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Die Gleichnisse    JDP


Vorwort   

die Gleichnisse Jesu haben seit langem Ausleger herausgefordert und Prediger angeregt, da in ihrer ein-
fachen Form tiefste Wahrheiten offenbart worden sind. Doch gerade diese Einfachheit wurde für die Ausleger zu einer trügerischen Falle. Eine Untersuchung verschiedener Veröffentlichungen zeigt, dass viele statt der Betrachtung der Kontexte, in denen die Gleichnisse entstanden sind, und des Hintergrundes, vor dem sie erzählt wurden, die Gleichnisse in bereits vorhandene Wahrheiten zwängten, die sie als Ausleger in ihren Köpfen hatten, die jedoch nicht dem Text selbst entstammten.

Einige hauptberufliche Prediger wandten eine allegorische Auslegungsmethode an, um Gemeinden mit ihren Fähigkeiten zu beeindrucken, Wahrheiten in den Worten Jesu zu entdecken, die bis dahin unentdeckt waren.

Es wird oft übersehen, dass es der Hauptzweck der Gleichnisse war, diejenigen zu unterweisen, denen die Gleichnisse ursprünglich erzählt wurden. In dieser kurzen Arbeit wird der Versuch gemacht, durch eine Untersuchung der Kontexte, in denen die Gleichnisse erzählt wurden, und des Hintergrundes, vor dem sie vermittelt wurden, die grundlegenden Wahrheiten zu entdecken und darzustellen, die der Herr mitzuteilen versucht hat. Da die Gleichnisse in erster Linie für die Unterweisung konzipiert waren, wird der Schwerpunkt eher auf die Lehre als auf die Anwendung gelegt werden.

Eine korrekte Anwendung kann nur erfolgen, wenn sie auf einer korrekten Auslegung beruht.
Das Anliegen des Verfassers ist es, die Worte des Herrn zu interpretieren, um seine Unterweisung zu entdecken.
Es ist der Wunsch des Verfassers, dass der Leser zu einem klareren Verständnis der Wahrheit kommt, die in den Gleichnissen enthalten ist, und zu einer tieferen Liebe dessen, von dem gesagt wurde: »Niemals hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch« (Johannes 7,46).


Einführung

Stilfiguren sind ein Teil jeder Sprache. Sie verschönern und bereichern die Sprache.
Wie nüchtern wäre das Hohelied, wenn die Liebenden ihre Liebe nicht in den reichen Wendungen ausgedrückt hätten, die sie gebrauchten!

Doch Stilfiguren verzieren nicht nur die Sprache, sie leisten mehr. Sie sind das Mittel, durch das abstrakte Ideen mitgeteilt werden. Indem Gedanken aus einem vertrauten Gebiet in ein unbekanntes Terrain übertragen werden, lernt man Wahrheit im Unbekannten durch das, was einem im Bekannten bereits vertraut ist.

Die Hauptfunktion der Stilfiguren besteht also darin, Gedankengänge mitzuteilen.

 Ganz gleich, ob die Stilfigur nun einfach oder komplex ist, sie hat stets diese eine Grundfunktion.
 Es gibt in der Heiligen Schrift verschiedene Stilfiguren, die als »Gleichnis« bezeichnet werden.

Im Alten Testament wird beispielsweise das hebräische Wort maschal, das manchmal mit »Gleichnis« übersetzt wird, eigentlich in vielen unterschiedlichen Bedeutungen verwendet.
Ein guter Hinweis oder ein weiser Rat wird Gleichnis genannt (4Mo 23,18; Hi 27,1; Ps 49,4; 78,2),
wenn er der Dummheit des Dummen gegenübergestellt wird (Spr 26,7.9).

Eine prophetische Botschaft wurde ebenso Gleichnis genannt (4Mo 24,15)
wie eine Gerichtsbotschaft (Mi 2,4; Hab 2,6).

Die Leute, denen Hesekiel seine Botschaft brachte, verwarfen seine Warnungen und Ermahnungen, indem sie fragten: »Redet er nicht in Gleichnissen?« (Hes 20,49).

