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Gethsemane

Und sie führten Jesus weg

Als der Herr Jesus im Garten Gethsemane gefangen genommen wurde, sagte Er zu seinen Feinden: „… dies ist eure Stunde und die Gewalt der Finsternis“ (Lk 22,53). Es war die Zeit von seiner Gefangennahme bis zum Beginn der drei Stunden der Finsternis, als den Menschen Gewalt gegeben wurde, ihre ganze Bosheit und Hass an dem menschgewordenen Sohn Gottes auszulassen. In dieser Zeit machten sie mit ihrem grausamen Handeln das Maß der Sünde voll. Dabei wurde Er mehrfach als Gefangener zu verschiedenen Personen und Orten weggeführt. Wenn wir uns mit diesen Stationen beschäftigen, werden wir sehen, wie vollkommen Er seinen Weg zum Kreuz ging.

1. Von Gethsemane zum Haus des Hohenpriesters (Mt 26,57; Mk 14,53; Lk 22,54; Joh 18,13)

Es war schon tiefe Nacht, als sich im Garten Gethsemane eine Einheit von ungefähr 600 bewaffneten Soldaten und eine Anzahl jüdischer Führer einer kleinen Gruppe von Männern näherte. Sie hatten das Ziel, Jesus, den Nazaräer, gefangen zu nehmen. Als Petrus das mit seinem Schwert verhindern wollte, sagte der Herr: „Lasst es so weit“ (Lk 22,51). Ohne ein Wort der Widerrede ließ Er sich von ihnen binden und wegführen. Sie brachten Ihn zunächst zu Annas, dem Schwiegervater des Hohenpriesters, der früher selbst Hoherpriester gewesen, aber zwischenzeitlich vom römischen Statthalter abgesetzt worden war. Dieser befragte Ihn nach seiner Lehre. Weil sein Diener die korrekte Antwort des Herrn anmaßend fand, schlug er Ihn (Joh 18,22). Dann führte man Ihn zu Kajaphas, der Ihn jetzt im Beisein des Synedriums – der höchsten jüdischen Gerichtsbarkeit – verhörte. Wie Psalm 35,11 prophetisch sagt, traten falsche Zeugen gegen Ihn auf. Sie warfen Ihm, dem Sohn Gottes, Gotteslästerung vor. Sie schlugen Ihn mit Fäusten, spien Ihm ins Gesicht und verhöhnten Ihn (Mt 26,67.68). Doch Er verbarg sein Angesicht nicht vor Schmach und Speichel (Jes 50,6). Obwohl Er wusste, was Ihn im Haus des Hohenpriesters erwartete, hat Er sich dahin führen lassen.

2. Vom Haus des Hohenpriesters ins Synedrium (Lk 22,66)

Dann brach nach dieser langen, anstrengenden Nacht der Morgen an. Erneut sollte der Herr weggeführt werden. Das Synedrium war nun zusammengetreten, um ein offizielles Urteil zu verkünden. Ein Urteil, das längst feststand, weil die Hohenpriester und die Ältesten schon vorher beschlossen hatten, Ihn umzubringen (Mt 26,3.4). Die Verhandlung war ein Schauprozess, der dazu dienen sollte, ihrem abscheulichen Beschluss einen juristisch sauberen Anstrich zu geben. Dabei verdrehten sie seine Worte der Wahrheit zu einer falschen Urteilsbegründung (Lk 22,71). Welch eine niederträchtige Behandlung, ausgerechnet durch das Synedrium! Psalm 64,7 zeigt etwas davon: „Sie denken Schlechtigkeiten aus: Wir haben es fertig, der Plan ist ausgedacht!“ Alles das war Ihm vorher bekannt, trotzdem ließ Er sich auch hierhin freiwillig führen.

3. Vom Synedrium zu Pilatus ins Prätorium (Mt 27,2; Mk 15,1; Lk 23,1; Joh 18,28)

Lange konnte die Verhandlung vor dem Synedrium nicht gedauert haben. Es war immer noch früher Morgen, als der Herr Jesus auch von hier weggeführt wurde. Da Palästina damals unter römischer Herrschaft stand, durften die Juden selbst keine Todesurteile vollstrecken. Deshalb mussten sie Ihn ins Prätorium, den Regierungssitz von Pilatus, bringen. Pilatus, römischer Statthalter von 26 bis 36 n. Chr., war bekannt dafür, Juden meist geringschätzig und provokant zu behandeln. Darüber hinaus war er wohl bestechlich und beugte gerne das Recht. Dementsprechend war das Verhältnis zwischen ihm und den Juden sehr gespannt. Wie tief war das Volk der Juden gesunken, dass sie ihren Messias gebunden vor diesen gottlosen Richter führten! Dort klagten sie Ihn mit erfundenen Vorwürfen an, in der Hoffnung, sein Interesse zu wecken (Lk 23,2). Zunächst erfolglos, denn Pilatus schien den Fall lieber schnellstmöglich „zu den Akten legen“ zu wollen. Für die Juden war Er ein Anstoß geworden, für Pilatus, den Vertreter der Nationen eine Torheit (1. Kor 1, 23). Auch an diesen Ort ließ er sich führen.

