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Kp 6 + 7  Hebräer (Zane C. Hodges) Walvoord


2. Die Lösung des Problems

( 6,1-3 )

 

Hebr 6,1-2

 

Etwas überraschend angesichts der geringen Einschätzung des geistlichen Entwicklungsstandes seiner Leser lehnt der Verfasser es ab, nochmals die "Anfangsgründe" des Glaubens mit ihnen durchzunehmen. Statt dessen drängt er sie, sich zum Vollkommenen zu wenden und über das hinauszukommen, was am Anfang über Christus zu lehren ist . Eine Wiederholung der Grundwahrheiten würde sie keinen Schritt weiterbringen. Der Briefschreiber zieht deshalb die "Radikalmethode" vor und beschließt, sie so rasch wie möglich in ihrer Erkenntnis voranzubringen, denn nur so waren ihre Probleme zu lösen. Wenn sie sich in angemessener Weise weiterentwickelten, war es nicht mehr nötig, abermals den Grund zu legen mit der Umkehr von den toten Werken . Wenn sie, wie die Verse 4 - 6 warnen, im Begriff standen, "abzufallen", hätte das den Grundstein für eine neue Umkehr gelegt, die jedoch "unmöglich" ist (vgl. V. 4.6 ). So war die geistliche Weiterentwicklung also ihr einziges Heilmittel.

Die "toten Werke" kehren noch in anderem Kontext wieder und beziehen sich dort offenbar auf das levitische Ritual ( Hebr 9,14 ). Es ist anzunehmen, daß sie hier in demselben Sinn gebraucht sind, da viele der Leser vom Judentum zum Christentum bekehrt worden waren. Die Rituale, die sie mit ihrem alten Glauben zusammen aufgegeben hatten, waren tot und unfähig, sie an den lebendigen Erfahrungen teilhaben zu lassen, die sie in Christus gefunden hatten. Der Autor beschwört sie deshalb, in keiner wie auch immer gearteten Form zu diesen "toten Werken" zurückzukehren, weil sie damit erneut in die Lage kämen, umkehren zu müssen - und eine solche Umkehr wäre schwierig, so richtig sie auch wäre.

Doch die negative Situation, die sie mit ihrem Abfall schüfen, beträfe auch andere fundamentale Wahrheiten: den Glauben an Gott, die Lehre vom Taufen, das Händeauflegen, die Auferstehung der Toten und das ewige(n) Gericht . Alle diese Aspekte gehören nach Aussage des Briefschreibers eindeutig zu den "Anfangsgründen" ( Hebr 5,12 ), in denen die Leser äußerst schwankend geworden zu sein scheinen. Es ist anzunehmen, daß jeder dieser Punkte auf die eine oder andere Weise bei der Auseinandersetzung der Leser mit

Andersdenkenden im Spiel war. Die Rückkehr zu den Ritualen, sei es nun des normativen oder des sektiererischen Judentums, wäre nichts anderes als eine Rückkehr zu den "toten Werken". Wer einen solchen Schritt zurück tat, hatte es nötig, daß ihm ganz von vorn beigebracht wurde, daß seine Annahme ganz allein von seinem "Glauben an Gott" abhing und nicht von irgendwelchen Ritualen.

Auch die Bedeutung der verschiedenen "Taufen", die die Christenheit kannte (die Taufe des Johannes, die normale christliche Taufe oder die "Geisttaufe"), müßte ihnen ebenso neu vermittelt werden wie die Grundbegriffe des "Handauflegens". Indem er auf diese Dinge anspielte, brachte sich der Briefschreiber möglicherweise bewußt in Gegensatz zu den Lehren der Sekten, die ihrerseits wahrscheinlich ebenfalls Initiationsriten kannten, zu denen auch das "Taufen" und das "Handauflegen" gehörte. Wenn die Sektierer oder wer auch immer zudem auch noch die normativen eschatologischen Hoffnungen des Christentums verwarfen (vgl. den Kommentar zu Hebr 4,1.8-10 ), dann standen die grundlegende Lehre von der "Auferstehung der Toten" und die Lehre vom "ewigen Gericht" auf dem Spiel. Dem christlichen Glauben abzuschwören und vom Glauben abzufallen ( Hebr 6,6 ) hieße, alle diese Lehren fallenzulassen. Was auch immer die Leser früher gelernt hatten, würden sie damit aufgeben. In diesem Sinne wäre dann die Grundlage dafür geschaffen, ganz von vorn zu beginnen, doch der Briefschreiber bewahrt sich eine gewisse Hoffnung, daß die Leser nicht in diese negative Situation kommen werden.