Es wird darauf hingewiesen, dass, obwohl das Alte Testament das Wort Gleichnis in einer Vielzahl von Bedeutungen verwendet, bei jeder dieser Bedeutungen im Mittelpunkt steht, dass ein zentraler Gedanke vom Sprecher zum Hörer übermittelt werden soll.

 Auch im Neuen Testament wird das Wort »Gleichnis« für viele verschiedene Stilfiguren verwendet.
Ein Gleichnis kann die Form eines Vergleichs haben, bei dem eine Ähnlichkeit festgestellt wird.

Jesus sagte: »Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe; so seid nun klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben« (Mt 10,16).
Der Gebrauch von »gleich« oder »wie« bestimmt eine Stilfigur als einen Vergleich.

Das Gleichnis kann die Form einer Metapher haben, die unterschwellig einen Vergleich enthält.

Zum Beispiel sagte Jesus: »Ich bin die Tür der Schafe« (Joh 10,7).
Das Gleichnis kann die Form eines Gleichnisses im eigentlichen Sinne annehmen. Bei dieser Stilfigur wird eine Übertragung aus einem bekannten Bereich vorgenommen.
Sie basiert auf dem, was man normalerweise tut, nicht auf dem, was eine bestimmte Person wirklich tat.

Als Jesus sagte:
»Das König-Reich der Himmel gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Maß Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war«, verwendete er ein Gleichnis im eigentlichen Sinne.
Jeder, der weiß, wie man Brot backt, kann aus diesen Worten Wahrheit lernen, weil dieser Vorgang so alltäglich ist.

Das Gleichnis kann die Form einer Erzählung annehmen. Anstatt wie in einem Gleichnis im eigentlichen Sinne Wahrheit auf der Grundlage dessen zu übertragen, was man normalerweise tut, ist das erzählende Gleichnis spezifisch; es überträgt Wahrheit, indem es einen besonderen Vorfall heranzieht und die Aufmerksamkeit darauf lenkt, was eine bestimmte Person tat.

So leitete Jesus drei Gleichnisse folgendermaßen ein:
1) »Ein Mensch hatte zwei Söhne« (Lk 15,11),
2) »Es war ein reicher Mann« (Lk 16,1)
3) »Es war ein Richter in einer Stadt« (Lk 18,2).

 Das erzählende Gleichnis war die Stilfigur, die Jesus am häufigsten verwendete,
um seinen Hörern Wahrheit zu vermitteln.

 Da Sprichwörter ebenfalls durch Übertragung lehren, wurden sie manchmal auch Gleichnisse genannt (z.B. Lk 6,39).

In Lukas 4,23 wird das Wort parabole mit »Sprichwort« übersetzt.
Eine andere Übersetzung der Grundbedeutung von parabole ist »Gleichnis«
(Mt 24,32; Mk 13,28; Hebr 9,9; 11,19). 10 11

Das erzählende Gleichnis
findet sich auch im Alten Testament.
 Um das Urteil über David wegen seiner Sünde mit Batseba zu überbringen, gebrauchte Nathan ein erzählendes Gleichnis, in dem er Davids Sünde an einem Fallbeispiel rekonstruierte (2Sam 12,1-4).

Dieses erzählende Gleichnis nahm die Form vieler Gleichnisse unseres Herrn vorweg.
Obwohl sich jedes der oben genannten Gleichnisse vom anderen unterscheidet,
sind sie sich alle darin ähnlich, dass die zu lernende Wahrheit auf einer Übertragung aus dem realen Leben beruht.

Der Inhalt ist jedes Mal bekannt und liegt im Bereich des Möglichen.
In einem Gleichnis wird nicht versucht, etwas aus einem unbekannten Bereich in einen anderen unbekannten Bereich zu übertragen;
die Übertragung geschieht stets vom Bekannten zum Unbekannten.
Bei einer Allegorie wird - im Gegensatz zu einem Gleichnis - eine Geschichte konstruiert,
die nicht auf der Wirklichkeit gründet.
 
Die Übermittlung mit Hilfe einer Allegorie hängt daher nicht von einer objektiven Realität, sondern von dem subjektiven Gebrauch der Vorstellungskraft des Hörers ab.

