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Johannesevangelium Walvoord  Edwin A. Blum

Johannes Kapitel 7

Johannes 7 Zusammenfassung

  1. Laubhüttenfest: Jesus geht zum Laubhüttenfest nach Jerusalem.
  2. Brüder Jesu: Jesu Brüder fordern ihn auf, sich öffentlich zu zeigen.
  3. Verborgenes Handeln: Jesus geht zunächst heimlich zum Fest.
  4. Lehre Jesu: Jesus lehrt im Tempel.
  5. Herkunft der Lehre: Jesus betont, dass seine Lehre von Gott kommt.
  6. Streit unter den Juden: Es gibt Streit unter den Juden über Jesus.
  7. Gotteslästerung: Einige beschuldigen Jesus der Gotteslästerung.
  8. Fest am letzten Tag: Jesus spricht am letzten Tag des Festes.
  9. Ströme lebendigen Wassers: Jesus spricht von Strömen lebendigen Wassers, die aus dem Inneren der Gläubigen fließen werden.
  10. Spaltung unter dem Volk: Es kommt zu einer Spaltung unter dem Volk wegen Jesus.
  11. Diener werden gesandt: Die Pharisäer und Hohenpriester senden Diener, um Jesus zu verhaften.
  12. Nikodemus verteidigt Jesus: Nikodemus erinnert an das Gesetz, das eine Anhörung vor dem Urteil verlangt.
  13. Verhaftung scheitert: Die Diener verhaften Jesus nicht.
  14. Pharisäer reagieren: Die Pharisäer reagieren mit Spott und Unglauben.
  15. Galiläa: Die Pharisäer behaupten, dass kein Prophet aus Galiläa kommt.


 

3. Das Wirken in Galiläa

( 7,1 - 9 )

 

Dieser Abschnitt ist die Vorbereitung für eine weitere Konfrontation zwischen Jesus und seinen Widersachern in Jerusalem. Sein Wirken in Galiläa, das keinerlei Aufsehen erregte, verzögerte den bevorstehenden Konflikt nur.

 

 

Joh 7,1

 

Danach ist ein ziemlich vager Ausdruck. Da die Ereignisse, von denen im sechsten Kapitel die Rede war, kurz vor dem Passafest im April stattfanden ( Joh 6,4 ) und inzwischen das Laubhüttenfest im Oktober vor der Tür stand ( Joh 7,2 ), muß Jesus sich etwa sechs Monate in Galiläa aufgehalten haben. Galiläa war sicherer für ihn, weil seine Hauptfeinde, die ihm nach dem Leben trachteten, in Judäa saßen.

 

 

Joh 7,2

 

Das Laubhüttenfest war eines der drei großen Feste der Juden, laut Josephus sogar das heiligste und größte ( Ant. 5. 4. 1). Auch Fest der Lese genannt, war es ein Erntedankfest. Fromme Juden wohnten in dieser Zeit sieben Tage lang in mit Zweigen überdachten Hütten, zur Erinnerung an Gottes Schutz während des Aufenthalts ihrer Väter in der Wüste. Zugleich war das Fest ein Zeichen dafür, daß Gott selbst unter seinem Volk Wohnung nahm.

 

 

Joh 7,3

 

Jesu Brüder , Söhne von Maria und Josef, die nach Jesus zur Welt gekommen waren, glaubten zu der Zeit noch nicht (vgl. Mk 3,21.31-35; Joh 7,5 ). Sie argumentierten ganz logisch, daß die messianische Frage nicht in Galiläa gelöst werden konnte, da Jerusalem die religiöse Hauptstadt war. Das populäre Laubhüttenfest wäre also der richtige Zeitpunkt für Jesus gewesen, sich als Messias zu präsentieren. Wenn er seine Macht in Judäa unter Beweis stellte, so dachten sie, wäre es ihm vielleicht möglich, das verlorene Volk für sich zu gewinnen. Joh 7,4-5 : In ihren Augen war es höchst unvernünftig, daß Jesus seine Herrlichkeit nicht offenbarte. Wenn er wirklich der war, der er zu sein vorgab, so sagten sie, sollte er es auch öffentlich beweisen. Sie rieten ihm, sich in all seiner Macht und Herrlichkeit zur Schau zu stellen: Offenbare dich vor der Welt . Doch nach dem Willen Gottes sollte die öffentliche Zurschaustellung des Messias am Kreuz, in der Erniedrigung, erfolgen. Der Evangelist muß deshalb hinzufügen, daß auch seine Brüder nicht an ihn glaubten (vgl. Joh 1,10-11;12,37 ). Die Nähe zu Jesus, sei es im Rahmen der Familie oder als sein Jünger, macht noch keinen Glauben.

