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Epheser Walvoord Harold W. Hoehner


Epheser Kapitel 4 Walvoord Harold W. Hoehner


II. Das Verhalten der Gemeinde

( Eph 4-6 )

 

Nach der Darlegung seiner Lehre in den ersten drei Kapiteln kommt Paulus in Kapitel4-6 noch auf einige Implikationen dieser Lehre für die Praxis zu sprechen. Im Mittelpunkt steht dabei das "Leben" ( peripateO ) der Gläubigen.

 

 

A. Die Einheit

( 4,1 - 16 )

 

Nach seiner Definition der Einheit zwischen Juden- und Heidenchristen und der Bitte, daß diese Einheit sich in der wechselseitigen Ausübung der Liebe Christi in der Gemeinde manifestieren möge, zeigt Paulus nun, wie die Christen diese Einheit in die Tat umsetzen sollen. Dabei kommen ihnen die begnadeten Menschen zu Hilfe, die Christus der Gemeinde zuführt, damit der Leib Christi in allen Bereichen wachse.

 

 

1. Die Grundlage der Einheit

( 4,1-6 )

 

a. Ermahnung zur Einheit

( 4,1-3 )

 

Eph 4,1

 

Paulus ermahnt seine Leser, ihrer Berufung würdig zu leben. Die Lutherübersetzung vermittelt an dieser Stelle den Eindruck, daß sie dies tun sollen, weil Paulus ein Gefangener in dem Herrn ist. Im griechischen Text ist das anders. Dort heißt es: "Daher (besser als "so" ) ermahne ich, der Gefangene des Herrn, euch (wie bereits in Eph 3,1 gesagt), eurer Berufung würdig zu leben." Paulus fordert die Epheser also auf, auf der Grundlage dessen, was er in Kapitel1-3 geschrieben hat, ein gottgefälliges Leben zu führen. Das "würdig" ( axiOs ) bedeutet "gleichgewichtig"; die Berufung und das Verhalten eines Gläubigen sollten sich also im Gleichgewicht befinden. "Die Berufung" bezieht sich nicht nur auf die Rettung der Gläubigen (vgl. Röm 1,5-6; 1Kor 1,9 ), sondern auch auf ihre Einheit in einem Leib. Das Verhalten eines Christen betrifft also sowohl sein persönliches Leben als auch seine Verantwortung gegenüber seinen Glaubensbrüdern.

 

 

Eph 4,2-3

 

Doch auch die innere Haltung der Gläubigen ist von Bedeutung. Paulus zählt drei Tugenden auf, die den Lebenswandel der Christen zieren sollten. Die erste ist die Demut. In der griechischen Kultur galt sie als Laster; nur Sklaven zeigten Demut. Paulus aber fordert, daß die Heiligen in aller Demut leben sollen. Demut ist das genaue Gegenteil von Stolz. Damit soll nicht der falschen Demut das Wort geredet werden; die Christen sollen lediglich erkennen, welche Stelle sie im Heilsplan Gottes einnehmen (vgl. Joh 3,30; Röm 12,3 ). Die Demut steht an erster Stelle, weil Paulus so sehr an der Einheit gelegen ist (Stolz führt zu Uneinigkeit, Demut zu Einigkeit) und weil er ein Gegengewicht zum früheren Stolz seiner Leser schaffen möchte. Sie soll ihnen den Gehorsam gegenüber Gott und die Abhängigkeit von ihm erleichtern. Das höchste Beispiel wahrer Demut war Christus ( Phil 2,6-8 ).

Zweitens soll ein Gläubiger sanftmütig bzw. "schwach" ( prautEtos ; vgl. das Adverb dazu in Gal 6,1; 2Tim 2,25 und das Substantiv in Gal 5,23; Kol 3,12; 1Pet 3,16 ) sein. Das ist das Gegenteil von Selbstbehauptung, Rücksichtslosigkeit und Härte. In dem Wort "Sanftmut" schwingt die Vorstellung von einer Selbstbeherrschung mit, die nichts mit Schwäche zu tun hat. Sie ist ein Mittelweg zwischen Überempfindlichkeit und Lethargie. Ein Christ, der unter der Führung Gottes steht, kann zu gegebener Zeit durchaus auch zornig werden. Mose z. B. galt als der demütigste aller Menschen ( 4Mo 12,3 ), doch als Israel sich gegen Gott versündigte, geriet er in Wut ( 2Mo 32 ). Christus war "sanftmütig und von Herzen demütig" ( Mt 11,29 ), doch als er sah, daß die Juden den Tempel zu einer Räuberhöhle gemacht hatten, wurde auch er zornig ( Mt 21,12-13 ).