Es gibt mehrere Beispiele für allegorische Übermittlung im Alten Testament.
So wurde Hesekiel befohlen:
 »Menschensohn, gib ein Rätsel auf und rede ein Gleichnis zum Haus Israel« (Hes 17, 1). Der Prophet beabsichtigte, die Invasion Jerusalems durch Nebukadnezar und die darauf folgende Deportation des Volkes nach Babylon zu skizzieren.
 Dies tat er, indem er eine Allegorie konstruierte, in der ein Adler den obersten Trieb vom Wipfel einer Zeder abbrach, ihn forttrug und in einem neuen Land einpflanzte.

Diese ganze Erzählung ist eine Allegorie, weil sie der Natur widerspricht.
Hier tut ein Adler, was Adler normalerweise nicht tun. Damit das Volk die Allegorie verstehen konnte,
musste der Prophet seine Botschaft auslegen.

Ein anderes anschauliches Beispiel für eine Allegorie findet sich in Richter 9.
Die Bürger von Sichern hatten Abimelech zu ihrem König gekrönt. Als Jotam hörte, was sie getan hatten, wies er sie zurecht, indem er eine Allegorie konstruierte. In anschaulicher Weise schilderte er, dass sich die Bäume des Waldes einen König suchten.
Sie baten den Ölbaum, ihr König zu sein, doch der Ölbaum lehnte ab.
Daraufhin baten sie den Feigenbaum, ihr König zu sein, aber auch der Feigenbaum lehnte ab. Dann trugen sie ihre Einladung dem Weinstock vor, doch auch der Weinstock lehnte ab.

Zuletzt kamen sie zum Dornbusch und baten ihn, ihr König zu sein.
Der Dornbusch stimmte unter der Bedingung zu, dass sich die Bäume seiner Autorität unterwarfen.
Durch diese Allegorie offenbarte Jotam, dass die Leute von Sichern den Unwürdigsten unter ihnen zu ihrem König gewählt hatten.
Diese Erzählung ist eine Allegorie, weil sie nicht auf der Wirklichkeit beruht. Sie steht im Gegensatz zur Natur, denn echte Bäume verhalten sich nicht wie die Bäume in der Erzählung.
In einer Allegorie wird also die Wahrheit nicht durch die Übertragung aus dem bekannten Bereich auf einen unbekannten Bereich transportiert. Die Wahrnehmung der Wahrheit durch die Allegorie beruht auf dem Vorstellungsvermögen des Hörers statt auf der logischen Übertragung der Wahrheit aus der wirklichen Welt auf den unbekannten Bereich.

Eine Allegorie wird so konstruiert,
dass die Wahrheit durch jeden einzelnen Teil der Allegorie gelehrt wird.
Das erfordert vom Ausleger einer Allegorie, dass er sich mit jedem einzelnen Detail befasst. Im Gegensatz dazu ist ein Gleichnis dazu gedacht, eine einzige grundlegende Wahrheit zu lehren; die Details eines Gleichnisses können dabei völlig nebensächlich sein.

Halten wir fest, dass der Herr Jesus Christus keine Allegorien als Stilmittel gebrauchte,
um Wahrheit zu vermitteln.

Wie Jesus Gleichnisse verwendete

 Während seines gesamten Dienstes betonte Jesus in großem Maße die Wichtigkeit seiner Worte.

Dasselbe gilt für seine Wunder.
 Seine Worte waren ein wichtiger Beweis für seine Identität (Joh 8,28; 14,10).
Ungefähr ein Drittel der Lehre Jesu, wie sie in den Evangelien berichtet wird, geschah in Form von Gleichnissen.

 Daher muss man sich die Frage stellen, warum Jesus diese Methode der Wahrheitsvermittlung so intensiv einsetzte.
Jesus selbst erklärte, warum er Gleichnisse in seiner Lehre verwendete (Mt 13,10-17).

Das tat er, nachdem er das Gleichnis von dem Sämann, der Saat und den verschiedenen Ackerböden erzählt hatte; danach fragten ihn die Jünger:
» Warum redest du in Gleichnissen zu ihnen?«
Aus ihrer Frage geht hervor, dass sie erkannt hatten, dass er eine neue Lehrmethode anwendete.
Ihre Frage ist interessant in Anbetracht der Tatsache, dass Jesus im Verlauf seines Dienstes schon zuvor eine Reihe von Gleichnissen erzählt hatte, wenn auch nicht von der Art des erweiterten erzählenden Gleichnisses.

