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Zurückhält

Elberfelder CSV
2. Thessalonicher
2. Thes 2,6 Und jetzt wisst ihr, was zurückhält, damit er zu seiner Zeit offenbart wird.

κατέχω (katecho) : zurückhalten

2. Thes 2,7 Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der da, der zurückhält, bis er aus dem Weg ist,
  1. zurückhalten
    1. aufhalten, niederhalten, hinhalten, festhalten, abhalten, hindern:
      1. jmdn. oder etw. zurückhalten (vom Weggehen); niederhalten, unterdrücken, hemmen. Lk 4,42; Röm 1,18; 2Thes 2,6.7; Phim 1,13;
      2. etw. fest, sicher und treu halten oder bewahren, etw. fest in Besitz nehmen --> etw. behalten, (fest) besitzen bzw. (inne)haben. Lk 8,15; 14,9; 1Kor 7,30; 11,2; 15,2; 2Kor 6,10; ua.
    2. ins Gefängnis einsperren, in Arrest nehmen; beschlagnahmen; Pass.: von etw. festgehalten oder gebunden sein. 1Mo 39,20; Röm 7,6;
    3. intr., t.t. d. Seemannssprache: auf etw. zuhalten bzw. hinsteuern, festen Kurs auf etw. haben, Kurs halten auf...; Apg 27,40;

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Elberfelder 1905 Schlachter 2000 Hebräisch / Griechisch Luther 1912
2. Thessalonicher
2. Thes 2,1 Wir bitten euch aber, Brüder, wegen der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und unseres Versammeltwerdens zu ihm hin, 2. Thes 2,1 Wir bitten euch aber, ihr Brüder, wegen der Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus und unserer Vereinigung mit ihm<od. unseres Versammeltwerdens zu ihm (gr. episynagoge).>: 2. Thes 2,1 Ἐρωτῶμεν δὲ ὑμᾶς, ἀδελφοί, ὑπὲρ τῆς παρουσίας τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ καὶ ἡμῶν ἐπισυναγωγῆς ἐπ’ αὐτόν, 2. Thes 2,1 Aber der Zukunft halben unsers HERRN Jesu Christi und unsrer Versammlung zu ihm bitten wir euch, liebe Brüder,
2. Thes 2,2 daß ihr nicht schnell erschüttert werdet in der Gesinnung<O. außer Fassung gebracht werdet>, noch erschreckt, weder durch Geist, noch durch Wort, noch durch Brief als durch uns, als ob der Tag des Herrn da wäre. 2. Thes 2,2 Lasst euch nicht so schnell in eurem Verständnis erschüttern oder gar in Schrecken jagen, weder durch einen Geist<d.h. durch eine falschprophetische Geistesoffenbarung (vgl. 1Joh 4,1).> noch durch ein Wort noch durch einen angeblich von uns stammenden Brief, als wäre der Tag des Christus<Der im AT angekündigte große Gerichtstag des HERRN ist nach der nt. Offenbarung der »Tag des Christus« (TR), weil Jesus Christus »der von Gott bestimmte Richter der Lebendigen und der Toten« ist (Apg 10,42; vgl. Joh 5,22; Apg 17,31; Röm 2,16; 2Tim 4,1; Offb 19,11-21).> schon da.
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Interessant ist ja auch, dass die Schlachter 1951 den Vers noch richtig  wiedergegeben hat:

1Wir bitten euch aber, Brüder, betreffs der Wiederkunft unsres Herrn Jesus Christus und unsrer Vereinigung mit ihm: 2Lasset euch nicht so schnell aus der Fassung bringen oder gar in Schrecken jagen, weder durch einen Geist, noch durch eine Rede, noch durch einen angeblich von uns stammenden Brief, als wäre der Tag des Herrn schon da.


2. Thes 2,2 εἰς τὸ μὴ ταχέως σαλευθῆναι ὑμᾶς ἀπὸ τοῦ νοὸς ⸀μηδὲ θροεῖσθαι μήτε διὰ πνεύματος μήτε διὰ λόγου μήτε δι’ ἐπιστολῆς ὡς δι’ ἡμῶν, ὡς ὅτι ἐνέστηκεν ἡ ἡμέρα τοῦ ⸀κυρίου.<μηδὲ WH Treg NIV ] μήτε RP • κυρίου WH Treg NIV ] Χριστοῦ RP>

Richtig:  ἡμέρα τοῦ ⸀κυρίου. =  Tag des Herrn!
2. Thes 2,2 daß ihr euch nicht bald bewegen lasset von eurem Sinn noch erschrecken, weder durch Geist noch durch Wort noch durch Brief, als von uns gesandt, daß der Tag Christi vorhanden sei.
2. Thes 2,3 Laßt euch von niemand auf irgend eine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, daß zuerst der Abfall komme und geoffenbart worden sei der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, 2. Thes 2,3 Lasst euch von niemand in irgendeiner Weise verführen! Denn es muss unbedingt zuerst der Abfall<d.h. die Abtrünnigkeit, die bewusste Abkehr von Christus (gr. apostasia).> kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart werden, der Sohn des Verderbens, 2. Thes 2,3 μή τις ὑμᾶς ἐξαπατήσῃ κατὰ μηδένα τρόπον· ὅτι ἐὰν μὴ ἔλθῃ ἡ ἀποστασία πρῶτον καὶ ἀποκαλυφθῇ ὁ ἄνθρωπος τῆς ⸀ἀνομίας, ὁ υἱὸς τῆς ἀπωλείας,<ἀνομίας WH Treg NIV ] ἁμαρτίας RP> 2. Thes 2,3 Lasset euch niemand verführen in keinerlei Weise; denn er kommt nicht, es sei denn, daß zuvor der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens,
2. Thes 2,4 welcher widersteht und sich selbst erhöht über<O. gegen> alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist<O. was Gott oder Gegenstand der Verehrung heißt>, so daß er sich in den Tempel<das Heiligtum; vergl. die Anm. zu [Mt 4,5]> Gottes setzt und sich selbst darstellt, daß er Gott sei. 2. Thes 2,4 der sich widersetzt und sich über alles erhebt, was Gott oder Gegenstand der Verehrung heißt, sodass er sich in den Tempel Gottes setzt als ein Gott und sich selbst für Gott ausgibt. 2. Thes 2,4 ὁ ἀντικείμενος καὶ ὑπεραιρόμενος ἐπὶ πάντα λεγόμενον θεὸν ἢ σέβασμα, ὥστε αὐτὸν εἰς τὸν ναὸν τοῦ ⸀θεοῦ καθίσαι ἀποδεικνύντα ἑαυτὸν ὅτι ἔστιν θεός.<θεοῦ WH Treg NIV ] + ὡς θεὸν RP> 2. Thes 2,4 der da ist der Widersacher und sich überhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, also daß er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott und gibt sich aus, er sei Gott.
2. Thes 2,5 Erinnert ihr euch nicht, daß ich dies zu euch sagte, als ich noch bei euch war? 2. Thes 2,5 Denkt ihr nicht mehr daran, dass ich euch dies sagte, als ich noch bei euch war? 2. Thes 2,5 οὐ μνημονεύετε ὅτι ἔτι ὢν πρὸς ὑμᾶς ταῦτα ἔλεγον ὑμῖν; 2. Thes 2,5 Gedenket ihr nicht daran, daß ich euch solches sagte, da ich noch bei euch war?
2. Thes 2,6 Und jetzt wisset ihr, was zurückhält, daß er zu seiner Zeit geoffenbart werde. 2. Thes 2,6 Und ihr wisst ja, was jetzt noch zurückhält, damit er geoffenbart werde zu seiner Zeit. 2. Thes 2,6 καὶ νῦν τὸ κατέχον οἴδατε, εἰς τὸ ἀποκαλυφθῆναι αὐτὸν ἐν τῷ ⸀ἑαυτοῦ καιρῷ·<ἑαυτοῦ NIV RP ] αὐτοῦ WH Treg> 2. Thes 2,6 Und was es noch aufhält, wisset ihr, daß er offenbart werde zu seiner Zeit.
2. Thes 2,7 Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist, 2. Thes 2,7 Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit<d.h. der bewussten Auflehnung gegen die Gesetze und Gebote Gottes (gr. anomia).> ist schon am Wirken, nur muss der, welcher jetzt zurückhält, erst aus dem Weg sein;<w. aus der Mitte sein.> 2. Thes 2,7 τὸ γὰρ μυστήριον ἤδη ἐνεργεῖται τῆς ἀνομίας· μόνον ὁ κατέχων ἄρτι ἕως ἐκ μέσου γένηται. 2. Thes 2,7 Denn es regt sich bereits das Geheimnis der Bosheit, nur daß, der es jetzt aufhält, muß hinweggetan werden;
2. Thes 2,8 und dann wird der Gesetzlose geoffenbart werden, den der Herr Jesus verzehren<O. nach and. Les.: hinwegtun, töten> wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten durch die Erscheinung seiner Ankunft, 2. Thes 2,8 und dann wird der Gesetzlose geoffenbart werden, den der Herr verzehren wird durch den Hauch seines Mundes, und den er durch die Erscheinung seiner Wiederkunft<od. durch die Erscheinung (gr. epiphaneia) seines Kommens / seiner Ankunft (gr. parousia); dasselbe Wort wie »Kommen« in V. 9 und wie 2,1.> beseitigen wird, 2. Thes 2,8 καὶ τότε ἀποκαλυφθήσεται ὁ ἄνομος, ὃν ὁ κύριος Ἰησοῦς ἀνελεῖ τῷ πνεύματι τοῦ στόματος αὐτοῦ καὶ καταργήσει τῇ ἐπιφανείᾳ τῆς παρουσίας αὐτοῦ,<Ἰησοῦς WH Treg NIV ] – RP • ἀνελεῖ WH Treg NIV ] ἀναλώσει RP> 2. Thes 2,8 und alsdann wird der Boshafte offenbart werden, welchen der HERR umbringen wird mit dem Geist seines Mundes und durch die Erscheinung seiner Zukunft ihm ein Ende machen,
2. Thes 2,9 ihn, dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge 2. Thes 2,9 ihn, dessen Kommen aufgrund der Wirkung des Satans erfolgt, unter Entfaltung aller betrügerischen Kräfte, Zeichen und Wunder 2. Thes 2,9 οὗ ἐστιν ἡ παρουσία κατ’ ἐνέργειαν τοῦ Σατανᾶ ἐν πάσῃ δυνάμει καὶ σημείοις καὶ τέρασιν ψεύδους 2. Thes 2,9 ihm, dessen Zukunft geschieht nach der Wirkung des Satans mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern
2. Thes 2,10 und in allem<d. h. in jeder Art von> Betrug der Ungerechtigkeit denen, die verloren gehen, darum daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden. 2. Thes 2,10 und aller Verführung der Ungerechtigkeit bei denen, die verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, durch die sie hätten gerettet werden können. 2. Thes 2,10 καὶ ἐν πάσῃ ἀπάτῃ ⸀ἀδικίας τοῖς ἀπολλυμένοις, ἀνθ’ ὧν τὴν ἀγάπην τῆς ἀληθείας οὐκ ἐδέξαντο εἰς τὸ σωθῆναι αὐτούς·<ἀδικίας WH Treg NIV ] τῆς ἀδικίας ἐν RP> 2. Thes 2,10 und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden, dafür daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, auf daß sie selig würden.
2. Thes 2,11 Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft<O. eine Wirksamkeit> des Irrwahns, daß sie der Lüge glauben, 2. Thes 2,11 Darum wird ihnen Gott eine wirksame Kraft der Verführung senden, sodass sie der Lüge glauben, 2. Thes 2,11 καὶ διὰ τοῦτο ⸀πέμπει αὐτοῖς ὁ θεὸς ἐνέργειαν πλάνης εἰς τὸ πιστεῦσαι αὐτοὺς τῷ ψεύδει,<πέμπει WH Treg NIV ] πέμψει RP> 2. Thes 2,11 Darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, daß sie glauben der Lüge,
2. Thes 2,12 auf daß alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit. 2. Thes 2,12 damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern Wohlgefallen hatten an der Ungerechtigkeit. 2. Thes 2,12 ἵνα κριθῶσιν ⸀πάντες οἱ μὴ πιστεύσαντες τῇ ἀληθείᾳ ἀλλὰ εὐδοκήσαντες ⸀τῇ ἀδικίᾳ.<πάντες WH Treg NIV ] ἅπαντες RP • τῇ WH Treg NIV ] ἐν τῇ RP> 2. Thes 2,12 auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit.
Ermutigung zur Standhaftigkeit
Röm 8,29; 1Pt 5,10-11
2. Thes 2,13 Wir aber sind schuldig, Gott allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder, daß Gott euch von Anfang erwählt hat zur Seligkeit<O. Errettung> in Heiligung<Eig. im Geheiligtsein> des Geistes und im Glauben an die Wahrheit, 2. Thes 2,13 Wir aber sind es Gott schuldig, allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder, dass Gott euch von Anfang an zur Errettung erwählt hat in der Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit, 2. Thes 2,13 Ἡμεῖς δὲ ὀφείλομεν εὐχαριστεῖν τῷ θεῷ πάντοτε περὶ ὑμῶν, ἀδελφοὶ ἠγαπημένοι ὑπὸ κυρίου, ὅτι εἵλατο ὑμᾶς ὁ θεὸς ⸀ἀπαρχὴν εἰς σωτηρίαν ἐν ἁγιασμῷ πνεύματος καὶ πίστει ἀληθείας,<ἀπαρχὴν Holmes WHmarg NA ] ἀπ᾽ ἀρχῆς WH Treg NIV RP> 2. Thes 2,13 Wir aber sollen Gott danken allezeit um euch, von dem HERRN geliebte Brüder, daß euch Gott erwählt hat von Anfang zur Seligkeit, in der Heiligung des Geistes und im Glauben der Wahrheit,

