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Otto Markmann
 

WEITER ZU ETWAS HÖHEREM?

Eine kritische Stellungnahme zu dem Buch „Das normale Christenleben" von Watchman Nee

LORENZ KEIP VERLAG, HERMANNSTR. 2, l BERLIN 39

 

Vorwort zur 2. Auflage

Bei der nachfolgenden Veröffentlichung handelt es sich um die unveränderte Herausgabe des unter dem selben Titel bereits im Frühjahr 1973 erschienenen Büchleins. Der danach Mitte 1975 ver­öffentlichte Nachtrag ist nunmehr angefügt worden. In diesem Nachtrag haben wir insbesondere die schwarmgeistigen Erlebnisse von Watchman Nee, die uns erst nachträglich bekannt wurden, dar­gestellt.

Zur erneuten Herausgabe sahen wir uns veranlaßt, da immer wieder Bestellungen eingehen und andererseits die Bücher von Watchman Nee nach wie vor auf dem christlichen Büchermarkt als richtung­weisend angeboten werden. So ist vor nicht langer Zeit in der TELOS- Reihe sein Buch "Der geistliche Mensch" in 3 Bänden erschienen - eine Veröffentlichung, die wir ebenfalls bedauern. Bereits in unserem Nachtrag (S. 7 f.) hatten wir auf die negative Beur­teilung dieses Buches durch W. Nee selbst hingewiesen. Angus Kinnear schreibt in seiner Biographie über Watchman Nee - Ein Leben gegen den Strom, Wuppertal 197*) S. 79 angesichts dieser Beurteilung zu Nee's Buch "Der geistliche Mensch":

"Darum ist "Der geistliche Mensch" heute nur noch als Einblick in eine Entwicklungsstufe des Autors von Interesse, er war kaum fünfundzwanzig Jahre alt, als er es schrieb."

Trotz dieser eigenen Beurteilung durch W. Nee wird das Buch heute der Gemeinde Jesu angeboten.

Wir halten "unsere Kritik an Nee's "Normales Christenleben" in vollem Umfang aufrecht. Aus mancherlei Zuschriften und Veröffentlichungen erkennen wir, wie notwendig und berechtigt die ablehnende Stellung zu den Schriften von W. Nee ist. Seine Lehrauffassungen haben in vielen Teilen der Welt zur Sektenbildung geführt. Auch in Stuttgart hat sich eine "Ortsgemeinde nach Watchman Nee" gebildet. Die Mitglieder leben in dem Bewußtsein, sie allein bildeten  die  christliche Gemeinde am Ort. Nee's Mitarbeiter Witness Lee ist der Führer der Gruppe, von der im "Materialdienst (39. Jahrg., Nr. 15/16, S. 244 f.) u.a. folgendes berichtet wird:

"In der 'Gemeinde' äußert sich die Begeisterung in einer merkwürdig gleichartigen exaltierten Sprechweise, wenn einzelne ihre 'Zeugnisse' geben, und in den sehr

 lautstarken gemeinsamen Rufen: Amen, Halleluja." ...

 

"Diese 'perfektionistische' Haltung hat sich in der "Gemeinde" noch verstärkt. Man sieht sich unaufhaltsam 'vorwärtsschreiten' auf dem Weg ins Allerheiligste, wo die Einheit mit Christus Wirklichkeit ist. Das Kreuz hat man weit hinter sich gelassen. Von Sünde und Ver­gebung, vom Kampf und Ringen ist kaum die Rede."

Damit wird für den prüfenden Leser deutlich erkennbar, zu welcher Frucht die Saat führt. Prüfen aber unsere Geschwister alles? Lassen sie sich warnen?

Zu den  darbystischen  Bindungen von Watchman Nee machen wir im übrigen kurz auf folgendes aufmerksam: Watchman Nee stand, nachdem er früher Veröffentlichungen von J.N.Darby gelesen hatte, in engem Kontakt zu darbystischen Kreisen, insbesondere zu stark extremen Darbysten in England. Er besuchte ihre Versamm­lungen auch in Schottland und USA und war eine Zeitlang mit James Taylor sen., dem Führer der Sekte der "Ravenschen Brüder", verbun­den. Kinnear (a.a.O., S. 93) schreibt:

"Die Gemeinden, in deren Mitte sich Taylor bewegte, grenzten sich hermetisch von allen anderen christlichen Gemeinden ab. Jeder 'draußen' war von der Gemeinschaft mit denen 'drinnen1 ausgeschlossen, außer er stimmte zu, von jetzt an nur Versammlungen 'innerhalb des Zauns' zu besuchen. Diese Hegel galt auch für die gesellschaftlichen Beziehungen und wurde später von James Taylor jr. noch verschärft, bis sich die Bewegung in den frühen sechziger Jah­ren hoffnungslos über dieser Streitfrage aufspal­tete."

Welche bösen verheerenden Auswirkungen in dieser Gruppe im Laufe der Zeit zutage traten, schildert Hutten, Seher, Grübler, Enthusiasten, Das Buch der Sekten, 11. Aufl., Stuttgart 1968, S. 4-79 ff. Mit W. Nee brachen die Londoner extremen Darbysten, weil Nee während seines Englandaufenthalts im Jahre 1933 in einer anderen unabhängigen Londoner Gemeinde (Honor Oak Straße) am Brotbrechen teilgenommen hatte. Mit dem Leiter dieser "Honor Oak Gemeinde", die ebenfalls als sehr schwärmerisch bezeichnet wurde, dem Predi­ger T. Austin Sparks, vertiefte W. Nee im Laufe der späteren Jahre die Freundschaft noch. Der 1935 verfaßte Brief der Londoner Darbysten über den Bruch mit den chinesischen Brüdern, die sich ebenfalls nach der Lehre der Darbysten von allen anderen Gemeinschaften absondern sollten, erreichte Watchman Nee in Chefoo, wo er sich sodann dem trügerischen Pfingstgeist öffnete und danach die aus der Pfingstbewegung bekannten enthusiastischen ekstati­schen Begleiterscheinungen in seinem Kreis einführte (vgl. Nachtrag S. 4 ff.).

Die vorliegende Veröffentlichung ist unter viel Gebet und Fürbitte entstanden. Möge der treue Herr die Verbreitung auch weiterhin segnen.
Berlin, im September 1977

Gliederung

A. Einleitung

B. Zur Beurteilung des Buches "Das normale Christenleben"

I.  Über den Tod des "alten Adam" und unser "Gekreuzigtsein"

1. Die Umwandlung des Menschen zum "Heiligen" ohne geistliches Wachstum

2. Die "besonderen Erfahrungen als Grundlage der Lehre

3. Die Ablehnung der schwärmerischen Lehre vom "Mitgekreuzigtsein" am Anfang dieses Jahrhunderts

4. Zusammenfassung

II.  Über das siegreiche Christenleben, die Buße und das Halten der Gebote

1. Ein siegreiches Christenleben durch "Wissen"

2. Die einseitige Auffassung über die Buße

3. Die Befreiung vom Gesetz Gottes und das

Erfüllen der Gebote durch Jesus Christus in uns

III. Über die Zweiteilung des Erlösungswerkes

G. Schlußwort D. Nachtrag

Die weiteren Veröffentlichungen über Watchman Nee

Der unnüchterne Anfang und die Beeinflussung durch schwarmgeistige Literatur

Die besonderen schwarmgeistigen Erlebnisse Die Stellung zu anderen Glaubensgemeinschaften Die Schriften und besonderen Lehren Zur Kennzeichnung der Persönlichkeit

Einleitung

' Vor seinem Heimgang im Jahre 1968 hat Evangelist Richard Ising ' »n dem Buch "Das normale Christenleben" des Chinesen Watchman Nee Kritik geübt '. Er hielt insbesondere für unbiblisch, daß der Verfasser die Heiligung von der Rechtfertigung durch den Glauben in unstatthafter Weise trennte und die Heiligung lehrmäßig als eine höhere Stufe des Christentums vertrat; auch die von dem Verfasser zum Opfertod Christi vertretenen Ansichten von der Unterscheidung zwischen "Kreuz" und "Blut Christi" und der besonderen Betonung des "Gekreuzigtseins mit Christo" wurden als falsch und schwärme­risch überspitzt abgelehnt.

Wer aus der Geschichte der Christenheit, besonders aus der Geschichte der sog. Pfingstbewegung (Zungenbewegung) weiß, wie gefährlich solche Lehren sein können und wie sehr sie den Boden für schwarmgeistige Einflüsse und Bewegungen vorbereiten, wird bereits aus diesen Gründen die Bedenken verstehen. Daß ähnliche Bedenken auch an anderer Stelle auftraten, zeigt eine Besprechung des Buches im Gnadauer Gemeinschaftsblatt, die der Verfasser die­ser Stellungnahme vor kurzem las. In ihr heißt es u.a.: "In dieser Neuausgabe geht es um Rechtfertigung und Heiligung mit dem besonderen Akzent der völligen Auslieferung eines Menschenlebens an Jesus Christus. Das nennt der Verfasser "normales Christenleben". Ein Satz wie dieser klingt gefährlich: "An den Anfang gehört gewiß die Vergebung für unsere Sünden, die Rechtfer­tigung, der Friede mit Gott. Das ist das Fundament. Aber wenn diese Basis durch unseren ersten Schritt des Glaubens an Jesus Christus geschaffen ist, müssen wir weiter zu etwas Höherem." Man wird beim Lesen dieses Buches wach sein müssen bei solcher und ähnlichen Formulierungen, wenn auch die Gesamtbotschaft des Buches nichts anderes will, als allein Christi Verdienst und Werk an, in und durch uns groß zu machen."2

1) Es lag ihm in der 4. Auflage, Frühjahr 1965, erschienen im K. Brockhaus Verlag Wuppertal, vor.
Die folgenden Zitate
werden dem Exemplar
      dieser Auflage entnommen.
2) Gnadauer Gemeinschaftsblatt, Januar 1965, Nr. 1, 4-0. Jahr­gang, Seite 16


 

In der nachfolgenden Zeit haben wir uns bei gegebenem Anlaß
kritisch und ablehnend zu diesem Buche von Watchman Nee geäußert.
Daraufhin sind wir von verschiedener Seite gebeten worden, unsere
Bedenken näher darzulegen und zu erläutern. Diesen Zweck soll die
vorliegende kurze Stellungnahme versuchen zu erfüllen.
Dabei werden einige seiner bedenklichen bzw. abzulehnenden Auf­
fassungen mit kurzer Begründung wörtlich zitiert, damit der in­
teressierte Leser diese Ansichten an Hand des Wortes Gottes wei­

ter überdenken kann.

B. Zur Beurteilung des Buches "Das normale Christenleben"

I. Über den Tod des "alten Adam" und unser "Gekreuzigtsein"

1. Die Umwandlung des Menschen zum "Heiligen" ohne geistliches Wachstum

Die Worte des Apostels Paulus aus Römer 6 über das Gekreu­
zigtsein mit Christo erhalten durch Nee eine überspitzte
 Ausdeutung, die weit über das, was der Apostel zum Aus­
druck gebracht hat, hinausgeht. Es sind zum Teil Gedanken,
 die uns aus schwarmgeistigen Gruppen her schon bekannt
sind.

Nee verwendet zwar biblische Begriffe. Aus seinen Ausfüh­
rungen und aus den Folgerungen seiner Ansichten geht aber
 hervor, daß auch er wie viele ausländische Heiligungslehrer
nicht eine Erziehung der Menschen für erforderlich und bib­
lisch ansieht, sondern sie ohne geistliches Wachstum durch
einen besonderen Akt des Verhaltens zu Heiligen umwandeln
will. Durch derartige Lehren werden aber Menschen notwen­
digerweise von steter Buße ferngehalten und daran gehin­
dert, ihre eigene fortdauernde Sündhaftigkeit zu erkennen
und ihren Willen in den Willen Gottes zu beugen. Solche
Christen, die sich (sei es durch Visionen, Stimmen, beson­
dere "Geistesgaben", oder sei es durch besondere Lehrer­
kenntnisse) höher und besser dünken als andere, werden in­
soweit vom Hochmutsgeist geleitet. Es ermangelt ihnen dann
der Gnade, die Gott nur dem Demütigen schenkt.