 

 

Joh 7,6-7

 

Jesus entgegnete auf ihr Ansinnen, daß seine Zeit sich von der ihren unterschied. Ihr Kommen und Gehen hatte keinerlei Folgen in der Welt; ihre Zeit war allewege. Er aber tat allezeit nur das, was dem Vater gefiel, und richtete sich auch in diesem Punkt nach dem Willen des Vaters. Die Zeit seiner öffentlichen Manifestation (das Kreuz) war noch nicht da , eine Tatsache, auf die Johannes mehrere Male hinweist ( Joh 2,4;7,6.8.30;8,20 ). Später begann Jesus sein Bittgebet an den Vater unmittelbar vor der Kreuzigung mit den Worten: "Vater, die Stunde ist da" ( Joh 17,1; vgl. Joh 12,32.27;13,1 ).

Den Brüdern Jesu gegenüber verhielt die Welt sich nicht feindlich, denn sie waren ein Teil von ihr ( die Welt kann euch nicht hassen ). Doch Jesus haßte sie, weil er nicht aus ihr war. Er war als das Licht gekommen und wies sie auf ihre Sünde und ihren Widerstand gegen den Vater hin. Christus bezeugte, daß die Religionen, Programme, Pläne und Werte der Welt böse ( ponEra ) sind. Nicht zuletzt deshalb hielt er sich häufig verborgen, damit er lange genug am Leben blieb, um den Willen des Vaters erfüllen zu können.

 

 

Joh 7,8-9

 

Der Satz "ich will nicht hinaufgehen zu diesem Fest" bezieht sich ganz eindeutig auf Vers 10 . In den meisten griechischen Ausgaben des Neuen Testamentes wurde das Wörtchen "noch" weggelassen, weil diese Lesart als unsicher gilt, doch von den Handschriften her ist sie relativ gut bezeugt. Wenn Jesus wirklich nur gesagt hätte, "ich will nicht hinaufgehen zu diesem Fest" (wie auch Luther schreibt), könnte man auf die Idee kommen, daß er gelogen hätte, weil er - laut Vers 10 - später doch noch ging. Doch wie auch immer, fest steht, daß er hier einfach sagen wollte, daß er "noch nicht jetzt" hinaufging, wie die Brüder verlangt hatten, sondern noch eine Zeitlang in Galiläa blieb und dort tat, was ihm der Vater aufgetragen hatte.

"Hinaufgehen" war hier sowohl geographisch (Jerusalem liegt in den Bergen) als auch theologisch (zurückgehen zum Vater) gemeint.

 

 

D. Jesu Rückkehr nach Jerusalem und das erneute Aufflammen der Feindseligkeiten

( 7,10 - 10,39 )

 

1. Das Laubhüttenfest

( 7,10 - 8,59 )

 

a. Der Anfang des Festes

( 7,10 - 13 )

 

Joh 7,10

 

Aufgrund der Verschwörung gegen ihn (V. 1.25 ) betrat Jesus die Stadt heimlich, denn die Zeit für seine Offenbarung als Messias (am Kreuz) war noch nicht gekommen.

 

Joh 7,11-13

 

Während seine Feinde ihn suchten, um ihn zu vernichten, debattierte das Volk über diesen kontroversen Lehrer. Der Widerstand gegen ihn nahm zu. Ein großes Gemurmel (vgl. Joh 6,41.61 ) war zu hören. (Vgl. das Murren der Israeliten in der Wüste.) Der Vorwurf, er verführe das Volk , hatte drohende Untertöne, denn darauf stand nach dem Gesetz des Talmud die Todesstrafe durch Steinigung. Da auf dem Fest nur Juden anwesend waren, war mit der Wendung "aus Furcht vor den Juden" die Furcht der Menschen vor den religiösen Machthabern gemeint.

