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Johannesevangelium Walvoord  Edwin A. Blum

Johannes Kapitel 12

Johannes 12 Zusammenfassen:

  1. Bethanien: Jesus kehrt nach Bethanien zurück.
  2. Abendessen: Ein Abendessen wird zu Ehren Jesu gegeben.
  3. Maria: Maria salbt Jesu Füße mit kostbarem Öl.
  4. Salbung: Die Salbung Jesu als Vorbereitung auf sein Begräbnis.
  5. Judas: Judas Iskariot protestiert gegen die Verschwendung des Öls.
  6. Arme: Jesus sagt, die Armen werden immer da sein.
  7. Lazarus: Lazarus ist auch bei dem Abendessen anwesend.
  8. Pharisäer: Die Pharisäer planen, auch Lazarus zu töten.
  9. Einzug fälschlicherweise: "Palmsonntag": Jesus reitet auf einem Esel in Jerusalem ein.
  10. Hosanna: Die Menge ruft "Hosanna" und preist Jesus.
  11. König von Israel: Jesus wird als König von Israel begrüßt.
  12. Griechen: Einige Griechen wollen Jesus sehen.
  13. Weizenkorn: Jesus spricht vom Weizenkorn, das sterben muss, um Frucht zu bringen.
  14. Verherrlichung: Jesus spricht von seiner Verherrlichung.
  15. Stimme vom Himmel: Eine Stimme vom Himmel bestätigt Jesus.
  16. Unglaube: Viele glauben trotz der Zeichen Jesu nicht an ihn.
  17. Jesaja: Johannes zitiert den Propheten Jesaja über den Unglauben der Menschen.
  18. Furcht vor den Menschen: Viele Pharisäer glauben an Jesus, bekennen es aber nicht aus Furcht vor den Menschen.
  19. Licht: Jesus ist das Licht der Welt.
  20. Gericht: Wer Jesus ablehnt, wird am letzten Tag gerichtet werden.


 

G. Das Ende des öffentlichen Wirkens Jesu

( 12,1 - 36 )

 

1. Die Salbung in Betanien

( 12,1 - 8 )

 

Johannes schließt seinen Bericht über Jesu öffentliches Wirken im zwölften Kapitel (a) mit dem Bericht über Jesu Salbung durch Maria (die Einleitung für seinen Opfertod), (b) mit Jesu triumphalen Einzug in Jerusalem und (c) mit der Vorhersage seines Todes.

 

 

Joh 12,1-2

 

Die Zeitangaben werden nun genauer und bedeutsamer: es war sechs Tage vor dem Passafest . Jesus kehrte aus Ephraim ( Joh 11,54 ) nach Betanien zurück, wo auch Lazarus war, und nahm an einem Mahl teil, das ihm zu Ehren veranstaltet wurde. Markus berichtet noch, daß es im Hause Simons des Aussätzigen stattfand ( Mk 14,3-9 ). Es muß ein Freudenmahl gewesen sein, bei dem auch Maria, Marta und Lazarus anwesend waren. Die Beziehung dieser Familie zu Simon ist uns nicht bekannt, doch muß es eine sehr enge gewesen sein, da Marta bei Tisch bediente.

 

 

Joh 12,3

 

Die unverfälschte Narde war ein aus den Wurzeln und unteren Stengelteilen eines aus Nordindien kommenden aromatischen Baldriangewächses gewonnenes Duftöl. Es war sehr kostbar und wurde in versiegelten Alabasterfläschchen importiert und nur zu ganz besonderen Zwecken verwendet. Marias verschwenderisches Geschenk ( ein Pfund ) war Ausdruck ihrer Liebe zu Jesus und ihres Dankes, daß er Lazarus zum Leben erweckt hatte. Das Haus aber wurde erfüllt vom Duft des Öls. Das ist eine von Johannes' zahlreichen Nebenbemerkungen, die darauf hinweisen, daß er ein Augenzeuge des Wirkens Jesu war.

 

 

Joh 12,4-5

 

Judas Iskariot erhob Einspruch gegen diese - in seinen Augen - unnötige "Verschwendung". Sein Einwand, daß man den Erlös aus dem Verkauf des Öls den Armen hätte geben können, war jedoch wohl nicht ehrlich gemeint (vgl. V. 6 ). Nach Markus ( Mk 14,4-5 ) machten sich auch die anderen Jünger seine Kritik zu eigen und tadelten Maria ebenfalls. Das Böse greift rasch um sich, und sogar führende Männer können zum Werkzeug Satans werden. Der Wert des Parfums betrug immerhin einen Jahreslohn (wörtlich: "dreihundert Silbergroschen"), eine Summe, die zu ersparen wohl ein ganzes Leben nötig war.