 

 

Hebr 6,3

 

Er wünscht sich, daß sie in ihrem Glauben weiterkommen, ist sich dabei jedoch vollkommen bewußt, daß dazu mehr gehört als seine Bemühungen um ihre geistliche Entwicklung. Gott muß ihnen dabei helfen. Hatte er zu Beginn dieses Abschnitts noch gesagt, "darum wollen wir ... uns zum Vollkommenen wenden" (V. 1 ), so setzt er jetzt im Gefühl seiner Abhängigkeit von der göttlichen Hilfe hinzu, das wollen wir tun, wenn Gott es zuläßt .

 

 

3. Die Alternative zum geistlichen Wachstum

( 6,4 - 8 )

 

In feierlicher und eindringlicher Form führt der Autor seinen Lesern dann vor Augen, wie die traurige Alternative zu jenem geistlichen Fortschritt, den er sich für sie wünscht, aussehen würde. Wenn sie nicht vorankommen, fallen sie unweigerlich zurück, und ein solcher Rückfall würde sich für den einzelnen äußerst tragisch auswirken.

 

 

Hebr 6,4-6

 

Zu diesen drei Versen gibt es vier verschiedene Auslegungen: (1) Es gehe um die Gefahr für den Christen, seiner Erlösung verlustig zu gehen. Diese Auffassung wurde jedoch verworfen, weil in der Bibel eindeutig festgehalten ist, daß die Erlösung ein Werk Gottes ist, das nicht rückgängig gemacht werden kann. (2) Die Warnung richte sich gegen ein bloßes Lippenbekenntnis des Glaubens ohne echte Teilhabe am Heil ( The New Scofield Reference Bible , S. 1315). (3) Die Verse seien dahingehend zu interpretieren, daß es in dem hypothetischen Fall, daß ein Christ tatsächlich seine Erlösung verliert, keine Möglichkeit zur Umkehr mehr gebe ( The Ryrie Study Bible , S. 1736). (4) Der Verfasser des Hebräerbriefes warne hier vor den Gefahren, die drohen, wenn ein wirklicher Christ, der auch seinem Glauben entsprechend gelebt hat, sich so verändert, daß er untauglich zum christlichen Dienst wird ( 1Kor 9,27 ) und sein Erbe an der tausendjährigen Herrlichkeit verspielt. Von dieser letzteren Auslegung wollen wir im folgenden ausgehen. Im deutschen wie im griechischen Text bilden die drei Verse einen einzigen Satz. Ihre zentrale Aussage ist: Es ist unmöglich, die, die ... wieder zu erneuern zur Buße . Nach den Worten "die, die" folgt eine Beschreibung des Personenkreises, der nach Auffassung des Briefschreibers wohl kaum wieder zur Buße und Umkehr gebracht werden kann. Die geschilderten Eigenschaften zeigen deutlich, daß er dabei an Christen denkt.

Zunächst einmal schildert er sie als Menschen, die einmal erleuchtet worden sind - ein Hinweis auf die Erfahrung der Bekehrung, der sich ähnlich auch in anderen Texten findet (vgl. 2Kor 4,3-6 ). Das Verb "erleuchten" taucht danach im Hebräerbrief nur noch einmal, in Hebr 10,32 ,auf, einem Kontext, in dem es eindeutig um christliche Erfahrungen geht. Auch die Kennzeichnung der betreffenden Personen als Menschen, die geschmeckt haben die himmlische Gabe , greift auf vertraute Vorstellungen, die allgemein mit der Bekehrung in Verbindung gebracht wurden, zurück (vgl. Joh 4,10; Röm 6,23; Jak 1,17-18 ). Wer dieser Folgerung ausweicht und in dem Wort "geschmeckt" nicht die volle Teilhabe der Christen an Christus erkennt, schließt damit Jesu Todeserfahrung aus, was sich schon vom Gebrauch des Wortes im Hebräerbrief selbst ( Hebr 2,9 ) verbietet (vgl. auch 1Pet 2,3 ,wo Ps 34,9 zitiert wird).

In der Charakterisierung "und Anteil bekommen haben am heiligen Geist" steht im Griechischen wieder das Wort metochoi , das schon in Hebr 1,9 und Hebr 3,1.14 auftauchte (es kommt nochmals in Hebr 12,8 vor). Der Verfasser betrachtet die Gabe des Geistes, angeregt durch die vorangehenden Anspielungen, offensichtlich als ein Resultat der Bekehrung. In einer letzten Wendung werden die zuvor geschilderten als jene beschrieben, die geschmeckt haben das gute Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt . Damit sind auf jeden Fall die Bekehrten gemeint, die durch ihre Unterweisung im "Wort Gottes" einen klaren Eindruck von seiner "Güte" empfangen und auch die Wirklichkeit der Wunder erfahren haben. Das hier mit "Kräfte" ( dynameis ) übersetzte Wort wird im Neuen Testament meistens für "Wunder" gebraucht und spielt offensichtlich auf die in Hebr 2,4 geschilderte Erfahrung an. Es drängt sich auf, daß alles, was hier gesagt wird, besonders gut zu wahren Christen paßt und es demzufolge sicherlich allzu gesucht wäre, darin einen Vergleich von bloßen Lippenbekennern mit wirklich Bekehrten zu vermuten.