Bei Nee wird der Christ aus einem "normalen Christen­
leben", das sich gemäß Heiliger Schrift in einem Glau­
benswachstum zeigt, herausgeführt auf die Stufe einer
besonderen Heiligkeit und Sündlosigkeit.
Den alten Menschen sieht er als in vollem Umfange "tot"
an. Der neue Mensch lebt in einem Zustand der totalen

Herrschaft über die Sünde (Sündlosigkeitszustand). Einen

Kampf zwischen dem alten Menschen (aus Adam) und dem neuen

(aus Christus), einen Kampf des Fleisches gegen den Geist,

überhaupt einen rechten Kampf gegen die Sünde kann es so­

mit nicht geben. Aufgabe des Christen sei es lediglich, zu

wissen , daß er mit Christo "gestorben" ist, sich für

"tot"   zu  halten  und sich so  hinzuge­

ben. Dabei versteht er unter Hingabe, das Hingeben eines

Leibes, - der nach richtiger evangelischer Auffassung noch

der Leib der Sünde ist mit den vom alten Menschen übrigge­

bliebenen Lüsten, die sich im Fleisch und Blut regen und

gefühlt werden und dem Geist widerspenstig sein wollen -

der nach Watchman Nee aber der Sünde "abgestorben" ist und

 nicht mehr Teil der "alten Schöpfung" ist.

Nee legt sich die Frage vor, die zum Ausgangspunkt seiner

Überlegungen wird und die - da sie sich auf den Zustand

des Christen in seinem Erdenleben bezieht - in der Formu­

lierung und im Inhalt bereits weit über das hinausgeht, was

vom Worte der Heiligen Schrift her möglich ist und was mit

unserem reformatorischen Glaubensgut vereinbar ist:

"Wie können wir Sünder uns unserer Erbmasse entledigen?
Wir sind in Adam geboren. Wie entkommen
wir dieser Fessel?" (S. 20)

Nee beantwortet die Frage im Hinblick auf den "Tod des

alten Menschen", indem er schreibt:

"Tod ist der Schlüssel zu unserer Freiheit". (S.20)

Zur Begründung führt er im einzelnen aus:

Zum Mitgekreuzigtsein:

"Als er gekreuzigt wurde, geschah dasselbe mit uns...

Wir wurden bei Jesu Kreuzigung mitgekreuzigt, denn

Gott hat uns in ihn versetzt." (S. 21)


"Die Heiligung ist unmöglich, wenn wir nicht erkennen, daß er uns selbst am Kreuz getragen
hat. Nicht nur unsere Sünden wurden auf ihn gelegt,
wir selbst waren in ihm ...

Gott hat uns in Christus versetzt, und als Christus

gekreuzigt wurde, wurden wir mitgekreuzigt." (S. 23)

"Du bist gestorben, vergangen, aus dem Weg geschafft". (S. 24)

"Als er starb, starbst du mit". (S. 28)

"Gott hat uns alle in Christus versetzt und ihn als den letzten Adam gekreuzigt. Alles was in Adam ist, ist damit vergangen."

"Das alte Geschlecht erlosch". (S. 22)

Zu den Handlungen des Christen, die ihn - über die Wiedergeburt hinaus - auf eine höhere Stufe der totalen Herrschaft über die Sünde bzw. der Sündlosigkeit  führen sollen (nämlich: Wissen. Dafürhalten. Hingeben):

"Wir bemühen uns nicht zu sterben, wir warten nicht darauf, sondern wir sind tot. Wir müssen nur erken­nen, was der Herr getan hat und ihm dafür danken. .. (S. 28)

"Wenn wir einmal die Erkenntnis haben, daß unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt wurde, dann ist der nächste Schritt, daß wir uns persönlich unter diese Tatsache stellen, daß wir uns "dafür halten". (S. 29)

"Ebenso sollten wir uns an den Zeitpunkt erinnern können, an dem wir sahen, daß wir mit Christus gestorben sind. Es sollte ein festes Wissen sein, denn es ist die Grundlage, auf die wir bauen. Nicht weil ich mich für tot halte, bin ich tot, sondern weil ich tot bin, weil ich erkenne, was Gott mir in Christus getan hat, darum halte ich mich für tot". (S. 31)

"Die Hingabe erfolgt auf mein Wissen hin, daß der alte Mensch gekreuzigt ist. Erkennen - sich dafür halten - sich hingeben, das ist die Reihen­folge nach göttlicher Ordnung." (S. 45)

Zum Begriff der Hingabe (die sich nach Nee auf die Glieder eines Leibes bezieht, der bereits der neuen Schöpfung angehören und daher der Sünde abgestorben sein soll) :

"Hingabe...bedeutet nicht, daß der "alte Mensch" mit seinen natürlichen Fähigkeiten und Begierden, seiner Weisheit und Kraft dem Herrn geweiht wird." (S. 44)

"Es ist nicht die Rede von irgendeinem Teil aus

der alten Schöpfung, sondern nur von dem, was vom

Tod zur Auferstehung gelangt ist." (S.45)

"Dieses Hingeben bezieht sich, wie wir lesen, auf die Glieder meines Leibes, jenes Leibes, der nun der Sünde abgestorben ist." (S. 45)

Zum Zustand der Sündlosigkeit bzw. Freiheit von der Sünde (durch das Totsein des alten Menschen oder die "Entfernung des Sünders"):

"Mit dem Prinzip der Sünde in uns aber verfährt er auf indirekte Weise. Er entfernt nicht die Sünde, sondern den Sünder. Unser alter Mensch ist samt ihm gekreuzigt worden, darum ist der Leib, der bis dahin das Werkzeug der Sünde war, "kraftlos gemacht" (Rom. 6, 6, Züricher Übersetzung). Die alte Herr­scherin Sünde ist immer noch da, aber ihr Sklave ist getötet worden und ihrer Reichweite entzogen; seine Glieder sind kraftlos. Die Hand des Spielers ist bewegungslos, die Zunge des Fluchers ist stumm. Diese Glieder sind nun "Gott zu Waffen der Gerech­tigkeit" geworden (Rom. 6, 13)." (S. 34)

Watchman Nee verwendet zwar nicht ausdrücklich den Begriff "Sündlosigkeit". Dennoch wurde dieser Begriff bewußt hier gewählt, weil er das inhaltlich zum Ausdruck bringt, was Nee im Grunde meint und was - bei aller Unterschiedlichkeit der Begriffe - stets Not und Verwirrung in die Gemeinde Jesu gebracht hat.

Die Geschichte, besonders die traurigen Erfahrungen, die in den letzten sieben Jahrzehnten mit der sog. Pfingstbewegung (Zungenbewegung) gemacht wurden, zeigen, wieviel Unsegen, wieviel Täuschung, wieviel falsches Christenleben aus einer Lehre kommen kann, die vom Worte Gottes abweicht. Seinerzeit war es besonders die Lehre von dem sog. "reinen

 

Herzen". Es handelte sich dabei um den Irrtum, als sei die innewohnende Sünde in einem begnadigten und geheilig­
ten 'Christen ausgerottet, so daß schließlich ein Zustand
der Sündlosigkeit erreichbar sei. Auch die Ansichten von Watchman Nee führen zu diesem Ergebnis.
Denn wenn - wie Nee schreibt - alles vergangen ist, was in Adam ist (also die Erbsünde), wenn das alte Geschlecht erlosch und der alte Mensch ebenfalls gestorben, vergangen, aus dem Wege geschafft, der Sünder entfernt worden ist, dann ist eine totale Loslösung von der Sünde gegeben, dann wähnt sich eben der dies wörtlich so glaubende, sich dies so zu eigen machende Christ in einem sündlosen Zustand.

2. Die besonderen Erfahrungen als Grundlage der Lehre

Grundlage der Lehre von Watchman Nee sind seine besonderen Erfahrungen, die er mit den biblischen Aussagen über unser "Mitgekreuzigtsein" verknüpft. Nee hatte sein beson­deres  Erlebnis, auf Grund dessen er seine Lehre verfaßte. Er schreibt:

"Ich selbst wurde jahrelang nach meiner Bekehrung gelehrt, daß ich mich für tot zu halten habe. Das versuchte ich von 1920 bis 1927. Je mehr ich mich aber als der Sünde gestorben erachtete, desto ein­deutig lebendiger war ich ihr. Es war mir einfach unmöglich, dieser Aufforderung nachzukommen. Wenn ich bei Freunden Hilfe suchte, wurde ich angewie­sen, Römer 6, 11 zu lesen. Aber es führte zu nichts. Wohl erkannte ich an, daß ich mich für tot halten sollte, aber ich begriff nicht, warum es mir nicht gelang. Der Kampf dauerte monatelang, bis ich eines Tages zum Herrn sagte: "Wenn ich nicht dahin kommen kann, diesen zentralen Punkt zu erfassen, will ich mit meiner Arbeit aufhören. Ich will weder predigen noch sonst etwas tun, um dir zu dienen. Ich muß zuerst völlige Klarheit haben." Das Suchen dauerte Monate. Zuweilen fastete ich, aber ich bekam keine Antwort.

Aber dann kam ein Morgen, der mir unvergeßlich bleiben wird. Ich saß an meinem Schreibtisch und las in der Schrift mit dem Gebet: "Herr, öffne mir die Augen!" Da erkannte ich plötzlich alles wie im Scheinwerferlicht. Ich sah, daß ich mit Christus eins war, daß ich mit ihm starb, als er starb, daß mein Tod der Vergangenheit und nicht der Zukunft angehörte. Ich war gestorben, wie er

 

 

gestorben war, denn ich war in ihm. Alles wurde klar. Meine Freude über diese Entdeckung war so überströmend, daß ich aufsprang und rief: "Gott sei Dank, ich bin tot!" Ich eilte die Treppe hinunter und traf einen Bruder, der in der Küche half. "Bruder", sagte ich, "weißt du, daß ich gestorben bin!?" Es war eine überwältigende Wirk­lichkeit für mich geworden. Am liebsten hätte ich meine Entdeckung auf den Straßen Shanghais ver­kündigt." (S. 50)

Nach dieser ultimativen - und daher ungeziemenden, unvor­bildlichen - Rede mit dem Herrn ("Wenn ich nicht..., will ich mit meiner Arbeit aufhören ... weder predigen noch sonst etwas tun, um dir zu dienen") hatte Nee ein - offenbar visionäres - Erlebnis; jedenfalls machte er eine außerge­wöhnliche Erfahrung in seinem Leben.

Besondere Erfahrungen dürfen aber nicht Grundlage einer Lehre bilden, Grundlage muß allein das Wort Gottes sein. Ein Berufen auf Erfahrungen und besondere Erlebnisse ist kennzeichnend für schwarmgeistige Einflüsse. Auch der damalige Führer der deutschen Pfingstbewegung, Pastor Paul, hatte ein besonderes  Erleb­nis, auf Grund dessen er glaubte: Christus ist mein zweiter Adam, weil mein erster Adam, mein Ich, mit Christus in den Tod gegeben ist. Das glaube ich, damit rechne ich; somit ist mein alter Mensch tot, und mit ihm die Lust zur Sünde tot1'.

In seinem im Jahre 1904 gehaltenen Referat "Unsere Aufgabe im Reiche Christi ist Glauben" sagte Paul, inspiriert durch sein schwärmerisches Erlebnis, das er vier Wochen zuvor gehabt hatte: Ich hatte in meiner Bibel gelesen: Der alte Mensch wurde mitgekreuzigt. Danach aber machte ich die Er­fahrung: er regte sich wieder. Dann kam der Augenblick, wo der Geist Gottes mir zeigte: Ich sollte, indem ich Jesum anschaute, Ihm das Vertrauen schenken, daß Er so mein zwei­ter Adam sein werde, daß ich den alten nicht wieder zu sehen bekäme: Ich tat dies im Glauben, und das Ergebnis war:

1)

Vgl. Hermann Haarbeck, Laß dir an meiner Gnade genügen, Denkendorf Krs. Eßlingen 1965, S. 17

 

Ich habe ihn seitdem nicht wiedergesehen..."1).