 

 

Joh 12,6

 

Der Evangelist war aus seiner Perspektive heraus in der Lage, die Gründe für das Verhalten von Judas anzugeben. Anscheinend war Judas der Schatzmeister der Zwölf (vgl. Joh 13,29 ) und stahl häufig kleinere Summen aus dem Geldbeutel . Maria hatte offen und freigebig geschenkt, Judas dagegen hortete heimlich und aus eigennützigen Motiven Geld für sich. Schließlich verriet er Jesus sogar für Geld - für dreißig Silberlinge (das war der Preis für einen Sklaven; vgl. 2Mo 21,32; Sach 11,12-13 ).

 

 

Joh 12,7-8

 

Normalerweise war das Salben eine festliche Handlung, in diesem Fall jedoch war es eine Vorwegnahme von Jesu Begräbnis . Jesus, der von Gottes Wort lebte, wußte, daß er als der leidende Gottesknecht Schmerzen leiden, sterben und begraben werden mußte (vgl. Jes 53,9 ).

Daher nahm er sofort Marias Liebestat und Frömmigkeit in Schutz. Der Satz "denn Arme habt ihr allezeit bei euch" war nicht als göttliche Gutheißung der Armut oder als Ermutigung, nichts für die Armen zu tun, gemeint.Jesus sagte hier vielmehr, daß es viele Gründe für Armut gibt und die Menschen immer Gelegenheit haben, Armen zu helfen ( Mk 14,7 ), daß die Gelegenheit, ihm, Jesus, auf Erden Liebe zu erweisen, jedoch bald nicht mehr gegeben sei: Mich aber habt ihr nicht allezeit (vgl. Joh 12,35;13,33;14,3-4 ).

 

 

2. Der triumphale Einzug in Jerusalem

( 12,9 - 19 )

 

Joh 12,9-11

 

Jesus war inzwischen so populär geworden, daß es unmöglich für ihn war, sich unbemerkt in der Nähe von Jerusalem aufzuhalten. Von überall her kamen die Menschen zum Passafest. Viele von ihnen suchten Jesus (vgl. Joh 11,56 ) und auch Lazarus auf: Weil letzterer auferweckt worden war, gingen viele Juden hin und glaubten an Jesus . Daher beschlossen die Hohenpriester, beide - Jesus und Lazarus - zu töten!

 

 

Joh 12,12-13

 

Die Menschen waren außer sich vor Begeisterung. Tausende galiläischer Pilger waren aufs Fest gekommen und Augenzeugen der großen Taten Jesu geworden. Bis jetzt hatte er zwar die Rolle eines politischen Messias stets abgelehnt ( Joh 6,15 ), doch nun, so glaubten sie, sei der richtige Augenblick gekommen, ihn auch zum politischen Führer zu proklamieren. Jesus zog in Jerusalem, die Stadt des großen Königs, ein. Das Volk schwenkte Palmzweige , das Symbol des Sieges, und rief ( ekraugazon ; vgl. den Kommentar zu Joh 11,43 ): "Hosianna!" Das ist hebräisch und heißt "hilf uns" oder "hilf uns jetzt" (vgl. Ps 118,25 ) und war im Lauf der Zeit ein Lobgesang geworden. Außerdem verlieh ihm die Menge mehrere messianische Titel: Der da kommt ( Ps 118,26 ,wörtlich: "der Kommende"; vgl. Joh 11,27 ) und König von Israel .

 

 

Joh 12,14-15

 

Jesu Einzug in die Stadt auf einem jungen Esel war ein Symbol des Friedens (vgl. den Kommentar zu Mt 21,2 ,demzufolge Jesus auf einer Eselin und auf einem Füllen ritt). Er ritt nicht etwa ein Pferd, trug auch kein Schwert oder eine Krone und kam nicht, wie so viele Könige, in einem Kriegswagen. Sein Einzug erfüllte die Prophezeiung Sacharjas, der das Kommen Jesu ( Sach 9,9 ) dem Kommen Alexanders des Großen gegenüberstellte ( Sach 9,1-8 ). Tochter Zion war die poetische Bezeichnung für die Einwohner Jerusalems, der Stadt, die auf dem Zion erbaut ist. Hier, in dem Zitat aus Sach 9,9 , wird Jesus Israels König genannt.

