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Edwin A. Blum
Johannes Kapitel 18
Johannes 18 Zusammenfassung
( Joh 18-20 )
A. Die Gefangennahme Jesu
( 18,1 - 11 )
Joh 18,1
Jesus verließ den Raum, in dem er mit seinen Jüngern das letzte
Abendmahl eingenommen hatte, und ging hinaus über den Bach Kidron , nach
Osten. Das Kidrontal, das heutige Wadi-en-Nar, ist ein Tal bzw.
Flußbett, das vom Norden Jerusalems zwischen dem Tempelberg und dem
Ölberg hindurch zum Toten Meer verläuft. Wie David von einem Freund
(Ahitofel) verraten wurde, während er auf dem Weg zum Ölberg den Kidron
überquerte ( 1Sam 15,23.30-31 ), so wurde auch Jesus von seinem
"vertrauten Freund" Judas verraten, als er diesen Weg nahm. In
dem Garten auf dem Ölberg übernachteten Jesus und seine Jünger stets,
wenn sie sich in Jerusalem aufhielten ( Lk 21,37 ), denn in Festzeiten
(z. B. während des Passafestes) war die heilige Stadt von den Tausenden
von jüdischen Pilgern so überfüllt, daß die meisten von ihnen in Zelten
oder anderen provisorischen Unterkünften schlafen mußten.
Joh 18,2-3
"Geldgier ist eine Wurzel alles Übels" ( 1Tim 6,10 ). Auf dem
Hintergrund dieses Satzes ist es nicht überraschend, daß Judas Jesus für
Geld verriet ( Joh 12,4-6; Mt 26,14-16 ). Judas war kein Ungeheuer,
sondern ein ganz normaler Mensch, der in einer ganz gewöhnlichen Sünde
(der Gier) gefangen war, die Satan benutzte, um sein Ziel zu erreichen.
Seine Tat stand allerdings in stärkstem Gegensatz zu Jesu selbstloser
Liebe. Da Judas Jesu Gewohnheiten kannte, konnte er ihn den Häschern
leicht ausliefern. Der Haß auf Jesus hatte die Soldaten und Knechte von
den Hohenpriestern und Pharisäern zusammengeführt. Die römische
Besatzungsmacht hatte eine Kohorte ( speiran , der zehnte Teil einer
Legion), also sechshundert Mann, abgestellt, wahrscheinlich mit dem
Befehl, einen Aufständischen, der behauptete, ein König zu sein,
festzunehmen.
Joh 18,4
Jesus wußte alles, was ihm begegnen sollte . Er wurde nicht von seinen
Feinden überrascht, sondern gab sich freiwillig als Opfer in ihre Hände
( Joh 10,15.17-18 ). Die Szene in Joh 18,4 ist voller gespenstischer
Dramatik. Judas kam mit den vielen Soldaten und den religiösen Führern,
um Jesus gewaltsam abzuführen. Doch Jesus trat ihnen ganz allein
entgegen (die Jünger waren eingeschlafen; Lk 22,45-46 ). Obwohl er
unbewaffnet war, beherrschte er die Situation. Es wäre ihm ein leichtes
gewesen, in der Dunkelheit der Nacht zu fliehen, wie es die Jünger bald
darauf taten (vgl. Mk 14,50 ). Doch er ergab sich seinen Häschern.
Johannes
Joh 18,5-6
Seine Worte "Ich bin's" , erschreckten sie, und sie wichen zurück und
fielen zu Boden , beeindruckt von der Autorität seiner Worte (vgl. Joh
7,45-46 ). Die Wendung "Ich bin" ist doppeldeutig; sie könnte sich auf
Jesu Gottheit beziehen ( 2Mo 3,14; Joh 8,58 ) oder auch einfach ein
Erkennungszeichen gewesen sein (wie in Joh 9,9 ).
Joh 18,7-9
Als der gute Hirte ließ Jesus sein Leben für die Schafe ( Joh 10,11 ).
Daß er noch in diesem Augenblick die Apostel schützte, war ein
vollkommenes Beispiel für seinen stellvertretenden Sühnetod. Er starb
nicht nur für sie, sondern wirklich anstelle von ihnen. Damit erfüllte
er den Willen seines Vaters für die Apostel ( Joh 6,38 ) und auch seine
eigenen prophetischen Worte ( Joh 6,39 ).