Drittens sollen die Gläubigen sich in Geduld ( makrothymias ) fassen. Die Geduld gibt niemals auf, sie harrt auch in schweren Zeiten bis zum Ende aus ( Jak 5,10 ). Auch diese Tugend ist geprägt von Selbstbeherrschung, sie übt nicht übereilt Vergeltung für jedes ihr angetane Unrecht (vgl. Gal 5,22; Kol 1,11;3,12; 2Tim 4,2 ).

Eigenschaften wie Demut, Sanftmut und Geduld fördern die Einheit unter den Christen. Aber Paulus schildert auch, wie diese Tugenden im Verhalten des einzelnen wirksam werden sollen. Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht (im Griechischen ein Partizip: "tut alles, damit"), zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens . Die Christen sollen die Einigkeit nicht etwa herstellen, sondern nur den "neuen Menschen", den Gott schuf, bewahren ( Eph 2,15-16 ), und zwar durch "das Band des Friedens". Die Sorge für den Frieden soll sie dazu bewegen, einander in Liebe zu tolerieren, auch dann, wenn es Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen gibt.

 

 

b. Die Elemente der Einheit

( 4,4 - 6 )

 

Eph 4,4

 

Es folgen völlig unverbunden die sieben Elemente der Einheit, die sich in den drei Personen der Trinität zentrieren. Sie bilden die Grundlage für den Geist der Einheit, der in dem Leib, den die Gläubigen bilden, herrschen soll. Ein Leib bezieht sich auf die universale Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen ( Eph 1,22-23;2,16;3,6 ). Der eine Geist ist der Heilige Geist, der in der Kirche wohnt ( Eph 2,22 ). Die Worte wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung weisen darauf hin, daß alle Gläubigen eine gemeinsame Hoffung in bezug auf ihre Zukunft mit Gott haben (vgl. 1Pet 1,3;3,15 ),eine Zuversicht, die begann, als sie zur Rettung "berufen" wurden ( Eph 1,4.18;2,7;4,1 ).

 

 

Eph 4,5

 

Ein Herr (vgl. Röm 10,12 ) bezieht sich auf Christus, das Haupt der Kirche ( Eph 1,22-23; Kol 1,18 ). Mit dem einen Glauben ist wahrscheinlich nicht der objektive Glaube, die Wahrheit, die die Christen glauben (wie in Apg 6,7; 1Tim 3,9; 4,1.6; Jud 1,3 ), gemeint, sondern der subjektive Glaube, den alle Christen in Christus, ihrem Herrn, haben (vgl. Kol 2,7 ). Eine Taufe bezieht sich entweder auf die Wassertaufe, das äußerliche Symbol der inneren Realität, oder auf die Identifikation der Gläubigen mit Christus und seinem Tod ( Röm 6,1-11; Gal 3,27 ). Die Geisttaufe ist sicherlich nicht gemeint, denn sie kommt in der Triade derjenigen Elemente vor, die zu Christus, der zweiten Person der dreieinigen Gottheit, gehören. Außerdem gibt es auch vom weiteren Kontext ( Eph 4,1-16 ) her keinerlei Hinweise in dieser Richtung. Wenn aber mit der "einen Taufe" tatsächlich die Wassertaufe gemeint ist, so steht dahinter der Gedanke, daß die Gläubigen in diesem Ritual ihre geistliche Einheit zum Ausdruck bringen.

