Hesekiel Walvoord Hesekiel (Charles H. Dyer)
3. Der Feind (Edom) wird zerstört
( Hes 35 )
Warum widmete Hesekiel Edom eine zweite Weissagung (vgl. Hes 25,12-14 ),
und warum finden wir diese inmitten dieses Abschnittes über die
Wiederherstellung Israels? Vermutlich wurde Edom deshalb hier eingefügt,
um stellvertretend das Gericht deutlich zu machen, das Gott auf alle
Völker legen wird, die sich Israel entgegenstellen. Edom war der
Prototyp aller späteren Feinde Israels. Die Vernichtung von Edom würde
ein Signal sein für den Anfang des Gerichtes Gottes über die ganze Erde,
weil dieses Volk Israel so feindlich behandelt hatte (vgl. 1Mo 12,3 ).
Die Weissagung gegen Edom besteht aus drei Teilen, von denen jeder mit
der bei Hesekiel so häufigen Wendung endet: "Dann wirst du / werden sie
erkennen, daß ich der Herr bin" ( Hes 35,4.9.15 ).
Hes 35,1-4
In einer direkten Gerichtsaussage über Edom sagte Gott: Ich bin gegen
dich, Berg Ser . Ser, Edoms geographischer Name, war das Berggebiet
östlich des Wadi Arabah im Süden des Toten Meeres. In diesen Bergen
wohnten die Edomiter. Gott würde dieses Volk so verlassen machen wie ihr
Land.
Hes 35,5-9
Der zweite Abschnitt der Weissagung entsprach wieder der bei Hesekiel
bekannten "weil/darum"-Formel (die er auch in Hes 25,1-17 benutzt). Er
erläuterte, warum Edom gerichtet werden würde. Edoms Sünde war seine
Feindschaft gegen Israel. Es hatte eine alte Feindschaft gepflegt und
die Israeliten dem Schwert überantwortet (vgl. Ob 1,10-14 ). Edom
hoffte, aus dem Verlust Israels profitieren zu können. Deshalb
unterstützte es den Zusammenbruch Israels.
Weil Edom bei dem Untergang Israels geholfen hatte, würde Gott auch bei
seinem Untergang helfen. Viermal (im Hebr.) spricht Gott in Hes
35,6 vom Blutbad ( dAm , wörtl.: "Blut"). Dies könnte ein Wortspiel sein
mit dem Namen Edoms ( ?MDOm ; von ?ADOm , "rot sein"). Edom, mit seinen
roten Bergen, ist nun rot vor Blut. Da du das Blutbad nicht haßtest,
wird das Blutbad dich verfolgen . Edom würde das gleiche Schicksal
erleiden, das es auf Israel legen wollte (vgl. die Anmerkungen zu
Obadja). Viele Menschen würden erschlagen werden, und ihre Städte würden
verlassen, nicht mehr bewohnt sein.
Hes 35,10-15
Hesekiel benutzte erneut die "weil/darum"-Formel. Edom hatte auch
gesündigt, weil es das Land besitzen wollte, das Gott Juda und Israel
versprochen hatte. Edom hatte gesagt, daß diese beiden Völker sein
Besitz werden würden. Gott hat Juda und Israel für ihre Sünden hart
bestraft, aber er hatte seine Verheißungen an Abraham und dessen
Nachfolger niemals vergessen. Edom hatte versucht, Israels Anspruch auf
das Land an sich zu reißen, das ihnen doch von Gott zugesagt worden war.
Gottes Gericht entsprach der Schuld Edoms: Ich werde dich behandeln
entsprechend dem Ärger und der Eifersucht, die du in deinem Haß gegen
sie gezeigt hast (V. 11 ). Edom hatte es gewagt, gegen Gottes
auserwähltes Volk vorzugehen. Nun würde es die Folgen tragen müssen. In
seinem Rühmen gegen Gott (V. 13 ) hatte sich Edom gefreut, als Israel
verwüstet wurde. Deshalb würde Gott auch Edom verwüstet werden lassen.