4. Von Pilatus zu Herodes gesandt (Lk 23,7)

Pilatus ließ Ihn nun – sicherlich gebunden – zu Herodes Antipas, dem Tetrarchen (Vierfürsten) von Galiläa, wegführen (hier wird im Bibeltext das Wort „senden“ benutzt). Herodes Antipas war nichtjüdischer Herkunft und wegen seiner moralischen Verfehlungen unbeliebt. Er hatte von diesem Jesus gehört und wünschte, Ihn kennenzulernen, in der Hoffnung, eines seiner Wunder zu erleben. Da zwischen Pilatus und ihm Feindschaft bestand, nutzte Pilatus die Gunst der Stunde und sandte Jesus zu ihm. Herodes’ Sensationslust wurde jedoch nicht befriedigt, so dass er den Herrn in seinem Hochmut geringschätzig behandelte und verspottete. Welch eine Erniedrigung für Ihn, der als Einziger das Recht hatte, König der Juden zu sein, von den politischen Machthabern herumgeführt zu werden, um ihren Zwecken zu dienen. Schon Psalm 56,3 redet von seinen Feinden, die Ihn in Hochmut bekämpfen würden – und doch hat Er sich auch dahin bringen lassen.

5. Von Herodes zu Pilatus zurückgesandt (Lk 23,11)

Herodes ließ Ihn wieder zurück zu Pilatus ins Prätorium führen. Die Menschen behandelten ihren Schöpfer wie einen Gegenstand, den man von einem zum anderen reichen konnte. Dort angekommen, musste Er erleben, zu welchem Hass seine Geschöpfe fähig sind. Von Pilatus mehrmals für unschuldig erklärt, kennen sie nur eine Antwort auf die Liebe des von Gott gesandten Emanuel: „Kreuzige ihn, kreuzige ihn!“ (Lk 23,21). Sie wollten lieber einen Mörder freilassen, als darauf zu verzichten, Ihn umzubringen. Mit ihrem Geschrei: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ (Mt 27,25), übernehmen sie sogar die volle Verantwortung für die Ermordung des Unschuldigen. Vor dieser vor Wut rasenden Menge stand der Heiland „wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern; und er tat seinen Mund nicht auf“ (Jes 53,7). Um die Auseinandersetzung nicht weiter eskalieren zu lassen, tat Pilatus ihnen den Gefallen, gab den Mörder Barabbas frei und überlieferte ihnen Jesus zur Kreuzigung. Für die römischen Soldaten, die Ihn jetzt übernahmen, war Er nur ein Gesetzesbrecher, an dem sie ihre ganze Brutalität auslassen konnten. Zunächst unterzogen sie Ihn einer grausamen Geißelung und wir hören Ihn prophetisch sagen: „Pflüger haben auf meinem Rücken gepflügt, haben lang gezogen ihre Furchen“ (Ps 129,3). Dann zogen sie Ihm zum Spott einen Purpurmantel an, setzten Ihm eine Krone aus Dornen auf, schlugen Ihn mit einem Rohr auf sein Haupt (Mt 27,27 ff.). In Psalm 69,20 hören wir Ihn prophetisch sagen: „Du kennst meinen Hohn und meine Schmach und meine Schande; vor dir sind alle meine Bedränger.“ In vollkommenem Gottvertrauen ließ Er sich dahin führen, wo Menschen so mit Ihm umgingen.

6. Vom Prätorium nach Golgatha (Mt 27,31; Mk 15,20; Lk 23,26; Joh 19,16)

Zum letzten Mal wurde der Herr Jesus weggeführt. Im Prätorium waren ihm die Menschen mit blindem Hass, skrupellosem Unrecht und gemeinster Brutalität begegnet. Nun wurde Er an den Platz geführt, den eine verlorene Welt für ihren Heiland übrighatte: nach Golgatha. Es war der Ort, den sie „Schädelstätte“ nannten (Mt 27,33). Wir wissen nicht genau, wo Golgatha lag und wie weit der Weg dorthin war. Aber dieser Weg, auf dem Er weggeführt wurde, war ein Weg schwerster körperlicher und seelischer Leiden. Wie schwer wird wohl das Kreuz, dass Er einen Teil des Weges selbst tragen musste, auf seinem von den römischen Soldaten misshandelten Körper gelastet haben? Wieviel Anfeindung, wieviel Spott mögen Ihm auf diesem Weg begegnet sein? Was muss es für seine Seele gewesen sein, wenn Er an die vor Ihm liegenden Schmerzen dachte? Wenn Er daran dachte, dass Ihn in Kürze am Kreuz die hasserfüllten Blicke derer treffen würde, für die Er in Begriff stand zu sterben? Was mag Er – von Sündern weggeführt – empfunden haben, wenn Er an die vor Ihm liegenden drei Stunden der Finsternis dachte, in welchen Er selbst erfahren sollte, wie Gott im Gericht mit Sünde umgehen muss? Wie schwer wird der vor Ihm liegende Sühnungstod vor seiner Seele gestanden haben? Hatte sich nicht schon auf diesem Weg das Wort aus Psalm 88,4 erfüllt: „Denn satt ist meine Seele vom Leiden …“? Trotzdem ließ Er sich weiterführen, bis zum Kreuz.

Fazit

In der Stunde der Menschen und der Gewalt der Finsternis ließ der Herr Jesus sich von einer Leidens-Station zur nächsten führen. Dazu zwingen konnte Ihn keiner, wie wir das deutlich bei seiner Gefangennahme sehen, als vor Ihm die mehrere hundert Mann starke Feindesschar in Gethsemane zurückweichen und niederfallen musste (Joh 18,6). Nein, Er ließ sich freiwillig wegführen. Als der wahre Knecht Gottes ließ Er sich durch die Verachtung und die Leiden von Seiten der Menschen nicht davon abbringen, seinen Weg zum Kreuz zu gehen, wo Er das große Sühnungswerk vollbracht hat!

So gingst Du hin zum Kreuze als Gottes treuer Knecht, durch ew’ge Lieb getrieben, gehorsam und gerecht.

Henning Panthel

Im Glauben Leben