In der am 15-9-1909 von 56 führenden Brüdern unter­schriebenen "Berliner Erklärung" gegen die Pfingstbewegung heißt es über Pastor Paul:

 

"Wir, die unterzeichneten Brüder, können ihn als Führer und Lehrer in der Gemeinde Jesu nicht mehr anerkennen." Nachdem Pastor Paul 15 Jahre lang seine schwärmerische

Auffassung vertreten hatte, erklärte er 1919 öffentlich:
      "lasse meine Lehre fallen". '

In den früheren Auseinandersetzungen des Gnadauer Vorstandes mit den schwarmgeistigen Einflüssen beriefen sich die irrenden Brüder häufig auf ihre Erfahrungen im Heiligungs­leben und nahmen diese zum Ausgangspunkt ihrer lehrmäßigen Aussagen. Gerade hiergegen hatten sich führende Brüder Gnadaus gewandt. In einem Referat sagte Rektor Dietrich aus Stuttgart u.a.: "... ich habe mich gewöhnt, Schrift­stellen höher zu stellen, als alle Erfahrungen. Wir wollen uns ja hüten, die Schrift nach unseren Erfahrungen zu deu­ten, sondern wir müssen vielmehr unsere Erfahrungen nach der Heiligen Schrift beurteilen, sonst kommen wir in Schwärmerei und auf den Holzweg...   .

Und Hans von Sauberzweig schreibt hierzu: "Dem Gnadauer Ver­band wären manche Nöte und Irrwege und Kämpfe erspart ge­blieben, wenn man sich diese Sätze zu eigen gemacht und

n\ immer strikt nach ihnen gehandelt hätte."

In unserer Erfahrungswelt liegt in der Tat eine Quelle von Irrtümern und Fehlern. Eine wirkliche geistliche Auslegung der Schrift kann nur aus dem Wort selbst kommen. Otto Rodenberg weist in seinem Büchlein "Wort und Geist" nachdrück­lich auf diese Gefahr hin: "Nur durch das Wort kommt Gottes

1) Vgl. Hans von Sauberzweig, Er der Meister, wir die Brüder, Geschichte der Gnadauer Gemeinschaftsbewegung 1888-1958, Offenbach am Main 1959, S. 222

2) Vgl. Christian 'Krust, 50 Jahre Deutsche Pfingstbewegung, Altdorf bei Nürnberg, 1958, S. 209

3) Hans v. Sauberzweig, a.a.O., S. 23^

4) Hans v. Sauberzweig, a.a.O., S. 233

 

 

Geist über den Menschen. Wie könnte es sonst auch Gewiß­heit darüber geben, daß es sich wirklich um den Geist han­delt, der die Schrift schuf? Gewißheit bedarf des Wortes, das außerhalb unserer selbst Geist und Leben ist. Dement­sprechend bedarf unsere Erfahrung des Glaubens, der seiner­seits am Wort hängt. Es kann wohl sein, daß unsere Erfahrung zuweilen den Eindruck unmittelbarer Geisteswirkunf; oder -leitung erweckt. Nur dürfen unsere wechselnden, mehr oder weniger reichen oder kümmerlichen Erfahrungen nicht zur Grundlage christlicher Lehrbildung gemacht werden. Wohl macht der Glaube Erfahrungen, nicht aber macht die Erfah­rung den Glauben. Vielmehr kommt der Glaube aus dem Wort,

und hier ist die Quelle, von der her der ^eilige Geist . , . ..1l

wirkt.

Die Aussagen von Nee beruhen auf solchen Erfahrungen, an deren Anfang das erwähnte besondere Erlebnis am Schreib­tisch in Shanghai stand. Damit sind dieselben Gefahren ge­geben, die aus der Geschichte der schwarmgeistigen Bewe­gungen bekannt sind.

3- Die Ablehnung der schwärmerischen Lehre vom "Mitgekreuzigt-
sein" am Anfang dieses Jahrhunderts

Im übrigen hat gerade die Überspitzung und schwärmerische Auslegung der Worte der Heiligen Schrift über das "Mitge-kreuzigtsein" schon früher auch in Deutschland der Gemeinde Jesu viel Hot bereitet und ist uns von daher bereits gut bekannt. Die Pfingstbewegung (Zungenbewegung) traf bei ihrem Auftreten in Deutschland einen durch den Einfluß der Heiligungsversammlungen in England mit ihrer überschwenglichen Heiligungslehre, insbesondere durch den verwirren­den Einfluß von Wales, 'vorbereiteten Boden an. Während der Erweckung in Wales (1904/5) wirkte u.a. Mrs.  Penn-L e w i s  zusammen mit dem Methodisten Evan Roberts, einem Erweckungsprediger, der während dieser 2eit dauernd

1) Otto Rodenberg, Wort und Geist, Berlin 1970, S. 60, 61

 Gesichte und Erscheinungen hatte 1) . In den Konferenzen in

Keswick (1905) trat Mrs. Penn-Lewis aus Wales als Rednerin auf und sprach in ihren Zeugnissen insbesondere vom "Mit-gekreuzigtsein". Sie verstand darunter "eine wirkliche, lebendige, innige Verbindung des Christen mit dem Herrn in seinem Tode durch den Heiligen Geist, daß er an der Gleich­heit seines Todes teilnimmt. Dadurch sei der Christ einer­seits von der Herrschaft der Sünde erlöst, andererseits werde ihm das Leben Jesu offenbar."  Erich von Eicken-' urteilt hierzu: Der Höhenflug mystischer Gedanken der Penn-Lewis vom Mitgekreuzigt- und Mitauferstandensein verstieg sich zu der schwindelnden Höhe, daß der wirklich Durchge­heiligte auch die Erlösung des Leibes schon habe. Der

4) Enthusiasmus nahm immer ungezügeltere Formen an." ' Von

Mrs. Penn-Lewis und Evan Roberts schreibt er ferner: "Beide betonten die Geistestaufe und haben nicht unwesentlich die geistige Atmosphäre für das Aufkommen der Pfingstbewegung vorbereitet"  .

1) Vgl. A. Goetz, Erweckungen in aller Welt, 2. Heft,

Hamburg 1934, er schreibt z.B. Seite 7/8 u.a.: "So ver­ging die ^eit, bis endlich in einer Nacht, im Frühling 1904-, sich Gott ihm in ganz besonderer Weise offenbarte. Er erzählt, daß es ihm eines Abends, als er an seinem Bette knieend betete, erschienen sei, als würde er hin­weggerückt in weiten Raum ohne Grenzen, ohne Zeit, in die Gemeinschaft Gottes. In der nächsten Zeit weckte Gott ihn Nacht für Nacht etwas nach 1 Uhr, um ihn wohl vier Stun­den lang in seine Gegenwart zu versetzen. Nach einigen Stunden Schlaf machte er dann abermals dieselbe Erfahrung, bis ungefähr gegen Mittag. Diese heimliche Gemeinschaft mit Gott währte etwa drei Monate lang. ..."

2) Vgl. Christian Krust, a.a.O., S. 33

3) Erich von Eicken, Heiliger Geist - Menschengeist -Schwarmgeist, Wuppertal 1964, S. 25

4) Vgl. auch Paul Fleisch, Die moderne Gemeinschaftsbewe­gung in Deutschland, 3. Auflage, 1. Bd., Leipzig 1912,

S. 587

5) Erich von Eicken, a.a.O., S. 85, Anm. 18. Der pfingstlerische Gemeinschaftshistoriker Prediger J. Warns meinte seinerzeit in seinem Monatsblatt "Wahrheit in der Liebe" sogar: "Der Ursprung der heutigen (Pfingst-)Bewegung ist in Wales zu suchen, in jener großen Bewegung, wo bereits ähnliche Erscheinungen bemerkt wurden." (Zitiert in: A. Goetz, Erweckungen in aller Welt, 3- Heft, Hamburg 1934, S. 16). Richtig jedoch ist, daß die ijfingstbewegung (Zungenbewegung) aus einem spiritistischen 'Negerkreis in Los Angeles, Kalifornien, ihren Ausgang nahm.

 

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Hieran wird deutlich, welche Auswirkungen falsche, über­spitzte und schwärmerische Auslegungen von Worten Heiliger Schrift haben können.

An solchen Auswirkungen wird aber auch andererseits erkenn­bar, wie wenig solche Auslegungen vom Heiligen Geist gewirkt sein können.

Zusammenfassung

Die Auslegung von Watchman Nee, durch das Erkennen des "Totseins" des alten Menschen in einen Heiligungszustand zu kommen, will in einem Zuge das erreichen, was nur durch ein Glaubensleben, in dem die Erziehung und Zucht des Hei­ligen Geistes wirkt, heranreifen kann. Wenn uns das Glau­bensleben in der Heiligung zu einer christlichen Vollkommen­heit führen soll, so kann darunter nicht ein Zustand einer abgeschlossenen Entwicklung verstanden werden. So wie unser Wissen und Weissagen Stückwerk ist, kommen wir hier auch nicht zu einen Zustand des "Fertigseins", welcher das Stück­werk ausschließt.

Luther: "Also ist dies Leben nicht eine Frommheit, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesund­werden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind's noch nicht; wir werden's aber."

Wir sind in einen Kampf des Glaubens hineingestellt. Auch als wiedergeborene Christen bleiben wir in der Anfechtung. Satan ist ein Besiegter, aber er geht noch umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge. Er ver­bündet sich mit unserem Fleisch und Blut, dem alten Menschen, der, wie Luther sagt, durch tägliche Reue und Buße muß er­säuft werden. Wir sprechen daher mit Paulus: "Nicht daß ich1s schon ergriffen hätte oder schon vollkommen sei, ich jage ihm aber nach, ob ich's auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin." Wir warten noch auf die endgültige und völlige Überwindung Satans und auf die Erlö­sung des Leibes. Solange stehen wir in der Spannung zwischen dem "Schon" und dem "Noch nicht", zwischen dem "Schon

 

 

 

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gerechtfertigt und geheiligt sein" und dem "Noch nicht erlöst sein dem Leibe nach", zwischen dem "Ihr seid mit Christo gestorben" und dem "Nun haltet euch dafür... und lebet Gott in Christo Jesu, unserem Herrn." Paulus sagt: "... ich sterbe täglich" (1. Kor. 15, 31).

In unserer Zeit wird die Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders durch den frohmachenden Glauben an unseren Herrn Jesus Christus und sein Opfer für uns mehr und mehr durch falsche Theologie und schwarmgeistige Einflüsse verdunkelt, so daß sie vielen Christen nicht mehr zu einem echten Heils­besitz wird. Der Herr sagt: "Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben".

"Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben..."

Diese Worte reichen vielen als Fundament ihres Glaubens nicht aus. Mit täglicher Reue und Buße, mit Züchtigung, mit dem "Kreuzaufsichnehmen", mit dem J'Kampf wider die Sünde", mit dem "Sünder und Gerechter zugleich!1 usw. sind sie nicht zufrieden. Sie möchten aus diesem fleischlichen, "unheiligen" Zustand, in dem das Fleisch wider den Geist streitet, heraus in einen mehr oder weniger absolut heiligen Zustand, in dem sie nun von allem, was Fleisch ist, befreit sind. Zu diesem Zwecke werden einzelne biblische Begriffe entsprechend aus­gelegt, umgedeutet und müssen zur Begründung falscher An­sichten herhalten. So werden biblische Begriffe zur Begrün­dung einer falschen Lehre von einer zusätzlichen Geistes­taufe, von einem zweiten Segen, von einem reinen Herzen usw. benutzt. Auch die Ansichten von Watchman Nee dienen diesem Zweck. Es geht ihm um diese totale Befreiung vom Fleisch, von der Sünde:

"... von der Macht der Sünde brauche ich Erlösung, Befreiung." (S. 6)

"Ich mag Vergebung suchen und erlangen, aber danach sündige ich wieder. So verläuft mein Leben in einem geschlossenen Kreis von Sündigen, Vergebung erlangen

 

 

 

und wieder Sündigen...       aber ich brauche mehr:

ich brauche Befreiung.       ...

Befreiung von dem, was       ich bin." (S. 6)

"Darum sind wir auch alle in Adams Sünde einbe­zogen und erben von ihm alles, was er als Folge seiner Sünde geworden ist, nämlich die Adamsna­tur, die Natur des Sünders. ... Das eigentliche Ütel ist unsere Abstammung ... solange wir die nicht ändern können, gibt es keine Befreiung für uns ... Aber gerade auf dieser Ebene hat nun Gott eingegriffen und eine Lösung geschaffen." (S. 19)

Auch Nee will den Gläubigen, den Wiedergeborenen durch einen zweiten Schritt (durch das Wissen um das "Mitgekreuzigtsein" und ein entsprechendes "Dafürhalten") zu einer besonderen Stufe der Heiligkeit führen. Auch er trennt damit die Recht­fertigung des Sünders von der Heiligung. Auch er meint, der Wiedergeburt noch etwas Höheres hinzufügen zu müssen. Noch einige Belegstellen hierzu:

"Obwohl ein Mensch wirklich wiedergeboren ist, kann er doch noch an die Sünde gebunden sein. ..."

