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Galaterbrief Eschatologie  Donald K. Campbell) Reihe Walvoord.


Galater Brief Kapitel 3 Campbell



III. Die Lehre: Apologie der Rechtfertigung allein aus Glauben

( Gal 3-4 )

 

In den beiden ersten Kapiteln des Briefes hatte Paulus den göttlichen Ursprung seines Apostolats und seiner Botschaft behandelt. Dann wandte er sich den Galatern zu, von denen anscheinend verlangt worden war, neben dem Glauben noch Werke zu vollbringen und neben dem Vertrauen auf Christus noch das mosaische Gesetz zu halten, um von Gott angenommen zu werden. Die galatischen Christen würden nach Ansicht der Judaisten eine vollkommenere Rettung und größere Heiligung empfangen, wenn sie dem Gesetz gehorchten. Paulus hält dagegen, daß das Werk Christi zu ergänzen heißt, es aufzuheben. Es kann nur einen Weg der Rettung geben, und das ist der Glaube an Christus.

 

 

A. Rechtfertigung der Lehre

( Gal 3 )

 

1. Anhand der Erfahrung der Galater

( 3,1-5 )

 

Gal 3,1

 

Der Ärger und die Enttäuschung des Apostels brechen sich Bahn in dem Ausruf: "O ihr unverständigen Galater!" Sich einer Lehre zuzuwenden, die behauptet, daß der Tod Christi unnötig sei, ist mehr als unvernünftig (vgl. Gal 2,21 ). Es hat fast den Anschein, als seien sie bezaubert , als seien sie durch Hexerei unter einen verderblichen Einfluß geraten. Doch auch das ist letztlich keine Entschuldigung, denn der Retter war ihnen als der Gekreuzigte vor Augen gemalt ( proegraphE , wörtlich: "öffentlich bekanntmachen"). Paulus hatte ihnen den gekreuzigten Christus anschaulich vor Augen geführt, doch ihre Augen sind vom Kreuz zum Gesetz gewandert, ohne daß sie für diesen Abfall irgend etwas zu ihrer Entlastung vorbringen können.

Um ihnen ganz klar zu machen, daß Gott nur durch den Glauben eine Beziehung zu ihnen herstellt, stellt Paulus den Galatern im folgenden vier Fragen. Gal 3,2 : (1) Wie habt ihr den Heiligen Geist empfangen? Diese rhetorische Frage richtet sich auf den Augenblick ihrer Bekehrung, als sie den Heiligen Geist empfingen (vgl. Gal 4,6 ). Paulus stellt damit nicht etwa ihre Rettung in Frage, sondern fordert seine Leser lediglich auf, darüber nachzudenken, ob sie durch den Glauben oder durch ihre Werke gerettet wurden und den Geist empfingen. Natürlich geschah dies durch den Glauben, der ihnen geschenkt wurde, als sie der Predigt des Paulus zuhörten. Als Heidenchristen, aus denen ihre Gemeinde in erster Linie bestand, hatten sie das Gesetz ohnehin nie besessen.

 

 

Gal 3,3

 

(2) Wie werdet ihr geheiligt werden? Unter der Voraussetzung, daß die Galater durch den Glauben Christen geworden waren, fragt Paulus sie nun, ob sie wirklich so unverständig seien, zu glauben, ihr Leben als Christen auf dem einen Weg (durch den Glauben) beginnen und auf einem anderen (durch Werke) zur geistlichen Reife fortschreiten zu können. Denn genau das war es, was die Judaisten von ihnen forderten (vgl. Gal 4,10;5,2;6,13 ), obwohl doch der Weg der Rechtfertigung und der Weg der Heiligung ein und derselbe sind. Innerhalb des Gesetzes gibt es keinen Heiligen Geist, der das Werk der Heiligung vollbringt. Wahrscheinlich dachten die galatischen Christen, daß die Befolgung des alten Gesetzes ihrer geistlichen Reife förderlich sein würde, doch das war ein Irrtum.

