diesem Kapitel –, sondern das vierte Tier: Rom als eine wiedererstehende Macht;
das nimmt die ganze Aufmerksamkeit hier in Anspruch. Über die Hälfte dieses
Kapitels beschäftigt sich mit dem letzten dieser Reiche. Wir finden hier auch
gewisse Wiederholungen, aber es sind doch nie bloße Wiederholungen, denn Gott
fügt immer neue Einzelheiten hinzu. Gott wiederholt nie einfach etwas, was Er
schon einmal gesagt hat.
Im Ganzen umfasst das Gesicht in diesem Kapitel drei Teile, die immer mit dem
Ausdruck „ich schaute in Gesichten der Nacht“ beginnen (Dan
7,2–6; 7 – 12; 13.14). Ab Vers 15 beginnt dann die Deutung dieser drei
Gesichte, die auch wieder in zwei Teile zerfällt: Verse 17.18 und Verse 23–27:
Verse 2–6: |
das Gesicht über die ersten drei Weltreiche |
|
Vers 4 |
das erste Tier (Weltreich) |
|
Vers 5 |
das zweite Tier (Weltreich) |
|
Vers 6 |
das dritte Tier (Weltreich) |
|
Verse 7–12: |
das Gesicht über das vierte Weltreich; der Alte an Tagen, das Gericht |
|
Vers 7.8 |
das vierte Tier (Weltreich) |
|
Vers 910 |
der Alte an Tagen |
|
Vers 11.12 |
das Gericht über die vier Weltreiche |
|
Verse 13.14: |
das Gesicht über einen wie eines Menschen Sohn |
|
Verse 15.16: |
Daniels Bitte um Gewissheit über diese Gesichte |
|
Verse 17.18: |
Deutung allgemein über die vier Weltreiche und ihr Ende |
|
Verse 19–22: |
Daniels Bitte um Gewissheit speziell über das vierte Tier |
|
Verse 23–27: |
Deutung speziell über das vierte Weltreich und sein Ende |
„Im ersten Jahr Belsazars, des Königs von Babel, sah Daniel einen Traum
und Gesichte seines Hauptes auf seinem Lager. Dann schrieb er den Traum auf, die
Summe der Sache berichtete er. Daniel hob an und sprach: Ich schaute in meinem
Gesicht in der Nacht: Und siehe, die vier Winde des Himmels brachen los auf das
große Meer. Und vier große Tiere stiegen aus dem Meer herauf, eins verschieden
vom anderen“ (Dan 7,1–3).
Bisher hatten Heiden Träume gehabt, und Gott gab dem Daniel Kraft zur
Deutung, aber jetzt sieht nicht mehr ein heidnischer König ein Gesicht, sondern
Daniel selbst. Gott gibt jetzt diesem Daniel Offenbarungen. Gott spricht nicht
mehr wie einst durch Seine Propheten direkt zu dem Volk Gottes, es besteht wegen
seines Zustandes eine gewisse Distanz. Dieses Volk war nicht mehr anerkannt von
Ihm, es war „Lo-Ammi“, nicht-mein-Volk. Aber dem Daniel gab Er Kenntnis über den
Lauf der Dinge, besonders im Blick auf das jüdische Volk. Ähnlich wie bei
Johannes auf Patmos hat auch Daniel hier keine direkte Botschaft für das Volk
Gottes gehabt. Es muss ein sehr umfassendes Gesicht gewesen sein, von dem Daniel
jetzt nur die Summe der Sache berichtet, den wesentlichen Kern seines Traumes.
Es war auch nichts irgendwie Nebulöses oder Träumerisches, sondern es waren klar
definierte Gesichte, konkrete Offenbarungen.
Wir könnten uns die Frage stellen, warum Gott dem Daniel dieses Gesicht erst
im fortgeschrittenen Alter sehen lässt. Das große Bild Nebukadnezars durfte er
in jungen Jahren deuten, ungefähr 50 Jahre vor diesem Gesicht; aber erst im
Alter wird ihm gezeigt, welche satanischen Mächte hinter all diesen Weltreichen
und Machthabern stehen. Vielleicht war er als gereifter Mann mehr in der Lage,
das alles auch geistlich zu verarbeiten? Fest steht, dass er diese Gesichte erst
gegen Ende des babylonischen Weltreiches bekam bzw. als dieses Reich längst
Geschichte war. Vielleicht musste er auch deshalb so alt werden, bis er diese
Gesichte bekam, um das Ende des ersten Weltreiches mitzuerleben.
Wenn Daniel hier sieht, dass die vier Winde des Himmels losbrechen auf das
große Meer, dann wird uns hier in Symbolen gezeigt, dass jetzt die Mächte der
Finsternis einwirken auf die Masse der Menschheit. Wir denken dabei an den
Fürsten der Gewalt der Luft, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams
(Eph 2,2). Die ganze Erde wird von bösen
geistlichen Mächten satanisch beeinflusst, und aus der Masse der Menschen, dem
Völkermeer (Jes 17,12.13), steigen dann
vier spezielle Tiere herauf. Wenn in Sacharja 6,5
auch von vier Winden die Rede ist, dann wird dort betont, dass sie von dem Herrn
der ganzen Erde ausgegangen sind. Auch in Offenbarung
7,1 lesen wir von vier Winden der Erde, die ihren Ursprung im Himmel
haben, die sich aber auf der Erde auswirken. Wir lernen daraus die wichtige
Wahrheit, dass alles, was Satan tut, er unter der Duldung und Regierung Gottes
tut (vgl. 1. Chr 21,1 mit
2. Sam 24,1). Es liegt kein Widerspruch
darin. Wenn es um die Regierung der Welt geht, steht Satan unter Gott und darf
sogar manchmal unter Seiner Zulassung böse und verderbliche Dinge tun.
Daniel sieht in diesem ersten Gesicht schon vier Tiere; er beschreibt zwar
nur die ersten drei Tiere, aber er sieht schon, dass es ein zusammengehörendes
Bild von vier Tieren, eine Abfolge von vier Reichen ist. Dass es vier große
Tiere sind, zeigt deutlich, dass es sich um gewaltige Mächte, um vier
Weltreiche, handelt. Und sie sind voneinander verschieden. Wir müssen bei diesem
Gesicht bedenken, dass Daniel hier gegen Ende des ersten Weltreiches sich mitten
in diesem Geschehen befindet, dass das zweite Weltreich und alle folgenden
Weltreiche für ihn hier aber noch Zukunft sind. Von unserem heutigen Standpunkt
aus sind die ersten drei Weltreiche und auch die erste Phase des vierten, des
römischen Weltreiches, schon längst Vergangenheit. Aber wir brauchen die
Geschichte nicht, um die biblische Prophetie zu erklären. Man ist ja leicht
geneigt, geschichtliche Details zu nehmen und dann damit biblische Prophetie zu
erklären. Aber es ist genau umgekehrt: Die Prophetie – auch die der ersten sechs
Verse dieses Kapitels – eröffnet uns die Geschichte. Ist es dabei nicht
erstaunlich, wie präzise Gottes Wort Dinge vorausgesagt hat, die für uns heute
schon Vergangenheit sind und die sich ganz genau so ereignet haben?
Wenn wir hier die Abfolge der vier Weltreiche beschrieben finden, dann wird
das nicht so vorgestellt, dass das eine Weltreich das vorhergehende besiegt. Es
heißt in Vers 12 einfach nur, dass die Herrschaft dieser Reiche weggenommen
wurde. Die Geschichte zeigt, dass das durch Eroberungen geschah, aber das wird
hier nicht vorgestellt.
Online seit dem 14.07.2015, Bibelstellen:
Daniel 7,4-6
„Das erste war gleich einem Löwen und hatte Adlerflügel; ich schaute,
bis seine Flügel ausgerissen wurden und es von der Erde aufgehoben und wie ein
Mensch auf seine Füße gestellt und ihm ein Menschenherz gegeben wurde“ (Dan
7,4).
Einen Löwen mit Adlerflügeln gibt es in der Tierwelt nicht, in der Antike
sahen lediglich Fabelwesen so aus. Das macht deutlich, dass es sich um Symbole
von gewaltigen Mächten handelt, die mit den charakteristischen Kennzeichen
dieser Tiere beschrieben werden. Ganz offensichtlich wird hier das babylonische
Weltreich vorgestellt. Der Löwe spricht von Majestät, Würde und Pracht, er ist
der Held unter den Tieren, der vor nichts zurückweicht (Spr
30,30), und der Adler von der Schnelligkeit in der Ausübung des
Gerichts. Beide Symbole werden auch in Jeremia
49,19.22 in Bezug auf Babel bei seiner Ausübung des Gerichtes über
Edom benutzt.
Dann wird in der Passiv-Form beschrieben, was mit diesem Reich geschieht. Der
Niedergang beginnt damit, dass die Flügel ausgerissen werden, dass die
Ausrichtung auf Beute und Eroberung anderer Reiche von einer anderen Macht –
Gott selbst – weggenommen wird. Gott nimmt dieses Reich aus seinem
Verantwortungsbereich heraus, ihm wird sein Einflussbereich entzogen und es
bekommt eine völlig andere Position. Das Menschenherz, das ihm gegeben wurde,
deutet dabei nicht etwa auf eine gewisse Veredelung hin, sondern es ist im
Gegenteil ein Zeichen der Schwachheit.
Das babylonische Weltreich hat nur ca. 68 Jahre existiert; es war zwar das
Mächtigste der vier Reiche, aber seine Dauer war die kürzeste von allen. Das
dann folgende medo-persische Reich hat ca. 207 Jahre bestanden, dreimal länger
als das babylonische Reich, aber von geringerer Machtfülle. Dann das griechische
Weltreich hat etwas mehr als 300 Jahre bestanden; seine Zeit fällt in die 400
Jahre, die zwischen dem Alten und dem Neuen Testament liegen, deshalb taucht es
geschichtlich in der Bibel überhaupt nicht auf. Das römische Reich begann noch
in dieser Zeitspanne der 400 Jahre des Schweigens und es dauerte in seiner
ersten Phase mehr als 400 Jahre. Die Besonderheit bei dem römischen Reich liegt
noch darin, dass in dessen erste Phase das Ende des Heilszeitalters des Gesetzes
fällt. Dazu kam der Sohn Gottes in diese Welt, geboren unter Gesetz (Gal
4,4), und Er ist durch Sein Erlösungswerk das Ende des Gesetzes (Rö
10,4). Mit Seinem Tod und Seiner Auferstehung begann das
Heilszeitalter der Gnade in dieser Zeit des römischen Weltreiches.
In dem Bild der vier Reiche in Daniel 2 sehen
wir eine absteigende Linie im Blick auf das Metall; es fing bei dem Haupt mit
Gold an und endete bei den Füßen mit einem Gemisch aus Ton und Eisen. Hier in
Daniel 7 haben wir eine absteigende Linie im Blick
auf die Gewaltenteilung. Bei dem babylonischen Reich herrscht eine Person, im
medo-persischen Reich ist die Herrschaft schon auf zwei Könige aufgeteilt, im
griechischen Reich finden wir die vier Generäle nach Alexander dem Großen, und
in der noch zukünftigen Phase des römischen Reiches werden es zehn Fürsten sein.
„Und siehe, ein anderes, zweites Tier, glich einem Bären; und es
richtete sich auf einer Seite auf, und es hatte drei Rippen in seinem Maul
zwischen seinen Zähnen; und man sprach zu ihm so: Steh auf, friss viel Fleisch!“
(Dan 7,5).
Der Bär ist ein Bild absoluter Grausamkeit, und das haben die Meder und
Perser während ihrer Herrschaft auch ausgelebt. Dass der Bär sich auf einer
Seite aufrichtete, deutet auf die Tatsache hin, dass in diesem an und für sich
geteilten Reich der eine Teil stärker war als der andere, die persische Seite
überwog die medische Seite. In den drei Rippen in seinem Maul sehen wir wieder
die Gefräßigkeit, Gier und Bestialität dieses Reiches (vgl.
Jes 13,18;
Spr 28,15). In Daniel 8,3.4
wird in dem Widder ja auch dieses medo-persische Reich vorgestellt, wie es sich
in den drei Himmelsrichtungen Westen, Norden und Süden weitere Reiche
einverleibt; die drei Rippen hier in Vers 5 können auch ein Hinweis auf diese
drei Richtungen sein. Aus der Geschichte wissen wir, dass sich dieses Reich auch
immer weiter Richtung Westen in das griechische Reich vorwagte, was einen
erbitterten Hass bei den Griechen hervorrief (vgl. Dan
8,7).
Kores war der größte Vertreter dieses medo-perischen Reiches, und er ließ
sich bezeichnen als König von Persien, Haupt von Akkad, Sumer und Babylon, drei
der mächtigsten von ihm eroberte Länder. Sie sind vielleicht auch eine Erklärung
für die drei Rippen, die dieser Bär in seinem Maul hat. Und der Gedanke der
Mordlust und Raubgier wird noch bestätigt durch die Aufforderung: „Steh auf,
friss viel Fleisch.“ Gott hat die Meder und Perser benutzt, um das babylonische
Weltreich zu vernichten. Durch wen kommt diese Aufforderung? Aus
Jeremia 51,11 können wir entnehmen, dass
sie direkt von Gott kommt. Kores handelte unter der Hand Gottes und tat das, was
Gott wollte – obwohl es ihm selbst sicher gar nicht bewusst war. Gott hatte ihn
als Rute Seines Zorns benutzt, Kores aber meinte es nicht also (vgl. in Bezug
auf Assur Jes 10,5–7). Er führte zwar den
Namen des Gottes Israel im Mund (Esra 1,2.3),
aber er besaß keine innere Beziehung zu Ihm, er kannte Ihn nicht (Jes
45,4.5). Und Gott benutzt dann gerade diesen grausamen Herrscher, um
einen Überrest Seines irdischen Volkes zurückzuführen nach Jerusalem.
„Nach diesem schaute ich, und siehe, ein anderes, gleich einem
Leoparden; und es hatte vier Vogelflügel auf seinem Rücken; und das Tier hatte
vier Köpfe, und Herrschaft wurde ihm gegeben“ (Dan 7,6).
Der Leopard redet von absoluter Schnelligkeit, Agilität und Wendigkeit (Hab
1,8; in dieser Stelle allerdings auf das babylonische Reich
gedeutet). Wir sehen hier in erster Linie Alexander den Großen darin, der in
seinen Eroberungszügen eine unglaubliche Schnelligkeit bewies. Er kam in
ungefähr drei Jahren fast bis nach Indien. Und die Geschichte beschreibt, dass
er sich danach hingesetzt und darüber geweint hätte, dass kein weiteres Reich
mehr zu erobern wäre. Sein Weltreich war größer als alle anderen zuvor. Die vier
Vogelflügel verstärken diesen Gedanken der schnellen Ausbreitung in alle vier
Himmelsrichtungen noch; und auch bei der Beschreibung des griechischen
Weltreiches als Ziegenbock in Daniel 8,5
wird der Gedanke dieser außerordentlichen Geschwindigkeit seiner Eroberungszüge
dadurch betont, dass dieser Ziegenbock die Erde überhaupt nicht berührte. In der
West-Ost-Ausdehnung erstreckte sich das griechische Weltreich vom Ägäischen Meer
zwischen Griechenland und der Türkei bis hin zum Hindukusch und dem heutigem
Pakistan. In der Nord-Süd-Ausdehnung ging es vom Schwarzen Meer bis nach Ägypten
zum Nil.
Alexander der Große als Herrscher über das griechische Reich wird in diesem
Vers gar nicht angedeutet, es wird direkt von den vier Köpfen des Leoparden
gesprochen. Diese vier Köpfe deuten auf die vier Diadochen oder Generäle hin,
die nach dem frühen Tod Alexanders des Großen das Reich unter sich teilen
würden. Er wurde keine 33 Jahre alt und starb in Babylon an einem hitzigen
Fieber. Seine Krankheit hatte einen sehr schnellen Verlauf genommen, und die
ganze Macht, die Gott ihm gegeben hatte, war in einem Augenblick für
immer verloren. Nach den Diadochen-Kämpfen teilten letztlich vier seiner
Generäle das Reich unter sich auf (vgl. die Ausführungen zu
Dan 8,5–10).
Gott zeigt also nicht jede tatsächliche geschichtliche Einzelheit, sondern
nur insoweit sie mit Seinem irdischen Volk zu tun haben. Die Eroberungszüge
Alexanders des Großen hatten noch nicht direkt Auswirkungen auf Sein Volk, aber
von diesen vier Köpfen, vier Generälen, haben später zwei in besonderer Weise zu
tun gehabt mit dem Volk Gottes.
Der Prophet Daniel (33) – Kapitel 7,7-8
Online seit dem 16.07.2015, Bibelstellen: Daniel 7,7-8
„Nach diesem schaute ich in Gesichten der Nacht: Und siehe, ein viertes Tier,
schrecklich und furchtbar und sehr stark, und es hatte große, eiserne Zähne; es
fraß und zermalmte, und das Übriggebliebene zertrat es mit seinen Füßen; und es
war verschieden von allen Tieren, die vor ihm gewesen waren, und es hatte zehn
Hörner. Während ich auf die Hörner Acht gab, siehe, da stieg ein anderes,
kleines Horn zwischen ihnen empor, und drei von den ersten Hörnern wurden vor
ihm ausgerissen; und siehe, an diesem Horn waren Augen wie Menschenaugen und ein
Mund, der große Dinge redete“ (Dan 7,7.8).
Hier kommt das vierte Weltreich, das römische Weltreich vor uns. Hier gibt es
scheinbar keine Vergleichsmöglichkeit mehr mit einem Tier aus der bekannten
Tierwelt, es wird nur noch als ein Tier vorgestellt, aber so schrecklich
und furchtbar, dass es keinen Vergleich mehr gibt. Es wird als verschieden von
allen Tieren, die vor ihm gewesen waren, beschrieben. Warum? Wir können
wenigstens vier Gründe dafür angeben:
Es handelt sich hier also um Rom, aber nicht nur in seiner historischen Form,
sondern vielmehr prophetisch in der noch zukünftigen Form. Höchstens den ersten
Teil von Vers 7 könnte man noch mit dem ersten Aufleben des historischen
Römischen Reiches in Verbindung bringen, aber seine eigentliche Bedeutung hat
das Bild dieses vierten Tieres in der Phase des römischen Weltreiches, die bis
heute noch nicht entwickelt ist. Die zehn Könige und alles, was mit ihnen
zusammenhängt, sind heute noch absolut zukünftig, das hat es in der vergangenen
Geschichte des Römischen Reiches noch nicht gegeben. Im Unterschied zu dem Bär,
der auch fraß, aber zu seiner eigenen Bereicherung sich alles einverleibte,
zertritt dieses vierte Tier alles, was es übrig ließ. Was dieses vierte Tier
sich nicht einverleibt, das zerstört es vollständig. Diese Brutalität des
vierten Weltreichs wird auch schon in bei dem großen Bild aus dem Traum
Nebukadnezars betont (Dan 2,40). In erster Linie richtet sich dessen
Grausamkeit gegen das Volk der Heiligen (Dan 7,21).
Eine Anwendung davon können wir machen, wenn wir in unseren heutigen Tagen
sehen, wie sich brutale Mächte gegen das Christentum wenden. Hat uns da das
vergangene Jahr nicht Schrecken einjagen können? Denken wir an Boko Haram in
Nigeria oder den Islamischen Staat im Irak und Syrien, die in nie gekannter
Grausamkeit Christen brutal ermorden. Auch auf Europa hat diese Bewegung
übergegriffen. Aber wir halten fest, dass wir keine Angst zu haben brauchen,
auch wenn der Teufel Hand an die Gläubigen legt (1. Pet 5,7.8).
Vielleicht werden wir äußerlich gar nicht widerstehen können, aber innerlich
sollen wir standhaft im Glauben bleiben und daran festhalten, dass kein Haar von
unserem Haupt verloren gehen wird (Lk 21,16–18). Sie vermögen vielleicht
den Leib zu töten, aber danach können sie nichts weiter tun (Lk 12,4). Um
das festhalten zu können, ist Glauben nötig. Und wenn wir selbst noch Ruhe haben
dürfen, wollen wir unsere Glaubensgeschwister, die in solchen Umständen leben,
nicht vergessen und dafür beten, dass sie fest im Glauben bleiben können und
vielleicht auch Befreiung erfahren können – Gott ist auch heute noch der
Weltenlenker und hält die Zügel in der Hand. Und wir sollten auch für die
obrigkeitlichen Gewalten beten, dass sie Entscheidungen treffen, die dem Volk
Gottes dienen (1. Tim 2,1.2; Esra 6,10).
Zehn Hörner – zehn Könige?
Ist das eine symbolische Zahl, wenn hier von den zehn Königen gesprochen wird,
oder werden es exakt zehn Könige sein? In der Offenbarung steht vielleicht
insgesamt mehr die Symbolik im Vordergrund, aber hier in Daniel sind doch
Zahlenangaben meist buchstäblich zu nehmen, so dass man schon annehmen darf,
dass das kommende Römische Reich aus zehn einzelnen Reichen bestehen wird.
Dieser Gesichtspunkt wird in dem Traum Nebukadnezars bei dem vierten Weltreich
schon angedeutet, wenn dort von den Zehen gesprochen wird, zwar nicht
ausdrücklich von zehn Zehen, aber das ist ja der Normalfall bei dem Menschen (Dan
2,41.42).
Dass es hier ein Tier mit zehn Hörnern ist, weist darauf hin, dass es
ein Reich sein wird, nicht zehn einzelne Reiche oder vielleicht sogar zehn
aufeinanderfolgende Reiche. Zehn Fürsten gleichzeitig bestehender einzelner
Teil-Reiche werden übereinkommen, ihre Macht dem Tier zu geben (Off 17,12.13).
Unsere alten Vorväter haben immer von zehn Reichen geschrieben, und nach dem
Zweiten Weltkrieg meinte man schnell, in der Neuordnung Europas diese zehn
Reiche gefunden zu haben. Aber dann wurden es immer mehr, und heute besteht die
EU aus 28 Ländern. Und haben wir nicht in den letzten Jahren miterlebt, wie sich
diese Zusammensetzung Europas von heute auf morgen ändern kann? Es ist heute
total offen, welche zehn Länder gemeint sind; zählt z.B. Benelux als ein
einziges Land oder als drei Länder? Dann müssten wir bald jedes Jahr die
Erklärung der Prophetie neu schreiben und an die politische Entwicklung
anpassen. Daraus lernen wir wieder, dass wir nicht die Prophetie des Wortes
Gottes anhand der Weltgeschichte erklären oder die Prophetie den Realitäten
anpassen dürfen. Bleiben wir dabei, dass es zehn Reiche sein werden.
Daniel war von diesen zehn Hörnern absolut beeindruckt, und es muss ihn total
beschäftigt haben, und genau dabei wird dann in Vers 8 beschrieben, wie sich
dieses Bild auf einmal verändert und zwischen diesen Hörnern ein kleines Horn
emporsteigt und vor diesem kleinen Horn drei der zehn Hörner ausgerissen wurden.
Offenbar wird es drei Reiche innerhalb der zehn Reiche geben, die eine besondere
Stellung oder Vorherrschaft haben und deshalb von dem kleinen Horn vernichtet
werden. Der Ausdruck „wurden vor ihm ausgerissen“ meint ein totales
Ausreißen mitsamt der Wurzel; diese drei Könige werden also überhaupt keine
Stellung mehr haben. Vers 8 zeigt dabei die Seite, dass Gott dahintersteht und
diese Entwicklung so führt, dass dieser kommende Fürst Platz bekommt; in Vers 24
wird die Seite betont, dass es das Haupt des Römischen Reiches selbst sein wird,
der diese Reiche erniedrigen und sich diesen Platz durch Gewalt aneignen wird.
Beide Seiten sind wahr.
Das kleine Horn – der kommende Fürst des römischen Reiches
Dieses kleine Horn hat Augen wie Menschenaugen und einen Mund, der große Dinge
redet. Das ist ein Hinweis auf den kommenden römischen Fürsten, der drei Könige
erniedrigen (Dan 7,24) und sich absolute Oberhoheit aneignen wird. Dieses kleine
Horn ist etwas total anderes als das kleine Horn in Daniel 8,9! Hier ist
es das von Satan inspirierte Haupt des Römischen Reiches, das heute in dieser
Stellung noch nicht existiert. Wenn es als klein beschrieben wird, deutet das
wohl darauf hin, dass dieser Mensch anfangs überhaupt nicht als solcher
wahrgenommen wird. Vielleicht hat er zu Beginn äußerlich kein Charisma, nichts
Aufsehenerregendes; aber dann wächst er und steigt empor.
In Offenbarung 13,1.2 wird dieser Fürst des römischen Weltreichs
beschrieben in dem Tier, das aus dem Meer heraufsteigt. Aus dieser Beschreibung
wird deutlich, dass es alle Kennzeichen der vorhergehenden Reiche (Leopard, Bär,
Löwe), wie sie hier in Daniel 7 vorgestellt werden, in sich vereinen wird. Die
Reihenfolge wird in Offenbarung 13 genau andersherum vorgestellt wie in Daniel
7, was eine ganz einfache Erklärung hat: Als Daniel schrieb, waren diese Dinge
noch zukünftig, und als Johannes schrieb, hatte das vierte Weltreich schon
begonnen und er blickt zurück.
Die Augen wie Menschenaugen sprechen von Einsicht, teuflischer Einsicht. Und in
Offenbarung 13,5 wird zu den großspurigen, prahlerischen, vermessenen
Dingen, die er reden wird, noch hinzugefügt, dass er auch Lästerungen
aussprechen wird, vom Teufel inspirierte Lästerungen gegen Gott (vgl. Ps
12,4.5). Es ist auffallend, wie diese großen Worte immer wieder bei diesem
Haupt des Römischen Reiches betont werden (Dan 7,8.11.20.25). Es sind vermessene
Worte gegen den Höchsten, Lästerungen direkt gegen Gott! Dieses ganze Reich wird
von Lästerungen gegen Gott gekennzeichnet sein.
Wir leben heute noch nicht in dieser Zeit, aber diese kommenden Ereignisse
werfen heute schon ihre Schatten voraus. Gerade in unserer heutigen Zeit erleben
wir, dass Gott im christlichen Abendland in einer Weise verspottet und gelästert
wird, wie es kaum je zuvor zu finden war. Man spricht in unserer Zeit
tatsächlich von einem Menschenrecht auf Gotteslästerung; Gesetze, die die
Blasphemie einschränken, seien mit den allgemeinen Menschenrechtsstandards nicht
vereinbar (vgl. Ausführungen zu Dan 7,23–25).
Damit ist der Überblick über diese vier Weltreiche auch schon vollständig. Gott
stellt sie relativ rasch vor, aber es wird im weiteren Verlauf deutlich, dass
das Hauptgewicht auf dem vierten Weltreich liegt. Aber all diese Entwicklungen
geschehen nach Seiner Vorsehung. Und das gilt auch für unsere Zeit heute, in der
sich unbeschreibliche Grausamkeiten ereignen dürfen. Wir wissen, dass auch
hinter diesem allem Gott steht! Niemals entgleiten Ihm die Zügel!
Online seit dem 18.07.2015, Bibelstellen:
Daniel 7,9-10
„Ich schaute, bis Throne aufgestellt wurden und ein Alter an Tagen sich
setzte: Sein Gewand war weiß wie Schnee und das Haar seines Hauptes wie reine
Wolle, sein Thron Feuerflammen, dessen Räder ein loderndes Feuer. Ein Strom von
Feuer ging von ihm aus; tausendmal Tausende dienten ihm, und zehntausendmal
Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht setzte sich, und Bücher wurden
geöffnet.“ (Dan 7,9.10)
In dem Augenblick, wo es um Gott geht, wo große Dinge gegen Gott geredet und
gelästert werden, in diesem Augenblick kommt das Urteil Gottes! Die Dinge
spitzen sich zu, sie gewinnen jetzt einen göttlichen Charakter und führen bis
zum Ende. Dieser Vers macht deutlich, dass die Gläubigen einmal die Welt richten
werden. Dem Sohn des Menschen wird das Reich gegeben werden, aber Er wird nicht
allein regieren.
Diese Szene des Gerichtes hier ab Vers 9 ist aber nicht etwa ein drittes
Gesicht; es ist zwar eine völlig neue Szene, aber sie gehört unbedingt noch zu
dem zweiten Gesicht dazu! Das vierte Tier und das Gericht über das vierte Tier
bilden eine Einheit und gehören als ein Gesicht zusammen; so wird es auch in
Offenbarung 17,8 beschrieben, dass es aus
dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen wird.
Daniel schaute, bis Throne aufgestellt wurden. Dieses bis kommt
vier Mal in diesem Kapitel vor (Dan 7,9.11.18.22).
Ein frommer, gottesfürchtiger Mann schaut diese exzessive Gottlosigkeit des
vierten Weltreichs, bis diese Throne aufgerichtet werden. Diese
Lästerungen gehen über eine gewisse Zeit, Gott lässt das gedeihen bis zu Seiner
Stunde, und diese Linie überschreitet kein Mensch! Keine Macht kann Gott daran
hindern, zu Seinem Ziel zu kommen. Diese Szene der Throne des Gerichts strahlt
die ganze souveräne Ruhe und Allmacht Gottes aus angesichts des Tobens der
Nationen. Es ist ein Beweis der Überlegenheit Gottes, dass Er wartet mit der
Ausführung des Gerichts, bis das Böse seinen Höhepunkt erreicht hat! Er wird
durch die Lästerungen, die auf der Erde ausgesprochen werden, nicht erschüttert
(vgl. Ps 11,3.4).
Das Gericht wird hier angedeutet mit dem Feuer; so kündigt es auch Johannes
der Täufer in Matthäus 3,11 im Blick auf
den Herrn Jesus an. Er wird mit loderndem Feuer alles verbrennen, was nicht
Seiner Heiligkeit entspricht. Die Räder des Thrones von loderndem Feuer sind ein
Hinweis darauf, dass das zustande kommen wird, was Gott will. Das Rad ist ein
Bild der Fortbewegung, der nicht widerstanden werden kann (Hes
1,15.16), und auch von Geradheit (vgl. Jak
1,17). Keine Hindernisse können das aufhalten, was Er durchführen
will. Die Wege Gottes in Seiner Vorsehung gehen ihren Weg und hier in Verbindung
mit dem Feuer offenbaren sie sich in Gericht. Es wird ein Gericht sein, wie es
diese Welt noch nicht erlebt hat. Es hat schon schlimme Gerichte gegeben auf
dieser Erde, wenn wir nur an das 1. Buch Mose denken, aber hier lässt Gott durch
den Sohn des Menschen das Gericht ausführen (Joh
5,22.27), und wir werden mit Ihm richten (1.
Kor 6,2). Wir haben hier eine Szene vor uns, die uns den Atem stocken
lässt – Gott ist wie Feuer, und das Feuer wird kommen! „Denn auch unser Gott ist
ein verzehrendes Feuer“ (Heb 12,29)! Und
der Herr Jesus, den man hier verachtet hat, Er wird als der Letzte auf der Erde
stehen (Hiob 19,25).
Der Alte an Tagen und das Gericht
Wer ist dieser Alte an Tagen? Im weiteren Verlauf dieses Kapitels scheint er
mit dem zu verschmelzen, der wie eines Menschen Sohn war (Dan
7,13.14.21.22). In Vers 9 ist der Alte an Tagen da und sitzt auf seinem
Thron; in Vers 13 kommt zu ihm einer wie eines Menschen Sohn; und in Vers 22
kommt der Alte an Tagen selbst. Im Alten Testament werden die Personen der
Gottheit noch nicht so unterschieden wie im Neuen Testament. Der Alte an Tagen
steht für die ewige Gottheit, Gott in Seiner Souveränität und Würde und
Autorität, und Er wird hier in Vers 9 mit ganz ähnlichen Kennzeichen
beschrieben, wie wir sie in Offenbarung 1,12–16
bei dem Herrn Jesus als Sohn des Menschen und Richter Seiner Versammlung finden.
In beiden Beschreibungen finden wir das Haar und das Gewand, in
Daniel 7 wird das Gewand als weiß wie Schnee
beschrieben und in Offenbarung 1 sein Haar. Das
Gewand spricht von dem Handeln, alles geschieht in absoluter Reinheit (Jes
1,18); das Haar ist eine Andeutung von der vollkommenen Weisheit, mit
der das Gericht ausgeübt wird. Dieser Alte an Tagen zieht jedenfalls die ganze
Aufmerksamkeit Daniels auf sich, mehr noch als sein eindrucksvoller Thron.
Bei den tausendmal Tausenden und zehntausendmal Zehntausenden handelt es sich
um Engel, das zeigt auch ein Vergleich mit Offenbarung
5,11. Und dann setzt sich das Gericht; aber erst, nachdem sich der
Alte an Tagen gesetzt hatte. Eine feierliche Szene: Mit großer Ehrfurcht vor
dem, der die Szene bestimmt, hat das Gericht gestanden und gewartet, bis der
Alte an Tagen sich setzte. Die Bücher, die dann aufgetan werden, enthalten das,
worüber dann das Urteil gesprochen wird. Gott hat Kenntnis genommen von allen
bösen Worten und Taten, und genau dem entsprechend wird das Gericht ausgeübt
(vgl. Judas 14.15). Wenn Gott Gericht
spricht, dann ist das immer ein vollkommen gerechtes Gericht, Er nimmt sich
symbolisch die Zeit, in den Büchern nachzuschlagen und Er kann immer auf das
verweisen, was an Bosheiten verübt wurde und von Ihm aufgezeichnet wurde. Nach
diesem gleichen Grundsatz wird auch 1000 Jahre später das Gericht am großen
weißen Thron stattfinden (Off 20,11–15).
Hier in Vers 10 wird noch gar nicht genau gesagt, aus welchen Personen sich
dieses Gericht zusammensetzt. Der Herr Jesus wird Gläubige bei sich haben, die
auch auf Thronen sitzen werden. In Vers 27 werden sie als das Volk der Heiligen
der höchsten Örter beschrieben, denen das Reich gegeben wird. Diese Heiligen,
die auf den Thronen sitzen werden, sind nicht nur die Gläubigen der Zeit der
Versammlung. In Offenbarung 20,4 finden wir
auch Throne, und da werden drei verschiedene Gruppen beschrieben, die darauf
sitzen. Es handelt sich um die letzte Phase der ersten Auferstehung, die mit dem
Herrn Jesus als dem Erstling der Entschlafenen begonnen hat. Die Throne werden
von denen besetzt sein, die die erste Auferstehung erlebt haben. Das umschließt
auch die Gläubigen des Alten Testaments, die zusammen mit den Gläubigen der
Gnadenzeit entrückt werden, sowie die Märtyrer der Drangsalszeit, die auch Teil
haben werden an der ersten Auferstehung.
Nun ist das Sitzen auf Thronen nicht das Höchste, was wir erwarten. Aber Gott
will es so, und deshalb wird das auch so geschehen! Gott will es so, dass Sein
Sohn verherrlicht wird von solchen, die gleich Ihm auf Thronen sitzen und mit
Ihm regieren; dann wird es so werden. Es ist ein Ziel Gottes, über das wir uns
freuen dürfen. Den Grund dieses Gerichtes und dieser Herrschaft finden wir in
Johannes 17,23: Die Welt soll Seine
Herrlichkeit als verherrlichter Mensch sehen, und diese Herrlichkeit wird Er mit
uns teilen. Es ist Gottes Wille, und Er wird dafür sorgen, dass die, die auf
Erden auf der Seite Seines verworfenen Sohnes gestanden haben, einmal mit Ihm
vor der Welt anerkannt werden. Wir werden mit Ihm richten und mit Ihm herrschen,
wenn Er kommen wird, um an jenem Tag verherrlicht zu werden in Seinen Heiligen (2.
Thes 1,10).
Wir merken gerade in diesem Kapitel, wie wir zum Verständnis der Geschehnisse
hier das Buch der Offenbarung brauchen. Wenn man das Buch Daniel verstehen will,
muss man das Licht der Offenbarung darauf fallen lassen; und umgekehrt gilt das
genauso: Wenn wir die Offenbarung recht verstehen wollen, brauchen wir zwar das
ganze Licht der prophetischen Aussagen des Alten Testaments. Aber speziell
zwischen Daniel und der Offenbarung gibt es so viele Verbindungen, dass man das
eine Buch nicht ohne das andere verstehen kann. Und das gilt auch ganz besonders
hier bei dem Alten an Tagen. Hätten wir nur das Alte Testament, würden wir nicht
darauf kommen, wer damit gemeint ist. Aber das Neue Testament macht ganz klar,
dass es sich um den Herrn Jesus handelt.
Online seit dem 20.07.2015, Bibelstellen:
Daniel 7,11-12
Exkurs über die verschiedenen Gerichte nach dem Erscheinen des Herrn
Wenn in Judas 14.15 gesagt wird, dass
der Herr inmitten Seiner heiligen Tausende gekommen ist, um Gericht auszuführen,
dann dürfen wir daraus entnehmen, dass die Erscheinung des Herrn in erster Linie
zur Ausübung des Gerichtes dient; das ist der Hauptcharakter des Tages des Herrn
im Alten Testament (z.B. Zeph 1,14–16). Im
Zusammenhang mit diesem Erscheinen finden verschiedene voneinander
unterschiedene Einzelgerichte statt:
Vor Aufrichtung des 1000-jährigen Reiches:
·
Das erste Gericht wird sein, dass der Herr bei
Seinem Erscheinen die vereinten Heere des Römischen Reiches und des Antichristen
vernichten und die beiden Häupter lebendig in den Feuersee werfen wird (Off
19,19–21); dem vorausgegangen war die Verbündung dieser beiden Heere
zum Schutz vor dem Assyrer, der überflutenden Geißel (Jes 28,14.15;
Dan 9,27); daraufhin kommt das römische Heer
nach Israel und versammelt sich mit dem wesentlich kleineren Heer des
Antichristen in Megiddo / Harmagedon (Off 16,12–14.16); dort begegnet
ihnen als Erster der Herr bei Seiner Erscheinung und Er wird sofort von ihnen
angegriffen, aber ohne eigentlichen Kampf werden diese beiden Fürsten für ewig
gerichtet.
·
Das zweite große Gericht ist das Gericht über den
Assyrer (Jes 10,12), den König des Nordens; dieser König wird von Norden
her Israel überfallen und den Tempel zerstören und das Volk in große Not bringen
und dann weiterziehen nach Ägypten, um auch dort Beute zu machen. In Ägypten
wird er die Gerüchte von der riesigen römischen Armee hören, die unterwegs nach
Israel ist, und deswegen umkehren und nach Israel zurückkehren; wenn er dort
wieder angekommen ist, sind der Antichrist und der römische Fürst schon im
Feuersee, es ist keiner mehr da, der ihm helfen kann, und dann wird auch er zu
seinem Ende kommen (Dan 11,41–48).
·
Dann folgen alle Gerichte über die Nachbarvölker
Philistäa, Edom, Ammon, Moab, die mithilfe Israels geschlagen werden; auf der
Erde lebende Angehörige des Volkes Israel sind bei diesen Gerichten beteiligt.
·
Dann kommt das Gericht der Lebendigen in
Matthäus 25,31–46; dieses Gericht hat einen total anderen Charakter; der
Herr wird auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzen, es besteht also schon eine
gewisse Festigkeit, deshalb ist stark anzunehmen, dass es erst nach all den eben
genannten Kriegsgerichten stattfinden wird; bei diesem Gericht werden alle
Lebenden aus den übriggebliebenen Völkern vor dem Herrn versammelt; bisher
fanden die Gerichtssitzungen auch immer nur über die Soldaten, die Armeen der
einzelnen Völker und über deren Führer statt; hier bei dem Gericht der
Lebendigen steht aber die gesamte Zivilbevölkerung aller Völker vor dem Herrn;
und bei diesem Gericht wird auch nicht nur Strafe ausgesprochen, es ist ein
Unterscheidungsgericht dahingehend, wie die Menschen die Boten des Evangeliums
des Reiches aufgenommen haben.
Während des 1000-jährigen Reiches:
·
Am Anfang des 1000-jährigen Reiches, nachdem all
diese verschiedenen Gerichte stattgefunden haben, wird die ganze Weltbevölkerung
gläubig sein. Zum ersten Mal nach der Schöpfung wird die Erde wieder rein sein
und nur von Gläubigen bewohnt sein. Aber das wird nicht lange anhalten! Und
deshalb wird auch im 1000-jährigen Reich ein beständiges Gericht stattfinden;
jeden Morgen werden diejenigen, die gesündigt haben, getötet werden (Ps
101,8; Jes 66,24).
·
Neben diesem persönlichen Gericht an den
Menschen, die im 1000-jährigen Reich sündigen werden, wird es auch ein Gericht
über Völker geben, die ihren Tribut an Israel nicht zahlen; Gott wird diese
Nationen nicht vernichten, aber Dürre und Hungersnöte über sie bringen (Sach
14,16–19).
·
Das Gericht über Gog und Magog (Hes
38 + 39) findet erst dann statt, wenn der Herr Jesus all diese
Gerichte ausgeführt haben wird und Israel im Land unter der Regierung des Herrn
schon zu einer gewissen Sicherheit und Ruhe gekommen ist (Hes 38,11);
dann wollen diese Heere aus dem äußersten Norden das Land überfallen, also nach
Beginn des 1000-jährigen Reiches; Gog ist der Fürst von Rosch, Mesech und Tubal,
was häufig schon als Hinweis auf Russland, Moskau und Tobolsk gedeutet worden
ist.
Nach dem 1000-jährigen Reich:
·
Das Gericht der Toten am großen weißen Thron (Off
20,11–15) genau an der Grenze zwischen dem 1000-jährigen Reich und dem
ewigen Zustand; dann wird auch der letzte Feind, der Tod, weggetan (1.Kor
15,26), und dann wird das Leben Gottes in seiner vollen Entfaltung
vervielfältigt sein in all den Milliarden erlöster Menschen.
„Dann schaute ich wegen der Stimme der großen Worte, die das Horn
redete: Ich schaute, bis das Tier getötet und sein Leib zerstört und dem Brand
des Feuers übergeben wurde“ (Dan 7,11).
Das Ende des vierten Reiches in seiner zukünftigen Form und seines Regenten.
Es wird nicht etwa wie die vorhergehenden Reiche durch ein weiteres Reich
abgelöst, sondern Offenbarung 19,19–21
zeigt, dass dieses Tier (das Haupt dieses Römischen Reiches) zusammen mit dem
falschen Propheten (dem Antichristen) lebendig in den Feuersee geworfen wird.
Der Herr Jesus selbst wird diese beiden Tiere ohne irgendeine sichtbare
Gerichtsverhandlung in die ewige Verdammnis senden. Das ist also das erste der
unmittelbaren und direkten Gerichte, die in Verbindung mit der Erscheinung des
Herrn Jesus geschehen werden. Und als Begründung für dieses Gericht wird noch
einmal angegeben, dass es die großen, prahlerischen und vermessenen Wortes
waren, die dieses Tier geredet hat. Dieser römische Weltherrscher wird sehr viel
Böses tun, aber hier steht im Vordergrund, wie prahlerisch er gegen Gott geredet
hatte (Off 13,6). Wegen dieser Blasphemie
gegen Gott wird dieses Tier gerichtet. In Daniel
2,44.45 hatten wir schon gesehen, dass mit dem Gericht über das
vierte Weltreich auch die vorhergegangenen drei Weltreiche ihr endgültiges Ende
finden werden; das gesamte Standbild wurde durch den Stein ohne Hände zerstört
und zermalmt. Damit ist ein für alle Mal eine Herrschaft des Menschen ohne Gott
zu Ende. Und deshalb kommt dann nach der Einschaltung in Vers 12 ab Vers 13 ein
neues Gesicht.