Sein Verhalten gegen Israel bestimmte nun sein eigenes Schicksal.
Edom war ein Beispiel für alle Völker. Wenn Gott Israels Schicksal in
der Zukunft wenden würde, dann würde er die anderen Völker der Welt
entsprechend ihrer Behandlung Israels richten (vgl. Mt 25,31-46 ). Sie
werden an ihrem Verhalten gegen Israel gemessen.
4. Das Volk wird gesegnet
( Hes 36 )
Kapitel 36 steht im Gegensatz zu Kapitel 35 . Wenn Gott zugunsten
Israels eingreift, werden die "Berge" der Feinde Israels gerichtet ( Hes
35,1-3.8 ), aber die "Berge Israels" (vgl. Hes 35,12 ) werden gesegnet
( Hes 36,1 ). In Vers 1 - 7 wird noch einmal Edom herausgegriffen als
Stellvertreter für alle Völker, die Israel böse wollen (vgl. V. 5.7 ).
Der erste Abschnitt dieser Weissagung (V. 1 - 15 ) vergleicht nach dem
"weil/darum"-Schema das Gericht über die Völker mit der
Wiederherstellung Israels. Der zweite Abschnitt (V. 16 - 38 ) wechselt
von den Bergen Israels über zu dem Volk Israel, dem persönlichen
Empfänger des Segens Gottes.
Die Tatsache der Wiederherstellung Israels in der Zukunft schien nach
seinem Fall unter Babylon so entfernt zu sein, daß Gott sein eigenes
Wesen als Grundlage für diese Wiederherstellung stark betont (viel mehr
als äußere Umstände). Zehnmal sagte der Prophet: "So sagt Gott, der
Herr" (V. 2-7.13. 22.33.37 ).
a. Israels Berge werden frohlocken
( 36,1 - 15 )
Hesekiel stellte die gegenwärtige Demütigung Israels vor seinen Feinden
seiner zukünftigen Verherrlichung gegenüber.
Hes 36,1-7
Gott verhieß, die Feinde Israels für ihre Sünde, ihre Hetze, ihr
Schlachten (V. 3 ) und Plündern (V. 4 - 5 ), ihre Schadenfreude und ihre
Böswilligkeit gegen Israel zu bestrafen. Daher schwor Gott mit erhobener
Hand (eine Geste, die zu einem Eid gehörte; vgl. Hes 20,5.15.23;
47,14 ), daß die Völker, die Israel verhöhnt haben ( Hes
36,6 ), ebenfalls Hohn erleiden würden . Die umliegenden Völker schienen
zu triumphieren, aber ihr Sieg war nur von kurzer Dauer. Sie würden für
ihre Sünde bestraft werden.
Hes 36,8-12
Im Gegensatz zu dem Gericht, das über die Feinde Israels kommen würde,
konnte Israel selbst auf eine zukünftige Zeit der Wiederherstellung und
des Segens schauen. Gott würde die Katastrophe, die er über die Berge
Israels verkündigt hat ( Hes 6,1-7 ), umkehren. Die Berge würden grünen
und Frucht bringen , denn sein Volk würde bald nach Hause kommen. Gott
wird das Land wiederherstellen, so daß es für den erneuerten Überrest
sorgen kann.
Zu Gottes Segen wird auch das zahlenmäßige Wachstum gehören, die Zahl
der Menschen wird zunehmen. Das Volk, das so stark dezimiert worden ist
( Hes 6,3.5-7 ), wird das Land wieder füllen. Israels Zukunft wird weit
herrlicher sein als seine Vergangenheit. Wenn Gott schließlich das Volk
in sein Land eingesetzt hat, wird das Land blühen. Er selbst garantiert
die Dauerhaftigkeit dieses Zustandes. Wenn Israel einmal wieder in sein
Land zurückgebracht ist, werden seine Bewohner sicher leben. Das Land
wird nie wieder Israel seiner Kinder berauben . Statt einer grausamen
Wildnis mit Dürre, Hunger und Tod (vgl. 3Mo 26,18-22; 4Mo 13,32; 5Mo
28,20-24 ) wird es ein Ort des Segens sein. Dies wird geschehen, wenn
Israel während der tausendjährigen Herrschaft Christi sein Land besitzt.