Doch dann folgt der harte Satz: und dann doch abgefallen sind (parapesontas ). Das klingt eindeutig danach, daß der Verfasser durchaus solche Fälle kannte.

Das Wort "abgefallen" kann sicherlich nicht den Verlust des ewigen Lebens meinen, das, wie das Johannesevangelium zeigt, ein unveräußerlicher Besitz all jener ist, die im Glauben an Christus darauf vertrauen. Für den Verfasser des Hebräerbriefes geht es hier offensichtlich um den Abfall vom Glauben, die Apostasie, die Abkehr vom christlichen Bekenntnis (vgl. Hebr 3,6.14;10,23-25.35-39 ). Die Behauptung, daß ein Wiedergeborener nicht in diese Situation kommen könne, ist eine theologische Hypothese, die vom Neuen Testament nicht gestützt wird. Auch Paulus kannte die Gefahren von Irrlehren für den christlichen Glauben und bezog Stellung gegen einen gewissen Hymenäus und einen Philetus, die erklärten, "die Auferstehung sei schon geschehen", und damit einige "vom Glauben" abbrachten ( 2Tim 2,17-18 ). Der Verfasser des Hebräerbriefes war ein nüchterner Realist, der Angriffe auf den Glauben seiner Leser sehr ernst nahm. Deshalb warnte er sie auch, daß jene, die solchen Angriffen erliegen und "abfallen", nachdem sie so große geistliche Privilegien erhalten und erfahren haben, nicht wieder ... zur Buße gebracht werden können.

Der Grund dafür ist, daß sie für sich selbst den Sohn Gottes abermals kreuzigen und zum Spott machen . Wer seinen christlichen Glauben widerruft, vollzieht in seinem Leben und in seiner ganzen Einstellung einen Schritt, der im Grunde auf eine erneute öffentliche Verwerfung Christi hinausläuft. Als er ihm zuerst vertraute, bekannte er sich damit zu der Ansicht, daß die Kreuzigung ungerecht war und aus der sündigen Ablehnung des Heilands resultierte. In der Zurücknahme dieser Auffassung bestätigt er jedoch den Standpunkt der Feinde Jesu, daß dieser seinen Tod am Kreuz verdient habe. In diesem Sinne "kreuzigen" solche Menschen "den Sohn Gottes abermals". Diese Aussage gewinnt besonderes Gewicht, wenn man annimmt, daß die Leser des Hebräerbriefes Juden waren, die im Begriff standen, in irgendeiner Form in ihre alte Religion zurückzufallen, denn die Kreuzigung Jesu ging immerhin in erster Linie vom jüdischen Volk aus. Ein Rückfall von Judenchristen war gleichbedeutend mit einem Wechsel ins feindliche Lager und der Solidarisierung mit jenen Landsleuten, die Jesus damals ans Kreuz schlagen wollten. Das war in der Tat ein schweres Vergehen. Solche Menschen konnten nicht ein zweites Mal zu der Buße bekehrt werden, die sie bei ihrer ersten Bekehrung zum Christentum empfunden hatten. Der Autor setzt voraus, daß ihre Herzen gegen alle Bemühungen, sie nicht zum christlichen Glauben, aber zu einem christlichen Leben zurückzugewinnen, verhärtet werden.

 

Hebr 6,7-8

 

Er demonstriert das an einem Beispiel aus der Natur. Wenn regengetränkte Erde Frucht bringt, empfängt sie Segen von Gott . Der Briefschreiber vergleicht also die geistlichen Privilegien, die er in Vers 4-5 aufgezählt hat, mit einem himmlischen Regen, der auf das Leben der Christen fällt. Er sollte nützliche Frucht ... denen, die sie bebauen , bringen - vielleicht ein Hinweis auf das, was andere Christen vom Leben wahrer Gläubiger profitieren (vgl. V. 10 ). Eine solche Fruchtbarkeit läßt Gottes Segen auf das Leben der Betreffenden herabkommen.