Jesus erklärte folgendermaßen,
 warum er erzählende Gleichnisse gebrauchte:
»Weil euch gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu wissen,
jenen aber ist es nicht gegeben; denn wer hat, dem wird gegeben und überreichlich gewährt werden; wer aber nicht hat, von dem wird selbst, was er hat, genommen werden.

Darum rede ich in Gleichnissen zu ihnen, weil sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören noch verstehen;
und es wird an ihnen die Weissagung Jesajas erfüllt, die lautet:
Mit Gehör werdet ihr hören und doch nicht verstehen,
und sehend werdet ihr sehen und doch nicht wahrnehmen« (Mt 13,11-14).

Jesus erklärte einerseits, dass er die Gleichnismethode in seiner Lehre gebrauchte, um einigen Wahrheit zu offenbaren, doch andererseits gebrauchte er sie, um die Wahrheit vor anderen zu verbergen.
Es war eine gemischte Hörerschaft, die seine Lehre empfing;
 manche waren Gläubige und andere waren Ungläubige.
Manche schenkten seiner Person und seinem Angebot Glauben, doch andere hatten seinen Anspruch, der Messias zu sein, abgelehnt. Es war unmöglich, diese beiden Gruppen zu trennen. Christus wollte Gläubige unterweisen, doch er wollte Ungläubigen nicht weitere Verantwortung aufbürden, indem er ihnen Wahrheit vermittelte, für deren Kenntnis sie verantwortlich gemacht werden würden.

Johannes der Täufer
war den Juden als der Prophet von Gott erschienen, dessen Dienst es war, ihnen den Messias vorzustellen. Er rief das Volk zur Buße auf und dazu, sich darauf vorzubereiten, dem Messias zu begegnen und in sein Königreich zu gelangen. Ihre Früchte der Rechtschaffenheit würden die Echtheit ihrer Buße zeigen. Als Johannes seinen Dienst beendet hatte, bot sich Jesus selbst öffentlich dem in Erwartung stehenden Volk als der Messias an. Er bestätigte seinen Anspruch als Messias und sein Angebot des Gottesreiches durch die Wunder, die er tat.
 Matthäus 8-11
enthält einige der bestätigenden Wunder, die Jesus den Juden präsentierte. Während dieser Zeit erzählte Jesus nur einige wenige Gleichnisse. In Matthäus 12 ist ein Wendepunkt im Leben Jesu erreicht. Weil er einen von einem Dämon besessenen blinden und stummen Mann befreite, brachten die Leute an dieser Stelle ihre Bereitschaft zum Ausdruck, ihn als Retter und Herrscher anzunehmen, indem sie sagten:

»Dieser ist doch nicht etwa der Sohn Davids?« (V. 23).
Im Griechischen wird auf die Frage zwar eine negative Antwort erwartet; trotzdem war der Beweis, den Jesus präsentierte, so hinreichend, dass das Volk ihn als Messias akzeptiert hätte, wenn nur die Führer des Volkes ihre Zustimmung dazu gegeben hätten. Angesichts einer solchen Haltung Christus gegenüber boten die Pharisäer eine andere Erklärung an. Sie lehnten es ab, dass Jesus seine Macht von Gott empfing und der von Gott gesandte Messias war; statt dessen behaupteten sie, dass er seine Macht von Satan empfing und daher nicht Israels Messias sein konnte. Der Unglaube der Führer Israels bei diesem Ereignis nahm die endgültige Ablehnung Christi durch die ganze Nation vorweg, die zu seinem Tod am Kreuz führen würde. Jesus führte drei Beweise an, um zu zeigen, dass er seine Macht nicht vom Satan erhielt (V. 25-29). Er sprach eine ernste Warnung aus, indem er bestätigte, dass das Volk ein schweres Gericht würde erleiden müssen, wenn es weiterhin der Deutung der Pharisäer Glauben schenkte.