Die Gerichtssitzung findet also im Himmel statt, aber die Ausführung des
Gerichtes geschieht auf der Erde, als Kriegsgericht bei der Erscheinung des
Herrn Jesus, wie es in Offenbarung 19 beschrieben
wird. Offenbarung 16,12–14.16 zeigt die
Vorbereitung zu diesem Gericht, wo die Heere nach Harmagedon versammelt werden
und dann in Offenbarung 19 vernichtet werden. Wir
sehen wieder, dass die Offenbarung regelrecht entfaltet, was hier in
Daniel 7 in kurzer und knapper Form
zusammengefasst wird.
„Und was die übrigen Tiere betrifft: Ihre Herrschaft wurde weggenommen,
aber Verlängerung des Lebens wurde ihnen gegeben bis auf Zeit und Stunde“ (Dan
7,12).
Dieser Vers ist eine gewisse Einschaltung, ein Rückgriff auf das Ende der
ersten drei Weltreiche. Gott nahm ihnen ihre Herrschaft weg, aber diese drei
Völker sind dabei nicht untergegangen. Sie sind wohl besiegt worden und haben
aufgehört, eine Weltmacht zu sein, wie z.B. das Babylonische Reich eine Provinz
des Medo-persischen Reiches wurde, aber bis heute gibt es Menschen, die aus
diesen Ländern stammen. Sie sind heute noch existent und werden auch als
politische Gebilde noch einmal eine Rolle spielen. Wenn wir Babylon sehen, dann
denken wir an den heutigen Irak, bei Persien an den heutigen Iran und bei
Griechenland natürlich an das heutige Griechenland. Diese Staaten existieren
heute und werden auch in der Zukunft existieren. Das ist ein deutlicher
Unterschied zum Ende des vierten Weltreichs. Rom wird nicht nur seine Macht
genommen, sondern der römische Fürst wird direkt durch Feuer gerichtet werden
und sein Reich vernichtet werden.
Der Prophet Daniel (36) – Kapitel 7,13-18
Online seit dem 22.07.2015, Bibelstellen: Daniel 7,13-18
„Und ich schaute in Gesichten der Nacht: Und siehe, mit den Wolken des
Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn; und er kam zu dem Alten an Tagen und
wurde vor ihn gebracht. Und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum
gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen dienten ihm; seine
Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen wird, und sein Königtum
ein solches, das nie zerstört werden wird“ (Dan 7,13.14).
Der Sohn des Menschen und Seine Herrschaft
Daniel sieht einen wie eines Menschen Sohn, ausdrücklich nicht den
Sohn des Menschen. Johannes sieht einen gleich dem Sohn des Menschen,
auch nicht direkt den Sohn des Menschen (Off 1,13). Es ist kein
Zweifel, dass Er es ist, aber es scheint doch ein gewisser Abstand da zu sein.
Wir können in unserem Leib der Niedrigkeit die Herrlichkeit Gottes und auch die
Herrlichkeit des verherrlichten Menschensohnes nicht schauen. Daniel und
Johannes sehen Gott in dem Herrn Jesus. Der Herr Jesus hat alle Eigenschaften,
die Gott hat. Der Alte an Tagen: Gott in Seiner ewigen und allmächtigen
Position; der Herr Jesus, wahrer Mensch und wahrer Gott, der Jehova des Alten
Testaments – eins in der Gottheit!
In Psalm 8,5–7 finden wir den Herrn Jesus als den Sohn des Menschen über
die gesamte Schöpfung gestellt; in Psalm 80,18 finden wir noch einmal den
Herrn Jesus als den Sohn des Menschen, und dort geht es um Seine Herrschaft über
das Volk Israel. Und hier in Daniel 7,13.14 ist Seine universale
Herrschaft über alle Völker vor uns. Der Titel Sohn des Menschen erinnert an
Seine tiefe Erniedrigung, dass Er, der ewige Gott, hier bei Seinem ersten Kommen
auf diese Erde von einer Frau geboren wurde und wahrer Mensch geworden ist,
ausgenommen die Sünde. Dieses Kommen war von einem ganz anderen Charakter
gewesen (Mk 10,45). Aber dieser Titel, der im Neuen Testament außerhalb
der Evangelien nur noch ganz selten vorkommt, steht eben auch ganz eng mit
Seiner Erhöhung in Verbindung (Apg 7,56; Off 1,13; 14,14). Gott sorgt
dafür, dass der, der einmal kam, um das Gericht am Kreuz zu tragen, wiederkommen
wird als der Richter, um alles das zu richten, was Ihm entgegensteht. Gott wird
sich verherrlichen auch in dem Gericht, das der Sohn des Menschen ausübt, und in
Seiner darauf folgenden wunderbaren Herrschaft! Der Herr Jesus wird ewig Mensch
bleiben, und als solchen werden wir Ihn ewig sehen – der Sohn des Menschen,
unser Heiland!
Wir haben jetzt eine Szene im Himmel vor uns, wo dem Sohn des Menschen das ganze
Gericht von Gott übertragen wird (Joh 5,27). Diese Person, die jetzt
erscheint, wird im Gegensatz zu den vier Tieren immer wieder mit dem Himmel
verbunden. Er kommt nicht aus der Erde oder aus dem Meer hervor, sondern Seine
Herkunft ist der Himmel, und von dort kommt Er auf den Wolken des Himmels. Hier
kommt Er zu dem Alten an Tagen, und das ist nicht Sein sichtbares Kommen auf
diese Erde, sondern es ist die Einführung des Sohnes des Menschen, der von dem
Alten an Tagen als Richter eingesetzt wird und die Herrschaft in Besitz nimmt (Eph
1,20–22). Nach Gottes Ratschluss ist das jetzt schon so, nur sehen wir es
jetzt noch nicht (Heb 2,8). Von Ihm wird jetzt hier gezeigt, dass Er
einmal eine Universalherrschaft über alle Völker antreten wird. Dass hier noch
von Völkerschaften und Sprachen gesprochen wird, zeigt, dass es nicht um den
ewigen Zustand geht, denn dann wird es keine Nationen mehr geben; Gott wird bei
den Menschen wohnen (Off 21,3). Solange die Erde besteht, auch das
1000-jährige Reich hindurch, wird es die Völker, Völkerschaften und Sprachen
noch geben; aber wenn diese Erde aufgelöst sein wird im Brand und die neue
Schöpfung da ist, dann wird es keine Völker mehr geben, auch kein Volk Israel
als solches mehr! Es ist ein wichtiger Punkt für das Verständnis der Prophetie,
dass, wenn es um Israel und Nationen geht, sich das immer auf diese Zeit
einschließlich des 1000-jährigen Reiches bezieht. Danach gibt es nur noch die
Versammlung und alle anderen Erlösten, die Menschen.
Diese Herrschaft wird Er nicht an sich reißen, sondern sie wird Ihm von Gott
anvertraut werden, Er gibt Ihm das Anrecht auf die Herrschaft im 1000-jährigen
Reich (Apg 17,30.31). Es ist ein bewegender Gedanke, dass der Herr Jesus,
der absolut Gott ist und gleich Gott ist, sich das alles geben lässt! Er bekommt
das Anrecht, die Legitimation zur Herrschaft über die ganze Welt – und Er nimmt
das demütig an! Wenn Gott in Psalm 2,8 zu Seinem Sohn sagt: „Fordere von
mir …“, dann finden wir nicht, dass der Herr das auch getan hätte. Aber Er hätte
das Recht dazu gehabt, es von Gott zu fordern.
Erst danach wird Er als Richter auf diese Erde kommen. Der Herr Jesus hatte das
später selbst zweimal angekündigt (Mt 24,30; 26,64; vgl. Mk 14,62). In
diesen Stellen des Neuen Testaments wird das Kommen des Herrn Jesus mit den
Wolken immer verbunden mit Seinem sichtbaren Erscheinen auf der Erde. Dabei
handelt es sich also um ein ganz anderes Ereignis, aber es wird in dem gleichen
Charakter geschehen wie hier in Daniel 7. Und zum ersten Mal werden alle
Nationen, alle Menschen dieser Welt vor diesem Sohn des Menschen niederfallen.
Es ist das Ende der Zeiten der Nationen, die mit dem babylonischen Weltreich
begonnen hatten.
Die Ausdehnung Seines Reiches wird eine Dimension annehmen, die es nie zuvor
gegeben hat, und die Dauer dieses Königtums ist ewig, also solange die Erde
besteht, und auch das Ende Seines Reiches ist unterscheiden von den
vorhergehenden Reichen: Es wird nie zerstört werden. Alle vier Weltreiche sind
zerstört worden, aber das wird bei dem Königtum des Herrn Jesus nicht der Fall
sein, Er wird das Reich in völliger Ordnung Seinem Gott und Vater übergeben (1.
Kor 15,24).
Wenn hier von Seiner ewigen Herrschaft gesprochen wird, müssen wir
bedenken, dass wir uns hier noch auf alttestamentlichem Boden befinden, wo – mit
Ausnahme des ewigen Gottes (z.B. Jes 40,28) = über der Zeit stehend,
absolut und uneingeschränkt ewig – dieser Ausdruck auf die Schöpfung bezogen ist
und deshalb zeitlich begrenzt ist; es bedeutet: solange die Erde besteht (Jes
60,21), danach kommt nichts Gleichartiges mehr, nur noch die wirkliche
Ewigkeit. Bruder Kelly hat einmal gesagt, dass das 1000-jährige Reich der
Abschluss Gottes mit dieser Welt in Gerechtigkeit und Gnade ist. In ihm finden
wir aber auch Charakterzüge, die auf die Ewigkeit hinweisen; und insofern kann
es auch als eine Art Vorstufe zur Ewigkeit angesehen werden (vgl. Off 22,5).
„Mir, Daniel, wurde mein Geist in mir tief ergriffen, und die Gesichte meines
Hauptes ängstigten mich. Ich trat zu einem der Dastehenden, um von ihm
Gewissheit über dies alles zu erbitten. Und er sagte mir, dass er mir die
Deutung der Sache kundtun wolle:“ (Dan 7,15.16).
Daniel war tief ergriffen, als er in dieser Deutlichkeit sah, was alles kommen
würde; aber das meint nicht, dass er ängstlich wurde im Blick auf die Umstände,
denn er vertraute auf seinen Gott. Und auch wir sollten im Vertrauen auf den
Herrn auf Sein Kommen warten. All das, was in unserer unruhigen Zeit um uns
herum geschieht, sollte uns nicht erschüttern. Die Gefahr ist da, dass wir doch
besorgt und beängstigt werden. Wir wissen, dass Gott in unseren Tagen schon die
Zeit vorbereitet, die nach der Entrückung sein wird. Darüber sollten wir nicht
ängstlich werden!
Daniel hatte jetzt also alle drei Gesichte vor sich: das Gesicht über die ersten
drei Weltreiche (Dan 7,2–6), das Gesicht über das vierte Weltreich, den Alten an
Tagen und das Gericht (Dan 7,7–12) und das Gesicht über einen wie eines Menschen
Sohn (Dan 7,13.14). Er wird dieses Bild nicht vollständig verstanden haben,
sonst hätte er nicht um Gewissheit gebeten. Das Bild in Daniel 2 hatte ihn
sicher in gewisser Weise schon vorbereitet, so dass er wohl eine ungefähre
Ahnung von der Bedeutung haben mochte, aber ein Stück weit blieb er doch
unwissend. Auch eine solche Ungewissheit kann zu Verunsicherung und Beängstigung
führen.
Bei dem Dastehenden, den Daniel dann um Gewissheit über das alles bittet, wird
es sich wahrscheinlich um eine Engel gehandelt haben, und der gibt ihm den
folgenden Versen eine ausführliche Deutung, die über die Gesichte hinausgeht. In
diesen Erklärungen werden vereinzelt Dinge hinzugefügt zu den Gesichten, die
Daniel gesehen hatte. Gott wiederholt eigentlich kaum einmal einfach nur etwas,
sondern es ist sehr oft Seine Weise, dass Er bei einer scheinbaren Wiederholung
über das Ursprüngliche hinausgeht und auch bei Fragen weit über das hinausgeht,
was tatsächlich gefragt wurde. Denken wir an die Frage der Jünger in Matthäus
24,3; die Antwort des Herrn in den Kapiteln 24 und 25 geht weit über diese
Frage der Jünger hinaus.
„Diese großen Tiere, es sind vier: Vier Könige werden von der Erde aufstehen.
Aber die Heiligen der höchsten Örter werden das Reich empfangen und werden das
Reich besitzen bis in Ewigkeit, ja, bis in die Ewigkeit der Ewigkeiten“ (Dan
7,17.18)
Interessant ist die Gegenüberstellung der vier Reiche von Vers 17 zu Vers 3:
Dort kamen die vier Tiere aus dem Meer herauf; hier wird gesagt, dass sie von
der Erde aufstehen. Vers 3 zeigt den Umstand, aus dem heraus sie entstanden: aus
dem unruhigen Völkermeer. Vers 17 zeigt ihren Ursprung: Sie sind nicht von dem
Himmel. sondern von der Erde. Diese vier Weltmächte umspannen die gesamten
Zeiten der Nationen. Sie werden aufstehen, aktiv die Macht an sich reißen. Wir
haben schon an die Vorsehung Gottes in diesen Zeiten der Nationen gedacht, aber
hier wird uns die parallele Wahrheit vorgestellt: Diese vier Weltmächte sind
absolut verantwortlich für das, was sie tun. Sie werden sich ihrer Verantwortung
vor Gott nicht entledigen können mit der Ausrede, dass Gott in Seiner Vorsehung
das ja so wollte.
Wenn hier gesagt wird, dass sie von der Erde aufstehen, dürfen wir das nicht mit
dem Tier in Offenbarung 13,11 gleichsetzen, von dem auch gesagt wird,
dass es aus der Erde heraufsteigt. Dort geht es um den Antichrist, und dort ist
die Erde im Gegensatz zu dem Meer, dem Völkermeer in Vers 1 ein Bild von Israel;
der Antichrist wird aus dem jüdischen Volk stammen. Hier haben wir es nicht mit
dem Antichrist zu tun, hier geht es um vier Weltmächte, deren Ursprung von der
Erde ist, deren Reiche irdische Reiche sind, die die Herrschaft des Himmels
nicht anerkennen. Mit allen ihren Gedanken sind sie irdisch – aber der Herr
Jesus als großartiger Gegensatz dazu wird vom Himmel kommen!
In dem Gesicht hatte Daniel nichts gesehen von den Heiligen der höchsten Örter,
sie werden erst jetzt in der Deutung erwähnt. Es ist also nicht nur der Sohn des
Menschen, der das Reich ererbt, sondern auch die Heiligen der höchsten Örter. Es
sind solche, die mit dem Himmel verbunden sind. Ihnen wird eine
Regierungsverwaltung übertragen werden, die nicht enden wird; auch hier finden
wir wieder eine Anspielung auf die Zeit nach dem 1000-jährigen Reich. Ewigkeit
weist auf das 1000-jährige Reich hin, aber Ewigkeit der Ewigkeiten auf die dem
1000-jährigen Reich folgende Ewigkeit (vgl. Off 22,5).
In diesem Kapitel werden noch häufiger Heilige erwähnt, insgesamt unter drei
verschiedenen Bezeichnungen: Heilige der höchsten Örter (Dan 7;
18; 22.25), Volk der Heiligen der höchsten Örter (Dan 7,27) und
Heilige (Dan 7,21.22). Nicht bei jedem Vorkommen ist immer die
gleiche Gruppe von Heiligen gemeint, es wird von ihnen ja auch Unterschiedliches
gesagt. Wir können unterscheiden zwischen den irdischen Heiligen aus Israel und
den himmlischen Heiligen der ersten Auferstehung:
Dieses „Aber die Heiligen der höchsten Örter werden das Reich empfangen“
muss ein starker Trost gewesen sein! Als Daniel dies alles im ersten Jahr
Belsazars niederschrieb, war das zweite Tier noch nicht aufgestanden, auch das
dritte und das vierte Tier noch nicht. Wenn dann später Gläubige dieses Buch
lasen, vielleicht zu einer Zeit, als das zweite Tier regierte oder das dritte
Tier in der Zeit, in der Gott überhaupt nicht zu Seinem Volk geredet hatte, dann
konnten sie in dieser Stelle Trost finden. Ist das prophetische Wort in einer
Zeit des Endes, wo die Tage schwieriger werden, nicht auch für uns ein starker
Trost?!
Online seit dem 24.07.2015, Bibelstellen:
Daniel 7,19-28
„Darauf begehrte ich Gewissheit über das vierte Tier, das von allen
anderen verschieden war – sehr schrecklich, dessen Zähne aus Eisen und dessen
Klauen aus Erz waren, das fraß, zermalmte und das Übriggebliebene mit seinen
Füßen zertrat – und über die zehn Hörner auf seinem Kopf und über das andere
Horn, das emporstieg und vor dem drei abfielen; und das Horn hatte Augen und
einen Mund, der große Dinge redete, und sein Aussehen war größer als das seiner
Genossen. Ich sah, wie dieses Horn Krieg gegen die Heiligen führte und sie
besiegte, bis der Alte an Tagen kam und das Gericht den Heiligen der höchsten
Örter gegeben wurde und die Zeit kam, dass die Heiligen das Reich in Besitz
nahmen“ (Dan 7,19–22).
Nach der ersten Deutung des Engels suchte Daniel immer noch Gewissheit über
das vierte Tier. Er beschreibt es jetzt selbst noch mit mehr grausamen
Einzelheiten, als er sie bei dem Gesicht über dieses Tier ab Vers 7 geschildert
hatte. In Vers 20 fügt er im Blick auf das kleine Horn hinzu, dass sein Aussehen
größer war als das seiner Genossen. Das deutet die herausragende Machtposition
des kommenden Fürsten des Römischen Reiches an. In jeder Art seiner Erscheinung
ist er seinen Genossen überlegen. Der Ausdruck Genossen weist darauf hin,
dass die anderen zehn von der gleichen Art an Bosheit sein werden, aber er wird
aus ihnen hervorragen.
Auch der Krieg, den dieses Horn gegen die Heiligen führte, wird in dem
Gesicht in Vers 8 nicht erwähnt. Dort war nur von Lästerungen, prahlerischen
Worten, die sich direkt gegen Gott richteten, gesprochen. Hier berichtet Daniel
nun noch einen weiteren Angriffspunkt, die Heiligen selbst. Das Haupt des
Römischen Reiches führt nicht Krieg gegen das ungläubige Volk an sich, sondern
gegen die Heiligen darin, die Gläubigen, und er besiegt sie. Das Besiegen ist
übrigens nicht das Gleiche wie das Vernichten in Vers 25. Besiegen meint, dass
ihre Existenz nicht aufgelöst wird, aber wohl ihre Präsenz. Das Vernichten geht
weiter und bedeutet auch das Töten, was bei den Märtyrern ja der Fall sein wird.
Es ist die Zeit der Drangsal, die Gott als Gericht über Sein Volk bringen muss.
Krieg ist übrigens bis auf eine Ausnahme (Off 12,7)
ein Kennzeichen der Erde, aber Gott berichtet in Seinem Wort nur dann von
Kriegen, wenn Heilige davon betroffen ist; das erste Mal finden wir das in
1. Mose 14.
Diese Zeit der Drangsal dauert dreieinhalb Jahre (Vers 25), es ist die zweite
Hälfte der 70.Jahrwoche aus Daniel 9,27. An
deren Ende wird der Alte an Tagen den himmlischen Heiligen das Gericht
übertragen (1. Kor 6,2) und die irdischen
Heiligen werden das Reich in Besitz nehmen. Was für eine Gnade! Die, die hier
auf der Erde für Ihn im Glauben gelebt und Verfolgungen erduldet haben, sie
werden von Ihm das Reich übertragen bekommen.
„Er sprach so: Das vierte Tier: Ein viertes Königreich wird auf der
Erde sein, das von allen Königreichen verschieden sein wird; und es wird die
ganze Erde verzehren und sie zertreten und sie zermalmen. Und die zehn Hörner:
Aus jenem Königreich werden zehn Könige aufstehen, und dieser wird verschieden
sein von den vorigen und wird drei Könige erniedrigen. Und er wird Worte reden
gegen den Höchsten und die Heiligen der höchsten Örter vernichten; und er wird
darauf sinnen, Zeiten und Gesetz zu ändern, und sie werden eine Zeit, Zeiten und
eine halbe Zeit in seine Hand gegeben werden“ (Dan
7,23–25).
Hier beginnt jetzt die zweite Deutung durch den Dastehenden. Das kommende
Römische Reich wird die ganze Erde verzehren (vgl. Off
13,7b). Es ist schon manchmal im Blick auf das Römische Reich und
seine Ausdehnung die Frage erhoben worden, was denn mit USA, Australien,
Neuseeland und weiteren Staaten in diesem Zusammenhang sei. Manche Ausleger
(z.B. M. Tapernaux) weisen darauf hin, dass es sich dabei um
Nachfolgegenerationen Europas handelt1.
Das Haupt des Römischen Reiches wird drei von den zehn Königen erniedrigen,
ein politischer Umbruch wird stattfinden. Wir können das ganze Handeln dieses
Machthabers, wie es in diesem Vers beschrieben wird, auf unsere Zeit anwenden,
wo wir auch in zunehmendem Maß politische Unruhen und Umbrüche miterleben, die
auch Westeuropa erreichen. Das sind die Vorausschatten dessen, was kommen wird.
Auch die Blasphemie, die Gotteslästerung, nimmt in unseren Tagen in unserem Land
immer mehr zu. Noch ist sie strafrechtlich verboten (§ 166 Strafgesetzbuch),
aber es ist schon zu einer Petition zur Streichung des
Gotteslästerungsparagraphen aufgerufen worden2, die politische
Diskussion geht in diese Richtung. In den Niederlanden wird die gleiche
Diskussion geführt. Auch werden bibeltreue Gläubige als religiöse Fanatiker
eingestuft, und wenn man heute auch allem Möglichen gegenüber tolerant ist,
Bibeltreue wird überhaupt nicht toleriert. Denken wir nur an die gesetzlichen
Regeln zur Kindererziehung. Wir sehen also in unserer heutigen Zeit in
vielfacher Hinsicht deutliche Vorboten jener Zeit, die nach der Entrückung der
Versammlung in den zweiten dreieinhalb Jahren ihre schreckliche Realität und
ihren Höhepunkt haben wird.
Dieser kommende Fürst, der römische Machthaber, wird sich auch erdreisten,
Worte zu reden gegen den Höchsten. Das ist ein Name Gottes, der überwiegend
Bezug hat auf das 1000-jährige Reich (vgl. 1. Mo 14,19;
Ps 83,19; 89,28). Gerade das beweist, dass
dieser Mann ein Bewusstsein davon hat, dass zwischen dem Höchsten und den
Heiligen der höchsten Örter eine Beziehung besteht, zwischen Gott und diesen
Gläubigen. Ist diese Beziehung auch in unserem Leben heute noch zu sehen?
Wenn es Zeiten und Gesetz ändern will, geht es dabei um die jüdischen
Festzeiten und die Vorschriften des Gesetzes, das die Juden halten sollten. Es
wird ein totaler Angriff sein gegen alles, was von Gott ist und was zu Gott
gehört. Aber wir müssen es unterscheiden von dem, was in
Daniel 8,11 von dem Antichrist prophetisch gesagt wird: dass er
Gott das beständige Opfer wegnehmen wird. Was hier in Vers 25 gesagt wird, hat
eine Parallele in Daniel 9,27, wo von dem
Haupt des kommenden Römischen Reiches gesagt wird, dass er in der zweiten Hälfte
der 70. Jahrwoche Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen wird.
Wer wird in seine Hand gegeben werden? Bezieht es sich auf die Heiligen der
höchsten Örter oder auf die Zeiten und das Gesetz? Rein grammatisch könnte
beides möglich sein. Johannes 10,28.29 sagt
aber, dass niemand die Seinen aus der Hand des Herrn noch aus der Hand des
Vaters zu rauben vermag; es werden also nicht die Heiligen in die Hand des
römischen Fürsten gegeben, sondern die jüdischen Festzeiten und Vorschriften des
Gesetzes.
Die Zeitdauer, die hier angegeben wird, sind dreieinhalb Jahre: eine Zeit
steht für ein Jahr, Zeiten für zwei Jahre und eine halbe Zeit für ein halbes
Jahr. Es ist der gleiche Zeitabschnitt, der auch mit 42 Monaten angegeben wird (Off
11,2; 13,5) oder mit 1260 Tagen (Off 11,3;
12,6). Es handelt sich um die zweite Hälfte der letzten Jahrwoche aus
Daniel 9,27, den Höhepunkt der
Drangsalszeit, die große Drangsal Jakobs. Es ist ein tröstender Gedanke, dass
Gott die Dauer dieser schrecklichen Zeit schon vorher genau festgelegt hat,
sogar in Tagen. Gott bestimmt genau die Zahl der Tage, die dieses Untier wüten
darf – nicht einen Tag länger, als Er es ihm gestattet! Und dann wird der
Augenblick kommen, wo dieser Herrscher vernichtet wird.
„Aber das Gericht wird sich setzen, und man wird seine Herrschaft
wegnehmen, um sie zu vernichten und zu zerstören bis zum Ende. Und das Reich und
die Herrschaft und die Größe der Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem
Volk der Heiligen der höchsten Örter gegeben werden. Sein Reich ist ein ewiges
Reich, und alle seine Herrschaften werden ihm dienen und gehorchen“ (Dan
7,26.27).
Hier werden wenig zusätzliche Einzelheiten gegeben. Wir hatten schon gesehen,
dass es sich hier um die irdische Szene unter dem ganzen Himmel handelt, es sind
irdische Heilige, die das Reich in Besitz nehmen werden.
„Bis hierher das Ende der Sache. Mich, Daniel, ängstigten meine
Gedanken sehr, und meine Gesichtsfarbe veränderte sich an mir; und ich bewahrte
die Sache in meinem Herzen“ (Dan 7,28).
Die tiefe Ergriffenheit und Beängstigung blieben bei Daniel auch nach der
Deutung durch den Engel bestehen. Er hatte jetzt verstanden, dass sein Volk, das
er liebte, an diesen Entwicklungen beteiligt sein wird und durch diese ganze
Zeit hindurchgehen muss. Das machte ihn innerlich zutiefst betroffen. Eine
ähnliche Herzenshaltung der Betroffenheit über das, was ihrem Volk widerfährt,
finden wir auch bei Jeremia (Jer 4,19) und
Hesekiel (Hes 3,14.15).
Wie ist das bei uns, wenn wir nun diese prophetische Schau vor uns gehabt
haben und an die Menschen denken, die uns durch Nachbarsc haft oder Beruf
nahestehen? Sind wir in unseren Gedanken aufgewühlt, wenn wir an das Teil
denken, dem sie entgegengehen? Wir dürfen Weissagung nicht nur so lesen, dass
sie bemerkenswert und interessant für uns ist, sondern wir müssen innerlich
davon erfasst werden, wie wir das hier bei Daniel finden.
Wir betrachten hier in aller Seelenruhe die schrecklichsten Gerichte, aber
wir müssen nicht die Angst haben, dass wir da einmal hindurchgehen müssen. Die
Versammlung wird entrückt werden, ehe diese Zeit anbricht, ehe die Stunde der
Versuchung kommt. Die Brüder Daniels werden da hindurchgehen müssen – wir warten
auf den, der gesagt hat: „Ich komme bald“ (Off 22,20)!
1 M.Tapernaux: Einführung in das Studium der Prophetie, Seite 211:
„Indessen sind es nicht nur die Völker, die einst innerhalb der Grenzen des
alten Römischen Reiches gelebt haben, die das künftige Reich bilden werden,
sondern bestimmt auch alle jene, welche daraus hervorgegangen sind und die
gleiche Zivilisation vertreten, wie z.B. die Völker der englischen und der
neolateinischen Sprache auf der ganzen Welt (Nord- und Südamerika, Australien
etc.) …“
2
https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/petition-166-stgb
Online seit dem 26.07.2015, Bibelstellen:
Daniel 8,1.2
Vorbemerkung zu Daniel 8
In diesem Kapitel kommt ein ganz neues prophetisches Bild vor Daniel. Unsere
heutige Perspektive dabei ist, dass zumindest der erste Teil dieses Kapitels
bereits vergangene Geschichte ist, die Gott aber seinerzeit präzise vorausgesagt
hat. Es geht darin sowohl um die Geschichte des zweiten Weltreiches und ganz
besonders um die Geschichte des dritten, des griechischen Weltreiches. Aber es
werden auch Ereignisse geschildert, die aus unserer heutigen Sicht noch
zukünftig sind, es ist ja ein Gesicht für die Zeit des Endes (Vers 17). Alles im
prophetischen Wort läuft auf den Augenblick hin, wo der Herr Jesus hier auf der
Erde Sein Reich in Macht und Herrlichkeit aufrichten wird, auch die ganzen
Gerichtsschilderungen. Alles bereitet diesen großen Augenblick vor, wo Gott
Seinen Sohn sichtbar auf dieser Erde verherrlichen möchte. Das ist der
eigentliche Kern des prophetischen Wortes: Gott wird dem Herrn Jesus Macht und
Ehre und Herrlichkeit bei Seiner Ankunft geben (2. Pet
1,17).
Wenn wir uns nun mit diesen Ereignissen der letzten Tage beschäftigen, dann
gibt es sehr viele handelnde Personen, Reiche und Mächte, die da wirksam werden
und eine Rolle spielen. Drei dieser Personen oder Mächte müssen wir ganz
besonders gut kennen und auseinanderhalten können, damit wir einen klaren
prophetischen Blick behalten:
·
das Römische Reich, Westeuropa, mit
seinem Herrscher, dem Haupt des Römischen Reiches; es ist das Tier aus dem Meer
in Offenbarung 13,1 ff. und es ist
das kleine Horn aus Daniel 7,8
·
der König des Nordens, der Assyrer;
es ist Syrien, eine absolute Bedrohung für Israel in der zukünftigen Zeit, die
aus geografischer Perspektive Israels aus dem Norden kommen wird; das ist das
kleine Horn aus Daniel 8,9, nicht zu verwechseln mit dem kleinen Horn aus
Daniel 7! Dieser Assyrer hat mit dem Haupt des
Römischen Reiches gar nichts zu tun, er geht hervor aus dem griechischen
Weltreich (Vers 8.9)
·
der Antichrist; er wird in
Daniel 7 und 8 nicht erwähnt, er ist keinesfalls
das kleine Horn aus Daniel 8; er ist ein dritter
Herrscher gegen Israel, es ist das Tier aus der Erde von
Offenbarung 13,11 ff.; zwischen dem Antichristen und dem
Haupt des Römischen Reiches wird es eine enge Kooperation geben, einen Vertrag,
einen Bund mit dem Scheol (Jes 28,15.18;
Dan 9,27)
Daniel 7 zeigt uns also hauptsächlich das
vierte Weltreich, den kommenden römischen Fürsten, und
Daniel 8 zeigt uns jetzt hauptsächlich die Gefahr aus dem Norden, den
Assyrer, den König des Nordens. Zwei Mächte, die jeweils kleines Horn
genannt werden, die wir aber deutlich voneinander unterscheiden müssen. Das Alte
Testament sagt übrigens viel mehr über den König des Nordens als über den
Antichristen.
Es fällt auch auf, dass die Symbole für die Weltreiche in diesem Kapitel
wechseln. In Daniel 7 wurden sie als wilde,
raublüsterne Tiere vorgestellt (Löwe, Bär, Leopard und das schreckliche und
furchtbare Tier mit den zehn Hörnern). Hier kommen für das zweite Weltreich
(Widder) und das dritte Weltreich (Ziegenbock) ganz anders geartete Tiere vor
uns. Daniel 7 zeigt uns die moralische
Verwerflichkeit der vier Weltreiche. Dagegen zeigt uns
Daniel 8 zeigt mehr das züchtigende Handeln Gottes im Blick auf Sein
irdisches Volk Israel; und dabei benutzt Er Werkzeuge, die als Rute Seines Zorns
taugen (Jes 10,5). Widder und Bock sind
Tiere, die angriffslustig sind und stoßen.
Ab Kapitel 8 ist das Buch Daniel im Grundtext wieder in hebräischer Sprache
geschrieben (siehe Fußnote zu Dan 2,4). In
Kapitel 7 ging es in den drei Gesichten noch ausschließlich um die vier
Weltreiche mit dem Schwerpunkt auf dem vierten, dem kommenden römischen
Weltreich. Erst in der zusätzlichen Deutung dieser Gesichte wurden auch die
Heiligen der höchsten Örter erwähnt. Hier in Kapitel 8 steht das Volk der Juden
weit mehr im Blickpunkt der Geschehnisse, deshalb wechselt der Grundtext wieder
von der aramäischen zur hebräischen Sprache.
„Im dritten Jahr der Regierung des Königs Belsazar erschien mir,
Daniel, ein Gesicht, nach demjenigen, das mir im Anfang erschienen war. Und ich
sah im Gesicht: Und es geschah, als ich sah, da war ich in der Burg Susan, die
in der Landschaft Elam ist; und ich sah im Gesicht, und ich war am Fluss Ulai“ (Dan
8,1.2).
Kapitel 7 und 8 sind nicht völlig ohne Beziehung zueinander, das macht Vers 1
deutlich. Das Gesicht von Kapitel 8 erschien dem Daniel zwei Jahre nach dem
Gesicht von Kapitel 7, beides ereignete sich in der Endphase des babylonischen
Weltreiches. Und Daniel stellt mit seinen Worten selbst eine Beziehung zwischen
diesen beiden Gesichten her. Wie wir in der Vorbemerkung schon gesehen haben,
geht es in Daniel 7 um das Haupt des Römischen
Reiches und in Daniel 8 um den König des Nordens,
den Assyrer – beides erbitterte Feinde des jüdischen Volkes in der Zukunft.
Dass Daniel sich in der Burg Susan sah, bedeutet jetzt nicht, dass er
körperlich dorthin gesandt worden war, denn in Vers 27 lesen wir ja, dass er
nach diesem Gesicht die Geschäfte des Königs weiter verrichtet hatte. Er wird im
Geist versetzt in diese Burg Susan; der Geist Gottes führt ihn über das
Babylonische Reich hinaus nach Osten an einen Ort, der später ein zentraler
Punkt des nächsten Weltreiches, des Persischen Reiches sein würde (Neh
1,1; Est 1,2). Die Landschaft
Elam bezeichnet wohl Persien oder zumindest eine Provinz dort. Weil in diesem
Kapitel der Hauptgegenstand der König des Nordens ist, der Assyrer, wird jetzt
der Standpunkt Daniels nach Osten, nach Babylon und Persien, verlegt.
Online seit dem 28.07.2015, Bibelstellen:
Daniel 8,3-14
„Und ich erhob meine Augen und sah: Und siehe, vor dem Fluss stand ein
Widder, der zwei Hörner hatte; und die zwei Hörner waren hoch, und das eine war
höher als das andere, und das höhere stieg zuletzt empor. Und ich sah den Widder
nach Westen und nach Norden und nach Süden stoßen, und kein Tier konnte vor ihm
bestehen, und niemand rettete aus seiner Hand; und er handelte nach seinem
Gutdünken und wurde groß“ (Dan 8,3.4).
Der Widder mit den zwei Hörnern in diesen beiden Versen ist ein Bild des
Reiches der Könige von Medien und Persien (Vers 20). Auch hierin haben wir
wieder eine völlige Übereinstimmung mit dem Bild in Kapitel 2 und 7, wo auch das
zweite Weltreich der Meder und Perser als ein geteiltes oder zweifaches Reich
vorgestellt wird, ein Reich, aber mit zwei Schwerpunkten: das Standbild
hatte zwei Arme, und der Bär richtete sich auf einer Seite auf, und hier ist das
eine Horn höher als das andere. Das deutet auf die Oberhand der Perser in diesem
Reich hin. Ein Widder in Gottes Wort ist oft ein Hinweis auf
Führungspersönlichkeiten; Fürsten, Herrscher, die eine gewisse Autorität ausüben
(Hes 39,18).
„Und während ich achtgab, siehe, da kam ein Ziegenbock von Westen her
über die ganze Erde, und er berührte die Erde nicht; und der Bock hatte ein
ansehnliches Horn zwischen seinen Augen. Und er kam bis zu dem Widder mit den
zwei Hörnern, den ich vor dem Fluss hatte stehen sehen; und er rannte ihn an im
Grimm seiner Kraft. Und ich sah, wie er zu dem Widder gelangte. Und er
erbitterte sich gegen ihn, und er stieß den Widder und zerbrach seine beiden
Hörner; und in dem Widder war keine Kraft, um vor ihm zu bestehen. Und er warf
ihn zu Boden und zertrat ihn, und niemand rettete den Widder aus seiner Hand“ (Dan
8,5–7).
Der Ziegenbock ist die erste westliche Macht, die nach Osten vorgestoßen ist.
Wenn hier gesagt wird, dass er die Erde nicht berührte, dann beschreibt das die
Schnelligkeit dieses militärischen Vorrückens, er fliegt gleichsam über die
Erde, ohne sie zu berühren. Diesen Gedanken der Geschwindigkeit hatten wir auch
schon in dem Bild des griechischen Reiches in Daniel
7,6 gesehen: ein Leopard mit vier Vogelflügeln. Die
griechische Macht zerstört das Medo-persische Reich, der Bock stößt und lässt
nichts übrig. Aus der Geschichte wissen wir, dass Alexander der Große nur drei
Jahre brauchte, bis dieses ganze Reich unterworfen war, innerhalb von zehn
Jahren hatte er praktisch die ganze westliche Welt unterworfen. Es fällt auf,
dass hier die Beweggründe für dieses Anrennen des Griechischen Reiches gegen das
Medo-persische Reich genannt werden: Grimm und Erbitterung. Hier finden wir auch
wieder Gründe in der Geschichte. Die Perser hatten das Volk der Griechen immer
wieder durch wiederholte Überfälle gereizt und erbittert. Zu diesem verletzten
Nationalstolz der Griechen hatte sicher auch beigetragen, dass die Perser die
Götter der Griechen dabei beleidigt hatten. Und als jetzt Alexander der Große
das Griechische Reich zu seiner Blüte führte, nutzte er diese Gelegenheit zu
einer wütenden Rache.
Ohne dass wir damit die Prophetie auslegen, zeigt uns doch die Geschichte, wo
und inwieweit die prophetische Vorhersagen bereits eingetroffen sind. In der
Schule haben wir früher gelernt: „333 – Issos-Keilerei“; die Schlacht bei Issos
war die entscheidende Schlacht zwischen dem griechischen und dem persischen
Weltreich. Das war der Augenblick, wo der Bock allein durch seine Angriffskraft
den Widder zu Boden stieß.
„Und der Ziegenbock wurde über die Maßen groß. Und als er stark
geworden war, zerbrach das große Horn, und vier ansehnliche Hörner wuchsen an
seiner Statt nach den vier Winden des Himmels hin. Und aus dem einen von ihnen
kam ein kleines Horn hervor; und es wurde ausnehmend groß gegen Süden und gegen
Osten und gegen die Zierde. Und es wurde groß bis zum Heer des Himmels, und es
warf vom Heer und von den Sternen zur Erde nieder und zertrat sie“ (Dan
8,8–10).
Die Voraussetzungen für den König des Nordens werden also dadurch geschaffen,
dass diese westliche Macht nach Osten dringt und dort seine Wirksamkeit geltend
macht. Der erste und größte Fürst dieses Reiches, Alexander der Große, hatte ja
nur ein sehr kurzes Leben, wir haben das in Daniel 7,6
schon berührt. Nach seinem Tod war das Reich ohne Führung und es gab großen
Streit unter seinen Generälen, die sich einige Jahre in den sogenannten
Diadochen-Kämpfen (Diadochen = Nachfolger) untereinander bekriegten. Diese
Kriege dauerten eine ganze Reihe von Jahren, bis ca. 300 v.Chr. die vier
zerteilten Reiche entstanden, die hier in den vier Hörnern angedeutet werden:
·
Kassander erwarb sich Mazedonien; schon
nach ca. 100 Jahren dem römischen Reich zugefallen
·
Lysimachus erwarb sich Kleinasien und
Thrakien; auch schon bald dem römischen Reich zugefallen
·
Seleukas erwarb sich Persien (Syrien) bis
nach Palästina – hieraus kommt der künftige König des Nordens
·
Ptolemäus erwarb sich Ägypten – hieraus
kommt der künftige König des Südens
Aus diesen vier Reichen treten also später zwei wieder besonders hervor,
einmal das Seleukiden-Reich und dann das Ptolemäische Reich. Diese beiden Reiche
haben als der König des Nordens und der König des Südens noch einmal eine
besondere Beziehung zu dem Volk der Juden.
Wir können diese Ereignisse heute in den Geschichtsbüchern nachlesen, müssen
aber bedenken, dass sie hier in diesem Gesicht etwas mehr als 200 Jahre vorher
vorausgesagt wurden! Zum Ende dieses Kapitels müssen wir auch wieder
berücksichtigen, dass auch dieses Gesicht eine doppelte Erklärung hat. Es gibt
hier aus der Sicht von Daniel eine nahe Erklärung dieses Gesichtes, und es gibt
auch eine Erfüllung, die sogar für uns heute noch zukünftig ist. So ist es
übrigens fast überall in den Weissagungen über die Feinde Israels, wie z.B.
Babylon, den Assyrer u.a. Sie finden ihre nahe Erfüllung in den historischen
Angriffen der Assyrer gegen das damalige Israel und der Babylonier gegen das
damalige Juda – aber sie enthalten immer auch Perspektiven auf zukünftige
Geschehnisse. Sowohl Assyrien als auch Babylon wird noch einmal auftreten gegen
dieses Volk, nur wird in der Zukunft erst Babel gerichtet werden und dann
Assyrien.
Es fällt noch ein kleiner, aber wichtiger Unterschied auf, der wieder einmal
zeigt, wie genau Gott Sein Wort schreibt. In Vers 4 wird im Blick auf den
medo-persischen Herrscher gesagt, dass er groß wurde; in Vers 8 wird im
Blick auf den griechischen Herrscher gesagt, dass er über die Maßen groß
wurde. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass das Reich Alexanders des Großen
viel ausgedehnter war als das des Kores.
Interessant ist die Ausdrucksweise am Ende von Vers 9, dass sich dieser König
des Nordens – erst Antiochus Epiphanes (175 v.Chr. – 164 v.Chr.), der aus dem
Reich der Seleukiden hervorkam, und später der Assyrer – gegen Süden (Ägypten)
und gegen Osten (Mesopotamien) und gegen die Zierde richtet. Eine
wunderbare Bezeichnung Gottes für das Land Israel (Hes
20,6.15; Dan 11,16.41.45). Gott
hatte dieses Land erspäht, Er hatte unter allen Ländern der Erde dieses Land für
Sein Volk auserwählt, beständig sind Seine Augen darauf gerichtet (5.
Mo 11,11.12), für Ihn ist es der Nabel der Erde (Hes
38,12). Der Mensch will nicht akzeptieren, dass Gott sich ein Volk
ausersehen hat und ein Land für dieses Volk, das doch das geringste unter allen
Völkern ist (5. Mo 7,7). Aber Gottes
Meinung darüber ist, dass es die Zierde von allen Ländern ist, auch in Tagen, wo
alles verdorben ist durch die Untreue des Volkes! Hier in
Daniel 8 ist dieses Volk „Lo-Ammi“ – Nicht mein Volk (Hos
1,9), und doch sieht Er es so, als wäre es noch Sein Volk. Gott sieht
immer noch um der Liebe zu den Vätern willen dieses Volk als Seinen Augapfel (5.
Mo 32,10; Sach 2,12) an und hat
Sein Auge auf das Land der Zierde gerichtet – wunderbare Gnade bei all dem Ernst
wegen der Untreue des Volkes!
Dort wird einmal Jerusalem die Hauptstadt der ganzen Welt sein, von dort wird
einmal die Regierung über die ganze Welt ausgehen; alle Völker werden jedes Jahr
da hinaufziehen zu den Festen. Dagegen richtet sich jeder Widerstand des Teufels
und der ganzen Welt – und doch wird es zustande kommen, weil Gott Seine Hand
darauf gelegt hat. Und wir sind in unseren Tagen Zeugen davon, dass Sein Volk –
wenn auch noch im Unglauben – wieder zurückkehrt in dieses Land. Gott gibt Seine
Gedanken nicht auf und Er kommt zu Seinem Ziel!