Joh 18,10
Petrus hatte gesagt, daß er für Jesus sterben würde ( Mt 26,33-35 ), und
wollte ihn nun retten oder zumindest im Kampf für ihn fallen. Doch er
war zweifellos mit dem Fischernetz geschickter als mit dem Schwert, denn
als er dem Knecht des Hohenpriesters, Malchus, sein rechtes Ohr abhieb ,
hatte er es mit Sicherheit auf dessen Kopf abgesehen. Sowohl Lukas ( Lk
22,50 ) als auch Johannes berichten, daß es das rechte Ohr war, was ein
Beleg für die historische Verläßlichkeit ihrer Evangelien ist. (Lukas
fügt noch hinzu, daß Jesus den Mann wieder heilte; Lk 22,51- ein Beweis
für seine Feindesliebe.) Petrus' Treue war zwar rührend, doch sie
entsprach nicht dem Plan Gottes. Ein solcher blinder Eifer ohne rechte
geistliche Einsicht führt die Menschen häufig vom Weg ab (vgl. Röm
10,2 ).
Joh 18,11
Schon zuvor hatte Jesus Petrus getadelt ( Joh 13,6-11 ). Nun tadelte er
ihn abermals, diesmal, weil er Gottes Willen nicht verstand. Trotzdem
Jesus ständig von seinem bevorstehenden Tod gesprochen hatte ( Joh
3,14;8,28;12,32-33; vgl. Lk 9,22 ), sahen die Jünger seine Notwendigkeit
nicht ein (vgl. Lk 24,25 ). Der Kelch, den der Vater Jesus zugeteilt
hatte, bezog sich auf das Leiden und den Tod, den er erlitt, weil er
Gottes Zorn über die Sünde auf sich nahm ( Ps 75,9; Jes 51,17.22; Jer
25,15; Hes 23,31-33 ). Die Worte "den Kelch, den mir mein Vater gegeben
hat" deuten darauf hin, daß Jesus alles, was ihm bevorstand, als Teil
des göttlichen Heilsplans sah. Seine rhetorische Frage an Petrus sollte
diesen zum Nachdenken bringen. Jesus war gekommen, um den Willen des
Vaters zu tun, und mußte daher auch das folgende auf sich nehmen.
B. Die Verhandlungen vor dem Hohenpriester und die Leugnung des Petrus
( 18,12 - 27 )
Joh 18,12-14
Bei der Verhaftung Jesu war es dunkel und spät in der Nacht. Er hatte
bereits einen langen Tag hinter sich. Die Jünger waren so erschöpft von
all dem, was auf sie eingestürmt war, daß sie in tiefen Schlaf gefallen
waren. Doch Jesus durchlebte in der Zeit, in der sie schliefen, eine
tiefe Krise und suchte in Todesangst Zuflucht im Gebet ( Mk 14,32-41; Lk
22,44 ). Jetzt war er gebunden und in den Händen seiner Feinde und zudem
von allen verlassen, da seine Jünger in Panik auseinandergelaufen waren
( Mt 26,56; Joh 16,32 ).
Dann begannen die Verhandlungen vor der religiösen Obrigkeit (vgl. die
Liste über die sechs Verhandlungen bei Mt 26,57 ). Der Hinweis, sie
führten ihn zuerst zu Hannas , ist eine Information, die in den anderen
Evangelien nicht enthalten ist. Hannas war von Quirinius, dem
Statthalter Syriens, im Jahr 6 n. Chr. zum Hohenpriester ernannt worden
und blieb im Amt, bis er von Valerius Gratus, dem Procurator Judäas, im
Jahr 15 n. Chr. abgesetzt wurde. Nach jüdischem Gesetz hatte ein
Hoherpriester sein Amt zwar auf Lebenszeit inne, doch die Römer sahen
eine solche Konzentration von Macht in einer Person nicht gern, daher
ernannten sie häufig neue Hohepriester. Auf Hannas folgten fünf seiner
Söhne und sein Schwiegersohn Kaiphas (vgl. die Tabelle bei Apg
4,6 und Lk 3,2 ). Offensichtlich blieb er jedoch stets die treibende
Kraft; denn vor Jesu formalem Prozeß führte er eine Vorbefragung
durch. Kaiphas war in jenem Jahr , d. h. dem bedeutungsvollen Jahr von
Jesu Tod, Hoherpriester . An dieser Stelle erinnert Johannes seine Leser
nochmals an die unbewußte Prophezeiung des Kaiphas ( Joh 11,49-52 ).