 

 

Gal 3,4

 

(3) Habt ihr vergeblich gelitten? Die dritte Frage bezieht sich zurück auf die Verfolgung, unter der die Apostel und die Neubekehrten in Galatien zu leiden hatten. Auf dem Rückweg von ihrer ersten Missionsreise bereiteten Paulus und Barnabas die Christen in Galatien darauf vor, daß sie mit Verfolgungen rechnen müßten ( Apg 14,21-22 ). Das bewahrheitete sich offensichtlich schon sehr bald, und Paulus erinnert sie nun daran, daß sie, wenn sie sich jetzt von der Gnade ab- und dem Gesetz zuwandten, ihre frühere Haltung zu einem Irrtum erklärten und vieles vergeblich erfahren hätten. Er kann sich jedoch nicht vorstellen, daß das, was sie erlebt haben, tatsächlich vergeblich gewesen sein soll.

 

 

Gal 3,5

 

(4) Wodurch vollbringt Gott Wunder? Daß unter den Galatern durch die Macht Gottes Wunder vollbracht wurden, geht aus der Apostelgeschichte hervor ( Apg 14,3.8-11 ). Es gab keinen Zweifel, daß diese übernatürlichen Taten nicht durch des Gesetzes Werke bewirkt wurden, sondern aus dem Hören kamen, das zum Glauben führt. Schließlich kannten die Galater das Gesetz bis dahin überhaupt nicht, und Paulus hatte ihnen die Botschaft der Rechtfertigung allein durch den Glauben verkündigt.

 

 

2. Anhand des Beispiels von Abraham

( 3,6-9 )

 

Gal 3,6

 

Die Judaisten behaupteten, das Gesetz, vor allem ihren Lehrer Mose, auf ihrer Seite zu haben. Doch Paulus geht in seiner Argumentation noch viele Jahrhunderte weiter zurück: "So war es mit Abraham." Wie wurde er, der Vater des jüdischen Volkes, gerechtfertigt? Paulus' Antwort ist einfach und deutlich. Ausgehend von 1Mo 15,6 erklärt er: "Er hat Gott geglaubt, und es ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden." Abrahams Vertrauen darauf, daß Gott seine Verheißungen erfüllen würde, wurde ihm von Gott als Gerechtigkeit zugerechnet, und so wurde der Patriarch gerechtfertigt - noch bevor er beschnitten war (vgl. 1Mo 17,24 ). Wie können die Judaisten also behaupten, daß die Beschneidung notwendig ist, um von Gott angenommen zu werden?

 

 

Gal 3,7-8

 

In einem letzten Schlag gegen seine theologischen Widersacher verknüpft Paulus Vergangenheit und Gegenwart und legt dar, daß so, wie einst Abraham durch seinen Glauben gerettet wurde, auch die, die jetzt den Anspruch erheben, seine Kinder ( huioi , wörtlich: "Söhne") zu sein, gerettet werden. Abraham und seine geistlichen Nachkommen, Juden und Heiden, sind durch den Glauben gerechtfertigt. Diese Schlußfolgerung entspricht auch der Aussage der Schrift , daß durch Abraham alle Heiden gesegnet sind (vgl. 1Mo 12,3 ). Die Rechtfertigung der unbeschnittenen Heiden wurde also in einem universalen Aspekt des abrahamitischen Bundes bereits vorausgesehen, als Gott Abraham das Evangelium verkündigte . Man darf dabei nicht vergessen, daß für Paulus das Wort der Schrift gleichbedeutend mit dem Wort Gottes selbst ist; was in der Bibel steht, hat Gott gesagt. Dieser und ähnliche Verse (z. B. Joh 10,35 b; 2Tim 3,16; 2Pet 1,20-21 ) sind also ein wichtiger Beleg für die Verbalinspiration und für die absolute Autorität der Schrift.

 

 

Gal 3,9

 

Der Apostel schließt seine Ausführungen zu diesem Punkt mit der Einschränkung, daß die Rechtfertigung, auch wenn ihr Angebot "allen" Völkern (V. 8 ) gilt, doch nur denen zuteil wird, die aus dem Glauben sind . Er macht also einen Unterschied zwischen dem Angebot Gottes, das im Prinzip allen Menschen offensteht, und der Tatsache, daß nicht alle es in Anspruch nehmen.