Das Heer des Himmels ist also das Volk, das sich im Land befand, das aber in
einem schlechten und bösen Zustand war; trotzdem werden sie äußerlich als mit
Gott in Verbindung stehend gesehen. Als Sterne hätten sie eigentlich Licht
verbreiten sollen, aber sie waren in einem schlechten Zustand und werden
dementsprechend gerichtet. In Daniel 7,25
hatten wir gesehen, dass der römische Herrscher die Heiligen der höchsten Örter
vernichten wird; da hatte es sich um treue Märtyrer gehandelt, die sich vor dem
Bild des Tieres nicht niedergebeugt hatten. Hier ist die Situation leider eine
ganz andere; hier geht es um solche, die in einem niedrigen und bösen Zustand
sind, und ihnen begegnet Gericht durch das kleine Horn, den König des Nordens.
Gott benutzte den Assyrer als Seine Geißel zur Züchtigung Seines Volkes.
„(Auch bis zum Fürsten des Heeres tat er groß; und er nahm ihm das
beständige Opfer weg, und die Stätte seines Heiligtums wurde niedergeworfen. Und
eine Zeit der Mühsal wurde dem beständigen Opfer auferlegt, um des Frevels
willen.) Und er warf die Wahrheit zu Boden und handelte und hatte Gelingen. Und
ich hörte einen Heiligen reden; und ein Heiliger sprach zu jenem, der redete:
Bis wann geht das Gesicht vom beständigen Opfer und vom verwüstenden Frevel,
dass sowohl das Heiligtum als auch das Heer zur Zertretung hingegeben ist? Und
er sprach zu mir: Bis zu 2300 Abenden und Morgen; dann wird das Heiligtum
gerechtfertigt werden“ (Dan 8,11–14).
Der Fürst des Heeres ist Gott selbst, JAHWE, der Gott des Volkes Israel. Es
heißt hier nicht, dass er sich gegen Gott stellte, sondern dass er bis zu ihm
großtat, d.h. dass er sich Gott gleichmachte. Er hatte sich selbst den Namen
gegeben Theos Epiphanes = der göttlich Erscheinende oder der erscheinende Gott.
Dieser Mann nahm Gott Sein Opfer weg. Die Opfer werden hier nicht als die Opfer
Israels bezeichnet, sondern als Gottes Opfer. Das, was dieser Mann tat, richtete
sich direkt gegen Gott selbst. Und auch das Heiligtum ist und bleibt das
Heiligtum Gottes. Auch wenn der ganze Opferdienst verderbt war und die
Herrlichkeit Gottes den Tempel Gottes verlassen hatte, wird der Tempel doch
immer wieder noch Tempel Gottes genannt. Es ist Sein Tempel, Sein Heiligtum! Und
die Juden waren auch noch das Heer Gottes, obwohl sie als Volk keine
wirkliche Beziehung mehr zu Gott hatten.
Hier wird uns also gezeigt, dass diese Verwüstung des Heiligtums und die
Mühsal der Opfer wegen des niedrigen moralischen Zustandes unter dem jüdischen
Volk – „um des Frevels willen“ – geschah. Das beständige Opfer wurde in völligem
Unglauben durch das Volk dargebracht, es war nichts, was Gott überhaupt noch
anerkennen konnte. Aber wenn diese Dinge angegriffen wurden, dann zeigt Gott,
was für einen sie eigentlich Wert für Ihn besitzen.
Die Naherfüllung in diesem kleinen Horn ist also Antiochus Epiphanes, der die
Juden heftig drangsalierte; er plünderte Jerusalem und schändete den Tempel, und
die Geschichte berichtet, dass er sogar Schweine auf dem Altar der Juden
opferte. Ein unreiner Mann entweihte und verunreinigte diese heilige Stätte, so
dass ein treuer Jude dort gar nicht mehr hineingehen konnte! Dies führte zu den
Makkabäer-Aufständen ca. 168 v.Chr. Aber die eigentliche Erfüllung dieses
Geschehens geht auf die Zeit des Endes.
Wie die Anmerkung zeigt, ist Vers 12 ist sehr schwer zu übersetzen. Deutlich
wird, dass es im Grunde eine Zuchthandlung Gottes an dem untreuen Volk der Juden
ist, dass diese Mühsal an dem beständigen Opfer durch diesen Mann gebracht
werden darf. Die Wahrheit zu Boden werfen bedeutet, das, was wahr und gerecht
ist, zu erniedrigen; und es ist sehr ernst, dass dieser Mann dabei Gelingen hat,
um das Gericht Gottes an Seinem Volk auszuführen.
Wir müssen beachten, dass das, was hier in Vers 11 und 12 als Naherfüllung
durch das kleine Horn, den Antiochus Epiphanes, geschieht, in der zukünftigen
Erfüllung nicht durch den König des Nordens, den Assyrer (das kleine Horn),
getan wird, sondern gemeinsam durch das Haupt des Römischen Reiches und den
Antichristen. Was hier geschieht, ist in gewissem Sinn ein Muster zukünftiger
Gottlosigkeit, eine gewisse Parallelität in der Bösartigkeit, die hier aber
nicht im Vordergrund steht. Es geht in diesem Kapitel ja nicht um den
Antichristen, sondern historisch um Antiochus Epiphanes und
prophetisch um den König des Nordens, den Assyrer. Außerdem sind es hier
Angriffe von außen gegen Israel, und das Handeln des Antichristen geschieht von
innerhalb Israels aus. Antiochus ist also kein Vorausbild des Antichristen.
In Vers 13 haben wir praktisch eine Überschrift über dieses Kapitel: Es ist
das Gesicht vom beständigen Opfer und vom verwüstenden Frevel; und in
Vers 26 wird es das Gesicht von den Abenden und von den Morgen genannt,
also von den fehlenden Opfern. Das sind die Hauptgesichtspunkte Gottes in diesem
Teil der Weltgeschichte. Er beurteilt das Geschehen nach dem, was Ihm gehört und
was Ihm wichtig ist. Es reden hier Heilige miteinander über diese Dinge, es
handelt sich um Heilige des Himmels. „Bis wann“ oder „Wie lange“ ist eine
charakteristische Frage des Frommen (Ps 74,10):
Bis wann soll das Böse währen, bevor Gott wieder Seine Rechte antritt? Der
Glaube kann nicht ertragen, dass das Böse dominiert (Jes
6,11).
Die 2300 Abende und Morgen dürfen nicht verwechselt werden mit den 1260
Tagen, der zweiten Hälfte der Drangsalszeit. Wenn von dieser zweiten Hälfte der
70. Jahrwoche Daniels (Dan 9,27) gesprochen wird,
dann wird es bezeichnet als 3½ Jahre, 42 Monate oder 1260 Tage. Hier haben wir
jedoch eine andere Zahl, es sind 1150 volle Tage, aber wenn es um das Aufhören
der Opfer geht, zählt Gott jedes einzelne Opfer, das Ihm entzogen wird (vgl.
2. Mo 29,38 ff.). Diese 1150 Tage sind
ungefähr 3 Jahre und 2 Monate, und das ist wohl ein Hinweis auf die Zeitspanne
der eigentlichen Tempelverunreinigung durch Antiochus Epiphanes in Jerusalem.
Würden die 2300 Abend-Morgen als einzelne Tage gezählt, wäre das eine Zeitspanne
von ungefähr 6½ Jahren, was sich historisch bei Antiochus Epiphanes decken
würden mit der Gesamtzeit seiner Invasion. Für beide Arten der Zählung gibt es
also in der Zeitdauer des Antiochus eine historische Erklärung, und wir sollten
es offenlassen und nicht nur eine als richtig ansehen. Auf jeden Fall ist es
aber eine abgeschlossene Zeitdauer, danach wird das Heiligtum gerechtfertigt
werden, d.h. gereinigt und geheiligt werden.
Online seit dem 30.07.2015, Bibelstellen:
Daniel 8,15-25
„Und es geschah, als ich, Daniel, das Gesicht sah, da suchte ich
Verständnis darüber; und siehe, da stand etwas vor mir wie die Gestalt eines
Mannes. Und ich hörte eine Menschenstimme zwischen den Ufern des Ulai, die rief
und sprach: Gabriel, gib diesem das Gesicht zu verstehen! Und er trat an den
Ort, wo ich stand; und als er herzutrat, erschrak ich und fiel nieder auf mein
Angesicht. Und er sprach zu mir: Hör zu, Menschensohn, denn das Gesicht ist für
die Zeit des Endes! Und als er mit mir redete, sank ich betäubt auf mein
Angesicht zur Erde. Er aber rührte mich an und stellte mich auf meinen früheren
Standort. Und er sprach: Siehe, ich will dir kundtun, was in der letzten Zeit
des Zorns geschehen wird; denn es geht auf die bestimmte Zeit des Endes“ (Vers
15–19)
Die folgenden Verse können wie folgt eingeteilt werden:
·
Vers 15–22: Daniel bittet um Aufklärung,
und in den Versen 19–22 gibt ihm der Engel Gabriel dieses Gesicht zu verstehen
·
Vers 23–26: was hier geschildert wird, ist
auch aus unserer heutigen Sicht noch zukünftig; es ist die Zeit, kurz bevor der
Herr Jesus sichtbar auf diese Erde zurückkommt;
·
Vers 27: die Reaktion Daniels auf das, was
er gesehen hat und erklärt bekommen hat
Wir sollten uns ein Beispiel daran nehmen, wie Daniel mit dem umgeht, was
Gott ihm in dem Gesicht gezeigt hatte. Das Gesicht von
Daniel 7 hatte er in seinem Herzen bewahrt (Dan
7,28). Hier bei diesem Gesicht hatte er Acht gegeben (Vers 5), und
jetzt sucht er Verständnis darüber. Das ist eine gute Haltung dem gegenüber, was
Gott uns mitteilt. Wir brauchen Aufmerksamkeit, Interesse und auch Energie, um
diese prophetischen Mitteilungen Gottes gut zu verstehen. Und wenn Gott das bei
uns sieht, dann antwortet Er auch auf dieses Interesse, wie hier bei Daniel. Der
Engel Gabriel, der jetzt zu ihm kommt, redet mit Menschenstimme, also
verständlich.
Gabriel war sicher ein mächtiger Engel, der vor Gott steht (Lk
1,19), Erzengel wird er aber nicht genannt. Sein Name bedeutet der
Starke Gottes. Er ist ein Bote der Gnade, der typischerweise mit Zuwendung
für das Volk Israel in Verbindung steht. Als er mit Daniel redete, sank dieser
betäubt zu Boden, wird aber von dem Engel wieder aufgerichtet. Ihm wird gesagt,
dass dieses Gesicht auf die bestimmte Zeit des Endes geht; ein Ausdruck, der
klar macht, dass dieses Gesicht nicht nur eine geschichtliche Erfüllung in
Antiochus gefunden hat, sondern dass es mit der Zeit des Endes, der Zeit bevor
der Sohn des Menschen zurückkommen wird, zu tun hat.
Die Zeit des Endes ist eine Endzeit, in der Gott in ganz bestimmter Weise
handeln wird. Er wird in dieser Zeit Seinen Zorn ausüben, zunächst im Gericht
über Sein eigenes Volk (Jes 5,24+25; 10,24+25).
Der Hauptgrund wird der Gräuel am heiligen Ort sein, den zwar der Antichrist
aufstellen wird, der aber von der Masse des Volkes als religiöser Führer erwählt
worden war (Dan 9,27). Aber dieser Zorn
gegen Sein eigenes Volk wird ein Ende haben und sich wenden gegen die Feinde
Seines Volkes. Gott wird Seinen Zorn nicht ständig nähren; und wenn Er jetzt
Assur als Rute Seines Grimmes benutzt, dann wird Er diese Rute auch einmal
weglegen.
“Der Widder mit den zwei Hörnern, den du gesehen hast, das sind die
Könige von Medien und Persien. Und der zottige Ziegenbock ist der König von
Griechenland; und das große Horn, das zwischen seinen Augen war, ist der erste
König. Und dass es zerbrach und vier an seiner Statt aufkamen: Vier Königreiche
werden aus dieser Nation aufstehen, aber nicht mit seiner Macht“ (Vers 20–22)
Ein kurzer Rückblick und eine Erklärung der Verse 4–7, wer der Widder und wer
der Ziegenbock ist, und ein Hinweis auf die vier Diadochen-Reiche, die nach dem
Tod Alexander des Großen (das große Horn des Ziegenbocks) aus dem griechischen
Reich hervorgegangen sind.
„Und am Ende ihres Königtums, wenn die Frevler das Maß vollgemacht
haben werden, wird ein König aufstehen mit frechem Angesicht und ränkekundig.
Und seine Macht wird stark sein, aber nicht durch seine eigene Macht; und er
wird erstaunliches Verderben anrichten und Gelingen haben und handeln; und er
wird Starke und das Volk der Heiligen verderben. Und durch seine Klugheit wird
der Trug in seiner Hand gelingen; und er wird in seinem Herzen großtun und
unversehens viele verderben. Und gegen den Fürsten der Fürsten wird er sich
auflehnen, aber ohne Menschenhand zerschmettert werden“ (Vers 23–25)
Hier geht es um das Ende des griechischen Reiches. Bei den Frevlern handelt
es sich um dieselben, die auch in Vers 12 diese Frevel begangen hatten, das
eigenwillige, abtrünnige Volk Israel, das keine wirkliche Beziehung mehr zu
ihrem Gott hatte. Der König frechen Angesichts und ränkekundig wird die
prophetische Erfüllung dessen sein, was der Antiochus Epiphanes vorgebildet hat,
es ist der künftige König des Nordens, der aus Syrien kommend einen bösen
Einfluss in Palästina ausüben und das Land angreifen und überfluten wird. Syrien
ist das Nachbarland Israels und ist übrigens nicht gleichzusetzen mit Assyrien,
in der Bibel haben die beiden Reiche völlig unterschiedliche Namen. Beide kamen
aus dem Norden von Israel, aber als Länder sind sie nicht identisch. In der
Bibel ist Assyrien = Aschur, und Syrien immer = Aram (Mesopotamien).
Das alte assyrische Reich vor dem babylonischen Weltreich war ein mächtiges
Reich und hatte einen großen Einfluss; es ist das Reich, welches zur Zeit
Hiskias Jerusalem belagert hatte (Sanherib). Von vielen Historikern wird es auch
als das erste Weltreich bezeichnet, aber nach dem biblischen Verständnis über
die Zeiten der Nationen ist es kein Weltreich in diesem Sinn. Wenn wir heute von
dem König des Nordens sprechen, kommt er aus dem deutlich kleineren Reich Syrien
(der nördliche Teil des griechisch-mazedonischen Reiches) nördlich von Israel,
das aus dem griechischen Reich hervorging1.
Dieser König des Nordens wird in Dan 9,27
der Verwüster genannt; er wird nicht nur hinterlistig und mit geistiger
Raffinesse handeln, sondern auch okkulte Praktiken verbreiten. Zu beachten ist,
dass er nicht durch seine eigene Macht stark sein wird. Wer wird ihm seine Macht
verleihen? In erster Linie als Inspirator ist es sicherlich Satan, der ihm diese
Macht verleiht; aber es kann auch noch an eine dahinter stehende irdische und
politische Macht gedacht werden, nämlich an den König des äußersten Nordens,
Russland. Russland unterstützt schon heute Syrien, ein Vorausschatten von dem,
was in der Zeit des Endes noch viel schlimmer stattfinden wird. Dieser König des
Nordens wird Starke und das Volk der Heiligen verderben; wie in
Dan 7,27 eine Bezeichnung für das Volk
Israel (vgl. Vers 10 Heer des Himmels).
Er wird also gerade die Tatsache, dass sich das Volk Israel im Unglauben
befindet, dass Frevel in Israel ist, dazu benutzen, um seine Macht auszubreiten.
Er wird sie geradezu verfestigen auf ihrem Weg des Unglaubens. In Vers 12 hatten
wir gesehen, dass das kleine Horn die Wahrheit zu Boden werfen wird. In dieser
Zeit wird die Lüge vorherrschend sein. Ränkekundig meint so viel wie
dunkle, rätselhafte und schwierige Aussprüche, eine Verbindung mit der bösen,
unsichtbaren Welt, die dieser Mensch ausnutzen wird. Ist das heute nicht auch
so? Wenn der Mensch im Unglauben lebt, öffnet er sich für jedes okkulte Angebot.
Wer dem Glauben die Tür versagt, dem steigt der Aberglaube durchs Fenster
(J.F.Gellert). Wo der Glaube keinen Raum hat, wird der Teufel diesen Raum mit
seinen Gedanken ausfüllen. Es wird eine schreckliche Zeit sein, wenn die
Wahrheit zu Boden geworfen werden wird; und diese Zeit wirft ihre Schatten
voraus in unseren Tagen, wo man die Ohren von der Wahrheit abkehrt und sich zu
den Fabeln hinwendet (2. Tim 4,4).
Wo hier im Deutschen unversehens übersetzt wird, übersetzt W.Kelly
by peace, durch Frieden. Der König des Nordens wird durch verfänglichen
Frieden viele verderben. Dieser Mann der Ränke und des Truges wird die Masse in
Sorglosigkeit wiegeln, in eine scheinbare Sicherheit; was er als Friede
vorstellt, ist gar kein Friede; es ist ein Mittel, um die Menschen unversehens
zu verderben. Und er hat Gelingen bei seinem Tun, das wird in diesen Versen
wiederholt betont. Darin wird er sich immer weiter bis hin zum Größenwahn
steigern und sich dann sogar gegen den Fürsten der Fürsten – Christus, den Sohn
des Menschen – auflehnen. Das lenkt den Blick zurück auf Vers 11, wo wir gesehen
hatten, dass Antiochus Epiphanes gegen den Fürsten des Heeres groß tun würde.
Dieser Mann ist also ein großer Feind des Volkes Israel. Das ist auch heute
schon zu beobachten, ständig sind zwischen Syrien und Israel Konflikte und
Spannungen. Die verschiedenen Stellen des Wortes Gottes zeigen, dass dieser
Feind listig vorgehen wird und dass er gewalttätig vorgehen wird. Das sind
übrigens die beiden uralten Taktiken des Teufels: Verführung durch List und
brutale Gewalt. Hier in diesen Versen steht mehr seine List im Vordergrund:
frechen Angesichts, ränkekundig, klug, Trug in seiner Hand. Offensichtlich wird
es den Feinden aus dem Norden gelingen, durch List und Trug einige aus dem Volk
Israel zu verführen. Das wird in der zweiten Hälfte der letzten Jahrwoche
Daniels geschehen. Und ganz am Ende dieser Zeit wird es ganz plötzlich und
unerwartet einen militärischen Angriff geben. Jes 28
schildert den ersten Angriff, Jes 29 den
zweiten Angriff, und in Sach 14 finden wir
dann das Ende dieses Feindes.
Um diesen Feind zu besiegen, wird Gott keinen Menschen benutzen (Jes
31,8; 14,24+25), das wird der Herr Jesus selbst tun. Diese Stellen
aus dem Propheten Jesaja beziehen sich in erster Linie auf die damalige
Situation, wo der Assyrer Sanherib vor den Toren Jerusalems stand, und auch ohne
Menschenhand zurückgeschlagen wurde. Auch dieser Assyrer hatte den Herrn
verhöhnt (Jes 37,23) und deswegen traf ihn
das Gericht. Und er hatte sich auch gegen Gott erhoben (Jes
37,29). Das Gericht traf damals dieses Volk allerdings durch einen
Engel, und der König wurde von seinen Söhnen umgebracht.
Aber auch bei seinem zweiten Angriff auf Jerusalem wird er ein plötzliches
Ende finden, und niemand wird ihm helfen (Dan 11,45).
Was muss das für eine furchtbare Rache sein, wenn Gott Völker unter Seinen Füßen
zertritt wie man einen Wurm zertritt! Und Er wird das tun in Seinem Land, genau
da wo sie gesündigt haben. In dem Moment, wo er sich erhebt gegen den Fürsten
der Fürsten, wird er ohne Menschenhand zerschmettert werden (vgl.
Hiob 34,20). Gott lässt ihn eine Zeit lang
gewähren, Er benutzt ihn als Zuchtrute für Sein eigenes Volk, und trotzdem wird
er für das, was er tut, die volle Verantwortung tragen und dafür das volle
Gericht empfangen. Da haben wir wieder die beiden Seiten des Handelns Gottes:
Sein Zorn, der sich zuerst gegen Israel wendet, richtet sich dann gegen diese
Zuchtrute selbst, wenn der Grimm Gottes gegen Israel zu Ende ist (Jes
10,24+25).
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass alle drei Akteure der Endzeit,
das Haupt des römischen Reiches, der Antichrist und auch der Assyrer durch diese
Selbstüberhebung, diesen Größenwahn gekennzeichnet sein werden. Und alle drei
werden nicht nur ohne Menschenhand, sondern allein durch Mund des Herrn Jesus
vernichtet werden (Off 19,15;
2. Thes 2,8; Jes 30,31–33).
Der Mund, der einmal ausrufen musste: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich
verlassen?“, hat alle Macht und Würde, um jeden Widerstand gegen Ihn durch
Seinen Mund auf ewig zu brechen!
1 Vgl.:
https://www.bibelkommentare.de/index.php?page=dict&article_id=2679
Damaskus war die Hauptstadt des Teiles von Syrien, der oft im Konflikt mit
Israel stand. Es war unter der Regierung Davids erobert worden und Salomo
unterworfen. Nach der Teilung des Königreiches lehnte es sich jedoch auf und war
Israel abermals feindlich gesonnen. Es ging später dann im Assyrischen und im
Babylonischen Reich unter. Anschließend ging es an die Perser über und wurde
dann Alexander, dem Großen, unterworfen. Nach seinem Tod kam es unter die
Herrschaft Seleukos I. Nikators, der Antiochien erbaute und zu seiner Hauptstadt
machte.
Online seit dem 01.08.2015, Bibelstellen:
Daniel 8,26-27
„Und das Gesicht von den Abenden und von den Morgen, wovon gesprochen
worden ist, ist Wahrheit; und du, verschließe das Gesicht, denn es sind noch
viele Tage bis dahin“ (Vers 26)
Dieser Vers bezieht sich auf Vers 14 und ist eine Bekräftigung und
Bestätigung dessen, was Daniel gesehen hatte. Aber er sollte es noch
verschließen, weil seine Erfüllung erst viele Jahre später geschehen würde. Die
Nah-Erfüllung in Antiochus Epiphanes würde erst in 200 bis 300 Jahren erfolgen;
was die treuen Glaubenshelden in Israel da erleiden mussten, lesen wir in
Heb 11, 34 ff.. Aber Gott hat all
diese Dinge in Seiner Hand und kennt das Ende schon von Anfang an, was für ein
starker Trost!
Nach der Rückkehr der Juden aus Babylon übrigens fing man auch als erstes mit
dem Wiederaufbau des Altars an, und auch dort wird gerade dieses Morgen- und
Abendbrandopfer besonders erwähnt (Esra 3,3).
Wenn uns das antreibt, dass Gott Seine Opfer auf eine gottgemäße Weise wieder
bekommt, dann können wir von einer Rechtfertigung des Heiligtums sprechen. Nach
der historischen Erfüllung dieses Gesichts von Daniel 8
unter Antiochus Epiphanes ist der Tempel durch die Makkabäer auch wieder
gereinigt und geweiht worden, so dass man Gott wieder Seine Opfer darbringen
konnte, wo Ihm aufs neue Anbetung gebracht wurde. Dann wurde dieser Tag als das
Fest der Tempelweihe festgesetzt, aber schon unter den Juden zur Zeit des Herrn
Jesus war es zu einem Fest toter Formen geworden (Joh
10,22 ff.), dem Chanukka-Fest im Winter. Rituell hatten sie
das Haus Gottes eingeweiht, aber innerlich waren sie weit entfernt von Ihm. Als
der Herr Jesus an diesem Fest Zeugnis vor den Juden ablegte, hoben sie Steine
auf, um Ihn zu steinigen.
Wenn dem Daniel gesagt wird, dass er das Gesicht verschließen sollte, dann
wird dabei im Hebräischen ein anderes Wort für Gesicht gebraucht, was mehr auf
die autorisierte Auslegung des Gesichtes durch Gabriel hinweist, als im ersten
Teil des Verses, was mehr den eigentlichen Vorgang des Schauens beschreibt. Also
nicht nur das Gesicht selbst war wahr, sondern die Auslegung desselben sollte
noch verschlossen bleiben, denn sie war auf das Ende gerichtet (vgl.
Dan 12,4+9). Die Bedeutung könnte erst dann
erfasst werden, wenn dieses Ende gekommen sein würde – sowohl in der
historischen Erfüllung als auch noch zukünftig in der prophetischen Erfüllung.
Für die, die sich dann in diesen Umständen befinden würden, sind diese Dinge
geschrieben, damit sie durch den Fortgang der Ereignisse nicht verunsichert
würden.
Und Gott wird zu Seinem Ziel kommen! Am Ende dieser Ereignisse in der Zukunft
wird Sein Heiligtum wieder gerechtfertigt werden, Er wird Seine Opfer wieder
bekommen. Dann wird die Erde voll sein der Erkenntnis des Herrn, wie die Wasser
den Meeresgrund bedecken und die Ruhestätte Gottes wird Herrlichkeit sein (Jes
11,9+10; Hab 2,14)!
„Und ich, Daniel, war erschöpft und war einige Tage krank. Dann stand
ich auf und verrichtete die Geschäfte des Königs. Und ich war entsetzt über das
Gesicht, und niemand verstand es“ (Vers 27)
Es ist bewegend zu sehen, wie dieser alte Mann durch das Sehen dieses
Gesichtes krank wurde. Aber dann stand er wieder auf und verrichtete in Treue
seine Aufgaben bei dem König. Auch auf uns kommen Nöte zu, die uns im Blick auf
das Volk Gottes beschäftigen, schwierige Umstände in den einzelnen örtlichen
Versammlungen, und doch geht das Leben weiter. Tag für Tag muss die Arbeit
weiter getan werden. Der Anfang des Verses zeigt die Krankheit Daniels, das Ende
des Verses sein Entsetzen, aber dazwischen lesen wir, dass er seine täglichen
Verpflichtungen weiter erfüllte. Er ließ sich durch diese innere Last auf seinem
Herzen im Blick auf sein Volk nicht davon abhalten, in Treue weiter zu arbeiten.
Und er war allein dabei, er hatte niemanden, der das verstand.
Vielleicht ist nach der Betrachtung dieser schwierigen Kapitel auch mancher
von uns erschöpft und hat nicht alles gleich richtig verstanden, wie es bei
Daniel der Fall war. Suchen wir dann Verständnis darüber (Vers 15)? Wenn der
Herr bei uns dieses Verlangen sieht, wird Er uns Verständnis schenken (Spr
2,3–5). Ist durch die Betrachtung dieser Kapitel unser Interesse an
den prophetischen Schriften wachgerufen worden? Dann wird der Herr auch im Blick
auf uns sagen: „Gib diesem das Gesicht zu verstehen“ (Vers 16).
Online seit dem 28.02.2016, Bibelstellen:
Daniel 9,1-2
Einleitung zu Daniel 9
In diesem Kapitel 9 nimmt Daniel gegenüber den vorhergehenden Kapiteln eine
ganz neue Position ein. Ab Kapitel 2 sehen wir ihn als den Deuter von Seiten
Gottes über Träume und Gesichte, die andere gehabt haben. In den Kapiteln 7 und
8 ist er direkter Empfänger von Gesichten und Offenbarungen Gottes, Gefäß von
Offenbarungen Gottes. Aber jetzt in Kapitel 9 kommt er in dem Charakter eines
Forschers der Heiligen Schrift vor uns; und durch dieses Erforschen wird er ein
Fürbitter für das schuldige Volk vor Gott. Wir erkennen darin zwei hervorragende
Charakterzüge bei ihm:
·
er liebte das Volk Gottes über die Maßen, obwohl
Lo-Ammi darauf geschrieben stand
·
er liebte die zerstörte Stadt Jerusalem, den Ort,
wo Gott Seinen Namen hatte wohnen lassen
Es scheint gerade diese Liebe zu seinem Volk und dieser zerstörten Stadt zu
sein, die ihn forschen ließ in der Heiligen Schrift des Alten Testaments. Es ist
ergreifend, diesen alten Mann zu sehen, wie er sich über das Wort Gottes beugt.
Er sucht eine Antwort auf die lange währende Gefangenschaft seines Volkes – und
er findet sie!
Wahrscheinlich waren die siebzig Jahre der Gefangenschaft zu diesem Zeitpunkt
noch nicht ganz abgelaufen, aber es stand kurz bevor. Die von Daniel gefundenen
Stellen im Propheten Jeremia betonen einerseits die Seite der Bestrafung für das
Volk Israel (Jer 25,11) und andererseits
mehr das Erbarmen Gottes gegenüber Seinem Volk (Jer
29,10). Es muss Daniel tief bewegt haben, dass dieser Zeitpunkt ganz
nah bevorstand, und das weckte in ihm das Bedürfnis, sich mit der Sünde dieses
Volkes eins zu machen und seine Schmach zu teilen. Er wusste, wenn Gott das Volk
zurückführen und wieder segnen will, dann muss es innerlich zubereitet werden
und umkehren und seine Sünden bekennen. Er fühlte, dass das Volk nicht in dem
Zustand war, um die Segnung der Wendung der Gefangenschaft und des Zurückführens
in das Land zu empfangen. Deshalb beugt er sich in einer beispiellosen Art in
diesem Gebet in den ersten neunzehn Versen. Möchte die Betrachtung dieses
wunderbaren Gebetes uns alle tief beeindrucken, denn in unseren Tagen und in
unserer Mitte sieht es auch sehr böse aus, gerade auf sittlichem Gebiet. Wir
müssen nicht denken, das beträfe nur andere Gläubige, es ist unser eigener
ernster und tief beschämender Zustand!
Es sind insgesamt drei Erweckungen, die zu diesem Ergebnis führten, dass das
Volk wieder in das verheißene Land zurückkehren konnte, und alle gehen von Gott
aus:
·
zuerst wurde Jeremia von Gott
erweckt; Gott gab ihm eine besondere Offenbarung über die Länge der
Gefangenschaft in Babylon
·
dann erwählte Gott sich in Daniel
einen Mann, der nach Seinem Herzen war und den Er den Vielgeliebten nennt;
dieser Mann war in der Kette der Ratschlüsse Gottes eine ganz wichtige Person,
weil er als Fürsprecher auftrat für das schuldige Volk
·
und dann erweckte Gott als dritten den
Kores, den König der Perser (Esra 1,1+2);
der sollte das Werkzeug sein, um die erste Rückführung eines großen Teiles des
Volkes nach Palästina zu gewähren
Wir lernen daraus wieder, wie wir schon so oft in diesem Buch gesehen haben,
dass letzten Endes Gott es ist, der alles in Seiner Hand hat und die Dinge so
lenkt, wie Er es will.
Für eine gewisse Gliederung dieses langen Kapitels kann die folgende
Einteilung hilfreich sein:
·
Verse 1–3: die Veranlassung für dieses Gebet
Daniels
·
Verse 4–6: Daniel macht sich mit der Schuld und
Sünde des Volkes eins
·
Verse 7–15: Daniel rechtfertigt Gott in Seinem
Handeln mit dem Volk
·
Verse 16–19: Daniels Bitte um das Erbarmen Gottes
·
Verse 20–27: die Antwort Gottes auf das Gebet
Daniels
Diese Reihenfolge ist sehr zu beachten: Zuerst muss die Gerechtigkeit Gottes
anerkannt werden, bevor wir Seine Barmherzigkeit anrufen können!
„Im ersten Jahr Darius‘, des Sohnes Ahasveros‘, aus dem Geschlecht der
Meder, der über das Reich der Chaldäer König geworden war, im ersten Jahr seiner
Regierung verstand ich, Daniel, in den Schriften die Zahl der Jahre, bezüglich
derer das Wort des Herrn an den Propheten Jeremia ergangen war, dass nämlich 70
Jahre für die Verwüstung Jerusalems vollendet werden sollten“ (Vers 1+2)
Daniel kam nicht durch die Umstände, in denen er sich befand, zu der Einsicht
über das nahe bevorstehende Ende der Gefangenschaft, sondern aus dem Studium der
Schriften. Das ist im Blick auf prophetische Ereignisse auch für uns ein
wichtiger Gedanke: wir müssen nicht historische Zeitereignisse als Anlass
nehmen, um die Gedanken Gottes im Blick auf Sein Volk erkennen zu können. Daniel
hatte sein Verständnis auch nicht aus den Schriften der Chaldäer gewonnen, in
denen er unterwiesen worden war (Dan 1,4),
sondern aus den bis dahin bekannten Schriften des Wortes Gottes. Offensichtlich
kannte er auch das Gebet Salomos, das dieser bei der Einweihung seines Tempels
gesprochen hatte, denn er drückt sich ganz ähnlich aus, wie Salomo es seinerzeit
ausgesprochen hatte (1. Kön 8,45–53).
Dieses Gebet Salomos übrigens geht zurück auf 5. Mo
30,1–5. Diese Zusammengehörigkeit der bis dahin verfügbaren Schriften
kannte Daniel.
Natürlich kann Gott daneben auch äußerliche Anlässe benutzen, um uns
anzustoßen. Es ist ja nicht unwichtig, zu sehen, dass dieses Verständnis Daniels
genau zu dem Zeitpunkt gereift war, wo der Wechsel zwischen dem babylonischen
und dem medo-persischen Weltreich stattfand. Aus der Erklärung, die Gott ihm
über den Traum Nebukadnezars in Daniel 2 gegeben
hatte, und auch aus der ihm in Daniel 7 gegebenen
Schau über die Aufeinanderfolge der vier verschiedenen Weltreiche, musste gerade
jetzt bei dem Beginn des zweiten Weltreiches die Frage aufkommen, wie es mit
seinem Volk, für das er ein so brennendes Interesse hatte, weitergehen würde.
Ein Teil der Prophezeiung Jeremias war also schon in Erfüllung gegangen (Jer
25,12–14), das babylonische Weltreich war von dem medo-persischen
Reich dienstbar gemacht worden. Aber das war gar nicht das Hauptinteresse
Daniels, ihm ging es um das Volk Gottes und um die Stadt Jerusalem, dass die
Verwüstung Jerusalems ein Ende haben würde.
Hinsichtlich der beiden aus dem Propheten Jeremia erwähnten Stellen (Jer
25,11+12; 29,10) ist zu beachten, dass nach
Jer 25,1 schon im ersten Jahr der babylonischen Gefangenschaft
dieser Hinweis auf die siebzigjährige Dauer der Gefangenschaft gegeben wird.
Ganz am Anfang dieser Zeit hatte Gott schon das Ende festgelegt. Die zweite
Stelle ist Teil eines Briefes, den Jeremia an die Weggeführten in der
babylonischen Gefangenschaft geschrieben hatte (Jer
29,1). Damit hat Gott direkt einen Teil Seiner Schrift Seinem Volk in
die Hände gegeben.
Es ist bemerkenswert, mit welchen Worten Daniel über diese 70 Jahre spricht.
Es sind 70 Jahre, die für die Verwüstung oder die Trümmer Jerusalems vollendet
werden sollten. Er stellt sich unter dieses Handeln Gottes im Gericht an Seinem
irdischen Volk. Diese Haltung prägt sein ganzes Gebet. Er anerkannte, dass das
Volk das bekommen hatte, was es verdient hatte. Das ist die eine Seite; und auf
der anderen Seite wendet sich Daniel deshalb in seiner Fürbitte an die
Erbarmungen Gottes (Vers 18). Es ist auch das einzige Kapitel in diesem Buch, in
dem Gott als der Herr angesprochen wird. Daniel ist sich der Beziehung Gottes zu
diesem Volk wohl bewusst. Aber er hat auch ein Bewusstsein von dem, was Gott in
sich selbst ist, deshalb spricht er auch an den Stellen, an denen es angemessen
ist, von Ihm als dem Herrn (Adonai), der Autorität besitzt, und dieser Autorität
hatte sich das Volk nicht unterworfen.
Ein weiterer Gesichtspunkt bei diesen 70 Jahren Gefangenschaft ist der, dass
Gott dieses Gericht schon im Voraus angekündigt hatte für den Fall, dass das
Volk Ihm widerstehen würde (z.B. 3. Mo 26,27
ff), und Er beschreibt diese Wegführung aus dem Land damit, dass das Land
dann seine Sabbate nachholen würde (Vers 34+43). Und in
2. Chr 36,20+21 kommt Er dann noch einmal auf diese Ausdrucksweise
zurück und beschreibt die Dauer dieser Zeit mit 70 Jahren. Geht es uns nicht
dabei zu Herzen, dass Gott trotzdem in 3. Mo 26,44
zugesichert hatte, dass Er sie während dieser Zeit nicht verachten und
verabscheuen und vernichten würde?
Es ist schon häufig gesagt worden, dass die Zahl von 70 Jahren Gefangenschaft
gar nicht korrekt sei, dass die babylonische Gefangenschaft nur 50 Jahre gewährt
hätte. Wir müssen dabei aber berücksichtigen, dass es in Jerusalem zur Zeit
Nebukadnezars drei Belagerungen und Eroberungen und Wegführungen gab (siehe auch
Anhang zur Elberfelder Übersetzung „Das geteilte Reich“). Die erste Wegführung
geschah im Jahr 606/605 v.Chr. unter dem König Jojakim, wo ein Teil der Geräte
des Tempels und auch ein Teil der Bevölkerung weggeführt wurde. Dann gab es eine
zweite Wegführung im Jahr 597 v.Chr. unter König Jojakin; und die dritte
Wegführung fand statt im Jahr 586 v.Chr. unter dem König Zedekia und war
verbunden mit der Zerstörung des Tempels und der Wegführung des großen Teiles
des Volkes. Die Wegführung Daniels gehörte zur ersten Wegführung unter Jojakim,
d.h. die Zählung der 70 Jahre begann tatsächlich 606/605 v.Chr.. Und wenn man
von da an rechnet, sind es bis zum Ende der Gefangenschaft im Jahr 536 v.Chr.
genau 70 Jahre.
Inspiration und der Kanon der Heiligen Schrift
Hier wird zum ersten Mal in Gottes Wort von den Schriften gesprochen.
Wir wissen, dass die Bibel, so wie wir sie heute in Händen haben, nicht in einem
Zug gegossen worden ist, sondern dass sie über einen Zeitraum von bald 1500
Jahren entstanden ist. Woher wusste Daniel damals, dass die Schriften von
Jeremia Heilige Schrift sind? Woher können wir heute eigentlich wissen, was
Heilige Schrift ist? Gott sagt uns hier nicht, wie Daniel das anerkannt hat,
aber wir sehen, dass er es anerkannt hat. Ein Mann, der selbst inspirierter
Schreiber von Gottes Wort war, anerkennt die Schrift eines anderen Juden, die
gerade erst wenige Jahrzehnte vorher entstanden war (Jeremia hatte am Anfang und
zum Teil während der Gefangenschaft geschrieben). Jeremia hatte Briefe nach
Babylon geschrieben (Jer 29,1), es hatte
schon Beziehungen zwischen Jerusalem und den im Exil lebenden Juden in Babylon
gegeben. Wir sehen, dass ein Schreiber (Daniel) in einer relativ kurzen Zeit
nach der Verfassung des Buches Jeremia dieses Buch in die Hand bekommt. Und
dieser Schreiber, selbst inspiriert von Gott, achtet es als Heilige Schrift.
Das ist übrigens eines von vier ganz markantes Beispiel dafür, wie der Kanon
der Heiligen Schrift entstanden ist: Ein kompetenter Beurteiler (Daniel), der
selbst ein inspirierter Schreiber war, sagt von diesem Buch (Jeremia), dass es
Heilige Schrift ist, vom Heiligen Geist inspiriert ist. In
Jer 26,18 haben wir einen ähnlichen
Vorgang. Da erwähnten die Ältesten von Juda, als Jeremia von den Fürsten des
Volkes umgebracht werden sollte, den Propheten Micha, der einige Jahrzehnte
vorher geweissagt hatte, und sie zitieren aus seiner Weissagung gegen Hiskia und
anerkennen ihn als Boten Gottes und damit seine Schrift als inspiriertes Wort
Gottes. Die anderen beiden Beispiele finden wir im Neuen Testament: In
1. Tim 5,18 zitiert der Apostel Paulus in
einem Atemzug sowohl eine Stelle aus 5.Mose als auch aus dem Lukas-Evangelium
und nennt beides die Schrift sagt. Lukas war ein Schreiber, der zur
gleichen Zeit wie Paulus selbst schrieb; der begnadete Apostel Paulus anerkennt
die Schrift seiner Mitarbeiters Lukas ohne irgendwelche Einschränkungen genauso
als Wort Gottes wie die Bücher Mose. Und die vierte Stelle finden wir in
2. Pet 3,15+16, wo Petrus die Briefe des
Apostels Paulus als Wort Gottes anerkennt, wenn er alle seine Briefe auf den
gleichen Boden stellt wie die übrigen Schriften – die übrigen Schriften
sind die Schriften des Alten Testaments. Diese vier Stellen zeigen den Ursprung
und den Charakter der Anerkennung von inspirierten Schriften als Gottes Wort.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil ja oft gesagt wird, das auf einem
Konzil von kirchlichen Würdenträgern festgelegt wurde, was zur Heiligen Schrift
gehört und was nicht. Das ist überhaupt nicht der Fall. Die Kanonisierung der
Heiligen Schrift geschah also durch kompetente Beurteiler, die von Gott
unmittelbar nachdem die Dinge geschrieben worden waren, dazu beauftragt waren,
sie als Gottes Wort anzuerkennen – bei den Juden der Teil des Alten Testaments
und bei den Christen der des Neuen Testaments. Wer hätte ein Recht, dagegen
anzugehen? Diese jeweils zwei Beispiele des Alten Testaments und des Neuen
Testaments zeigen, wie alle Schriften sofort anerkannt wurden. Später dann,
Anfang des 2.Jahrhunderts, sollten noch weitere Schriften hinzugefügt bzw.
vorhandene und anerkannte gestrichen werden. Im 4.Jahrundert dann wurde von
mehreren Bischöfen festgestellt und bestätigt, was bis dahin schon immer von
allen rechtgläubigen Christen als Bücher des Wortes Gottes anerkannt worden war.
Also in Gottes Wort selbst wird festgelegt, was die Schriften sind. Wie
dankbar dürfen wir sein, dass über das, was wir heute als Bibel in der Hand
halten, niemals ein fundamentaler Streit existiert hat, selbst nicht von Feinden
des Christentums. Gott hat dafür Sorge getragen, dass das bis heute
ungeschmälert als Wort Gottes anerkannt und überliefert worden ist! Es ist ein
unschätzbares Vorrecht, das Wort Gottes in Händen halten zu dürfen. Paulus hatte
schon den Römern geschrieben, dass der große Vorteil der Juden war, dass ihnen
die Aussprüche Gottes anvertraut worden waren (Rö
3,1+2). Bis heute sind sich die Juden dieser Bevorrechtigung, als
einzige Nation das Wort Gottes zu besitzen, in keiner Weise bewusst. Heute sind
die Schriften uns anvertraut, und wie gehen wir persönlich mit diesem Vorrecht
um? Erforschen wir die Schriften voller Ehrfurcht und lassen unser Leben davon
lenken und leiten – ohne wenn und ohne aber?
Online seit dem 01.03.2016, Bibelstellen:
Daniel 9,3-4
„Und ich richtete mein Angesicht zu Gott, dem Herrn, um ihn mit Gebet
und Flehen zu suchen, in Fasten und Sacktuch und Asche“ (Vers 3)
Daniel bricht hier nicht in einen begeisterten Jubel aus, als er zu der
Erkenntnis gelangt ist, dass die Zeit der Gefangenschaft zu Ende geht. Nein, er
erkennt, dass Gottes Handeln mit Seinem irdischen Volk in dieser 70-jährigen
Gefangenschaft notwendig war wegen der Schuld, die dieses Volk aufgehäuft hatte.