Joh 18,15-16
Als die Soldaten Jesus im Olivengarten gefangengenommen hatten, waren
die Jünger im ersten Schreck geflohen, doch zwei von ihnen kehrten
zurück und folgten dem Herrn und seinen Feinden zurück über den Kidron
in die Stadt. Es waren Simon Petrus und ein anderer Jünger . Wer der
andere war, wissen wir nicht, doch es wäre denkbar, daß es sich um
Johannes, den Sohn des Zebedäus, handelte (vgl. Joh 20,2;21,20.24 ).
Dieser Jünger kannte den Hohenpriester und hatte Zugang zu seinem Palast
- eine einzigartige Möglichkeit, in Erfahrung zu bringen, was nun weiter
geschah. Er nahm auch Petrus mit in den Hof hinein.
Joh 18,17-18
Petrus' Leugnung vor der Magd stand in schroffstem Gegensatz zu seinen
früheren Beteuerungen, daß er sein Leben für Jesus lassen würde ( Joh
13,37 ), und zu seinem Widerstand gegenüber Malchus, dem er das Ohr
abhieb ( Joh 18,10 ). Offensichtlich befand sich auch der andere Jünger
in (vielleicht sogar noch größerer) Gefahr, doch er verleugnete Jesus
nicht. Petrus stand beim Kohlenfeuer und wärmte sich in der
Frühlingsnacht, die sehr kalt war, denn Jerusalem liegt etwa 760 Meter
über dem Meeresspiegel. Das Detail über die kalte Nacht ist ein weiterer
Hinweis, daß der Verfasser dieses Buches ein Augenzeuge war.
Joh 18,19
Die Ereignisse in Vers 12 - 27 werden wie ein Drama auf zwei Bühnen
geschildert. Bühne 1 wurde vorbereitet (V. 12 - 14 ), während das
Schauspiel auf Bühne 2 stattfand (V. 15 - 18 ). Dann wandte sich die
Handlung wieder Bühne 1 zu (V. 19 - 24 ) und kehrte danach nochmals zu
Bühne 2 zurück (V. 25 - 27 ).
Die Vorbefragung Jesu ähnelte möglicherweise dem Verfahren, dem heute
ein Festgenommener unterzogen wird, wenn er auf eine Polizeistation
gebracht wird. Hannas befragte Jesus über seine Jünger und über seine
Lehre . Das waren die üblichen Fragen, die an Aufrührer gerichtet wurden
(vgl. Joh 11,48 ).
Joh 18,20-21
Jesus antwortete, daß er keine Geheimlehre und auch keine Organisation
vertrete. Ihm folgte zwar ein enger Kreis von Jüngern, doch seine Lehre
war keine Geheimreligion. Er redete offen und vor aller Welt (in der
Synagoge und im Tempel) . Die Menschen wußten, was er gesagt hatte, so
daß Fragen darüber leicht zu beantworten waren. Bis seine Schuld
erwiesen war, war er als unschuldig anzusehen. Er verlangte deshalb, daß
sie Zeugen beibrächten, wenn sie ihm etwas vorwarfen. Da jedoch nichts
gegen ihn vorlag, versuchten seine Ankläger, ihn irgendwie zu
überlisten.