 

b. Jesus auf dem Fest

( 7,14 - 36 )

 

Joh 7,14-15

 

Die ersten drei Tage vergingen, ohne daß jemand Jesus zu Gesicht bekam. Die Menschen fragten sich, ob er überhaupt noch kommen und seinen Anspruch, der Messias zu sein, geltend machen werde. Dann, mitten im Fest , begann er, im Tempel zu lehren. Als die offiziellen religiösen Führer ihn hörten, verwunderten sie sich (vgl. Mk 1,22 ), denn das, was er sagte, war fundiert und wurde beredet vorgetragen, obgleich Jesus niemals eine ihrer Rabbinerschulen besucht hatte. Sie fragten sich, wie das möglich war.

 

 

Joh 7,16-17

 

Die religiösen Führer gingen davon aus, daß jeder, der sich in der Schrift auskannte, entweder in einer traditionellen Schule studiert hatte oder Autodidakt war. Doch Jesu Antwort wies ihnen noch einen dritten Weg. Seine Lehre war von dem, der ihn gesandt hatte (vgl. Joh 12,49-50;14,11.24 ). Gott selbst hatte Jesus gelehrt, und damit die Menschen Jesu Lehre verstehen konnten, mußte Gott auch sie lehren ( Joh 6,45 ). Um Jesus richtig beurteilen zu können, muß man bereit sein, Gottes Willen zu tun . Gottes Wille für die Menschen aber ist Jesus, daher müssen sie an ihn glauben ( Joh 6,29 ). Der Glaube ist die Voraussetzung für das Verständnis. Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen ( Hebr 11,6 ).

 

 

Joh 7,18

 

Wenn Jesus Autodidakt ( von sich selbst aus geredet hätte) oder ein Genie gewesen wäre, hätte sein Wirken eine Selbsterhöhung bedeutet. So aber suchte er darin nicht seine eigene Ehre . Die ursprüngliche Bestimmung der Menschen ist es, Gott zu verherrlichen (seine Ehre zu suchen) und sich an ihm zu freuen. Jesus tut und ist in jeder Hinsicht alles das, was die Menschen tun und sein sollten. Alles, was er will, ist, den Vater angemessen zu vertreten ( Joh 1,18 ). Er ist wahrhaftig (d. h. zuverlässig; vgl. Joh 7,28;8,26 ) und ohne jede Ungerechtigkeit .

 

 

Joh 7,19

 

Jesu Hörer prahlten mit dem mosaischen Gesetz ( Joh 9,28 ), doch Jesus wandte sich gegen ihre religiöse Überheblichkeit. Sie waren überzeugt, das Gesetz zu halten, doch in Wirklichkeit waren ihre Herzen (Gedanken) böse ( Mk 7,6-7.20-22; Mt 5,21-22 ). Jesus kannte sie ( Joh 2,24-25 ) und wußte, daß ihr Haß sie bis zum Mord führen würde.

 

Joh 7,20

 

Statt Buße zu tun, schmähten ihn die Menschen jedoch und warfen ihm vor, er sei besessen . Dasselbe hatte das Volk auch von Johannes dem Täufer gesagt ( Mt 11,18 ). Seinen Halbbrüdern hatte Jesus erklärt, daß die Welt ihn hasse ( Joh 7,7 ), weil "das Licht haßt, wer Böses tut" ( Joh 3,20 ). Ihn, den von Gott Gesandten, als "besessen" zu bezeichnen, heißt, das Licht Finsternis zu nennen (vgl. Joh 8,48.52;10,20 ). Die Menschen leugneten, daß sie ihn töten wollten, obgleich sie vor noch nicht allzu langer Zeit den Versuch gemacht hatten, eben dies zu tun ( Joh 5,18 ). (Vgl. Petrus, der bestritt, daß er Jesus verleugnen würde; Mk 14,29 .)