Die Pharisäer forderten daraufhin Jesus auf zu beweisen, dass er vom Himmel gekommen sei, durch etwas, was sie eindeutig nicht dem Satan zuweisen konnten. Jesus kündigte daraufhin das Zeichen Jonas an. Christi Auferstehung, die auf seinen Tod folgte, würde solch ein Zeichen sein, das Satan keinesfalls nachahmen konnte, und daher würde es ihn als Israels Messias bestätigen. Der Bericht vom Konflikt mit den Pharisäern schließt mit der Anmerkung, dass Jesu Mutter und Brüder am Rand der Menschenmenge standen und ihn zu sprechen wünschten.

Jesus ignorierte ihre Bitte, weil sie allein auf ihrer leiblichen Verwandtschaft mit ihm beruhte. Sie waren durch Blutsbande mit ihm verbunden. Jesu Absicht zu dem Zeitpunkt war es jedoch zu zeigen, dass eine geistliche Glaubensbeziehung zu ihm notwendig war. Daher wies er diejenigen ab, die sich auf eine Blutsverwandtschaft mit ihm beriefen. »Und er streckte seine Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, meine Mutter und meine Brüder! Denn wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter« (V. 49-50). So wird in Matthäus 12 ein Hinweis darauf gegeben, dass die ganze Nation im Begriff war, Jesus als Messias abzulehnen, und ihn schließlich endgültig verwerfen würde, indem sie seinen Tod verlangte. Jesus wiederum machte deutlich, dass er ihre Entscheidung ernst nahm und sein Angebot des Königreiches, das er unterbreitet hatte, dieser Generation gegenüber zurückzog. Die Gottesherrschaft in ihrer Ausprägung als Königreich wurde auf eine spätere Zeit verschoben, wenn er in Macht und Herrlichkeit zurückkehren wird, um zu regieren.

 Die Schlussfolgerung, dass sich die Gottesherrschaft als Königreich im Stadium der Verschiebung befindet, erklärt, warum Jesus die Wahrheit des königlich- messianischen Regierungsprogramms denen vermitteln wollte, die seiner Person Glauben geschenkt hatten und konsequent zu ihm gehörten. Hätte Jesus ohne den Gebrauch von Stilfiguren gesprochen, würden sowohl Gläubige als auch Ungläubige gehört und verstanden haben, was er sagte. Ungläubige hätten ein größeres Gericht auf sich geladen, weil sie trotz weitergehenden Wissens gesündigt hätten. Deshalb wählte Christus die Gleichnismethode zur Unterweisung. Indem er Gleichnisse verwendete, konnte Christus die Wahrheit vor Ungläubigen verbergen, um sie von der Verantwortung zu befreien, die erweitertes Wissen mit sich bringen würde; gleichzeitig konnte er aber Gläubigen die Wahrheit übermitteln. Von diesem Zeitpunkt seines Lebens an bis zum Ende erzählte Jesus die meisten seiner Gleichnisse. Wenn es zwischen dem Zeitpunkt der Ablehnung Jesu und seiner Kreuzigung noch Wunder gab, dann waren sie nicht dazu gedacht, die Juden davon zu überzeugen, dass er der Messias war. Ihre Bedeutung muss im Licht von Israels unumkehrbarem Zustand der Ablehnung verstanden werden. Die Wunder waren dazu gedacht, die Wahrheit für Gläubige zu vermitteln, die anschließend durch die Worte und die Werke Christi gelehrt werden sollte.

Die Auslegung der Gleichnisse

 Als Jesus Gleichnisse erzählte, die so gestaltet waren, dass sie Gläubigen Wahrheit vermittelte, erwartete er von den Gläubigen, dass sie die Gleichnisse verstanden, ihre notwendige Übertragung leisteten, um die Wahrheit aufzunehmen, die er zu übermitteln suchte. Es ist interessant anzumerken, dass von all den Gleichnissen, die erzählt wurden, nachdem die Führer des Volkes gezeigt hatten, dass sie Jesus als Messias ablehnten (Mt 12), nur zwei Gleichnisse von Jesus ausgelegt wurden.