Doch was geschieht, wenn das Land, das den "Regen" empfangen hat, unfruchtbar ist? Wenn es nur Dornen und Disteln trägt, bringt es keinen Nutzen ( adokimos , "verwerflich"; 1Kor 9,27 ) und ist dem Fluch nahe, so daß man es zuletzt abbrennt . In dieser Metapher wird Gottes Fluch über die Erde heraufbeschworen ( 1Mo 3,17-19 ) und auf das christliche Leben bezogen, das, wenn es keine Frucht bringt, am Ende ("zuletzt") dem strengen Verdammungsurteil Gottes verfällt und seinen Zorn und sein Gericht heraufbeschwört (vgl. Hebr 10,27 ).

Der Hinweis auf das Feuer in der Verbform "abbrennt" hat viele Exegeten zu der Vermutung veranlaßt, daß hier von der Hölle die Rede sei, doch diese Hypothese entbehrt jeder textlichen Grundlage. Im Alten Testament wird Gottes Zorn über sein sündiges Volk häufig mit dem Feuer verglichen (vgl. z. B. Jes 9,18; Jes 10,17 ). So sagt auch der Verfasser des Hebräerbriefes im Rückgriff auf diese beeindruckende alte Metapher: "Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer" ( Hebr 12,29 ). In diesem Zusammenhang an die Hölle zu denken hieße, der besonderen Vorstellungswelt, die der Verfasser verwendet, zuwenig Beachtung zu schenken. Das Abbrennen von Feldern zur Vernichtung von Unkraut war in der Antike eine übliche Praxis. Das Ziel dabei war natürlich nicht die Zerstörung des Feldes (was durch das Feuer auch gar nicht möglich war), sondern die Vernichtung der unerwünschten "Frucht". Danach war das betreffende Feld dann bereit für eine neue Bepflanzung.

Mit der Wahl dieser Metapher zeigt der Autor, daß er sogar über die, die einen solchen Schritt zurück vollzogen, nicht ganz verzweifelte. Zwar sind - zumindest vor der göttlichen Strafe - alle Versuche, die Abgefallenen zum christlichen Glauben zurückzuführen, vergeblich ( Hebr 6,4-6 ), doch diese Unmöglichkeit gilt nicht für Gott selbst. Was der Verfasser damit meint, ist wahrscheinlich, daß nichts sie vor der schrecklichen Vergeltung, die sie erwartet, bewahren kann, daß jedoch das, was geschieht, wenn ihr "Land" verbrannt ist, auf einem anderen Blatt steht. Paulus war der Ansicht, daß diejenigen, die "am Glauben Schiffbruch erlitten" haben, von der Strafe, die sie dafür erhielten, profitieren konnten ( 1Tim 1,19-20 ). Der Verfasser des Hebräerbriefs ist jedoch mit einer Aussage über eine etwaige Wiederherstellung dieser Menschen zurückhaltender. Dabei denkt er wohl nicht nur daran, daß manche nicht einmal auf Strafe reagieren, sondern ihm liegt in erster Linie an der Warnung davor, den Abfall, der zu einer solchen göttlichen Strafe führt, überhaupt zu vollziehen. Nichtsdestoweniger macht sein geschickt gewähltes Bild aus dem Ackerbau deutlich, daß das "Abbrennen" des Feldes etwas zeitlich Begrenztes beschreibt und im Grunde ein hoffnungsvolles Bild ist.

 

 

4. Eine abschließende Ermutigung

( 6,9 - 20 )

 

Der Verfasser des Hebräerbriefs wußte um den Ernst und die Feierlichkeit seiner Worte, die jedoch nicht so schwerwiegend waren wie die Auslegungen, die sie in der Folgezeit erfuhren. Er hielt an dieser Stelle deshalb ein Wort der Ermutigung für angebracht. Dieses Muster - eine strenge Warnung, der eine liebevolle Ermutigung folgt - ist bereits aus dem ersten Teil des Briefes bekannt ( Hebr 3,1-4,16 ), der mit ei nem entschieden positiven Hinweis endete ( Hebr 4,14-16 ). Auch diese Warnung schließt mit einer lebendigen Hoffnung.

 

 

Hebr 6,9

 

Es liegt dem Verfasser des Hebräerbriefes fern, seine Leser glauben zu machen, daß er an ihnen verzweifelt ist. Er ist vielmehr überzeugt, daß es besser mit ihnen steht und sie gerettet werden. Das entspricht dem Vorgehen eines Pfarrers, der seine Gemeinde, nachdem er sie vor gefährlichen Handlungen gewarnt hat, mit den Worten beruhigt: "Aber ich bin sicher, daß ihr das nicht tun werdet." Es handelt sich hier also nicht, wie manchmal fälschlicherweise angenommen, um eine theologische Aussage, sondern lediglich um den Ausdruck einer Hoffnung. Die Rettung, von der hier die Rede ist, sollte in Zusammenhang mit Hebr 1,14 gesehen werden. Es sind der Sieg und die Herrlichkeit, von der in diesem Vers die Rede ist, die die standhaften Anhänger des Königs mit ihm erben werden.