 

 

Joh 7,21-23

 

Das einzige Werk , auf das Jesus sich hier bezog, war die Heilung des Gelähmten am Teich Betesda, die er bei seinem letzten Aufenthalt in Jerusalem vollbracht hatte ( Joh 5,1-18 ). Um diese an einem Sabbat geschehene Tat entbrannte eine hitzige Debatte. Die Beschneidung ist ein religiöser Ritus, der auf die Zeit vor Mose zurückgeht. Abraham hatte sie als Zeichen des Bundes eingeführt ( 1Mo 17,9-14 ). Mose hatte die Beschneidung dann in das levitische System, d. h. unter das Gesetz, aufgenommen. Bei ihm heißt es: "Und am achten Tage soll man ihn beschneiden" ( 3Mo 12,3 ). Wenn nun dieser Tag auf einen Sabbat fiel, geriet man automatisch in Widerspruch zu dem Gebot, den Sabbat zu heiligen. Trotzdem führten die Juden auch am Sabbat Beschneidungen durch. Sie hatten mithin keinen Grund, Jesus zu zürnen.

 

 

Joh 7,24

 

Ihr Problem war, daß sie die Schrift nur oberflächlich verstanden. Sie stritten sich um Kleinigkeiten, daher entging ihnen häufig das wesentliche (vgl. Mt 23,23; Joh 5,39-40 ). Ihr Urteil war zu stark von dem bestimmt, was vor Augen lag. Demgegenüber forderte Jesus sie nun auf, gerecht zu richten . Darin lag ein letzter Aufruf zur Umkehr. Ihr mangelndes Begreifenrührte nicht zuletzt von ihrer Feindseligkeit gegenüber dem Stellvertreter Gottes her. Sie lebten in der Finsternis und gingen in die Irre.

 

Joh 7,25-26

 

Einige der Jerusalemer Juden, die von der Verschwörung gegen Jesus wußten, waren überrascht über diesen kühnen öffentlichen Auftritt. Doch die Führer unternahmen nichts, obwohl sie es angedroht hatten. Warum nicht? Waren sie anderen Sinnes geworden? Das Volk war verwirrt über die mangelnde Konsequenz seiner religiösen "Oberhirten". Die Menschen erwarteten, daß Jesus, wenn er ein Verführer war, gefangengenommen wurde, oder daß er, wenn er der Messias war, in seiner Messianität anerkannt wurde.

 

Joh 7,27

 

Es herrschte allerdings die allgemeine Ansicht, daß Jesus nur ein galiläischer Zimmermann aus Nazareth sei. Die Menschen gingen davon aus, daß die Herkunft des Messias ( der Christus ) unbekannt bleiben würde. Wer das Evangelium liest, dem wird die Ironie, die in dieser Fehleinschätzung liegt, sehr rasch klar. Jesus war weit mehr als ein Galiläer; er war der Logos , in Bethlehem von einer Jungfrau geboren. Da die Menschen jedoch Josef für seinen Vater hielten, war seine Herkunft den meisten tatsächlich unbekannt.

 

 

Joh 7,28-29

 

Daß Jesus die folgenden Worte rief , war das Zeichen für eine feierliche Verkündigung (vgl. Joh 1,15;7,37;12,44 ). Er reagierte damit auf das, was die Menschen von ihm zu wissen glaubten ( Joh 7,27 ). Seine Herkunft war vom Vater, der ihn gesandt hat und wahrhaftig ("verläßlich"; vgl. V. 18 ; Joh 8,26 ) ist. Jesus kannte den Vater, weil er von ihm abstammte ( Joh 1,1.14.18 ) und von ihm gesandt war, seine Feinde aber kannten weder den Vater noch ihn ( Joh 1,18; vgl. Mt 11,27 ).

 

 

Joh 7,30

 

Diese Unterstellung brachte die Jerusalemer dermaßen auf, daß sie versuchten, Jesus zu ergreifen ( piazO , gefangennehmen; vgl. V. 32.44 ; Joh 8,20;10,39 ). Doch der Vater hatte die Zeit und den Ort für das Offenbarwerden Jesu (seinen Tod) festgesetzt, und bis dahin sollte alles, was geschah, nur diesem einen Ziel dienen. Niemand legte Hand an ihn, denn der Vater schützte ihn vor dem Zugriff seiner Feinde.

 

 

Joh 7,31

 

Viele aus dem Volk kamen durch Jesu Worte aber auch zum Glauben an ihn. Wer solche Zeichen tat, mußte etwas Ungewöhnliches sein. Ganz sicher würde der Messias nicht mehr Wunder tun können als dieser. Trotzdem war der Glaube der Menschen an Jesus als den Messias noch sehr zögernd und tastend und enthielt noch nicht den Gedanken an seinen Sühnetod.