"Eines Tages dann hört er das volle Evangelium, daß Jesus nicht nur starb, um uns von unserer Sünde zu reinigen, sondern daß er auch uns Sünder in seinen Tod mit einschloß. Dem Menschen werden die Augen geöffnet, und er erkennt, daß er mit Jesus gekreuzigt ist. ..."

"Dies ist der Anfang eines echten Christenlebens zum Lob des Herrn." (S. 72)

Eine solche zweite Erfahrung nach der Wiedergeburt ver­bunden mit einem besonderen Heiligunpszustand muß aber als unbiblisch abgelehnt werden. Der wiedergeborene Mensch hat Vergebung der Sünde erlangt und die Gabe des Heiligen Geistes erhalten. Durch den Glauben an das Evangelium Gottes von seinem Sohn Jesus Christus ist er als wiedergeborenes Glied am Leibe Christi "getauft" (1. Kor. 12, 13), "gesalbt" (1. Joh. 2, 20) und "versiegelt" mit dem Geist der Verhei­ßung (Eph. 1, 13). Damit steht er in einem neuen Leben, dessen Grundkraft der Heilige Geist ist. Stufenweise Erfah­rungen nach der Wiedergeburt kennt die Heilige Schrift nicht. Sie zeigt vielmehr deutlich, daß auch im neuen Leben das

 

"Fleisch" noch da ist. Der Wiedergeborene ist göttlicher Natur teilhaftig geworden. Dadurch ist es ihm möglich, im Geist zu wandeln und gegen das (immer noch vorhandene) "Fleisch" anzugehen und seine Lüste nicht zu vollbringen. "Das Fleisch streitet wider den Geist und der Geist wider das Fleisch" (Gal. 5, 17). Fritz Hubmer schreibt: "Wir brauchen es nun nicht mehr zu beklagen, daß das Fleisch nach seiner leiblich-wirklichen Beschaffenheit mit all seinen dunklen Möglichkeiten noch vorhanden ist. Wenn Gott die Widerstandsmächte nach unserer Bekehrung einfach auto­matisch von uns nähme, wie sollten wir dann ITberwinder

werden? Nur im Kampf gegen vorhandene Feinde kann uns ein

1) Sieg verliehen werden."

Freilich soll sich der Wiedergeborene die sieghafte Stel­lung, die Paulus in Homer 8 darlegt, vor Augen halten und zu Herzen nehmen und entsprechend leben, aber andererseits auch nicht infolge seines täglichen Zurückbleibens mutlos werden. Seiner Stellung nach, die er in Christo als Kind Gottes hat, ist er immer in Römer 8.

Watchman Nee sieht offenbar die Worte des Apostels Paulus in Römer 7 und 8 als zwei aufeinanderfolgende Erfahrungen an. Darauf deuten seine im Zusammenhang mit Homer 7 und 8 gemachten Ausführungen hin auf Seite 86 ("Paulus ist zu der Entdeckung gekommen") und Seite 89 ("«v'ie kann Paulus so kühn sein? Mit welcher Berechtigung erklärt er, daß er keinerlei Hemmnisse und Grenzen mehr hat?") und Seite 91 ("Das war zum Teil des Paulus Not in Homer 7- Sein Wollen war zwar gut, aber alle seine -Handlungen standen im Wider­spruch dazu, und je fester er sich entschloß, Gott zu ge­fallen, in um so tieferen Abgrund geriet er. Er wollte gern das Gute tun, aber er war, fleischlich, unter die Sünde verkauft").

Römer 7 ist aber nicht so aufzufassen, daß Paulus sich von diesen Erfahrungen ausschließe als besonders "Heiliger" und davon nicht sich selbst genauso betroffen wüßte. Auch im Stand der Gnade kämpfen Geist und Fleisch noch ständig miteinander.

1) Fritz Hubmer, Die dreifache Freiheit der Erlösten nach Homer 8, Stuttgart-Hohenheim 1964, S. 47 (S. 40 ff.)

 

Luther: "Es tobt in uns ein Kampf zwischen Geist und Fleisch, der hindert uns daran, das Gesetz vollkommen zu erfüllen. Und deshalb sind wir Sünder, solange wir im Fleische sind, und bedürfen bei jedem guten Werk der ver­zeihenden Barmherzigkeit Gottes, daß wir sagen müssen: "Herr, geh nicht ins Gericht mit deinem Knecht, denn vor

dir ist kein Lebendiger gerecht" (Psalm 143, 2).

II, Ober das siegreiche Christenleben, die Buße und das Halten dar Gebote 1. Ein siegreiches Ghristenleben durch "Wissen"

Watchman Nee muß auf Grund seiner besonderen Ansichten not­wendigerweise auch zu anderen Auffassungen über ein sieg­reiches Christenleben kommen. Er führt dieses z.B. auf das Wissen  zurück und schreibt u.a.:

"Wie kommt es, daß manche Christen ein siegreiches Leben führen, während andere von einer Niederlage in die andere fallen? Der Unterschied liegt nicht darin, daß Gottes Geist gegenwärtig oder nicht gegenwärtig ist, denn er wohnt ja im Herzen eines jeden Gotteskindes, sondern darin, daß die einen von Gottes Wohnung in sich wissen und die anderen nicht." (S. 67)

Diese Ansicht, die ein Wachstum im Christenleben ausschließt, wendet er auch rückblickend auf die Christen in Korinth an, von denen er schreibt, daß

"ihr Leben gleichzeitig voller Widersprüc.he und eine Schande für den Namen des Herrn war. Zwar hatten sie den Heiligen Geist ganz offensichtlich empfangen, blieben aber doch unreif." (S. 65)

Er kommt auch hier zu der Feststellung, daß es auf das Wissen ankam:

"Das Problem für die Christen in Korinth war nicht, daß ihnen der Heilige Geist fehlte, sondern daß sie nichts von seiner Gegenwart wußten." (S. 65)

1) Martin Luther, Kommentar zum Galaterbrief.1519, Bd. 124/125 Siebenstern-Taschenbuch, München und Hamburg 1968, 246

 

 

 

2. Die einseitige Auffassung über die Buße

Wenn es für ein siegreiches, vollendetes Christenleben auf das Wissen ankommt (das Wissen von unserem "Tode"), wenn der Sünder "entfernt" ist usf., dann kann es notwen­digerweise keine fortlaufende Buße im Leben des Gläubigen geben. Über Buße schreibt Nee daher nur sehr wenig:

"Buße bedeutet eine Sinnesänderung. Früher war mir die Sünde etwas Angenehmes; die »Yelt hielt ich für verlockend, Christsein für eine armselige Angelegenheit. Nun bin ich über das alles anderer Meinung. Dinge, die mich einst entzückten, stoßen mich nun ab; was mir völlig nutzlos schien, hat jetzt höchsten Wert. Das ist Sinnesänderung, Buße. ..." (3. 60)

Diese Auffassung über Buße fügt sich in seine Lehre über das Totsein des alten Menschen ein, denn er beschreibt im wesentlichen einen Zustand, der nach der Bekehrung und Wiedergeburt eines Menschen gegeben ist. Außerdem fehlen wesentliche Inhaltsmerkmale des Begriffes der Buße (die z.B. die Heue in sich schließt). Von täglicher Heue und Buße schreibt er ohnehin nichts '.

1) Hier sei lediglich an die Linien der reformatorischen

Schrifterkenntnis erinnert,z.B.:

Die Schmalkaldischen Artikel, "Gesetz und Buße":

"... Und diese Buße währet bei den Christen bis in den Tod; denn sie beißt sich mit der übrigen Sünde im Fleisch durchs ganze Leben, wie S. Paulus Rö. 7 zeuget, daß er kämpfe mit dem Gesetz seiner Glieder etc., und das nicht durch eigen Kräfte, sondern durch die Gabe des heiligen Geists, welche folget auf die Vergebung der Sünden. Dieselbige Gabe rei­niget und feget täglich die übrigen Sünden aus und arbeitet, den Menschen recht rein und heilig zu machen. ..."

Die Augsburgische Konfession, Artikel XII, Von der Buße: "... Und ist wahre rechte Buße eigentlich Heu und Leid oder Schrecken über die Sünde, und doch daneben glauben an das Evangelium und Absolution, daß die Sünde vergeben und durch Christum Gnad erworben sei, welcher Glaube wiederum das Herz tröstet und zufrieden macht. Danach soll auch Besserung folgen, und daß man von Sünden lasse; denn dies sollen die Früchte der Buße sein, wie Johannes spricht, Matth. J>, 8: Wirket rechtschaffene Früchte der Buße. ..."

[pie Befreiung vom Gesetz Gottes und das Erfüllen der Gebote durch Jesus Christus in uns

Nee meint demzufolge auch, daß das Gesetz Gottes uns nicht gegeben wurde, damit wir es halten sollen. Einer solchen Aufforderung zum Halten der Gebote bedarf es konsequenter­weise nach seinen Auffassungen auch gar nicht, denn für ein Bemühen um das Halten von Geboten Gottes wäre bei einem Menschen, der "gestorben, vergangen, aus dem toege geschafft" ist, auch tatsächlich kein Raum mehr. Zunächst schreibt er:

"Wir mögen also in Ehrfurcht sagen, daß Gott uns niemals das Gesetz gab, damit wir es halten soll­ten, sondern damit wir es brächen." (S. 75)

Hichtig ist vielmehr, daß Gott uns das Gesetz gab, damit wir es halten sollen. Forderte Gott nicht immer wieder, daß man seine Gebote halte:

"So haltet nun alle meine Satzungen und meine Hechte und tut darnach..."!

Der Verfasser wiederholt an anderer Stelle diese Behaup­tung mit folgenden ergänzenden Vierten:

"Nirgends im Neuen Testament wird den Gläubigen gesagt, daß sie das Gesetz halten sollen; viel­mehr wird gesagt, daß das Gesetz gegeben wurde, damit es uns zu Gesetzesübertretern machte!" (S. 75)

Stimmt es denn, daß das Gesetz uns zu Gesetzesübertretern machte - oder war es die Sünde, die am Gebot Anlaß nahm? Paulus schreibt: "... als aber das Gebot kam, ward die Üünde lebendig" (Hörn. 7, 9) und "So ist also das Gesetz heilig, und das Gebot heilig, recht und gut" (Hörn. 7, 12).

Außerdem wird im Neuen Testament den Gläubigen gesagt, daß nie das Gesetz halten sollen. Sagt der Herr von den Schrift-Kelehrten und Pharisäern, die das Gesetz lehrten, nicht bereits (Matth. 23, 3): "Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet ..."?

Und der Apostel Johannes schreibt: "Wer da sagt: Ich kenne ihn und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner und

 

in solchem ist nicht die Wahrheit" (1. Joh. 2, 4-). Watchman Nee dagegen schreibt:

"... ich werde durch meinen Tod vom Gesetz befreit". (S. 76)

"Was bedeutet es praktisch in unserem Leben, vom Gesetz befreit zu sein? Es bedeutet, daß ich von nun an nichts mehr tun werde, um Gott zu gefallen." (S. 77)

"Ich habe das Gesetz übertreten, das Todesurteil wurde über mir ausgesprochen und vollstreckt, nun bin ich ... allen seinen Ansprüchen enthoben." (S. 78)

Im Grunde läuft diese Auffassung auf eine Disqualifizie­rung des Gesetzes (Antinomismus) hinaus, wenn infolge einer falschen Alternative das Gesetz zugunsten des Evangeliums abgewertet wird, als ob Gesetz und Evangelium nicht zusam­mengehörten, als ob das Gesetz nicht auch "geistlich" sei (Hörn. 7, 14) und geistliche Erkenntnis im Menschen wirke und als ob Gott nicht auch durch das Gesetz redete und der Mensch, auch der Gläubige, nicht beide Wirkungen des Wor­tes Gottes (Gericht und Gnade) brauche. Die Ablehnung des Gesetzes als auch für den Wiedergeborenen nötige Weisungs­und Korrekturfunktion läuft letztlich auf Weisungslosig-

-i •) keit und Korrekturlosigkeit hinaus  .

Nicht das Gesetz selbst ist ein "Fluch", sondern die Sünde des Herzens, die es uns trotz aller guten Vorsatze nicht ermöglicht, dem Gesetz gehorsam zu sein (fiöm. 7, 13)« Das Gesetz zeigt die Sünde des Menschen - kann aber nicht hel­fen; es fordert, klagt an, verlangt - kann aber selbst kein Leben verleihen (Gal. 3, 21). Es offenbart uns Gottes Willen - und gleichzeitig unsere Sünde.