Sie werden mit ihm in die "Ruhe" eingehen. Der Verfasser sagt an dieser Stelle ganz deutlich, daß er sicher ist, daß seine Leser bis zum Ende durchhalten und in den Genuß dieser Segnungen kommen werden, auch wenn er sich gedrängt fühlt, sie vor dem gegenteiligen Verhalten zu warnen.

 

 

Hebr 6,10

 

Der Briefschreiber weiß, daß Gott nicht ungerecht (ist) . Er wird auch die Adressaten des Briefes nicht verlassen, sondern ihres Werkes und der Liebe, die sie seinem Namen erwiesen haben, indem sie anderen Christen halfen, gedenken. Das ist ein geschickter Appell an die Herzen seiner Glaubensbrüder. Er erinnert sie an all die Wohltaten, die sie anderen Christen erwiesen haben und noch erweisen und ermuntert sie, damit fortzufahren, weil Gott ihr Verhalten sieht und ihnen zugleich in jeder nur denkbaren Weise beistehen kann.

 

 

Hebr 6,11-12

 

Wenn sie nur auf dem guten Weg, den sie eingeschlagen haben und der Gott nicht verborgen geblieben ist, bleiben, so werden sie zu Garanten der Hoffnung , mit der all jene belohnt werden, die sich nicht beirren lassen. Der Briefschreiber setzt hinzu: Damit ihr nicht träge ( nOthroi ; dasselbe Wort ist in Hebr 5,11 mit "harthörig" wiedergegeben) werdet. Die Gläubigen sollen also die Trägheit, die aus ihrer geistlichen Unreife resultiert, abschütteln. (Im Griechischen lautet der Satz eigentlich "damit ihr nicht träge seid ".) Ihr wahres Ziel muß das Erbe sein, das ihnen aufbewahrt ist. Im Blick auf dieses Ziel sollen sie Nachfolger derer sein, die durch Glauben und Geduld die Verheißungen ererben .

 

 

Hebr 6,13-15

 

Ein Beispiel zur Nachfolge zeigt der Fall des Stammvaters Abraham, dem Gott ... die Verheißung gab , daß seine Nachkommen sich mehren würden, und dieses Versprechen sogar beschwor . Zur rechten Zeit wurde Abrahams Geduld belohnt, und er "erlangte die Verheißung". Da das angeführte Zitat auf 1Mo 22,17- die Verheißung nach der Opferung Isaaks - zurückgeht, sah der Verfasser vielleicht schon im Empfang des Versprechens die Belohnung. Falls das stimmt, so steht dahinter der Gedanke, daß Abraham sie bekam, nachdem er (in der Prüfung mit seinem Sohn Isaak) geduldig ausgeharrt hatte. Wartete ... in Geduld ist die Übersetzung des Partizips makrothymEsas , das mit dem Substantiv makrothymias in Hebr 6,12 verwandt ist.

Dieses im Neuen Testament relativ häufige Wort drückt die Fähigkeit aus, die eigenen Gefühle zu beherrschen und keine Vergeltung zu üben (vgl. z. B. Kol 1,11;3,12; Jak 5,7-8.10 ). Sein Synonym hypomonE , "Standhaftigkeit, Geduld", steht für das Standhaftbleiben unter schlimmen Umständen (vgl. Kol 1,11; Hebr 12,1-3.7; Jak 5,11 ).

 

 

Hebr 6,16-18

 

An dieser Stelle tritt Abraham als Empfänger des göttlichen Schwurs zurück, und der Eid wird zugunsten der Christen allgemein umgedeutet, wobei der messianische Aspekt der Worte "durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden" deutlich wird. Der Verfasser hält fest, daß die messianische Hoffnung, die aus der Verheißung erwächst, eine sichere Hoffnung ist, die nicht nur für Abraham galt, sondern auch für die christlichen Erben der Verheißung . Wie in menschlichen Angelegenheiten ein Schwur aller Widerrede ein Ende (macht) , so kann es keinen Streit über diese Hoffnung geben, weil Gott sich ... mit einem Eid für sie verbürgt hat. Wenn z. B. ein Sektierer diese eschatologische Erwartung leugnete, so log er im Angesicht des sichersten nur denkbaren göttlichen Bürgen. Denn es ist nicht nur unmöglich, daß Gott lügt , sein ewig wahres Wort wird in diesem Fall noch durch seinen Eid gestützt. Das sind die zwei Zusagen, die nicht wanken und denen, die ihre Zuflucht dazu genommen haben, festzuhalten an der angebotenen Hoffnung , Mut machen.