Er macht sich jetzt mit den Zeichen tiefster Trauer und Demütigung eins mit der
Schuld dieses Volkes. Eine sehr beispielgebende Haltung auch für unsere Tage!
Drei besondere Kennzeichen werden über die innere Haltung Daniels gesagt: er
konzentrierte sich in seinem Gebet auf das Wesentliche, er richtete sein
Angesicht zu Gott; sein ganzes Augenmerk war jetzt darauf gerichtet, zu Gott
zu reden, und dabei wollte er sich durch nichts ablenken lassen. Er suchte
Gott in seinem Gebet, er hatte eine gewisse Erwartungshaltung an seinen
Gott; er suchte Hilfe nur da, wo er genau wusste, dass er sie finden konnte.
Dass er es mit Gebet und Flehen tat zeigt, dass es von ihm ein intensives
Gebet war. Bei Daniel stimmte das Innere mit dem Äußeren überein, seine innere
und äußere Haltung passten zusammen. Das hat auch uns etwas zu sagen: man kann
nicht flehen in einer entspannten, gemütlichen Haltung. Bei der Betrachtung von
Kapitel 6 haben wir vor einem Jahr sehr eindrücklich über das Gebet Daniels
gesprochen (Dan 6,11+12). Hat sich dadurch
in unserem Gebetsleben etwas verändert? Unsere Gebetshaltung, unsere
Gebetsinhalte? Ein Jahr hat uns Gott seitdem noch gegeben – hat sich in dieser
Zeit etwas in meinem persönlichen Gebetsleben verändert? Wird sich durch die
Betrachtung dieses Kapitels etwas verändern?
Ehe Daniel sich mit den Sünden des Volkes eins macht und diese Schuld
bekennt, ist er persönlich in der Verfassung, die dazu nötig ist. Dieser Mann
war vor Gott gedemütigt, und er ließ das kundwerden durch das Fasten und durch
die Asche, die er auf sein Haupt streute. Er verzichtete auf Speise und Trank.
Heute liegt für uns mehr eine geistliche Bedeutung in dem Fasten. Es kommt nicht
so sehr auf das tatsächliche Verzichten auf Speisen an, sondern der
entscheidende Punkt ist, dass wir innerlich auf alles verzichten (Jes
58,6+7), was uns ablenken könnte, unsere Angelegenheit vor Gott
auszubreiten – Verzicht auf Dinge, die wir normalerweise tun dürfen, aber die
uns abhalten könnten. Und in dem Sacktuch und der Asche finden wir, dass sich
die innere Haltung Daniels dann auch in seinem Äußeren wiederspiegelt.
Eine ganz ähnliche Haltung finden wir auch bei Nehemia, als er hörte, wie
erschütternd der Zustand Jerusalems war (Neh 1,4);
er setzte sich hin und weinte und trug Leid tagelang. Warum setzte er sich hin?
Sind ihm vielleicht die Knie weich geworden vor lauter Leid? Die Belehrung aus
der Haltung Nehemias und Daniels für unsere Tage ist die: Ehe wir uns einsmachen
können mit Sünde, die in unserer Mitte geschieht, die also unsere Sünde ist,
müssen wir vor Gott in einem gebeugten Zustand sein! Wir können das nicht
nebenbei tun oder der Form nach, weil das von uns erwartet wird – es muss uns
tief demütigen, dann wird der Herr auch uns gebrauchen können.
Diese innere Verfassung und das Herzensinteresse Daniels rufen die ganze
Anerkennung Gottes hervor und Er nennt ihn einen Vielgeliebten (Dan
9,23; 10,11) und antwortet sofort auf dieses Gebet (Vers 20). Solche
treuen Leute wie auch Nehemia, die in tiefer Betroffenheit die Geschicke
Jerusalems und auch des ganzen Volkes Gottes auf dem Herzen tragen, haben die
ganze Zustimmung Gottes. Auch bei Esra finden wir die gleichen inneren
Erschütterungen, als er feststellen musste, dass nach der Rückführung aus der
babylonischen Gefangenschaft und dem Bau des Tempels wieder alte Sünden
aufbrachen (Esra 10,1).
Daniel zeigt hier in dieser Fürbitte für das Volk typische Kennzeichen eines
Propheten (1. Mo 20,7). Ein Prophet ist
nicht nur jemand, dem Gott etwas offenbart und der dann das Sprachrohr Gottes
ist; es ist auch das Wesen eines Propheten, für andere zu Gott zu sprechen (vgl.
Jer 27,18). Jeremia sagt da praktisch, dass
es einen Beweis dafür gibt, ob ein angeblicher Prophet ein echter Prophet ist,
nämlich wenn er Fürbitte tut für das Volk. Diese beiden Seiten des prophetischen
Dienstes finden wir sehr ausgeprägt bei Samuel; er hatte sowohl für Gott zu dem
Volk gesprochen, und er hatte auch für das Volk zu Gott gesprochen.
„Und ich betete zu dem Herrn, meinem Gott, und ich bekannte und sprach:
Ach, Herr, du großer und furchtbarer Gott, der den Bund und die Güte denen
bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten!“ (Vers 4)
Daniel hatte Gemeinschaft mit Gott über das, was er in den Schriften gefunden
hatte. Das Untersuchen der Schriften und dann damit im Gebet zu Gott gehen, ist
der Schlüssel dazu, weiteres Verständnis über die Wege Gottes zu bekommen!
Daniel betete jetzt auch nicht für äußerliches Wohlergehen seines Volkes, es
geht ihm um den geistlichen Zustand derer, die zu dem Volk Gottes gehören. Das
sollten wir auch einmal im Blick auf unsere Gebete bedenken. Wofür beten wir in
unseren Gebetsstunden? Haben wir nicht auch in der Praxis unseres
Versammlungslebens manchmal die Notwendigkeit, uns gemeinsam zu schämen und zu
beugen vor unserem Gott? Aber wir sollten uns davor hüten, in unseren
öffentlichen Gebeten Dinge anzusprechen, die noch gar nicht öffentlich sind! Wir
sollten da sehr sorgfältig erwägen, ob es angemessen ist, öffentlich über eine
solche Sache zu beten; der geeignetere Ort wäre dann doch die Brüderstunde.
Es ist sehr wichtig, dass dabei erst bei jedem von uns eine persönliche
Demütigung vorausgehen muss, bevor es zu einer gemeinsamen Demütigung kommen
kann. Einmütigkeit in der Beurteilung einer solchen Sache ist unabdingbar dabei.
Wenn wir keine Einmütigkeit darüber haben, ist es kaum möglich, sachlich und mit
tiefen Empfindungen darüber zu beten, weil es dann sehr leicht dazu kommt, dass
gegeneinander gebetet wird. Wie wichtig ist es dabei, dass wie hier bei Daniel
zuallererst das Wort Gottes seine heiligende Wirkung auf unsere Herzen nimmt.
Und so beginnt Daniel sein Gebet mit einem Bekenntnis. Persönlich konnte er
für den Zustand seines Volkes nichts, aber er macht es sich zu eigen; er bekennt
etwas, was nicht seine eigene Schuld war. Erinnert er uns dabei nicht an unseren
Herrn, der sich – sicher in einem weit höheren Maß – auch Schuld zu eigen
machte, die nicht Seine Schuld war?
Dieser Mann, der innerlich vielleicht nur mit ganz wenig anderen Gott so nahe
stand und ein tiefes Bewusstsein davon hatte, wer Gott war, der spricht Ihn
jetzt als den großen und furchtbaren Gott an. Auch bei Nehemia finden wir das
gleiche Empfinden und die gleiche Anrede (Neh 1,5).
Gottesfürchtige Menschen haben die gleiche innere und äußere Haltung vor Gott,
haben ein übereinstimmendes Bewusstsein davon, wer Gott ist: groß – über allem
stehend; furchtbar – züchtigend, wo Zucht zu üben ist. Wir wollen nie vergessen,
wer Er ist, mit dem wir es zu tun haben! Wir kennen Ihn in dem Herrn Jesus als
unseren Vater, aber Er ist und bleibt auch der große und furchtbare Gott, der
ein verzehrendes Feuer ist (Heb 12,29).
Diese übereinstimmende Anrede bei Nehemia und Daniel zeigt auch, dass beide
gottesfürchtigen Männer die Heiligen Schriften gekannt haben und Ausdrücke
benutzten, die schon vorher im Blick auf Gott genannt wurden. In
5. Mo 7,21 finden wir, dass Gott von sich
selbst sagt, dass Er in ihrer Mitte ist, „ein großer und furchtbarer Gott“. Es
ist ein Ausdruck der Heiligen Schrift, und wir lernen daraus, dass wir auch in
unseren Gebeten uns auf das stützen dürfen, was Heilige Schrift ist. Salomo
spricht in seinem Gebet bei der Einweihung des Tempels davon, dass Gott „den
Bund und die Güte seinen Knechten bewahrt“ (1. Kön
8,23). Wenn das Volk Israel so tief gesunken ist, wie es hier der
Fall war, dann lag das nicht an dem Bund Gottes, denn Gott hält Seinen Bund und
wird immer danach handeln.
Wir müssen auch beachten, dass sich Daniel hier bewusst ist, gar keinen
Anspruch auf die Güte Gottes erheben zu können. Wenn er hier von dem Bund und
der Güte Gottes spricht, dann verweist er auf einen Bund mit Bedingungen: er
gilt nur solchen, die Gott lieben und die Seine Gebote halten. Das Volk hatte
das gerade nicht getan, und Daniel anerkennt hier, dass es keinen gerechten
Anspruch auf die Güte Gottes mehr gab.
Online seit dem 03.03.2016, Bibelstellen:
Daniel 9,5-6
„Wir haben gesündigt und verkehrt und gottlos gehandelt, und wir haben
uns empört und sind von deinen Geboten und von deinen Rechten abgewichen“ (Vers
5)
Dieses Gebet Daniels hat zwei Hauptpunkte: der erste Punkt ist Bekenntnis
(Vers 5+6), und der zweite Punkt ist das Anerkennen der Gerechtigkeit Gottes
(Vers 7). Daniel bestätigt, dass es gerecht von Gott war, wenn Er mit diesem
Volk nun so im Gericht handelte.
Wir stellen uns vielleicht die Frage, warum Daniel sich so mit der Sünde des
Volkes einsgemacht und sich darunter gestellt hat, obwohl er persönlich doch
innerlich und äußerlich völlig rein war davon? Als erstes ist es so, dass
bei jeder Sünde, die damals in Israel oder heute in der Versammlung geschehen
ist, jeder ernste Gläubige sagen muss, dass er zu der gleichen Sache fähig wäre,
weil er in seiner Natur um keinen Deut besser als andere ist. Und ein zweiter
Gesichtspunkt ist, dass Daniel ein Teil dieses Volkes Israel war und sich
nicht daraus entfernen konnte, um von außen über dieses Volk zu richten. Mose
hatte auch diese vor Gott sehr wohlgefällige Haltung zum Ausdruck gebracht,
nachdem das Volk diese Sünde mit dem goldenen Kalb begangen hatte (2.
Mo 34,9). Auch Nehemia zeigte eine solche Haltung (Neh
1,6 letzter Satz). Und wenn wir an Achan denken, der in seiner
Untreue von dem Verbannten genommen hatte, dann sagt Gott zu Josua: „Israel hat
gesündigt“ (Jos 7,11). Er identifiziert das
ganze Volk mit der Sünde eines Einzelnen.
Und das gilt noch in viel stärkerem Maß für unsere Tage im Blick auf die
Versammlung. Ich bin eins mit den Gläubigen, bilde mit ihnen den einen Leib; und
wenn ich den Zustand der Versammlung sehen, kann ich nicht von oben herab
darüber richten. Warum nicht? Weil ich selbst ein Teil davon bin! Das dürfen wir
nie vergessen. Wenn ich auch nur ein richterliches Wort über den Zustand der
örtlichen Versammlung ausspreche, spreche ich das gegen mich selbst aus! Wenn
ich noch nie eine Träne vergossen habe über den Zustand des Volkes Gottes
unserer Tage, dann habe ich noch nicht wirklich empfunden, was es bedeutet: „Wir
haben gesündigt“! Das gleiche gilt auch im Blick auf die gesamte Christenheit,
von der wir auch ein Teil dieses Bekenntnisses sind. Es beugt uns doch tief, wie
viel Böses im Namen des Herrn in der Christenheit getan wird! Diese Anwendung
auf die Namens-Christenheit können wir machen, wenn wir daran denken, dass auch
in dem Volk Israel als einer erlösten Nation nicht alle Männer und Frauen
wirklich an Gott glaubten, und doch Daniel in seinem Bekenntnis in Vers 11
ausdrücklich ganz Israel mit einbezieht – nicht nur die zwei Stämme Juda,
sondern auch die übrigen zehn Stämme. Wir sind heute alle in diesem großen Haus
(2. Tim 2,20) und können nicht daraus
herausgehen, und wir müssen uns unter das beugen, was der Mensch daraus gemacht
hat. Wir dürfen und sollen uns an Gott erfreuen, aber wir sollten nicht einen
Moment vergessen, dass das Volk Gottes unter unserer Verantwortung in Trümmern
liegt! Der Genuss am Herrn Jesus wird uns nie trennen von dem Einsmachen mit
unserem Zustand.
Die Juden waren unter der Zucht Gottes in die Gefangenschaft nach Babylon
gekommen und hatten sich gegen diese Strafe Gottes empört und wollten es nicht
akzeptieren, dass sie von einem heidnischen Volk besiegt worden waren. Dagegen
hatte sich Jeremia unter der Leitung des Heiligen Geistes in einem Brief an die
Juden in Babylon gewandt und sie aufgefordert, sich unter die Strafe Gottes zu
beugen; und statt sich gegen die Stadt Babel aufzulehnen, sollten sie den
Frieden dieser Stadt suchen (Jer 29,1–7).
Diese Haltung des sich unter die Strafe Gottes stellen bringt Daniel hier in
seinem Bekenntnis zum Ausdruck. Das ist eine sehr geistliche und vor Gott sehr
wohlgefällige Haltung!
Daniel gebraucht hier fünf verschiedene Ausdrücke, um die Sünde des
Abweichens des Volkes zu schildern: gesündigt – verkehrt gehandelt – gottlos
gehandelt – empört – abgewichen. Er tut das nicht, um sich einfach nur
abwechslungsreich auszudrücken, sondern er tut das in dem Bewusstsein, was Sünde
des Volkes Gottes in den Augen Gottes ist. Es scheint auch, dass sich Daniel
dabei auf das Gebet Salomos stützt, wo dieser in 1.
Kön 8,47 ganz ähnliche Formulierungen gebraucht. Sündigen ist
dabei die allgemeinste Form des Nicht-Bewahren und Übertreten der von Gott
gegebenen Gebote. Das verkehrt Handeln wird noch an anderen Stellen in
diesem Kapitel mit Ungerechtigkeit übersetzt (Vers 13); sie hatten nicht nur
gesündigt, sondern direkt das verstossen, was Gottes Gedanken waren.
Gottloses Handeln betont, dass Gott nicht der Beweggrund ihres Handelns war
und sie dadurch Schuld auf sich geladen hatten, dass sie gegen Gottes Gedanken
gehandelt hatten. Empörung ist Rebellion, das Auflehnen gegen die
Autorität Gottes. Abweichen von den Wegen Gottes ist purer Eigenwille, im
Ungehorsam eigenen Wege gehen.
Wir leben heute in Tagen, wo mancherlei Böses aus unserer Mitte
ausgeschlossen werden muss, und zunehmend sind es sittliche Verfehlungen. Und
wir müssen darüber besorgt sein, dass man sich mit einem leichtfertigen
Bekenntnis der Sünde zufrieden gibt, dass böse Dinge ganz schnell übergangen
werden – oft sogar nicht nur bei denen, die das Böse verübt haben, sondern auch
bei denen, die die Zucht ausgeübt haben. Das ist in höchstem Maß demütigend! Ist
die Tiefe des Bösen wirklich schon erkannt und empfunden worden?
Daniel malt es gleichsam in beeindruckender Weise mit ganz konkreten
Benennungen der Sünde in ihrer abscheulichen Vielfalt aus, um aufzuzeigen, was
Sünde ist, und um ein Empfinden dafür zu wecken, was Gott entgegen ist. Wenn wir
Gemeinschaft haben wollen mit Gott, dann müssen wir mit den gleichen
Empfindungen das Böse in unserer Mitte sehen! Und je mehr wir im Licht wandeln,
werden wir die Abweichungen des Volkes Gottes erkennen und sie bekennen. Dass
Daniel so denken und sprechen konnte, war das Ergebnis davon, dass er seinen
Gott kannte und in Gemeinschaft mit Ihm lebte. Und das ist bei aller Traurigkeit
und allem Ernst ein großes Glück. Wenn wir die Dinge so sehen, wie Er sie sieht,
dann sind wir Ihm nahe; und bei allem Ernst macht uns das doch glücklich, so
denken zu können wie Er, Seine Gesinnung zu haben!
Ob es also Mose, Nehemia, Esra oder Daniel waren, alle diese Männer stellten
sich angesichts des Bösen im Volk Gottes auf die Seite Gottes. Und sie stellten
sich auch an die Seite des Volkes Gottes und machten sich eins mit dieser Sünde.
Aber wir finden im Alten Testament einen Mann, der das eben nicht getan hatte:
Elia! Er hatte gesagt: „Ich allein bin übrig geblieben (1.
Kön 19,10+14); er stellte sich nicht an die Seite dieses Volkes. Und
von da an war er unbrauchbar für den Dienst für Gott. Erkennen wir diese Gefahr
nicht auch für uns selbst? Denken wir in tief unseren Herzen nicht auch manchmal
so wie Elia, dass wir uns ein wenig erheben über das Volk Gottes? Das Neue
Testament zeigt uns, welch ein Urteil Gott über eine solche Haltung hat. In
Rö 11,2 sagt Paulus im Blick auf diese
Begebenheit, dass Elia vor Gott auftritt gegen Israel!
„Und wir haben nicht auf deine Knechte, die Propheten, gehört, die in
deinem Namen zu unseren Königen, unseren Fürsten und unseren Vätern und zu allem
Volk des Landes geredet haben“ (Vers 6)
Vers 6 scheint dann noch eine Steigerung zu Vers 5 zu sein. Vers 5 hatte die
Sünde bezeichnet, und es ist schlimm, wenn wir gesündigt haben; aber wenn ein
Prophet kommen muss und auf die Sünde hinweist und das dann abgelehnt wird, dann
ist das doch noch etwas Schlimmeres. Sündigen tut jeder, aber wehe, wenn wir die
Warnungen Gottes darüber ausschlagen – das ist wirklich schlimm! Bruder Darby
hat am Ende seines Lebens einmal gesagt: „Gestern war die Stimme eines Lehrers
notwendig, weil Unwissenheit das Kennzeichen des Volkes Gottes war; heute ist
die Stimme eines Propheten nötig, weil Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit und
Versagen das Kennzeichen des Volkes Gottes ist“ .In der Geschichte des Volkes
Israel scheinen sich die Sünden aus Vers 5 während ihrer ganzen Historie immer
wieder ereignet zu haben, während dieses Böse aus Vers 6 sich deutlich auf die
letzte Zeit vor der Gefangenschaft und Wegführung bezieht (vgl.
2. Chr 36,15+16).
Daniel nennt diese Propheten hier deine Knechte. Sie waren Knechte
Gottes, und es ist etwas überaus Ernstes, wenn Gott einen Propheten schickt und
wenn dieser Prophet im Namen Gottes spricht – und wir hören nicht! Das gilt auch
in unseren Tagen in Bezug auf den örtlichen und überörtlichen Dienst der von
Gott gesandten Propheten. Sie reden im Namen Gottes zu uns (1.
Pet 4,11), und wir sind alle verantwortlich, auf das zu hören, was
Gott uns durch sie zu sagen hat. Und für diese Propheten gilt auch, dass sie
furchtlos das sagen sollen, was Er ihnen in Seinem Namen zu reden aufgetragen
hat – ohne Ansehen der Person.
Dieser Vers zeigt auch, wie universal das Vergehen Israels war. Das Böse
hatte eine große Spannweite, Könige, Fürsten, Väter und sogar alles Volk des
Landes, jeder Einzelne egal in welcher Stellung, hatte sich schuldig gemacht. In
Vers 7 und 11 betont Daniel noch einmal, dass ganz Israel treulos gewesen
und abgewichen ist. Aber in der Reihenfolge, wie er sie alle hier aufzählt,
zeigt er doch, dass er auch ein Empfinden für Verantwortlichkeit hat, denn er
beginnt bei denen, die die größte Verantwortung trugen. Gott spricht uns alle
an, wir sind ein Teil des Ganzen, und doch gibt es besondere
Verantwortlichkeiten. Auch dies ist ein Beispiel des geistlichen
Unterscheidungsvermögens Daniels.
Es ist auch schön, zu sehen, dass es hier doch einen gab, der auf die Stimme
der Propheten gehört hatte; Daniel las den Propheten Jeremia und achtete auf
das, was dieser gesagt hatte. Hören wir sowohl persönlich als auch gemeinsam
auch auf die Stimme derer, die an uns einen Propheten-Dienst tun? Hätten wir in
der Vergangenheit mehr auf die Stimme der Propheten gehört, wären wir vor
manchem eigenen Weg bewahrt geblieben!
Online seit dem 05.03.2016, Bibelstellen:
Daniel 9,7-15
„Dein, o Herr, ist die Gerechtigkeit, unser aber die Beschämung des
Angesichts, wie es an diesem Tag ist: der Männer von Juda und der Bewohner von
Jerusalem, und des ganzen Israel, der Nahen und der Fernen, in allen Ländern,
wohin du sie vertrieben hast wegen ihrer Treulosigkeit, die sie gegen dich
begangen haben. Herr! Unser ist die Beschämung des Angesichts, unserer Könige,
unserer Fürsten und unserer Väter, weil wir gegen dich gesündigt haben“ (Vers
7+8)
Daniel betont jetzt in diesen Versen die Gerechtigkeit Gottes in Seinem
Handeln mit dem schuldigen Volk. Das geht noch weiter, als die Sünde zu erkennen
und zu bekennen, wie er es in Vers 5+6 getan hatte. Er bestätigt geradezu, dass
das Handeln Gottes die rechte Antwort auf die Treulosigkeit des Volkes war. Es
ist vielleicht das Schwerste, die Wege Gottes, die Er in Gericht auch mit uns in
unserer heutigen Zeit gehen muss, als gerecht anzuerkennen.
Immer wieder kommt in diesen Versen aber auch das Bewusstsein der
Schuldhaftigkeit des Volkes vor. Daniel wiederholt dabei zum Teil die Ausdrücke
aus Vers 5, aber er fügt auch neue Beschreibungen des Fehlverhaltens hinzu:
Treulosigkeit (Vers 7), Übertretung (Vers 11), Ungerechtigkeit
(Vers 13; das Hauptwort des verkehrt Handelns in Vers 5).
·
Treulosigkeit: Die ganze Geschichte der
Könige Israels und Judas ist gekennzeichnet durch Treulosigkeit; der erste König
Israels starb wegen seiner Treulosigkeit (1. Chr 10,13),
und die letzten Könige Judas häuften die Treulosigkeit (2.Chron 36,14).
Wieviel Treulosigkeit gibt es auch in unserer Mitte, müssen wir uns nicht auch
darunter beugen? Wie sind wir mit dem umgegangen, was Gott uns in die Hände
gegeben hat? Haben wir das anvertraute Gut treu verwaltet?
·
Übertretung: konkrete Gebote Gottes ganz
bewusst und wider besseres Wissen nicht beachten und übertreten; müssen wir das
nicht auch im Blick auf unser praktisches Verhalten als Christen im Haus Gottes
bekennen? Wie oft suchen wir mit unserem arglistigen Herzen dafür scheinbar
stichhaltige Argumente – doch Gott möchte, dass wir treu bei dem bleiben, was Er
uns gesagt hat und das nicht übertreten.
·
Ungerechtigkeiten sind ein Gesichtspunkt,
den auch Esra in seinem Bekenntnis stark betont (Esra
9,6+7); es sind Dinge in unserem Leben, die nicht in Übereinstimmung
mit dem stehen, was Gott uns in Seinem Wort gesagt hat.
Zweimal betont Daniel „unser ist die Beschämung des Angesichts“; er bezieht
sich dabei auf die Tatsache ihrer Zerstreuung unter die Nationen, dass sie unter
dem Gericht Gottes standen, dass Er sie vertrieben hatte – und er stellt sich
darunter. Ähnlich hatte Gideon anerkannt, dass Gott es war, der sie in die Hand
Midians gegeben hatte (Ri 6,13).
Auch in diesem Vers wird wieder deutlich, dass es unterschiedliche
Verantwortungsstufen im Volk Gottes gibt. Wenn der Herr uns an dem Ort, wo wir
uns versammeln, eine besondere Verantwortung gegeben hat, müssen wir dann nicht
auch unser Versagen darin beklagen?
Daniel hat hier ganz Israel im Blick; er weitet den Kreis über die
Bewohner von Jerusalem hin aus bis zu den Nahen und den Fernen. Wenn Daniel an
sein Volk denkt, dann ist es immer ganz Israel, nicht nur die beiden Stämme in
der Gefangenschaft. Er hat das ganze Volk im Auge, und das ist auch immer der
Standpunkt Gottes und derer, die geistlich gesinnt und einsichtsvoll sind. Es
ist immer die Einheit aller Glieder des Leibes Christi zu sehen, wenn wir
zum Brotbrechen zusammenkommen. Jede Art von geringerer Einschätzung zerstört
das Bild des einen Leibes! Das Brot, das wir brechen ist die Gemeinschaft des
Leibes des Christus (1. Kor 10,16) in
doppelter Hinsicht: jeder hat Teil an dem Opfer des Leibes Jesu Christi, und
alle wahren Gläubigen bilden den einen Leib. Diese Wahrheit dürfen wir nie aus
dem Auge verlieren. Praktisch darstellen können wir diese Wahrheit allerdings
nur in Absonderung von allem Unreinen; praktische Gemeinschaft mit allen
Gläubigen ist also nicht möglich.
„Des Herrn, unseres Gottes, sind die Erbarmungen und die Vergebungen;
denn wir haben uns gegen ihn empört, und wir haben der Stimme des Herrn, unseres
Gottes, nicht gehorcht, um in seinen Gesetzen zu wandeln, die er uns durch seine
Knechte, die Propheten, vorgelegt hat“ (Vers 9+10)
Daniel kannte Seinen Gott, und er konnte deshalb von den Erbarmungen und
Vergebungen Gottes sprechen, sogar in der Mehrzahl. Durch die Ausdrucksweise „des
Herrn sind…“ drückt er auch nicht nur aus, dass Gott diese Dinge von Fall zu
Fall tut, sondern dass es Seine charakteristischen Wesenszüge sind. Erbarmen
ist bei Not und Elend als Folge von Sünde in unserem Leben notwendig, Gott weiß
mit all den traurigen Folgen von Sünde umzugehen, wenn wir sie aufdecken und
Buße darüber tun. Vergebung ist bei Übertretung und Sünde notwendig – und
beides lag hier vor. In dem Erbarmen Gottes liegt die Hoffnung für das Volk
begründet, aber ohne Vergebung der Schuld geht es nicht.
Daniel konnte nur das Erbarmen Gottes anrufen, etwas anderes hatte er nicht;
nur noch das Erbarmen Gottes konnte angesichts dieses Zustandes und ständig
wiederholtem Bösen des Volkes helfen. Wenn es eine Möglichkeit geben würde, dann
nur, weil Gott voll Erbarmen ist – und dazu nimmt Daniel hier und auch in Vers
18 Zuflucht. Dieses Erbarmen hatte Gott selbst immer wieder von sich bezeugt (5.
Mo 30,3; Hos 2,25). Eine erneute
Zuwendung Gottes zu einem schuldig gewordenen Volk ist allein dem Erbarmen und
der Vergebung Gottes zuzuschreiben.
Und dann sehen wir wieder, wie tief das Bekenntnis Daniels geht. Kaum spricht
er von dem Erbarmen Gottes, kommt er gleich wieder auf das Versagen des Volkes
zu sprechen und bezieht sich wieder da mit ein. Er gibt sich nicht damit
zufrieden, einmal die Schuld zu bekennen; sein Empfinden von der ganzen
Schrecklichkeit dieses Zustandes lässt ihn immer wieder die Schuld daran vor
Gott bekennen. Es war ein Sündigen in einzigartigen Beziehungen gewesen, und das
erschwerte die Sache außerordentlich; Daniel empfand das und bekannte es. Diese
Beziehungen gründen sich auf zwei unwandelbare Wesenszüge Gottes: Seine
Gerechtigkeit und Seine Barmherzigkeit (2. Mo 34,6+7).
Deshalb stellt er in seinem Bekenntnis diese Dinge auch immer wieder heraus. Er
sagt mit anderen Worten: „Wir haben um Deine Gerechtigkeit und Heiligkeit
gewusst, und willentlich dagegen gesündigt“!
Wie viel Barmherzigkeit Gottes, Vergebung und Wiederherstellung hatte Israel
als Volk bis dahin schon erlebt! Denken wir nur einmal an die Zeit der Richter,
wo wir wie in einer abwärts gerichteten Spirale die immer wieder gleichen
Abfolgen sehen von Sündigen des Volkes, Gerichtshandlungen Gottes deswegen,
Schreien um Rettung und dann das Senden eines Retters. Wie ein roter Faden läuft
das durch die ganze Geschichte dieses Volkes. Selbst nach der Rückkehr des
Überrestes aus der Gefangenschaft sündigte das Volk wieder gegen die Gnade
Gottes (Esra 9,8 ff.).
Dreimal wird in diesen Versen von Daniel betont, dass das Volk der Stimme
Gottes nicht gehorcht hatte (Vers 10+11+14). Hier wird zum ersten Mal das
Wort Gottes als die Stimme Gottes bezeichnet. Das, was Daniel an Wort Gottes
besaß – das Gesetz Moses und die Propheten – betrachtete er als die Stimme
Gottes. Lesen wir so Gottes Wort, dass wir die Stimme Gottes an unser Herz darin
hören? Wenn wir über Gottes Wort reden, dann gilt es nicht nur ein geschriebenes
Wort auszulegen, dann ist es immer noch auch die Stimme Gottes für mich!
Widersetzen wir uns dieser Stimme Gottes in Empörung und Auflehnung, oder
unterwerfen wir uns ihr in Sanftmut und Gehorsam? Könnte von uns gesagt werden:
„Meine Schafe hören meine Stimme…und sie folgen mir“ (Joh
10,27)? Hier denken wir auch an Heb 1,1+2;
dass Gott „am Ende dieser Tage zu uns geredet hat im Sohn“.
„Und ganz Israel hat dein Gesetz übertreten und ist abgewichen, so dass
es deiner Stimme nicht gehorcht hat. Und so hat sich der Fluch und der Schwur
über uns ergossen, der im Gesetz Moses, des Knechtes Gottes, geschrieben steht,
weil wir gegen ihn gesündigt haben. Und er hat seine Worte erfüllt, die er über
uns und unsere Richter geredet hat, die uns richteten, indem er ein großes
Unglück über uns brachte, so dass unter dem ganzen Himmel keines geschehen ist
wie dasjenige, das an Jerusalem geschehen ist“ (Vers 11+12)
Daniel wird neben dem Propheten Jeremia noch weitere Schriften des Alten
Testaments besessen und darin gelesen haben. Hier wird wieder deutlich, was wir
schon in Kapitel 1 gefunden haben, dass er das ganze Gesetz kannte. Dort hatte
uns beeindruckt, dass er als junger Mann in geeigneter Form vor dem
Gefängnisaufseher vorbrachte, dass er die Speise des Königs wegen des Gesetzes
seines Gottes nicht essen konnte. Er hatte die Gedanken Gottes über die
Lebensweise eines Israeliten tief in seinem Herzen verinnerlicht, so dass ihn
nichts und niemand davon abbringen konnte. Offensichtlich hatte er diese Haltung
sein ganzes Leben hindurch bis hier ins hohe Alter bewahrt. Die Liebe zu Gottes
Wort und die Unterwürfigkeit darunter qualifizieren einen Gläubigen zu einem
Dienst für den Herrn – auch heute noch!
Der Fluch und der Schwur werden an zwei Stellen im Gesetz erwähnt (3.
Mo 26; 5. Mo 28); dort hatte
Gott geschworen, den Fluch über Sein Volk zu bringen, wenn es nicht in Seinen
Geboten wandeln würde. Er hatte Seinem Volk das ganze furchtbare Ausmaß der
Folgen, die ihr Ungehorsam haben würde, längst vorgestellt – und dennoch haben
sie gegen dieses Gesetz gesündigt. Am Ende von Vers 11 finden wir dann zum
vierten Mal in diesem Gebet, dass Daniel diese Sünde als eine Sünde gegen ihn
bezeichnet (Vers 7 gegen dich, Vers 8 gegen dich, Vers 9 gegen
ihn). Die Sünde richtet sich gegen Gott selbst, und das gibt der Sünde einen
ganz besonders ernsten Charakter. Jede Sünde, auch wenn es eine Verfehlung
Menschen gegenüber ist, ist immer in erster Linie eine Sünde gegen Gott (Ps
51,6; 1. Mo 39,9)!
Vers 12 zeigt, dass das eingetretene Unheil über Jerusalem mit nichts zu
vergleichen war, was Gott je als Zuchtmittel in der Geschichte bis dahin
eingesetzt hatte. Es wird als ein großes Unglück bezeichnet, und das
meint nicht nur die Vertreibung aus dem Land des Segens in die babylonische
Gefangenschaft, sondern es meint darüber hinaus auch den Verlust der Gegenwart
Gottes und des Zentrums des Gottesdienstes. Das ist die besondere Schwere der
Gerichtshandlung Gottes an Seinem Volk.
Gott hatte Seine Worte darin erfüllt; wir verbinden diesen Ausdruck
oft mit der treuen Zusicherung Gottes, aber hier geht es um Gericht. Beide
Seiten finden wir auch in dem Gebet Nehemias (Neh
9,8+33). Gott steht zu Seinem Wort – in jeder Weise! Er steht zu
Seinen Zusagen, aber Er steht auch genauso zu Seinen Warnungen und
Gerichtsankündigungen, und in Seiner Regierung erfüllt Er sie ebenso (Gal
6,7; 2. Tim 2,13).
Israel stand unter den ganz besonderen Segensverheißungen Gottes (5.
Mo 33,29), auch im Blick auf den Segen gab es nichts Vergleichbares.
Dann versündigt sich dieses unvergleichlich gesegnete Volk, und es muss ein
Gericht über sie kommen, was auch unvergleichlich ist unter dem ganzen Himmel.
Das Maß des Segens und der Vorrechte entspricht immer dem Maß der Verantwortung.
Die Unvergleichlichkeit des Gerichts entspricht der Unvergleichlichkeit der von
dem Volk verschmähten Segnungen. Gab es noch irgendetwas, was Gott hätte an
Seinem Weinberg tun können (Jes 5,3)? Nein!
Gott hatte alles an Güte und an Zuwendungen gegeben, und dann musste auch Sein
Handeln im Gericht auch dem entsprechen – Jerusalem, der Schönheit Vollendung,
wurde schonungslos vernichtet (Klgl 2,1+2+15).
„So wie es im Gesetz Moses geschrieben steht, ist all dieses Unglück
über uns gekommen. Und wir flehten den Herrn, unseren Gott, nicht an, dass wir
von unseren Ungerechtigkeiten umgekehrt wären und Einsicht erlangt hätten für
deine Wahrheit. Und so hat der Herr über das Unglück gewacht und es über uns
kommen lassen. Denn der Herr, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Taten, die
er getan hat; aber wir haben seiner Stimme nicht gehorcht“ (Vers 13+14)
Das Böse im Volk Gottes steigerte sich immer weiter. In Vers 5 wurde ihr
böser Zustand mit diesen verschiedenen Ausdrücken beschrieben; Vers 6 hatte
gezeigt, dass sie selbst die ernsten Mahnungen der zu ihnen gesandten Propheten
nicht beachtet hatten; und jetzt zeigt dieser Vers eine dritte Stufe, dass
nämlich selbst dann, als das angekündigte Gericht dann auch eingetroffen war, es
nicht zu einer Änderung zum Guten bei ihnen geführt hatte – sie waren in ihrer
Ungerechtigkeit geblieben! Trotz dieser außergewöhnlich schrecklichen
Konsequenzen ihrer Untreue hatte das Volk noch immer kein Einsehen gehabt und
war nicht umgekehrt (vgl. Spr 23,35).
In 5. Mo 30,2+3 hatte Gott verheißen, ihre
Gefangenschaft zu wenden, wenn sie zu Ihm umkehren würden; aus Vers 10 und
5. Mo 4,29 erkennen wir, dass damit ein
Fragen nach dem Wort Gottes gemeint ist, auf das Hören, was Gott gesagt hat und
dem gehorchen. Wahre Umkehr ist also, wieder auf die Stimme Gottes zu hören und
ihr gehorchen. Darauf folgt dann Einsicht, das ist ein wichtiger Grundsatz
Gottes: erst muss auf unserer Seite die Umkehr erfolgen, und dann wird Gott auch
die Einsicht schenken.
Dieser Gipfelpunkt der Bosheit des Volkes, nicht zu Gott umzukehren, ist
vielleicht auch der Grund, warum Daniel in Vers 12–14 Gott nicht mehr direkt
anspricht sondern in der dritten Person von Ihm spricht; er wechselt hier von
dem vertrauten Du zu deinem etwas distanzierten Er. Er war sich
der Entfernung des Volkes von seinem Gott sehr bewusst und anerkannte die
Tatsache, dass es nun Lo-Ammi war (Hos 1,9).
Wir müssen auch bedenken, dass das Gericht Gottes über Sein Volk in Schüben
gekommen war; zunächst hatte es die zweieinhalb Stämme jenseits des Jordan
getroffen, dann wurde das Zehn-Stämme-Reich in die Gefangenschaft geführt, und
danach das zweistämmige jüdische Reich – aber sie haben nicht gehört! Auch wir
lernen oft nicht aus Dingen der Vergangenheit. Es ist erschütternd, dass es
immer wieder auch in unserer Geschichte ein aber gibt: Gott handelt in
Güte und Treue, wir aber haben gesündigt, ein beschämender Gegensatz.
Gott wacht über das Unglück; Er achtet sehr genau darauf, dass diese Worte,
die Er angekündigt hat, sich auch erfüllen im Fluch über dieses Volk – wie ernst
ist das! Eine gewisse Steigerung davon ist auch schon in
5. Mo 28,63 vorausgesagt worden: der Herr würde sich freuen, Sein
Volk zugrunde zu richten und zu vertilgen (vgl. auch
Spr 1,23–26). Noch tragischer ist es, wenn Gott nicht mehr mit Zucht
antwortet, sondern Sein Volk im Böses-Tun gewähren lässt (Hos
4,14+17), das ist die schlimmste Form göttlichen Gerichts, wenn Gott
sich gleichsam Seinem Volk entzieht und es gewähren lässt in seinem bösen Tun (Hos
5,6; 2. Chr 32,31). Es ist ein
ernster Gedanke, dass Gott sich auch im Gericht verherrlicht, weil dadurch Seine
Heiligkeit, Sein Wesen als Licht, zur Darstellung kommt.
„Und nun, Herr, unser Gott, der du dein Volk aus dem Land Ägypten mit
starker Hand herausgeführt und dir einen Namen gemacht hast, wie es an diesem
Tag ist – wir haben gesündigt, wir haben gottlos gehandelt“ (Vers 15)
In diesem Vers wird der tiefste Grund genannt, warum Gott durch das Verhalten
des Volkes so entehrt wurde. Das Volk war ein erlöstes Volk! Das ist die höchste
Segnung, die Gott schenken konnte. Ägypten war der Beginn der Geschichte Israels
als Volk, Gott hatte sie damals aus Ägypten herausgeführt. Das war ein Beweis
der Barmherzigkeit und Gnade Gottes. Sie waren damals genauso schuldig gewesen
wie die Ägypter, und doch hatte Gott sich dieses Volkes angenommen und sie
herausgeführt. Allein im Alten Testament wird mehr als 160 Mal erwähnt, dass
Gott Sein Volk aus Ägypten geholt hatte. Es ist doch sehr bedeutsam, dass Gott
so häufig Sein Volk daran erinnert. Der Ausgangspunkt für das irdische Volk war
Ägypten, das Haus der Knechtschaft, und das Ziel war Jerusalem. Es war aber auch
ein Beweis der Macht und der Kraft Gottes gewesen. Daniel erinnert Gott
praktisch an diese starke Hand Gottes, die schon einmal zur Erlösung Seines
Volkes tätig gewesen war; diese starke Hand Gottes brauchten sie jetzt in der
babylonischen Gefangenschaft wieder.
Auch für uns ist es wichtig, uns immer wieder daran zu erinnern, was unser
Zustand war und was Gott dann getan hat. Wir waren tot in Ägypten und mussten
aus diesem Zustand erlöst werden. Auch bei uns handelt es sich um ein erlöstes
Volk, und dieser Stand gibt unserer Sünde einen so ernsten Charakter. Wir sind
nicht nur gesegnet, sondern wir sind erlöste Menschen, für die der Heiland
gestorben ist.
Gott hatte sich durch die Erlösung Seines Volkes einen Namen gemacht. Als Er
das Volk aus Ägypten herausgeführt hatte, ist Er dadurch verherrlicht worden.
Das Volk war völlig zunichte gemacht, und doch spricht Daniel davon, dass Gott
sich einen Namen gemacht hatte, wie es an diesem Tage ist. Was sah man in
den Tagen Daniels davon? Nur die Treuen hatten einen Blick dafür, alle anderen
sahen das nicht. Auch in unseren Tagen kann man das nur sehen, wenn man sich
wirklich auf das Wort Gottes stützt; man muss mit einem gewissen innerlichen
Abstand davon das totale Versagen anerkennen und sich mit dem geistlichen Auge
erheben zu den Gedanken Gottes und das mit Seiner Hilfe noch verwirklichen.
Online seit dem 07.03.2016, Bibelstellen:
Daniel 9,16-19
„Herr, nach allen deinen Gerechtigkeiten lass doch deinen Zorn und
deinen Grimm sich wenden von deiner Stadt Jerusalem, deinem heiligen Berg! Denn
wegen unserer Sünden und der Ungerechtigkeiten unserer Väter sind Jerusalem und
dein Volk allen denen zum Hohn geworden, die uns umgeben. Und nun höre, unser
Gott, auf das Gebet deines Knechtes und auf sein Flehen; und um des Herrn willen
lass dein Angesicht leuchten über dein verwüstetes Heiligtum!“ (Vers 16+17)
Jetzt nimmt Daniel Zuflucht zu Gott und beginnt, für dieses Volk zu beten.
Diese Fürsprache Daniels ist rührend. Neben seiner Kühnheit des Glaubens sehen
wir auch ein geistliches Verständnis bei ihm, denn noch dem Propheten Jeremia
wurde von Gott gesagt, nicht für dieses Volk zu beten (Jer
7,16; 11,14; 14,11). Daniel besaß aber aus den Schriften die feste
Überzeugung, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, wieder Fürbitte für dieses
Volk tun zu können, die Schriften waren die Grundlage für seine Bitte. Und wofür
hat er gebetet? Für die schwierige Situation, in der sich das jüdische Volk im
Exil in Babel befand? Für die Rückkehr der Juden nach der 70-jährigen
Gefangenschaft in ihr eigenes Land? Er erinnert Gott gleichsam daran, dass
Jerusalem Gottes Stadt ist, dass das verwüstete Heiligtum Gottes
Heiligtum ist. Und er betet darum, dass Gott jetzt eine Antwort gibt auf
diesen elenden Zustand. Er spricht von den Verwüstungen Jerusalems, aber der
eigentliche Gegenstand seiner Fürbitte ist, dass die Ehre Gottes wieder
hergestellt wird. Das ist wohl der höchste Charakter von Fürbitte! Es geht nicht
um die Folgen für das Volk, um den elenden Zustand, in dem sie sich befanden,
sondern in erster Linie sollte die Ehre Gottes wieder hergestellt werden. Das
ist sehr lehrreich für unser persönliches und auch für unser gemeinsames
Gebetsleben als örtliche Versammlung! Wie wenig haben wir oft die Ehre Gottes in
unseren Gebeten im Blickfeld.