 

III. Richtigstellung der eschatologischen Irrtümer in der Gemeinde

( 2,1 - 12 )

 

Der zweite, entscheidende Teil des 2. Thessalonicherbriefes enthält Aussagen, wie sie sonst an keiner Stelle in der Bibel zu finden sind. Sie enthalten den Schlüssel zum Verständnis der zukünftigen Ereignisse, die die Christenheit erleben wird. Paulus befaßt sich hier mit einer Irrlehre im Zusammenhang mit der Eschatologie (der Lehre von den letzten Dingen), die in der thessalonischen Gemeinde aufgekommen war. Im zweiten Kapitel geht er zunächst auf den theologischen Aspekt dieser Irrlehre ein und setzt sich dann im dritten Kapitel mit praktischen Problemen in der Gemeinde auseinander, die aus diesem Irrtum heraus entstanden waren.

 

 

A. Der Anbruch des Tages des Herrn

( 2,1-5 ) Paulus hatte den Thessalonichern schon vom "Tag des Herrn", wie er im Alten Testament beschrieben ist, erzählt, als er bei ihnen war. Dieser "Tag des Gerichts" spielt in den alttestamentlichen Texten eine wichtige Rolle als die Zeit, in der Gott in direkterer und drastischerer Weise als je zuvor seine Strafe und seinen Segen über die Menschen ausgießen wird (vgl. Jes 13,6.9; Zeph 1,14-16 ). Aus weiteren Offenbarungen im Neuen Testament, die diese Zeitperiode betreffen, wird geschlossen, daß sie nach der Entrückung der Kirche einsetzen wird und die Zeit der großen Trübsal und das Tausendjährige Reich umfaßt.

In seinem ersten Brief an die Thessalonicher hatte Paulus der Gemeinde geschrieben, daß der Tag des Herrn kommen werde "wie ein Dieb in der Nacht" ( 1Thes 5,2 ). Dieser Gedanke machte seinen Lesern offensichtlich zu schaffen. Es hat den Anschein, als ob einige von ihnen daraufhin dachten, der Tag des Herrn sei bereits gekommen. Immerhin schienen die Verfolgungen, denen sie ausgesetzt waren, ganz zu dem zu passen, was die Propheten des Alten Testaments über die großen Bedrängnisse gesagt hatten, die am Tag des Herrn über das Gottesvolk und die ganze Welt hereinbrechen werden. Offenbar hatten gewisse andere Lehrer die Thessalonicher noch in dieser Ansicht bestärkt. Doch nun stellte sich für sie die Frage, wie dann Paulus' frühere Aussage, daß sie entrückt und dem Zorn Gottes entzogen würden, wahr sein konnte. Um diesen irrigen Meinungen entgegenzutreten, geht der Apostel hier nochmals ausführlich auf die ganze Frage ein ( 2Thes 2,1-5 ).

2Thes 2,1 Durch seine Ausführungen zum Kommen Christi ( 2Thes 1,5-10 ) waren die Gedanken seiner Leser schon auf das Thema eingestimmt, auf das er nun detaillierter zu sprechen kommt. Das "Kommen ( parousias ) unseres Herrn Jesus Christus ... und unsere Vereinigung mit ihm" bezieht sich auf die Entrückung. Wieder spricht Paulus seine Leser in warmem, herzlichem Ton an und macht ganz deutlich, daß er sie als seine Brüder und Schwestern im Glauben empfindet, die er in seiner brüderlichen Sorge und Liebe fast mehr noch "beschwört" als "bittet" ( erOtOmen ), auf dem rechten Weg zu bleiben. Daß Paulus hier den vollen Titel des Gottessohnes - "unser Herr Jesus Christus" - gebraucht, unterstreicht den Ernst und die Feierlichkeit seines Anliegens.

2Thes 2,2 Der Apostel warnt seine Leser eindringlich davor, sich die Irrlehren, die unter ihnen im Umlauf sind, ihr geistliches Gleichgewicht durcheinanderbringen und sie ängstigen, zu eigen zu machen. Anscheinend wurde die Parole, daß der Tag des Herrn schon da sei, auf ganz verschiedene Weise (durch Weissagung, Wort, Brief ) vermittelt, was die Thessalonicher noch stärker dazu bewog, sie als autoritativ zu betrachten. Einige behaupteten sogar, diese Lehre sei ihnen vom Herrn selbst offenbart worden. Andere gaben nur das wieder, was sie selbst von anderen gehört hatten, und zu alledem erhielten die Thessalonicher einen Brief, der angeblich von Paulus stammte und denselben Irrtum vertrat (vgl. 2Thes 3,17 ). Angesichts so vieler Einflüsse ist es kein Wunder, daß die noch junge Gemeinde in ihren Überzeugungen erschüttert war.

Der Kern der irreführenden Botschaft, die von diesen ganz verschiedenen Quellen verbreitet wurde, war, daß der Tag des Herrn bereits angebrochen sei und die Thessalonicher sich mitten darin befänden. Wenn dies tatsächlich der Fall war, so fragten sich die Gläubigen, wie hatte Paulus dann behaupten können, daß die Wiederkunft des Herrn dem Tag des Herrn vor sich gehe ( 1Thes 1,10 )? Und was war von den Versprechungen zu halten, daß sie Gottes Zorn nicht sehen würden ( 1Thes 1,10;5,9 )? Paulus hatte sie gelehrt, daß die Kirche vor der Zeit der großen Trübsal entrückt würde. Die Verwirrung in der Gemeinde war nun darauf zurückzuführen, daß sie keinen Unterschied zwischen ihren gegenwärtigen Bedrängnissen und denen, die für den Tag des Herrn prophezeit waren, sehen konnten.

2Thes 2,3 Nachdem Paulus die falsche Lehre und die Quellen, denen sie entstammte, kenntlich gemacht hat, warnt er seine Leser nochmals nachdrücklich davor, sich täuschen zu lassen. Die Thessalonicher sollen sich durch keinen Menschen irreführen lassen, ganz gleich, wie glaubwürdig er auftreten mag oder wie gut er seine Lehre "verkauft", indem er die Autorität Gottes oder gottesfürchtiger Männer für sich in Anspruch nimmt. Christen, die neu im Glauben sind, neigen natürlicherweise zu einer gewissen Leichtgläubigkeit, weil sie noch nicht fest in der Wahrheit des Gotteswortes verwurzelt sind (vgl. Eph 4,14 ). Doch auch erfahrene Christen sind nicht gegen die Verblendung durch eine beeindruckende Persönlichkeit oder ein spektakuläres Auftreten gefeit. Das beste Gegengift gegen einen solchen vergiftenden Einfluß ist eine starke Dosis Wahrheit, wie sie Paulus der Gemeinde in Thessalonich im folgenden verabreicht.

Er spricht von drei Ereignissen, die auf jeden Fall vor dem Gericht am Tage des Herrn eintreten müssen:

 

1.) der Abfall ( 2Thes 2,3 ),

2.) das Offenbarwerden des Menschen der Bosheit (V. 3-4.8 )

3.) und das Wegfallen aller Schranken gegen die Bosheit (V. 6-7 ).