 

 

Joh 12,16

 

Obwohl die Jünger Jesus so nahe standen und auch bei seinem Einzug in Jerusalem dabeiwaren, verstanden sie die Ereignisse nicht. Sie besaßen noch nicht die Perspektive des Kreuzes und der Auferstehung ( als Jesus verherrlicht war ); sie wußten nicht, daß bei Sacharja dies von ihm geschrieben stand . Ihr Glaube war noch schwach; sie hatten noch nicht den Beistand des Heiligen Geistes (vgl. Joh 16,12-14 ).

 

 

Joh 12,17-18

 

Die Menge, die Jesus folgte, wurde ständig größer. Die Neuigkeit des großen Zeichens - daß er Lazarus aus dem Grabe rief - verbreitete sich in der ganzen Stadt, und immer mehr Menschen gingen ihm entgegen. Es war ein Tag großer öffentlicher Anerkennung Jesu, doch leider besaßen die Menschen, die ihm zujubelten, nur wenig geistliche Einsicht.

 

 

Joh 12,19

 

Der begeisterte Empfang, der Jesus von den Massen bereitet wurde, vereitelte zunächst den Plan der Pharisäer, ihn zu verhaften, und sie überlegten, wie sie ihn statt dessen heimlich gefangennehmen und töten könnten. "Ja nicht bei dem Fest", sprachen sie, "damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe" ( Mk 14,1-2 ). Ganz pessimistisch gestanden sie sich ein: Alle Welt läuft ihm nach. Hierin liegt abermals eine gewisse Ironie, denn die meisten dieser Pilger glaubten nicht wirklich an Jesus.

 

 

3. Die Griechen auf dem Fest

( 12,20 - 36 )

 

Joh 12,20

 

Die Erwähnung der Griechen ist ebenfalls bedeutsam. Sie waren die Wanderer der Alten Welt, die großen Sucher der Wahrheit. Bei den Griechen, von denen hier die Rede ist, handelte es sich wahrscheinlich um sogenannte "Gottesfürchtige", die Anschluß an die Synagogen suchten und an den jüdischen Festen teilnahmen. Ihr Kommen war zugleich ein Symbol für das Kommen der Heiden, die Gott durch Christus anbeten sollten (vgl. Joh 10,16 ).

 

Joh 12,21-22

 

Warum baten sie gerade Philippus, Jesus sehen zu dürfen? Vielleicht, weil er einen griechischen Namen trug oder weil er Kontakt zu Griechen aus dem Gebiet der Dekapolis hatte. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen's Jesus . Wahrscheinlich wollten sehr viele Leute Jesus sprechen und die Jünger versuchten wohl, ihn bis zu einem gewissen Grad abzuschirmen (vgl. Lk 18,15-16 ).

 

 

Joh 12,23-24

 

Jesu Entscheidungsstunde stand nun nahe bevor (vgl. Joh 2,4;4,21.23;7,6.8.30;8,20 ). Auch die Anwesenheit der Griechen bestätigte, daß die Zeit gekommen war, daß der Menschensohn verherrlicht werde (vgl. Joh 12,23;13,1;17,1 ). Für die meisten Menschen bedeutet der Tod eine Demütigung, doch für Jesus war er das Tor zur Verherrlichung. Seine Bereitwilligkeit, in Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters für die Sünden anderer zu sterben ( Jes 53,10.12 ), brachte ihm Ruhm (Herrlichkeit; vgl. Joh 12,16;17,1.5 ). "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch" war die Einleitung für eine feierliche Bestätigung. Die Analogie mit dem Weizenkorn, das in die Erde fällt und erstirbt und viel Frucht bringt , lehrt, daß der Tod nötig ist, wenn es eine Ernte geben soll.

 

 

Joh 12,25-26

 

Das Beispiel vom Weizenkorn (V. 24 ) veranschaulicht ein allgemeingültiges, paradoxes Prinzip: Der Tod ist der Weg ins Leben. In Jesu Fall führte sein Tod zu Herrlichkeit und Leben nicht nur für ihn selbst, sondern auch für andere.