Das alttestamentliche Jerusalem war der Platz, den Gott erwählt hatte, um
Seinen Namen dort wohnen zu lassen. Das ist das Bild des Platzes des
Zusammenkommens für uns heute. Es ist der Ort, wo der Herr Jesus Sein Werk
vollbracht hat, wo wir heute aufgrund Seines Werkes zusammenkommen, um Gott Lob
und Anbetung zu bringen. Es ist der einzige Ort, wo Gott Sein ganzes Volk
versammelt sehen will. Damals war es ein geografischer Ort, heute ist es ein
geistlicher Ort. Wenn damals auch nicht alle Israeliten an den festgesetzten
Zeiten nach Jerusalem hinaufgingen, so waren sie doch darin ein Zeugnis für
Israel (Ps 122,4), für ganz Israel, auch
für alle die, die es nicht taten. Und das ist heute noch genauso; es gibt nur
einen Ort, wo die Einheit des Leibes Christi dargestellt wird – an Seinem Tisch
– und das sollten wir nie außer Acht lassen. Wenn wir Seinen Tod verkündigen,
sehen wir in dem Brot einerseits ein Bild des ein für alle Mal vollbrachten
Opfers des Leibes Christi, aber es ist auch zugleich der Ausdruck des Leibes
Christi als der Einheit aller Gläubigen (1. Kor 10,16).
Dieser Platz existiert auch heute noch, und wenn es auch in der größten
Schwachheit geschieht und wir keinerlei Grund haben, uns dessen irgendwie zu
rühmen, wollen wir doch auch noch in diesen letzten Tagen nach Seinen Gedanken
daran festhalten.
Daniel spricht jetzt hier von der Stadt Jerusalem, und genau darum geht es
dann auch in der prophetischen Schau, die Gott ihm ab Vers 24 gibt. Interessant
ist dabei der Wechsel in der Beschreibung der Stadt. Daniel spricht ab Vers 16
zu Gott immer wieder von deiner Stadt Jerusalem und deinem
heiligen Berg und deinem Volk; in der Antwort, die er dann durch den
Engel Gabriel bekommt, spricht dieser zu Daniel immer von deiner Stadt
und deinem Volk. Das Verhältnis wird also umgedreht; für Daniel ist es
die Stadt Gottes und das Volk Gottes, für Gott ist es die Stadt Daniels und das
Volk Daniels. Etwas Ähnliches finden wir zwischen Gott und Mose in
2. Mo 32,7+11. Wessen Volk war es denn?
Lo-Ammi hatte begonnen mit der Zeit Nebukadnezars, Gott hatte sich 70 Jahre
zuvor von Seinem Volk zurückgezogen. Aber der Glaube Daniels lässt es sich nicht
nehmen, dieses Volk und diese Stadt immer noch als Gottes Volk und
Gottes Stadt zu sehen. Auch wir sollten es uns in unseren Tagen des
Niedergangs nicht nehmen lassen, die Gläubigen immer als Gottes Volk zu sehen.
Daniel führt in diesen Versen verschiedene Beweggründe an, aufgrund derer
Gott zu Gunsten Seines Volkes einschreiten und handeln sollte: nach allen Deinen
Gerechtigkeiten, also in Übereinstimmung mit Seinen Gerechtigkeiten (Vers 16),
um des Herrn willen (Vers 17), um Deiner vielen Erbarmungen willen (Vers 18), um
Deiner selbst willen (Vers 19). Gott sollte im Blick auf Seine eigenen
Interessen zu Seinem Ziel mit diesem Volk kommen, damit wirklich Sein Name
wieder in Jerusalem geehrt wird.
Jetzt war es so, dass sie allen zum Hohn geworden waren. Und diese
Schmach fiel letztlich auch auf den Namen des Herrn. Darüber machte sich Daniel
so große Sorgen, wie auch Nehemia in Neh 1,3; 2,17.
Redet es nicht auch zu unseren Herzen, dass unser Zustand Anlass gibt, dass wir
Hohn und Schmach auf uns bringen, der letztlich auf den Namen des Herrn fällt!
In diesen beiden Versen erkennen wir zwei konkrete Bitten, die beide Bezug
auf Jerusalem haben. Daniel betet nur für die Stadt, die Gott mehr liebte als
alle Tore Jakobs (Ps 87,2). Alle Gedanken
Gottes im Blick auf Sein irdisches Volk konzentrierten sich auf die heilige
Stadt Jerusalem, die einzige Stadt der Welt, die Stadt Gottes genannt wird (Ps
46,5; 87,3). Die erste Bitte ist, dass sich der Zorn und Grimm Gottes
wenden möchte von der Stadt Jerusalem; und die zweite Bitte ist, dass Gott Sein
Angesicht leuchten lassen möchte (vgl. 4. Mo 6,25;
Ps 80,4+8+20) über Seinem verwüsteten
Heiligtum, dass Er also wieder Seine volle Zustimmung an dem finden sollte, was
dort geschah. Es ging Daniel also nicht in erster Linie um die Befreiung des
Volkes aus der Gefangenschaft, sondern um ein Ende des Gerichtes und um
Wiederherstellung. In gewisser Hinsicht hat es diese Wiederherstellung in der
Wiederherstellung des Tempeldienstes unter Serubbabel und Esra auch gegeben,
aber die Herrlichkeit Gottes ist nicht mehr in Seinen Tempel zurückgekehrt. Dies
wird erst im 1000-jährigen Reich geschehen, wenn der Tempel nach Gottes Gedanken
aufgerichtet werden wird.
„Neige, mein Gott, dein Ohr und höre! Tu deine Augen auf und sieh die
Verwüstungen und die Stadt, die nach deinem Namen genannt ist! Denn nicht um
unserer Gerechtigkeiten willen legen wir unser Flehen vor dir nieder, sondern um
deiner vielen Erbarmungen willen. Herr, höre! Herr, vergib! Herr, merke auf und
handle; zögere nicht, um deiner selbst willen, mein Gott! Denn deine Stadt und
dein Volk sind nach deinem Namen genannt“ (Vers 18+19)
Mit seinen eigenen Augen hatte Daniel diese tiefste Schmach Jerusalems gar
nicht miterlebt und gesehen. Er selbst war bei der ersten Wegführung unter
Nebukadnezar schon nach Babylon gekommen (2. Chr
36,5–7), als die Mauern Jerusalems und der Tempel noch standen; die
Zerstörung Jerusalems fand erst ungefähr 20 Jahre später bei der dritten
Wegführung statt (2. Chr 36,11–19). Ist es
nicht erstaunlich, dass dieser inzwischen alt gewordene Mann dennoch diesen
Zustand der Stadt und des Heiligtums so vor seinem geistlichen Auge hatte,
obwohl er selbst diese tiefste Schmach der Stadt gar nicht gesehen hatte? Hier
sehen wir, was ihn die ganzen Jahre hindurch bewegt hat, was sein Herz zutiefst
beschäftigt hat. Und weil Gott diese Herzenshaltung und tiefen Empfindungen
Daniels kannte, konnte er auch ungestraft so direkt und unverblümt Gott bitten,
Sein Ohr zu neigen und Seine Augen aufzutun.
Müssten wir heute nicht vielmehr beten, dass der Herr endlich mal unsere
Augen auftun möchte, damit wir die Verwüstungen Seines Heiligtums mal wirklich
wahrnehmen; dass wir endlich mal sehen, in welchem Zustand wir wirklich sind?
Möchte der Herr uns ein tiefes Empfinden dafür schenken, in welchem Zustand wir
uns befinden!
Daniel kann von seinen Gerechtigkeiten sprechen, in
Hes 14,14 wird das sogar von Gott
bestätigt, aber das sollte nicht der Beweggrund zum Einschreiten Gottes sein. Er
hatte ein tiefes Bewusstsein davon, dass er nur um des Herrn willen und um
Seiner vielen Erbarmungen willen etwas erwarten und erbitten konnte.
Ähnlich wie Nehemia in Neh 1,11 setzt
Daniel zumindest voraus, dass es außer ihm noch andere Treue gibt, wenn er sagt:
„Wir legen unser Flehen vor dir nieder“. Das ist ein sehr
wichtiger Grundsatz. Elia hatte die Gesinnung leider nicht offenbart, wie wir
gesehen haben, er meinte, er sei der einzige. Daniel und Nehemia offenbaren hier
eine Gesinnung der Demut und der Weite des Herzens, in diesen tiefen
persönlichen Übungen zu glauben und zu hoffen, dass auch andere noch genauso
empfinden. Wahrscheinlich haben sie beide keine weiteren Treuen gekannt, aber
sie haben vorausgesetzt, dass es noch andere geben würde. Wir denken dabei an
den Grundsatz aus 2. Tim 2,21+22, wo wir
ermahnt werden, uns zu reinigen von den Gefäßen zur Unehre und nach
Gerechtigkeit zu streben mit denen, die den Namen des Herrn anrufen aus
reinem Herzen. Auch wir dürfen nicht davon ausgehen, dass wir die einzigen sind;
wir dürfen davon ausgehen, dass es noch andere gibt, die den Namen des Herrn
anrufen – ob wir sie kennen oder nicht. Dieser Gedanke macht uns demütig und
macht unser Herz weit für die Gedanken Gottes!
Trotz aller Kühnheit des Glaubens bei Daniel legt Daniel jetzt in einer sehr
schönen Haltung diese Sache vor Gott hin; er überlässt die Angelegenheit dem,
bei dem sie am besten aufgehoben ist, weil er Seine vielen Erbarmungen kennt.
Online seit dem 09.03.2016, Bibelstellen:
Daniel 9,20-23
„Und während ich noch redete und betete und meine Sünde und die Sünde
meines Volkes Israel bekannte und mein Flehen vor dem Herrn, meinem Gott, für
den heiligen Berg meines Gottes niederlegte, während ich noch redete im Gebet,
da kam der Mann Gabriel, den ich im Anfang, als ich ganz ermattet war, im
Gesicht gesehen hatte, zu mir her zur Zeit des Abendopfers“ (Vers 20+21)
Noch beim Sprechen des Gebetes kommt die Antwort. Bei Nehemia war das anders
gewesen, er hatte vier Monate gebetet, bevor Gott dieses Ihm wohlgefällige Gebet
erhörte (vgl. Neh 1,1 mit 2,1).
Auch ein Gebet, das ganz nach den Gedanken Gottes ist, wird nicht immer sogleich
erhört! In Seiner Weisheit lässt Gott die Erhörung manchmal auf sich warten.
Aber bei Daniel antwortet Gott schon, als dieser noch redete. Wir lernen daraus,
dass wir uns nicht betrüben müssen, wenn Gott unsere Gebet nicht immer sofort
erhört, auch wenn sie nach Seinen Gedanken sind.
Daniel wusste, dass er an der Sache, die zu der Wegführung des Volkes geführt
hatte, selbst keinen Anteil hatte, aber er war sich dich bewusst, dass er als
Gläubiger persönlich nicht ohne Sünde war. Er hatte sich selbst kennengelernt
und sah sich nicht als über den Übrigen stehend an, auch in dieser Hinsicht war
er ehrlich vor Gott und bekannte auch seine Sünde. Auch Nehemia spricht so (Neh
1,6). Als Gipfelpunkt der Einsmachung mit der Sünde des Volkes können
sie so sprechen.
Der Mann Gabriel, den Daniel schon in Dan 8,15
ff. kennengelernt hatte, kommt jetzt wieder zu ihm, um ihm einen gewaltigen
Ausblick zu geben, der weit über das hinausging, um was Daniel gebetet hatte.
Die Gesichte in Daniel 8 und
Daniel 9 sind zwar total verschieden, aber sie
bauen aufeinander auf. Das Verständnis für die Abläufe in den vorhergehenden
Gesichten ist Grundlage für die prophetische Schau, die jetzt vor uns kommt.
Zur Zeit des Abendopfers kommt dieser Mann Gabriel zu Daniel, Gott knüpft an
gekannte Beziehungen mit Seinem Volk an. Auch bei der Begebenheit mit Elia und
den Baals-Priestern auf dem Berg Karmel kam die von Elia erbetete Antwort Gottes
zur Zeit des Abend-Speisopfers (1. Kön 18,36;
vgl. auch Esra 9,5). Im Heiligtum musste Tag
für Tag das Morgen- und das Abendopfer gebracht werden (2.
Mo 29,38 ff.), ein Speisopfer verbunden mit einem Brandopfer.
Tag und Nacht spricht das vollkommene Opfer des Herrn Jesus für uns vor Gott und
ist die Grundlage dafür, dass Gott inmitten Seines Volkes wohnen kann.
Das Abendopfer musste zwischen den zwei Abenden geopfert werden (2.
Mo 29,39), eine Zeitbestimmung, die Daniel in der Praxis kaum noch
gekannt hat. Zu seiner Zeit konnte dieses Opfer schon fast 70 Jahre nicht mehr
stattfinden, Jerusalem und der Tempel waren zerstört, es gab keinen Altar und
keine Opfer mehr, und doch hat die Bedeutung davon im Herzen von Daniel
fortgelebt. Er wird es wohl auch kaum mehr selbst miterlebt haben, dass dieses
Opfer einige Jahre später wieder von dem zurückgekehrten Überrest in Jerusalem
dargebracht wurde. Das erste, was sie damals aufbauten, war der Altar an seiner
Stätte; und eins der ersten Opfer war das Morgen- und Abend-Brandopfer (Esra
3,3). Aber in seinem Herzen hatte Daniel es die ganze Zeit
verwirklicht und seinen Tagesablauf nach den von Gott verordneten Opferzeiten
ausgerichtet.
„Und er gab mir Verständnis und redete mit mir und sprach: Daniel,
jetzt bin ich ausgegangen, um dich Verständnis zu lehren. Im Anfang deines
Flehens ist ein Wort ausgegangen, und ich bin gekommen, um es dir kundzutun;
denn du bist ein Vielgeliebter. So höre aufmerksam auf das Wort und verstehe das
Gesicht:“ (Vers 22+23)
Ehe Daniel jetzt die Worte des Engels hört, gibt der Engel ihm Verständnis (Spr
2,6; Ps 25,14). Es ist überaus
wichtig, dass wir in den Dingen Gottes nicht eigene Auslegungen hineinbringen
oder eigenen Gedankengängen folgen, sondern wir müssen uns Verständnis vom Herrn
schenken lassen (2. Tim 2,7;
Eph 1,17; Lk 24,32+45).
Unser kleines menschliches Verständnis reicht nicht aus für die Dinge Gottes,
aber Gott gibt uns das nötige Verständnis, wenn wir die Stellung der
Abhängigkeit verwirklichen. Und Gott gibt uns dann nicht nur Licht über eine
spezielle Sache, sondern über das ganze Umfeld. Gabriel ist hier also nicht nur
ein Überbringer einer Botschaft, sondern er vermag, geistliches Verständnis bei
Daniel zu wecken. In unserer heutigen Zeit der Gnade geschieht das nicht durch
Engel, sondern durch den in uns wohnenden Heilige Geist, der uns in die ganze
Wahrheit leiten wird (Joh 16,13).
Durch das, was Daniel jetzt zu hören bekommt, wird er zu einer Ausnahme von
dem, was Petrus in 1. Pet 1,10 schreibt.
Normalerweise verstanden die alttestamentlichen Propheten nichts von den
weitreichenden Erfüllungen ihrer Prophezeiungen in dem Herrn Jesus. Es ist eine
außerordentliche Antwort Gottes auf eine außerordentliche Demut und Haltung der
Fürbitte bei Daniel. Es hatte bei ihm mit dem Lesen des Wortes Gottes begonnen,
das hatte ihn ins Gebet geführt, und daraufhin gibt Gott ihm jetzt dieses
Verständnis.
Interessant ist, dass der Engel Gabriel dem Daniel sagt, dass die Antwort
Gottes schon im Anfang seines Flehens erging. Gott gab Seine Antwort also nicht
erst am Ende des Gebets von Daniel, aber er erfährt die Erhörung seines Gebets
erst zur Zeit des Abendopfers. Gott hat sich also nicht erst alles zu Ende
angehört und dann reagiert, sondern schon im Anfang seines Flehens hatte Er das
Herz Daniels gesehen und diese Antwort durch Gabriel geschickt (vgl.
Dan 10,12). Gott hatte erhört, aber die
Erfüllung dieser Erhörung kann dann noch auf sich warten lassen.
Wer solche Kennzeichen offenbart, wie Daniel es tat, ist ein Vielgeliebter
bei Gott! Den Herrn Jesus sollten wir nicht als den Vielgeliebten anreden, es
wäre nicht angemessen. Die Liebe Gottes zu Seinem Sohn ist nicht
steigerungsfähig!
Online seit dem 11.03.2016, Bibelstellen:
Daniel 9,24-25
„70 Wochen sind über dein Volk und über deine heilige Stadt bestimmt,
um die Übertretung zum Abschluss zu bringen und den Sünden ein Ende zu machen
und die Ungerechtigkeit zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit einzuführen und
Gesicht und Propheten zu versiegeln und ein Allerheiligstes zu salben“ (Vers 24)
Die jetzt vor uns liegenden Verse sind für viele der schwierigste Abschnitt
des Buches Daniel, es ist aber auch der fundamental wichtigste für das
Verständnis des prophetischen Wortes. Wir werden die Offenbarung und auch andere
prophetische Teile, wie z.B. Mt 24 + 25 nie
richtig verstehen, wenn wir über diese Verse keine wirkliche Klarheit bekommen.
Deshalb müssen wir uns sorgfältig Vers für Vers ansehen. Der Engel Gabriel (Lk
1,11+19) spricht von 70 Wochen, die über das Volk und die heilige
Stadt Daniels bestimmt sind; Christen haben hier keine Stadt, die Juden
wohl. Es geht also in diesen Versen ausschließlich um Juden. Die 70 Wochen sind
keine normale Wochen von 7 Tagen, sondern eine Siebener-Periode (Heptade). Das
wird aus dem Zusammenhang schon ersichtlich, denn es wäre gar nicht möglich,
diese Dinge in so wenigen Tagen zu vollziehen. Es müssen also andere
Zeiteinheiten sein, die hier gemeint sind. Es sind tatsächlich Jahr-Wochen (vgl.
3. Mo 25,8), jede Woche steht für 7 Jahre. Die
Zahl 7 spielt ja für die Juden eine außergewöhnliche Rolle, sie ist die Zahl der
Vollkommenheit – in guter wie in böser Hinsicht.
Wenn jetzt der Engel von 70 Wochen spricht, geht es also um einen
Zeitabschnitt von 490 Jahren. Wir müssen dabei aber unbedingt im Auge behalten,
dass in diesem Zeitablauf zwischen der 69. und der 70.Jahr-Woche (also zwischen
Vers 26 und 27) eine große Unterbrechung liegt, nämlich die christliche
Haushaltung, die in der Prophetie des Alten Testaments keine Erwähnung findet.
Das zu übersehen, hat für viele bei der Berechnung der Zeitpunkte zu großen
Schwierigkeiten geführt.
Die Antwort, die Daniel auf sein so bewegendes Gebet bekommt, ist also nicht
nur die Erfüllung seiner Bitte, dass Gott die Strafe für Sein Volk, die
Verwüstung Jerusalems beenden möge, und dass Er Sein Angesicht wieder leuchten
lassen möge über dieser Stadt, sondern sie geht weit darüber hinaus und findet
ihre Krönung nicht in der Gnade Gottes für das Volk Israel, sondern in der
Offenbarung des Messias (Ps 2,6). Sie
besteht in diesem Vers aus sechs Punkten, die sich noch erfüllen müssen, die
heute noch zukünftig sind, die der Ausblick auf das 1000-jährige Reich sind. Von
diesen sechs Punkten werden die ersten drei einen Abschluss finden und die
letzten drei in positiver Hinsicht neu aufgerichtet werden:
·
die Übertretung muss zum Abschluss gebracht
werden: Gott wird einmal einen Schlusspunkt setzen unter die Übertretung des
Volkes; nie wieder wird das Volk diesen Charakter von Übertretung tragen (Jes
60,21)
·
den Sünden muss ein Ende gemacht werden:
auch die einzelnen Sünden werden einmal ein Ende finden im Blick auf dieses Volk
·
die Ungerechtigkeit muss gesühnt werden:
die Schuld des Volkes wird abgetragen sein (Jes 40,2); aber bis dahin
wird die Schuld dieses Volkes sogar noch größer werden, indem sie sogar den
Messias wegtun würden;
Ein Bild von diesen drei Punkten finden wir in dem Hohenpriester Aaron; wie
er am großen Versöhnungstag mit dem Blut des geschlachteten Bockes des
Sündopfers für das Volk innerhalb des Vorhanges in das Allerheiligste hineinging
und nach vollbrachter Sühnung wieder hinaustrat (3. Mo
16,15–19). In der prophetischen Anwendung für das Volk Israel ist der
Herr Jesus zwar mit Seinem eigenen Blut hineingegangen, aber für das Volk bis
jetzt noch nicht wieder herausgekommen. Aber wenn dieser Zeitpunkt des
1000-jährigen Reiches gekommen sein wird, wird der Herr Jesus wieder erscheinen
und es wird sichtbar werden, dass die Sünden Seines irdischen Volkes weggetan
worden sind.
·
eine ewige Gerechtigkeit muss eingeführt
werden: Jerusalem wird dann Stadt der Gerechtigkeit genannt werden (Jes
1,26); Gott wird nicht einfach nur Ungerechtigkeit hinwegtun, sondern Sein
Volk, Seine Stadt wird Gerechtigkeit als Namen tragen (vgl. auch Jer 23,5+6)
·
Gesicht und Propheten müssen versiegelt werden:
im 1000-jährigen Reich wird es keinen Prophetendienst mehr geben (Sach 13,2),
weil er eben nicht mehr nötig sein wird in dieser Zeit; Gott selbst wird direkt
auf dieser Erde regieren, und da wird es nicht mehr nötig sein, Propheten und
Gesichte zu senden
·
ein Allerheiligstes muss gesalbt werden:
die Stiftshütte und ihre Geräte wurden gesalbt (2.Mo 40,9); auf den
Tempel im 1000-jährigen Reich wird Gott auch wieder den Stempel Seiner
Heiligkeit legen und zwischen dem Heiligen und dem Unheiligen eine Scheidung
machen (Hes 42,20); was für ein Wandel von dem jetzt noch verwüsteten
Heiligtum hin zu einem Heiligtum, in dem Gott selbst wohnen wird!
Aber der Weg dahin ist ein Weg voller Mühsal, und die ersten 7 Wochen, die
Zeit Nehemias und des Wiederaufbaus der Stadt und der Mauer, werden von Gott
gesondert betrachtet und gewichtet. Diese Anstrengungen zum Wiederaufbau sind
Gott außerordentlich wertvoll.
Diese 70 Jahr-Wochen sind also von Gott bestimmt über Israel. Es ist
keine irgendwie beliebige Zeit, sondern eine göttlich vollkommen festgesetzte
Zeit, in der ganz wesentliche Dinge geschehen würden: das erste Kommen des
Messias, Sein Ausrotten, die Zeit der Gnade, die in diesem prophetischen Bild
gar nicht erwähnt und gezählt wird, und dann die letzte Woche, die schon in
Dan 7,25 im Blick auf das Haupt des
römischen Reiches erwähnt wird, zumindest die zweite Hälfte dieser Jahr-Woche
(eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit; vgl. „zur Hälfte der Woche“ hier in
Vers 27). Diese Begriffe werden in der Offenbarung wieder aufgegriffen, gerade
im Blick auf die zweite Hälfte der 70.Jahr-Woche (Off
12,6+14; 13,5). Wir müssen bei diesen Zeitangaben (1260 Tage, 42
Monate) bedenken, dass dabei die Rede von prophetischen Jahren ist, nicht von
normalen Jahren. Der normale israelitische Kalender richtete sich bei den
Monaten nach dem Mondstand = 29 Tage, und bei dem Jahr nach dem Sonnenstand; das
führte natürlich in jedem Jahr zu einer Differenz von mehreren Tagen, was zur
Folge hatte, dass sie nach einigen Jahren dann einen doppelten Monat hinzufügen
mussten. Dadurch wird die Berechnung der Jahre äußerst schwierig. Deshalb gibt
Gott dieses prophetische Jahr, das aus 12 Monaten à 30 Tagen besteht. Das ist
die Ausgangsbasis für diese Zeitangaben hier; übrigens auch schon bei der ersten
großen Zeitberechnung im Alten Testament, bei der Flut. Sie begann am 17.Tag des
2.Monats (1. Mo 7,11), und die Arche kam
zur Ruhe am 17.Tag des 7.Monats (1. Mo 8,4),
also ein Zeitraum von 5 Monaten; und Gott nennt diesen Zeitraum 150 Tage (1.
Mo 7,24; 8,3), also auch 5 Monate à 30 Tage.
Der Engel Gabriel geht also weit über die Zeitepoche Daniels hinaus; er gibt
die Zusage, dass es sogar einen Abschluss geben wird, es geht bis in die
Vollendung des 1000-jährigen Reiches. Dass ein Allerheiligstes gesalbt würde,
war bei dem unter Esra wieder errichteten Tempel gar nicht geschehen. Dann
kündigt er auch an, dass ein von Gott Gesalbter herrschen würde („bis auf den
Messias“, Vers 25); zwar hatte Daniel von dieser Person schon mehrfach weissagen
dürfen, aber doch nicht in dieser Deutlichkeit (Dan
2,34+35; 7,13+14).
Die ewige Gerechtigkeit bezieht sich also in erster Linie auf das
1000-jährige Reich (Jes 60,21). Ewig hat im
Alten Testament nicht prinzipiell eine andere Bedeutung wie im Neuen Testament,
es ist nur in seiner Ausdehnung nicht so vollkommen, wie es im Neuen Testament
ist – aber es bedeutet doch eine Zeit ohne Ende. Im Alten Testament liegt darin
nicht dieser Weitblick bis in alle Ewigkeit, ohne Anfang und ohne Ende,
dort hat es meistens die Bedeutung, dass eine Sache oder ein Zustand von nichts
anderem mehr abgelöst oder ersetzt wird. Aber auch ein Anklang von dem, was
Ewigkeit wirklich bedeutet, liegt doch schon im 1000-jährigen Reich darin.
Dieses Reich ist zeitlich begrenzt, und doch sind viele Dinge darin, die schon
einen Hinweis enthalten auf die Ewigkeit.
„So wisse denn und verstehe: Vom Ausgang des Wortes, Jerusalem
wiederherzustellen und zu bauen, bis auf den Messias, den Fürsten, sind 7 Wochen
und 62 Wochen. Straßen und Gräben werden wiederhergestellt und gebaut werden,
und zwar in Drangsal der Zeiten“ (Vers 25)
Diese 70 Jahrwochen erfahren jetzt von dem Engel eine Dreiteilung in 7 Wochen
und 62 Wochen und 1 Woche. Die letzte Woche wird also 7 Jahre umfassen und sehr
ernste Ereignisse in sich bergen. Die ersten 7 Wochen werden definiert in Vers
25, sie umfassen die Zeitspanne, die zum Aufbauen Jerusalems und seiner Mauern
gebraucht wurde. 49 Jahre also ist an Jerusalem und der Mauer gebaut worden.
Wann war dieser Zeitpunkt, wo das Wort ausging, Jerusalem wiederherzustellen?
Drei Möglichkeiten kommen dafür in Betracht:
·
Esra 1,1+2: der König Kores lässt einen
Ruf ergehen, das Haus des Herrn in Jerusalem zu bauen;
·
Esra 7,11 ff.: der König Artasasta erlässt
einen Befehl, das Haus des Gottes des Himmels zu bauen;
·
Neh 2,1 ff.: der König Artasasta gewährt
in seinem 20.Jahr dem Nehemia, die Stadt der Begräbnisse seiner Väter wieder
aufzubauen; das geschah im Jahr 455 v.Chr.
Die ersten beiden Ereignisse beziehen sich ausschließlich auf den Tempel in
Jerusalem, nicht auf die Stadt. Aber in Nehemia 2
geht es um die Stadt, und das ist der Startpunkt für die 70 Jahrwochen: das
20.Jahr des Königs Artasasta. Dieser Zeitpunkt lag aus der damaligen Sicht
Daniels noch in der Zukunft. Wie sollte er das verstehen können (Vers
23+25)? Er konnte doch gar keine Berechnungen damit anstellen. Aber ist es nicht
an sich etwas ganz Erhabenes, wenn Gott einem Gläubigen Seine Gedanken mitteilen
möchte, wenn er Gemeinschaft mit einem solchen haben möchte über das, was Er
vorhat mit Seinem Volk?
Von diesem Zeitpunkt also an würden 7 Wochen oder 49 Jahre gebraucht werden,
um in Drangsal der Zeiten die Straßen und Gräben wiederherzustellen und zu
bauen. Mit dieser Drangsal ist nicht die große Drangsal gemeint, sondern die
Drangsal, die Nehemia in der Zeit seines Wirkens in tiefstem Maß durch
Widerstand und Anfeindung erfahren hat.
Welches Ereignis ist gemeint, wenn es heißt: „bis auf den Messias, den
Fürsten“? Ist es Seine Geburt, oder der Anfang Seines öffentlichen Dienstes;
Sein Einzug in Jerusalem (Sach 9,9 und
Mt 21,1–11), oder Sein Tod? Viel
spricht dafür, auch der Zusammenhang mit dem nächsten Vers, dass es Seinen Tod
meint. Auf jeden Fall aber ist es bewegend, dass wir hier eine Prophezeiung vor
uns haben, die direkt auf den Herrn Jesus geht, unseren Heiland! Nur vier Mal in
der ganzen Heiligen Schrift wird der Herr Jesus der Messias genannt (Dan
9,25+26; Joh 1,41; 4,25)!
Beachten wir auch, dass mit diesem kleinen Wort bis etwas ganz Großes
ausgedrückt wird: Gott setzt Grenzen (bis dahin und keinen Schritt weiter) und
bestimmt Zeiträume, die selbst Satan nicht überschreiten kann, auch ihm sind
Grenzen gesetzt. Das gibt uns Ruhe und Sicherheit im Vertrauen auf Gott und Sein
Wort!
Der Prophet Daniel (49) - Kapitel 9,26-27
Online seit dem 13.03.2016, Bibelstellen: Daniel 9,26-27
„Und nach den 62 Wochen wird der Messias weggetan werden und nichts haben.
Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören,
und das Ende davon wird durch die überströmende Flut sein; und bis ans Ende:
Krieg, Festbeschlossenes von Verwüstungen“ (Vers 26)
Am Ende der insgesamt 69. Jahrwoche wird also der Messias weggetan werden, d.h.
ausgerottet werden als Messias, nicht als Sohn Gottes. Sein Reich wird
aufgeschoben. Es meint Seinen Tod, Er wurde abgeschnitten aus dem Land der
Lebendigen (Jes 53,8; Ps 102,25). Die weltliche Geschichtsschreibung
sagt, dass es das Jahr 29 n.Chr. gewesen sei, aber da müssen Berechnungsfehler
vorliegen. Von wem wurde der Messias weggetan? Nicht nur von Seinem Volk, Er
wurde auch von Seinem Gott weggetan (Jes 53,10). Im gleichen Augenblick,
wo der Herr Jesus zur Sühnung unserer Sünden unter dem Schwert Gottes starb,
wurde Er als Messias beiseite gesetzt, alle Seine Rechte als Messias wurden
aufgeschoben und das Volk zerstreute sich (Sach 13,7). Das ist genau das
Gegenteil von dem, was durch das Sühnungswerk im Blick auf die Versammlung
geschehen ist (Joh 11,52). Wir dürfen also in der Deutung dieses Verses
die Versammlung nicht mit hineinbringen. In Seinem Wesen als Messias hat Er
alles verloren (Jes 49,4) für diese Zeit; Messias ist Seine Stellung hier
auf der Erde.
Der Messias wurde also im Blick auf Israel weggetan, nicht für die Versammlung,
denn nach diesem Ereignis wurde die Zeit der Versammlung eingeführt, die von
Ewigkeit her in dem Ratschluss Gottes war. Und erst nach ihrer Entrückung wird
die letzte, die 70.Jahrwoche beginnen; die prophetische Uhr beginnt dann wieder
zu laufen (Rö 11,25+26). Und diese letzte Jahrwoche endet mit der
Erscheinung des Herrn in Macht und Herrlichkeit, durch den eine ewige
Gerechtigkeit eingeführt und Sein Reich aufgerichtet werden wird.
Der kommende Fürst ist das erste Tier aus Off 13,1, das Haupt des
römischen Reiches. Aber nicht er, sondern sein Volk, die Römer, kamen (Joh
11,48), um die Stadt und das Heiligtum zu zerstören. Die Stadt stellt
den Mittelpunkt des gemeinschaftlichen Lebens dar, das Heiligtum den
religiösen Mittelpunkt. Beides wird ihnen genommen werden. Dieser kommende Fürst
ist auch heute noch zukünftig. Das Volk des kommenden Fürsten bedeutet
also mit anderen Worten: das römische Volk, aus dem einmal in der Endzeit das
Haupt des römischen Reiches als satanische Macht erstehen wird.
Hier in Vers 26 geht es um das Geschehen im Jahr 70 n.Chr., wo unter dem
römischen Feldherrn Titus Jerusalem zerstört und zertreten und das Volk der
Juden über die ganze Erde zerstreut wurde. Es ist ergreifend, dass der Herr bei
Seinem Einzug in Jerusalem weinte über diese Stadt, weil sie nicht erkannt
hatte, was zu ihrem Frieden dient und Ihn als den Messias verworfen hatte,
deshalb würden diese schrecklichen Verwüstungen über sie kommen (Lk 19,41–44).
Die Geschichtsschreibung berichtet, dass Titus den Tempel verschonen wollte,
aber einer seiner Soldaten hatte eine brennende Fackel hineingeworfen, und der
Tempel brannte nieder – Gottes Wort erfüllt sich genauestens: Jerusalem wurde
zerstört durch das Volk des kommenden Fürsten. In der prophetischen Rede
des Herrn in Lk 21,22 ff. spricht der Herr von diesen Ereignissen, dass
Tage der Rache sein werden, große Not im Land und Zorn über dieses Volk.
Zwischen Vers 24 und Vers 25 in Lk 21 müssen wir wie hier in Vers 26 die
Gnadenzeit einordnen, in der die prophetische Uhr bis heute stehen geblieben
ist. Diese Gnadenzeit ist in ihrer zeitlichen Ausdehnung nicht definiert, sie
dauert jetzt schon fast 2000 Jahre.
Die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. würde jedoch noch nicht das Ende der
Leiden für dieses Volk bedeuten, sondern es würde noch weitergehen. Was muss
Daniel empfunden haben, als er auf seine Bitten für diese Stadt nun hören
musste, dass diese Stadt noch zwei Mal zerstört werden würde, das eine Mal durch
die Römer im Jahr 70 n.Chr. und dann in der Zeit des Endes durch den Assyrer.
Und in der Zwischenzeit zwischen diesen beiden Ereignissen würden Krieg und
Festbeschlossenes von Verwüstungen diese Stadt charakterisieren. Jerusalem war
und ist bis zum heutigen Tag ein Krisenherd.
Was hier mit dem Ausdruck der überströmenden Flut angedeutet wird, ist
ein längerer Zeitraum furchtbarer Nöte und Folgen für das Volk. In Jes
28,14+15 haben wir einen ähnlichen Ausdruck: die überflutende Geißel.
Dabei geht es um den Assyrer, den König des Nordens, der in der 70.Jahr-Woche
gegen Israel heraufziehen wird. Dass dieser mächtige zukünftige Widersacher
Israels hier in diesem Vers schon angedeutet wird, kann aus der zweimaligen
Erwähnung des Endes geschlossen werden. Dieser Ausdruck wird im Buch
Daniel mehrfach gebraucht im Blick darauf, dass die Zeit der Nationen zu Ende
geht (Dan 8,17; 11,27+35+40; 12,4+9), damit dann das Reich des Sohnes
Gottes aufgerichtet werden kann. Offensichtlich wird hier der Bogen geschlagen
von der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. bis ans Ende, wo diese
überflutende Geißel wie ein Strom über Israel hinwegfließen wird (Jes 59,19)
und Krieg und Festbeschlossenes von Verwüstungen darüber bringen wird. Während
dieser ganzen Zeit wird es für dieses Volk keine Zeit der Ruhe geben, nur Krieg,
nur Verwüstungen, jegliche Ordnung wird weggetan sein – wir sehen das auch in
unseren Tagen. Es ist von Gott fest beschlossen, Er selbst hat es festgelegt.
Wenn Jesaja ungefähr 200 Jahre vor der Zeit Daniels von dem damals
bevorstehenden Angriff des Assyrers spricht (Jes 10,23; 28,22), verbindet
er es mit jenem Tag, er springt also von der für ihn gegenwärtigen Zeit
in die Zeit des Überfalls des Assyrers in der Endzeit.
„Und er wird einen festen Bund mit den Vielen schließen für eine Woche;
und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen.
Und wegen der Beschirmung der Gräuel wird ein Verwüster kommen, und zwar bis
Vernichtung und Festbeschlossenes über das Verwüstete ausgegossen werden“ (Vers
27)
Hier kommt also der heute noch zukünftige Fürst des römischen Reiches vor uns.
Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, bevor er dann diesen Bund mit der
Masse des ungläubigen jüdischen Volkes schließt: zuerst einmal muss das römische
Reich wieder erstehen; zweitens muss Israel wieder eine Nation sein, was seit
1948 der Fall ist; und drittens muss in Jerusalem wieder ein Tempel stehen, in
dem wieder Opferdienst gebracht wird. Von diesen drei Punkten sind der erste und
der dritte bis heute noch nicht erfüllt. Die 70.Jahr-Woche hat heute also noch
nicht begonnen.
Die 70 Jahr-Wochen kurz zusammengefasst:
Ausgangspunkt: die Genehmigung Artasastas an Nehemia, die Stadt Jerusalem wieder
aufzubauen im Jahr 455 v.Chr.
7 Wochen = 49 Jahre |
ca. 455 – 406 v.Chr. |
die Wiederherstellung Jerusalems; (geschichtlich das Ende des Alten
Testaments) |
62 Wochen = 434 Jahre |
ca. 406 v.Chr. – 29 n.Chr. |
die Brücke zwischen Altem und Neuem Testament bis zum Tod des Herrn, dem
Wegtun des Messias |
die Prophetische Uhr ist angehalten; der schon fast 2000 Jahre währende
Zeitabschnitt der Gnadenzeit unterbricht den Ablauf der Ereignisse
zwischen der 69. und der 70. Jahr-Woche; erst nach der Entrückung der
Versammlung beginnt die 70.Jahr-Woche |
||
1 Woche = 7 Jahre |
??? |
diese 70.Jahr-Woche unterteilt sich noch einmal in zwei Hälften, wobei
die zweiten 3 ½ Jahre die große Drangsalszeit umfassen und mit der
sichtbaren Erscheinung des Herrn enden werden |
Dieses militärische Schutzbündnis wird in der 70.Jahr-Woche zwischen der Masse
des ungläubigen jüdischen Volkes und dem kommenden Haupt des römischen Reiches
geschlossen werden, um Schutz vor dem heranziehenden Assyrer, dem König des
Nordens, zu bekommen. Aus Jes 28,15–19 können wir erkennen, warum es
eigentlich in der Endzeit diese drei Parteien geben wird
Aus dem Norden wird der Feind, der Assyrer, heranziehen um Israel in seinen
Besitz zu bringen. Um das zu verhindern, wird das ungläubige Israel sich mit dem
römischen Reich und seinem Fürsten verbünden. Deshalb wird sich das römische
Reich am Ende in Armageddon befinden, im Land Israel. Das geistliche Urteil
darüber ist, dass das ein Bund mit dem Tod, ein Vertrag mit dem Scheol ist, dass
sie Zuflucht zur Lüge und zur Falschheit genommen haben. Der gläubige Überrest
wird an diesem Bündnis nicht mitmachen, sie werden ihre Zuflucht nehmen zu dem
kostbaren Eckstein. Inmitten des größten Tohuwabohus haben diese bedrängten
Gläubigen diesen Eckstein, aufs Festeste gegründet. Der Herr Jesus ist das
Endziel aller Wege Gottes mit dieser Erde, Er wird einmal hier in dieser Welt
über allem stehen!
In Verbindung mit dem Antichristen wird der römische Fürst in der Hälfte der
Woche, also nach den ersten 3 ½ Jahren der 70.Jahr-Woche (Dan 12,11),
eine satanische Religion einführen, sowohl in Palästina als auch im ganzen
römischen Reich. Es ist der Zeitpunkt, wo Satan auf die Erde geworfen wurde (Off
12,7–14), und wo die beiden Tiere – das Haupt des römischen Reiches (Off
13,1–8) aus dem Meer, und der Antichrist (Off 13,11–17) aus der Erde
– heraufsteigen. Und diese drei Personen werden in einer satanischen Dreiheit
die Erde regieren. Das ist der Beginn der großen Drangsal, die die zweiten 3 ½
Jahre der 70.Jahr-Woche dauern wird.
In dieser Zeit wird der Antichrist die Gewalt des römischen Machthabers ausüben
und wird die, die auf der Erde wohnen, zwingen, das Haupt des römischen Reiches
anzubeten. Und dann wird dieser Antichrist ein Bild des ersten Tieres aufstellen
und wird die Menschen zwingen, dieses Bild anzubeten (Off 13,12–15). Er
wird Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen; das rein formale jüdische
religiöse Tun wird er abschaffen und anstelle dieser Opfer etwas anderes
aufstellen, er wird Gräuelgötzen beschirmen. In Dan 11,31 wird von dem
Assyrer gesagt, dass dieser das beständige Opfer abschaffen und den verwüstenden
Gräuel aufstellen wir; das hat sich aber in der Geschichte des griechischen
Weltreiches unter Antiochus Epiphanes schon erfüllt und hat keinen Bezug zu dem
Geschehen der 70.Jahr-Woche.
Was ist dieser verwüstende Gräuel oder Gräuel der Verwüstung (Mt 24,15)
also? Es könnte einmal die Aufstellung des Bildes des römischen Machthabers zum
Götzendienst anstelle des jüdischen Gottesdienstes im Tempel in Jerusalem sein.
Nach 2. Thes 2,3+4 könnte es auch der Antichrist selbst sein, der sich
als Person in den Tempel Gottes setzen und sich anmaßen wird, sich selbst Gott
zu nennen und sich als göttliche Person verehren zu lassen (Mt 24,15). Da
der Engel Gabriel hier von der Beschirmung der Gräuel spricht, könnte man
daraus schließen, dass es um den Antichristen im Tempel geht, über den der
römische Machthaber schützend und schirmend seine Hand halten wird. Mit letzter
Sicherheit lässt sich aber nicht bestimmen, welches dieser beiden Dinge hier
gemeint ist. Es wird jedenfalls an dem einzigen heiligen Ort, den Gott kannte
und kennt, in dem Tempel in Jerusalem, der Gipfel der Gotteslästerung, der je
auf Erden geschehen ist, stattfinden!
Die Antwort Gottes darauf wird der Verwüster sein, den Gott schicken wird. Es
ist der Assyrer, der König des Nordens, den Gott als Zuchtrute zur Bestrafung
Seines irdischen Volkes benutzen wird (Jes 8,7+8; 10,5+6; Jer 47,2). Die
Folge davon ist Vernichtung, d.h. für die meisten in Israel wird es
buchstäblich den Tod bedeuten, sie werden in diesen ganzen Kriegen umkommen.