Joh 18,22-24
Einer von den Knechten des Hannas, dem seine Antwort nicht
gefiel, schlug Jesus ins Gesicht . Wie diese Mißhandlung waren auch
andere Dinge in Jesu Vorverhör illegal. Es war unrechtmäßig zu
versuchen, einem Angeklagten eine Selbstbeschuldigung zu entlocken;
außerdem war es nicht erlaubt, eine Person, die noch nicht überführt
war, zu schlagen. Jesu Antwort bezog sich nicht auf die Form ( sollst
du ), sondern auf den Inhalt seiner Lehre ( habe ich übel geredet ). Es
war leichter, sich vor der Wahrheit zu drücken oder den, der sie
aussprach, zum Schweigen zu bringen, als zu versuchen, auf die Wahrheit
zu antworten. Denn die Wahrheit ist aus sich selbst heraus überzeugend,
und für die, die sich ihr entgegenstellen, ist es schwierig, sie zu
leugnen. Darauf wies Jesus seine Widersacher hin und brachte auf diese
Weise ihre Heuchelei an den Tag. Sie kannten die Wahrheit, doch sie
liebten den Irrtum. Sie sahen das Licht, doch sie liebten die Finsternis
(vgl. Joh 3,19; Röm 1,18 ). Nach dem Vorverhör sandte Hannas Jesus zu
seinem Schwiegersohn Kaiphas (vgl. Joh 18,13 ).
Joh 18,25-27
In dieser Passage verleugnete Petrus Jesus zum zweiten und dritten Mal
Über seinen Verrat wird in allen vier Evangelien berichtet, was zeigt,
welche Bedeutung die Evangelisten dieser Schwäche des Führers der Jünger
beimaßen. Da alle Menschen versagen und auch viele berühmte Christen
irgendwann einmal gestrauchelt sind, ist der Bericht über die
Verleugnung des Petrus (und seine folgende Wiederherstellung; vgl. Joh
21 ) ein großer Trost für die Gläubigen. Die letzte Leugnung erfolgte
auf die Frage eines Verwandten jenes Malchus, den Petrus in Gethsemane
töten wollte. Unmittelbar nachdem Petrus Jesus zum dritten Mal
verleugnet hatte, sah der Herr ihn an ( Lk 22,61 ), und er ging hinaus
und weinte bitterlich ( Lk 22,62 ). Dann krähte der Hahn (vgl. Mt
26,72-74 ). Jesu Prophezeiung ( Joh 13,38 ) hatte sich erfüllt. (Markus
schreibt, daß der Hahn zweimal krähte; vgl. den Kommentar zu Mk 14,72 .)
Der krähende Hahn (wie auch die sprechende Eselin Bileams; vgl. 4Mo
22,30 ) sind ein Beweis für Gottes Souveränität, mit der er alle Dinge
seinem Willen und Zeitplan unterwirft.
C. Der Zivilprozeß vor Pilatus
( 18,28 - 19,16 )
Joh 18,28-29
Jeder der vier Evangelisten stellte einen ganz besonderen Aspekt von
Jesu Gerichtsverhandlungen, Tod und Auferstehung in den Vordergrund.
Johannes schien das Material der drei ersten Evangelien ergänzen zu
wollen. Nur er berichtet so detailliert und mit so viel psychologischem
Fingerspitzengefühl über das Verhör vor Hannas und Pilatus. Dagegen sagt
er nichts über das Verhör vor dem Hohen Rat ( Mk 14,55-64 ) und über den
Vorwurf der Gotteslästerung. (Vgl. die Liste mit den sechs
Gerichtsverhandlungen Jesu bei Mt 26,57 .)
Da der jüdische Hohe Rat nicht befugt war, Jesus zum Tode zu
verurteilen, mußte sein Fall vor den römischen Statthalter, Pontius
Pilatus (26 - 36 n. Chr.), gebracht werden. Dieser residierte
normalerweise in Cäsarea, doch während der großen Feste schien es ihm
ratsam, sich in Jerusalem aufzuhalten, um einem Aufruhr vorzubeugen. Das
Passafest war besonders gefährlich, weil dann - in Erinnerung an die
Befreiung der Juden aus der Knechtschaft in Ägypten - die Wogen der
Erregung hochschlugen.
Die genaue Lage des Palastes des römischen Statthalters ist umstritten.
Er kann sich nahe der Festung Antonia an der Nordseite des Tempels
befunden haben, oder es handelte sich um einen der beiden Paläste des
Herodes im Westen der Stadt. Die Juden hätten niemals ein heidnisches
Haus (in diesem Fall den Palast des Statthalters) betreten, doch sie
konnten bis in den Hof oder unter die Kolonnaden gehen. Welche Ironie
liegt darin, daß die jüdischen Machthaber sich hier Gedanken über die
rituelle Unreinheit machten, während sie doch gleichzeitig einen Mord
planten! Da kam Pilatus zu ihnen heraus (wahrscheinlich in den Hof) und
begann mit dem informellen Verhör.