(Dies ist nicht unbedingt die genaue chronologische Reihenfolge der drei Vorgänge; vgl. den Kommentar zu den Versen 3.7 .)

[

Ein Ereignis von großer Wichtigkeit ist der Abfall ( hE apostasia , daher der Begriff "Apostasie"), die Auflehnung gegen eine zuvor vertretene Überzeugung und deren Verwerfung.

 Dieser Abfall, der innerhalb der Kirche stattfinden wird, wird eine Abkehr von der Wahrheit mit sich bringen,

 die Gott in seinem Wort offenbart hat.

Es ist zwar richtig, daß es in der Kirche von Anbeginn an immer wieder zu derartigen Gegenbewegungen gekommen ist,

doch Paulus bezieht sich hier auf eine ganz bestimmte, noch in der Zukunft liegende Apostasie,

die sich deutlich von allen vorherigen abhebt (vgl.

 1Tim 4,1-3; 2Tim 3,1-5;4,3-4; 2Pet 2;3,3-6; Jak 5,1-8; Jud) und von der er der thessalonischen Gemeinde bereits bei seinem Aufenthalt in Thessalonich erzählte ( 2Thes 2,5 ).

Manche Exegeten sehen in der "Abkehr", von der der Apostel hier spricht, einen Hinweis auf die Entrückung der Kirche

(z. B. E. Schuyler English, Rethinking the Rapture , New York 1954, S. 67 - 71),

 doch das ist eher unwahrscheinlich, und D. Edmond Hiebert widerlegt denn auch die These, daß sich apostasia an dieser Stelle auf die Entrückung bezieht ( The Thessalonian Epistles , S. 306).

Andere Bibelforscher sind der Ansicht, daß dieser Abfall (von Paulus "der" Abfall genannt) darin bestehen wird, daß die Menschen sich von der göttlichen Wahrheit

ab- und dem Antichristen zuwenden,

der sich im Tempel Gottes niederlassen und als Gott ausgeben wird (V. 4 ).

Wenn das stimmt, dann findet das Gericht in der zweiten Hälfte der sieben Jahre, die dem zweiten Advent Christi vorangehen, statt.

Ein weiteres Ereignis, das vor dem Tag des Herrn stattfinden muß, ist das Offenbarwerden "des Menschen der Bosheit" ( ho anthrOpos tEs anomias ).

Die Verbform "muß ... offenbart werden" zeigt an, daß es sich dabei um einen konkreten Vorgang handelt, der zu einer ganz bestimmten Zeit in der Geschichte ablaufen wird (vgl. V. 6.8 ).

 Dieses Wesen wird ganz und gar durch "Bosheit" (oder "Sünde", wie manche Übersetzungen schreiben) gekennzeichnet sein.

 Es wird auch als "der Sohn des Verderbens" bezeichnet. Sein zerstörerischer Auftrag ist das Gegenstück zur Erlösung - eine immerwährende Qual der Menschen.

 Möglicherweise wird der "Mensch der Bosheit" von einigen bereits dann erkannt werden, wenn er zu Beginn der siebzigsten Woche Daniels (vgl. Dan 9,27 a) einen Bund mit Israel schließt;

doch wenn er diesen Bund dreieinhalb Jahre später ( Dan 9,27 b) bricht, wird auf jeden Fall offen zutage liegen,

wer er wirklich ist (Charles C. Ryrie, First and Second Thessalonians , S. 104).

Wahrscheinlich meint Paulus diesen späteren Zeitpunkt, wenn er vom Offenbarwerden des "Menschen der Bosheit" redet.

2Thes 2,4 "Der Sohn des Verderbens" ist der Widersacher Gottes und wird versuchen, den Gottesdienst des wahren Gottes - und aller falschen Götter - durch die Verehrung seiner selbst zu ersetzen, indem er vorgibt, er sei Gott .

"Das Tier" wird keinen Gottesdienst als seinen eigenen dulden (vgl. Offb 13,5-8 ).

 Es wird sich auf Gottes Thron im inneren Heiligtum des Tempels Gottes setzen.

Damit könnte ein wirklicher Tempel gemeint sein, wie die frühen Kirchenväter und verschiedene moderne Ausleger glauben.

Nach Ansicht anderer Exegeten ist dies jedoch eine bildliche Anspielung darauf, daß der Widersacher Gottes das Allerheiligste in der menschlichen Gottesverehrung, das rechtmäßig nur Gott gehört,

für sich in Besitz nehmen wird. In der Offenbarung des Johannes wird der Widersacher auch als "das Tier aus dem Meer" ( Offb 13,1-10 ),

 als "scharlachrotes Tier" ( Offb 17,3 )

 oder einfach als "das Tier" ( Offb 17,8.16;19,19-20;20,10 ) bezeichnet.

 Er ist der "Antichrist" ( 1Joh 2,18 ), ein Pseudochristus, der dem Erlöser feindlich gegenübersteht.

Es handelt sich bei ihm jedoch um einen wirklichen Menschen,

 nicht etwa um ein Prinzip, ein Herrschaftssystem oder eine Dynastie.

 Bis jetzt ist eine solche Gestalt noch nicht auf der Bühne der Menschheitsgeschichte erschienen.

 

2Thes 2,5 Für die Thessalonicher war das hier Gesagte nicht neu;

Paulus hatte sie schon bei seinem Besuch in der Stadt mit diesen Vorstellungen vertraut gemacht und ruft sie ihnen nun wieder ins Gedächtnis.

 Er weist dabei - zum ersten Mal im 2. Thessalonicherbrief - explizit darauf hin, daß er ganz persönlich (Singular) die Gemeinde in diesen Dingen unterwiesen hat,

 und unterstreicht damit die Wahrhaftigkeit seiner Botschaft, denn er war in Thessalonich der Wortführer der Missionare gewesen.

Offensichtlich erachtete der Apostel prophetische Wahrheiten wie die Vision des Antichristen keineswegs als zu tiefschürfend,

unwichtig oder widersprüchlich für die neubekehrten Christen. Für ihn waren sie ein wichtiger Teil des göttlichen Ratschlusses, den er ohne Zögern oder Abschwächung an die Gemeinde weitergab.

B. Das Geheimnis der Bosheit

( 2,6 - 12 ) In Fortführung seiner Richtigstellung geht der Apostel nochmals genauer auf den "Menschen der Bosheit" und auf die Entfernung jener Instanz, die die Bosheit momentan noch teilweise zurückhält, ein.

Die "Bosheit" bildet das zentrale Thema dieses ganzen Briefabschnittes. Das Entfallen aller die Bosheit eindämmenden Schranken ist ein drittes Geschehen, das vor dem Anbruch des Tages des Herrn eintreten muß.

2Thes 2,6 Das Wörtchen "und" ( kai ) wirkt als Bindeglied, das das Vorherige mit dem Folgenden verbindet. Nach Paulus wissen die Thessalonicher, welche Macht das Offenbarwerden des "Menschen der Bosheit" verhindert, er selbst geht hier nicht näher darauf ein. Möglicherweise hatte er die Gläubigen bei seinem Aufenthalt in Thessalonich darüber unterrichtet. Jemand oder etwas sorgt dafür, daß die Bosheit nicht überhandnehmen kann, und zwar zum Teil, damit der "Mensch der Bosheit" nicht zu früh in Erscheinung tritt.

 

2Thes 2,7 Dieser Vers ist eine Erklärung und Erweiterung von Vers 6 .

Paulus erinnert seine Leser daran, daß sich das Geheimnis der Bosheit schon regt .

 Dieses "Geheimnis" ( mystErion ) ist eines der Geheimnisse des Neuen Testamentes ( Röm 16,25; 1Kor 2,6-12; Eph 1,9;3,3-5; Kol 1,25-27 ).

 Ein solches "Mysterium" ist immer eine neue Wahrheit, die den Menschen bis zu ihrer Enthüllung in der gegenwärtigen Zeit verschlossen war.

Im vorliegenden Fall ist es die Offenbarung einer in der Zukunft liegenden Übersteigerung der Bosheit in der Welt.

Damals wie heute war und ist eine von Satan gelenkte Gegenströmung gegen das göttliche Gesetz wirksam.

Doch diese Gegenströmung wird noch zurückgehalten,

bis schließlich der Zeitpunkt für das Offenbarwerden des "Menschen der Bosheit" und die letzte Klimax der Bosheit gekommen ist.

Wer oder was hält diese satanischen Bestrebungen gegen das Gesetz Gottes und damit das Offenbarwerden des "Menschen der Bosheit" zurück?

Manche Ausleger verstehen die rätselhafte Andeutung des Apostels als einen Hinweis auf das Römische Reich.

Doch das römische Imperium ist schon langeversunken, und doch ist die geheimnisvolle eindämmende Macht noch immer am Werk.

 Einer anderen These zufolge ist es Satan selbst, wenngleich es schwer einzusehen ist, warum ausgerechnet er die Sünde zurückhalten sollte.

Wieder andere sind der Auffassung, daß die Regierungen und Staatsformen auf der Welt ganz allgemein der Sünde Schranken setzen und so das Erscheinen des Antichristen verhindern.

Doch andererseits werden diese Regierungen ihrerseits erst beim Auftreten des Antichristen verschwinden.

 Im übrigen setzen keineswegs alle Regierungen der Sünde Grenzen - viele fördern sie sogar!

Die einzige denkbare Instanz, die genügend (übernatürliche) Macht besitzt, um eine solche Funktion auszuüben, ist der Heilige Geist.

Aber auch diese Deutung ist nicht unwidersprochen geblieben, weil to katechon in 2Thes 2,6 eine Neutrumform ist (" was hält zurück").

Aus zwei Gründen stellt das jedoch kein Problem dar:

Zum einen wird der Heilige Geist mehrfach als Neutrum behandelt ( Joh 14,26; 15,26; 16,13-14 ).

Zum anderen wechselt das Genus im zweiten Teil von Vers 7 ins Maskulinum: " ho katechOn " ( der, der es aufhält ).

Auf welche Weise aber wirkt der Heilige Geist als die Sünde eindämmende Macht?

Er nimmt Wohnung in den Christen und baut durch sie in der Gesellschaft gleichsam einen Wall gegen die steigende Flut der Schlechtigkeit.

Damit erklärt sich auch, wie es kommt, daß der Hinderer der Sünde weggetan wird,

denn wenn die Kirche von der Erde entrückt wird, wird auch der Heilige Geist insofern verschwinden,

als sein einzigartiges Wirken durch die Christen ein Ende haben wird (vgl. 1Mo 6,3 ).