Aber auch der Assyrer wird nach diesen Kriegsgeschehen durch den Herrn Jesus
gerichtet und geschlagen werden (Jes 14,25; Dan 11,45).
Vers 27 ausführlich:
Und er
[das zukünftige Haupt des römischen Reiches] wird einen festen Bund mit den
Vielen [der ungläubigen Masse des jüdischen Volkes] schließen für eine
Woche [die 70.Jahr-Woche; die 7 Jahre zwischen Entrückung der Versammlung
und der Aufrichtung des 1000-jährigen Reiches]; und zur Hälfte der Woche
[der Beginn der großen Drangsalszeit, die letzten 3 ½ Jahre] wird er [das
Haupt des römischen Reiches] Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen.
Und wegen der Beschirmung der Gräuel [die schirmende Hand des Hauptes des
römischen Reiches über den Antichristen im Tempel in Jerusalem] wird ein
Verwüster kommen [der Assyrer, der König des Nordens als Werkzeug Gottes zur
Bestrafung Seines abtrünnigen Volkes], und zwar bis Vernichtung und
Festbeschlossenes über das Verwüstete [die geliebte Stadt Jerusalem]
ausgegossen werden.
So endet dieses Kapitel mit schrecklichen Gerichten. Wie ermunternd muss es für
Daniel gewesen sein, dass Gott aber zuvor in Vers 24 ihm gezeigt hatte, dass Er
Sein Ziel mit diesem Volk erreichen wird, dass noch einmal ein Allerheiligstes
in Jerusalem gesalbt werden wird! Aber hier am Ende dieser Prophezeiung sehen
wir, dass die geliebte Stadt Jerusalem, für die Daniel so innig gebetet hatte,
das Verwüstete genannt wird. „O dass mein Volk gehört hätte, dass Israel
in meinen Wegen gewandelt hätte“ (Ps 81,14)!
Wir haben jetzt diese gewaltige Mitteilung des Engels Gabriel betrachtet, wir
haben die verschiedenen Zeitabschnitte und die Hauptakteure gesehen –
beschleicht uns nicht ein Gefühl der Trauer, dass es mit der Person des
Verwüsters und der Verwüstung Jerusalems endet? Diese Not für das Volk wird
gewaltig sein; aber es macht uns doch glücklich, dass trotz aller Not der Herr
Jesus zu Seinem Ziel kommt! Er wird nach all diesen gerechten Gerichten die
Schmach Seines Volkes wegnehmen von der ganzen Erde und die Tränen von jedem
Angesicht abwischen (Jes 25,8)! So notwendig die Wege der Zucht sind, so
geht Er diese Wege mit den Seinen aus Liebe; und Er wird als der Letzte auf der
Erde stehen (Hiob 19,25) – „Herrlichkeit dem Gerechten“ (Jes 24,16)!
Der Prophet Daniel (50) - Kapitel 10,1-3
Online seit dem 08.11.2016, Bibelstellen: Daniel 10,1-3
Einleitung zu Daniel 10 – 12
Die letzten drei Kapitel des Propheten Daniel gehören inhaltlich zusammen.
Kapitel 10 ist eine Art Einleitung zu dem umfassenden Gesicht, das Daniel in
Kapitel 11 erhält; es bereitet uns darauf vor und zeigt uns die Umstände, unter
denen Daniel das Gesicht sah. Vers 1 von Kapitel 11 gehört dabei eigentlich noch
zu Kapitel 10. Ab Vers 2 von Kapitel 11 beginnt dann der Engel damit, das
Gesicht dem Daniel zu offenbaren. Nachdem zu Anfang noch von vier persischen
Königen die Rede ist, kommt er dann direkt auf Alexander den Großen zu sprechen.
Zwei seiner vier Nachfolger, die sogenannten Diadochen, die im Norden und im
Süden Israels ihre Reiche hatten – Syrien und Ägypten – werden dann als erste
König des Nordens (Syrien) und König des Südens (Ägypten) genannt. Ein Ausdruck,
der uns dann noch öfter begegnen wird. Dabei bedeutet dieser Ausdruck dann nicht
immer unbedingt dieselbe Person. König des Südens und König des Nordens sind
Bezeichnungen für eine Gattung, so wie z.B. Pharao. Im Lauf der Jahre haben
viele verschiedene Männer diesen Titel getragen.
Es ist außerordentlich wichtig zu bemerken, dass Kapitel 11 einen gewaltigen
Unterbruch hat, und zwar nach Vers 35. Die ersten 35 Verse zeigen geschichtlich,
wie die Königreiche vom Norden und Süden sich gegenseitig bekämpft haben. Aus
Sicht von Daniel war das damals alles noch zukünftig, aber aus unserer heutigen
Sicht haben sich die in diesen 35 Versen geschilderten Ereignisse längst
ereignet und sind für uns Vergangenheit – obgleich wir prophetische Anwendungen
daraus machen können.
Mit Vers 35 endet diese Sicht und ab Vers 36 kommt plötzlich der kommende König
der Juden, der Antichrist, vor uns. Ab diesem Vers ist also alles, was gesagt
wird, auch aus unserer heutigen Sicht noch zukünftig und beschreibt, was am Ende
der Tage sein wird. Und in Kapitel 12 kommt dann etwas, was nur Israel betrifft:
eine nationale Auferweckung. Und damit schließt die eigentliche Prophetie des
Buches Daniel.
Daniel 10
„Im dritten Jahr Kores‘, des Königs von Persien, wurde Daniel, der Beltsazar
genannt wird, eine Sache offenbart, und die Sache ist Wahrheit und betrifft eine
große Mühsal; und er bekam Verständnis über das Gesicht.“ (Vers 1)
Vers 1 ist die Überschrift oder Einleitung für das Gesicht als solches, das ja
erst in Kapitel 11 geschildert wird. Daniel empfing ein Gesicht und auch
Verständnis darüber, aber das Gesicht selbst wird erst später berichtet. Dieses
Verständnis ist die Folge davon, dass Daniel sich mit seinem Volk und dessen
Versagen eins gemacht hatte. Sein Gebet und seine Beugung fand eine Antwort
darin, dass Gott ihm dieses Gesicht und das Verständnis darüber gab (Vers 12;
vgl. Dan 9,22+23). Diese Herzenshaltung ist eine Voraussetzung zum
Verstehen der Gedanken Gottes.
Daniel wird hier noch mit dem Namen Beltsazar vorgestellt; das war der Name, der
ihm in dem babylonischen Weltreich unter Nebukadnezar gegeben wurde, und dieses
Reich war doch inzwischen abgelöst worden durch das medo-persische Weltreich.
Man gewinnt den Eindruck, dass damit deutlich gemacht werden soll, dass wir es
hier immer noch mit dem gleichen Daniel zu tun haben, wie wir ihn in Kapitel 1
vor uns hatten. Es ist immer noch die gleiche Person, von Anfang des Buches bis
zum Ende.
Es wird besonders bestätigt, dass die Sache Wahrheit ist, die Daniel jetzt zu
sehen bekommen soll. Gerade Daniel 11 ist so sehr angegriffen worden, weil sich
die darin gemachten Vorhersagen bis zu Vers 35 wirklich minutiös erfüllt haben.
Und auch weil sie bis zur fernen Zukunft des Reiches des Herrn auf dieser Erde
gehen, bekräftigt Gott schon ganz am Anfang dieses Gesichtes dessen Wahrheit.
Auch in der Offenbarung, wenn es um das Ende geht, wird dreimal dasselbe betont,
dass die Sache wahr ist (Off 19,9; 21,5; 22,6). Gott besteht darauf, dass
jeder weiß, dass das, was Er offenbart, Wahrheit ist.
Wir befinden uns hier als Ausgangspunkt des Ganzen im dritten Jahr des Königs
Kores, und wir wissen aus den anderen nach-exilischen Büchern, dass dies die
Zeitspanne ist, wo sich das aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrte
Volk der Juden wieder in Jerusalem befand. Die 70 Jahre der Gefangenschaft waren
vorüber, und Gott hatte gezeigt, dass seine Propheten die Wahrheit gesprochen
hatten (Jer 25,11+12; 29,10) und dass Er Sein Volk nicht aufgegeben
hatte; dass die Geschichte dieses Volkes weitergehen würde – bis hin zu dem
Augenblick, wo der Herr Jesus in Macht und Herrlichkeit erscheinen wird. Gott
verwirklicht Seine Pläne mit Seinem irdischen Volk! Aber Er weist auch sofort
darauf hin, dass es für dieses Volk noch eine große Mühsal bedeuten
würde, bis dieses Ziel Gottes mit ihnen erreicht sein wird. Ausgehend von der
Zeit Daniels bis zum Ende wird Mühsal für das Volk Gottes sein. Rückblickend auf
diese Zeit der großen Drangsal wird in Jes 40,2 der gleiche Ausdruck
benutzt, hier steht sie noch bevor.
„In jenen Tagen trauerte ich, Daniel, drei volle Wochen. Köstliche Speise aß ich
nicht, und weder Fleisch noch Wein kam in meinen Mund; und ich salbte mich
nicht, bis drei volle Wochen vorüber waren“ (Vers 2+3)
Daniel trauert drei volle Wochen und demütigt sich (Vers 12). Es wird nicht
gesagt, warum er sich demütigt, aber so wie wir ihn kennengelernt haben, wird es
wieder die Scham wegen der Abtrünnigkeit seines Volkes gewesen sein, und um
Jerusalems willen, der Stadt der Väter, wird er geweint haben. Auch war ihm sehr
wohl bewusst, dass der Erlass des Kores, dass die Juden wieder in das Land ihrer
Väter zurückkehren durften, noch nicht die volle Befreiung für Israel bedeutete.
Es scheint, dass er der einzige Mann in dieser Zeit war, der durch die
Prophezeiung Gottes wusste, dass dies zwar eine vorübergehende Erleichterung
war, aber dass es noch dauern würde, bis das wirkliche Reich Gottes kommen
würde, in dem Christus herrschen wird und nicht fremde Herrscher.
Wir können auch an Esra 3,10–13 denken, wo von den zurückgekehrten Juden
der Grund des Tempels gelegt wurde und die Jungen darüber jubelten und die Alten
trauerten. War nicht die Haltung derjenigen, die weinten und trauerten, die
geistlichere? Daniel fühlte mit den Alten seines Volkes. Nach dem 2.Weltkrieg
hat man sehr viel von der Beugung gesprochen, gemeinsame Beugung der Brüder vor
dem Herrn in Trauer über die vergangenen Jahre verbunden mit dem Wunsch, wieder
den Weg zu gehen, den man aufgegeben hatte. Beschäftigt uns heute Beugung
wirklich noch? Wir müssten persönlich mehr die Haltung Daniels haben! Das
Verstehen der Prophetie muss bei uns Beugung und Demütigung im Blick auf unseren
heutigen Zustand hervorrufen! Demütig zu wandeln mit unserem Gott ist das, was
auch heute von uns gefordert ist (Micha 6,8). Wir müssen nicht ständig
nur mit gesenktem Kopf umhergehen und nichts mehr tun; natürlich müssen wir
unsere Aufgaben erfüllen und Daniel hat das auch getan, aber es muss Augenblicke
geben, in denen wir diese Demütigung vor Gott zum Ausdruck bringen. Und dabei
ist unsere Gesinnung wichtig: nicht im Vertrauen auf eigene Kraft! Demut als
christliche Tugend wird nicht genügend gelehrt unter uns und deshalb haben wir
sie auch nicht wirklich gelernt. Demut steht nicht hoch im Kurs unter uns,
vielleicht machen wir auch deshalb so wenig Erfahrungen mit dem Herrn. „Gott
widersteht dem Hochmütigen, den Demütigen gibt er Gnade“ (Spr 3,34; Jak 4,6;
1. Pet 5,5). Wir müssen Demut lernen, unser Herr nicht, Er war von Herzen
demütig (Mt 11,29). Wir dürfen nie vergessen, dass unser Gott ein
verzehrendes Feuer ist (Heb 12,29), und „wer kann weilen bei verzehrendem
Feuer?“ (Jes 33,14). Wir können deshalb vielleicht drei Punkte
zusammenfassen, die der Anlass zu der Trauer und Beugung Daniels gewesen sind:
Von den Sorglosen in Zion wird gesagt, dass sie „Wein aus Schalen trinken und
sich mit den besten Ölen salben und sich nicht grämen über die Wunde Josephs (Amos
6,6). Ganz anders die Reaktion Daniels; er verzichtete auf Wein, und er
salbte sich nicht. Daniel war hier ungefähr 90 Jahre alt, und dieser alte Mann
fastet drei volle Wochen lang! Im Alter von 15 Jahren hatte er den Speisen des
Königs entsagt (Dan 1,8), und bis ins hohe Alter ist er dieser Haltung
treu geblieben. Was für ein Vorbild für uns!
Der Prophet Daniel (51) - Kapitel 10,4-9
Online seit dem 10.11.2016, Bibelstellen: Daniel 10,4-9
„Und am vierundzwanzigsten Tag des ersten Monats, da war ich am Ufer des großen
Stromes, das ist der Hiddekel. Und ich erhob meine Augen und sah: Und siehe, da
war ein Mann, in Leinen gekleidet, und seine Lenden waren umgürtet mit Gold von
Uphas; und sein Leib war wie ein Chrysolith und sein Angesicht wie das Aussehen
des Blitzes und seine Augen wie Feuerfackeln und seine Arme und seine Füße wie
der Anblick von leuchtendem Kupfer; und die Stimme seiner Worte war wie die
Stimme einer Menge.“ (Vers 4–6)
Wir finden hier Daniel am Ufer des Hiddekel, des Tigris, östlich von Assyrien (1.
Mo 2,14). Wir wissen nicht, warum er dort war, und er war auch nicht allein
sondern mit einigen Männern dort (Vers 7). Vielleicht war er in
Regierungsgeschäften unterwegs, aber die Bibel beschreibt es nicht genauer.
Vielleicht ist das auch der Ort, von dem Psalm 137 spricht, wo sie an den
Flüssen Babels saßen und weinten, Daniel hat scheinbar nicht allein geweint über
den Zustand Judas (Ps 137,1–4).
Daniel erhebt seine Augen, um diesen in Leinen gekleideten Mann zu sehen, denn
dieser stand oben über dem Wasser des Stromes (Dan 12,6). Es wird nicht
ausdrücklich gesagt, dass es der Herr ist, aber ein Vergleich mit Off 1,12–16
lässt doch keinen Zweifel daran, dass es hier der Jehova des Alten Testaments
ist, der als das Bild des unsichtbaren Gottes vor Daniel steht:
Dan 10,5+6 |
Off 1,12–16 |
· in Leinen gekleidet |
· angetan mit einem bis zu den Füßen
reichenden Gewand |
· die Lenden umgürtet mit Gold von
Uphas |
· an der Brust umgürtet mit einem
goldenen Gürtel |
· Sein Leib wie ein Chrysolith |
· Sein Haupt und Seine Haare weiß
wie weiße Wolle |
· Sein Angesicht wie das Aussehen
des Blitzes |
· Seine Augen wie eine Feuerflamme |
· Seine Augen wie Feuerfackeln |
· Seine Füße gleich glänzendem
Kupfer |
· Seine Arme und Seine Füße wie der
Anblick von leuchtendem Kupfer |
· Seine Stimme wie das Rauschen
vieler Wasser |
· die Stimme Seiner Worte wie die
Stimme einer Menge |
· in Seiner rechten Hand sieben
Sterne |
· aus Seinem Mund ein scharfes
zweischneidiges Schwert |
|
· Sein Angesicht wie die Sonne
leuchtet in ihrer Kraft |
Der Herr stellt sich dem Daniel also selbst vor und zeigt ihm, dass alles, was
geschehen wird, nur einen Hauptgegenstand hat: es zielt alles auf ein Zentrum
hin, eine Person – den Sohn Gottes. Das ganze Wort Gottes zielt auf diese Person
hin, der das Zentrum des Ratschlusses Gottes ist, der die Offenbarung Gottes an
uns Menschen ist, und der in Ewigkeit der Mittelpunkt unserer Anbetung sein
wird. Für Gott hat Sein Sohn immer und in allem den Vorrang! Kann es da für uns
etwas anders geben, was bei uns den Vorrang hat?
Die Eigenschaften, die der Herr hier trägt, wird Er auch in Herrlichkeit tragen
bei der Aufrichtung Seines Reiches als der Richter, der heilige, unbestechliche,
dem alle Herrlichkeit gebührt. Auch für Israel wird der Herr Jesus einmal diesen
Platz haben; als der jetzt der Verachtete und Verworfene wird Er einmal auch von
Seinem irdischen Volk bewundert und angebetet werden. Es sind richterliche
Herrlichkeiten, denn Er wird als Richter kommen, auch für Sein irdisches Volk.
In Off 1 sehen wir das im Blick auf die sieben Versammlungen, hier ist es im
Blick auf Sein irdisches Volk, das geläutert wird. Berührt und trifft es uns
eigentlich, den Herrn Jesus mal nicht von der Seite Seiner Liebe zu uns zu
sehen, sondern zu erkennen, dass Er auch der Sohn des Menschen mit richterlicher
Autorität ist? Auch im Gericht handelt Gott in Übereinstimmung mit dem, was Er
ist, mit Seinem Wesen der Heiligkeit und Treue! Gott verherrlicht sich auch im
Gericht (Off 19,2).
Der Herr Jesus wird hier also in Seinem richterlichen Charakter mit diesen
sieben Kennzeichen gezeigt. Dabei betonen die ersten vier Punkte mehr, wer diese
Person war in Seiner richterlichen Herrlichkeit, und die drei letzten
Punkte mehr seine Beziehung zu Menschen:
„Und ich, Daniel, allein sah das Gesicht; die Männer aber, die bei mir waren,
sahen das Gesicht nicht; doch fiel ein großer Schrecken auf sie, und sie flohen
und verbargen sich. Und ich allein blieb übrig und sah dieses große Gesicht; und
es blieb keine Kraft in mir, und meine Gesichtsfarbe verwandelte sich an mir bis
zur Entstellung, und ich behielt keine Kraft. Und ich hörte die Stimme seiner
Worte; und als ich die Stimme seiner Worte hörte, sank ich betäubt auf mein
Angesicht, mit meinem Angesicht zur Erde“ (Vers 7–9)
Die Wirkung dieser Erscheinung auf Daniel war die gleiche wie bei Johannes auf
der Insel Patmos, sie waren beide fast zerschmettert, zu Boden geschlagen. Wir
sehen daraus, dass der Mensch in seinem natürlichen Leib und Umfeld nicht in der
Lage ist, Gott zu ertragen oder der Herrlichkeit Gottes gegenüberzustehen. Gott
hatte in Seiner Gnade schon zu Mose gesagt hätte, dass Er ihn in eine
Felsenkluft stellen und er Ihn von hinten sehen würde, weil der Mensch die
Herrlichkeit Gottes nicht sehen kann (2. Mo 33,22). Auch bei Jesaja und
bei Hesekiel war das so (Jes 6,1–5; Hes 1,29), und das war auch noch bei
Johannes so, obwohl dieser doch schon die volle Offenbarung Gottes in den Herrn
Jesus kannte. Aber als Paulus im dritten Himmel war, sehen wir doch einen
Unterschied, denn er hatte dort keine Furcht. Aber Paulus war dort außerhalb des
Leibes, im Geiste. Und da gab es die Niedrigkeit des menschlichen Gefäßes nicht
mehr, so dass er unaussprechliche Worte hörte, die der Mensch nicht sagen durfte
(2. Kor 12,2–4). Aber als der Herr dem Paulus als er noch der Saulus war,
auf dem Weg nach Damaskus zum ersten Mal erschien, war die Wirkung die gleiche,
wie bei Daniel: er wurde zu Boden geworfen durch die Herrlichkeit dieser
Erscheinung (Apg 9,3+4; 22,6+7; 26,13+14).
Online seit dem 31.12.2015, Bibelstellen:
Daniel 10,10-14
„Und siehe, eine Hand rührte mich an und machte, dass ich auf meine
Knie und Hände emporwankte. Und er sprach zu mir: Daniel, du vielgeliebter Mann!
Höre die Worte, die ich zu dir rede, und steh jetzt an deiner Stelle; denn ich
bin jetzt zu dir gesandt. Und als er dieses Wort zu mir redete, stand ich
zitternd auf. Und er sprach zu mir: Fürchte dich nicht, Daniel! Denn von dem Tag
an, als du dein Herz darauf gerichtet hast, Verständnis zu erlangen und dich vor
deinem Gott zu demütigen, sind deine Worte erhört worden; und um deiner Worte
willen bin ich gekommen“ (Vers 10–12)
Die gütige Hand, die jetzt den Daniel anrührt, gehört nicht zu dem Mann aus
Vers 5+6. Hier kommt jetzt eine andere Person ins Spiel, ein Engelsfürst, der zu
Daniel gesandt wurde. Und er ermuntert ihn zunächst mit der Zusage, dass er ein
vielgeliebter Mann war. Dreimal wird er so genannt (Dan
9,23; 10,11+19). Der Herr Jesus wird übrigens im ganzen Wort Gottes
nicht einmal so genannt, denn die Liebe Gottes zu Seinem Sohn ist nicht
steigerungsfähig; deshalb sollten wir in Bezug auf unsere Anrede des Herrn Jesus
nicht über das Wort Gottes hinausgehen.
Gott hatte jetzt einen Engel mit dieser Botschaft, die in Kapitel 11 beginnt,
dem Daniel gesandt. Hier in diesem Vers hat Daniel diese Botschaft noch gar
nicht gehört. Allein vor der himmlischen Erscheinung ist er wie Nichts
vergangen. Zitternd steht er auf und hört dieses beglückende: „Fürchte dich
nicht, Daniel“! Die Haltung Daniels war Gott so wohlgefällig, dass er schon vom
ersten Tag dieser drei Wochen an und nicht erst an deren Ende (Vers 2) den Engel
gesandt hatte. Aber der Engel kam erst nach Verlauf von drei Wochen bei Daniel
an. Hier lüftet Gott den Schleier, weil Er Daniel zeigen möchte, warum er 21
Tage warten musste. Andererseits lassen aber diese Verzögerungen in der
unsichtbaren Engelwelt Daniels Ausharren nur umso deutlicher zum Vorschein
kommen. Er hat nicht 1 Tag gebetet, nicht 3 Tage oder 1 Woche; er hat 21 Tage
gebetet und war noch im Gebet begriffen, als die Antwort kam und ihn damit
ermunterte, dass sein Gebet schon am ersten Tag erhört worden war.
Daniel hatte sein Herz darauf gerichtet, Verständnis zu erlangen, nicht
seinen Intellekt. Im Herzen gibt es wahres Verständnis über die Gedanken Gottes.
Und seine Demütigung hatte er nicht nur durch eine äußere Haltung ausgedrückt,
sondern er hatte sie mit Worten zum Ausdruck gebracht. Welche Worte er dabei
gebraucht hat, wird nicht gesagt, aber er hat Worte formuliert und ausgesprochen
und nicht nur eine äußere Haltung eingenommen.
„Aber der Fürst des Königreichs Persien stand mir 21 Tage entgegen; und
siehe, Michael, einer der ersten Fürsten, kam, um mir zu helfen, und ich trug
den Sieg davon bei den Königen von Persien. Und ich bin gekommen, um dich
verstehen zu lassen, was deinem Volk am Ende der Tage widerfahren wird; denn das
Gesicht geht noch auf ferne Tage“ (Vers 13–14)
Aus der Schilderung in diesen Versen wird deutlich, dass es sich hier nicht
mehr um den Herrn handelt, sondern um einen Engelsfürsten. Dem Allmächtigen
kommt keiner zu Hilfe und keiner kann Ihm widerstehen, wenn Er etwas ausführen
will. Als Er als Mensch auf der Erde war, haben Ihm Engel gedient – welche
Erniedrigung des allmächtigen Herrn!
Als Daniel in Kapitel 9 gebetet hatte, kam der Engel Gabriel noch während er
betete (Dan 9,20+21); hier ist das anders.
Gott sendet einen Engel, und der Engel kann nicht sofort kommen. Drei volle
Wochen vergehen, weil ihm der Fürst des Königreichs Persien entgegenstand. Hier
haben wir einen Blick in den Himmel, was uns im Allgemeinen verwehrt ist. Wir
kennen nur sehr wenig von den Vorgängen im Himmel. Hier sehen wir, dass es sogar
im Himmel Widerstände gegen Gottes Absichten gibt. Ein böser Engelsfürst hat im
Himmel die Kraft, die Ausführung des Auftrages Gottes zu verhindern. Gott lässt
das zu.
Wenn Gott so wie hier oder in Hiob 1,6–12; 2,1–7
oder Lk 22,31 punktuell mal den Schleier
vor den unsichtbaren Welten lüftet, dann geht dieser Schleier aber auch schnell
wieder zu. Wir lernen daraus, dass wir uns nicht über das Maß mit den
unsichtbaren Welten beschäftigen sollten. Auch der Kolosser-Brief warnt uns
davor (Kol 2,18).
Es scheint so, dass der Teufel mit seinen bösen Mächten das Herrschafts-
System Gottes nachzuahmen sucht. Es handelt sich dabei um Realitäten, mit denen
wir es auch heute zu tun haben. In den geschaffenen Himmeln sind auch noch böse
Mächte tätig, die Gottes Absichten vereiteln möchten. Der Fürst Persiens ist ein
Engel, auch Michael, der Erzengel, wird Fürst genannt. Es gibt im Himmel
Engelsfürsten guter Art (Eph 1,20+21;
Kol 1,16) und Engelsfürsten böser Art (Rö
8,38; Eph 6,12). Es gibt also
ganze Hierarchien von Engeln, die der Herr Jesus geschaffen hat; und der Teufel
ahmt das nach und hat auch seine Engels-Hierarchien in seinem Machtbereich.
In diesem Kapitel wird also deutlich, dass die Erhörung unserer Gebete
verhindert werden kann, wenn böse Engel auftreten. Der Teufel will unsere Gebete
torpedieren. Aber in einem Punkt dürfen wir nicht irren: die Gebete, die wir
aussprechen, werden sofort von Gott gehört! Nur in der Erhörung unserer Gebete
kann es Hindernisse geben. Wir sollten uns aber nicht fragen, warum Gott unserer
Gebet nicht erhört, ob da wieder ein Engel im Himmel ist, der dagegensteht.
Damit sollten wir uns nicht beschäftigen. Es wird niemals soweit kommen, dass
der Teufel mit seinen Engeln wirklich verhindert, was Gott will! Gott kann nicht
grundsätzlich an einer Sache gehindert werden, die Er tun will. Der Ratschluss
Gottes wird zur Ausführung kommen – diese Gewissheit wird uns tief glücklich
erhalten!
Wir wissen, dass Gott den Teufel benutzen kann, um Seine Ziele zu erreichen;
Er geht Seinen Weg trotz des Widersachers. Er hätte ihn längst abschaffen
können, doch Er lässt ihn noch immer gewähren. Er gibt dem Wirken Satans gewisse
Grenzen, aber Er lässt ihn noch gewähren und setzt ihn nicht einfach beiseite.
Gott wird nicht überwältigt von irgendeinem Wesen, wenn Er ihm auch Raum
gewährt. In gewissem Sinn gibt Er ihm die Wege frei. Als Satan aus dem Petrus
sprach, hat Er ihn zurechtgewiesen (Mt 16,22+23).
Er lässt sich durchaus nicht alles gefallen.
Als der Herr Jesus auf der Erde war, ist Er in das Haus des Starken
eingedrungen und hat seine Habe gebunden (Mt 12,29;
Mk 3,27). Ein Stärkerer als er ist gekommen
und hat ihn besiegt (Lk 11,22). Der Teufel
weiß, dass er schon gerichtet ist am Kreuz von Golgatha (Joh
16,11), was sein Schicksal ist, auch seine Dämonen wissen das (Mt
8,29). Dennoch ist er in seiner Bosheit so verbissen, dass er nicht
nachlässt, alles, was Gott will, durch Opposition zu torpedieren. Warum lässt
Gott das zu? Das Urteil ist gesprochen – aber Satan ist frei, der Vollzug dieses
Urteilsspruches steht noch aus! Gott lässt ihn gewähren. Im 1000-jährigen Reich
wird es einen nächsten Schritt geben: Satan wird gebunden, aber noch nicht
völlig unschädlich gemacht; und am Ende der 1000 Jahre wird er noch einmal
freigelassen. Erst danach, wenn er dann noch einmal einen Angriff gegen die
heilige Stadt gerichtet haben wird, wird er für immer in den Feuersee geworfen (Off
20,7–10).
Warum lässt Gott das zu? Eine endgültige Antwort werden wir darauf nicht
finden. Gott zerstört nicht einfach das Böse, Er lässt es durch das Gute
überwinden! Vielleicht ist einer der Gründe der, dass wir Glaubende der
Gnadenzeit in unserem Glauben und Abhängigkeit und Demut gegen Satan siegen
können (Jak 4,7). Das geht nicht durch
eigene Macht, sondern nur so, wie der Herr Jesus es getan hat: Er war gehorsam,
Er hat mit dem Wort, dem Schwert des Geistes geantwortet, und dadurch den Satan
in die Flucht geschlagen. Und in dieser Glaubens-Abhängigkeit von Ihm und Seinem
Wort können wir das auch. Wir können heute auf demselben Schauplatz, wo der Herr
Jesus den Satan durch Sein Werk besiegt hat, in denselben Fußspuren wandeln.
Dadurch ehren und verherrlichen wir Gott in unserem Glaubensleben. Im
1000-jährigen Reich wird es auch Glauben geben, aber die Glaubenden dieser Zeit
werden nicht diese Widerstände von Satan kennen. Dort wird es keine Welt als ein
System Satans mehr geben, Satan wird in dieser Zeit keine Macht ausüben können.
Deshalb werden auch die Gläubigen dieser Segenszeit Gott nicht auf die gleiche
Weise ehren und verherrlichen können.
Michael hatte auch den Streit mit dem Teufel um den Leib Moses (Judas
9); dieser Erzengel hat offenbar besonders mit dem Volk Israel zu tun
(Dan 10,21; 12,1;
Off 12,7 ff.). Und er steht hier dem von Gott an Daniel gesandten
Engel bei, damit der Fürst von Persien besiegt werden konnte. Sein Name
bedeutet: wer ist wie Gott? – wie passend!
Gerade im Blick auf Israel wird deutlich, dass Satan hinter den Kulissen
wirkt. Es gibt in unseren Tagen Bestrebungen, Israel seine Staatlichkeit
abzuerkennen. Satan ist mit seinen Heerscharen in den himmlischen Örtern ständig
damit beschäftigt, die Pläne Gottes mit Israel zu stören oder zu vereiteln, und
ganz aktuell ist es das Bemühen Satans, 70 Jahre nach dem Holocaust, wo alle
Welt gesagt hatte, dass so etwas dem jüdischen Volk nie wieder geschehen darf,
das ganze Blatt wieder zu drehen und dem Staat Israel seine Existenzgrundlage zu
entziehen.
Und dann gibt der Engel dem Daniel noch die Zielrichtung dessen an, was ihm
in dem Gesicht in Kapitel 11 gezeigt werden soll: was dem Volk der Juden am
Ende der Tage widerfahren soll, denn das Gesicht geht noch auf ferne Tage.
Dies ist ein Hinweis von größter Wichtigkeit für die Auslegung des Gesichtes.
Vieles ist aus unserer heutigen Sicht bereits Geschichte, aber letzten Endes
will Gott uns hier wissen lassen, was am Ende der Tage sein wird. Das
müssen wir im Auge behalten.
Online seit dem 13.11.2016, Bibelstellen:
Daniel 10,15-20
„Und als er in dieser Weise mit mir redete, richtete ich mein Angesicht
zur Erde und verstummte. Und siehe, einer, den Menschenkindern gleich, berührte
meine Lippen; und ich tat meinen Mund auf und redete und sprach zu dem, der vor
mir stand: Mein Herr, wegen des Gesichts überfielen mich die Wehen, und ich habe
keine Kraft behalten. Und wie vermag ein Knecht dieses meines Herrn mit diesem
meinem Herrn zu reden? Und ich – von nun an bleibt keine Kraft mehr in mir, und
kein Odem ist in mir übrig.“ (Vers 15–17)
Auch durch diese Worte des Engels wird Daniel sehr gebeugt und verliert seine
Kraft und verstummt. Es ist die Güte Gottes, die wieder eine menschliche Gestalt
sendet, die ihn stärken will. Daniel sagt ihm dann, dass er wegen des Gesichts
aus den Versen 5+6 so schwach geworden war. Der Mensch zerschmilzt wie Eis vor
der Sonne in der Gegenwart himmlischer Herrlichkeit, ob sie durch Engel gezeigt
wird oder durch Gott selbst. Die eigentliche Botschaft über die Zukunft seines
Volkes wird ihm dann erst ab Kapitel 11 gezeigt.
„Da rührte mich wieder einer an, von Aussehen wie ein Mensch, und
stärkte mich. Und er sprach: Fürchte dich nicht, du vielgeliebter Mann! Friede
dir! Sei stark, ja, sei stark! Und als er mit mir redete, fühlte ich mich
gestärkt und sprach: Mein Herr möge reden, denn du hast mich gestärkt.“ (Vers
18–19)
In der Absicht, Daniel Mut und Kraft zu geben, um das gewaltige Gesicht
ertragen zu können, rührt ihn ein weiterer Gesandter Gottes an. Insgesamt
dreimal wird Daniel in diesem Kapitel 10 angerührt, und jedesmal wird dabei auch
ein anderer Grund angegeben: in Vers 10 damit er aus seiner Betäubung
herauskommt, in Vers 16 damit er aus seiner Sprachlosigkeit herauskommt, und
hier in Vers 18 um aus seiner Kraftlosigkeit herauszukommen. Betäubt – sprachlos
– kraftlos; gibt es solche Situationen nicht auch in unserem persönlichen Leben?
Es ist ermunternd für uns, dass Gott dafür sorgt, dass wir nicht in einem
solchen Zustand bleiben. Es ist sicher gut, wenn wir mal in einen solchen
Zustand kommen, wenn wir mal Betäubung empfinden oder Sprachlosigkeit oder
unsere eigene Kraftlosigkeit realisieren. Aber Gott möchte uns dann auch immer
wieder neue Kraft geben.
Daniel erhält hier eigentlich eine dreifache Botschaft. Als erstes sollte
sich Daniel nicht fürchten; die gleichen Worte hörte auch Johannes auf Patmos,
als er den Herrn in Seiner richterlichen Herrlichkeit sah. Sie gelten auch uns
heute – „die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus“ (1.
Joh 4,18). Wie oft lesen wir diese Worte „Fürchte dich nicht“, und
wie oft haben sie uns schon ermuntert! Als zweites hört er: „Friede dir“! Daniel
wusste, was seinem Volk begegnen würde am Ende der Tage; und doch sagt Gott
angesichts einer solchen Botschaft ihm persönlich: „Friede dir“! Wir brauchen
diesen Frieden Gottes, und auch den entbietet der Engel hier dem Daniel. Wir
haben unter uns traurige und sehr demütigende Entwicklungen, und da braucht
jeder einzelne Diener des Herrn Kraft und Frieden! Die Umstände sind ja
geeignet, den Frieden total zu zerstören. Und dann als drittes dieser doppelte
Aufruf, stark zu sein. Von Josua bis Timotheus haben immer wieder die Gläubigen
des Alten Testamentes und des Neuen Testamentes diesen ermutigen Zuruf gehört –
aber nur bei Daniel steht es zweimal hintereinander. Wir wollen uns diese Zurufe
ganz persönlich zu Herzen nehmen: „Fürchte dich nicht! Friede dir! Sei stark,
ja, sei stark“!
Diese beiden Verse können jedem mutlosen und schwachen Diener des Herrn eine
besondere Ermutigung sein. Nicht weniger als fünfmal wird hier von der Kraft
Gottes geredet und davon, dass Er stärkt. Zuerst stärkte der Engel den Daniel;
er kommt von Gott, und das erste, was er macht, ist, dass er Daniel stärkt. Wir
leben in sehr ernsten Tagen, auch politisch in diesem Land, die Umstände sind
sehr unruhig, und da brauchen wir Kraft, um in unserem Dienst zu bleiben. Wir
brauchen unbedingt die Hilfe Gottes und dass Er uns stützt. Zweimal sagt der
Engel dann zu Daniel: „Sei stark“. Reichte nicht einmal? Ist es nicht ein
besonderer Zuspruch und eine Bestärkung seitens Gottes? Und dann wird in Bezug
auf Daniel zweimal von dem Gestärkt-Werden gesprochen. Haben wir es nicht schon
vielfach erlebt, dass wir uns gestärkt fühlten, wenn wir in notvollen Umständen
das Wort Gottes öffneten und Er mit uns redete? Haben wir dann nicht erlebt, wie
Er uns tatsächlich stärkt? Die Umstände sind dieselben wie vorher, aber Er
stärkt uns! Wie kaum an einer anderen Stelle wird in diesen beiden Versen der
Gedanke des Gestärkt-Werdens betont – was für eine Ermutigung auch für uns!
Diese Verse sind aber auch eine Zubereitung für den Daniel in Bezug auf das,
was ihm noch gezeigt werden würde. Er ist jetzt bereit für die Botschaft, die
dann in Kapitel 11+12 folgt. Wenn Gott uns etwas mitteilen will oder wenn Er uns
für etwas gebrauchen will, dann bereitet Er vorher zu. Es bedarf auch für uns
heute eines gewissen inneren Zustandes, um prophetische Botschaften aufnehmen
und verstehen zu können. Wir brauchen das Bewusstsein, vor dem Herrn zu stehen,
aber auch die Gewissheit, dass Er auf unserer Seite steht. Wir sollen nicht
gleichgültig sein, aber wir brauchen auch keine Furcht zu haben. Und wir dürfen
auch an der Gewissheit erfreuen, von Ihm geliebt zu sein.
„Da sprach er: Weißt du, warum ich zu dir gekommen bin? Und jetzt werde
ich zurückkehren, um mit dem Fürsten von Persien zu kämpfen; aber wenn ich
ausziehe, siehe, so wird der Fürst von Griechenland kommen. Doch will ich dir
kundtun, was im Buch der Wahrheit verzeichnet ist. Und kein Einziger steht mir
gegen jene mutig bei als nur Michael, euer Fürst. Und auch ich stand im ersten
Jahr Darius‘, des Meders, ihm bei als Helfer und Schutz“ (Vers 20- Kap 11,1)
Nachdem Daniel gestärkt worden ist, fragt ihn der Engel, ob er wüsste, wozu
er zu ihm gekommen sei. Er würde jetzt wieder umkehren und würde mit dem Fürsten
von Persien zu streiten haben, und dann würden auch noch andere Fürsten kommen.
Außer dem Fürsten von Persien würde er an seinem Ausgangspunkt auch noch den
Fürsten von Griechenland antreffen, beide in feindseliger Absicht. Dabei geht es
um das zweite und das dritte Weltreich, von denen das dritte Weltreich noch gar
nicht existierte sondern erst Hunderte Jahre später auftreten würde. Aber im
Himmel fand diese Auseinandersetzung schon statt. Die himmlischen Mächte trugen
aber dafür Sorge, dass noch drei Könige in Persien aufstehen konnten. Darius,
der Meder, war also der erste dieser Könige, der neben Kores, dem Perser regiert
hatte. Und nach ihm kamen drei weitere Könige, von denen zwei relativ feindlich
gesinnt waren. Aber die auf der Erde lebenden Völker und ihre Führer waren sich
dieser im Himmel stattfindenden Auseinandersetzungen überhaupt nicht bewusst
(vgl. Jes 10,7). Das, was hier auf der Erde
geschieht, hat sein Gegenspiel im Himmel.
Aber der Engel wollte ihm kundtun, was im Buch der Wahrheit verzeichnet ist.
Diesen Satz verstehen wir besser, wenn wir das Wörtchen vorher einfügen:
„Doch will ich dir vorher kundtun, was im Buch der Wahrheit verzeichnet
ist“. Also er geht zurück an seinen Ausgangsort in den Himmel und weiß, dass ihm
dort Feindschaft begegnen würde; aber vorher würde er dem Daniel noch die
Wahrheit offenbaren. Es würde also nicht wieder passieren, dass Daniel drei
Wochen warten muss, sondern der Engel lässt jetzt die Angelegenheit im Himmel
erstmal so stehen und tut vorher dem Daniel das Gesicht kund. Und das beginnt
dann in Kapitel 11 ab Vers 2.
Das ist doch sehr bewegend! Gott war es jetzt erstmal wichtig, dass Daniel
nach den 21 Tagen des Wartens ermutigt wird und diese Mitteilung bekommt. Was
für eine Wertschätzung Gottes für diesen vielgeliebten Mann!
Wieder wird der Erzengel Michael erwähnt, der schon in Vers 13 dem anderen
Engel geholfen hatte, um den Sieg gegen den Fürsten von Persien zu erringen. Das
scheint nur ein Etappensieg gewesen zu sein, denn der grundsätzliche Kampf würde
noch weitergehen. Satan muss bei seinem Fall eine Unmenge von Engeln mit sich
gezogen haben, und hier steht der Engel, der bei Daniel war, allein mit Michael
gegen eine ganze Menge von feindlichen Engeln. Und deren Ziel ist immer gegen
Christus und gegen das Volk Gottes. Diese Zielrichtung steht hinter jeder
kriegerischen Auseinandersetzung hier auf der Erde.
Hier ist es nun der Engel, der zu Daniel spricht, der dann dem Michael als
Helfer und Schutz beisteht, und zwar im ersten Jahr Darius, des Meders.
Dan 6,1 zeigt uns diesen Zeitpunkt; in
dieser Zeit hatten die Feinde Daniels nur Böses gegen ihn im Sinn und wollten
ihn zu Tode bringen. Dass aber dieser Darius andere Gedanken über Daniel bekam,
dass er ihn in einer seltenen Weise wertgeschätzt hat, das hat sicher auch im
Himmel seine Vorgeschichte gehabt. Dort werden Einflüsse genommen auf die
Personen und Umstände hier auf der Erde. Die Fürsten hatten dagegen gearbeitet,
aber der Einfluss des Himmels bewirkte, dass Darius Wohlgefallen hatte an
Daniel.
Gott tut die Dinge vorher kund, bevor sie geschehen (vgl.
Joh 13,19; 14,29;
2. Pet 3,17; Jes 46,9+10). Gott steht
mit der ganzen Größe und Majestät Seiner eigenen Person hinter dem, was
geschehen wird. Und für uns ist es eine Sache des Glaubens, die prophetischen
Wahrheiten anzunehmen bevor sie sich ereignen.
Online seit dem 17.11.2016, Bibelstellen:
Daniel 11,1-2
Daniel 11
Dieses Kapitel enthält die große und außerordentliche Geschichtsschreibung
Gottes. Die Besonderheit dieses Kapitels liegt in dem Reichtum an Details gerade
in den ersten 35 Versen. Für Daniel war das alles noch komplett zukünftig und
umspannt einen Zeitraum von ca. 400 Jahren. Und in diesen 400 Jahren haben sich
ca. 150 Prophezeiungen dieser Verse im Detail erfüllt. Das ist der Grund für die
Zweifel der Gelehrten an der Verfasserschaft Daniels; man meint, dass er niemals
diese Menge in dieser Genauigkeit beschrieben haben könnte, bevor auch nur ein
Jota davon sich erfüllt hatte. Und doch war es so, und wir können nur staunen,
wie genau sich die in den ersten 35 Versen für Daniel noch zukünftigen
prophetischen Ereignisse in der hinter uns liegenden Geschichte erfüllt haben!
Dreimal wird diese große prophetische Schau, die Daniel erhalten soll,
Wahrheit genannt: die Sache ist Wahrheit, sie ist im Buch der Wahrheit
verzeichnet, und sie wird dem Daniel als die Wahrheit kundgetan (Dan
10,1+21; 11,2). Für Daniel geht es in dieser Offenbarung der Kapitel
11 und 12 komplett um zukünftige Dinge. Aus unserer Perspektive sind die Dinge
bis Vers 35 schon Vergangenheit und die Dinge ab Vers 36 immer noch zukünftig.