 

 

Eph 4,6

 

Der Satz "ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen" bezieht sich auf Gott den Vater und seine Beziehung zu allen Gläubigen. Mit dem viermaligen "alle" sind nur alle Gläubigen, nicht etwa "die ganze Menschheit" gemeint, denn die genannten Eigenschaften treffen ganz sicher nicht auf alle Menschen zu. Gott ist vielmehr der Vater "all" derer, die glauben; sie sind seine Kinder ( Joh 1,12; Gal 3,26 ). Und er ist über ihnen "allen" als ihr Herrscher. Er lebt "durch" sie und manifestiert sich "in" ihnen.

Zu der Auflistung der sieben einigenden Elemente ( Eph 4,4-6 ), die Paulus hier vornimmt, ist zweierlei anzumerken. Erstens: Die Trinität ist der Integrationsfaktor dieser Liste. Der eine Leib der Gläubigen erhält sein Leben durch den einen Geist, daher haben alle Christen eine Hoffnung. Dieser Leib ist durch den Glaubensakt jedes einzelnen Gliedes und durch seine Identität mit Christus, die sich in der Taufe zeigt, in dem einen Herrn (Christus) vereinigt. Und ein Gott , der Vater, ist über allen, wirkt durch alle und wohnt in allen. Alle sieben Komponenten sind also in der Trinität vereinigt.

Zweitens: Interessant ist auch die Anordnung der drei Personen der Gottheit innerhalb der Aufzählung. Paulus beginnt mit dem Heiligen Geist, nicht mit dem Vater. Der Grund dafür liegt ganz einfach darin, daß er in den vorhergehenden Versen "die Einigkeit im Geist" (V. 3 ) und in Vers 7 - 13 die Gaben des Geistes erörtert. In 1Kor 12,4 - 6 wo ebenfalls die Gaben des Geistes besprochen werden, hält er dieselbe Reihenfolge ein.

 

 

2. Die Bewahrung der Einheit

( 4,7-16 )

 

Nachdem er sich mit der Grundlage der Einheit befaßt hat (V. 1-6 ), geht Paulus nun auf das Mittel ein, durch das sie bewahrt werden kann (vgl. V. 3 ): die verschiedenen Gnadengaben.

 

 

a. Die Verteilung der Gaben

( 4,7-11 )

 

Eph 4,7-8

 

In den Versen 1-6 sprach Paulus über die Einheit der Kirche, hier wendet er sich nun der Verschiedenheit innerhalb der Kirche zu (vgl. die Einheit in 1Kor 12,12-13 und die Verschiedenheit in 1Kor 12,4-11.14-20 ). Jeder Christ hat von Gott die Gnade nach dem Maß ( metron , vgl. Eph 4,13.16 ) der Gabe Christi erhalten. Jeder Gläubige soll mit der Hilfe Gottes eine ganz bestimmte Funktion im Leib Christi erfüllen, die der Gabe (geistlichen Fähigkeit) entspricht, die ihm verliehen wurde. Das bedeutet, daß es eine Vielzahl von Gaben gibt (vgl. V. 11 , Röm 12,4-6; 1Kor 12,4-6 ). Darüber hinaus wird in ihnen jedoch jedem dieselbe "Gnade" zuteil; die Gaben derLaien und die Gaben der Hauptamtlichen - um eine heute übliche Unterscheidung zu benutzen - sind also gleichwertig.

Eph 4,8 führt ein Zitat aus dem Alten Testament an, das bestätigt, daß Gott den Menschen Gaben schenkt. Die meisten Exegeten gehen davon aus, daß Paulus hier - mit fünf kleineren und zwei größeren Abweichungen - Ps 68,19 wiedergibt. Die beiden größeren Variationen betreffen den Wechsel von der zweiten in die dritte Person und den Wechsel vom Passiv zum Aktiv: Gott empfängt keine Gaben von den Menschen, er gibt sie ihnen. Plausibler ist es jedoch anzunehmen, daß Paulus hier nicht einen bestimmten Vers aus Ps 68 zitiert, sondern den Inhalt des ganzen Psalms, der viele ähnlich lautende Formulierungen wie Vers 19 enthält, in zusammengefaßter Form wiedergibt. Die Quintessenz des Psalms lautet, daß ein Sieger das Recht hat, denjenigen, die zu ihm gehören, etwas zu schenken. Christus, der sündige Menschen "gefangengenommen" hat, indem er sie erlöste, ist der Sieger und gibt sie der Gemeinde als Geschenk. Während Röm 12 und 1Kor 12 von den Gaben an die Gläubigen sprechen, spricht Eph 4,7-8 von begnadeten Gläubigen, die ihrerseits der Gemeinde gegeben werden (vgl. V. 11 ).

