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Gott nahen durch Gebet

Manchmal kann man tatsächlich von etwas lernen, was nicht in der Bibel
steht, in dem Sinne, dass man etwas, was man erwarten würde, nicht findet. Ein
Beispiel dafür ist das 3. Buch Mose, das Buch der Opfer, der Gemeinschaft
mit Gott, der Anbetung. Würden wir bei diesem Thema nicht erwarten, dass wir
in diesen 27 Kapiteln eine Fülle von Gebeten finden? Tatsache ist jedoch,
dass wir dort kein einziges Gebet finden. (Es ist eines der wenigen und das
längste Buch der Bibel ohne Gebet.) Und was lernen wir daraus? Dass wir Gott
einzig und allein aufgrund dessen nahen können, worauf das 3. Buch Mose unsere Blicke lenkt: Opfertod und vergossenes Blut, was natürlich auf das
vollbrachte Opfer vom Kreuz hinweist. Keine noch so klug oder demütig ausgedachten
Formulierungen und keine menschlichen, noch so ringenden Bitten werden bei
Gott Gehör finden, wenn wir ihm in der Hoffnung auf unsere richtigen Worte,
und nicht im Glauben und völlige Vertrauen an das vollbrachte Werk Jesu nahen.
Gibt uns das nicht gerade ";Freimütigkeit, hinzuzutreten zum Thron der
Gnade";!? (Dieser Gedanke stammt aus dem Buch ";All the Prayers
of the Bible", von H. Lockyer).
Wenn beim Gebet der Glaube an das ganze Wort Gottes fehlt, gilt sogar:
";Wer sein Ohr abwendet vom Hören des Gesetzes, dessen Gebet sogar ist ein
Gräuel"; (Spr 28,9).

Eine wichtige Anwendung findet dies in der Praxis des so genannten
";Übergabegebets";. Durch kein Gebet kann man zu Gott kommen, sondern nur
durch Glauben an das Opfer vom Kreuz, in Identifikation mit dem Gericht
über die Sünde. Wer sich in Buße - d.h. Identifikation mit dem selber
verdienten Tod des stellvertretenden Opfers, ";Gott Recht geben"; (Lk 7,29)
und sich selbst verurteilen -, auf den Grund des Erlösungswerkes stellt,
kann die Verheißung in Anspruch nehmen und ";den Namen des Herrn
anrufen"; und gerettet werden (Röm 10,13), aber wenn nicht Buße und völliger
Glaube vorhanden ist, nützt es überhaupt nichts, ein Gebet ";für alle
Fälle"; oder aus einer Laune heraus zu sagen. Auch vorformulierte oder
nachgesprochene Gebete scheinen mir wenig Sinn zu machen. Wer darauf seine
Heilssicherheit baut, hat schlecht gebaut. (Diese Aussage kann man natürlich
nicht allein aus dem Nichtvorhandensein von Gebet in 3. Mose ableiten, sondern
sie basiert auf der klaren neutestamentlichen Lehre der Errettung allein aus
Glauben - d.h. aufgrund von etwas, was außerhalb von einem selbst liegt.
Wer als Begründung seiner Errettung ";seine Bekehrung"; angibt,
gründet seine Errettung auf etwas, was er selbst getan hat.)

Eine andere wichtige Anwendung ist, dass es für Ungläubige, die nicht
bereit sind, auf das Wort Gottes zu hören, überhaupt keinen Sinn macht zu beten
(Spr 28,9, siehe oben). (Kornelius - Apg 10,3 - war in diesem Sinne kein
Ungläubiger, da er an den Gott Israels glaubte.) Ungläubigen ";aus
evangelistischen Zwecken"; zu raten, zu beten - z.B. für Bestehen einer
Prüfung, Heilung usw. - ist demnach falsch und gefährlich. Stattdessen sollte man
sie mit Gottes gerechten Forderungen konfrontieren, damit sie die
Notwendigkeit der Errettung erkennen.

Eine weitere Anwendung wird im Zusammenhang mit 1. Johannes 1,9 und 2,1
deutlich. Die Wendung ";wenn jemand sündigt"; (2,1) kommt auch in 3.
Mose häufig vor (4,2.3.13.22.27; 5,1.15.17; 6,2) und 1Jo 2,1 deutet darauf
hin, dass Vergebung nicht von uns, sondern vom Herrn Jesus als unseren
Beistand beim Vater abhängt und damit auf sein vollbrachtes Sühnewerk, über das
wir aus 3Mo 4 bis 7 sehr viel lernen können (ein Studium dieser Kapitel ist
eine wirksame Lektion gegen leichtfertiges ";Sündigen und
Bekennen";). Nicht ganz klar ist mir, ob sich das ";Sünden bekennen"; aus
1,9 nur auf ein Bekennen vor Gott bezieht oder auch auf ein Bekennen vor
Menschen (oder ausschließlich - Jak 5,16? - Das würde aber wiederum mit Ps 32,5
und 51,6 stehen). Jedenfalls ist auch hier wieder klar, dass es unsererseits
nicht auf die Formulierung des Bekenntnisses ankommt, sondern auf unsere
Identifikation mit Gottes Zorngericht über die Sünde am Kreuz, d.h. auf Buße.

Hans Werner Deppe

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