Aber diese Wege sind in einem Buch der Wahrheit aufgezeichnet. Bildlich
gesprochen gibt es bei Gott ein Buch, in dem diese Wege notiert sind. Dieses
Bild eines Buches soll zeigen, dass die Ratschlüsse Gottes vorher festgelegt und
unveränderlich sind. Ihm gleitet nichts aus der Hand, alle diese Wege werden
sich erfüllen, wie Er es will!
Auch dreimal haben wir in diesem Kapitel den Ausdruck zur bestimmten Zeit
(Dan 11,27.29+35). Gott bestimmt alles,
auch diese ständigen Konflikte zwischen Syrien und Ägypten. Anfang und Ende hat
Gott festgelegt, auch von dem, was heute noch zukünftig ist! Nicht die Herrscher
dieser Erde legen die Dinge fest, sondern allein Gott legt fest, was zu welcher
Zeit geschieht. Das gilt auch für uns heute! Was immer auch in der
Weltgeschichte passiert, hat Gott festgelegt, Ihm läuft nichts aus dem Ruder!
Ein kurzer Überblick über das ganze Kapitel hilft ein wenig, die Einzelheiten
dieser langen Beschreibung besser einzuordnen:
Vers 1 |
Rückblick auf die Zeit Darius, des Meders |
Vers 2 |
die Könige von Persien |
Vers 3–4 |
Alexander der Große, das griechische Reich, die vier Diadochen-Reiche |
Vers 5–20 |
erster Teil der Konflikte zwischen Syrien und Ägypten (6 syrische
Kriege) |
Vers 21–35 |
der König des Nordens Antiochus IV Epiphanes; die Makkabäer-Zeit |
ab Vers 36 ist alles auch unserer Sicht noch zukünftig |
|
Vers 36–39 |
der König der Juden, der Antichrist, die 70.Jahrwoche Daniels |
Vers 40–45 |
der letzte Angriff des Königs des Nordens auf Juda und Jerusalem |
Daniel 10 hatte uns zwei Schlüssel zum
richtigen Verständnis von Daniel 11 gegeben: es
geht um eine große Mühsal für die Juden von der Zeit Daniels an bis zum
Ende (Dan 10,1); und es geht um das Ende
der Tage, immer die letzte Jahrwoche Daniels, die Drangsal die über Israel
kommen wird unter der Regierung des Antichristen (Dan
10,14).
Und Er nimmt auch Anteil an Seinem irdischen Volk. Das ist eine ermunternde
Erklärung dieser ausführlichen Beschreibung der Kämpfe. Er hatte aus Babylon
Sein Volk geholt und zurück in das Land der Zierde geführt; dort wurden sie nun
ständig belagert und das Land wurde zu einem ständigen Schlachtfeld, zum
Aufmarschgebiet dieser mächtigen Heere der Feinde. Das lässt Gott nicht
unberührt.
„Und nun will ich dir die Wahrheit kundtun: Siehe, es werden noch drei
Könige in Persien aufstehen, und der vierte wird größeren Reichtum erlangen als
alle; und wenn er durch seinen Reichtum stark geworden ist, wird er alles gegen
das Königreich Griechenland aufreizen“ (Vers 2)
Mit diesem Vers beginnt jetzt die sehr kompakte Berichterstattung, die sich
ausgehend von dem persischen Reich über das griechische Reich bis hin zum
römischen Reich erstreckt (Kittim in Vers 30). Die drei persischen Könige, die
noch aufstehen würden, finden wir in Esra 4,5–7:
Darius (ein anderer als Dan 11,1), Ahasveros und
Artasasta. Vers 5 zeigt dabei den zeitlichen Rahmen, Kores ist der erste, dann
folgen noch drei Könige, von denen Darius der letzte ist. Zwischen ihnen
herrschten noch Ahasverors und Artasasta. In der menschlichen
Geschichtsschreibung tragen diese Könige häufig einen anderen Namen:
Ahasveros ist bekannt unter dem Namen Kambyses, Artasasta als
Gaumata oder Pseudosmerdis, und Darius als Darius
Hystaspes.
Der vierte der persischen Könige, der dann noch aufstehen würden, ist
Xerxes, der Griechenland vereinnahmen wollte. Wir kennen ihn als
Ahasveros aus Est 1,1. Er zog mit einer
Heeresmacht, wie sie die Weltgeschichte selten gesehen hat, gegen das kleine
Griechenland heran. Nach menschlichen Maßstäben musste das das sichere und
endgültige Ende von Griechenland bedeuten. Schon ganz zu Anfang dieser Schau
scheint es unmöglich, dass das Ziel Gottes erreicht werden kann. Aber in der
historischen Wirklichkeit wurde diese Übermacht durch wenige Griechen in der
Schlacht von Salamis in 480 v.Chr. vernichtend geschlagen und damit eine
Niederlage bei den Thermopylen ausgeglichen.
Es gab danach in Persien noch weitere Könige, aber die sind für diese
Offenbarung nicht von Belang. Es werden nur die vier Könige genannt, die zu tun
haben mit der Geschichte des irdischen Volkes Israel, und dann wird ein Zeitraum
von ungefähr 150 Jahren übersprungen und das Gesicht geht in Vers 3 mit
Alexander dem Großen weiter.
Online seit dem 21.11.2016, Bibelstellen:
Daniel 11,3-15
„Und ein tapferer König wird aufstehen, und er wird mit großer Macht
herrschen und nach seinem Gutdünken handeln. Und sobald er aufgestanden ist,
wird sein Reich zertrümmert und nach den vier Winden des Himmels hin zerteilt
werden. Aber nicht für seine Nachkommen wird es sein und nicht entsprechend der
Macht, mit der er geherrscht hat; denn sein Reich wird zerstört und anderen
zuteil werden, unter Ausschluss von jenen“ (Vers 3–4)
Zwischen Vers 2 und 3 liegt also ein Zeitraum von ca. 150 Jahren. Aber auf
Griechenland als dem letzten Gegenstand von Vers 2 liegt weiter das
Hauptaugenmerk. Der tapfere König ist Alexander der Große. Er wird hier
nur ganz kurz eingeführt, ohne von seinen vielen Eroberungszügen zu sprechen. Es
wird hier nur gezeigt, dass er sehr groß wurde, dass er aber sein Reich schnell
wieder zertrümmert wurde, und dass unter seinen Nachfolgern zwei hervorstechen
würden, die dann das ganze weitere Kapitel ausfüllen: der König des Nordens
(Syrien) und der König des Südens (Ägypten). Nach dem frühen Tod Alexanders des
Großen wurde das Reich unter vier seiner Generäle (Diadochen) aufgeteilt, und
nur die beiden eben genannten sind dabei von Bedeutung (Ptolemäer = Ägypten;
Seleuziden = Syrien). Die Genauigkeit der Vorhersage ist verblüffend. „Nicht für
seine Nachkommen“ und „unter Ausschluss von jenen“ würde sein Reich nach seinem
Tod sein; seine leiblichen Söhne wurden umgebracht, und das Reich unter seinen
Generälen aufgeteilt. Die gleiche Entwicklung hatten wir auch schon in den
Bildern in Daniel 7 und 8 gesehen (Dan
7,6; 8,8). Genau wie hier beschreibt Dan
8,8, dass die vier ansehnlichen Hörner des Ziegenbocks nach den vier
Winden des Himmels hin wuchsen.
Sie haben existiert bis ca. 50 v.Chr. Diese beiden Fürsten haben ständig
gegeneinander gekämpft und unzählige Fehden ausgetragen. Hier werden sie
geschichtlich gezeigt, und in der Zukunft am Ende der Tage werden sie noch immer
die Hauptfeinde Israels sein. Darin liegt die Bedeutung auch dieser für uns
historischen Auseinandersetzungen: sie zeigen vorbildlich, welche Feinde Israel
in der Zeit des Endes gegenüberstehen werden.
Warum werden diese beiden Persönlichkeiten, unter denen Israel, das Land der
Zierde, besonders zu leiden hatte, als König des Nordens (Syrien) und König des
Südens (Ägypten) bezeichnet? Israel ist der Nabel der Welt (Hes
38,12), ist nach Gottes Gedanken der Mittelpunkt der Erde. Danach
richtet sich alles; Syrien liegt nördlich von Israel und Ägypten liegt südlich
davon. Und wenn diese beiden Mächte sich andauernd bekriegten, dann war Israel
immer in Mitleidenschaft gezogen; ständig zogen diese fremden Mächte durch das
Land der Zierde.
„Und der König des Südens, und zwar einer von seinen Obersten, wird
stark werden. Und einer wird stark werden über ihn hinaus und wird herrschen;
seine Herrschaft wird eine große Herrschaft sein. Und nach Verlauf von Jahren
werden sie sich verbünden; und die Tochter des Königs des Südens wird zum König
des Nordens kommen, um einen Ausgleich zu bewirken. Aber sie wird die Kraft des
Armes nicht behalten, und er wird nicht bestehen noch sein Arm; und sie wird
hingegeben werden, sie und die sie eingeführt haben und der sie gezeugt und der
sie in jenen Zeiten unterstützt hat“ (Vers 5–6)
Was jetzt in diesem Kapitel vor uns kommt, zeigt deutlich den bösen Charakter
von Politik. Die Charakterzüge, die diese damaligen Regenten kennzeichneten,
sind im Prinzip heute noch die gleichen – und auch in der Zukunft in der Zeit
des Endes wird es wieder so sein. Wir finden hier den Charakterzug des
Hochmuts (Vers 12), Intrige und List (Vers 6). Und wenn es mit
List und Intrige nicht funktioniert, wird Macht und Gewalt
angewandt. Es gibt Rebellion (Vers 14), es gibt puren Eigenwillen
(Vers 16) und auch Hohn (Vers 18), lästernde Überheblichkeit. All diese
Charakterzüge prägen die Politik jeden Zeitalters. Davon wollen wir uns als
Christen deutlich distanzieren! Aber all diese Dinge kommen auch aus unserem
Herzen, wir sind darin nicht besser als die damaligen oder noch zukünftigen
Regenten.
Der erste König des Südens ist also noch ein direkter Nachfolger Alexanders
des Großen. Es ist Ptolemäus I, der stark wurde. Aber über ihn hinaus stark
wurde ein anderer der vier Diadochen aus dem Norden, Seleukos I. Zwischen Vers 5
und 6 vergehen einige Jahre, und die dann genannten Könige des Nordens und des
Südens sind bereits nachfolgende Könige, Ptolemäus II. als König des Südens und
Antiochus II. als König des Nordens. Diese beiden Könige würden sich auf eine
taktische Weise verbünden und versuchen, einen Ausgleich zu schaffen, um diesen
ständigen Konflikt abzuschwächen. Berenike, die Tochter des Königs des Südens,
sollte als dessen Frau zum König des Nordens kommen. Dazu musste Antiochus II.
seine eigene Frau Laodike wegschicken, um Berenike zu heiraten. Aber das Ziel,
das mit Berenike erreicht werden sollte, dass nämlich der König des Nordens an
den König des Südens gebunden werden konnte, wurde nicht erreicht. Der Plan
scheiterte; Laodike, die entlassene Frau, hatte sich mitsamt ihrem Sohn gerächt
und sowohl ihren Mann Antiochus II. als auch seine zweite Frau Berenike
ermordet. Sowohl der König des Nordens als auch der König des Südens sind beide
an diesem Plan zugrunde gegangen.
„Doch einer von den Schösslingen ihrer Wurzeln wird an seiner statt
aufstehen; und er wird gegen die Heeresmacht kommen und wird in die Festungen
des Königs des Nordens eindringen und mit ihnen nach Gutdünken verfahren und
wird siegen. Und auch wird er ihre Götter samt ihren gegossenen Bildern, samt
ihren kostbaren Geräten, Silber und Gold, nach Ägypten in die Gefangenschaft
führen; und er wird jahrelang standhalten vor dem König des Nordens. Und dieser
wird in das Reich des Königs des Südens kommen, aber in sein Land zurückkehren“
(Vers 7–9)
Der Bezug in diesem Vers ist Berenike, die am Ende von Vers 6 umgebracht
wurde. Ihre Wurzeln sind ihre Eltern, und deren Schösslinge sind also die
Geschwister der Berenike. Einer von ihnen, also ein leiblicher Bruder der
Berenike, wird dann als König des Südens aufstehen und über den König des
Nordens die Oberhand gewinnen. Er wird nach Syrien ziehen und dort siegen und
mit einem gewaltigen Beutezug zurückkehren in sein Land. Jahrelang wird der
König des Südens der Stärkere sein und auch Angriffsversuche des Königs des
Nordens abwehren können, so dass dieser in sein Land zurückkehren muss.
„Aber seine Söhne werden sich zum Krieg rüsten und eine Menge großer
Heere zusammenbringen; und einer wird kommen und überschwemmen und überfluten;
und er wird wiederkommen, und sie werden Krieg führen bis zu seiner Festung. Und
der König des Südens wird sich erbittern und wird ausziehen und mit ihm, dem
König des Nordens, kämpfen; und dieser wird eine große Menge aufstellen, aber
die Menge wird in seine Hand gegeben werden. Und wenn die Menge weggenommen
wird, wird sein Herz sich erheben; und er wird Zehntausende niederwerfen, aber
nicht zu Macht kommen. Und der König des Nordens wird wiederkommen und eine
Menge aufstellen, größer als die frühere; und nach einigen Jahren wird er mit
einem großen Heer und mit großer Ausrüstung kommen. Und in jenen Zeiten werden
viele aufstehen gegen den König des Südens; und Gewalttätige deines Volkes
werden sich erheben, um das Gesicht zu erfüllen, und werden zu Fall kommen. Und
der König des Nordens wird kommen und einen Wall aufwerfen und eine befestigte
Stadt einnehmen; und die Streitkräfte des Südens werden nicht standhalten, sogar
sein auserlesenes Volk wird keine Kraft haben, um standzuhalten.“ (Vers 10–15)
Wieder eine Generation später kommen die Söhne des Königs des Nordens
zunächst alle zusammen. Seleukos II von Syrien hatte zwei Söhne, die sich beide
zum Krieg gegen Ägypten rüsteten. Einer von ihnen wird sterben, und der andere,
der nächste König des Nordens, Antiochus III, der Große, wird kommen und
überschwemmen und überfluten. Damit wird eine gewaltige Heeresmacht
beschrieben, die er aufbringen wird. Das sind Beschreibungen, die auch für die
Zukunft in der Zeit des Endes gebraucht werden (Vers 40). Der dann herrschende
König des Nordens wird auch eine große und gewaltige Heeresmacht haben. Aber
hier geht es um die geschichtlich überlieferte Kämpfe zwischen Antiochus III und
Ptolemäus IV von Ägypten. Der König des Nordens wird ein riesiges Heer
zusammenstellen, aber diese Heeresmacht wird in die Hand des Königs des Südens
gegeben werden (Vers 11). Dieser Stellungskampf fand statt im Jahr 217 v.Chr.
bei Raphia, also auf israelischem Boden. Immer wieder geht der Konflikt zwischen
dem König des Nordens und dem König des Südens auf Kosten Israels.
Wenn der König des Nordens nach dieser Niederlage sein Schlachtfeld geräumt
haben wird, wird das Herz des Königs des Südens sich erheben, aber er wird nicht
zu Macht kommen. Ptolemäus IV war ein Mann des Vergnügens, der nicht die
Herrschaft vor Augen hatte, sondern sich anderen Dingen hingab und dadurch sein
Reich nicht festigte. Das bewirkte, dass der König des Nordens mit einer noch
größeren Menge wiederkam (Vers 13). Dies Geschehen wird in der Geschichte als
der fünfte syrische Krieg bezeichnet.
Mit dieser riesigen Heeresmacht wird der König des Nordens durch Israel
ziehen, und dort wird es nicht nur orthodoxe Juden geben, sondern auch eine
große Menge hellenistisch gesinnter Juden. Diese hatten sich heidnischen und
politischen Einflüssen geöffnet und losgesagt von dem Gott Israels, und sie
werden später offen gegen die Makkabäer (Vers 32) auftreten, die den Aufstand
gegen Antiochus IV Epiphanes wagen werden. Weltoffen geworden hatten sie ihren
Glauben aufgegeben und verleugnet. Ist es nicht auch die Gefahr unserer Tage,
dass wir uns dem Zeitgeist öffnen und nicht mehr festhalten an Gottes Wort? Wie
gefährlich ist es, wenn wir versuchen, mit menschlichen, politischen Mitteln
etwas zu erreichen. Diese hellenistischen Juden wurden zu Bündnispartnern dieser
heidnischen Könige von Syrien. Das sind die Gewalttätigen deines Volkes
in Vers 14, jüdische Sympathisanten des Königs des Nordens, die aktiv an dem
Aufstand gegen den König des Südens teilgenommen haben. Diese Haltung der
aufständischen Juden, sich auf die Seite des Königs des Nordens zu stellen, ist
mit ein Grund dafür, dass diese schwere Mühsal über das Volk Gottes gekommen ist
und noch einmal kommen wird; sie erfüllen durch ihre Haltung praktisch das
Gesicht, diese ganze Prophezeiung, die Daniel hier zu sehen bekommt.
Der König des Südens hat in dieser Auseinandersetzung also das zweifache
Problem, dass er einerseits sich in erster Linie gegen den König des Nordens
wendet, dass aber andererseits er sich auch mit solchen aus den Juden
beschäftigen muss, die aufständisch sind. Offenbar erhoffen sich diese
ungläubigen Juden, sich mit dieser Auflehnung von dem Joch des König des Südens
zu befreien, und sie machen deshalb gemeinsame Sache mit dem König des Nordens.
Aber sie werden letztlich damit keinen Erfolg haben, sie werden zu Fall kommen.
Aber der König des Nordens gibt sich nicht zufrieden und unternimmt einen
weiteren Angriff (Vers 15) gegen die Ägypter. Es ist immer noch Antiochus III,
der Große. Er wird damit Erfolg haben und die Ägypter zurückdrängen. Der
ägyptische Befehlshaber flieht nach Sidon, der befestigten Stadt, aber seine
ganze Heeresmacht wird gegen den König des Nordens nicht standhalten können.
Der Prophet Daniel (56) - Kapitel 11,16-28
Online seit dem 26.11.2016, Bibelstellen: Daniel 11,16-28
„Und der, der gegen ihn gekommen ist, wird nach seinem Gutdünken handeln, und
niemand wird vor ihm bestehen; und er wird im Land der Zierde stehen, und
Vertilgung wird in seiner Hand sein. Und er wird sein Angesicht darauf richten,
mit der Macht seines ganzen Reiches zu kommen, indem er einen Ausgleich im Sinn
hat, und er wird ihn bewirken; und er wird ihm eine Tochter der Frauen geben, zu
ihrem Verderben; und sie wird nicht bestehen und wird nichts für ihn sein. Und
er wird sein Angesicht zu den Inseln hinwenden und viele einnehmen; aber ein
Feldherr wird seinem Hohn ein Ende machen, dazu noch seinen Hohn ihm
zurückgeben. Und er wird sein Angesicht zu den Festungen seines Landes hinwenden
und wird straucheln und fallen und nicht mehr gefunden werden.
Und an seiner statt wird einer aufstehen, der einen Eintreiber der Abgaben durch
die Herrlichkeit des Reiches ziehen lässt; aber in wenigen Tagen wird er
zerschmettert werden, und zwar weder durch Zorn noch durch Krieg.“ (Vers 16–20)
Gott nennt das Land Seines irdischen Volkes noch immer das Land der Zierde, auch
wenn Er Sein Volk nicht mehr offiziell als Sein Volk anerkennt. Bis zu diesem
Augenblick befand sich Israel unter ägyptischer Herrschaft, aber das ändert sich
jetzt. Zum ersten Mal kommt Israel jetzt unter syrische Herrschaft durch den
König des Nordens.
Nachdem Antiochus III diese Vorherrschaft erreicht hat, setzen sich die Intrigen
fort. Er wird einen Ausgleich anstreben, um mit dem König von Ägypten
auszukommen. Er gab ihm eine seiner Töchter, Kleopatra. Ptolemäus V. bekam diese
Tochter sogar mit einer Mitgift aus großen Ländereien. Aber all diese
menschlichen und politischen Überlegungen können niemals Bestand haben, die
Hoffnung des Antiochus III erfüllt sich nicht und geht zugrunde. Kleopatra war
mehr für die Ägypter als für die Absichten ihres Vaters zu haben.
Bei den Inseln, nach denen sich Antiochus III ausstreckt, handelt es sich um die
Küstengebiete des Mittelmeeres, auf die sich zu diesem Zeitpunkt schon die
römische Macht ausgebreitet hatte. Antiochus III erobert dabei zunächst Thrakien
und andere Bereiche, aber ein römischer Feldherr, Lucius Scipio, gebietet ihm
Einhalt. Damit kommt jetzt eine Macht ins Spiel, die hier zwar erst noch im
Entstehen begriffen ist, die aber in späteren Jahren und auch in der Zukunft
noch eine gewichtige Rolle im Blick auf Israel spielen wird. Die Römer hatten
hier schon dem König des Nordens große Tributzahlungen auferlegt. Antiochus III
musste diese Zahlungen leisten, und er verging sich an Tempelschätzen, um diese
Zahlungen leisten zu können. Das führte letztlich zu einem Aufstand, in dem er
umgebracht wurde.
Es ist erschütternd, das Ende dieses Königs des Nordens zu sehen. Sein
Niedergang wird ganz knapp beschrieben: straucheln – fallen – nicht mehr
gefunden werden. Er kam nicht in einer großen Schlacht zu Tode sondern hat ein
schmähliches Ende gefunden.
An Stelle von Antiochus III steht ein neuer König des Nordens auf, der die von
Rom geforderten Abgaben eintreiben soll. Es ist Seleukos IV, der einen
Steuer-Eintreiber, Heliodoros, damit beauftragt hatte, das notwendige Geld für
die Abgaben einzutreiben. Dabei hat er auch in Jerusalem den Tempelschatz
geraubt. Aber ohne Krieg und Zorn wird er wieder verschwinden, zerschmettert
werden; er wurde durch seinen eigenen Steuer-Eintreiber vergiftet.
Gott hat dieses ständige Hin und Her zwischen dem Norden und dem Süden gesehen.
Er hat gesehen, wie diese arme Schar der aus Babylon herausgeführten Juden
während dieser Kämpfe bitterstes Leid durchmachen mussten. Immer, wenn eine
dieser beiden Mächte siegreich war, wurde Israel in Mitleidenschaft gezogen,
wurde belagert und eingenommen. Eine schreckliche Zeit, die auch ein Hinweis
darauf ist, was Israel am Ende der Tage erleben wird. Aber Gott steht für Sein
Volk! Er vergisst das Land der Zierde nicht!
„Und an seiner statt wird ein Verachteter aufstehen, auf den man nicht die Würde
des Königtums legen wird; und er wird unversehens kommen und sich des Königtums
durch Schmeicheleien bemächtigen. Und die überschwemmenden Streitkräfte werden
vor ihm überschwemmt und zertrümmert werden, und sogar ein Fürst des Bundes.
Denn seitdem er sich mit ihnen verbündet hat, wird er Trug üben und wird
hinaufziehen und mit wenig Volk Macht gewinnen. Unversehens wird er in die
fettesten Gegenden der Landschaft eindringen und tun, was weder seine Väter noch
die Väter seiner Väter getan haben: Raub und Beute und Gut wird er ihnen
zerstreuen und gegen die Festungen seine Pläne ersinnen, und zwar eine Zeit
lang.“ (Vers 21–24)
Jetzt beginnt eine sehr bedeutsame Periode innerhalb dieser geschichtlichen
Phase, die bis Vers 35 geht. Man kann diese Verse recht gut einteilen, um einen
Überblick über diese Periode und den sie prägenden Mann, den König des Nordens
Antiochus IV Epiphanes zu erhalten:
Dieser Verachtete, der jetzt aufsteht, ist Antiochus IV Epiphanes. Was Israel
unter ihm erleidet, ist ein starkes Bild von dem, was dieses Volk am Ende der
Tage erleiden muss. Er vereinigt all die Charakterzüge, die wir zu Beginn dieser
historischen Geschehnisse beschrieben haben (Vers 5), in sich selbst; und bei
ihm kommt auch noch Schmeichelei hinzu. Bei der Betrachtung von Daniel 8
haben wir ihn schon einmal vor uns gehabt. Bei der Beschreibung des griechischen
Weltreiches in dem Bild von dem Ziegenbock war zunächst von dem großen Horn die
Rede, ein Hinweis auf Alexander den Großen; es zerbrach, und aus ihm kamen vier
Hörner hervor, was von den vier Diadochen spricht, die das griechische Weltreich
unter sich aufgeteilt haben. Aus einem dieser vier Hörner kam ein kleines Horn
hervor, und das ist dieser Antiochus IV Epiphanes (Dan 8,8–14). Auch in
diesen Versen wird schon angedeutet, dass er gegen die Zierde (Hes 20,6+15)
und gegen Gott selbst und gegen das Heiligtum handelte.
Dieser Antiochus Epiphanes war aus der römischen Gefangenschaft entlassen
worden, deshalb wird er hier auch als Verachteter eingeführt, es gab überhaupt
keinen Anlass, ihm die Königswürde anzubieten. Sein Vater hatte ihn als Geisel
den Römern überlassen müssen, und ca. im Jahr 175 v.Chr. durfte er aus der
Gefangenschaft in Rom nach Syrien zurückkehren, wo inzwischen sein Bruder
Seleukos IV König war. Und obwohl dieser Antiochus Epiphanes gar kein Recht auf
den Thron hatte, erreichte er es mit List und Schmeichelei, das Königtum für
sich zu erobern. Er ist also hier in diesem letzten Abschnitt des
geschichtlichen Teils der letzte König des Nordens, gleichzeitig ist er aber
auch in seiner religiösen Abartigkeit eine vorbildhafte Darstellung des
Antichristen, der dann ab Vers 36 vor uns kommt. Wir müssen gut
auseinanderhalten, dass das in der Zeit des Endes zwei ganz klar voneinander
unterschiedene Personen sind. Antiochus IV Epiphanes als der König des Nordens
in der Zeit der Makkabäer ist als Besieger Israels derjenige, der einen
unerhörten Götzendienst im Tempel in Jerusalem eingeführt hatte (Vers 31) – wie
es auch in der Zeit des Endes der Antichrist tun wird. Der auch für uns heute
noch zukünftige König des Nordens wird das allerdings überhaupt nicht tun, er
wird keinen moralischen Einfluss auf die Juden ausüben.
Alles, was sich diesem Antiochus Epiphanes entgegenstellt, wird er mit absoluter
Brutalität überwältigen und zertrümmern (Vers 22). Die überschwemmenden
Streitkräfte sind wahrscheinlich die Heere des Königs des Südens (vgl. Vers 15);
dieser Kriegszug wird dann ab Vers 25 ausführlicher beschrieben. Der Fürst des
Bundes, der hier ebenfalls zertrümmert wird, ist der Hohepriester Israels.
Antiochus Epiphanes wird also nicht nur Politik machen sondern sich auch in die
Religion des Volkes Israel einmischen. Er hat das, was heiliges Gesetz in Israel
war, seinen eigenen Interessen untergeordnet. Für Geld vergab er das
Hohepriesteramt demjenigen, der ihm gerade am meisten dafür bot. Seit dieser
Verbindung mit dem Hohepriestertum wird er Trug üben und mit wenig Volk Macht
gewinnen (Vers 23). Seine Vorgehensweise ist jetzt also nicht mehr so sehr
kriegerisch, sondern mit taktischen Machtspielchen und Schmeichelei.
Was all seine Vorgänger niemals getan hatten, sich nämlich in die heiligen
religiösen Angelegenheiten der Juden einzumischen und sie nach seinem Belieben
zu verändern, das tut dieser Antiochus Epiphanes (Vers 24). Gnadenlos wird er in
den fruchtbarsten Gegenden des Landes rauben und plündern und seine Beute
grundlos vernichten.
„Und er wird seine Kraft und seinen Mut gegen den König des Südens erwecken mit
einem großen Heer. Und der König des Südens wird sich zum Krieg rüsten mit einem
großen und überaus starken Heer; aber er wird nicht bestehen, denn man wird
Pläne gegen ihn ersinnen; und die, die seine Tafelkost essen, werden ihn
zerschmettern; und sein Heer wird überschwemmen, und viele Erschlagene werden
fallen. Und die beiden Könige: Ihre Herzen werden auf Bosheit bedacht sein, und
an einem Tisch werden sie Lügen reden; aber es wird nicht gelingen, denn das
Ende verzögert sich noch bis zur bestimmten Zeit. Und er wird mit großem
Reichtum in sein Land zurückkehren, und sein Herz wird gegen den heiligen Bund
gerichtet sein; und er wird handeln und in sein Land zurückkehren“ (Vers 25–28)
Der König des Südens mit seinen überschwemmenden Streitkräften (Vers 22) wird
dem Antiochus Epiphanes unterliegen. Dieser König des Südens ist ein Neffe von
Antiochus Epiphanes, ein Sohn der Kleopatra. In seinen eigenen Reihen wird es
solche geben, die ihn zu seinem Ende bringen werden (Vers 26). Die beiden Könige
werden Verhandlungen führen (Vers 27), aber dabei versuchen sie, sich mit List
und Lüge gegenseitig zu betrügen. Diese Verhandlungen werden scheitern, es wird
ihnen nicht gelingen. Eine interessante Begründung für das Scheitern dieser
Verhandlungen bringt der Schluss von Vers 27: Gott hat die genaue Zeit im Blick;
er gewährt den einzelnen Herrschern, wie weit sie ihre Macht ausüben dürfen, und
bestimmt, wann das Ende sein wird.
Nach diesem Sieg über die Heere des Königs des Südens wird Antiochus Epiphanes
sein Herz gegen den heiligen Bund richten und in dem Land der Zierde Raub und
Beute machen und alles vernichten und zerstören (Vers 28; vgl. Vers 24). Hier
und in Vers 30 wird insgesamt dreimal von dem heiligen Bund gesprochen.
Wenn wir bedenken, in welch einem Zustand das Volk der Juden sich befand, dann
müssen wir sagen, dass da von Heiligkeit fast keine Spur mehr zu sehen war. Aber
Gott sah diesen Bund noch immer so, wie Er ihn von Anfang an gegeben hatte. Er
konnte Sein Volk nicht mehr als Sein Volk anerkennen – Lo-Ammi stand über ihnen.
Aber der Bund, den Er mit diesem Volk eingegangen war, war für Ihn noch immer
mit der gleichen Heiligkeit behaftet. Auch bis in unsere Tage gibt Gott die
Ansprüche Seiner Heiligkeit niemals auf!
Wir dürfen aber auch nicht übersehen, dass es in dieser dunklen Zeit auch in
Israel noch solche gab, die diesen Bund geschätzt hatten. Soweit auch alles
durch die Untreue des Menschen zerstört worden war, gab es doch noch fromme
Juden, die innerlich an diesem Bund festhielten. Das ist etwas Großartiges! Gott
wird einmal im 1000-jährigen Reich diese Verständigen leuchten lassen wie die
Sterne am Himmel (Dan 12,3). Möchten doch auch wir in unseren Tagen des
Niedergangs festhalten an dem, was Ihm wertvoll ist und uns diese Dinge nicht
rauben lassen. Wir werden ein viel höheres Teil haben als diese wenigen frommen
Juden damals – nicht allein ein 1000-jähriges Reich, sondern wir werden auf ewig
bei Ihm sein!
Der Prophet Daniel (57) - Kapitel 11,29-35
Online seit dem 01.12.2016, Bibelstellen: Daniel 11,29-35
„Zur bestimmten Zeit wird er wiederkehren und gegen den Süden ziehen, aber es
wird zuletzt nicht sein wie im Anfang. Denn Schiffe aus Kittim werden gegen ihn
kommen; und er wird verzagen und umkehren, und er wird gegen den heiligen Bund
ergrimmen und handeln: Er wird umkehren und sein Augenmerk auf diejenigen
richten, die den heiligen Bund verlassen. Und Streitkräfte von ihm werden
dastehen; und sie werden das Heiligtum, die Festung, entweihen und werden das
beständige Opfer abschaffen und den verwüstenden Gräuel aufstellen. Und
diejenigen, die gottlos handeln gegen den Bund, wird er durch Schmeicheleien zum
Abfall verleiten; aber das Volk, das seinen Gott kennt, wird sich stark erweisen
und handeln. Und die Verständigen des Volkes werden die Vielen unterweisen, aber
sie werden fallen durch Schwert und Flamme, durch Gefangenschaft und Raub, eine
Zeit lang. Und wenn sie fallen, wird ihnen mit einer kleinen Hilfe geholfen
werden; und viele werden sich ihnen mit Heuchelei anschließen. Und von den
Verständigen werden einige fallen, damit sie geläutert und gereinigt und weiß
gemacht werden bis zur Zeit des Endes; denn es verzögert sich noch bis zur
bestimmten Zeit.“ (Vers 29–35)
Antiochus Epiphanes wird erneut gegen den König des Südens heraufziehen, aber
jetzt wird etwas passieren, was vorher so nicht geschehen war. Schiffe aus
Kittim werden gegen ihn kommen; darin sehen wir den römischen Widerstand gegen
den König des Nordens. Genau dieser Umstand wird schon ganz früh in der
Geschichte des Volkes Israels in der Weissagung Bileams vorhergesagt (4. Mo
24,24), eine Vorhersage, die in vollkommener Übereinstimmung mit anderen
Stellen im Wort Gottes ist. Dieser römische Widerstand ist so stark, dass
Antiochus Epiphanes verzagt und umkehrt und sich in Israel gegen den heiligen
Bund wendet.
Wir wollen deutlich betonen, dass wir hier noch nicht die Endzeit vor uns haben,
aber dieses Geschehen hat sehr starke Parallelen zu dem, was in der Endzeit
geschehen wird. Auch da wird der Assyrer, der König des Nordens, sich gegen
Ägypten wenden, er wird Gerüchte hören und umkehren und sein Zorn gegen die
Juden richten (Dan 11,40–45).
Ab Vers 30 in der Mitte bis zum Ende von Vers 35 hat dieser Feind Gottes eine
andere Zielrichtung. Er konnte gegen die Römer nicht gewinnen und musste
umkehren, und von da an richtet er sein Augenmerk und seine Angriffswut nur noch
gegen die Juden, um ihren Glauben zu zerstören und sie den Heiden gleich zu
machen. Zu dieser Zeit wird es in Israel solche geben, die selbst den heiligen
Bund verlassen haben, und Antiochus Epiphanes wird sich mit diesen untreuen
Juden vereinigen und seinen Hass gegen das Heiligtum richten. Er findet also in
ihrer Untreue einen Anknüpfungspunkt für seine Absichten. Sie entweihen den
Altar in Jerusalem mit der Opferung unreiner Tiere. Die Botschaft deckt sich
hier wieder so exakt mit dem aus Daniels Sicht späteren Geschehen, dass wir
einfach nur staunen können über die Genauigkeit des Wortes Gottes. Nicht
Antiochus Epiphanes selbst hatte diese abartigen Gräueltaten begangen, sondern
seine Leute, die Streitkräfte von ihm.
Das beständige Opfer ist das Morgen- und Abend-Brandopfer, das nach 2. Mo
29,38 ff. täglich geopfert werden sollte. Es war die Voraussetzung dafür,
dass Gott in der Mitte Seines Volkes wohnen konnte. Es weist hin auf den
beständigen Wert der Person und des Werkes des Herrn Jesus vor Gott; nur dadurch
kann Gott mit Wohlgefallen auf Sein Volk sehen und in ihrer Mitte wohnen. Daran
hatte der treue Überrest noch festgehalten. Ohne das beständige Brandopfer hatte
Israel also nichts mehr, war die Voraussetzung zerstört, dass Gott in ihrer
Mitte wohnen konnte. Die Grundlage der Beziehung Gottes zu Seinem Volk war nicht
mehr vorhanden.
Dieses Abschaffen des beständigen Opfers und das Aufstellen des verwüstenden
Gräuels hier darf nicht verwechselt werden mit dem Geschehen in Dan 12,11.
Hier ist es das historische Geschehen in der Zeit der Makkabäer, wo der König
des Nordens Schweine in dem Tempel geopfert hat. Der König des Nordens zeigt
hier seinen wahren Charakter. Der verwüstende Gräuel in Kap 12 ist das Bildnis,
das in der Zukunft im Tempel in Jerusalem durch den Antichrist für das Haupt des
römischen Reiches aufgerichtet wird (Off 13,14+15; Mt 24,15), um sich
göttliche Verehrung darbringen zu lassen. Wenn der Herr Jesus davon spricht,
macht Er selbst deutlich, dass das nicht etwas schon geschehen war sondern noch
zukünftig ist.
Dreimal also finden wir den Gräuel der Verwüstung, aber nie in genau den
gleichen Worten. In Dan 9,27 bezieht es sich auf die Endzeit, wo der
Gräuel im Tempel beschirmt wird von dem Antichristen und dem Haupt des römischen
Reiches, und deshalb der Assyrer als der Verwüster kommen wird. Hier in Dan
11,31 bezieht es sich auf die Vergangenheit in der Zeit des Antiochus IV
Epiphanes. In Dan 12,11 ist es wieder bezogen auf die Endzeit.
Die untreuen Juden der damaligen Zeit wurden durch Antiochus Epipahnes durch
Schmeichelei zum Abfall verleitet. Dagegen hat es in dieser schlimmen Zeit aber
auch treue Juden gegeben, die ihren Gott kennen und sich stark erweisen und
handeln. Diese Verständigen des Volkes haben die Masse des Volkes unterweisen,
und sie mussten den Märtyrer-Tod sterben. Gott hat sich auch in den dunkelsten
Zeiten in seinem irdischen und auch in Seinem himmlischen Volk einen Überrest
erhalten, das muss uns glücklich machen. In den Versen 32 und 33 haben wir also
drei Personengruppen aus Israel beschrieben:
Welche Ermunterung wird es für Daniel gewesen sein, zu hören, dass es auch in
diesen schweren aus seiner Sicht noch zukünftigen Tagen solche geben würde, die
treu blieben, die mit ihrem Gott lebten. Zu seiner Zeit war er ja ein solcher
gewesen, der seinen Gott kannte und mit ihm lebte, und er war auch einer der
Verständigen in seiner Zeit. Sie stehen im Gegensatz zu denen, die durch
Schmeichelei abgefallen waren, und sie mussten für ihre Treue den Märtyrertod
erleiden (Vers 33). Dass sie sich stark erwiesen und handelten bedeutet, dass
sie Widerstand leisteten, eine Art Guerillakrieg führten. In Heb 11,35 ff.
finden wir sie in der Reihe der alttestamentlichen Gläubigen wieder; sie tragen
dort die gleichen Kennzeichen wie in Daniel 11: sie hatten die Befreiung nicht
angenommen, die ihnen Antiochus Epiphanes in seiner Schmeichelei angeboten
hatte; viele von ihnen fielen durchs Schwert oder kamen ins Gefängnis. In den
Büchern der Makkabäer wird beschrieben, wie furchtbar sie leiden mussten.
Und dadurch, dass von den Verständigen einige diesen furchtbaren Märtyrertod
erleiden, werden die Übrigen sehen, dass man umkommen kann, wenn man treu ist,
und die Auswirkung davon bei einigen von ihnen ist, dass ihr Glaube geläutert
wird und sie sich praktischerweise reinigen.
Den Verständigen des Volkes wird mit einer kleinen Hilfe geholfen werden (Vers
34); nicht denen, die gefallen sind, denn diese sind ja gestorben, aber den
Übrigen. In der Endzeit der großen Drangsal dagegen wird es nicht eine kleine
Hilfe sein, sondern der Herr wird selbst erscheinen zur Rettung Seines Volkes.
In der höchsten Not des Überrestes wird der Herr selbst kommen, und das wird
eine große Errettung durch Ihn sein. Der Überrest in der Endzeit wird allerdings
nicht aufgefordert, Widerstand zu leisten und zu kämpfen, sondern sie sollen in
die Berge fliehen (Mt 24,15 ff.).
Die Zeit des Endes (Vers 35) ist eindeutig heute noch nicht da. Aber die Mühe
und Treue dieser Makkabäer, die ihren Gott kannten, ihre Entschiedenheit wird
nicht vergessen, sie wird eine Antwort finden von Seiten Gottes – so wie es auch
wieder in einer Parallele mit den treuen Juden der Endzeit sein wird (Dan
12,3).
All die Ereignisse dieses Abschnittes können in den beiden Makkabäer-Büchern
nachgelesen werden. Diese beiden Bücher haben einen gewissen historischen Wert,
sie geben uns interessante Hintergrundinformationen – aber mehr auch nicht! Sie
gehören nicht zum inspirierten Wort Gottes, und wir müssen sie auch nicht lesen.
Wir brauchen auch die Bücher der Makkabäer nicht unbedingt, um die Daniel 11
verstehen zu können. Diese beiden Bücher gehören zu den sogenannten
alttestamentlichen Apokryphen; das sind alte Schriften von den Juden, die aber
von den Juden selbst nie als Gottes Wort anerkannt worden sind. Manche dieser
Apokryphen enthalten sogar absolut falsche Dinge, dazu gehören die Bücher der
Makkabäer nicht, weil sie historisch recht zuverlässig zu sein scheinen.
Wir sollten überhaupt grundsätzlich vorsichtig sein in der Auswahl der
Kommentare und Auslegungen über die Prophetie. Es gibt viele christliche
Autoren, auch gläubige, die das Thema der Prophetie aufgreifen und darüber
schreiben, die aber Dinge verfassen, die überhaupt nicht in Einklang sind mit
dem, was uns die Gesamtheit des prophetischen Wortes in der Bibel vorstellt. Man
kann die abenteuerlichsten Dinge lesen z.B. über die Person des Antichristen.
Wir sollten so etwas gar nicht erst lesen, weil es überhaupt nicht hilft.
Dagegen müssen wir doch staunen, wenn wir die Schriften unserer alten Brüder
lesen, die zu einer Zeit geschrieben haben, als sich das Volk Israel noch nicht
in der nationalen Wiederherstellung befand wie heute (vor 1948). Wenn man diese
Auslegungen liest, staunt man über die Einsicht und Weisheit, die sie besaßen.
Mit diesen Schriften befinden wir uns auf sicherem Boden und machen auch keine
Fehler in der Auslegung.
Der Prophet Daniel (58) - Kapitel 11,36-39
Online seit dem 03.12.2016, Bibelstellen: Daniel 11,36-39
„Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und
sich groß machen über jeden Gott und gegen den Gott der Götter wird er
Erstaunliches reden; und er wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist,
denn das Festbeschlossene wird vollzogen. Und auf den Gott der Väter wird er
nicht achten, und weder auf die Sehnsucht der Frauen noch auf irgendeinen Gott
wird er achten, sondern er wird sich über alles erheben. Und an dessen statt
wird er den Gott der Festungen ehren: Den Gott, den seine Väter nicht gekannt
haben, wird er ehren mit Gold und mit Silber und mit Edelsteinen und mit
Kleinodien. Und er wird gegen die starken Festungen so verfahren mit dem fremden
Gott: Wer ihm Anerkennung zollt, dem wird er viel Ehre erweisen, und er wird ihm
Herrschaft verleihen über die Vielen und das Land austeilen zum Lohn.“ (Vers
36–39)
Zwischen Vers 35 und Vers 36 liegt eine gewaltige zeitliche Unterbrechung von
nun schon mehr als 2000 Jahren. Wir betreten hier zukünftigen Boden, die Szene
hat sich grundlegend geändert. Das wird durch zwei Formulierungen deutlich:
Warum beschäftigen wir uns so ausführlich mit diesen Geschehnissen, die in der
Endzeit stattfinden werden, wenn sie uns gar nicht direkt betreffen und wir sie
nicht miterleben werden? Warum beschreibt das Wort Gottes diese Zeit so
ausführlich? All diese Ereignisse haben vorbereitenden Charakter auf den
herrlichen Augenblick, wo der Herr Jesus zurückkommt, um Sein Reich hier auf der
Erde zu gründen. Deshalb müssen uns diese Dinge auch interessieren; nicht so
sehr aus Neugierde, sondern weil es um die Person unseres Herrn geht.