Joh 18,30-31
Die Antwort der Juden auf die Frage des Pilatus zeigt, wie spinnefeind
sie einander waren. (Sie haßten Pilatus für seine Härte und für die
Tatsache, daß er als Heide über sie herrschte. Pilatus seinerseits
verachtete die Juden. Im Jahr 36 n. Chr. erreichten sie endlich, daß er
nach Rom zurückberufen wurde.) Pilatus weigerte sich, für sie das Amt
des Scharfrichters zu übernehmen. Er ahnte, was hinter den Kulissen
vorging. Er hatte den triumphalen Einzug Jesu vor ein paar Tagen
gesehen, und ihm war klar, daß es purer Neid war, der die Juden dazu
veranlaßt hatte, Jesus vor ihn zu bringen ( Mt 27,18 ). Daher entschied
er sich, ein Spielchen mit den Juden zu spielen - um den Einsatz von
Jesu Leben. Er erklärte sich nicht bereit, ohne ausreichenden Grund
irgend etwas gegen Jesus zu unternehmen. Die Anklage der Juden wegen
Gotteslästerung würde schwer zu beweisen sein und reichte auf keinen
Fall aus, ihn nach römischem Gesetz zum Tode zu verurteilen. Gerade
darauf aber hatten es die Juden abgesehen. Jesus war beliebt beim Volk,
daher hätte es der Hohe Rat gern gesehen, wenn das Todesurteil von einem
römischen Gericht ausgesprochen worden wäre. Der Rat selbst konnte zwar
Todesurteile verhängen, doch nur die Römer hatten das Recht, sie zu
vollstrecken (vgl. jedoch die Steinigung des Stephanus in Apg
6,8-7,60 ).
Joh 18,32
Johannes erläutert dann noch genauer, warum Jesus den Römern
ausgeliefert werden mußte. Bei jüdischen Hinrichtungen wurden die Opfer
meistens gesteinigt, wobei den Menschen die Knochen gebrochen wurden.
Die Römer dagegen kreuzigten ihre Verbrecher. Aus drei Gründen war es
nötig, daß Jesus von den Römern auf Bitten der Juden gekreuzigt wurde:
(a) um die Prophezeiungen zu erfüllen (z. B. damit ihm "kein Bein
zerbrochen" würde; Joh 19,36-37 ); (b) damit sowohl Juden als auch
Heiden an seinem Tod schuldig würden (vgl. Apg 2,23;4,27 ); (c) damit
Jesus "erhöht" wurde wie "die Schlange in der Wüste" (vgl. den Kommentar
zu Joh 3,14 ). Ein Mensch, der unter dem Fluch Gottes stand, mußte - als
Zeichen, daß über seine Sünde zu Gericht gesessen worden war - an einem
Baum ausgestellt (gehängt) werden ( 5Mo 21,23; Gal 3,13 ).
Joh 18,33-34
Nach der Überstellung des Gefangenen hatte Pilatus eine private
Unterredung mit Jesus (V. 33 - 38 )a. Er wußte, daß die Juden
normalerweise nicht einen der Ihren den verhaßten Römern ausliefern
würden, daß es mit Jesus also eine besondere Bewandtnis haben mußte.
Nach Lukas ( Lk 23,2 ) wurden Jesus drei Dinge vorgeworfen: Er habe das
Volk aufgewiegelt, sich der Steuer für den Kaiser widersetzt und
behauptet, er sei "Christus, ein König". Pilatus fragte ihn zunächst, ob
er der König der Juden sei. Daraufhin fragte Jesus ihn, ob er diese
Frage von sich aus stelle oder ob andere (Juden) sie ihm in den Mund
gelegt hätten. Damit meinte er, ob Pilatus selbst in Sorge sei, daß er,
Jesus, eine Bedrohung für Rom, also ein Revolutionär, sei, oder ob
andere es so dargestellt hätten.