 

 

Joh 7,32

 

Da sich so viele aus dem Volk Jesus zuwandten, sahen die Pharisäer als Wächter der jüdischen Tradition (vgl. den Kommentar zu den Pharisäern bei Joh 1,24-25 ) ihre Lehren in Gefahr (vgl. Mk 7,1-23 ). Ihnen war klar, daß bald etwas geschehen mußte. Die Hohenpriester waren die obersten Priester. Ergreifen ist im Griechischen dasselbe Wort ( piazO ) wie in Joh 7,30.44; 8,20 und Joh 10,39 .

 

 

Joh 7,33

 

Während der Plan zur Gefangennahme Jesu allmählich konkretere Formen annahm, fuhr Jesus fort zu lehren. Dem Volk blieb nur noch eine kleine Zeit , um zu einer Entscheidung über ihn zu kommen. Diese Zeitspanne war nicht von den Machthabern, sondern von Gott gesetzt. Wenn Jesus seinen Auftrag in der Welt erfüllt hatte, würde er zum Vater zurückkehren.

 

 

Joh 7,34

 

Ihr werdet mich suchen war eine Prophezeiung, daß das jüdische Volk sich nach dem Messias sehnen würde. Dieser Zustand ist auch eingetreten, allerdings in Unkenntnis der Tatsache, daß in Jesus der ersehnte (vgl. Sach 12,10-13; Offb 1,7 ) Messias bereits zur Welt gekommen ist. Jetzt war die Gelegenheit da, sich für ihn zu entscheiden, später würde es zu spät sein. Jesus fuhr auf in den Himmel, wo die Ungläubigen nicht hinkommen können (vgl. Joh 8,21 ). Den Menschen, die heute leben, ist die einzigartige Möglichkeit, den Messias von Angesicht zu Angesicht zu sehen, nicht vergönnt.

 

 

Joh 7,35

 

Doch wieder einmal waren Jesu Worte den Juden (vgl. V. 15.31.41 - 42 )ein Rätsel. Wo konnte er hingehen, wo sie ihn nicht fänden? Weil sie von der Erde waren, konnten sie nur irdische Gedanken denken (vgl. Jes 55,8 ). Manche Juden hatten sich außerhalb Palästinas, irgendwo im riesigen römischen Reich oder noch weiter entfernt, angesiedelt; manche waren sogar bis nach Babylon gekommen. Sie lebten in der Zerstreuung unter den Griechen . "Griechen" bedeutet hier nicht nur Griechen oder griechisch Sprechende, sondern ganz allgemein Nicht-Juden oder Heiden (vgl. "Griechen" und "Juden" in Kol 3,11 ). Die Frage lautete also: "Wird Jesus die Heiden lehren ?" Ohne daß sie es wußten, war ihre Frage eine Prophezeiung der weltweiten Ausbreitung des Evangeliums nach Jesu Himmelfahrt.

 

Joh 7,36

 

Da sie Jesus nicht verstanden hatten, wiederholten sie ihre Frage nochmals.

 

 

c. Der letzte Tag des Festes

( 7,37 - 52 )

 

Joh 7,37

 

Zu den Ritualen des Laubhüttenfestes gehörte unter anderem eine jeden Tag stattfindende, feierliche Prozession vom Tempel zum Gihonbrunnen. Dort füllte ein Priester einen goldenen Henkelkrug mit Wasser, während der Chor Jes 12,3 sang. Dann kehrte der Zug zum Altar zurück, und das Wasser wurde ausgegossen. Dieses Ritual erinnerte an das Felsenwunder während Israels Aufenthalt in der Wüste ( 4Mo 20,8-11; Ps 78,15-16 ) und wies voraus auf die kommenden Tage des Messias (vgl. Sach 14,8.16-19 ). Der siebte und letzte Tag des Festes war gleichzeitig der höchste (vgl. 3Mo 23,36 ). An diesem Tag trat auch Jesus auf . Er stand während seiner Ansprache, im Gegensatz zu der üblichen Haltung der Rabbis, die sitzen blieben, wenn sie lehrten. Das "Rufen" (vgl. Joh 1,15;7,28;12,44 ) war stets die Ankündigung einer feierlichen Aussage. Sein Angebot "wen da dürstet, der komme zu mir und trinke" war ein Heilsangebot (vgl. Joh 4,14;6,53-56 ).