Es war das Gleichnis vom Sämann, der Saat und den verschiedenen Ackerböden und das Gleichnis vom Unkraut. Da dies eine neue Methode war, die Wahrheit zu übermitteln, legte Jesus diese beiden Gleichnisse aus, um ein Auslegungsmuster für all seine Gleichnisse zu schaffen. Die Tatsache, dass er seine darauf folgenden Gleichnisse nicht auslegte, zeigt, dass er von seinen Hörern voll und ganz erwartete, dass sie verstanden, was er lehrte. Das ist interessant angesichts der heutigen Verwirrung über die Wahrheit, die Jesus durch seine Gleichnisse zu vermitteln suchte, und der Vielzahl von Auslegungen, die es über sie gibt. Um die Gleichnisse korrekt auszulegen, muss man bestimmte Grundsätze beachten.

Der erste Grundsatz, den der Herr selbst festlegte, ist, dass die Gleichnisse vom »Reich der Himmel« handeln (Mt 13,11).

Das König- Reich der Himmel ist die Sphäre, über die der souveräne Gott herrscht.

Gott als Souverän hat das Recht, Autorität in der Verwaltung seiner Herrschaft zu delegieren. In alttestamentlichen Zeiten wurde die Gottesherrschaft zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Weise verwaltet. Als Adam im Garten Eden war, herrschte Gott unmittelbar über ihn. Gott wies Adam Autorität zu, und er erwartete von ihm, dass er Herrschaft in Gottes Namen ausübte.
Nach dem Sündenfall herrschte Gott indirekt durch das Gewissen, das bezeugte, dass Gottes Gesetz in den Herzen der Menschen geschrieben worden war (Röm 2,15). In der Zeit nach der Flut herrschte Gott durch eine menschliche Regierung, indem er Statthalter einsetzte, die mit der Verantwortung betraut waren, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten und ein Klima zu schaffen, in dem rechtschaffene Menschen in Frieden leben konnten. Es lag im Verantwortungsbereich derer, die die Regierung verwalteten, Gottes Autorität auszuüben, selbst wenn dies den Tod eines Gesetzlosen bedeutete (Röm 13,1-7). Bei der Erwählung Abrahams plante Gott in Bezug auf seine Herrschaft, dass sie sich in dem Volk, das sich aus den Nachkommen des Patriarchen bilden würde, entwickeln und durch Israel auf die ganze Welt ausgedehnt werden sollte.

Gott wies
Patriarchen,
Richtern,
Königen und
Propheten als seine Verwalter in seinem Königreich Autorität zu. Damals versprach Gott, dass der endgültige Repräsentant göttlicher Herrschaft aus Davids Stammbaum hervorgehen, Davids Thron einnehmen und über Davids Königreich regieren werde. Also erwartete das Bundesvolk das Tausendjährige Reich als die höchste Form der Gottesherrschaft. Allerdings wurde im Alten Testament nicht deutlich offenbart, dass das Volk den Messias ablehnen und ihn zum Tode verurteilen wird, wenn er kommt und sich dem Volk als König anbietet, um den Bund durch die Aufrichtung des Königreiches zu erfüllen. Aufgrund der Ablehnung des Messias musste die Königsherrschaft Gottes zunächst zurückgestellt werden.

Es war Gottes Plan, im jetzigen Zeitalter zwischen Israels Ablehnung und der zukünftigen Annahme des Messias eine neue Gestalt der Gottesherrschaft zu entfalten. Diese neue Gestalt sollte nicht die endgültige Erscheinungsform der Gottesherrschaft sein, sondern vielmehr eine vorläufige. Als Jesus in Mt 13,11 »die Geheimnisse des Reiches der Himmel« erwähnte, bezog er sich auf bisher unbekannte Einzelheiten über die Herrschaft Gottes, die nicht im Alten Testament offenbart, aber nun durch seine Unterweisung erhellt wurden. Es ist wichtig zu beachten, dass sich ein großer Teil der Lehre Jesu durch die Gleichnisse mit dieser neuen Form der Gottesherrschaft, nämlich dem Reich der Himmel beschäftigt. Viele der Gleichnisse des Herrn beginnen mit diesen Worten: »Mit dem Reich der Himmel ist es wie« (vgl. Mt 13,24.31 u.a.), was überdies zeigt, dass in den Gleichnissen vor allem das Programm der Königsherrschaft Gottes im Blick ist. Da das Konzept der Gemeinde innerhalb des Zeitrahmens entwickelt wird, der durch die Gleichnisse abgedeckt wird, und weil die Gemeinde ein Teil des Programms der Gottesherrschaft ist, haben viele Ausleger fälschlicherweise die Gleichnisse direkt auf die Gemeinde angewendet (als ob sie in erster Linie für die Gemeinde anwendbar wären). Doch wir dürfen nicht vergessen, dass die Gleichnisse erzählt wurden, um Wahrheit zu offenbaren, die das allgemeine Programm der Königsherrschaft Gottes betrifft.