Die Entfernung der dämmenden Kraft in der Zeit der Entrückung muß dem Tag des Herrn offensichtlich vorausgehen.

Paulus' Gedankengang kann daher als Argument für die These der Entrückung vor der Zeit der großen Trübsal herangezogen werden:

Die Thessalonicher befinden sich demzufolge momentan keineswegs in der Zeit der großen Trübsal, weil es noch keine Entrückung gegeben hat.

 

2Thes 2,8 Wenn die Sünde nicht mehr zurückgedrängt wird, wird die Welt restlos in Bosheit versinken, und der "Mensch der Bosheit" wird offenbar werden (vgl. den Kommentar zu V. 3 ).

 Der Name dieses Menschen wird an keiner Stelle in der Bibel genannt,

doch er wird an seinen Taten zu erkennen sein (vgl. 2Thes 2,3 sowie Dan 9,26-27 und Dan 11,36-12,1 ).

 Paulus war sich der Kräfte, die hinter dieser Person stehen, bewußt, deshalb beschreibt er ihr Erscheinen als ein Geschehen, das durch die Macht eines anderen, nicht durch sie selbst bewirkt wird.

Diese böse Macht wird der Herr Jesus durch den Hauch seines Mundes vernichten.

Der Antichrist mag die Kontrolle über die Menschheit erlangen, doch er ist kein Gegner für den Messias.

Jesus ist wahrhaftig der Herr.

 "Der bloße Atem des verherrlichten Jesus wird den Bösen wie in einem Feuerofen verglühen lassen" (Hiebert, The Thessalonian Epistles , S. 315) - er wird tot sein, und sein Werk wird vernichtet werden. Die strahlende Helligkeit der Gegenwart Christi bei seinem Kommen auf die Erde wird die Pläne des Antichristen vereiteln, wie einst die Offenbarung des verherrlichten Christus Saulus auf der Straße nach Damaskus niederwarf und seinen widergöttlichen Bestrebungen ein Ende machte.

Vers 8 umspannt die siebenjährige Herrschaftszeit des Antichristen von seinem kurz nach der Entrückung geschlossenen Bund mit Israel bis zu seiner Überwindung durch Christus, wenn er am Ende der Zeit der großen Trübsal kommt .

2Thes 2,9 In Vers 9 - 11 wird diese Herrschaft des Bösen genauer beschrieben. Er wird gestützt von Satan (vgl. Offb 13,2 b) und hält sich an der Macht durch dessen Lieblingswerkzeuge: Lüge und Täuschung. Das Streben Satans, die Wunder Gottes in der Welt nachzuäffen, läßt sich vom 1. Buch Mose bis zur Offenbarung des Johannes in der ganzen Heiligen Schrift verfolgen. Paulus verwendet drei Termini zurSchilderung der übernatürlichen Machtmanifestationen des "Menschen der Bosheit": (1) Er tritt mit großer Kraft ( dynamei ) auf, d. h., hinter den Dingen, die er bewirkt, steht eine starke Macht. (2) Seine Herrschaft wird von lügenhaften Zeichen ( sEmeiois ) begleitet, d. h., er täuscht vor, daß die Wunder, die er tut, Zeichencharakter haben. (3) Daß sie mit Wundern ( terasin ) gleichgesetzt werden, zeigt die Ehrfurcht und Bewunderung, die sie bei den Menschen, die sie sehen, auslösen. Kurz, er vollbringt so große Wunder, daß alle, die sie miterleben, spüren werden, daß er übernatürliche Macht besitzt, und ihn verehren werden. Ein Beispiel für ein solches Wunder und die Ehrfurcht, die es bei den Menschen erweckt, wird in Offb 13,2 b.3-4 und Offb 17,8 geschildert.

 

2Thes 2,10 Doch die Wunder, die der Böse tun wird, werden nicht das einzige sein, was die Menschen dazu bewegt, ihn für göttlich zu halten. Alles, was er tut, wird die Leute in die Irre führen, ganz besonders jene, deren Augen für sein wahres Gesicht und sein Handeln blind sind, weil sie nicht an Gottes Wort glauben. Das soll nicht heißen, daß alles, was er tut, von den Menschen als böse erkannt wird, sondern daß es seinem Wesen nach böse ist, weil es die Wahrheit verfälscht und die Menschen von der Anbetung Gottes abhält. Die gleichen griechischen Begriffe, mit denen in Vers 9 das Wirken des Antichristen beschrieben wird, werden in Apg 2,22 in bezug auf das Wirken Jesu und in Hebr 2,4 für die Arbeit der Apostel gebraucht. Für die Menschen, die in dieser Zeit auf der Erde leben werden, wird es in der Tat den Anschein haben, als sei der Antichrist Gott. Er wird sich als Gott ausgeben, und ihm wird auch die Verehrung eines Gottes zuteil werden.

Diejenigen, die sich durch den "Menschen der Bosheit" täuschen lassen, sind verloren ( apollymenois , Partizip Präsens; das Substantiv dazu, "Verderben" [ apOleias ], steht in 2Thes 2,3 ), weil sie die Liebe zur Wahrheit Gottes nicht angenommen und die von ihm geschenkte Erlösung verschmäht haben. Trotz der Überzeugungskraft, die dieser rettenden Wahrheit innewohnt, verschließen sich die Ungläubigen davor. Sie haben damit ihr eigenes Verdammungsurteil gefällt. Die Liebe zur Wahrheit des Evangeliums dagegen ist ein Zeichen echter Bekehrung; es gehört dazu nicht mehr als die Bereitschaft, das Evangelium im Glauben anzunehmen. Die "Wahrheit des Evangeliums" verkörpert den Gegenpol zu den "lügenhaften Zeichen" des Bösen. Wer der Wahrheit glaubt und sie liebgewinnt, ist gerettet. Die Reaktion auf das Evangelium kommt also ebensosehr oder fast noch stärker aus dem Herzen als aus dem Kopf.

2Thes 2,11 Gott will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen ( 1Tim 2,4-6 ). Wenn die Menschen die Wahrheit jedoch ablehnen, läßt er sie die Folgen der Lüge spüren (vgl. Röm 1,18-25 ). Im Augenblick ihrer Auflehnung tritt Gott in sein Amt als Richter der Menschheit ein und setzt sie der Macht der Verführung ( energeian planEs ) aus, die daraus erwächst, daß die Menschen sich bewußt dafür entscheiden, der Lüge zu glauben und dem Irrtum vor der Wahrheit den Vorzug zu geben. Der Richterspruch Gottes ist also durch die Entscheidung der Ungläubigen gerechtfertigt. "Die Lüge", auf die sie hereinfallen, ist der Anspruch des Bösen, Gott zu sein.

2. Thessalonicher

 

2Thes 2,12

 

Das eigentliche Ziel des göttlichen Handelns ist Gerechtigkeit (vgl. 2Thes 1,6 ). Ewige Verdammnis ist das Schicksal all derer, die sich der Wahrheit verschließen und die Freude an der Ungerechtigkeit haben. Ihre Lust ... an der Ungerechtigkeit ist das Gegenstück zum christlichen Glauben an die Wahrheit - in beiden kommt eine geistliche Entscheidung zum Ausdruck. Auch wenn es Paulus hier natürlich in erster Linie um die Ungläubigen, die beim Offenbarwerden des "Menschen der Bosheit" leben, geht, so sehen die Folgen des Unglaubens letztlich doch immer gleich aus. Das Grundprinzip der göttlichen Gerechtigkeit bleibt über die Zeitenhinweg bestehen und ist heute noch ebenso gültig wie zur Zeit des Apostels.

Wird in dieser Passage ausgesagt, daß jene, die zur Zeit des "Menschen der Bosheit" nicht an das Evangelium glauben und die deshalb nicht entrückt werden, sondern weiter auf der Erde leben, nicht mehr gerettet werden können? Oder können Menschen, die die Wahrheit des Evangeliums vor der Entrückung zwar kennen, aber bewußt zurückweisen, danach noch zum Glauben kommen? Die "Macht der Verführung" (V. 11 ), der Gott diese Menschen aussetzen wird, legt die Annahme nahe, daß allenfalls wenige der dann Lebenden noch erlöst werden. Es scheint sich hier um ein besonderes Gottesurteil nur an diesem einen Punkt in der Geschichte zu handeln. Bei den vielen Heiligen, von denen das Buch der Offenbarung sagt, daß sie die Zeit der großen Trübsal miterleben werden, handelt es sich also wahrscheinlich um Menschen, die das Evangelium bis zur Entrückung nicht kannten und deshalb auch nicht abgelehnt haben ( Offb 7,4 ).

Paulus führt seinen Lesern vor Augen, daß die Bedrängnisse und Verfolgungen, denen sie sich ausgesetzt sehen ( 2Thes 1,4 ), in keiner Weise als Anzeichen dafür zu werten sind, daß sie nun das Strafgericht am Tag des Herrn erleben. Sie müssen nicht befürchten, bei der Entrückung übergangen worden zu sein, denn vor dem endgültigen Gericht am Tag des Herrn werden mehrere eindeutig identifizierbare Ereignisse eintreten, die bis jetzt noch ausstehen. Es sind dies die Apostasie - der bewußte Abfall von der Wahrheit Gottes -, die Entfernung der die Bosheit bändigenden Macht bei der Entrückung, d. h. die Entfernung des Heiligen Geistes, der durch die Gläubigen das Böse in der Welt im Zaum hält, und schließlich das Offenbarwerden des Antichristen, des "Menschen der Bosheit". Da diese drei Ereignisse damals noch nicht eingetreten waren (und bis heute noch nicht Realität geworden sind), waren die Thessalonicher also offensichtlich einem Irrglauben erlegen, als sie meinten, der Tag des Herrn sei bereits da.

 

 

IV. Danksagung und Gebet

( 2,13 - 17 )

 

Die anschließende Passage bildet ein überleitendes Versatzstück zwischen der Lehre vom Tag des Herrn ( 2Thes 2,1-12 ) und den Verhaltensmaßregeln des Apostels für eine christliche Lebensführung, die auf diesen Tag ausgerichtet ist und die Gemeinde in Thessalonich für ihn bereitmachen soll ( 2Thes 3,1-15 ).