 

 

3. Anhand der Wirkung des Gesetzes

( 3,10-12 )

 

Nachdem er anhand der Erfahrungen der Galater und des Beispiels Abrahams nachgewiesen hat, daß die Rechtfertigung allein durch den Glauben zu erlangen ist, geht Paulus nochmals auf die unlogische Verkehrtheit, die im Vertrauen auf das Gesetz steckt, ein.

 

 

Gal 3,10-11

 

Im Gegensatz zu dem, was die Judaisten lehrten, kann das Gesetz die Menschen nicht rechtfertigen; es kann sie nur verurteilen. Paulus zitiert in diesem Zusammenhang 5Mo 27,26 ,um zu zeigen, daß das Gesetz Vollkommenheit fordert und jeden, der sich auch nur der geringsten Übertretung schuldig macht, unter seinen Fluch stellt. Da aber kein Mensch alle Gebote des Gesetzes halten kann, stehen letztlich alle Menschen unter diesem Fluch. Die Annahme, daß ein Mensch durch sein eigenes Bemühen von Gott angenommen werden kann, ist daher völlig irrig. An einem weiteren Zitat aus dem Alten Testament weist Paulus nach, daß man nicht einmal zur Zeit der Geltung des Gesetzes durch Gesetzesgehorsam vor Gott gerecht wurde, denn schon der Prophet Habakuk schrieb: "Der Gerechte wird aus Glauben leben" ( Hab 2,4 ).

 

 

Gal 3,12

 

Doch vielleicht war es möglich, Glaube und Gesetz zu verbinden; vielleicht waren beide notwendig. Wiederum anhand eines Zitates aus dem Alten Testament zeigt Paulus die Unvereinbarkeit der beiden Instanzen. Glaube und Gesetz schließen einander gegenseitig aus. Das grundlegende Prinzip des Gesetzes findet sich in 3Mo 18,5 : "Der Mensch, der es tut, wird dadurch leben." Nur wer das Gesetz vollkommen erfüllt, kann dadurch das Leben gewinnen. Da das jedoch ausgeschlossen ist, kann das Gesetz den Menschen nur verurteilen (vgl. Jak 2,10 ) und zwingt ihn somit, sich im Glauben ganz auf Gott zu verlassen.

 

 

4. Anhand der Werke Christi

( 3,13-14 )

 

Gal 3,13

 

Das Positive an diesem Gedanken, auf das Paulus im folgenden zu sprechen kommt, liegt darin, daß es nun für alle, die das Gesetz übertreten haben und unter seinem Fluch stehen, Hoffnung gibt. Diese Hoffnung gründet sich nicht auf Menschen, sondern auf Christus, der uns von dem Fluch des Gesetzes erlöst hat . Wie erlöste ( exEgorasen , wörtlich: "aus der Sklaverei freikaufen"; vgl. Gal 4,5; vgl. auch die Tabelle "Neutestamentliche Begriffe für 'Erlösung' " bei Mk 10,45 ) Christus die Menschen? Indem er für uns zum Fluch wurde . Indem Christus die Strafe für alle Menschen, die das Gesetz übertreten haben, auf sich nahm, konnte er die Menschheit stellvertretend von dem Fluch, unter dem sie stand, erlösen. So wurde der "Fluch des Gesetzes" von den Sündern auf Christus, den Sündlosen, übertragen (vgl. 1Pet 3,18 ), und er befreite die Menschen von ihm. Das Zitat, das Paulus zur Bestätigung dieser These anführt, stammt aus 5Mo 21,23 .

Zur Zeit des Alten Testaments wurde ein Verbrecher (gewöhnlich durch die Steinigung) hingerichtet und - als Zeichen dafür, daß er von Gott verworfen war - an einem Pfahl zur Schau gestellt. An der Kreuzigung Christi wurde also offensichtlich, daß er unter dem Fluch Gottes stand. Die Art seines Todes war für Juden zunächst ein großes Glaubenshindernis, bis sie verstanden, daß der Fluch, den Christus trug, eigentlich ihnen galt (vgl. Jes 53 ).