 

 

Eph 4,9-10

 

Die Verse 9-11 sind eine Art Kommentar zu zwei Verbformen in dem Zitat in Vers 8 : aufgefahren (V. 9-10 ) und "eingesetzt" (V. 11 ; V. 8 : "gegeben"). In den Versen 9-10 konzentriert Paulus sich zunächst auf die Wendung: Er ist aufgefahren . Die beiden Verse bilden sozusagen einen Einschub, denn in dem Abschnitt geht es eigentlich nach wie vor um die Gaben. Bevor Christus auffahren konnte, mußte er hinabsteigen. Was ist mit den Tiefen der Erde gemeint? Der Genitiv kann auf drei verschiedene Arten ausgelegt werden: (1) "In die Tiefen, d. h. auf die Erde" (Apposition). In diesem Fall ginge es um die Inkarnation Christi, sein "Herabsteigen" auf die Erde. (2) "In die Tiefen unter der Erde" (Umstandsbestimmung des Ortes). Das würde bedeuten, daß Christus in der Zeitspanne zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung in die Unterwelt hinabgestiegen ist. (3) "In die Tiefen, die zur Erde gehören" (Genitivus possessivus). Das bezöge sich auf Christi Tod und sein Begräbnis. Die dritte These fügt sich am besten in den vorliegenden Kontext, weil Christus in seinem Tod die Sünde besiegt und damit diejenigen erlöst hat, die der Gemeinde als "Gaben" gegeben werden.

Christi Auffahren über alle Himmel, damit er alles erfülle bezieht sich wahrscheinlich auf seine Königsherrschaft über die Welt, seinen neuen Stand, von dem aus er durch sein Werk am Kreuz die Gaben ganz nach seinem Gefallen verteilen kann. Das paßt zu Eph 1,23 ,wo davon die Rede ist, daß Christus der Gemeinde und dem Universum die ganze Fülle seines Segens mitteilt. Christus, der die Fülle der Gottheit verkörpert ( Kol 2,9 ), erfüllt das Universum und herrscht über es (vgl. Kol 1,18 ).

 

 

Eph 4,11

 

Dieser Vers ist ein Kommentar zum zweiten Teil des Zitats in Vers 8 , zu der Tatsache, daß Christus die Christen mit Gaben beschenkt. Die Gaben an die Gemeinde bestehen in den begnadeten Menschen, die Christus ihr zuführt. Das Subjekt "er" ist im Griechischen hervorgehoben, um deutlich zu machen, daß Christus selbst der Gemeinde diese Menschen gibt. Danach werden fünf begnadete Personengruppen im prädikativen Akkusativ aufgezählt, so daß Luther ganz richtig übersetzt hat einige als. Die beiden ersten, Apostel und Propheten , sind bereits in Eph 2,20 und Eph 3,5 als das Fundament der Gemeinde bezeichnet worden. Zu den Aposteln gehören außer den Zwölfen, die von Christus selbst zu Aposteln berufen und eingesetzt wurden ( Apg 1,21-22; dazu wäre auch Paulus zu zählen, denn auch er wurde von Christus persönlich berufen, 1Kor 15,8-9; Gal 1,1;2,6-9 ), auch andere, die ebenfalls als Apostel anerkannt waren, wie z. B. Jakobus ( 1Kor 15,7; Gal 1,19 ), Barnabas ( Apg 14,4.14; 1Kor 9,6 ), Andronikus und Junias ( Röm 16,7 ), möglicherweise auch Silvanus und Timotheus ( 1Thes 1,1;2,7 ) und Apollos ( 1Kor 4,6.9 ). Die letzteren besaßen zwar die Gabe des Apostolats, nicht aber das "Apostelamt" wie Paulus und die Zwölf. "Apostel" waren also all diejenigen, die die Botschaft des Evangeliums mit der Vollmacht Gottes verkündigten. Der Begriff bedeutet "bevollmächtigter Abgesandter".