 

Hebr 6,19-20

 

In einer leichten Abwandlung des in Vers 18 vorkommenden anschaulichen Begriffes "Zuflucht" geht der Briefschreiber zum Bild des Hafens über, in dem die Seele beruhigt Anker werfen kann. Der Anker haftet in diesem Fall im sichersten Grund überhaupt, er reicht bis in das Innere hinter dem Vorhang , wohin ihn der Vorläufer ... Jesus gebracht hat. Das Bild des "Vorläufers" ( prodromos ) im Verein mit dem des Hafens läßt an Seeleute denken, die ein kleines Boot zu Wasser lassen, um den Anker ihres Schiffes an einem ganz sicheren Ankerplatz zu versenken. So hat auch Jesus, als er in das himmlische Heiligtum eintrat, in dem er als Hoherpriester ... in Ewigkeit fungiert, der Hoffnung der Christen einen festen Ankerplatz gegeben, von dem sie nicht fortgerissen werden kann. Da diese Hoffnung also eine ganz und gar sichere ist, können sie sich bis ans Ende auf sie verlassen.

 

 

C. Der größere Priester und sein größeres Amt

( 7,1 - 10,18 )

 

An dieser Stelle beginnt der längste Abschnitt des Briefes. Schon allein sein Umfang ist ein Beweis dafür, wie wichtig er ist. Er bildet das Herzstück des Hebräerbriefes: Die Hohepriesterschaft Christi ist die wahre Zuflucht der Gläubigen inmitten all ihrer Bedrängnisse. Sie müssen die Größe dieser Priesterschaft, ihre Überlegenheit über die levitischen Institutionen und den uneingeschränkten Zugang, den sie durch den Tod Christi zu ihr haben, begreifen.

 

 

1. Der höhere Priester

( Hebr 7 )

 

Der Verfasser kehrt hier zu dem Thema zurück, das er in Hebr 5,1-10 eingeführt hat und das zu verstehen - wie er vermutet - seinen Lesern verwehrt ist (vgl. Hebr 5,11 ). Am Ende seiner letzten Warnung ( Hebr 5,11-6,20 ) kommt er dann wieder auf die Priesterschaft nach der Ordnung Melchisedeks zu sprechen ( Hebr 6,19-20 ) und geht nun ausführlicher auf diesen wichtigen Aspekt ein.

 

 

a. Die Grösse Melchisedeks

( 7,1 - 10 )

 

Hebr 7,1-3

 

Am Anfang der Erörterung beschreibt er die persönliche Größe der alttestamentlichen Gestalt des Melchisedek . Wie Christus selbst war Melchisedek König und Priester zugleich. Er segnete Abraham und nahm Abgaben von ihm entgegen. Sein Name und Titel beschwören die messianischen Attribute der Gerechtigkeit und des Friedens herauf. Nach dem Alten Testament war er ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum und hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens . Diese Aussage wird oft so ausgelegt, daß der Mangel an Informationen über diese geschichtliche Gestalt Melchisedek dem Sohn Gottes gleichmacht. Doch auch wenn diese Auffassung durchaus richtig sein kann, so klingt der Kontext, besonders die Feststellung, daß Melchisedek Priester in Ewigkeit (bleibt) , etwas anders. Die Zeitangabe "in Ewigkeit" ( eis to diEnekes ) ist die Übersetzung einer Wendung, die nur im Hebräerbrief vorkommt (hier und in Hebr 10,12.14 ) und die Bedeutung von "fortwährend" oder "ohne Unterbrechung" hat.

Es scheint plausibler, daß der Verfasser des Hebräerbriefes deutlich machen wollte, daß Melchisedek einer priesterlichen Ordnung angehörte, deren Träger ihr Amt ewig innehatten. (So merkt der Autor später an [ Hebr 7,8 ], daß von Melchisedek "bezeugt wird, daß er lebt".) Wenn das zutrifft, könnte Melchisedek ein Engelwesen gewesen sein, das eine Zeitlang in Salem (d. i. Jerusalem) herrschte. In diesem Fall besagt die Angabe, daß er keinen "Anfang der Tage" hatte, nicht, daß er ewig, sondern vielmehr, daß er von vorzeitlicher Herkunft war. Diese Vorstellung würde ihn aber nicht auf eine Ebene mit dem Sohn Gottes setzen, da der Briefschreiber ja schon zuvor eindringlich auf die Überlegenheit des Sohnes gegenüber den Engeln hingewiesen hatte ( Hebr 1,5-14 ). Es gibt in der Tat Belege dafür, daß Melchisedek in Qumran als ein Engelwesen verehrt wurde. Wenn der Hebräerbrief sich diese Auffassung zu eigen macht, dann ist der Sohn Gottes der Hohepriester innerhalb einer Hierarchie, in der Melchisedek einfach ein Priester ist.