 

Gal 3,14

 

Hier werden zwei Gründe für das Erlösungswerk Christi angeführt, die im Griechischen beide mit der Konjunktion hina , "damit" (vgl. Gal 4,5 ), eingeleitet werden: (1) damit der Segen Abrahams unter die Heiden komme - wie bereits gesagt wurde ( Gal 3,8 ), ist das nicht ein Hinweis auf persönliche oder das Volk betreffende Segnungen, sondern auf die verheißene Rechtfertigung außerhalb des Gesetzes; (2) damit alle, die glauben, den verheißenen Geist , d. h. den Heiligen Geist, empfingen (vgl. V. 2 ). Nochmals hebt der Apostel hervor, daß die Rettung und Heiligung durch den Glauben , nicht durch Werke, erlangt wird.

 

 

5. Anhand der zeitlosen Wirksamkeit des Glaubens

( 3,15-18 )

 

Gal 3,15-16

 

Selbst wenn Paulus' Gegner zugaben, daß Abraham durch den Glauben gerechtfertigt worden war, konnten sie doch immer noch einwenden, daß das Gesetz, das ja erst später kam, die Bedingungen für die Rettung entscheidend geändert habe. Um dieses Argument zu widerlegen, beruft sich Paulus auf die Unveränderbarkeit der göttlichen Verheißungen. Sie sind so fest verbrieft wie ein ordnungsgemäß bestätigtes römisches Testament , das ebenfalls nicht willkürlich aufgehoben oder geändert (wahrscheinlich ein Hinweis auf das alte griechische Gesetz) werden konnte. Außerdem wurde die Verheißung, die Abraham und seinem Nachkommen zugesagt wurde, nicht schon erfüllt, bevor die Juden das Gesetz erhielten, sondern erst in Christus und in ihm dann ein für allemal. Der Segen der Rechtfertigung aus Glauben ist also zeitlos und kann durch das Gesetz nicht geändert werden. Die Betonung des einen , nicht der vielen, Nachkommen (vgl. 1Mo 12,7; 13,15; 24,7 ) soll die Leser daran erinnern, daß der treue Rest Israels immer gewußt hatte, daß die Rettung schließlich durch eine einzige Person, den Messias, kommen würde (vgl. Gal 3,19 ). Matthäus hatte dann erklärt, daß Christus der Sohn Abrahams und der wahre Erbe der Verheißungen des ersten Bundes sei ( Mt 1,1 ).

 

 

Gal 3,17-18

 

Schließlich interpretiert Paulus das Prinzip der zeitlosen Wirksamkeit des Glaubens dahingehend, daß ein Bund, der schon so lange besteht, nicht durch ein später gegebenes Gesetz aufgehoben werden kann. Das Gesetz erhielten die Juden erst 430 Jahre nach der Verheißung. Wann begann diese lange Zeit? Manche Exegeten vertreten die These, daß sie mit Abraham einsetzte; in diesem Fall würden die 200 Jahre, die die Israeliten in Kanaan und die 200 Jahre, die sie in Ägypten verbrachten, in die 430 Jahre hineingehören. Die Septuaginta stützt diese These zwar, doch die ganz klare Aussage von 2Mo 12,40 ,daß der Aufenthalt in Ägpyten 430 Jahre betrug, ist nicht mit ihr vereinbar. Eine andere Theorie lautet, daß die Zeitspanne mit der Bestätigung des abrahamitischen Bundes, die Gott Jakob gab ( 1Mo 35,9-12 ), begann.

Eine dritte - und vielleicht die plausibelste - These geht davon aus, daß die 430 Jahre mit der letzten Bestätigung des Bundes, die Jakob erhielt ( 1Mo 46,1-4 ), begannen. Ihr zufolge erstreckt sich der Zeitraum von dem Ende einer Ära (der Zeit der Verheißung) bis zum Anfang einer anderen (dem Zeitalter des Gesetzes). Das scheint am besten zu 2Mo 12,40 zu passen. (In 1Mo 15,13 und Apg 7,6 ,die den Aufenthalt in Ägypten auf 400 Jahre beschränken, sind dann wahrscheinlich einfach runde Zahlen angegeben.)