Die Worte, mit denen die Hauptperson dieser Verse eingeführt wird, unterscheiden
sich von denen der vorhergehenden geschichtlichen Berichte. Dort war bei den
wechselnden Königen immer von einem, einem anderen die Rede. Hier
ist es der König; mit dem Artikel wird hier auf einen ganz bestimmten
König hingewiesen. Außerdem fehlt bei diesem König einer der Zusätze der
vorhergehenden geschichtlichen Abschnitte, es ist nicht der König des Nordens
oder der König des Südens. Zwei deutliche Unterschiede, die zeigen, dass
jetzt eine ganz andere Person vor unsere Blicke kommt. Das wird dann auch aus
Vers 40 deutlich, wo sowohl von dem König des Südens als auch von dem König des
Nordens gesagt wird, dass sie mit ihm – diesem König aus Vers 36 –
zusammenstoßen werden.
Der König, von dem hier die Rede ist, ist also nicht mehr der König des Nordens,
sondern der zukünftige König der Juden, der Antichrist als Person. Bevor der
Antichrist öffentlich auftreten wird, findet die Entrückung der Gläubigen der
Gnadenzeit statt. Aber es ist durchaus denkbar, dass er als Person heute schon
lebt, denn er wird ja nicht als Kind sich diese Macht anmaßen. Wenn der Herr
heute zur Entrückung käme, wird diese Person 3 ½ Jahre später öffentlich
auftreten. Es wird einer sein, von dem niemand erwartet hätte, dass er sich in
diese Stellung erheben könnte.
Der Antichrist muss ein Jude sein. Verschiedene Besonderheiten im Zusammenhang
mit dem Stamm Dan führen zu der Überlegung, dass er möglicherweise kein
rechtmäßiger Nachfolger aus dem Stamm Juda sein wird, sondern aus diesem Stamm
kommen wird. In dem Segen Jakobs wird Dan als eine Schlange am Weg, eine
Hornotter am Pfad beschrieben (1. Mo 49,16+17); in der Zeit der Richter
wurde im Stamm Dan der Götzendienst eingeführt (Ri 18,30); und in der
Aufzählung der 144.000 Versiegelten aus den Stämmen Israels in Off 7,4–8
fehlt der Stamm Dan. Das sind zumindest einige Indizien, die darauf hindeuten
könnte, aber es sind keine konkreten Beweise, dass es so sein muss. Wir müssen
aber auch bedenken, dass zu dieser Zeit nur 2 Stämme im Land sein werden, und
Dan gehört nicht dazu. Deshalb wollen wir vorsichtig sein, uns mit diesen
Indizien zu einseitig festzulegen. Ähnlich aber wie wir es bei Antiochus IV
Epiphanes gesehen haben (Vers 21), wird der Antichrist jemand sein, dem das
Recht auf das Königtum nicht zusteht, er wird also mit Sicherheit nicht aus dem
Stamm Juda kommen. Er wird ohne Anrecht auf den Thron sich der Herrschaft auf
unrechtmäßige Weise bemächtigen und sie dann auf eine teuflische Weise ausüben.
Nach Off 12 wird der Teufel in der Hälfte der 70.Jahrwoche Daniels auf die Erde
geworfen. Off 13 zeigt dann, dass zu diesem Zeitpunkt zwei Tiere auftreten
werden. Das erste Tier kommt aus dem Meer herauf, das ist der zukünftige
römische Machthaber (Off 13,1 ff.); das zweite Tier steigt aus der Erde
herauf (Off 13,11 ff.), diese Person trägt verschiedene Bezeichnungen:
hier in Off 13 ist es ein anderes Tier; Johannes spricht von ihm als dem
Antichrist (1. Joh 2,22), einer, der an die Stelle von Christus
tritt; in 2. Thes 2,3+8 wird er der Mensch der Sünde, der Sohn
des Verderbens und der Gesetzlose genannt. Im Alten Testament wird er
der nichtige Hirte genannt (Sach 11,17). Hier in Dan 11,36
und auch in Jes 30,33; 57,9 wird er in Verbindung mit dem Angriff des
Assyrers der König genannt. Der Herr Jesus spricht von ihm, dass er in
seinem eigenen Namen kommen wird (Joh 5,43) – und sie würden ihn
aufnehmen.
Dann werden in diesen Versen einige Merkmale dieses Antichristen gezeigt, und
die Beschreibung beginnt mit der schlimmen Sünde des Eigenwillens: er wird nach
seinem Gutdünken handeln (Vers 36), also nicht nach Gott fragen. Ein geschätzter
Bruder hat einmal gesagt: wenn wir von unserem eigenen Willen regiert werden,
dann zeigen wir den Geist des Antichristen! Die schlimmste nur denkbare Sünde
ist die Sünde des eigenen Willens. Nicht das zu tun, was Gott will, sondern das,
was ich will. Fragen wir in allem, was der Wille des Herrn ist? Wenn wir darauf
nicht achten, dann befinden wir uns in den Spuren des Antichristen. In welch
einem Gegensatz dazu steht der wahre Christus, der auf diese Erde gekommen ist,
um nur eines zu tun: den Willen Seines Gottes und Vaters (Joh 4,34; 5,30; Heb
10,7) – um uns erretten zu können!
Er wird sich auch erheben und groß machen über jeden Gott (Vers 37; vgl. 2.
Thes 2,4); das zeugt von seiner Selbstüberschätzung; wir sehen darin
deutlich, dass er von Satan inspiriert ist, dessen Sünde ebenfalls diese maßlose
Selbstüberhebung war. Erstaunliches wird er reden, anmaßende Worte von sich
geben – er wird auftreten wie Gott selbst, auch in seinen Worten. Aus der
Bemerkung, dass er nicht auf den Gott der Väter achten wird, können wir deutlich
schließen, dass es sich bei dieser Person tatsächlich um einen Juden handeln
wird. Äußerlich ist er wohl ein Jude, aber ein abgefallener Jude, der Gott
seiner Väter ist ihm völlig gleichgültig. Auf die Sehnsucht der Frauen wird er
auch nicht achten; sie hatten alle die Hoffnung, das Werkzeug der Geburt des
Messias zu werden, aber für ihn hat das keine Bedeutung. Wir wissen natürlich,
dass der Messias schon vor fast 2000 Jahren geboren worden ist und ein zweiter
Messias wird nicht mehr geboren werden. Der Antichrist nimmt keine Rücksicht auf
die offenbar zu dieser zukünftigen Zeit noch bestehende Erwartung der orthodoxen
Juden, dass der Messias noch geboren werden muss.
Er wird nicht den wahren Gott Israels ehren, sondern den Gott der Festungen
(Vers 38), eine Anspielung wohl auf das Haupt des römischen Reiches. Der
Antichrist führt die Menschen dahin, den falschen römischen Fürsten anzuerkennen
und anzubeten (Off 13,13–15). Dieser Mann ist der Inbegriff der Bosheit,
er geht an Bosheit über alles hinaus, was es bisher auf der Erde gegeben hat.
Wie erschütternd ernst, dass dieser Mann von dem Volk der Juden mit Hingabe als
König aufgenommen wird! Die Juden werden ihm anhängen, weil sie den Herrn selbst
nicht mehr lieben!
Er wird mit einem fremden Gott handeln (Vers 39), also mit einem Gott, den die
Väter nicht gekannt haben; es ist ein für den Glauben fremder Gott. Diesen
benutzt der Antichrist, um Lohn auszuteilen. Inspiriert durch Satan imitiert der
Antichrist auch hierin den Herrn Jesus. Der Herr Jesus wird einmal Lohn
austeilen, und dieser Mann tut das auch. Aber er verteilt eine Anerkennung, der
weder ihm noch diesen Menschen zusteht. Und er wird Land austeilen. Wem gehört
dieses Land in Zukunft? Den Sanftmütigen (Mt 5,5), den Aufrichtigen (Spr
2,21), den Gerechten (Ps 37,29); und der Antichrist teilt es aus, als
ob er darüber verfügen könnte, obwohl es doch allein Gott gehört.
Äußerlich gesehen wird dieser Mann zwei Funktionen haben: einerseits wird er
politisch gesehen der König der Juden sein, das hauptsächlich in der engen
Allianz mit dem Haupt des römischen Reiches (Off 13). Die andere Seite
ist seine religiöse Funktion (2. Thes 2,2+3). Beides zusammen
zeigt den Charakter dieser Person: ein Mensch, der sich selbst zu Gott macht und
als Gott anbeten lässt. Ist das überhaupt vorstellbar in unserer aufgeklärten
Zeit? In wenigen Jahren vielleicht – wenn der Herr heute kommt – werden Menschen
vor einem Menschen in Jerusalem niederfallen und ihn als Gott anbeten! Was für
eine Verblendung wird die Menschen ergreifen. Aber werden wir nicht heute schon
in weiten Teilen Europas damit konfrontiert, dass der wahre Gott beiseitegesetzt
wird? Das ist die Bereinigung der Szene für diese furchtbare Entwicklung.
Das Wirken und Handeln dieses Mannes wird nicht unbegrenzt sein. Er wird
Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist. Diese Bosheit, so unglaublich
groß sie auch ist, wird von Gott zum festbeschlossenen Zeitpunkt beendet werden.
Und dann werden auch die Leiden dieses Überrestes beendet sein.
Zusammengefasst sind die Charakterzüge des Antichristen in diesen Versen
Ein schreckliches Bild dieses Menschen! Wir werden diese Zeit des Antichristen
nicht miterleben auf dieser Erde; aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass
der Geist des Antichristen jetzt schon wirksam ist in der Welt (1. Joh 4,3).
Diese Merkmale des Antichristen charakterisieren die Welt, in der wir heute
leben! Wir leben heute in einer Zeit, wo die meisten Menschen sagen, Gott ist
tot, Er existiert nicht mehr. Blasphemie umgibt uns heute wie die Luft. Diese
Charaktermerkmale des Antichristen sind heute aktuell, das Geheimnis der
Gesetzlosigkeit ist schon wirksam (2. Thes 2,7).
Vor diesem dunklen Hintergrund strahlt ein ganz helles Licht! Der wahre Christus
handelt völlig anders; alle diese sieben Merkmale haben in den herrlichen
Wesenszügen unseres Herrn Jesus ihr vollständiges Gegenstück. Gewaltige
Gegensätze! Der Herr Jesus hat nur den Willen dessen getan, der Ihn gesandt
hatte; Er hat sich selbst zu nichts gemacht (Phil 2,7); Er hat in allem, was Er
getan hat, Seinen Vater geehrt. Wie erstrahlt die Vollkommenheit des Herrn Jesus
vor diesem dunklen Hintergrund!
Online seit dem 06.12.2016, Bibelstellen:
Daniel 11,40-45
„Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm
zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und
mit Reitern und mit vielen Schiffen; und er wird in die Länder eindringen und
wird sie überschwemmen und überfluten. Und er wird in das Land der Zierde
eindringen, und viele Länder werden zu Fall kommen; diese aber werden seiner
Hand entkommen: Edom und Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon.“ (Vers
40–41)
Wir befinden uns also hier zur Zeit des Endes in der zweiten Hälfte
der letzten Jahrwoche Daniels, kurz bevor der Herr Jesus zurückkommt. Die
Ausgangssituation ist folgende: Es gibt einen Staat Israel und einen König über
diesen Staat, den Antichristen. Dieser Antichrist hat eine feste Allianz
geschlossen mit dem römischen Reich und dessen Haupt (Dan
9,26+27) zum Schutz vor einer möglichen Gefahr aus dem Norden; diese
Gefahr war und ist für Israel immer unterschwellig vorhanden.
Jetzt stehen hier drei handelnde Personen vor uns, der König des Südens, der
König des Nordens, und der Antichrist, mit dem diese beiden Könige
zusammenstoßen. Der König des Südens steht wie in dem ganzen Kapitel für
Ägypten, und der König des Nordens steht weiter für Syrien, die Macht im Norden.
Dan 8,24 hatte gezeigt, dass er nicht durch
eigene Macht stark sein und in eigener Kraft allein handeln wird, sondern es
wird eine Macht im äußersten Norden geben, die ihn stützt – Russland.
Der König des Südens greift an und nahezu zeitgleich greift auch der König
des Nordens an, und der Zusammenstoß dieser Mächte ereignet sich in Israel, dem
Land der Zierde. Diesmal wird das Land nicht unbeteiligt in diese
Auseinandersetzung hineingezogen, sondern der Angriff der beiden Mächte richtet
sich direkt gegen Israel. Der König des Nordens wird mit gewaltigen Kräften zu
Land und zu Meer kommen und in diesem ersten Angriff das Land überfluten mit
seinen Kräften. Aber diese Mächte kommen in das Land, weil Gott das so will, Er
führt sie herbei (Jes 7,18+19).
Vers 41 zeigt, dass die Allianz zwischen dem Antichristen und dem Haupt des
römischen Reiches nicht zum Erfolg geführt hat. Auch
Jes 28,15+18 beschreibt, wie dieser Bund mit dem Tod und der Vertrag
mit dem Scheol zunichte werden wird, wenn die überflutende Geißel, der Assyrer,
hindurchfährt. Der König des Nordens wird in das Land der Zierde eindringen und
auch noch andere Länder zu Fall bringen. Dabei gibt es aber einige Ausnahmen:
Edom, Moab und Ammon. Diese Länder hatten sich schuldig gemacht an Israel,
hatten sie nicht durch ihr Land ziehen lassen, als Israel aus Ägypten nach
Kanaan zog. Sie werden nicht durch den König des Nordens gerichtet, sondern Gott
wird das Volk Israel selbst benutzen, diese Länder zu richten (Jes
11,14). Die Gläubigen aus Juda sollen in dieser schrecklichen Zeit ja
aus dem Land fliehen, und aus Jes 16,4
sehen wir, dass sie in Moab (von Israel als dem Nabel der Welt aus gesehen im
Osten liegend) vorübergehend Schutz suchen werden. Gott lässt deshalb den König
des Nordens ein Teil dieses Gebietes nicht überschwemmen und vernichten, weil Er
Sein Volk dort schützen möchte.
„Und er wird seine Hand an die Länder legen, und das Land Ägypten wird
nicht entkommen; und er wird die Schätze an Gold und Silber und alle
Kostbarkeiten Ägyptens in seine Gewalt bringen, und Libyer und Äthiopier werden
in seinem Gefolge sein. Aber Gerüchte von Osten und von Norden werden ihn
erschrecken; und er wird ausziehen in großem Grimm, um viele zu vernichten und
zu vertilgen. Und er wird seine Palastzelte aufschlagen zwischen dem Meer und
dem Berg der heiligen Zierde. Und er wird zu seinem Ende kommen, und niemand
wird ihm helfen.“ (Vers 42–45)
Zu diesem Zeitpunkt dann wird einer der beiden Könige, der dem Volk Gottes
die Jahrhunderte hindurch immer wieder geschadet hatte, der König des Südens,
Ägypten, sein Gericht finden. Gott benutzt dazu den König des Nordens. Der alte
Konflikt zwischen Syrien und Ägypten bricht wieder auf, und der König des
Nordens greift Ägypten zum letzten Mal an. Er wird Ägypten besetzen und dessen
ganzen Reichtum in seine Hände nehmen (Jes 19,3+4),
und dabei auch noch benachbarte Länder besiegen (vgl.
Hes 30,3–5). Aber er wird sich dabei überhaupt nicht bewusst sein,
dass er die Rute Gottes ist in diesem Gericht.
Was das für Gerüchte aus dem Osten und aus dem Norden sein mögen, die den
König des Nordens dort in Ägypten erreichen und zur Umkehr nach Israel
veranlassen, sagt die Bibel nicht klar. Deshalb müssen wir dabei vorsichtig
sein, eine definitive Erklärung geben zu wollen. Vermutlich hat es in Jerusalem
durch den aus Moab zurückgekehrten Überrest einen Aufstand gegen diese Besatzung
gegeben (Mi 5,4); ein weiterer Grund wird wohl darin liegen, dass im
Norden Israels in Harmagedon die römischen Heere aufgezogen waren (Off
16,14–16; Sach 14,2+3).
Jedenfalls werden diese Gerüchte Anlass genug für den König des Nordens sein,
zurückzukehren und ein zweites Mal gegen Jerusalem zu ziehen. Während der erste
Angriff gegen Jerusalem von Vers 41 in Jes 28
beschrieben wird, finden wir diesen zweiten Angriff von Vers 45 in
Jes 29.
Gott selbst also wird dafür sorgen, dass sich alle Nationen in Israel
zusammenfinden zu der letzten großen Schlacht. Und das verdiente Gericht über
den König des Nordens wird wohl direkt durch den Herrn Jesus selbst ausgeführt (Dan
8,24+25; Jes 10,12). Niemand
wird ihm helfen, auch der Fürst des äußersten Nordens nicht. Das Ende des Königs
des Nordens, des Assyrers, wird das gleiche sein, wie das des Antichristen. Der
Antichrist wird zusammen mit dem Haupt des römischen Reiches durch den Herrn
Jesus lebendig in den Feuersee geworfen (Off 19,20).
Aus Jes 30,33 können wir entnehmen, dass
auch der König des Nordens direkt dorthin gelangen wird.
Online seit dem 11.12.2016, Bibelstellen:
Daniel 12,1
Daniel 12
Es macht uns glücklich, dass der Prophet Daniel nicht mit dieser sehr dunklen
Szene von Kapitel 11 endet. Was jetzt in Kapitel 12 vor uns kommt, hat nichts
mehr zu tun mit den Königen der Erde und dem Gericht über sie. Es beschäftigt
sich nur noch mit dem Volk der Juden. Das Wirken Gottes zugunsten Seines Volkes
kommt jetzt in den Vordergrund.
„Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die
Kinder deines Volkes steht; und es wird eine Zeit der Drangsal sein, wie sie
nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit. Und in jener
Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, der im Buch geschrieben gefunden
wird.“ (Vers 1)
Dieser neue Abschnitt wird mit den Worten „in jener Zeit“ eingeleitet, das
bezieht sich auf die Verse 36 bis 45 von Daniel 11.
In dieser Zeit, der zweiten Hälfte der 70.Jahrwoche Daniels, der großen
Drangsalszeit, wird Michael aufstehen. Michael ist der Engelsfürst Israels;
unser Blick richtet sich jetzt also von den irdischen Vorgängen aus
Daniel 11 für einen kurzen Augenblick wieder
hinauf in den Himmel. Die Tatsache, dass dieser gewaltige Engelsfürst, der
einzige Erzengel der ganzen Heiligen Schrift (Judas 9),
aufsteht, lässt spektakuläre Ereignisse erwarten.
Aus Off 12,7 ff. können wir
entnehmen, was Michael jetzt tut: der Teufel wird aus dem Himmel auf die Erde
geworfen. Es ist der Beginn der zweiten Hälfte der letzten Jahrwoche Daniels,
der Beginn einer Drangsal, wie noch nie eine gewesen ist, „denn der Teufel hat
große Wut, da er weiß, dass er wenig Zeit hat“, denn noch nie war der Teufel auf
die Erde geworfen worden, und noch nie waren die auf der Erde wohnen, solchen
Versuchungen ausgesetzt, wie sie jetzt beginnen würden. Wir können uns nicht
vorstellen, was das für eine Hasskampagne sein wird, um einen letzten Anlauf zu
unternehmen, alle treuen Gläubigen von der Erde auszurotten.
Auch der Herr Jesus spricht von dieser großen Drangsal, wie sie seit Anfang
der Welt nicht gewesen ist (Mt 24,21). Das
sind nicht die Drangsale, die von Off 6 bis 11
beschrieben werden; dabei handelt es sich um Plagen, die direkt von Gott mit
gewissen Schwerpunkten über die ganze Welt kommen. Sowohl die Siegel als auch
die Posaunen und die Zornesschalen kommen als Plagen Gottes aus dem Himmel über
die Menschen auf der Erde. Einerseits ist das Strafe Gottes wegen ihrer
Ablehnung und ihres Abfalls; andererseits möchte Gott sie noch zur Umkehr von
ihren bösen Werken führen, was sie aber nicht annehmen werden (Off
9,20+21; 16,9+11). Das ist die Stunde der Versuchung, die über den
ganzen Erdkreis kommen wird (Off 3,10), und
die direkt nach der Entrückung der Versammlung beginnen wird.
Davon deutlich zu unterscheiden ist das, was wir hier haben. Hier geht es um
eine Drangsal, die von Menschen hervorgerufen wird, vom Antichristen und vom
Haupt des römischen Reiches. Es ist die Drangsal für die treuen gläubigen Juden,
die in all diesen Schwierigkeiten unter der Gewaltausübung des Antichristen in
Israel den Herrn Jesus als Messias erwarten (Mt
24,15–27). Sie beginnt zu dem Zeitpunkt, wo der Gräuel der Verwüstung
an heiligen Ort aufgerichtet wird, und das findet zur Hälfte der letzten
Jahrwoche Daniels statt. Und es ist eine Drangsal für Jakob (Jer
30,7), nicht für die ganze Welt. Viele Psalmen sprechen von den
Erfahrungen dieser treuen Juden während dieser Zeit. Und es ist sehr bewegend,
wie vollkommen der Herr Jesus mit ihnen empfindet, wie Er in all ihrer
Bedrängnis bedrängt war und sie schließlich als der Engel ihres Angesichts sie
gerettet hat (Jes 63,9).
Gottes Ziel durch das Handeln von Michael als Seinem Werkzeug ist die
Errettung Seines Volkes. Michael hatte über die vergangenen Jahrhunderte
hindurch miterlebt, wie das Volk Gottes immer wieder in Mitleidenschaft gezogen
wurde, und jetzt beginnt die Endszene im Ratschluss Gottes zur endgültigen
Errettung Seines Volkes. Dazu benutzt Er diese Drangsalszeit. Wir dürfen nicht
vergessen, dass die große Drangsal für Jakob ein verdientes Gericht darstellt.
Sie kommt über das Volk, das den Sohn Gottes gekreuzigt hat. Sie hatten gesagt:
„Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder“ (Mt
27,25). Und Gott lässt das jetzt auch so kommen! Es ist ein
verdientes Gericht – aber aus diesem verdienten Gericht gibt es eine Rettung.
„Es ist eine Zeit der Drangsal für Jakob! Doch er wird aus ihr gerettet werden“
(Jer 30,7). Es ist aber nicht Michael, der
dieses Volk retten wird, sondern der Herr Jesus selbst (Jer
30,10+11).
Tröstliche Worte durch den Engel zu Daniel: Dein Volk, Daniel, für das
du so viel Mitempfinden hast, es wird errettet werden. In
Daniel 9 hatte Daniel in seinem Gebet mehrfach zu Gott gesprochen, dass
es „dein Volk“ ist (Vers 15+19). Eine Parallele zu dieser wechselseitigen
Zurechnung haben wir in 2. Mo 32,7+11 wo
das Volk sich verderbt hatte (Sach 13,9).
Möchte doch der Geist Gottes immer wieder die Liebe anregen zu Seinem Volk, dass
wir es gleichsam mit dem Herzen Gottes sehen und lieben!
In Verbindung mit dem Buch geht es nicht eine pauschale nationale
Errettung, sondern um eine ganz persönliche Sache. Nur der wird errettet, der im
Buch geschrieben gefunden wird. Diese werden das Reich erben, das ihnen bereitet
ist von Grundlegung der Welt an (Mt 25,34).
Wir Gläubigen sind vor Grundlegung der Welt erwählt (Eph
1,4); aber es gibt ein Volk der Juden, das Bestand hat in dem
Ratschluss Gottes von Grundlegung der Welt an.
Nach Off 13,8 werden alle, die auf der
Erde wohnen, das Haupt des römischen Reiches anbeten, „jeder, dessen Name nicht
geschrieben ist in dem Buch des Lebens des geschlachteten Lammes von Grundlegung
der Welt an“. Es ist dasselbe Buch wie hier in Daniel 12;
es ist das Buch der Wirklichkeit, nicht ein Buch des Bekenntnisses. Aus diesem
Volk der Juden werden Menschen errettet werden, weil Gott schon längst etwas
über sie gesagt hat. Er hat sie von Grundlegung der Welt an für die Herrschaft
Seines Sohnes auserwählt (Jes 4,2+3). Auf
diesen Moment strebt alles hin, auch in diesem letzten Kapitel des Propheten
Daniel.
Das Buch des Lebens in Ps 69,29 ist ein
anderes Buch, nämlich das Buch des natürlichen Lebens, aus dem man durch Gericht
wieder ausgetragen werden kann. Das Buch des Lebens hier in Kap 12 steht in
Verbindung mit dem Ratschluss Gottes und ist das Buch des ewigen Lebens; wer
einmal darin eingetragen ist, kann nie wieder ausgetragen werden.
Der Prophet Daniel (61) - Kapitel 12,2-4
Online seit dem 15.12.2016, Bibelstellen: Daniel 12,2-4
„Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu
ewigem Leben und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu. Und die Verständigen
werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und die, welche die Vielen zur
Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne, immer und ewig.“ (Vers 2–3)
Diese beiden Verse stellen das Ende der Prophezeiung an Daniel dar. Was dann
noch folgt, sind nur noch gewisse Anweisungen an Daniel; die Weissagung selbst
endet mit Vers 3. Das Volk der Juden wird durch unvergleichliche Drangsale gehen
müssen, sie werden durch den Messias gerettet werden, aber Voraussetzung ist,
dass sie im Buch des Lebens verzeichnet sind. Was jetzt gesagt wird, geht aber
über diese beiden Stämme hinaus. Wenn hier vom Schlafen im Staub der Erde und
vom Erwachen daraus gesprochen wird, geht es nicht um die leibliche Auferstehung
der Israeliten. Es geht darum, dass sich in Israel ja nur zwei Stämme befanden,
Juda und Benjamin, die übrigen zehn Stämme sind verschollen. Als ganze Nation
schläft Israel im Staub der ganzen Erde, so sehr zerstreut sind sie. Aber Gott
wird sie als Nation erwecken. Er vergisst auch die zehn Stämme nicht einfach und
wird auch an ihnen handeln.
Aber nur die einen werden zu ewigen Leben erweckt werden, Gott wird sie
einführen in die alten Beziehungen. Dann gibt es auch solche, die zur Schande
und zu ewigem Abscheu sind. Auch mit ihnen wird der Herr handeln. Dieses
Erwachen Israels als Nation aus dem Staub der Erde wird auch in Hes 20,37+38
angedeutet; und auch da macht Gott diesen Unterschied wie hier. In Hes 37,7
ff. haben wir das gleiche Geschehen in dem Bild eines zum Leben erwachenden
Körpers, die nationale Auferstehung Israels. Israel als Nation wird wieder
erstehen (Jes 26,19); aber Gott wird die Empörer und die Abgefallenen aus
allen 12 Stämmen nicht in das Land bringen, sie werden zur Schande sein.
Vers 3 gestattet dann einen kleinen Blick in die darauf folgende Segenszeit des
1000-jährigen Reiches. Die Verständigen hatten in der Zeit der Drangsal auch
schon die Vielen unterwiesen, hatten in dieser dunklen Zeit auch schon
geleuchtet für ihren Herrn. Und sie werden diese besondere Aufgabe und Stellung
auch während der Zeit des 1000-jährigen Reiches haben. Aber es geht auch noch
über diese treuen Gläubigen hinaus; auch Daniel selbst war ein solcher
Verständiger. Und diese bekommen dann eine besondere Stellung der Autorität, um
etwas von der göttlichen Herrlichkeit hervorscheinen zu lassen (vgl. Mt 13,43).
Ewig im Alten Testament hat meistens die Bedeutung, dass danach nichts anderes
mehr an dessen Stelle kommt, dass es nicht durch etwas anderes ersetzt wird, und
es bezieht sich in der Regel auf die Zeit des 1000-jährigen Reiches (z.B. Jes
60,21). Die Gläubigen des Alten Testaments konnten übrigens auch gar nicht
wissen, dass das Segensreich des Herrn 1000 Jahre dauern wird, denn das wissen
wir erst aus der Offenbarung (Off 20,2–7). Der Herr Jesus gebraucht in
Mt 25,46 fast die gleichen Worte wie hier der Engel, bedeuten Seine Worte
mehr als die des Engels? Ist es tatsächlich im Alten Testament eine zeitlich
begrenzte Periode? Der Ausdruck steht doch immer mit dem Gedanken der
wahrhaftigen Ewigkeit in Verbindung, auch wenn es den alttestamentlichen
Gläubigen noch nicht offenbart war. Auch hat das 1000-jährige Reich im Alten
Testament Aspekte, die durchaus Ähnlichkeit mit dem Zustand der Ewigkeit haben.
Das 1000-jährige Reich ist einerseits das Ende aller Handlungen Gottes mit der
gegenwärtigen Schöpfung, aber andererseits ist es auch in gewisser Hinsicht das
Tor zu der herrlichen Ewigkeit. Im Neuen Testament geht die Bedeutung dieses
Wortes weit über den zeitlichen Aspekt hinaus und beschreibt den Inhalt dessen,
nämlich die Person des Sohnes Gottes (Joh 17,3). Das war im Alten
Testament noch nicht offenbart.
Diese drei Verse bedeuteten für Daniel also eine dreifache Ermunterung:
„Und du, Daniel, verschließe die Worte und versiegle das Buch bis zur Zeit des
Endes. Viele werden es durchforschen, und die Erkenntnis wird sich mehren.“
(Vers 4)
Warum folgt nun diese Aufforderung Gottes, dass Daniel die Worte verschleißen
und das Buch versiegeln sollte? In Vers 9 wird das noch einmal wiederholt. Es
ist geradezu das Gegenteil von dem, wie die Offenbarung schließt, denn dort wird
gesagt: „Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches“ (Off 22,10).
In der Offenbarung ist die Begründung, dass die Zeit nahe ist. Hier in Daniel
wird gleichsam gesagt, dass die Zeit noch weit voraus liegen würde. Gott hat dem
Daniel ein sehr weitgehendes Gesicht gegeben, und dann sagt Er ihm: Schließ das
zu, es ist noch nicht so weit! Viele werden das Buch noch durchforschen und zum
Teil auch Verständnis erlangen.
Wenn wir an uns denken, dann leben wir schon in dieser letzten Zeit. Es ist die
Zeit, die mit dem Kommen des Herrn auf diese Erde begonnen hat (1. Pet 1,20;
Heb 1,2; Gal 4,4). Mit dem Kommen des Herrn hat eine andere Offenbarung
stattgefunden. Wir haben in den letzten vier Jahren dieses Buch der Weissagung
durchforscht, und es hat uns einen großen Segen gebracht. Der Herr hat uns
Verständnis und Licht gegeben über die Dinge. Wir leben schon am Ende der Tage,
das ist der typische Blickwinkel für den Christen. Johannes nennt diese Zeit die
letzte Stunde (1. Joh 2,18), danach kommt keine mehr. Paulus sagt, dass
in den letzten Tagen schwere Zeiten sein werden (2. Tim 3,1). In diesen
letzten Tagen leben wir, und so sind wir auch in der Lage, diese Weissagungen
Gottes durch den Heiligen Geist zu verstehen und zu genießen.
Sittlich gesehen stehen wir weit hinter Daniel und den Verständigen jener Zeit
zurück, aber wenn es um Erkenntnis oder Verständnis über diese Dinge geht, haben
wir größeres Licht als Daniel. Die Propheten des Alten Testaments haben nicht
für sich selbst die Dinge bedient (1. Pet 1,10–12). Aber was die
alttestamentlichen Propheten nicht verstehen konnten, ist nun für uns eine Lampe
an einem dunklen Ort (2. Pet 1,19). Das Kommen des Herrn steht vor
unseren Blicken, der Morgenstern geht auf in unseren Herzen, schon bevor Er
wirklich wiederkommt. Das ganze Ziel der prophetischen Offenbarungen im Alten
wie im Neuen Testament ist es, dass die Braut ruft: „Komm!“ (Off 22,17).
Der Prophet Daniel (62) - Kapitel 12,5-13
Online seit dem 18.12.2016, Bibelstellen: Daniel 12,5-13
Dieser jetzt folgende letzte Abschnitt von Daniel 12 kann in drei Teile
eingeteilt werden:
die Antwort: 3 ½ Jahre, und auch der Zeitpunkt dafür wird angegeben
die Antwort ist zweigeteilt: eine moralische Auswirkung und auch Glückseligkeit
„Und ich, Daniel, sah: Und siehe, zwei andere standen da, einer hier am Ufer des
Stromes und einer dort am Ufer des Stromes. Und einer sprach zu dem in Leinen
gekleideten Mann, der oben über dem Wasser des Stromes war: Wie lange wird das
Ende dieser wunderbaren Dinge dauern? Und ich hörte den in Leinen gekleideten
Mann, der oben über dem Wasser des Stromes war, und er erhob seine Rechte und
seine Linke zum Himmel und schwor bei dem, der ewig lebt: Eine Zeit, Zeiten und
eine halbe Zeit. Und wenn die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes
vollbracht sein wird, dann werden alle diese Dinge vollendet sein.“ (Vers 5–7)
Daniel sieht jetzt drei Männer: den in Leinen gekleideten Mann über dem Wasser
des Stromes. Das ist der Herr Jesus in der damals offenbarten Form, wie wir Ihn
in Dan 10,4+5 am Anfang dieses Gesichtes gesehen haben. Und auf der einen
Seite des Stromes und auf der anderen Seites des Stromes stehen zwei andere
Männer.
Einer dieser beiden Männer stellt dem Herrn Jesus die ersten dieser beiden
Fragen: „Wie lange wird das Ende dieser wunderbaren Dinge dauern“? Diese ganze
Szene wird wunderbar genannt; das meint aber nicht so wie wir das oft verstehen,
dass es um schöne und angenehme Dinge geht, sondern es geht um die große
Drangsal, um Gerichtsszenen, um die Zerschmetterung der Kraft des heiligen
Volkes. Das würden wir normalerweise nicht als wunderbar bezeichnen. Aber Gott
offenbart hier etwas von sich – und das ist immer wunderbar, auch im Gericht!
Gott verherrlicht sich auch im Gericht, nicht nur in Gnade.
Der Herr hebt beide Arme zu Himmel, was für ein feierlicher Ernst, und schwört
bei Gott, der ewig lebt. Gott hat bei keinem Größeren zu schwören, als bei sich
selbst (Heb 6,13), und das ist das Ende jeden Widerspruchs. Dagegen gibt
es nichts mehr vorzubringen. Eine ähnliche Szene haben wir in Off 10,1–7.
Die Antwort des in Leinen gekleideten Mannes haben wir jetzt schon einige Male
in verschiedenen Ausdrucksweisen gehört; es sind die 3 ½ Jahre der zweiten
Hälfte der letzten Jahrwoche Daniels (Dan 7,25; 9,27), die auch mit 42
Monaten oder 1260 Tagen beschrieben werden (Off 12,6; 13,5). In dieser
Zeit werden die schlimmsten Dinge auf dieser Erde geschehen in Verbindung mit
dem Haupt des römischen Reiches und dem Antichristen (Off 13) und Babylon
(Off 17). Das wird die entscheidende Phase ein, in der sich das Bild der
Welt in Gottes Augen völlig entfalten wird und an deren Ende sie ihr gerechtes
und direktes Urteil durch das Erscheinen des Herrn selbst empfangen wird.
Der Ausdruck die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes beschreibt
auf sehr ernste Weise die Drangsal Jakobs, diese Gerichtszeit, die einmal auch
zu Ende gehen wird. Am Ende dieser Drangsalszeit wird dem Volk keine Kraft mehr
übrigbleiben, Schwachheit wird den Überrest kennzeichnen. Und gerade in dem
Augenblick, wo alle Widersacher dieses Volkes meinen, gesiegt zu haben, kommt
der Herr und rettet Sein Volk. Der der zerschmettert hat, der wird Sein Volk
auch heilen bevor das herrliche Friedensreich beginnt. Es wird hier als das
heilige Volk bezeichnet, nicht weil sie in der Praxis sich als so heilig
erwiesen hatten, sondern weil sie das Volk waren, das Gott gehörte. Das ist
immer die Grundbedeutung von heilig: es gehört Gott.
„Und ich hörte es, aber ich verstand es nicht; und ich sprach: Mein Herr, was
wird das Ende davon sein? Und er sprach: Geh hin, Daniel; denn die Worte sollen
verschlossen und versiegelt sein bis zur Zeit des Endes. Viele werden sich
reinigen und weiß machen und läutern, aber die Gottlosen werden gottlos handeln;
und alle Gottlosen werden es nicht verstehen, die Verständigen aber werden es
verstehen.“ (Vers 8–10)
Daniel hörte die Antwort dieses Mannes, aber er verstand sie nicht. Und er
gestand es auch ein, dass ihm das volle Verständnis über das, was er gehört und
gesehen hatte, noch fehlte. Grundsätzlich hatte er die Sache und das Gesicht
schon verstanden (Dan 10,1), aber wohl nicht in allen Einzelheiten. Er
hatte dieses lebhafte Interesse an dem, was er gesehen und gehört hatte, und er
besaß auch die Freimütigkeit, jetzt diese Frage zu stellen. Als der Herr Jesus
mit Seinen Jüngern geredet hatte, wird einmal gesagt, dass sie ihn nicht
verstanden und nicht wagten, Ihn zu fragen (Mk 9,32). Vielleicht haben
auch wir nicht alles verstanden aus dieser Betrachtung. Bitten wir den Herrn
dann, dass Er uns beim Durchforschen hilft und Verständnis gibt? Eine solche
Forschungsarbeit wird sich immer lohnen!
Als Antwort bekommt Daniel fast eine Wiederholung von dem, was ihm in Vers 4
gesagt wurde. Entsprechend den Regierungswegen Gottes sollten die Worte dieser
Weissagung für die Allgemeinheit verschlossen sein.
Dann werden zwei gegensätzliche Gruppen von Menschen vorgestellt. Auf der einen
Seite die Gottlosen, die es zu allen Zeiten gab, die grundsätzlich keinen
Einblick in die Dinge Gottes haben. So wird es immer sein, solange es Gottlose
gibt. Aber es wird andererseits auch viele geben, die sich reinigen und die
dadurch verständig werden. Wir hatten schon gesehen, dass in der Offenbarung die
Dinge nicht verschlossen werden sollten, aber auch da folgt in dem
anschließenden Vers eine solche Gegenüberstellung von zwei Gruppen, wie hier in
Daniel 12 (Off 22,10+11). Jede dieser beiden Gruppen bleibt bei dem, was ihr
Zustand sowieso ist, er ändert sich nicht mehr. Es gibt bei Gott einen
Zeitpunkt, wo Er die Zustände versiegelt, wo die Würfel gefallen sind! Dann ist
der, der sich für die Gottlosigkeit entschieden hat, auf einem Weg, wo er davon
nie wieder umkehren kann.
Wie schön, dass diejenigen, die sich reinigen, viele sind, mehr, als man
vielleicht vermuten würde. Das Reinigen scheint eine Konsequenz zu sein aus dem,
was das Gesicht in sich schloss. Sie mögen diese Worte durchforschen aber nicht
verstehen, und doch ist ein reinigender Effekt da. Sie bekennen die Schuld des
Volkes, auch die persönliche Schuld, und dadurch reinigen sie sich. Ist das
nicht großartig! Die gläubigen Juden werden die Dinge erst am Ende der Tage
verstehen; aber der Umstand, dass sie warten müssen, lässt sie sich reinigen und
läutern. Sie laufen dem Regierungshandeln Gottes nicht davon sondern stellen
sich darunter und werden dadurch geläutert. In Dan 11,35 wird von den
Makkabäern gesagt, dass dieser Prozess des Reinigens und Läuterns und
Weiß-Machens mit ihnen geschieht, hier aber ist es ihre persönliche Haltung, die
sie einnehmen.
Von den Verständigen wird nicht gesagt, dass sie es erst am Ende der Tage
verstehen werden. Es scheint für sie eine gewisse Vorerfüllung zu bedeuten. Im
absoluten Sinn beziehen sich diese Worte hier auf die Zeit des Endes, in der wir
eben noch nicht leben. Aber im übertragenen Sinn sieht Gott uns doch in den
letzten Tagen, als solche, die Teilhaber der letzten Zeit sind. Und unser Teil
ist, dass wir durch die Salbung von dem Heiligen alles wissen (1. Joh 2,20).
Wir dürfen die Schriften durchforschen, und der Herr gibt uns Licht und
Erkenntnis darüber.
Und von der Zeit an, da das beständige Opfer abgeschafft wird, und zwar um den
verwüstenden Gräuel aufzustellen, sind 1290 Tage. Glückselig der, der ausharrt
und 1335 Tage erreicht!“ (Vers 11–12)
Die 1260 Tage, also die 3 ½ Jahre der Drangsalszeit als Abschluss der
70.Jahrwoche Daniels, sind die Zeitdauer der Not und des Kampfes für das Volk.
Aber jetzt werden noch zwei weitere Zeiträume genannt, zum einen 30 weitere
Tage, und zum anderen noch einmal 45 weitere Tage. Es sind also Zeiträume, die
etwas hinausgehen über die 3 ½ Jahre. Es scheint so, als will Gott damit
andeuten, dass zur Wiederherstellung aller Dinge doch noch einiges gehören wird.
Gott wird dazu noch einige Tage mehr ‚brauchen‘, bis alles in völliger Ruhe in
die Bahnen gekommen ist, die Sein Ratschluss vorgesehen hat.
Mit Sicherheit beweisen, was diese zusätzlichen Zeiträume bedeuten, können wir
nicht. Das ganze Wort Gott gibt uns keine weiteren Hinweise darauf. Es ist eine
der Stellen in Gottes Wort, wo wir bis heute keine abschließende Antwort finden
können. Deshalb wollen wir uns mit dem Gedanken bescheiden, dass, wie der Himmel
höher ist als die Erde, die Wege Gottes höher sind als unsere Wege, und Seine
Gedanken höher als unsere Gedanken (Jes 55,9)! Wir haben hier einen
Einblick in Gottes Wege, die sich vielleicht schon in ganz kurzer Zeit erfüllen
werden; aber damit wollen wir nicht nur unsere Kenntnis vermehren, sondern wir
sollen in unseren Herzen die Schlussfolgerung ziehen, dass der Herr bald kommt.
Das sollte die nachdrückliche Lektion für uns aus dieser Betrachtung sein! Leben
wir jeden Tag in der Erwartung des Kommens des Herrn?
„Du aber geh hin bis zum Ende; und du wirst ruhen und wirst auferstehen zu
deinem Los am Ende der Tage.“ (Vers 13)
Dieser Vers ist ein wunderbarer Abschluss des ganzen Buches. Nach allem, was
Daniel zu sehen bekommen hatte, was ihn erschreckt oder auch beglückt haben
mochte, bekommt er jetzt noch eine persönliche Ermunterung. Er sollte hingehen
bis zu seinem Ende. Was auch sich entwickeln mag inmitten der Christenheit,
lasst auch uns jeder persönlich unseren Weg mit dem Herrn gehen bis zum Ende
unserer Tage, lasst uns treu bleiben und Ihm nachfolgen.
Dann folgt noch diese ganz persönliche Verheißung, dass Daniel auferstehen wird
am Ende der Tage. Aus 1. Thes 5,16+17 wissen wir, dass er auferstehen
wird, wenn der Herr Jesus zur Entrückung Seiner Versammlung wiederkommen wird.
Er wird teilhaben an der Herrschaft im 1000-jährigen Reich und wird als
Gerechter leuchten in dem Reich des Vaters (Mt 13,43).
Wollen wir uns am Ende der Betrachtung dieses Buches auch ermuntern lassen, auf
diesem Weg der Treue zu bleiben, Ihm nachzuahmen, bis zu unserem Ende, wie es
auch kommen mag – ob wir durch den Tod zu gehen haben oder lebendig entrückt
werden bei Seiner Wiederkehr!