 

 

Joh 7,38

 

Ströme lebendigen Wassers werden von dem Leib dessen fließen , der an Jesus glaubt. D. h., er wird eine ständige Quelle der Zufriedenheit in sich haben, die ihm Leben spendet (vgl. Joh 4,14 ). Jesus fügte noch hinzu: wie die Schrift sagt , doch er bezeichnete die Schriftstelle, an die er hier dachte, nicht genauer. Vielleicht bezog er sich auf Ps 78,15-16 oder Sach 14,8 (vgl. Hes 47,1-12; Offb 22,1-2 ).

 

 

Joh 7,39

 

Der Evangelist erklärt, daß das "lebendige Wasser" (V. 38 ), von dem Jesus hier spricht, das kommende Geschenk des Heiligen Geistes sei. Der Geist befriedigt das Bedürfnis des Glaubenden nach Gott und erneuert, leitet und bevollmächtigt ihn. Die Wendung "denn der Geist war noch nicht da" steht schon in den ältesten griechischen Handschriften, darf jedoch in diesem Zusammenhang nicht wörtlich verstanden werden. Auch unter den Menschen des Alten Testaments hatte der Geist bereits gewirkt. Jesus sprach hier von dem besonderen Werk der Taufe, der Versiegelung und des Innewohnens des Geistes in den Menschen des Kirchenzeitalters, das an Pfingsten begann ( Apg 1,5.8 ). Er versprach, denen, die ihm nachfolgten, "den Geist zu senden" ( Joh 15,26;16,7 ). Daß dieser Geist "noch nicht da" war, bedeutete, daß er noch nicht ständig in den Gläubigen Wohnung genommen hatte (vgl. Ps 51,11 ). Das geschah erst nach Jesu Verherrlichung , d. h. nach seinem Tod, seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt. "Verherrlicht", "Herrlichkeit" und "verherrlichen" sind wiederum Schlüsselwörter im Johannesevangelium ( Joh 7,39;11,4;12,16.23.28;13,31-32;14,13;15,8;16,14;17,1.4-5.10 ).

 

 

Joh 7,40-41

 

Das Volk stritt sich weiterhin über Jesu Identität. Einige sahen in ihm den Propheten , den Mose angekündigt hatte ( 5Mo 18,15.18 ). Tatsächlich war Jesus dieser verheißene Prophet ( Apg 3,22 ), doch viele erkannten ihn nicht an. Zwar hielten ihn manche sogar für den Christus , d. h. den Messias, doch wieder andere glaubtenes nicht, weil sie wußten, daß er aus Galiläa kam (vgl. Joh 7,52 ).

 

 

Joh 7,42

 

Nach den Prophezeiungen bei Samuel und Jesaja ( 1Sam 7,16; Jes 11,1 ) sollte der Messias aus dem Geschlecht Davids kommen. Micha sagte voraus, daß er in Bethlehem, wo David war, geboren würde ( Mi 5,1 ). Jesus war aus dem Geschlecht Davids ( Mt 1,1-17; Lk 3,23-38; Röm 1,3 ), und er war auch in Bethlehem zur Welt gekommen ( Mt 2,1-6 ), doch die Menschen übersahen diese Tatsachen.

 

 

Joh 7,43-44

 

Da das Volk nach wie vor geteilter Meinung über seine Person war, konnte Jesus seine Lehre fortsetzen, ohne sofort gefangengenommen zu werden ( ergreifen , piazo, vgl. V. 30.32 ; Joh 8,20;10,39 ). Viele seiner Zuhörer waren ihm wohlgesonnen, wenn sie sich auch nicht für die Nachfolge entschieden (vgl. Joh 7,12.31.40-41 ). Seine Feinde mußten sich deshalb vorsehen, wenn sie keinen Aufstand riskieren wollten. Eine Zeitlang legte daher niemand Hand an ihn . Auch später kam es noch zweimal zu einer Spaltung der öffentlichen Meinung über Jesus ( Joh 9,16;10,19-21 ).