 

 

Hebr 7,4-10

 

Die persönliche Überlegenheit des Melchisedek über den Patriarchen Abraham ist durch die Tatsache verbürgt, daß ihm Abraham, der Erzvater, den Zehnten gab von der eroberten Beute . Obwohl Melchisedek nichts mit dem levitischen Priestersystem zu tun hatte, nahm er den Zehnten von Abraham und segnete ihn. In diesem Vorgang wird seine Überlegenheit über den Stammvater noch unterstrichen. Offensichtlich stand er auch über den Leviten, die zwar ebenfalls den Zehnten einsammelten, aber sterblich waren, während von Melchisedek bezeugt wird, daß er lebt . Außerdem war Levi in gewissem Sinne ( sozusagen ) mit Abraham an der Abgabe des Zehnten beteiligt, denn er sollte seinem Stammvater ja erst noch geboren werden, als Melchisedek diesem entgegenging . Der Briefschreiber war sich natürlich darüber im klaren, daß Levi nicht tatsächlich den Zehnten an Melchisedek zahlte, aber ausgehend von dem Grundgedanken, daß der Stammvater größer ist als seine Nachkommen, bestätigte Abrahams Handlung letztlich die Überlegenheit Melchisedeks auch über die levitische Priesterschaft. Die Bedeutung Melchisedeks wird also vom Alten Testament mit großer Deutlichkeit herausgestellt.

 

 

b. Die neue Priesterschaft

( 7,11 - 19 )

 

Nachdem er Melchisedeks Größe sowohl von seiner Person her als auch im Vergleich mit Abraham und Levi so klar herausgearbeitet hat, kann der Briefschreiber in seiner Argumentation einen Schritt weiter gehen: Eine andere, der alten überlegene priesterliche Ordnung ist nötig, weil das Gesetz aufgehoben ist. Die Unzulänglichkeit des gesetzlichen und levitischen Systems mußte durch etwas Besseres ersetzt werden.

 

 

Hebr 7,11-12

 

Nach den Worten des Briefschreibers ist das levitische Priestertum schon ganz einfach aufgrund der göttlichen Verheißung (in Ps 110,4 ) unvollkommen, daß ein neuer Priester kommen werde, der nicht zur Ordnung Aarons gehört. Wenn aber das Priestertum verändert wird , so muß auch das gesamte System des Gesetzes, auf das sich die levitischen Institutionen gründen, verändert werden. Der Verfasser des Hebräerbriefes bestätigt damit praktisch die paulinische Aussage, daß die Christen "nicht unter dem Gesetz" sind ( Röm 6,14 ), auch wenn er auf einem anderen Weg zu dieser Feststellung gelangt.

 

 

Hebr 7,13-14

 

Die levitische Priesterschaft hat ausgedient, weil unser Herr aus Juda hervorgegangen ist . Dieser Stamm spielte im levitischen System keine Rolle. Die Tatsache, daß sich Gottes Verheißungen über den neuen Priester auf einen Mann aus Juda bezogen, ist ein Beweis dafür, daß ein großer Wandel eingetreten ist.

 

 

Hebr 7,15-19

 

Ein weiterer Beweis ( und noch klarer ist es ) liegt darin, daß der neue Priester sein Amt nach der Kraft unzerstörbaren ( akatalytou ) Lebens erhalten hat. An dieser Stelle wird erneut Ps 110,4 angeführt, um zu zeigen, daß ein solches nicht endendes Leben ein besonderes Kennzeichen der Ordnung Melchisedeks ist. (Wahrscheinlich dachte der Verfasser auch an diesen Text, als er die Aussage über Melchisedek in Hebr 7,8 formulierte.) Der neue Prieser hat seine Funktion also nicht nach dem Gesetz äußerlicher (wörtlich: "fleischlicher") Gebote inne. Der Briefschreiber will damit offenbar sagen, daß das Gesetz, das die priesterliche Hierarchie und die Nachfolge regelte, "fleischlich" war, und zwar nicht im Sinne von "böse", sondern von "vergänglich", weil es Menschen galt, die sterblich waren. Doch dieses frühere Gebot wurde aufgehoben, weil es schwach und nutzlos war. Es wurde durch die neue Priesterschaft, die eine bessere Hoffnung bringt, durch die wir uns zu Gott nahen , ersetzt. Das Gesetz, das nichts zur Vollendung bringen (konnte) , wurde also von einer priesterlichen Institution abgelöst, die in denen, die sich Gott durch sie nähern, ihr Ziel erreichen wird.