Hes 36,13-15
Neben der Bestrafung der Feinde Israels (V. 1 - 7 ) und der
Wiederherstellung des Landes Israel (V. 8 - 12 ) wird Gott auch die
Schmähungen Israels beseitigen (V. 13 - 15 ). Die Verhöhnung und die
Demütigung ( Spott und Hohn ), die Israel erleiden mußte (V. 3 - 6 ),
werden aufhören (vgl. Hes 16,57 -58 ). Es wird erneut in seine
Ehrenstellung als Gottes auserwähltes Volk eingesetzt werden (vgl. 5Mo
28,13; Sach 8,13.20-23 ).
b. Israels Volk wird gesammelt
( 36,16 - 38 )
Nachdem er Israels traurige Vergangenheit besprochen hatte (V. 16 -
21 ), sprach Hesekiel nun (in drei Abschnitten, die jeweils beginnen
mit: "Dies ist das Wort Gottes, des Herrn"; V. 22.33.37 ) von der
zukünftigen Wiederherstellung des Volkes.
Hes 36,16-21
Bevor Hesekiel die zukünftige Reinigung Israels ansprach, erinnerte er
die im Exil lebenden Juden zunächst an ihre Sünde, die ihr Gericht
verursacht hatte. Als sie im Land waren, verunreinigten sie es durch ihr
Verhalten und ihre Taten (vgl. V. 19 ). Diese Entweihung war wie der
Ausfluß einer Frau während ihrer Menstruation, der sie kultisch unrein
machte und alles verunreinigte, was sie berührte (vgl. 3Mo 15,19-23 ).
Wie verunreinigten die Menschen das Land? Durch Blutvergießen und
Götzendienst (vgl. Hes 33,25 ). Eine Folge dieses Tuns war, daß Gott sie
aus dem verunreinigten Land entfernte. Aber selbst als
sie zerstreut waren unter den Völkern, entweihten sie Gottes heiligen
Namen.
Hes 36,22-23
Andere Nationen sahen Gott, den Allerhöchsten , durch die Taten der
Israeliten. Dadurch wurde sein Name beschmutzt. Deshalb sagte Gott, daß
er Israel nicht um seiner selbst willen, sondern um seines heiligen
Namens willen wiederherstellen würde. Israel besaß keine inneren Werte,
die Gott veranlassen könnten, sich für es einzusetzen. Er würde das Volk
erneuern, weil sein Ruf auf dem Spiel stand. Er würde die Heiligkeit
seines großen Namens zeigen (vgl. Hes 20,41; 28,22.25; 38,16; 39,27 ).
Gott hatte seine Gerechtigkeit deutlich gemacht, als er Israel für seine
Sünde bestrafte. Nun wird er seine Gnade und Treue zeigen, wenn er seine
Bundesverheißungen erneuert und Israel wieder aufrichtet.
Hes 36,24-32
In diesen Versen werden die Mittel gezeigt, die Gott benutzt, um seine
Heiligkeit deutlich zu machen. Als erstes wird er das Volk physisch
erneuern: Er wird es sammeln aus all den Ländern und zurückbringen in
sein eigenes Land (V. 24 ). An der Spitze dessen, was Gott für die
Zukunft plant, steht die Wiederherstellung Israels als Volk.