 

 

A. Dank des Apostels für die Berufung der Thessalonicher

( 2,13 - 15 )

 

2Thes 2,13

 

Im Gegensatz zu den Ungläubigen, von denen zuvor die Rede war, machen die Thessalonicher den Aposteln wirklich Freude. Ja, Paulus hat das starke Bedürfnis, Gott allezeit für sie zu danken. Er sieht in ihnen seine Brüder (vgl. V. 1.15 ) und Schwestern im Glauben, die vom Herrn geliebt sind, auch wenn sie von ihren gottlosen Mitbürgern gehaßt und verfolgt werden.

Die Freude und Dankbarkeit des Apostels hat ihren Grund darin, daß Gott die thessalonischen Gläubigen zum ewigen Heil erwählt ( heilato , Imperfekt von aireO , "ergreifen, erwählen"; das Wort steht außer an dieser Stelle nur noch in Phil 1,22 ) hat - und zwar als erste (vgl. "ehe der Welt Grund gelegt war"; Eph 1,4 ), also nicht aufgrund ihrer Liebe oder eines anderen Verdienstes von ihrer Seite, sondern weil er sie liebt (vgl. 1Thes 1,4 ). Paulus lehrte immer wieder, daß die Initiative zur Erlösung von Gott ausgeht und nicht vom Menschen. Das Werkzeug, dessen er sich dazu bedient, ist das Wirken des Heiligen Geistes, der die Erwählten zu einem Leben der Heiligung und Sündlosigkeit aussondert (vgl. Joh 16,7-11 ). Er erneuert, erfüllt und tauft die Christen und macht sie damit zu Gliedern des Leibes Christi. Der menschliche Anteil an der Erlösung liegt im Glauben an die Wahrheit des Evangeliums. Wo dieser Glaube vorhanden ist, reinigt der Geist das Leben der Gläubigen durch das Wort Gottes ( Joh 17,17 ).

Daß Gott, der ja alle Menschen liebt, manche von ihnen für die Erlösung erwählt, sollte die Gläubigen mit Dank für die Gnade dieser Erwählung erfüllen.

 

 

2Thes 2,14

 

Gott selbst hat die Leser dieses Briefes durch das Evangelium , wie es von den Aposteln in Thessalonich verkündigt wurde, zum Heil berufen . Er wollte, daß die Gläubigen eines Tages die Herrlichkeit und Ehre, die Jesus Christus , der zur Rechten des Vaters sitzt, schon jetzt hat, mit ihm teilen (vgl. 2Thes 1,10-12 ).

 

 

2Thes 2,15

 

Deshalb sollen die thessalonischen Gläubigen im Angesicht ihrer Berufung nicht in ihrer Glaubensfestigkeit, ihrer vorbildlichen, brüderlichen Fürsorge und in ihrer Hoffnung auf die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Jesu Christi wankend werden (vgl. 1Thes 1,3 ), sondern feststehen ( stEkete ; vgl. 1Kor 16,13; 1Thes 3,8 ). Die Christen sind immer in Gefahr, von den Strömungen der sie umgebenden, ihrer Religion meist feindlich gegenüberstehenden Kultur erfaßt zu werden. Und sie neigen allzuoft dazu, die Wahrheit, die ihnen offenbart wurde, zu vergessen und ihre Beziehung zu Gott erkalten zu lassen. Sie haben es daher dringend nötig, sich an dem festzuhalten, was ihnen die Diener Gottes gesagt haben. Die Thessalonicher standen im Begriff, sich von den - persönlich wie brieflich empfangenen - Lehren der Apostel zu lösen (vgl. 2Thes 3,6 ). Die ständigen Bedrängnisse, denen sie ausgesetzt waren, aber auch der negative Einfluß der Welt, des Fleisches und des Bösen drohten, sie in ihrer Glaubensentwicklung zurückzuwerfen.

 

 

B. Bitte um Kraft für die Gemeinde

( 2,16 - 17 )

Paulus betet für die Standfestigkeit der Thessalonicher, daß Gott ihnen Mut und Kraft geben möge (vgl. 1Thes 3,2.13; 2Thes 3,3 ).

 

2Thes 2,16

 

Wieder werden der Sohn und der Vater einander gleichgestellt und als eins betrachtet. Gottes Liebe und Gnade sind die Grundlage für einen ewigen (d. h. nie versiegenden) Trost ( paraklEsin aiOnian ) in allen zeitlichen Nöten. Aber Gott gibt seinen Gläubigen auch eine gute ( agathEn ) Hoffnung , die ihnen die Gewißheit der Rückkehr ihres siegreichen Erlösers gibt.

 

2. Thessalonicher

 

2Thes 2,17

Zwei Dinge wünscht Paulus den Thessalonichern in all den Ängsten und Befürchtungen, die durch die Irrlehren in bezug auf den Tag des Herrn geweckt wurden: Trost und Mut (das Verb "trösten", parakalesai , vereinigt beide Bedeutungen in sich; an anderer Stelle [ 1Thes 4,1.10; 2Thes 3,12 ] heißt es auch "ermahnen"), und Gottes Gnade, um sie zu festigen und zu stärken ( stErizai ; vgl. auch 1Thes 3,2.13 ) in allem guten Werk ("gut" im Sinne von gottgefällig) und Wort , das sie zur Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums sprechen.

 

 

III. Der Tag des HERRN (2,1-12) 1.

 

 

Die Grundlage der Wahrheit:

Der Angelpunkt des Briefes (2,1)

1_Der Abschnitt, mit dem wir uns jetzt beschäftigen wollen, wurde durch eine verkehrte Übersetzung des ersten Verses oft verdreht, indem man

 – zweifellos in bester Absicht – Worte gebrauchte, die die Bedeutung des Grundtextes völlig verändern,

 weil man nicht unterschied oder unterscheiden konnte zwischen dem Kommen des Herrn für Seine Heiligen (der Entrückung) und Seiner Erscheinung mit Seinen Heiligen (der apokalypsis).

 

 Es ist deshalb notwendig, sich eng an den Wortlaut des Grundtextes zu halten, um irrige Auffassungen zu vermeiden und tatsächlich das Beispiel des Apostels zu erkennen,

der zuerst die Wahrheit deutlich macht, ehe er sich mit dem beschäftigt, was falsch ist.

 

 Der Apostel hat durch die Leitung des Heiligen Geistes den Thessalonichern mit großem Geschick die Bedeutung ihrer Leiden und der Belohnung dafür gezeigt,

 und sie weitergeführt über den Pfad ihres irdischen Zeugnisses zum Berggipfel der Hoffnung der christlichen Gemeinde, dem Kommen des Herrn für Seine Heiligen,

 wenn Er alle Gläubigen zusammenrufen wird, um Ihm in der Luft zu begegnen, wo sie dann

 – ihren Blick auf den gerichtet, den ihre Herzen lieben

– die ersehnte Verwandlung erfahren werden, wenn die Leiber ihrer Niedrigkeit umgestaltet werden zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leib der Herrlichkeit.

 

 Das ist der Augenblick ihres Verherrlichtwerdens in Ihm (1,12), die Entrückung.

 

Die Thessalonicher waren in dem Wissen über die Wiederkunft des Herrn wahrhaft befestigt.

 Das war schon vorher ihre glückselige Hoffnung gewesen; sie waren bekannt dafür, wie der Apostel ihnen in 1Thes 1,10 verdeutlicht hatte.

 Ja, sie waren mit diesem Gedanken so sehr beschäftigt, dass sie begonnen hatten, sich zu sorgen, ob ihren Brüdern, die verstorben waren, nicht etwas von der Herrlichkeit dieses Ereignisses entgehen würde.

Dieser Sorge zu begegnen war die Absicht des ersten Briefes gewesen.

 

Sie wussten nun, dass das Kommen des Herrn bei der Entrückung eine Quelle des Trostes war (1Thes 4,18).

Sie hätten auch wissen können, dass die Erscheinung des Herrn in Macht und großer Herrlichkeit ein völlig anderes Ereignis sein würde,

denn, von wahrscheinlicher mündlicher Unterweisung abgesehen, hatte Paulus davon in

 

1Thes 1157 2. Thessalonicher 2,1 3,13

 

geschrieben.

Aus 1Thes 5,9 hätten sie wissen können, dass sie nicht dazu bestimmt waren, »die Ausgießung des Zorns« zu erfahren.

 Offensichtlich waren sie seit dem Empfang des ersten Briefes bezüglich der Abfolge der Ereignisse durcheinandergebracht worden,

und zwar durch die Juden unter ihnen, die skrupellos zu beweisen suchten, dass das Kommen des Herrn – wie sie aus den Schriften des AT auch zeigten

– ein Tag der Finsternis und des Gerichts war,

 ein Tag, den man zu fürchten hatte.

Aufgrund ihrer schrecklichen Drangsale und der raffinierten Propaganda der falschen Lehrer waren diese Jungbekehrten

leicht zu überzeugen, dass der furchtbare Tag des Zornes Gottes bereits gekommen sei.

Der Brief hier sollte diese falsche Lehre berichtigen, sie in ihrer Hoffnung wieder befestigen und so die Angst vertreiben,

 die von ihnen Besitz ergriffen hatte.

 Wir dürfen diesen Jungbekehrten keine allzu großen Vorwürfe machen wegen der Zweifel und der Verwirrung,

die infolge der doppelten Einwirkung von Drangsalen und falscher Lehre entstanden waren,

 zumal wenn wir an unsere Zeit und die Unwissenheit über diese Fragen denken, nicht zuletzt unter denen, die unter Entfaltung großer Gelehrsamkeit darüber schreiben.

Es ist notwendig, sich an die Kürze von Paulus’ Aufenthalt bei den Thessalonichern zu erinnern;

sie mussten im Blick auf einige Belehrungen noch »vollendet« werden (1Thes 3,10).

 

Der Brief erinnert sie an das, was sie mündlich und brieflich gelehrt worden waren, und vermittelt weitere Offenbarungen der Wahrheit.

 Wenn wir uns vor Augen halten, dass der Brief ursprünglich nicht in Kapiteln gegliedert geschrieben wurde,

 wie er jetzt vor uns liegt, und dass dieser erste Vers von Kap. 2 den Gipfelgedanken des letzten Verses von Kap. 1 fortführt,

 dann erkennen wir deutlich, dass Paulus die gesegnete Gewissheit der Entrückung als solide Basis zur Zerstreuung ihrer Ängste verwendet.

 Er stellt ihnen dieses Ereignis eindringlich flehend vor Augen, denn wenn ihre Herzen nur die Tatsache ergreifen würden,

dass ihr »Versammeltwerden zu Ihm hin«, ihr Entrücktwerden in den Himmel, um dadurch »allezeit bei dem Herrn zu sein« (1Thes 4,17),

 dass dies alles ihre Befreiung von und Bewahrung vor dem über die Erde kommenden Zorn bedeutet, dann müsste alle Furcht verschwinden.