Ähnlich verhält es sich bei einem Jünger Jesu. Er muß sein Leben auf dieser Welt hassen , d. h., er muß Christus so ergeben sein, daß er völlig uneigennützig handelt. Wer aber sein Leben lieb hat, der wird's verlieren . Alles im Leben, auch Ziele, Interessen und Liebe, kann zum Götzen werden (vgl. Lk 12,16-21; Lk 18,18-30 ). Ein Gläubiger aber sollte seinen egoistischen Bestrebungen absterben ( Röm 6,1-14; 2Kor 5,14-15; Gal 6,14 ).

Ein Jünger Jesu zu sein, bedeutet, ihm nachzufolgen. Viele von Jesu ersten Jüngern folgten ihm tatsächlich bis in den Tod. Nach der Überlieferung starb ein Großteil von ihnen als Märtyrer. Jesu Worte waren also eine Prophezeiung und gleichzeitig eine Verheißung. Seine wahren Jünger (die ihm dienen) folgen ihm in die Erniedrigung und später in die Ehre und Herrlichkeit ( Röm 8,17.36-39; 2Tim 2,11-13 ).

 

 

Joh 12,27-28 a

 

Jesus lehrte die Jünger den Preis für die Treue gegenüber dem Willen des Vaters, indem er ihnen seine Gefühle enthüllte. Er war in großer innerer Unruhe ( tetaraktai , "bewegt"; vgl. Joh 11,33;14,1 ), weil er im Tod zur Sünde gemacht werden sollte ( 2Kor 5,21 ). Doch sollte er deshalb vor dem Kommenden zurückschrecken und darum bitten, daß ihm aus dieser Stunde geholfen werde? Mit Sicherheit nicht, denn er war ja Fleisch geworden, damit er in diese Stunde komme (vgl. Joh 12,23;13,1;17,1 ). Mit der Bitte "Vater, verherrliche Deinen Namen" gab Jesus seiner Bereitschaft, sich dem Willen des Vaters ganz zu unterwerfen, Ausdruck. So wie er sollten sich auch die Gläubigen in Schwierigkeiten verhalten und sich trotz ihres inneren Widerstrebens dem Willen des Vaters fügen - in dem Wunsch, daß sein Name verherrlicht werde.

 

 

Joh 12,28-29 (Joh 12,28b-29)

 

Da ertönte eine Stimme vom Himmel , und der Vater bestätigte sein Wirken in Jesus sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft. Die Stimme war zwar hörbar, doch nicht alle verstanden sie (vgl. V. 30 ; Apg 9,7;22,9 ).

Für die geistlich aufgeschlossenen Menschen war die Stimme eine Bestätigung für ihren Glauben, für die Verstockten dagegen war sie nur ein lautes Donnern (vgl. 1Kor 2,14 ).

 

 

Joh 12,30-31

 

Jesu Tod am Kreuz war das Gericht über diese Welt . Das Böse wurde damit gesühnt und die Torheit der Ziele, Maßstäbe und Religionen der Welt wurde erwiesen. Aber das Kreuz war auch die Niederlage Satans ( Offb 12,10 ). Der Fürst dieser Welt (d. i. Satan; vgl. Joh 14,30;16,11 ) wird, nach Jesu Worten, ausgestoßen werden. Seine Macht über die Menschen, die sich in Sünde und Tod manifestierte, ist gebrochen; sie können nun aus seinem Reich der geistlichen Finsternis und aus der Sklaverei der Sünde erlöst werden ( Kol 1,13-14; Hebr 2,14-15 ).

 

 

Joh 12,32-33

 

Jesu Worte "wenn ich erhöht werde von der Erde" bezogen sich nicht auf seine Himmelfahrt, sondern auf seine Kreuzigung (vgl. Joh 3,14;8,28 ). Er wußte, daß er - erhöht am Kreuz - sterben würde. Die häufigste Todesstrafe bei den Juden war allerdings die Steinigung (vgl. den Tod des Stephanus; Apg 7,58-59 ).

Am Kreuz wollte Jesus alle zu sich ziehen . Damit meinte er nicht, daß alle gerettet würden - er wies vielmehr ausdrücklich darauf hin, daß viele auch verloren gehen würden ( Joh 5,28-29 ). Wenn dieses "Zu-Sich-Ziehen" des Sohnes dasselbe ist wie das "Ziehen" des Vaters ( Joh 6,44 ), bedeutet das, daß er die Menschen zu sich holen wird, ohne Unterschiede zu machen. Nicht nur Juden werden gerettet werden, sondern Menschen aus jedem Stamm, jeder Sprachgemeinschaft, jedem Volk und jeder Nation ( Offb 5,9; vgl. Joh 10,16;11,52 ).