Die Propheten des Neuen Testaments waren der Gemeinde gegeben, um sie zu erbauen, zu ermahnen und zu trösten ( 1Kor 14,3 ). Wahrscheinlich offenbarten sie der Gemeinde den Willen Gottes über die Dinge, die im biblischen Kanon nicht zur Sprache kamen. Da die Apostel und Propheten das Fundament der Kirche bildeten, gab es sie auch nur in der ersten Generation der Gläubigen.

Die Evangelisten waren diejenigen, die für die Ausbreitung des Evangeliums sorgten; sie entsprechen in ihrer Funktion den heutigen Missionaren. Die Hirten und Lehrer gehören zusammen, denn sie haben nur einen Artikel bei sich (das "die" steht nur vor "Hirten", nicht vor "Lehrer"), und die Konjunktion kai , die sie verbindet, unterscheidet sich von der Konjunktion de , durch die die anderen Personengruppen des Verses verbunden sind. Vielleicht ist das als ein Hinweis darauf zu sehen, daß es sich hier um zwei Gnadengaben handelt, deren Träger in bereits bestehenden Gemeinden tätig sind (im Gegensatz zum Dienst der von einem Ort zum andern ziehenden Apostel und Evangelisten). Wahrscheinlicher ist allerdings, daß es zwei Bezeichnungen für ein und dasselbe Amt sind, daß es sich bei den "Hirten und Lehrern" also um die Seelsorger der Gemeinde handelt, die die Gläubigen führen und ihnen Trost geben und sie gleichzeitig im Wort Gottes unterweisen (auch Bischöfe und Älteste können lehren; 1Tim 3,2; Tit 1,9 ).

 

 

b. Der Zweck der Gaben

( 4,12-16 )

 

Die Aufgabe dieser besonders begnadeten Gemeindeglieder (V. 7-11 ) ist es, andere Gläubige für den Dienst tüchtig zu machen, indem sie ihnen einen festen Hintergrund in der Lehre und in der Praxis vermitteln und sie so zu wechselseitiger Erbauung anleiten. Wie mehrere andere Passagen im Epheserbrief ( Eph 1,3-14.15-23;2,1-7;3,1-13.14-19;4,1-7;6,14-20 ) ist auch Eph 4,11-16 im Griechischen nur ein einziger langer Satz.

 

 

Eph 4,12

 

Die begnadeten Gemeindeglieder sollen die Heiligen zum Werk des Dienstes zurüsten (wörtlicher: "um die Heiligen im Werk des Dienstes, diakonias , zu vollenden oder auszustatten, katartismon "; vgl. das Verb karartizO in Mt 4,21 ,das das "Flicken" oder "Vorbereiten" der Fischnetze bezeichnet; vgl. auch "zurechtbringen" in 2Kor 13,11; "helft ... zurecht" in Gal 6,1 ). Sie sollen das Wort Gottes anderen verkündigen, so daß diese ihrerseits wiederum zum Dienst an anderen fähig sind (vgl. 2Tim 2,2 ). Das Ziel all dessen ist der Aufbau oder die Erbauung des Leibes Christi (vgl. Eph 4,16 ). An diesem Bild wird deutlich, daß alle Heiligen, nicht nur einige wenige Gemeindevorsteher, in das "Amt" berufen sind. Alle Heiligen haben die Gabe (V. 7 ), auf ihre Weise den anderen geistlich zu dienen.

 

 

Eph 4,13

 

Das soll geschehen, bis die ganze Gemeinde die drei Ziele, die hier jeweils mit der Präposition eis (in) eingeführt werden, erreicht hat ( hingelangt heißt im Griechischen katantEsOmen , ein Ausdruck, der im Neuen Testament für die Ankunft von Reisenden an ihrem Bestimmungsort benutzt wird): (a) "die Einheit des Glaubens " (vgl. Eph 4,5 ) und die volle Erkenntnis ( epignOseOs ; vgl. Eph 1,17 ) des Sohnes Gottes , (2) bis sie zum vollendeten Mann wird und (3) bis sie das volle Maß ( metron ; vgl. Eph 4,7.16 ) der Fülle Christi besitzt. Wenn jeder Gläubige sich gemäß der Gabe(n), die Christus ihm gegeben hat (V. 7 ), verhält, erfreut sich der Leib als ganzer der Einheit (vgl. V. 3-6 ), schreitet fort auf dem Weg der geistlichen Reife (vgl. V. 15 ) und wird der Fülle Christi immer ähnlicher (vgl. Eph 1,23;3,19 ).