Joh 18,35-36
Pilatus antwortete sarkastisch: Bin ich ein Jude? Natürlich war er nicht
an irgendwelchen jüdischen Querelen interessiert, sondern nur an
Vergehen, die sich auf die Zivilverwaltung bezogen. Es muß Jesus tief
verletzt haben, daß Pilatus ihn so kalt darauf hinwies, daß es die Juden
waren, sein eigenes Volk, das ihn angeklagt hatte. Johannes hatte
bereits im Prolog seines Evangeliums dieses traurige Thema angesprochen:
"Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf" ( Joh
1,11 ). Jesus sagte, daß die Römer keinen politischen Aufstand von ihm
zu befürchten hatten; er war kein Zelot oder aufständischer
Guerillaführer. Sein Reich war nicht von dieser Welt , es war vom
Himmel, daher würde es auch nicht durch Rebellion, sondern durch
Unterwerfung unter den Willen Gottes kommen. Es konnte nicht durch
gewaltsame Handlungen der Menschen herbeigeführt werden, sondern nur
durch die Wiedergeburt vom Himmel, durch die die Menschen aus dem Reich
Satans in das Reich Gottes kommen konnten (vgl. Joh 3,3; Kol 1,13 ).
Joh 18,37
Da Jesus von einem Königreich sprach, stürzte Pilatus sich sofort auf
das Wort "König": So bist du dennoch ein König? Diese Frage bejahte
Jesus, doch er erklärte nochmals, daß sein Reich nicht mit Rom zu
vergleichen sei. Es ist ein Reich der Wahrheit, das alle anderen
Königreiche in den Schatten stellt. Er sagte: Wer aus der Wahrheit ist,
der hört meine Stimme. Mit wenigen Worten bestätigte Jesus also seine
göttliche Herkunft ( ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen ) und
seinen Auftrag ( daß ich die Wahrheit bezeugen soll ). Später würde er
über Pilatus zu Gericht sitzen.
Joh 18,38
Pilatus' Frage "Was ist Wahrheit?" zieht sich durch die Jahrhunderte bis
in unsere heutige Zeit. Es ist schwer zu entscheiden, was er damit
meinte. War sie Ausdruck des sehnsüchtigen Wunsches zu wissen, was
keiner ihm sagen konnte? Zielte sie auf das Problem der
Erkenntnistheorie und zeugte lediglich von philosophischem Zynismus? War
sie ein Beispiel für seine Gleichgültigkeit gegenüber so unnützen und
abstrakten Gedanken? Oder war sie Ausdruck der Verärgerung und Ungeduld
über Jesu Antwort? Alle diese Interpretationen sind möglich. Wichtig ist
jedoch allein, daß er sich plötzlich von dem, der "die Wahrheit" ( Joh
14,6 ) war, abwandte, ohne auf eine Antwort zu warten. Daß Pilatus Jesus
für unschuldig hielt, ist von großer Bedeutung, denn Jesus mußte sterben
wie ein Passalamm ( 2Mo 12,5 ), ein "Mann in der Blüte seiner Jahre und
ohne Tadel".
Joh 18,39-40 Außer diesem mangelnden Interesse an der Wahrheit zeigte Pilatus jedoch auch mangelndes Interesse an der Gerechtigkeit. Ihm fehlte der Mut, zu seiner Überzeugung zu stehen. Wenn Jesus tatsächlich in allen Punkten unschuldig war, hätte er ihn freilassen müssen. Statt dessen schloß er eine Reihe von Kompromissen, um sich der Notwendigkeit, in einer schwierigen Situation der unbequemen Wahrheit entsprechend zu handeln, zu entziehen. Als er feststellte, daß Jesus Galiläer war, sandte er ihn zunächst zu Herodes ( Lk 23,6-7 ). Dann versuchte er, in der Hoffnung, die Pläne der Hohenpriester und Ältesten zu vereiteln, an die Menge zu appellieren ( Joh 18,38 ). Er wußte, daß Jesus beliebt war und dachte, daß die Menschen ihn Barabbas vorziehen würden (vgl. Mt 27,20 ). Sein Angebot, Barabbas, einen Mörder und Aufständischen, loszugeben , war ein politisches Armutszeugnis für einen Beamten, dessen Aufgabe es war, die Interessen Roms wahrzunehmen. |