 

 

Joh 12,34

 

Das Volk war verwirrt. Wenn der Messias der Menschensohn war, sollte er doch wohl in Ewigkeit bei ihnen bleiben . Dan 7,13-14 z. B. hatte vom immerwährenden Reich des Menschensohnes gesprochen. Vielleicht fragten sich die Menschen auch, ob Jesus hier zwischen dem Messias ( Christus ) und dem Menschensohn unterschied. Verwendete er den Begriff "Menschensohn" nicht im Sinne von Dan 7,13 ? Sie schienen zu verstehen, daß Jesus von seinem bevorstehenden Tod sprach, doch sie verstanden nicht, wie er sterben konnte, wenn er der Messias war.

 

 

Joh 12,35-36

 

Die Leute taten sich schwer, das, was ihrem Verstand hier zugemutet wurde, zu verarbeiten. Doch Jesus wies sie darauf hin, daß das Ganze vor allem eine Sache der ethischen Entscheidung war. Die Zeit, in der sie sich zu ihm bekennen konnten, ging zu Ende. Er war das Licht der Welt ( Joh 1,4.9;8,12;12,46 ), doch er mußte sie bald verlassen (V. 23 ). Die Finsternis der Nacht brach herein, und mit ihr sollte das Böse von den Menschen Besitz ergreifen. "Wer in der Finsternis wandelt" bezieht sich auf die Ungläubigen, die durchs Leben stolpern, ohne überhaupt zu wissen, was das Leben ist und wo es hinführt (vgl. Joh 3,19;8,12; 1Joh1,6 ). Das Privileg der Gläubigen hingegen ist es, an das Licht (d. h. an Jesus) zu glauben und Kinder des Lichts (d. h. seine Jünger; vgl. Röm 13,12; Eph 5,8.14; Kol 1,13-14; 1Thes 5,5; 1Joh 1,7;2,10 ) zu werden. Abermals entzog sich Jesus ihnen auf übernatürliche Weise (vgl. Joh 5,13;8,59;10,39 ).

 

 

H. Der Unglaube des jüdischen Volkes

( 12,37 - 50

 

1. Johannes' Erklärung

( 12,37 - 43 )

 

Joh 12,37

 

Von Anbeginn seines Evangeliums an ( Joh 1,1 ) war es dem Evangelisten Johannes um die Darstellung des Unglaubens des jüdischen Volks gegangen. Jetzt führt er aus, daß die Menschen, trotz aller Zeichen ( sEmeia ), die Jesus vor ihren Augen tat, nicht an ihn glaubten . Ihr Unglaube war stark irrational eingefärbt.

 

 

Joh 12,38

 

Bereits der Prophet Jesaja hatte auf diesen irrationalen Unglauben des jüdischen Volks hingewiesen. Die klarste Textstelle des Alten Testaments über den leidenden Gottesknecht ( Jes 53,1-12 ) beginnt mit der Aussage, daß Israel Gottes Offenbarung in und durch seinen Knecht nicht verstehen würde. Die Sätze "Herr, wer glaubt unserm Predigen? Und wem ist der Arm des Herrn offenbart?" implizieren, daß immer, zu allen Zeiten, nur einige wenige Menschen geglaubt haben (vgl. Jes 53,1 ).

 

 

Joh 12,39-40

 

Noch ein weiteres Jesaja-Zitat ( Joh 6,10 ) führt der Evangelist an, um zu erklären, daß das Volk als Ganzes unfähig war zu glauben. Weil die Menschen Gottes Offenbarung wieder und wieder zurückgewiesen hatten, hatte er ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt . Bereits zur Zeit Jesajas hatten sie sich also geweigert zu glauben. Sie "wollten nicht glauben" ( Joh 12,37 ), daher konnten sie nicht glauben (V. 39 ). Es gibt noch viele weitere Beispiele dafür, daß Gott die Sünden der Menschen bestrafte, indem er ihre Herzen verhärtete ( 2Mo 9,12; Röm 1,24.26.28; 2Thes 2,9-12 ).