 

 

Eph 4,14-16

 

Schließlich kommt Paulus zum endgültigen Ziel - oder vielleichtbesser Ergebnis ( hina ) - der Ausrüstung der Heiligen zum Dienst am Herrn und am Nächsten durch die Träger der Gnadengaben. Negativ formuliert sollen die Gläubigen sich danach nicht mehr wie unmündige Kinder verhalten, die leicht zu beeinflussen und zu verwirren sind, und sich nicht von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen (vgl. Lk 8,24; Jak 1,6 ) durch trügerisches Spiel (kybeia, wörtlich: "Würfelspiel") der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen ( panourgia ; vgl. auch Lk 20,23; 1Kor 3,19; 2Kor 4,2;11,3 ). Die falschen Lehrer verunsichern die Menschen in bezug auf die Wahrheit, um sie dazu zu bringen, an ihre Irrtümer zu glauben. Im Gegensatz dazu ( de , aber ) formuliert Paulus positiv, daß die Gläubigen durch die Wahrheit und Liebe (wörtlich: wahrhaftig sein in der Liebe) wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus . Christus ist also die Quelle des Wachstums der Gläubigen und gleichzeitig Ende und Ziel dieses Wachstums (vgl. V. 13 ). Vom Haupt (vgl. Eph 1,22;5,23; Kol 1,18 ) erhält der ganze Leib die Fähigkeit zu Wachstum und Tätigkeit ( Eph 4,16 ). Seine einzelnen Glieder werden sorgfältig zusammengefügt ( 2, 21 ), so daß ein Glied am andern hängt, ... wodurch jedes Glied das andere unterstützt (vgl. Kol 2,19 ) nach ( kata mit Akkusativ) dem Maß ( metrO , von metron ) seiner Kraft . So wächst der Leib Christi (vgl. Eph 4,15 ) und baut sich selbst (vgl. V. 12 ) auf in der Liebe . Die Wendung "in der Liebe" findet sich dreimal in diesem Abschnitt (V. 2.15-16 ); sie weist auf den Weg hin, auf dem die Einheit erreicht wird. Bezeichnenderweise taucht auch der Begriff "Maß" ( metron ) dreimal in diesem Zusammenhang auf (V. 7.13.16 ). Jeder Gläubige soll durch die Gnade Gottes im Leib Christi dienen nach dem Maß der Gabe, die Christus ihm gegeben hat (V. 7 ). Wenn das jeder tut, dann wächst die Kirche (V. 16 ) und wird schließlich immer stärker zum Ebenbild Christi (V. 13 ). Wenn man jedoch seine eigene Gabe oder die anderer unterdrückt, verkümmert das Wachstum.

Die Bewahrung der Einheit liegt in den Händen derjenigen, die Gott mit Gnadengaben ausgestattet hat (V. 7-16 ). Innerhalb dieser Einheit finden sich nichtsdestoweniger viele verschiedene Aufgaben. Paulus stellt das Wachstum des ganzen Leibes in den Mittelpunkt, nicht das einzelner Glieder.

 

B. Die Heiligung

( 4,17-32 )

 

Die Christen sollen in Heiligkeit und Einheit leben. Paulus zeigt zunächst an negativen Beispielen, wie das Leben der Gläubigen nicht aussehen darf. Dann zählt er die positiven Aspekte einer wahrhaft christlichen Lebensweise auf.