Jesus Christus hat aber nach einem Leben der Gesetzeser­füllung für uns seinen Leib als Sündopfer für uns dahinge-geben und ist des Gesetzes Ende und das "Lamm Gottes". Er hat uns damit vom "Fluch des Gesetzes" erlöst - er hat uns

1) Vgl. Otto Rodenberg, a.a.O., S. 77 Anm. 55

 

aber nicht entbunden vom Gehorsam dem Gesetz gegenüber.

Wir sollen nun wandeln, gleichwie er gewandelt hat. Der Glaube hebt das Gesetz nicht auf, sondern er richtet viel­mehr das Gesetz auf (Rom. 3, 31)- Aus dem Munde unseres Herrn hören wir (Matth. 7> 12):

"Alles nun, was ihr wollt, daß euch die

Leute tun sollen, das tut ihnen auch!

"1 *) Das ist das Gesetz und die Propheten." '

Da nun Watchman Nee nicht ausschließen kann, daß das Halten von Geboten zum Christenleben gehört, kommt er zu der eigen­artigen Ansicht, daß nicht der Christ, wohl aber Gott bzw. Christus in ihm diese Gebote selbst erfüllt:

"Zwar besteht immer noch ein göttliches Gesetz ..., aber, Gott sei Dank, werden die Forderungen alle durch Jesus Christus erfüllt, denn es ist Christus, der in mir wirkt, was Gott wohlgefällig ist!" (S. 78)

In diesem Zusammenhang bezieht er sich (wiederum in fal­scher Auslegung einer Bibelstelle) auf das Wort Jesu aus Matth. 5, 17:

"Ich bin gekommen ... zu erfüllen" (S. 78).

Weitere Belegstellen hierzu:

"Gottes Forderungen haben sich nicht geändert, aber wir sind es nicht mehr, die sie zu erfüllen haben. Er ist auf dem Thron und gibt das Gesetz, aber er ist zugleich in meinem Herzen und erfüllt es." (S. 79)

1) Hiermit wollen wir nicht etwa eine gesetzliche Seelsorge, eine gesetzliche Wortverkündigung befürworten, die das Christenleben nicht als ein Leben im Frieden und in der Freude, sondern nur als Mühsal und Last erscheinen läßt. Wenn auch die Verkündigung von Gesetz und Evangelium sein muß, so erfolgt sie doch nach den Worten des Apostels Paulus: "Teile das Wort der Wahrheit recht aus"(2.Tim.2, 15)- Es ist das Evangelium von der ewigen Gnade und Barm­herzigkeit unseres Gottes, durch die uns "besucht hat der Aufgang aus der Höhe". Es ist das Wort Heiliger Schrift, daß den tiefen Unterschied zeigt zwischen der Klarheit des alten Bundes und der überschwenglichen Klarheit des neuen Bundes, zwischen dem Gesetz und dem Evangelium, zwischen Sinai und Golgatha.

"Indem ich vertraue, daß er in mir lebt, wird er an meiner Statt demütig, geduldig, liebend und alles andere sein, was mir nötig ist." (S. 87)

Eine solche Auslegung widerspricht bereits vielen Stellen der Heiligen Schrift; in denen wir aufgefordert werden, Jesu Nachfolger zu werden, in seine Fußtapfen zu treten und von ihm zu lernen. Wenn der Herr "an meiner Statt demütig wird", was sagt uns dann noch sein Wort: "Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanft­mütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen" (Matth. 11, 29)?

An diesen Auslegungen von Nee wird deutlich, wie wenig sie mit den Worten Heiliger Schrift übereinstimmen. Das Wirken des Heiligen Geistes, das am Anfang des Glaubenslebens ein­setzt, kann Nee nicht mehr in dem uns bekannten Sinne dar­stellen. Der Heilige Geist verklärt Christus in uns, wirkt Wollen und Vollbringen, warnt uns vor den Versuchungen, deckt uns unsere Schwächen auf, erinnert uns an den Sieg Jesu, gibt uns Mut, diesen Sieg für uns zu nehmen und im Vertrauen darauf zur Versuchung "Nein" zu sagen. Wenn wir doch fehlen, so ist es Sein Werk, uns zu strafen, uns zur Beugung, zum Bekennen, zur Abbitte und zur Annahme der Ver­gebung zu bewegen, uns zu trösten, die Wunde zu heilen, uns zum unentwegten Weiterkämpfen zu ermuntern und uns neue Kräfte zu verleihen. So kann EH uns trotz all unserer Schwachheit von Sieg zu Sieg führen, uns je länger je mehr reinigen und uns in Gottes und Christi Bild umgestalten, bis wir Ihm völlig gleichen (2. Kor. 2, 18; 1. Joh. 3, 1-3).

Die Gnade Gottes "züchtigt uns, daß wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt..." (Titus 2, 12).

Watchman Nee spricht nicht von einer Züchtigung durch den Geist Gottes zur Änderung unseres Wandels und Lebens, son­dern er sieht ein Wirken des Geistes Gottes im"neuen Leben", das er ein "ausgewechseltes" Leben, ein "Ersatz-Leben" nennt und mit der Innewohnung Christi gleichsetzt, der in uns alles erfüllt. 1)

"Wir denken manchmal, Christsein sei ein veränder­tes Leben. Aber es ist ein ausgewechseltes, ein Ersatz-Leben, das uns Gott anbietet. Der Ersatz in uns ist Christus.

... Es ist nicht ein Leben, das wir selbst erzeugen müssen. Christus reproduziert sein Leben in uns." (S. 86)

Er selbst bringt den entscheidenden Satz:

"Das ist ein Vorgang, der über die Wiedergeburt hinausgeht." (S. 86)

Die Gefährlichkeit seiner Lehre besteht - wie anfangs bereits erwähnt - darin, daß der Christ zu einer Untätig­keit seines Willens zum rechten Wandel, zu einer Untätig­keit gegen die Sünde verleitet wird; denn Christus in uns handelt ja für uns und erfüllt alle Forderungen Gottes.

Nee schreibt das eindeutig:

"Immer, wenn ich vor einer neuen Forderung des Herrn stehe, so wende ich mich an ihn, damit er in mir tue, was er verlangt. Das ist kein Ausprobie­ren, sondern Vertrauen, kein Kampf, sondern Ruhen in ihm. Meinen Jähzorn, unreine Gedanken, eine böse Zunge, abfälliges Urteilen andere ich nicht durch meine Willenskraft, sondern ich halte mich diesen Dingen in Christus gestorben und vertraue auf den Geist Gottes, daß er in mir die Reinheit, Demut und Güte wirkt." (S. 84)

1)          Auch der Schriftsteller Major W. lan Thomas, der Grün­der und Direktor der Capernwray Missionsgesellschaft (Fackelträger), äußert in seinem Buch "Christus in Euch - Dynamik des Lebens" (2. Aufl. Wuppertal 1965) ähnliche, noch weitergehende Gedanken über ein "aus­gewechseltes Leben" (S. 32, 29), über das Sterben der alten sündigen Natur, des Fleisches (S. 28) und über ein Leben in der Vollkommenheit durch einen über die Rechtfertigung hinausgehenden Glaubensakt ("sich für tot halten"), z.B. S. 18, 112, 125, 126.

Es- wird also von Nee, da er eine Änderung der Willens­kraft des Christen ausschließt, verkannt, daß wir gerade durch die Gottes Güte und die Zucht seines Geistes gelei­tet werden, unseren Willen in den Willen Gottes zu beugen und unseren Willen gegen die Sünde zu richten und Wider­stand zu leisten. J. Christoph Blumhardt schreibt: "Werden wir eine neue Kreatur, so werden wir es nur dem Willen nach, und der Fähigkeit nach, Widerstand zu leisten." Blumhardt schreibt zum Kampf gegen die Sünde:

"Der Kampf geht auch nicht gegen den ganzen Herzens-zustand, ..., als ob dieser durch einen Kampf müßte verändert oder erneuert werden, daß er ein anderer, göttlicher werde. Ein solcher Kampf, wenn wir ihn zu kämpfen hätten, sei es auch, daß wir es mit Beten erreichen wollten, würde unmöglich zum Sieg führen, denn das liegt ganz nur in Gottes Macht und Vorsehung. Nur wider eine Sünde, die sich angemeldet hat, kann siegreich gekämpft werden. Wird sie im einzelnen überwunden, so wird im Herzenszustand überhaupt nichts geändert. Hieraus geht hervor, wie nutzlos und verkehrt ein Eingen mit dem Herrn ist um eine gänzliche Aufhebung des verderbten Zustandes. Ja, es sich nur auf alle Zeiten erbeten wollen, daß man in gewisse Sünden nicht mehr fallen möchte, ist Torheit und unerreichbar. Wer, einmal Sieger gewor­den, meint, jetzt sei es für immer gewonnen, ist dem Fall näher als er glaubt. Immer wieder braucht es eines Wachens und Betens, damit der schlafende Feind nicht plötzlich wieder erwache und uns zu großem Fall bringe.

Eine große Täuschung ist es nach der Schrift, wenn wir glauben, mit der Wiedergeburt des Herzens zu einer lebendigen Hoffnung, wie sie Petrus beschreibt, sei die Erbverderbnis gewichen, oder mit der Bekeh­rung gehe eine Veränderung mit der angeborenen Ver­derbtheit des Menschen, sofern sie außer seinem

Willen liegt, vor sich. Hierfür haben wir keine Bibelstelle aufzuweisen. Im Gegenteil geht aus allen Briefen der Apostel klar hervor, daß die Versuchungen des Fleisches, die Angriffe der Finsternis, die Neigung, die Freiheit zu miß­brauchen, im wesentlichen ganz dieselben sind, wie im natürlichen Zustande, dem Grade nach mehr oder weniger, je nachdem der Bekehrte von Anfang an lauter ist oder nicht, und je nachdem er sich mit Wachen und Beten, oder Kämpfen wider die Sünde, hält oder nicht hält. Werden wir eine neue Kreatur, so werden wir es nur dem «Villen nach, und der Fähig­keit nach, Widerstand zu leisten. Lassen wir es an diesem fehlen, so kann alles aus uns werden. Die Lüste und Begierden zappeln wohl gleichsam als am Kreuze Christi hängend, gewinnen aber Einfluß, so­bald der Gekreuzigte nicht genug vor der Seele steht. Wie gefährlich aber ist es, die Vorstellung zu geben, als ob der Mensch wie nach einer Drehorgel nur ge­schwind ein nach seinem ganzen Wesen neuer Mensch

werden könne, bei dem sofort das Sündigen aufhöre.

III. Über die Zweiteilung des Erlösungswerkes

Nee unterscheidet beim Opfertod des Herrn auf Golgatha in einer unannehmbaren Weise zwischen Kreuz und Blut Christi (S. 6 ff.) und spricht von einer "Zweiteilung des Erlösungs­werks". Das Blut habe mit unseren Taten und das Kreuz mit unserem Sein zu tun. Das Blut nimmt unsere Sünden hinweg, während im Kreuz unsere Fähigkeit zur Sünde an die Wurzel gegriffen wird (S. 6). Das Blut ist Mittel zur Sühne und ist daher entscheidend für unseren Stand vor Gott. Es ist in erster Linie um Gottes willen, daß es vergossen wurde (S. 8). Das Blut ist zur Vergebung für das, was wir getan haben, das Kreuz zur Befreiung von dem, was wir sind (S. 17)- Das Blut

1) Johann Christoph Blumhardt, Seelsorge, herausgegeben von Otto Bruder, Siebenstern-Taschenbuch 118, München und Hamburg 1968, S. 59

kann wohl meine Sünden wegwaschen, nicht aber den alten Menschen. Er muß gekreuzigt werden, und dazu brauchen wir das Kreuz (S. 16). Das Blut kann uns nicht von Adam befreien (S. 20).

Der Leser möge sich hierüber seine eigenen Gedanken machen. Eine solche Zerstückelung und "Zweiteilung" des einen voll­kommenen Erlösungswerkes führt nur in differenzierte Gedanken­gänge hinein, die letztlich mit der "Einfalt in Christo" nicht mehr vereinbar sind. Notwendigerweise wird die Kraft des Blutes Christi durch solche Zweiteilungsgedanken eingeschränkt. So schreibt dann Nee auch:

"Es wird nicht gesagt, daß das Blut des Herrn unsere Herzen reinige. ... Gott sagt: "Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf" (1. Mose 8, 21). Darum muß viel mehr mit unserem Herzen geschehen als eine Heinigung: Gott muß uns ein neues geben..." (3. 10)

"Nirgends in der Schrift finden wir, daß das Blut unsere Herzen reinigt, sondern seine Wirkung ist gänzlich objektiv vor Gott ... seine reinigende Kraft bezieht sich ... auf unser Gewissen..." (3. 10)

C. Schlußwort

In seinem 1910 gehaltenen Referat "Wo fängt die Schwärmerei an?"