Diese Wiederherstellung wird jedoch nicht nur den physischen Bereich
betreffen. Gott versprach: Ich werde reines Wasser auf dich sprengen,
und du wirst rein werden; ich werde dich reinigen von all deiner
Unreinheit und von allen deinen Götzen . Hier wird nicht von der
Wassertaufe gesprochen. In der Zeit des Alten Testamentes war das
Waschen oder Besprengen mit Wasser ein Bild für die Reinigung von
kultischer Unreinheit (vgl. 3Mo 15,21-22; 4Mo 19,17-19 ). Da Israels
Unreinheit wie die kultische Unreinheit einer Frau durch ihre
Menstruation war ( Hes 36,17 ), wird auch seine Reinigung nun mit dem
kultischen Akt der Reinigung verglichen. Damit soll gezeigt werden, daß
Gott Israel von seinen Sünden reinigen wird. Auf diese Reinigung wird
die Gabe eines neuen Lebens folgen. Gott wird der umgekehrten Nation ein
neues Herz und einen neuen Geist geben. Anstelle des steinernen
Herzens wird er Israel ein fleischernes Herz geben (vgl. Hes 11,19 ).
Wenn Gottes Geist auf diese Weise in ihm wohnt (vgl. Hes 37,14 ), wird
es dazu getrieben, seinen Geboten und Gesetzen zu gehorchen (vgl. Hes
37,24 ). Gottes Erneuerung des Volkes Israel macht nicht einfach die
Sünde Israels ungeschehen, so daß das Volk in einen Zustand der
Neutralität versetzt würde. Vielmehr gehört die positive Veränderung
durch das Geschenk einer neuen Natur für das Volk Israel dazu. Dadurch
wird Israel gerecht gemacht. Jeremia nannte dieses Werk Gottes den
"neuen Bund" (vgl. die Anmerkungen zu Jer 31,31-33 ).
Die Gabe des Geistes Gottes für gläubige Israeliten wird zu einem neuen
Verhältnis zwischen Israel und seinem Gott führen: Ihr sollt mein Volk
sein, und ich will euer Gott sein (vgl. Hes 11,20; 14,11; 37,23.27 ).
Gott wird seine ganze Barmherzigkeit seinem Volk zuwenden. Es wird, von
seinen Sünden befreit, die überreichen Gaben des Landes erhalten, Korn,
Frucht und Ernten (vgl. Hes 34,27 ) ohne Hungersnot (vgl. Hes 34,29 ).
Wenn Israel über Gottes Gnade und sein eigenes früheres Wesen ( seine
bösen Wege und gottlosen Taten ) nachdenkt, wird es erkennen, daß es
seine Gunst nicht verdient hat. Es wird sich selbst verachten wegen
seines sündigen Tuns und erschrocken darauf zurückblicken. Die
Finsternis seiner vergangenen Taten wird in starkem Kontrast stehen zu
dem Licht der Gnade Gottes. Israel wird erkennen, daß Gott es nicht
gerettet hat, weil es dies verdient hätte. Gott tut dies nicht um
Israels willen, sondern, um seinen eigenen Namen groß zu machen.
Hes 36,33-36
Wenn Israel erneuert ist und das Land gepflügt, werden die Menschen
erleben, daß dieses öde Land wie der Garten Eden wird. Israels Städte,
die in Ruinen lagen, werden befestigt und bewohnt werden. Israel wird
für die umliegenden Völker ein Beispiel für Gottes Gnade sein. Sie
werden die Macht Gottes anerkennen müssen, der sein Volk erneuert
hat: Sie werden erkennen, daß ich der HERR wieder gebaut habe, was
zerstört war.
Hes 36,37-38
Gott wird auch die Nation zahlenmäßig wachsen lassen. Dies wird als ein
Zeichen des Segens Gottes angesehen (vgl. 1Mo 12,2; 15,1-6; 1Sam 1,5-6;
1Sam 2,1-11; Sach 8,4-5 ). Hesekiel, ein Priester, verglich das Wachsen
der Bevölkerung von Israel mit den unzähligen Herden von Opfertieren,
die für die Feste in Jerusalem zusammengekommen sind. So wie in großen
Herden nur wenig Platz ist, so werden die zerstörten Städte Israels,
damals leer und verlassen, mit Herden von Menschen gefüllt sein. |