 

 

1. Der alte Mensch

( 4,17-19 )

 

a. Sein Wesen

( 4,17-18 )

 

Eph 4,17-18

 

Die Heidenchristen in Ephesus ( Eph 2,1-2.11-12 ) sollen nicht mehr leben ... wie die Heiden , das heißt, nicht so, wie sie einst gelebt hatten - in der Nichtigkeit ihres Sinnes . Das griechische Wort für "Nichtigkeit" ( mataiotEti ; vgl. Röm 1,21 ) erweckt die Vorstellung von Sinn- und Ziellosigkeit. (Dieses Substantiv findet sich außer an dieser Stelle nur noch in Röm 8,20 ,wo es sich auf die Schöpfung, und in 2Pet 2,18 ,wo es sich auf Worte bezieht; vgl. auch mataioO in Röm 1,21 : "sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken".) Die ungläubigen Heiden gebrauchen ihren Verstand nicht für das, wofür sie ihn erhalten haben: um die Offenbarung Gottes, die ihr Verhalten bestimmen soll, zu empfangen. Ihr Verstand ist verfinstert ( Röm 1,21; 2Kor 4,4 ); sie sind dem Leben, das aus Gott ist, (entfremdet) (vgl. Eph 2,12 ). Diese Entfremdung geht auf ihre Unwissenheit (vgl. 1Pet 1,14 ) und die Unwissenheit wiederum auf die Verstockung ihres Herzens zurück, auf ihre Unempfänglichkeit für Gott und seine Wege.

 

 

b. Sein Handeln

( Eph 4,19 )

 

Eph 4,19

 

In ihrer Abgestumpft(heit) haben sie sich der Ausschweifung (aselgeia; vgl. Mk 7,22; Röm 13,13; 2Kor 12,21; Gal 5,19; 1Pet 4,3; 2Pet 2,2.7.18; Jud 1,4 ) ergeben (vgl. Röm 1,24.26.28 ), einem Leben ohne alle persönlichen moralischen Maßstäbe oder sozialen Sanktionen. Der eigentliche Beweggrund, der hinter diesem Verhalten steht, ist der Wunsch, allerlei unreine Dinge zu treiben in Habgier , d. h., sich selbst auf Kosten anderer rücksichtslos zu bereichern. Paulus zeichnet hier ein schreckliches Bild des selbstsüchtigen und verkehrten Lebens der Sünder.

 

 

2. Der neue Mensch

( 4,20-32 )

 

a. Seine Stellung

( 4,20-24 )

 

Eph 4,20-24

 

Im Gegensatz (de) zum "alten Menschen" (V. 17-19 ) haben die Gläubigen Christus nicht so kennengelernt . Ihr Verstand ist nicht länger verfinstert, ihr Leben nicht mehr entfremdet von Gott, ihre Herzen sind nicht mehr verstockt und unrein. Sie haben von Christus gehört und sind in ihm unterwiesen, wie es Wahrheit in Jesus ist , denn er ist die Wahrheit ( Joh 14,6 ). Der Inhalt dieser Unterweisung war folgender: (1) Ein Gläubiger hat den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierden zugrunde richtet, ab(ge)legt (vgl. Eph 4,17-19 ). Selbstsüchtige Begierden sind trügerisch; sie versprechen Freuden, die letztlich nicht erfüllt werden. (2) Er hat den neuen Menschen angezogen, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit (V. 24 ). Diese Wahrheit steht in schroffem Kontrast zu der Hinterlist, die ein Mensch, der im Leben nur seinen sündigen Begierden folgt, an den Tag legt (vgl. V. 14-15 ). Die Gläubigen aber sind erneuert in ihrem Geist und Sinn ; ihr Denken ist nicht mehr nichtig, ihr Verstand nicht mehr verfinstert und unwissend (V. 18-19 ). Paulus spricht hier keine Gebote aus; die Satzkonstruktion an dieser Stelle (und in der Parallelstelle in Kol 3,9-10 ) hat keinen imperativischen Charakter. Es handelt sich vielmehr um Tatsachen, die die Gläubigen erfahren haben, wie auch in Röm 6,2 - 10 und 2Kor 5,17 deutlich wird. Der Gläubige ist ein neuer Mensch in Christus und lebt daher nicht mehr, wie die Heiden leben.

 

 

b. Sein Verhalten

( 4,25-32 )

 

Jede der folgenden fünf Ermahnungen besteht aus drei Teilen: (1) einer negativ formulierten Aufforderung, (2) einer positiv formulierten Aufforderung und (3) der Begründung der positiven Aufforderung.