 

 

c. Die Überlegenheit der neuen Priesterschaft

( 7,20 - 28 )

 

Wenn, wie der Autor nachgewiesen hat, Melchisedek größer als Levi war (V. 4 - 10 ) und die neue Priesterschaft die alte ablöst (V. 11 - 19 ), dann muß der neue Priester größer sein als die levitischen Priester.

 

 

Hebr 7,20-22

 

Das Priesteramt Christi unterscheidet sich insofern auf dramatische Weise von der levitischen Institution, als es mit einem Eid eingesetzt wurde. Die Nachkommen Aarons traten ihr Amt im Gegensatz dazu ohne Eid an. Der Verfasser zitiert hier erneut den göttlichen Eid aus Ps 110,4 ,dessen Feierlichkeit allein schon für die Überlegenheit des neuen Priesters spricht, der auf so majestätische Weise in sein Amt eingeführt wurde. Darüber hinaus ist (Jesus) durch den Eid der Bürge ( engyos ; das Wort steht nur an dieser Stelle im Neuen Testament) eines viel besseren Bundes geworden . Jesus selbst bürgt für die Überlegenheit der neuen Ordnung, denn sein Eid sichert die ewige Dauer seines priesterlichen Amtes.

 

 

Hebr 7,23-25

 

Kein alttestamentlicher Priester war jemals für die Ewigkeit eingesetzt, weil der Tod keinen bleiben ließ .

Jesus aber besitzt ein unvergängliches Priestertum und kann deshalb sein rettendes Werk vollenden. Bei der Versicherung daher kann er auch für immer selig machen denkt der Verfasser des Briefes an das Erbe der Erlösung, von dem er erstmals in Hebr 1,14 gesprochen hat.

Seine Leser sollen an ihrem Glaubensbekenntnis festhalten und sich selbst zu denen zählen, die durch ihn zu Gott kommen , in dem Bewußtsein, daß er sie in jeder Bedrängnis und Schwierigkeit bis zuletzt bewahren wird, denn er lebt für immer und bittet für sie . Damit kommt der Verfasser auf eine Wahrheit zurück, die er bereits verkündet hat ( Hebr 4,14-16 ): Die Leser sollen sich auf die Barmherzigkeit und Gnade, die ihnen durch die Priesterschaft Jesu zugänglich ist, berufen. Wenn sie das tun, werden sie feststellen, daß der "Anfänger des Heils" und Priester sie erlösen kann. Er kann sie siegreich in die Herrlichkeit der "vielen Söhne" führen und ihre Erlösung damit "vollenden".

 

 

Hebr 7,26-28

 

Einen solchen Hohenpriester haben die Menschen gebraucht. Sein Wesen ist völlig ohne Makel, und er ist höher ... als der Himmel . Infolgedessen hatte er es nicht nötig, wie die levitischen Priester täglich zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes . Auf den ersten Blick scheinen die Verse 27.28 an die Zeremonie am Versöhnungsfest zu erinnern ( 3Mo 16 ), doch diese Feierlichkeiten fanden nur einmal jährlich und nicht "täglich" statt. Wahrscheinlich sehen die beiden Verse jenes große Ritual mit der regelmäßigen Opferroutine zusammen. Nach der jüdischen Überlieferung scheint es so gewesen zu sein, daß ein Priester täglich Opfer darbrachte, eine Praxis, auf die sich möglicherweise die Vorschriften von 3Mo 6,12-13 beziehen.

Auf jeden Fall mußte der neue Priester weder für sich selbst Opfer darbringen noch sein Opfer für die Menschen wiederholen. Sein einmaliger Akt der Selbsthingabe war endgültig und ausreichend. Die Kapitel 9; 10 des Hebräerbriefes gehen näher auf diesen Punkt ein. An dieser Stelle begnügt sich der Verfasser damit festzustellen, daß der Sohn im Gegensatz zur levitischen Priesterschaft ein vollkommener Priester ist. Die Wendung "der ewig und vollkommen ist" nimmt die Aussage von Hebr 5,8-10 wieder auf. Das Leiden des Sohnes, das hier als priesterliche Selbstaufopferung ein für allemal (ephapax; vgl. Hebr 9,12;10,10; vgl. auch hapax , "einmal", in Hebr 9,27-28 ) dargestellt ist, hat ihn "vollkommen" gemacht für sein Amt als Fürsprecher der Seinen vor Gottes Angesicht. Das Gesetz setzte Menschen zu Hohenpriestern ein, die Schwachheit an sich haben; dies Wort des Eides aber , das erst nach dem Gesetz gesagt worden ist, setzt diesen besonderen Hohenpriester ein. An ihn können sich die Gläubigen allezeit im vollen Vertrauen darauf, daß er alle ihre Nöte stillen kann, wenden.