 Paulus’ Absicht ist es, zu zeigen, dass die Gnade vor dem Gericht wirksam ist, die Entrückung vor dem »Tag des Schreckens«.

Er versucht dies durch hingebungsvolles Bitten, indem er sie als Brüder um »der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und unseres Versammeltwerdens (episynagôgê)

zu ihm hin« willen anfleht.

 

 Paulus bezieht sich natürlich auf das Ereignis von 1Thes 4,16, die Entrückung.

Jede Silbe atmet Zuneigung und Gewissheit; könnten sie auch nur irgendetwas von »unserem Herrn Jesus« befürchten?

Das Wort episynagôgê ist äußerst bewegend und lehrreich. Zweimal nur wird es im NT verwendet,

und jedesmal spricht es von Christus als dem Mittelpunkt des Zusammenkommens der Heiligen;

hier geht es um das Versammeln zu Ihm hin in der Luft bei der Entrückung,

und in Hebr 10,25 um unser gegenwärtiges Vorrecht, uns zu Seinem Namen in der Versammlung zu versammeln,

 während und solange wir auf jenes herrliche Ereignis noch warten.

 

 Es ist hier angebracht, einen Appell an diejenigen zu richten, die die Hoffnung des Volkes Gottes dämpfen möchten,

indem sie versuchen, es der herrlichen Erwartung Seines jederzeit möglichen Kommens zur Entrückung der Gemeinde zu berauben.

 

 2. Thessalonicher 2,2 1158

 

 Wir sehen die Auswirkungen der falschen Lehre auf diese kleine Herde in Thessalonich,

und das Ergebnis ist heutzutage zwangsläufig das gleiche. Es ist ernüchternd, wenn wir im folgenden Vers feststellen,

 dass dabei auch noch betrügerische Mittel im Spiel waren.

 Die Erfahrung lehrt, dass – werden solche Dinge verbreitet – ohne Ausnahme der Beweis damit einhergeht, dass »ein feindseliger Mensch dies getan hat«.

Wir richten an alle die dringende Bitte, sich von solchen Denkpfaden abzuwenden; es ist besser,

unter Gebet die Grundlage der Wahrheit zu suchen, als mit dem Irrtum herumzuspielen.

 Die verkehrten Theorien, die das unmittelbar bevorstehende Kommen des Herrn für die Seinen leugnen,

 und an dessen Stelle Gedanken ohne schriftgemäße Grundlage setzen, wonach die Gemeinde die furchtbare Periode der großen Drangsal durchleiden müsste,

 haben niemals, nein, niemals irgendwelche christlichen Tugenden hervorgebracht.

Stellen wir dem gegenüber die Freude und ihre edle Auswirkung auf den christlichen Wandel, wenn ein Herz in der inbrünstigen Erwartung lebt:

 »Es könnte heute sein.«

 Wenn wir die Frage falscher Übersetzungen und der damit verbundenen falschen Lehre sorgfältig und aufrichtig betrachten,

 dann wird deutlich, dass sie in das Kapitel eben die Ängste und Befürchtungen hineinlegt, die Paulus zu widerlegen suchte.

 

Dadurch würde die Verwirrung der thessalonischen Heiligen nur zementiert,

 anstatt von Paulus unter der Inspiration des Heiligen Geistes korrigiert zu werden.

 

2. Die Methoden der Irrlehre (2,2) 2_Die AV gibt die entscheidenden Bindewörter (eis to),

 mit denen dieser Vers beginnt, nicht korrekt wieder,

 und verbindet ihn mit dem grundlegenden und beherrschenden Gedanken der Entrückung in V. 1;

man sollte besser übersetzen: »auf dass (eis to) ihr nicht schnell erschüttert werdet« (vgl. MNT).

»Erschüttert werden« ist saleuthênai, von etwas wegbewegen, im Sinn von Ruhelosigkeit,

 wie im Fall des Meeres, das ein Schiff hin und her bewegt, und zwar bis zur Gefahr,

es von seiner Vertäuung loßzureißen.

»Schnell«

 bedeutet »durch eine hastige, übereilte Entscheidung ohne viel Nachdenken« wie in 1Tim 5,22.

 

 »In der Gesinnung« bezieht sich auf das steuernde Element unserer Urteilskraft, den Verstand.

Wörtlich heißt es »weg von eurem Verstand« (siehe Interlinear, MNT) und da das Zeitwort im Aorist steht,

 hat der ganze Ausdruck die Bedeutung von:

 »Lasst euch nicht durch einen persönlichen Eindruck aus eurem verstandesmäßigen Gleichgewicht

 und eurer wahrheitsgemäßen Beurteilung dieses wichtigen Gegenstandes (nämlich des gefürchteten Tages) bringen«;

 vgl. Gal 1,6.

 

Im nächsten Halbsatz hat »erschreckt« (throeô) die Bedeutung von verwirrt, aufgeregt, durcheinandergebracht,

das kommt von einer Wurzel mit der Bedeutung: »laut aufschreien«, wie z.B.:

bei einem starken Gefühlsausbruch (siehe Mt 24,6).

Das vorhergehende Zeitwort »erschüttert« steht im Aorist und verweist auf ein spezifisches Ereignis,

aber »erschüttert« – im Infinitiv Präsens – deutet einen kontinuierlichen Zustand an; natürlich kann das eine das andere verursachen.

 Es ist hier also die Rede von geistiger und gefühlsmäßiger Verwirrung, und sicherlich ist es von Interesse,

 dass in 1Thes 5,8 der Apostel den schützenden Helm und den Brustharnisch erwähnt,

wobei Ersterer den Kopf schützt und Letzterer den Sitz der Gefühle.

 »Weder durch Geist« meint eine prophetische Äußerung.

 

Der Ausdruck könnte sich als Metonym (d.h. die Handlung wird mit

 

1159 2. Thessalonicher 2,2

 

 der Person gleichgesetzt) auf Personen beziehen, die für sich den Besitz der Gabe der Weissagung beanspruchen (siehe 1Thes 5,20).

Es ist notwendig »die Geister zu prüfen« (1Jo 4,1), und sich zu vergegenwärtigen, dass eine sehr reale Gefahr von Seiten eines

 »anderen Geistes« (2Kor 11,4) besteht.

 

 Die Absicht der gegen uns gerichteten geistlichen Mächte ist es, den Gläubigen von Gott abzuwenden.

»Noch durch Wort« (logos) bedeutet entweder durch eine angeblich von Paulus stammende Aussage,

oder möglicherweise auch

 – dies ist im Bedeutungsspektrum von logos durchaus enthalten

– durch einen Prozess verstandesmäßiger Ableitung, durch vernunftmäßiges Nachdenken oder logisches Schlussfolgern.

 Vernunftschlüsse sind in Sachen des Glaubens aber nicht nur gefährlich,

 sie haben auch oft katastrophale Folgen.

 Wir sind nicht auf menschliche Hilfsmittel angewiesen; wir haben das Wort Gottes.

Und selbst dabei dürfen wir keine Textstelle isoliert für sich betrachten, sondern müssen, wie 2Petr 1,20 verdeutlicht,

 alles im vollen Kontext der Schrift als Ganzes auslegen. (Vgl. 2,15, was den Gedanken des gesprochenen Wortes unterstützt).

 

 »Noch durch Brief als durch (dia) uns« (Mehrzahl), d.h. der sich als von uns stammend ausgibt, was sich deutlich auf Fälschung bezieht (siehe dazu 3,17).

 Manche beziehen den Ausdruck »von uns« auf alle

drei Dinge,

 nämlich Geist,

Wort

 und Brief, und es stimmt durchaus, dass »Wort« und »Brief« diese Bedeutung haben können,

aber der folgende Vers (vgl. Kol 2,4), schließt diesen Gedanken offensichtlich aus, da er sich auf »jeden beliebigen Menschen«

 (»niemand«, mêtis) und »jede beliebige Weise« (mêdeis tropos) bezieht.

 

Welcher Ansicht wir uns auch immer anschließen, so ist das Argument doch klar, nämlich dass der Feind sogar schon in

 apostolischen Zeiten durch Tricks und Betrügereien das Kind Gottes von der sicheren und gewissen Aussicht auf die persönliche Wiederkunft des Herrn

 in die Luft zur Sammlung Seiner Heiligen zu sich abwenden wollte.

 

Wir müssen ständig auf der Hut sein vor den verschlagenen Listen des Teufels, der durch jedes beliebige Mittel die Wahrheit zu verdrehen und Samen des Irrtums zu säen sucht.

Wir verwerfen ohne Zögern die Wiedergabe »als ob der Tag Christi (AV Luther ’12) unmittelbar bevorstünde

(AV, GN, Interlinear, Zürcher)«, da sie sämtlichen ältesten Handschriften widerspricht, wie Alford bestätigt.

 Die korrekte Lesart ist »der Tag des Herrn« und »unmittelbar bevorsteht« sollte übersetzt werden mit »ist bereits gekommen« oder »ist schon da«.

 

Die Bedeutung dieser Korrekturen am Text der AV (bzw. Luther ’12 und GN, Interlinear, Zürcher),

die in allen anderen Übersetzungen glücklicherweise ausgeführt sind, wird sofort einsichtig,

wenn wir verstehen,

dass – während der Tag Christi und der Tag des Herrn fast die gleiche Zeitperiode parallel nebeneinander laufen

– sich ersterer auf die Gläubigen und den Himmel bezieht, letzterer aber (dem Kontext nach) auf die Ungläubigen auf der Erde.

(Siehe den Anhang hinsichtlich des Tages Christi und des Tages des Herrn.)

 

Es geht also hier um den Tag des Herrn, von dem im AT ausführlich gesprochen wird, weil er sich auf Menschen auf der Erde bezieht,

während der Ausdruck

»der Tag Christi« mit der Gemeinde zu tun hat,

 also eine neutestamentliche Wahrheit ist, die im AT nicht erwähnt wird.

 

Nun ist es notwendig, aufzuzeigen, dass der Ausdruck enestêken (Perfekt von enistamai, eintreten) mit »bereits eingetreten« oder »schon gegenwärtig« übersetzt werden muss

 und nicht mit »(unmittelbar) bevorstehen« wie bei

 

2. Thessalonicher 2,3-5 1160

GN, Interlinear, Zürcher. Wollte man abstreiten, dass der Tag des Herrn bevorstehe, würde man damit dem ganzen Grundtenor der Schrift widersprechen,

von den Weissagungen Jesajas und dem Ruf Johannes des Täufers angefangen bis hin zu der Warnung von 2Petr 3,10.