Ein zweiter wichtiger Grundsatz bei der Auslegung ist, den unmittelbaren Kontext zu beachten. Gleichnisse wurden nie in einem Vakuum erzählt. Jedes Mal, wenn Jesus ein Gleichnis erzählte, erläuterte er eine Frage oder ein Problem, mit dem seine Hörer konfrontiert waren. Daher war jedes Gleichnis dazu gedacht, ein Problem zu lösen oder eine Frage zu beantworten. So war beispielsweise das Gleichnis vom beharrlichen Freund (Lk 11,5-7) Jesu Antwort auf die Bitte eines Jüngers: »Herr, lehre uns beten« (V. 1). Das Gleichnis vom reichen Mann und von Lazarus (Lk 16,19-31) wurde erzählt, weil die Pharisäer »geldliebend waren« und ihn »verhöhnten« (V. 14).

Dieser Grundsatz gilt für alle Gleichnisse, ganz gleich, ob die Frage oder das Problem genannt, angedeutet oder nur von Jesus selbst erkannt wird. Der Ausleger muss daher den unmittelbaren Kontext untersuchen, um das Problem oder die Frage zu entdecken, auf die sich Jesus bezog. Sobald diese entdeckt sind, kann der Ausleger mit der Auslegung fortfahren, die wiederum eine Antwort auf das Problem geben muss. Wenn die Antwort nicht zu der Frage oder zu dem Problem passt, hat der Ausleger entweder die Frage falsch verstanden oder das Gleichnis falsch ausgelegt. Dieser Grundsatz setzt der Auslegung Grenzen. Er wird verhindern, dass man sich seinem Einfallsreichtum hingibt, und er wird fantasievollen Höhenflügen bei der Auslegung Einhalt gebieten. Der Teil des Gleichnisses, der die Antwort auf die zugrunde liegende Frage oder das Problem enthält, darf ausgelegt werden. Und all die Aspekte, die unwesentlich sind und nichts zur Lösung beitragen, dürfen außer Acht gelassen werden. Es mag zuweilen vorkommen, dass das Problem oder die Frage nicht klar erkannt wurde, bevor man das Gleichnis auslegte; dann kann der Ausleger jedoch durch die Erforschung des Kontextes für gewöhnlich einen Hinweis auf das Problem oder die Frage finden, die dazu geführt haben, dass das Gleichnis erzählt wurde.

      Hat man den weiteren Kontext bestimmt und die Grenze für die Auslegung des Gleichnisses aus dem unmittelbaren Kontext erkannt, kann man damit fortfahren, das Gleichnis selbst auszulegen. Das wird zu einem dritten wichtigen Grundsatz der Auslegung führen: Das Gleichnis selbst muss nämlich untersucht werden, um zu bestimmen, was genau der fragliche Vergleichspunkt ist. In dem Gleichnis von der beharrlichen Witwe (Lk 18,1-8) beispielsweise liegt die Betonung nicht auf der Person des Richters, sondern auf der Beharrlichkeit der Witwe. Wenn der Figur des Richters unnötig viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, wird das Gleichnis falsch ausgelegt werden. Daraufhin müssen wir herausfinden, welche von den vielen Einzelheiten in dem Gleichnis relevant sind. Es gibt einen vierten Grundsatz. Da ein Gleichnis Wahrheit aus einem bekannten in einen unbekannten Bereich überträgt, muss der Ausleger den Gegenstand oder den Sachverhalt des Gleichnisses genauestens untersuchen, auf den angespielt wird und von dem die Wahrheit übertragen werden soll. Man kann das Gleichnis vom Sämann nicht auslegen, solange man nicht den Vorgang der Aussaat gründlich verstanden hat.