11 stellte Pastor Buddeberg, Barmen  , u.a. folgenden Leitsatz auf:

"Die Schwärmerei fängt da an, wo der Mensch die Gesetze überfliegt, die Gott für seinen Verkehr mit den Menschen ein für allemal gegeben hat. Solche Gesetze sind:

Gott stellt seinen Verkehr mit uns Sündern auf den Grund der rechtfertigenden Gnade. Die Schwärmerei läßt die Rechtfertigung als eine Anfangsstufe des Glaubens hinter sich.

1) Vgl. Hans von Sauberzweig, a.a.O., S. 24-3/4

Gott stellt die Entwicklung unseres Glaubens unter die Gesetze eines wachstümlichen Lebens. Die Schwär­merei aber möchte durch einen Glaubensflug auf die Höhen des christlichen Lebens kommen (3ündlosigkeit)."

Watchman Nee überfliegt diese "Gesetze" in seinem "Normalen Christenleben". Zur Verdeutlichung nochmals der Satz, der seine Überlegungen und seine gesamten Gedankenführungen kennzeichnet:

"An den Anfang gehört gewiß die Vergebung für unsere Sünden, die Rechtfertigung, der Friede mit Gott. Das ist unser Fundament. Aber wenn diese Basis durch unseren ersten Schritt des Glaubens an Jesus Christus geschaffen ist, müssen wir wei­ter zu etwas Höherem". (S. 16)

Die schwarmgeistigen Einflüsse zeigen sich auch an anderen Folge­rungen, die er aus seinen dargelegten Auffassungen zieht:

"Wir haben die Kraft in uns, jeden Umstand unseres Lebens zu meistern. Wir besitzen die Macht, die Stadt, in der wir leben, ja das Weltall zu erschüttern." (3. 66)

Solche im Grunde hochmütigen Gedanken sind uns aus der Pfingstbe-wegung (Zungenbewegung) her bekannt.

Auch gewisse Beispiele in seinem Buch zeigen pfingstlerischen Charakter. Nee bringt beispielhaft eine Begebenheit eines ame­rikanischen Freundes "Dr. Paul". Dieser ilann aber verhielt sich in allem typisch"pfingstlerisch". Von ihm schreibt Nee u.a. (S. 68/69):

"In dieser Not rief er zum Herrn und bat darum, die Macht des Geistes in sich erfahren zu dürfen. Aber obgleich er monatelang darum betete, erhielt er keine Antwort. Dann fastete er und flehte den Herrn an .... Er begann mit dem Herrn zu debattieren ... Darauf versuchte er, mit dem Herrn zu ver­handeln. ..

In der Auffassung, daß es sich bei dem Verfasser des "Normalen Christenlebens" um einen Evangelisten handelt, der sich falschen pfingstlerischen Einflüssen geöffnet hat, ja selbst zu den Pfingst-

lern zu rechnen sei  , werden wir "bestärkt durch eine Veröffent­lichung des amerikanischen Theologie-Professors Dr. Frederick Dale Bruner, der - unter Bezugnahme auf Prof. Dr. Walter J. Hol-lenweger - die von Watchman Nee in China gegründete Bewegung "The Little Flock" (Die kleine Herde)2' zur Pfingstbewegung rech­net^.

Daß sein Buch in immer größer werdenden Auflagen erschien und weiter Eingang in unsere Gemeinschaften fand, zeigt, wie wenig das Wort Heiliger Schrift "Prüfet alles!" ernst genommen und be­folgt wird und wie weit man heute interessiert und empfänglich ist für geistige Höhenflüge und neue unkontrollierte Geistesein-

1) In einem Nachruf von Dr. Angus Kinnear (vgl. "durchblick und dienst", 4. Jahrg., Nov. 1972, Nr. 11, S. 254) wird 'Watchman Nee als "christlicher Denker von einzigartigem prophetischen Weitblick", als "Bibelausleger und Missionsstratege von einzig­artigem Scharfsinn und Originalität" bezeichnet. - Wir werfen uns mit dieser Stellungnahme nicht zu .Richtern über seine Frömigkeit und seinem Glaubensstand auf und wollen ihm auch nicht seelsorgerliches Wollen und Ernsthaftigkeit aberkennen; wo er aber über die Schrift hinausgeht und von ihr abweicht, sind wir nach Gottes Wort zur Beurteilung, zur Ablehnung und zur Warnung berechtigt und verpflichtet.

2) "Nee ist der Vater der evangelikalen Bewegung, die unter dem

Namen "Die kleine Herde" bekannt wurde. Sie begann 1922 mit drei Leuten und zählte, als sich der Bambusvorhang schloß, über 70.000 Mitglieder. Sie kamen im wesentlichen in Hauskreisen zu­sammen. Nach einer kommunistischen Meldung der fünfziger Jahre soll diese Bewegung mehr Mitglieder als die übrigen protestanti­schen Kirchen zusammen gehabt haben. Heute hat sich diese Bewe­gung in der gesamten chinesischen Diaspora ausgebreitet." (Vgl. "durchblick und dienst", 4. Jg., Okt. 1972, Nr. 10, S. 228) 5) Frederick Dale Bruner, A Theology of the Holy Spirit, The Pente-costal Experience and the New Testament Witness, Grand Eapids, Kichigan (Copyright 1970 by William B. Eerdmans Publishing Com­pany, Library of Congress Catalog Card Number: 76 - 10J445, Second printing, June 1972) Seite 24:

"Pentecostal strength in the East, especially in the Communist world, is also worthy of notice. The principal historian of international Pentecostalism reports that Eussia's predominant-ly Pentecostal "Union of Gospel Christians: Baptists and Pente-costals" is "the Christian group with the highest growth rate", and that in China Pentecostals, particularly of "The Little Flock" (or "Christian-Meeting-Place") and "The Family of Jesus" types, are the most virile and rapidly growing Protestant movements on the mainland today."

Prof. F. D. Bruner bezieht sich auf Prof. Dr. Walter J. Hollen-weger "Unusual Methods of Evangelism in the Pentecostal Movement in China", A Monthly Letter about Evangelism, Nos. 8-9 (Nov.-Dec. 1965), pp. 1-5

 

flüsse1-1.

Da sich Watchman Nee auch nicht auf bloße theoretische Ausfüh­rungen über Gesetz, Sünde o.dgl. beschränkt, sondern das "normale Christenleben" darstellen möchte, ist eine besondere Prüfung sei­ner Ausführungen an Hand des Gotteswortes unerläßlich. Wie schnell ist eine falsche Auslegung, eine unrichtige Anweisung, ein nur scheinbar guter Hat angenommen! Vvie leicht kann eine besondere Lehrmeinung zur Uneinigkeit von Brüdern, zur Gruppenbildung und letztlich zur Spaltung der Gemeinde Jesu führen! Ein wenig Sauer­teig kann den ganzen Teig versäuern! (1. Kor. 5, 6 und Gal. 5, 9)-Auch aus diesem Grunde werden wir im Worte der Heiligen Schrift aufgefordert: "Prüfet alles!" "Habet acht auf die Lehre". Lehre und Leben hängen immer eng zusammen.

Zum Schlüsse seien weitere Leitsätze aus dem erwähnten Referat

von Pastor Buddeberg, Barmen, wiedergegeben, die gerade in unserer

heutigen Zeit beachtet werden sollten.

"Wie bewahrt sich die Kirche Christi vor den Irrfahrten der

Schwärmerei?

a) Sie bleibe auf dem Boden des Wortes Gottes stehen und erhebe nicht subjektive Erfahrungen zur Horm.

b) Sie bleibe auf dem Boden der Rechtfertigung aus Gnaden stehen.

c) Sie bleibe auf dem Boden der Erfahrung der Gläubigen in allen Jahrhunderten und nehme keinen Glaubensartikel an, der dem Glauben aller früheren Gläubigen widerspricht.

d) Sie wende schließlich den Blick unverrückt auf den all­genügsamen Heiland hin und prüfe an seinem Bild alle Er­scheinungen des christlichen Lebens."

1) Vgl. hierzu vom Verfasser dieser Stellungnahme die Heferate "Oekumene und schwarmgeistige Bewegungen" und "Jesus-Bewegung (Jesus-people) und moderne Musik (Jazz, Negro-Spirituals, Beat usw.)", gehalten auf Brüdertagungen des "Lutherischen Gemein­schaftsdienstes", 1 Berlin 39, Hermannstr. 2

 

 

 

 

Die weiteren Veröffentlichungen über Watchman Nee

Auf Seite 25 f. des Büchleins "Weiter zu etwas Höherem?" ist die Ansicht vertreten worden, daß watchman Nee "sich falschen pfingstlerischen Einflüssen geöffnet hat, ja selbst zu den Pfingstlern zu rechnen sei." Diese Ansicht ist nun durch die nachfolgenden Veröffentlichungen im Jahre 197^ über das Leben von W. Nee bestätigt worden. Die im Jahre 197^ erschienenen Bücher

Angus Kinnear: Watchman Nee, Ein Leben gegen den Strom, K. Brockhaus Verlag Wuppertal, 1974-

Leslie Lyall, Watchman Nee, David lang, W an fcing-tao: Standhaft im Glauben, Brunnen-Verlag Gießen/Basel 1974-    1)

zeigen deutlich, daß Watchman Nee - der Gründer der Bewegung "Die Kleine Herde" - Schwarmgeistig geleitet war, unklare und unbiblische Lehren vertrat und den trügerischen Ffingstgeist angenommen hat. Auch, in der letzten Auflage des Buches "Seher, Grübler, Enthusiasten" von Kurt Hütten (t^uell-Verlag, Stuttgart, 11. Aufl., S. 515) wird diese "Kleine Herde" als eine der "ein­heimischen Pfings/tgemeinschaften" bezeichnet.

Die Lebensgeschichte von W. Nee zeigt, wie es dem Feind gelingt, Menschen, die empfänglich sind für das Heil Gottes, vom rechten Wege abzuhalten und irrezuführen, wenn sie nicht den Weg der Buße und Vergebung gehen, ihre totale Sündhaftigkeit im Lichte des Wortes Gottes erkennen und meinen, sich absondern zu müssen, zu Besonderem berufen zu sein und "weiter zu etwas Höherem" zu kommen. Solche Menschen sind nicht mit einem Leben aus der Gnade Gottes zufrieden, sondern verwechseln das "Erfülltsein vom Hei­ligen Geist" mit Begeisterung, strecken sich nach besonderen Geistesgaben falscher schwarmgeistiger Bewegungen aus und geraten so - oft ehe sie recht zum Glauben gekommen sind - auf den Weg des Verderbens, auf dem sie andere mit hineinziehen.

T)Titel der englischen Originalausgaben:

"Against The Tide, The Story of Watchman Nee", 1973 by Victory Press, Eastborne, Sussex;

"Three of China1s Mighty Men", 1973 by Overseas Missionary 5'ellowship , London.

 

 

 

 

Der unnüchterne Anfang und die Beeinflussung durch schwarmgeistige Literatur

Die "Kleine Herde" entstand aus einer kleinen Gruppe von Jungen Leuten, deren Führer Watchman Nee war. Als er sich in seinem 18. Lebensjahr dem Christentum zuwandte, schloß er sich nicht einer bestehenden Missionsgesellschaft an, sondern glaubte, eine eigene Bewegung gründen zu müssen. "Sie beschafften sich einen lauten volltönenden Gong", trugen "Evangeliumshemden" mit Bibel­texten und zogen mit Trommeln und Singen, mit Transparenten und Plakaten mit Sprüchen wie "Jesu Ankunft ist nahe" durch die

Straßen. Lyall berichtet: "Ihre Begeisterung kannte keine Gren-

1") zen"  . die hatten ferner am Ort ihrer Zusammenkünfte einen Kaum

für ein "ununterbrochenes Gebet", wo sie sich in der "24-Stunden­wache" abwechselten.