 

 

Joh 12,41

 

In einer Vision sah Jesaja "den Herrn Zebaoth" ( Jes 6,3; wörtlich: "den Herrn der Heerscharen"). Johannes schreibt, daß die Herrlichkeit, die Jesaja in seiner Vision schaute, Jesu Herrlichkeit war. Die Implikation dieser Aussage ist bestürzend: Jesus ist Jahwe! (vgl. Joh 1,18;10,30;20,28; Kol 2,9 ). Jesus ist seinem Wesen nach Gott (doch Gott, der Sohn, unterscheidet sich der Person nach von Gott, dem Vater, und Gott, dem Geist). Bereits Jesaja redetete von ihm . Viele Prophezeiungen Jesajas betreffen den kommenden Messias, Jesus von Nazareth (z. B. Jes 4,2;7,14;9,5-6;11,1-5.10;32,1;42,1-4;49,1-7;52,13-53,12;61,1-3 ). Auch Jesus hatte schon früher darauf hingewiesen, daß bereits Mose über ihn geschrieben hatte ( Joh 5,46 ).

 

 

Joh 12,42-43

 

Doch obwohl der größte Teil des Volkes nicht an Jesus glaubte, war die Situation nicht hoffnungslos. Gott hat stets eine kleine Schar Getreuer. Viele hochgestellte Personen glaubten an Jesus, bekannten sich aber nicht dazu, aus Angst, aus der Synagoge ausgestoßen zu werden . Sie fürchteten die Meinung der Leute, denn sie hatten lieber Ehre bei den Menschen als Ehre bei Gott .

 

 

2. Jesu Ermahnung

( 12,44 - 50 )

 

Wann und wo Jesus die folgenden Worte sprach, wird nicht gesagt. Es scheint sich um eine Zusammenfassung der Selbstoffenbarungen Jesu vor dem Volk zu handeln.

 

 

Joh 12,44-46

 

Daß Jesus das folgende rief ( ekraxen , "rief aus"; vgl. Joh 1,15;7,28.37 ), ist wiederum ein Hinweis auf die Bedeutung, die diesen Worten zukommt. Jesus ist die vollkommene Manifestation Gottes, der ihn gesandt hat ( Joh 1,18; Kol 1,15; Hebr 1,3 ); an Jesus zu glauben heißt also, an Gott zu glauben. Die Menschen glauben dabei nicht an zwei Personen: an Gott und/oder Jesus. Wer Jesus sieht, der sieht den, der ihn gesandt hat (vgl. Joh 12,41;14,9 ). Jesus ist gekommen, um die Menschen aus dem Reich des Satans, der Finsternis, in das Reich Gottes, das Reich der Liebe und des Lichts, zu führen (vgl. Joh 1,4.9;8,12;12,35; Kol 1,13-14 ).

 

 

Joh 12,47-50

 

Da Jesus das Wort Gottes ( Logos ) an die Menschen ist, sprach Gott in ihm auch das abschließende Urteil über sie ( Hebr 1,1-3 ). Es geht um das Gebot des Vaters. Dem Vater zu gehorchen heißt, das ewige Leben zu erhalten. Das Wort des Vaters - Jesu Wort ( Joh 12,48; vgl. V. 50 b; Joh 7,16;14,10-24 ) - zu verwerfen heißt, im Tod zu bleiben. Mose sagte das Kommen des großen Propheten voraus (der für Gott sprechen sollte). Er schrieb: "Dem sollt ihr gehorchen." ( 5Mo 18,15 ). Das Gericht am Jüngsten Tage ist die Strafe für die Verwerfung dessen, den der Vater sandte ( 5Mo 18,18-19; Joh 3,18.36;5,24 ).

Mit seiner Offenbarung in Jesus verfolgte Gott etwas Positives: Er kam, die Welt zu retten, nicht, sie zu richten ( Joh 12,47; vgl. Joh 3,17 und den Kommentar zu Joh 9,39 ). Doch die Ablehnung der Offenbarung Gottes führt unausweichlich zur Verhärtung in Sünde und schließlich zum Gericht.

Seiner Schilderung des Unglaubens des jüdischen Volkes setzt der Evangelist Jesu eindringlichen Aufruf zur Buße gegenüber. Mit den Worten Moses wies er die Menschen darauf hin: "denn es ist nicht ein leeres Wort an euch, sondern es ist euer Leben" ( 5Mo 32,47 ).