 

 

Eph 4,25

 

Die Gläubigen haben die Lüge abgelegt und sollen nun die Wahrheit reden (vgl. V. 15 ). Die "Wahrheit reden" bedeutet, sein Reden an der Realität zu orientieren. Dazu ermahnt Paulus seine Leser, weil sie untereinander Glieder des Leibes Christi, der Gemeinde, sind (vgl. V. 4.16 ).

 

 

Eph 4,26-27

 

Die Gläubigen dürfen der Sünde zwar manchmal mit Recht zürnen (vgl. Joh 2,13-16 ), doch sie dürfen selbst nicht sündigen . Um das zu vermeiden, ist es wichtig, allen Streit immer sogleich zu bereinigen, mit Paulus' Worten: Laßt die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen . Denn der Teufel liebt es, den gerechten Zorn eines Christen gegenüber der Sünde so anzustacheln, daß er selbst wiederum zur Sünde wird. Das geschieht dann, wenn die Sünde Herrschaft über den Gläubigen gewinnt statt umgekehrt.

 

 

Eph 4,28

 

Christen sollen nicht stehlen , sondern für das, was sie brauchen, arbeiten . Ein Dieb nimmt sich von anderen, was er benötigt, ein Gläubiger aber soll arbeiten und mit eigenen Händen das nötige Gut ( agathon ; vgl. V. 29 ) schaffen, damit er dem Bedürftigen abgeben kann . Das ist wahre christliche Nächstenliebe. Arbeit ist in mancherlei Hinsicht von Nutzen: wenn man arbeitet, hat man, was man braucht, tut etwas Sinnvolles (etwas, was einem selbst und anderen von Nutzen ist) und kann überdies andere materiell unterstützen.

 

 

Eph 4,29-30

 

Von einem Christen soll kein faules ( sapros , "verderbt") Geschwätz (vgl. Eph 5,4 ) zu hören sein, sondern er soll reden, was gut ( agathos ; vgl. Eph 4,28 ) ist und die Gemeinde erbaut, denn das bringt denen, die es hören, Segen (wörtlich: gibt ihnen "Gnade" oder Kraft). Ein Glaubender soll die Wahrheit sagen und nicht fluchen, und er soll bei allem, was er sagt, das Wohl der anderen im Auge haben. Neben dem Gewissen hilft ihm dabei auch der Heilige Geist . Die Tatsache, daß der Heilige Geist betrübt sein kann, ist ein Hinweis auf seine Persönlichkeit. Er versiegelt die Gläubigen bis zum Tag der Erlösung , an dem die Christen einen neuen Leib empfangen (vgl. Eph 1,14; Phil 3,20-21 ).

 

 

Eph 4,31-32

 

"Ablegen" müssen die Christen dagegen alle Bitterkeit und Grimm ( thymos , "Ausbrüche von Wut") und Zorn ( orgE , "dauernder Unmut") und Geschrei ( kraugE ) und Lästerung ( blasphEmia ) sowie alle Bosheit ( kakia ). Mehrere dieser Laster finden sich auch in Kol 3,8 .Ihnen folgen drei positive Gebote: (1) "Seid aber untereinander freundlich" ( chrEstoi , wörtlich: "so wie es die Not erfordert oder ihr angemessen ist"); (2) "seid herzlich" ( eusplanchnoi ; das Wort steht im Neuen Testament nur noch in 1Pet 3,8; vgl. splanchnoi , "Gefühle oder Zuneigung", in 2Kor 6,12; 7,15; Phil 1,8;2,1; Kol 3,12; Phim1,7.12.20; 1Joh 3,17 ); (3) "und vergebt einer dem andern" (wörtlich: "seid gnädig", charizomenoi , das Partizip des Verbs charizomai , "großzügig geben" oder "huldvoll geben"). Die Begründung all dieser positiven Gebote ist, daß auch Gott den Gläubigen in Christus freundlich ( Eph 2,7 ), herzlich ( Mk 1,41 ) und gnädig ( Röm 8,32 ) gegenübertritt.