Auffällig ist, daß der neue Weg im Leben von Watchman Kee bereits am Anfang stark und entscheidend von Frauen beeinflußt war. Unter der Predigt der Erweckungspredigerin Dora Jü, die in seiner Hei­matstadt Futschou Versammlungen hielt, entschloß er sich, Christ zu werden. Er besuchte 1 Jahr ihre Bibelschule in Schanghai und wandte sich auf ihren Hat an die Frauen Margaret E. Barber und L.3. Ballord, die in Futschou ohne Bindung an eine Missionsgesell­schaft eigenständig missionierten und ihrerseits Dora Jü vor Jah­ren dort im Fluß getauft hatten. Besonders von Margaret E. Barber, die von ihrer Missionsgesellschaft entlassen wurde,als sie sich während eines Heimaturlaubs in England zu einer nochmaligen Taufe (Großtaufe) entschloß, holte er sich Hat und Wegweisung und be­suchte ihren Unterricht  . Auch später waren es immer wieder Frauen, von denen er sich beraten ließ. Unter der "erfahrenen An­leitung" von ifuth Lee, einer Evangelistin von "feurigem Tempera­ment"'1 , legte er seine Erkenntnisse in einem Buch dar. Schließ­lich begab er sich unter den beherrschenden Einfluß der "in Zungen redenden" Evangelistin Elisabeth Fischbacher.

1) Lyall, a.a.O., S. 15 und Kinnear, a.a.O., S. 37, 41, 42

2) Kinnear, a.a.O., S. 35 u. 37

3) Kinnear, a.a.O., S. 39 u. 77

 

Bemerkenswert ist, daß es auch von Frauen verfaßte Schriften

waren, die ihn anzogen und auf ihn einwirkten. Frühzeitig be-

1) schaffte er sich Bücher von Jessie Penn-Lewis  . Frau Barber gab

ihm die Biographie der französischen Mystikerin Jeanne de la i.'.otte Guyon (1648 - 1717), die einen "starken Einfluß auf sein künftiges Denken" hatte. "Dieses Buch", so berichtet Kinnear,

"vertiefte irgendwie sein Bewußtsein von den unsichtbaren, ewigen

o\ Dingen"  . Madame Guyon wurde später auch von seiner Gruppe gele-

sen3).

Auch andere schwarmgeistige Literatur, die aus den Anfängen der Pfingstbewegung bekannt ist, hat ihn sehr beeinflußt. Es waren - abgesehen von den Büchern der JessJe Penn-Lewis - u.a. Schriften von Evan Hoberts  , Andrew Kurray  und F.B. Meyer  .

Die besonderen schwarmgeistigen Erlebnisse

Das Leben von w. Nee ist von merkwürdigen Erlebnissen und beson­deren schwarmgeistigen Erfahrungen gekennzeichnet, über das merk­würdige Erlebnis am Schreibtisch in Schanghai, an dem er "plctz-

lich wie durch einen Lichtstrahl erleuchtet"7), "wie im Schein­werferlicht“ 8) sein Einsein mit Christus erkannte, wurde bereits ausführlich berichtet. 9)

Entscheidend ist ferner sein besonderes Erlebnis im Jahre 1935, als er sich weit dem Pfingstgeist unter der Predigt der in Zungen redenden Evangelistin Elisabeth Fischbacher öffnete und anschlie­ßend die "Ausgießung des Heiligen Geistes" predigte und dadurch die ebenfalls aus der Pfingstbewegung bekannten enthusiastischen, ekstatischen Begleiterscheinungen in seinem Kreis einführte.

1) Vgl. "Weiter zu etwas Höherem?", S. 9

2) Kinnear, a.a.O., S. 45

3) Kinnear, a.a.O., S. 108

4) Vgl. "weiter zu etwas Höherem?", S. 9

5) "über Andrew Murray und seine Zugehörigkeit zur Pfingstbewegung vgl. «alter J. Hollenweger, Die Ffingstbewegung in Geschichte und Gegenwart, Wuppertal-Zürich 1969, S. 119 ff-

6) Kinnear, a.a.O., S. 67 ?) Kinnear, a.a.O., S. 17

8) Lyall, a.a.O., S. 17

9) Vgl. "weiter zu etwas Höherem?", S. 6 f.

 

Kinnear schreibt  :

"Elisabeth Fischbacher teilte die Schanghaier Vor­liebe für ekstatisches Gebet, und wenn ihr Englisch nicht mehr ausreichte, betete und sang sie in Zungen. Aber sie predigte mit Vollmacht, und Watchman geriet in ihren Bann. Er antwortete dem Anruf des Wortes und kam so zu einer ganz neuen Entdeckung göttlichen Segens. Damit war diese etwas unfruchtbare Zeit beendet. Er konnte wieder predigen und sandte ein Telegramm nach Schanghai: "Ich bin dem Herrn begegnet."

Bei der Herbstkonferenz sprach er über die Ausgießung des Heiligen Geistes, was manche zu einer ähnlichen Erfahrung führte. Die Folge war, daß sich etwa ein oder zwei ^Jahre lang eine Welle geistlicher Erregung in den südlichen Gemeinden ausbreitete. Diese Gruppen von Gläubigen hatten einen mehr intellektuellen Zugang zur -Bibel gehabt, die für sie über aller subjektiven Erfah­rung stand.

Nun aber überließ man sich äusserster Erregung mit Hüpfen, Händeklatschen, Schreien,  Lachen und unbekannten "Zungen", die den Zuhörern und selbst dem Redner keine Botschaft übermittelten, Hinzu kam eine Flut von drama­tischen Heilungen, von denen einige sicher echt, andere jedoch Selbsttäuschung waren.

Einige Erweckungsmethoden, die «Watchman damals anwandte, wirkten wie geistliches Opium, wenn man ihnen verfiel, verlangten sie eine ständig verstärkte Dosis."

W. Nee hat sich nach Jahren, als er einen "großen Verlust" fest­stellte, von extrem enthusiastischen Methoden abgewandt. Wir finden aber kein Wort der Buße über diesen Irrweg seines Lebens, sondern es wird nur eine einfache Bemerkung von ihm erwähnt, die aber Aufschluß darüber gibt, daß bei ihm eine Bußhaltung fehlte:

"Drei Jahre später, als das Pendel zurückschwang und diese Episode vorüber war, sagte Watchman in einer Unterhaltung mit K.S. Wong: 'Wenn wir auf diese Zeit zurückblicken, stellen wir fest, daß der Gewinn gering, der Verlust aber sehr groß war."  2)

Es wird nicht berichtet, was Watchman Nee mit dem eingetretenen "großen Verlust" gemeint hat - wir sind hier allerdings über­zeugt, daß es sich auch um einen großen Verlust von Seelen an den trügerischen Schwarmgeist gehandelt hat. Daß es sich hier um er-

1) Kinnear, a.a.O., S. 103, 104

2) Kinnear, a.a.O., S. 104

 

schütternde Ereignisse gehandelt haben muß, zeigt uns die Bemerkung von Kinnear:

"Elisabeth Fischbacher spürte, daß sie selbst für diese Entwicklung mitverantwortlich war und gab ihr öffentliches Predigen auf."  1)

Bezeichnenderweise trennte sich Nee nicht von ihr, sondern war

weiter mit ihr verbunden und begleitete sie z.B. auf der nach-

2) folgenden Reise nach Europa  .

Die Stellung zu anderen Glaubensgemeinschaften

Zu einer Zusammenarbeit Nee's mit den Kirchen und Missionen und besonders der China-Inland-Mission ist es nicht gekommen, ihre

Leiter und Direktoren verhielten sich Nee gegenüber reserviert 3)

Nee wurde oft gewarnt und viel kritisiert 4)
 Seine Lehre wurde

angegriffen; ein angesehener Missionar griff ihn öffentlich wegen eines "schweren Irrtums" an  . Ein anderer empfand den geist­lichen Stolz vieler Anhänger der "Kleinen Herde" und daß die Bewe­gung "unverfrorene Anstrengungen machte, um die Mitglieder der bestehenden Kirchen abzuwerben und wenn möglich auch die
Pastoren 6)

 

Die Ablehnung hängt eng zusammen mit der Lehre von Nee,

daß "Konfessionalismus Sünde ist" und "alle Gläubigen diese unreinen Organisationen verlassen sollen. 7) Die Kirchen stellten für die Erfüllung des Willens Gottes ein Hindernis dar. 8)

 

 

 

 

 

 

Nee nahm in Anspruch, daß nur die durch ihn entstandenen Gemeinden wahre Gemeinden seien und all die anderen sich auf unbiblischem Boden befänden"'. Lyall schreibt:

"Die neue Bewegung begann mehr und mehr, einige der besten und fähigsten Christen von ihren Gemeinden wegzuziehen. In einigen Fällen, besonders in der Provinz Tschekiang, trennten sich ganze Gemeinden von ihrer Mutterorganisation, um diese verheißene

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'Freiheit' zu finden, von der Watchman Nee predigte und schrieb."   1)

"In vielen größeren Städten wurden neue separatisti­sche Gemeinden gegründet, die den Anspruch erhoben, allein biblische Berechtigung zu haben. Diese Bewegung weckte in den Kreisen der alten Kirche Gefühle der Ablehnung und des Ärgers. In manchem, der zusehen mußte, wie die Frucht seiner Lebensarbeit von einer anderen Organisation übernommen wurde, kam Bitter­keit auf."  2)

Der Schwarmgeist führt immer zur Spaltung, zur Trennung und zu einem eigenen hochmütigen Selbstverständnis. Hee wurde teilweise scharf abgelehnt:

"Einige Missionare verboten den Studenten, iJatchmans Erweckungsversammlungen zu besuchen, und ein Missionar bezeichnete ihn als 'Teufel und Betrüger' " .  3)

Andererseits ist bezeichnend, daß Nee versuchte, Gruppen der "Jesus-Familie" zum Übertritt in die "Kleine Herde" zu gewinnen ' . und vorschlug, mit ihnen Gemeinschaft zu pflegen  . Die "Jesus-Familie" stammt aus der extremen schwarmgeistigen Pfingstbewe-gung. Lyall schreibt über sie u.a. :

"Die 'Jesus-Familie' hingegen hatte als charakteristi­sche Lebensform die Kommune, die erweiterte Familie, in der Besitz und sogar die Kinder als gemeinsames Eigentum betrachtet wurden.

lag in der extremen

Der Ursprung der 'Jesus-Familie' Pf ingstbewegung. "  6)

Die Schriften und besonderen Lehren

Es wurde bereits erwähnt, daß Nee schwarmgeistig über die Aus-rrießung des Heiligen Geistes predigte. Lyall schreibt ganz all­gemein:

Nee gab in seinen Predigten dem Heiligen Geist den ersten Platz, da dieser der Geber aller göttlichen Gaben für den einzelnen und für die Gemeinde

1) Lyall, a.a.O., S. 20

2) Lyall, a.a.O., S. 23, 24

3) Kinnear, a.a.O., S. 57

4) Lyall, a.a.O., S. 33

5) Kinnear, a.a.O. , S. 145

6) Lyall, a.a.O., 8. 33

 

 

ist. Das Zungenreden war in der "Kleinen Herde" anerkannt und erlaubt."  1)

In der "Honor-Oak-Gemeinde" in London, die er bei seinen Eeisen besuchte, legte er den Hömerbrief in der in der Abhandlung "Weiter zu etwas Höherem?" dargestellten überspitzten Weise aus.

Kinnear läßt das Mystische in der Verkündigung von Watchman Nee nicht unerwähnt:

"Seit seinem Aufenthalt in Europa trugen seine Vorträge einen mystischen Zug, der, obwohl er gar nicht so ganz in vvatchmans Charakter paßte, dem Geschmack einiger Kissionarinnen entgegenkam und sie veranlaßte, sich seiner Arbeit zur Verfügung zu stellen."  2)

Kritik fand seine besondere Lehre von der Gemeinde, der Ortsge­bundenheit der Gemeinde, nach der es in jeder Stadt nur eine Gemeinde geben dürfe' , die selbständig ohne übergeordnete Orga­nisation arbeiten müsse.

Nee hat nur zwei Bücher geschrieben: "Der geistliche t'.ensch" und "Das normale Gemeindeleben". Alle anderen Publikationen unter seinem Namen sind entweder Predigtsammlungen und Botschaf­ten anläßlich von Konferenzen oder an seine Mitarbeiter oder sie sind aus den von ihm herausgegebenen Zeitschriften und anderen Manuskripten zusammengestellt ^.