 

 

Joh 7,45-46

 

Die Knechte , die Jesus gefangennehmen sollten (V. 32 ), kehrten unverrichteter Dinge zurück. Auf die Frage der Hohenpriester und Phärisäer, warum sie ihn nicht mitgebracht hatten, antworteten sie: Noch nie hat ein Mensch so geredet wie dieser . Wörtlich lautete ihre Antwort: "Noch nie sprach ein solcher Mensch", was darauf hindeutet, daß sogar diese Vollzugsbeamten das Ungewöhnliche, das Jesus ausstrahlte, spürten und das Gefühl hatten, daß er mehr als ein Mensch war. Die Evangelien zeigen Jesus häufig als höchst beeindruckenden Lehrer und Redner (z. B. Mt 7,28-29;22,46 ). Er traf zwar auf sehr viel Widerstand, doch viele, die ihn hörten, wurden zutiefst von seinen Worten berührt (vgl. Joh 7,15;12,19 ).

 

 

Joh 7,47-48

 

Die Frage der Pharisäer an die Wachen "glaubt denn einer von den Oberen oder den Pharisäern an ihn?" war ein Beweis für ihre intellektuelle Überheblichkeit. Sie hielten sich für zu gebildet (V. 15 ), um einem Demagogen zu erliegen. Dabei glaubte eine ganze Reihe der Oberen durchaus an Jesus ( Joh 12,42;19,38-39 ), wenngleich die Führungsschicht im allgemeinen eifersüchtig auf seine Beliebtheit beim Volk war ( alle Welt läuft ihm nach ; Joh 12,19 ).

 

 

Joh 7,49

 

Sie führten diese Popularität auf die Unwissenheit der Massen zurück, die nicht erkennen konnten, daß sie getäuscht wurden. Nach Ansicht der Pharisäer kannte die Menge (das Volk) das Gesetz nicht und konnte ihm daher auch nicht gehorchen. Da sie aber dem Gesetz nicht gehorchten, waren diese einfachen Leute zwangsläufig verflucht ( 5Mo 28,15 ). Die Ironie dieser Situation lag darin, daß die Pharisäer, und nicht etwa das Volk, unter Gottes Zorn standen, denn sie waren es, die seine Offenbarung in Jesus verworfen hatten ( Joh 3,36 ).

 

 

Joh 7,50-51

 

Das mosaische ( 5Mo 1,16-17 ) und das rabbinische Gesetz legten fest, daß eine Person, die eines Verbrechens angeklagt war, verhört wurde, bevor man über sie richtete. Hier tat sich vor allem Nikodemus als ein um Gerechtigkeit bemühter Mann hervor, der verhindern wollte, daß der Hohe Rat ein falsches oder übereiltes Urteil über Jesus fällte. Er hatte persönlich mit ihm gesprochen und wußte, daß er von Gott kam ( Joh 3,1-2; vgl. Joh 12,42;19,38-39 ).

 

 

Joh 7,52

 

Obwohl Nikodemus ein vom Volk geachteter Lehrer war ( Joh 3,10 ), wurde er wegen seiner ausgleichenden Haltung von den Mitgliedern des Hohen Rats angegriffen. Ihre Vorurteile und ihr Haß gegen Jesus waren bereits so groß, daß sie keinen Vernunftgründen mehr zugänglich waren. Man warf Nikodemus vor, ebenso unwissend zu sein wie die Galiläer. Aus Galiläa steht kein Prophet auf , hieß es, daher kann auch der messianische Prophet nicht aus Galiläa kommen (vgl. Joh 7,41 ).

Anmerkung zu Joh 7,53-8,11 :

 

 

Joh 7,53-8,11

 

Fast alle Neutestamentler stimmen darin überein, daß die folgenden Verse nicht zum ursprünglichen Manuskript des Johannesevangeliums gehören. Auch in der Lutherausgabeist die Bemerkung hinzugefügt: "Der Bericht Joh 7,53-8,11 ist in den ältesten Textzeugen des Johannes-Evangeliums nicht enthalten." Stil und Vokabular dieses Abschnitts unterscheiden sich vom übrigen Text des Evangeliums, außerdem unterbricht er die Erzählung von Joh 7,52-8,12 .Möglicherweise handelt es sich hier um eine mündliche Überlieferung, die dem griechischen Manuskript später hinzugefügt wurde. Zu weiteren Ausführungen zu diesem Problem vgl. den Anhang vor der Bibliographie zum Johannesevangelium.