Man kann das Gleichnis vom neuen Wein in alten Schläuchen nicht verstehen, solange man nicht mit dem Vorgang der Weinproduktion zur Zeit Jesu gründlich vertraut ist. Es ist völlig unmöglich, die Wahrheit in einem Gleichnis zu entdecken, wenn wir unsere Kultur der Kultur der Umwelt Jesu überstülpen.
Deshalb muss der Ausleger von Gleichnissen mit der
Geschichte,
Geografie,
Kultur und den Gebräuchen
der biblischen Zeit gründlich vertraut sein.

Man muss lernen, so zu denken, wie es die Menschen taten,
die zur Zeit des Herrn lebten. Daher wird ein Bibellexikon oder ein Buch über biblische Gebräuche bei der Auslegung von Gleichnissen ein Hilfsmittel von unschätzbarem Wert sein. Eine Schwierigkeit, der wir heute beim Auslegen von Gleichnissen gegenüberstehen, ist das Verstehen des Bezugsrahmens, in dem die Gleichnisse beheimatet sind. Dieser muss deutlich erkannt werden, bevor wir die Gleichnisse verstehen können. Diejenigen, die Jesus zuhörten, hatten diese Schwierigkeit nicht, denn sie lebten in dieser Kultur und waren gründlich mit ihr vertraut. Es gab für den Herrn keinen Grund, ihnen die Dinge zu erklären, auf die er sich bezog und auf die hin er seine Gleichnisse konstruierte. Um ein guter Ausleger zu sein, muss man versuchen, mit der Kultur, den Gebräuchen und dem täglichen Leben in Palästina ebenso vertraut zu werden wie diejenigen, die Jesus zuhörten.

      Wenn man diese Vertrautheit erreicht hat, kann man damit fortfahren, die Gleichnisse auszulegen. Wenn der Ausleger die Struktur und Funktion einer Tür oder eines Tores kennt, wird er verstehen, was Jesus meinte, als er sagte: »Ich bin die Tür« (Joh 10,7).

Der Ausleger wird wissen, dass Jesus offenbarte, dass er der Weg ist, durch den man Zugang zu Gott findet, und dass er denen Schutz und Sicherheit zuteil werden lässt, die durch ihn zu Gott kommen. Darüber hinaus wird der Ausleger wissen, dass diejenigen, die in diese Sicherheit eintreten, die Freiheit finden werden und ein und ausgehen können. Wer sich gründlich mit der Arbeit des Hirten vertraut gemacht hat, wird verstehen, dass Jesus, als er sagte: »Ich bin der gute Hirte« (V. 14), offenbarte,' dass er die Gläubigen als sein Eigentum beanspruchte; er wird sie führen, sie beschützen, ernähren und für sie sorgen, ganz nach ihren individuellen Bedürfnissen. Daraus wird klar erkennbar, dass man über die Ausdrucksform Bescheid wissen muss, bevor man durch eine solche die Lehre erkennen kann. Die eigentliche Wahrheit, die aus einem Gleichnis gelernt werden kann, hängt vom exakten Verständnis der Bezüge des Gleichnisses ab. Der Gebrauch einer Stilfigur erfordert keine bildhafte oder nichtwörtliche Auslegung. Vielmehr erfordert bildhafte Sprache eine wörtliche Auslegung vom bekannten Bereich hin zum unbekannten, wenn die Wahrheit der Stilfigur ermittelt werden soll.

    Mit Hilfe dieser einfachen, aber notwendigen Grundsätze können wir mit der Untersuchung der Gleichnisse fortfahren. In jedem Fall wird der Kontext untersucht werden; danach werden wir im Licht des Kontextes versuchen, die ausgedrückte, angedeutete oder erkannte Frage oder das Problem zu entdecken, auf die das Gleichnis antwortet; und zuletzt werden wir das Gleichnis so auslegen, dass es die Frage oder das Problem beantwortet. Die Auslegung kann dann daran überprüft werden, ob sie die Frage beantwortet, die zu dem Gleichnis geführt hatte