Sein Werk "Der geistliche Mensch" umfaßte 3 Bände von insgesamt 1.000 Seiten und wurde zuerst in China veröffentlicht-' . Eine englische Übersetzung erfolgte in 3 Bänden 1968 in New Tork. In seinem Vorwort nennt er es eine Arbeit über "Biblische Psycho­logie", aber er warnt selbst seine Leser: "Wenn sie sie nur als Mittel der Selbstanalyse benutzten, würde sie das daran hindern,

1) Lyall, a.a.O., S. 32

2) Kinnear, a.a.O., S. 119

3) Kinnear, a.a.O., S. 115 und 95 und Lyall, a.a.O., S. 21

4) Lyall, a.a.O., S. 31 (Kinnear, a.a.O., S. 78 meint, daß 'Das geistliche Leben' das einzigste Buch war, was er selbst schrieb).

5) Lyall, a.a.O., S. 30

 

 

sich in Christus zu verlieren  . Dieses Buch von Nee liegt uns nicht vor; nach dem, was "berichtet wird, muß es in hohem Maße unbiblisch und verwirrend sein. Kinnear schreibt hierzu folgendes:

"Doch obwohl alles, was er geschrieben hatte, Teil seiner eigenen Erfahrung war, gelangte Watchman bald zu einer ganz anderen Beurteilung seines Buches. In späteren Jahren stellte er oft fest, "Der geistliche Mensch" sei zu 'vollkommen', das Buch täusche vor, alle Antworten zu wissen. 194-1 lehnte er darum eine Neuauflage ab: 'Nicht, daß der Inhalt falsch ist! Wenn ich es jetzt lese, heiße ich alles gut. Es ist eine sehr vollständige Darlegung der Wahrheit. Aber gerade darin liegt die Schwäche des Buches! Es läßt keine Fragen offen. Gott handelt nicht auf diese Weise, und viel weniger erlaubt er uns, so zu handeln. Die Gefahr einer Systematisierung göttlicher Aussagen besteht darin, daß sie auch ohne den Heiligen Geist verstanden werden können."  2)

Die schwärmerischen Überspitzungen zeigten sich in mancherlei Hinsicht, so predigte er eine Zeitlang unter Hinweis auf Apostel­geschichte 4-, 32 ff. mit Nachdruck die 'Übergabe'. Lyall bemerkt hierzu kritisch:

"Das Thema der 'Übergabe' war in dieser Zeit in Watchman Nees Predigten vorherrschend, so, als sei es eine für ihn neu entdeckte 'Wahrheit': seinen Besitz, sich selbst, der Gemeinde zu 'übergeben'. Die Begeisterung schlug hoch, aber ebenso heiß waren die Diskussionen, die sich daran entzündeten. Ehefrauen zeigten oft wenig Verständnis dafür, daß ihre Männer die gesamte Habe der Familie 'übergaben'. Gemeindeälteste zerstritten sich darüber, ob es richtig sei, die Leitung der Versammlung in die Hände anderer zu 'übergeben'."  3)

Zur Kennzeichnung der Persönlichkeit

Das Leben von "Watchman Nee war durch den schwarmgeistigen Ein­fluß von Gegensätzen gekennzeichnet. Einerseits gab er sich der enthusiastischen Hoffnung hin, ganz China in kurzer Zeit für das Evangelium zu gewinnen ' , andererseits lesen wir immer wieder von geistlicher Trockenheit oder Depressionen:

 

1) Kinnear, a.a.O., 3. 75

2) Kinnear, a.a.O., S. 79

3) Lyall, a.a.O., S. 36

4) Kinnear, a.a.O., S. 78 und 138

 

 

 

"Watchman geriet in eine tiefe Depression. In ihrem neuen Heim legte er sich zu Bett und wollte niemanden sehen."  1)

"Watchman machte gerade eine Zeit geistlicher Trockenheit durch."  2)

Wie er sich in schwärmerischer Weise aus einer dieser Tiefen heraushalf, berichtet Kinnear:

"Er zog sich für einige Wochen nach Chefoo zurück. Dort fand ihn ein Freund in tiefer Depression, und da er spürte, daß Nee sich gefühlsmäßig abreagieren mußte, forderte er ihn heraus: 'Hast du schon ver­sucht, den Herrn zu preisen?' Watchman wollte es versuchen. Er ging hinaus auf den Tennisplatz und brüllte mit der ganzen Kraft seiner ausgeheilten Lunge: "Halleluja!" Dies half, und bald stand er wieder am Hednerpult."  3)

Unverständlich für seine Mitarbeiter und für uns nur aus dem schwarmgeistigen Einfluß erklärbar war das, was Watchman Nee 19^2 tat: er zog sich aus dem Verkündigungsdienst zurück und wurde Direktor einer pharmazeutischen Fabrik in .Schanghai  . Zur Begründung gab Nee an, er v/olle seinem leiblichen Bruder (der die Fabrik gegründet hatte) helfen und gleichzeitig für den Unterhalt seiner Mitarbeiter sorgen. Seine Glaubensbrüder hielten ihn aber für einen Abtrünnigen. Kinnear teilt für diese Wendung im Leben von Nee einen weiteren Grund mit, der die über­hebliche Geisteshaltunfr von Nee verdeutlicht:

"Bezeichnenderweise gab er später aber noch einen anderen Grund an: seine wachsende Langeweile. Als ein glänzender Geist mag er sich durch die Mittel­mäßigkeit vieler Gemeindeglieder bedrängt gefühlt ^ haben. Ihm fehlte der Austausch mit Ebenbürtigen."-''

125 ff; Lyall, a.a.O., S. 35

Über diese Jahre seines Geschäftslebens wird u.a. berichtet:

 

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"Als Aufsichtsratsvorsitzender schlüpfte Watchman nun, wenn er zu .geschäftlichen Sitzungen ging, in einen modernen Anzug, nachher zog er wieder sein altes Gewand an, um die Heiligen zu besuchen." 1)

"natürlich gab es Probleme, die er nicht vorausge­sehen hatte, und diese beanspruchten seine Zeit. ... Er verbrachte zweieinhalb Jahre mit häufigen Reisen zwischen Schanghai und Tschungking... Diese Doppelrolle hatte Watchman intellektuell angespannt wie nie etwas zuvor, und er war glücklich darüber... Weltliche Sorgen beschäftigten ihn so stark, daß er seine frühere Seelenruhe fast verlor...".  2)

"Er hatte sich völlig fangen und verwickeln lassen in die Dinge dieser Welt."  3)

Bei der späteren Anklage und Inhaftierung von Watchman Hee durch das kommunistische Regime spielte dieser gewerbliche Lebensabschnitt und seine Sonderlehre von der "Übergabe" (des Eigentums an die Gemeinde) eine entscheidende Rolle. Lyall be­richtet:

"Doch als Watchman Nee von den Kommunisten als Kapitalist angeklagt wurde, erwies sich sein Schritt in die Unternehmerlaufbahn als weit größerer Fehler, als ihm 194-7 bewußt geworden war."  4-)

"1952 wurde der 'Fünf-Antis'-Feldzug gestartet, luan bekämpfte die fünf F'einde: Bestechung, Schmuggel, Diebstahl von Staatseigentum, minderwertige Arbeit und Qualität und Entwenden von Wirtschaftsberichten für private Zwecke. Einige Glieder der "Kleinen Herde" hatten sich inzwischen bereit gefunden, die Bewegung und ihre Leiter anzuklagen. Der nächste Schritt war die Verhaftung Watchman Nees. Man fand ihn aller fünf Verbrechen schuldig und warf ihm dazu schwere Unmoral vor. Das Gericht verurteilte ihn zu zwanzig Jahren Haft."  5)

 

1)            Kinnear  S 125

2)            S 127 128 129

3)            Lyall 35

4)            37

43 zu zur Klarstellung sei bemerkt, daß

wir selbstverständlich diese Verurteilung durch die kommu­nistischen Gewalthaber, die auf eine antichristliche Ideo­logie ausgerichtet sind, nicht bejahen.

5)             

 

Zwei Tage später versammelten sich achthundert Christen in Schanghai zu einer Kundgebung, um der Regierung einstimmig zu versichern, daß sie für die Verhaftung und Bestrafung Watchman Sees ihr volles Einverständnis hätte. In dieser Versammlung wurde scharf kritisiert, daß es in der "Kleinen Herde" für eine kurze Zeit üblich gewesen war, Privatbesitz der Gemeinde zu 'übergeben'."  1)

"Während Watchman See im Gefängnis saß, mußte er Übersetzungsarbeit für die Regierung tun. Immer wie­der tauchten Gerüchte auf, er sei gestorben oder ver­stümmelt worden. Sie entsprachen alle nicht der Wahr­heit. Die Gläubigen der "Kleinen Herde" in Schanghai waren über seine tatsächliche Lage informiert. Seine Frau durfte ihn auch von Zeit zu Zeit besuchen." 1)

Die von der Regierung 1967 gewährte Möglichkeit, gegen ein Lösegeld freigelassen zu werden (der Betrag war bereits von Freunden gesammelt und auf der Hongkonger Zweigstelle der Bank von China hinterlegt worden), lehnte »Watchman Nee ab  . Für die nachfolgende Zeit blieb er also freiwillig unter kommunistischer Herrschaft. Eine gezielte Werbung und die Herausstellung seiner letzten Gefangenschaftszeit verhalf seinen Schriften zu der be­kannten Publizität. Hinzu kam eine "Nee-Mythologie von Folte­rungen und Verstümmelungen", die auf unwahren Gerüchten beruhte und unzutreffend war.

Wir wissen, daß es sehr unpopulär, ja für manchen Gläubigen un­verständlich ist, wenn Schriften eines Verfassers kritisch beur­teilt werden, der als Märtyrer angesehen wird. Gottes Wort aber sagt uns: "Prüfet alles".

Hier sind wir überzeugt davon, daß Watchman Nee irregeleitet war und weder auf Grund seines Lebens und seiner Schriften noch seiner kommunistischen Gefangenschaft als für die Gemeinde Jesu richtungweisend herausgestellt werden kann. Es ist ein Zeichen der Endzeit, daß die Gemeinde des Herrn auf allerlei weise ver­führt und vom wahren Evangelium abgewendet werden soll. Und daß das letztlich das Ziel des Feindes ist, wird auch hier deutlich,

1) Lyall, a.a.O. , S. 4-4-

2) Kinnear, a.a.O., S. 175, 176

3) Vgl. u.a. die Ausführungen des H.- Brockhaus-Verlages auf der letzten Umschlagseite des erwähnten Buches von Angus Kinnear.

 

 

denn der Hochmutsgeist, dem sich Watchman See öffnete, will immer "weiter zu etwas Höherem". Der Autor seiner Biographie, Angus Kinnear, sagt es dem Leser ganz deutlich:

"Watchman blieb aber nicht bei dem Evangelium von der Rechtfertigung durch den Glauben stehen."  1)

Hier liegt die Gefahr seiner Schriften. Lehraussagen, die nicht allein bei dem geschriebenen Wort Gottes bleiben, sondern darüber

hinausgehen und sich auf schwarmgeistige Einflüsse und auf persön-

liehe Erfahrungen  2) stützen, können der Gemeinde Jesu in der letz­ten Zeit, die ohnehin von Vermischungen und Verirrungen gekenn­zeichnet ist, nicht weiterhelfen. Eine unklare unbiblische Ver­kündigung in Wort und Schrift kann der Gemeinde nur schaden. Auf die gute  Absicht, auf das ehrliche Bemühen, ja auf den Einsatz des ganzen Lebens kann es dann nicht mehr entscheidend ankommen, wenn die Verkündigung falsch ist. Es gelingt dem Bösen, der sich als Engel des Lichts verstellt und als Schwarmgeist die Gemeinde des Herrn immer wieder anläuft, Menschen in die Irre zu leiten und abzuhalten von der echten, wahren Lebensverbindung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn, abzuhalten von einem Evan­gelium, in dem sich der Sünder seines Heilands freut, durch dessen Leiden, Sterben und Auferstehen ihm die "Rechtfertigung aus dem Glauben" zuteil und ein ewiges Leben aus Gnaden geschenkt wird.

1) Kinnear, a.a.O., S. 66

2) Hier sind es Erfahrungen einer Lebensgeschichte, die -wie es der K.-Brockhaus-Verlag auf der letzten Umschlag­seite des erwähnten Buches von Angus Kinnear schreibt -"schwerwiegende Irrtümer und auch charakterliche Schwächen zeigt."