In dieser langen Zeit segnete Gott die Patriarchen allein auf der Grundlage ihres Glaubens, und das Gesetz, das später kam, hatte keinerlei Einfluß auf diesen Bund. Auch konnte das Gesetz Gottes Umgang mit Abraham, der auf einer Verheißung beruhte, nicht ändern, weil Gesetz und Verheißung von ihrem Wesen her völlig verschieden sind. Sie können sich nicht miteinander vermischen, und sie können auch nicht kombiniert werden. Gott hat den Gläubigen das Erbe (d. i. die Rechtfertigung durch den Glauben) als Geschenk gegeben, es sind keinerlei Bedingungen daran geknüpft. Im Gegensatz zu dem, was die Judaisten behaupteten, war der Gehorsam gegenüber dem Gesetz nicht nötig, um dieses Erbe zu erhalten. Gott hat das Heil also schon immer durch seine Gnade allein aus Glauben gegeben.

 

 

6. Anhand der Intention des Gesetzes

( 3,19-25 )

 

Gal 3,19

 

Die Judaisten hätten gegen Paulus' Behauptung, daß das Gesetz weder den Heiligen Geist geben (V. 1-5 ) noch die Rechtfertigung bringen (V. 6-9 ) und auch die zeitlose Wirksamkeit des Glaubens nicht beeinflussen konnte (V. 15-18 ), statt dessen aber die Menschen mit einem Fluch belud (V. 10-12 ), sicherlich entrüstet Einspruch erhoben. Was soll dann das Gesetz? Warum gab Gott es den Israeliten überhaupt? In seiner Entgegnung auf diese Frage geht Paulus näher auf den Zweck und das Wesen des Gesetzes ein. Zunächst wurde es um der Sünden willen gegeben, d. h. als Mittel, die Sünden zu erkennen. Es diente dazu, die Sünden im Zaum zu halten, indem es sie als Übertretungen des göttlichen Gesetzes offenbarte, die den Zorn Gottes heraufbeschworen (vgl. 1Tim 1,8-11 ). Doch es war zeitlich begrenzt und nur solange gültig, bis der Nachkomme (der Messias; vgl. Gal 3,16 ) da sei ; danach war seine Funktion überflüssig. Schließlich war das Gesetz der Verheißung schon durch die Art und Weise, in der es den Menschen übermittelt wurde, unterlegen. Die Verheißungen ergingen direkt an Abraham, das Gesetz hingegen wurde durch die Hand eines Mittlers verordnet . Tatsächlich waren es sogar zwei Mittler: die Engel , die Gott vertraten, und Mose, der das Volk vertrat.

 

 

Gal 3,20

 

Dieser Vers scheint in enger Beziehung zum letzten Teil von Vers 19 zu stehen. Der Einsatz eines Mittlers deutet auf einen Bund zwischen zwei Parteien, die beide bestimmte Aufgaben übernehmen - was auf den mosaischen Bund zutrifft. Gott aber ist Einer , d. h., die "Verheißung" (V. 19 ) ging nur von einer Seite aus und wurde den Menschen direkt, ohne Mittler, gegeben. Deshalb trug auch Gott allein die Verantwortung für ihre Erfüllung.

 

 

Gal 3,21-22

 

Das führt zu einer weiteren Frage: Besteht ein Gegensatz zwischen dem Gesetz und Gottes Verheißungen? "Das sei ferne!" ( mE genoito ) ruft der Apostel aus. Beide, das Gesetz und die Verheißungen, sind von Gott gegeben, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Das Gesetz war nicht dazu gedacht, das Leben zu bringen. Rein theoretisch hätte die Rettung zwar auch durch das Gesetz kommen können, wenn die Menschen fähig gewesen wären, jedes einzelne seiner Gebote voll und ganz zu halten - doch das konnten sie nicht ( Röm 8,3-4 ). Das Leben , das denen versprochen wurde, die versuchten, dem Gesetz zu gehorchen, bestand lediglich in zeitlich begrenzten, irdischen Segnungen ( 5Mo 8,1 ).