Daher also die große Bedeutung der korrekten Übersetzung. Das Zeitwort enistamai wird in Röm 8,38; 1Kor 3,22 (»Gegenwärtiges«);

 1Kor 7,26; Gal 1,4; Hebr 9,9 (»gegenwärtig«) gebraucht.

 In keiner dieser Stellen wird etwas Zukünftiges angedeutet, vielmehr zeigt der Vergleich dieser Stellen, dass es jeweils um gegenwärtige Dinge im Gegensatz zu zukünftigen geht.

 So können wir also aus der Verwendung des Begriffs in der Schrift und speziell bei Paulus (wenn wir annehmen, dass er den Hebräerbrief geschrieben hat)

eindeutig schließen, dass die letzten Worte von V. 2 nicht auf das unmittelbare Bevorstehen des Tages des Herrn hinweisen,

 sondern der Behauptung widersprechen, der Tag des Herrn wäre bereits gekommen (bzw. jetzt gegenwärtig).

Wir werden sehen, wie dies genau zum Kontext passt, denn den thessalonischen Gläubigen war durch falsche Behauptungen Angst eingejagt worden,

 dass die ihnen widerfahrenden Leiden die Schrecken des gefürchteten Tages des Herrn wären.

 Dies ist der Grund, aus dem Paulus jetzt schreibt, und warum er für sie in Kap. 1 noch einmal den Unterschied zwischen dem Kommen des Herrn für Seine Heiligen (V. 12)

und Seinem Kommen mit ihnen (V. 8-10) dargestellt hatte.

 Hier demonstriert Paulus ebenso wie Petrus (2Petr 1,12) die Wichtigkeit, bekannte Wahrheiten zu wiederholen, besonders wenn die Heiligen unter Druck stehen.

 Dies ist heutzutage nicht weniger nötig, wo die Menschen, sowohl böse als auch im Irrtum gefangene, ebenso wie in Thessalonich, immer noch die Schrift verdrehen,

um falsche Lehren zu begründen.

 

Heutzutage verweisen sie auf Schriftstellen wie Joh 16, besonders V. 33, wo von der christlichen Norm im Blick auf Leiden in dieser Welt gesprochen wird,

um damit die kostbare Hoffnung des Kindes Gottes aus den Angeln zu heben und es zu überzeugen, dass diese Stellen davon sprechen,

dass die Gemeinde durch jene schreckliche Periode des Zornes Gottes über die sündigen Menschen auf der Erde hindurch muss,

 die als »die Drangsal«, ja sogar »die große Drangsal« bekannt ist.

 

 Dabei sprechen die betreffenden Stellen in keiner Weise von einem solchen Ereignis.

 Wir müssen Sorgfalt darauf verwenden, Dinge zu unterscheiden, die verschiedenartig sind: »Drangsal« und »die Drangsal« sind keineswegs das gleiche.

 

3. Die dem Tag des Herrn vorhergehenden Ereignisse (2,3-5) 3_Sie sollten sich von niemand verführen oder betrügen lassen, auf keinen Fall.

 Beachten wir die doppelte Verneinung als Ausdruck der Betonung.

Der Herr Jesus kommentierte diese grundsätzlichen Ereignisse in Mt 24,4-6 mit ähnlichen Worten.

Betrügen oder verführen, wie im Fall Evas in 1Tim 2,14, steht oft in Verbindung mit Satan.

»Auf irgendeine Weise« erweitert das Spektrum hinsichtlich der in V. 2 erwähnten Methoden.

Paulus war sich ständig des möglichen Wirkens betrügerischer Arbeiter (2Kor 4,2; 11,13) bewusst und derer,

die viele »verführen« (2Tim 3,13).

 

 2Jo 1,7 verbindet zutreffend Verführung mit dem Antichristen, in Übereinstimmung mit 2Thes 2,10.

 »Dieser Tag kommt nicht« (obwohl nicht im Grundtext) ist hier zu Recht eingefügt worden (so auch bei Luther ’12 und ’56, Rev.Elberf, Wilckens) um den Sinn der Stelle zu verdeutli-

 

1161 2. Thessalonicher 2,3-5

 

chen. »Es sei denn, dass zuerst der Abfall komme« ist wörtlich »weil wenn nicht der Abfall zuerst kommt«.

Die Majestät dieses Ausdrucks sollte uns deutlich werden:

Alle hier detailliert genannten Geschehnisse sind Gottes Zeitplan unterworfen.

 Das Wort »denn« oder »weil« (hoti) ist bedeutsam für die Darlegung des Grundes für Paulus’ Behauptung

, dass »der Tag« noch nicht über sie gekommen sei, ja in der Tat überhaupt nicht über sie kommen könne.

Beachten wir den bestimmten Artikel vor »Abfall«, der deutlich macht, dass es nicht nur ein den Thessalonichern bekanntes Ereignis war,

 aber auch weit mehr als eine einzelne Person, die vom Glauben abfiel wie in 1Tim 4,1,

 ja viel mehr sogar als der teilweise Abfall im Zeitalter der Gemeinde. Es war das, was Paulus ihnen, als er noch unter ihnen war,

über den schrecklichen letzten Akt der trotzigen Herausforderung des Menschen gegenüber Gott gesagt hatte; die Rebellion gegen jedes Wort, Werk, ja jeden Gedanken von und über Gott.

 

 Es ist ein Geschehnis, ebenso gekennzeichnet, spezifisch und einzigartig wie jenes andere große Geschehen, das noch kommen muss und ebenso den bestimmten Artikel zur besonderen Kennzeichnung trägt,

 nämlich »die Drangsal«.

Es stellt ein Ereignis ohne jede Präzedenz und Beispiel dar.

 Im Griechischen wird das Wort »Abfall« (apostasia) im militärischen Sinn für die Fahnenflucht eines Soldaten von seiner Armee gebraucht;

 in der politischen Sphäre für Rebellion gegen die Autorität; in der Schrift spricht es vom Verlassen oder der Abkehr von einmal gekannter Wahrheit über Gott,

 einer totalen Absage an die Wahrheit.

 Dies ist der abschließende Akt des »Tages des Menschen«, der seinen Keim in der Versuchung in Eden hatte, sich deutlich in Babel zeigte

(wo Nimrod der große Typus des Antichristen ist), dessen Bekenntnis: »Es gibt keinen Gott für mich!« (Ps 14,1)

ist und dessen Kurs in Röm 1 beschrieben ist.

 Einige vertreten die Auffassung, dass das griechische prôton (»zuerst«) das erste von zwei aufeinander folgenden Ereignissen andeute,

und zitieren Apg 1,1 als Beispiel.

 

Während dies im Allgemeinen die Bedeutung des Wortes ist, so ist es doch nicht korrekt, daraus abzuleiten, wie es einige getan haben,

 dass »der Abfall« und »das Geoffenbartwerden des Menschen der Sünde« die beiden angedeuteten Ereignisse wären,

 denn es sind »der Abfall« und »der Tag des Herrn«.

Der Apostel zeigt nun das letztendliche und schreckliche Resultat der Abkehr von Gott, indem er es in einer einzigen Person gipfeln lässt.

Der Mensch muss einen Gegenstand der Verehrung haben.

 

 Röm 1 macht dies klar, denn als er sich von der Verehrung Gottes abwandte, tauschte er die Herrlichkeit seines Schöpfers gegen ein in Gleichheit des Geschöpfs gemachtes Götzenbild ein,

 wenn er auch in gewissem Sinn mit diesem Götzenbild Gott gedanklich verband (2Mo 32,5); daraus folgen zwangsläufig furchtbare moralische Konsequenzen.

Aber einige mussten noch weitergehen; der Mensch gab seinem Unwillen Gott gegenüber Ausdruck, indem er die Wahrheit Gottes gegen »die Lüge« eintauschte (Röm 1,25).

Gott war bis zu einem gewissen Grad beiseitegesetzt und ersetzt, die Sünde vertieft worden, und doch, das Herz des Menschen verlangte nach Anbetung,

und Satan füllte das Vakuum aus, und lieferte dem Menschen ständig eine Alternative für sein Herz, bis zu dieser Zeit absoluten Niedergangs,

wenn der Mensch sein tiefstes Tief der Schande erreicht, die Frucht seiner Abkehr von Gott und das Ziel allen Götzendienstes,

das Auftauchen des Menschen der Sünde.

 

2. Thessalonicher 2,3-5 1162

 

Der Ausdruck »der Mensch der Sünde« wird besser übersetzt mit »Mensch der Gesetzlosigkeit«,

 denn das Wort ist anomia, zusammengesetzt aus dem Wort für »Gesetz« und dem Alpha privativum (das Zeichen für »Abwesenheit, Nichtvorhandensein von«).

 Vgl. Einh. (»Gesetzwidrigkeit«) Interlinear (»Ungesetzlichkeit«), Jerusalemer, Konkordante, Menge, MNT, Rev.Elberf (»Gesetzlosigkeit«), Zink (»gesetzlos«), Zürcher (»Gesetzesfeindschaft«).

 

Wer ist dieser »Mensch der Gesetzlosigkeit«? Wenn wir uns mit der Frage beschäftigen, müssen wir natürlich die vielen fantasievollen Auslegungen berücksichtigen,

die im Lauf der Kirchengeschichte entstanden sind, besonders wenn die Heiligen es genauso wie die Thessalonicher gemacht haben,

nämlich die Prophetie im Licht ihrer eigenen Erfahrung bestimmter Geschehnisse auszulegen.

 Darin liegt aber eine große Gefahr, die Schrift allein muss ihre eigene Auslegerin sein.

 

 Doch kamen selbst unter dieser Voraussetzung gottesfürchtige Gelehrte zu verschiedenen Ergebnissen,

obgleich allgemeine Übereinstimmung darüber herrscht, dass der Apostel in den folgenden Versen ausreichende Hinweise liefert,

aufgrund derer diese schreckliche Persönlichkeit identifiziert werden kann, obgleich die Antwort nicht direkt auf der Hand liegt.

 Es wird weithin akzeptiert, dass sich diese Stelle auf das in Offenbarung erwähnte »Tier« bezieht,

 aber dies kann keine vollständige Antwort sein, denn dort wird von zwei Tieren gesprochen, und man muss zugeben,

dass die Züge und Eigenschaften von beiden in großem Maß zu der in unserem Kapitel gegebenen Beschreibung passen.