Doch wenn das Gesetz den Verheißungen nicht widerspricht, wenn beide nicht miteinander im Widerstreit liegen, wie stehen sie dann zueinander? Das Gesetz kann die Menschen zwar nicht rechtfertigen oder ihnen das Leben geben, doch es hat dem Evangelium den Weg bereitet, indem es deutlich machte, daß die ganze Welt unter der Sünde steht. Wahrscheinlich unter Bezugnahme auf Ps 143,1-2 oder auf 5Mo 27,26 erklärt Paulus, daß die Schrift alles eingeschlossen hat unter die Sünde (vgl. Röm 3,9.23 ). Wenn die Menschen das erkennen und ihre Versuche, Gott durch ihre eigenen Werke zu gefallen, aufgeben, dann sind sie in der Lage, die Verheißung der Rettung durch den Glauben an Jesus Christus anzunehmen.

 

 

Gal 3,23-25

 

Im folgenden vergleicht Paulus das Gesetz mit einem Gefängnis und sein Verhältnis zum Menschen mit dem zwischen einem Kind und einem Zuchtmeister. Die Wendung "ehe aber der Glaube kam" bedeutet, bevor es möglich war, an Christus zu glauben (vgl. V. 22 ). Der rechtfertigende Glaube wirkte bereits im Alten Testament, doch der Glaube an die Person und das Werk Jesu Christi kam erst, nachdemder Messias offenbart worden war. Davor stand Israel unter der schützenden Wacht des Gesetzes , durch das Gott sein Volk vor den verderblichen heidnischen Riten, die es umgaben, bewahrte. Darüber hinaus diente das Gesetz als "Zuchtmeister" ( paidagOgos ). Das Wort paidagOgos läßt sich im Deutschen schwer angemessen wiedergeben, weil es in unserer modernen Gesellschaft keine vergleichbare Funktion gibt. Damit war nicht etwa ein "Schulmeister" gemeint, sondern ein Sklave, dem der Sohn des Hauses im Alter von sechs oder sieben Jahren bis zur Pubertät anvertraut wurde. Diese Sklaven waren strenge Lehrer, die die Kinder vor den Verführungen der Gesellschaft schützen und sie moralisch bilden sollten. Dieselbe Aufgabe hatte auch das Gesetz, bis Christus kam und die Menschen durch den Glauben an ihn gerechtfertigt werden konnten. Das Gesetz führte die Menschen also nicht zu Christus, sondern es war ihr Lehrer, bis Christus kam. Nun aber ist seine Herrschaft beendet, denn der Glaube an Christus hat die Gläubigen aus der "Schutzhaft" und der Obhut des strengen Zuchtmeisters befreit.

 

 

7. Anhand des gegenwärtigen Standes der Gläubigen

( 3,26-29 )

 

In diesem Abschnitt vergleicht Paulus den Stand eines gerechtfertigten Sünders mit dem Stand, den dieser hatte, solange er unter dem Gesetz war. Seine Verteidigung der Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben erreicht damit einen Höhepunkt. Der Apostel nennt drei gravierende Änderungen, die durch den neuen Glauben eingetreten sind.

 

 

Gal 3,26-27

 

Zunächst einmal werden alle , die an Christus glauben, Gottes Kinder . Der Wechsel in der Anrede von der ersten zur zweiten Person Plural ( ihr ) zeigt an, daß Paulus sich nun von seinen Betrachtungen über das Volk Israel wieder den galatischen Christen zuwendet. Während das Gesetz herrschte, hatte es die Aufgabe eines Zuchtmeisters, und die, die ihm unterstanden, waren gewissermaßen Kinder vor ihm. Nun aber, nachdem Christus gekommen ist, sind die galatischen Christen durch den Glauben zu erwachsenen Kindern geworden und aus den Händen ihres jüdischen Zuchtmeisters entlassen. Warum sollten sie also versuchen, ihren früheren, geringeren Status zurückzuerlangen? Die höhere Position als "Gottes Kinder" bedeutet, nach Vers 27 , die lebendige Einheit mit Christus, die sie, da sie auf Christus getauft sind, besitzen. Das ist die Taufe des Heiligen Geistes (oder im Heiligen Geist), die nach Paulus ( 1Kor 12,12-13 ) alle Gläubigen mit Christus vereint und sie innerhalb der Kirche, im Leib Christi, einigt. Diese Einheit meint er mit den Worten: "Ihr ... habt Christus angezogen." In der römischen Gesellschaft erhielt ein Jüngling, wenn er das vorgeschriebene Alter erreicht hatte, eine besondere Toga, die ihn in die vollen Rechte seiner Familie und seines Standes einsetzte und als erwachsenen Sohn kennzeichnete. So hatten auch die galatischen Gläubigen die alten Kleider des Gesetzes abgelegt und Christi Kleid der Gerechtigkeit angezogen, in dem sie von Gott angenommen waren. Warum sollten sie ihre alten Kleider zurückhaben wollen?

 

Gal 3,28

 

Zweitens: Die Gläubigen sind allesamt einer in Christus Jesus . Da alle Gläubigen untereinander eins werden, verlieren menschliche Unterscheidungen ihre Bedeutung. Keiner ist dem anderen in geistlicher Hinsicht überlegen. Ein gläubiger Jude genießt vor Gott keine größeren Vorrechte als ein gläubiger Heide ( Grieche ist, im Gegensatz zu Jude , der Oberbegriff für alle Heiden; vgl. Kol 3,11 ); ein gläubiger Sklave steht nicht höher als ein gläubiger Freier ; ein gläubiger Mann ist nicht mehr wert als eine gläubige Frau. Manche Juden beten vielleicht heute noch: "Ich danke dir, Gott, daß du mich nicht zu einem Heiden, einem Sklaven oder einer Frau gemacht hast." Paulus dagegen erklärt alle diese Unterscheidungen für null und nichtig und hält fest,daß es solche Unterschiede in bezug auf irgendwelche geistlichen Privilegien oder einen bestimmten Rang im Leib Christi nicht gibt. An anderer Stelle machte er allerdings deutlich, daß der Mann, ungeachtet der völligen Gleichheit von Mann und Frau in Christus, das Haupt der Frau ist (vgl. 1Kor 11,3 ) und daß es Unterschiede zwischen den geistlichen Diensten gibt (vgl. 1Tim 2,12 ).

 

 

Gal 3,29

 

Drittens sind all diejenigen, die an Christus glauben, Abrahams Kinder . Wie Paulus bereits oben gesagt hatte, ist Christus der Nachkomme Abrahams schlechthin (V. 16.19 ); in Christus zu sein, macht einen Gläubigen daher ebenfalls zu einem Nachkommen Abrahams und zu einem (Erben) nach der Verheißung , die jener empfing. Jegliche Aussage über die Nachkommenschaft Abrahams muß jedoch zunächst seine leiblichen Nachkommen, die Nachkommen Jakobs in den zwölf Stämmen Israels, berücksichtigen. Unter ihnen gibt es immer einen gläubigen Rest Juden, die eines Tages die Verheißungen Abrahams, die eigentlich ihnen gelten (vgl. Röm 9,6.8 ), erben werden. Doch auch unter den Heiden gibt es - geistliche - Nachkommen Abrahams: alle die, die zum Glauben an Jesus Christus kommen. Sie sind Erben der Verheißung der Rechtfertigung durch den Glauben, wie Paulus bereits ausgeführt hat (vgl. Gal 3,6-9 ). Die Annahme der Gegner der These vom Tausendjährigen Reich, daß nationale Verheißungen, die dem gläubigen Rest der Juden gelten, auf die Heidenchristen übergehen - daß also die Kirche an die Stelle Israels tritt bzw. das "neue Israel" ist -, hieße, zuviel in den Text hineinzulesen.