 Dies hat zu einiger Verwirrung geführt, aber es gibt unterscheidende Faktoren, die die Frage mit ausreichender Klarheit beantworten.

 Wenn wir Schriftwort mit Schriftwort vergleichen, scheint es klar, dass der »Mensch der Gesetzlosigkeit« das zweite Tier von Offb 13 ist, das Tier aus der Erde.

 

 Uns ist bewusst, dass viele das andere Tier in Entsprechung zu dieser furchtbaren Person sehen.

Aber welche Ansicht man auch vertreten mag, es muss jedenfalls in dem Bewusstsein geschehen, dass in Fragen der Auslegung von Prophetie keiner ein besonderes Vorrecht genießt,

 und es deshalb auch keinen Platz für einen Parteigeist gibt. Wie in allen Fragen christlichen Wandels sind auch hier Takt und Langmut angebracht

 (siehe den Anhang hinsichtlich des »Menschen der Gesetzlosigkeit«),

 

Dieser Mensch der Gesetzlosigkeit, und wir wollen deutlich sagen, dass er ein Mensch ist und nicht ein System,

 ist die Inkarnation des Bösen, wie Christus die Fleischwerdung alles Heiligen, Guten und Wahren ist.

 

 Der Ausdruck »Gesetzlosigkeit« zeigt seinen Charakter. Anomia bedeutet ohne jegliches Gesetz, und dies wird auch in seiner Beschreibung durch Daniel als

 »nach seinem Gutdünken handelnd« (Dan 11,3.36)

 

deutlich, was bewusste, arrogante Perversion und Eigenwillen andeutet. Der Mensch am Tiefpunkt seines Irrwegs, die Sünde ohne Begrenzung, das Fleisch ohne Schranken,

die Bosheit wie ein tosender Strom ohne Ufer, keinerlei Zurückhaltung mehr, der Mensch, seinen Machenschaften überlassen, völlig ohne Gott, und Satan das Vakuum mit sich selbst ausfüllend.

 »Geoffenbart« (apokalyptô) steht in diesem Satz an der Stelle der Betonung und bedeutet, wie bei Christus in 1,7 eine plötzliche Offenbarung von jemandem, der bisher verborgen war;

 der Ausdruck vermittelt ganz und gar den Eindruck der Handlung einer übermenschlichen Macht. Ebenso wie Gottes Sohn geoffenbart werden wird, so wird auch Satan sein abscheu-

 

 

1163 2. Thessalonicher 2,3-5

 

 liches Gegenstück offenbaren (siehe V. 9). »Der Sohn des Verderbens« (apôleia) wird für Judas Iskariot in Joh 17,12 gebraucht;

»Sohn« ist ein Hebraismus zur Bezeichnung von Charakter und Schicksal, hier des Verderbens (Zugrundegehens); er wird durch Aktivität charakterisiert,

 die ihn als für das Verderben bestimmt kennzeichnet (siehe V. 8).

 

Die Frage wurde gestellt, ob der »Mensch der Gesetzlosigkeit« identisch ist mit »dem Abfall«. Während wir dies verneinen müssen,

denn jeder Ausdruck hat den bestimmten Artikel, ist es doch notwendig, das Geschehen und die Person als eng miteinander verknüpft zu sehen.

 

 Abfall zeigte sich bereits seit den frühesten Zeiten der Gemeinde (1Jo 2,18), ebenso wie in Israel; doch in der Endzeit wird er sich beschleunigen und

 seinen furchtbaren Gipfelpunkt erreichen, wenn die Gemeinde heim in die Herrlichkeit gerufen worden ist.

 Die extreme Abscheulichkeit dieses Gott verwerfenden Zustands wird dann so reifen (wenn für solch schreckliche Umstände dieses Wort gebraucht werden darf),

dass sie das Auftauchen des Mannes nötig macht, der sie personifiziert.

 So ist also »der Abfall« das Geschehen selbst, der »Mensch der Gesetzlosigkeit« das Ziel, das sein Anstifter, Satan,

 

 im Auge hatte bei der Verfolgung seiner Absicht, Gott zu entthronen und sich selbst weltweit verehren zu lassen (Jes 14,12-15).

Der Geist des Antichristen verleugnet den Vater und den Sohn in jedem Zeitalter,

 

 

 

 aber zu jener Zeit wird dies einen derartigen Grad erreichen, dass diese Leugnung ihren Mittelpunkt in einer Person hat, die sie durch öffentliches Gesetz geschehen lässt.

 Dann wird einerseits Israel Jahwe Gott und Seinen Messias verleugnen,

und andererseits die Hurenkirche Christus und den Vater, den Er geoffenbart hat.

Auf diese Weise steht der Weg offen für das Tier und seinen Anspruch, Gott zu sein und für Juden und Nationen einheitlich einen falschen Christus zu proklamieren.

 

 4_Dies ist sicherlich die düsterste Beschreibung des Menschen in der ganzen Heiligen Schrift: der Mensch unter der Macht Satans,

 in trotziger Herausforderung gegen Gott handelnd. In seinem persönlichen Bemühen sich zu erhöhen wird er den Platz jedweder Religionsausübung beanspruchen,

 bis zu dem Punkt, sich an die Stelle Gottes selbst zu setzen.

 

Welch absoluter Gegensatz ist dieser, der hochmütig »in seinem eigenen Namen« (Joh 5,43) kommt,

 zu dem, der im Namen Seines Vaters gekommen ist und sich selbst erniedrigt hat, um daraufhin aber von Gott über alles erhöht zu werden (Phil 2).

 Doch in Übereinstimmung mit den Grundsätzen von Gottes gerechtem Gericht wird dieser stolze, ehrgeizige Mensch aufs Tiefste erniedrigt werden (Offb 19,20),

bis in Tiefen hinab, die seiner abscheulichen Anmaßung und Sünde entsprechen.

 

 In »welcher widersteht und sich selbst erhöht« vermittelt die wörtliche Wiedergabe des Partizips einen noch

tieferen Eindruck vom Charakter des Menschen der Gesetzlosigkeit, nämlich »der sich Widersetzende und sich Überhebende über alles« (MNT, vgl. Interlinear).

 

 Alle trotzige Herausforderung, Überheblichkeit und starrsinnige Arroganz dieses Widersachers Gottes kommen in dieser kurzen Beschreibung zum Ausdruck.

 »Welcher widersteht (oder: der sich Widersetzende, der Widersacher)«, von antikeimai,

wird in Lk 13,17 für die Widersacher des Herrn Jesus gebraucht; in Gal 5,17; 1Tim 1,10 wird es übersetzt mit »gelüsten wider« bzw. »zuwider sein«.

 Es stellt das Tier in seiner Rolle als Antichristus dar, nämlich als den »sich Christus Widersetzenden«.

 

2. Thessalonicher 2,3-5 1164

 

»Sich erhöht« (hyperairô), in 2Kor 12,7 »sich überheben« (Phil 2,9), wird von Bloomfield im Blick auf den Menschen der Sünde als »das äußerste Extrem der Sünde« definiert,

während Alford auf die Note trotziger Feindschaft hinweist, die in dem Wort mitschwingt, auf die auch Darby – im Hinblick auf den Gedanken des sich Widersetzens – aufmerksam macht.

Er beansprucht den Vorrang über »alles Gott genannt Werdende« (so wörtlich, vgl. Interlinear), d.h. über jede Vorstellung einer Gottheit, wahr oder falsch,

denn er brüstet sich öffentlich mit seiner Verachtung alles dessen (Dan 11,37).

Furchtbarer Gedanke! »... oder ein Gegenstand der Verehrung« (sebasma, vgl. Apg 17,23)

 erweitert noch seine Ansprüche auf Ehrerbietung anstelle von allem anderen, was das Herz des Menschen erfüllt, und bezieht sich erst recht auf jede Form von Religion.

In »so dass er sich selbst in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, dass er Gott sei« ist »Tempel« naos, das innere Heiligtum (siehe Elberf Fußnote),

 der Ort, der einst in vergangenen Zeiten durch heidnische Götzenbilder verunreinigt und einmal durch einen anderen »Sohn des Verderbens« durch dreißig Silberstücke entweiht wurde,

den Preis seines abscheulichen Verrats.

 

Schon die Worte allein müssen uns einen Eindruck geben von der furchtbar düsteren und schrecklichen Realität dieser Szene,

 denn dies ist die Verwerfung Golgathas, besiegelt im Herzen des Menschen.

Es gibt keinen Grund, naos als Symbol der Gemeinde zu betrachten.

Nicht nur ist die Gemeinde als Voraussetzung für dieses Ereignis bereits entrückt worden, sondern der ganze Hintergrund des Auftretens des Tieres ist die Zusammenführung der abgefallenen

Juden- und Christenheit.

 

 Und welch passenderen Platz gäbe es für die Christenheit, als das Endprodukt ihrer Verbindung mit überholten judaistischen Praktiken im Tempel in Jerusalem zu erleben.

Der Weg, den wir heute beschritten sehen, muss zwangsläufig dorthin führen. »Und sich selbst darstellt, dass er Gott sei« bedeutet nicht, dass er sich als Jahwe ausgibt,

sondern dass Jahwe nicht Gott ist, denn Er wurde im Zuge des Abfalls schlichtweg beiseitegesetzt.

 

Der Punkt hier ist, dass dort in Jerusalem, wo Gott Seinen Namen hatte wohnen lassen, ein Mensch, ein Jude, behauptete, er, und nicht Jahwe, sei Gott.

 Beachten wir das Fehlen des bestimmten Artikels vor »Gott«, was dies bestätigt. »Darstellt«, Partizip Präsens Aktiv von apodeiknymi (und mit »sich selbst« verbunden)

 kennzeichnet dies als einen festen Zustand und nicht als vereinzelte Demonstration.

 Es herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, dass dieser Ausdruck für die Einsetzung eines Würdenträgers in sein Amt verwendet wird oder für die feierliche Proklamation eines Königs

bei seiner Thronbesteigung; es hat den Unterton von »nach Recht und Gesetz« und wird in Apg 2,22 auch mit »beglaubigt« (Interlinear) oder »ausgewiesen« (MNT) übersetzt.

 

 In Apg 25,7 wird es mit »beweisen« wiedergegeben. Aber seine hauptsächliche Verwendung ist für Proklamation, öffentliche Deklaration, wie in 1Kor 2,4, wo das Hauptwort apodeixis steht.

Siehe auch 1Kor 4,9: (als Schauspiel) »dargestellt«. Der Gedanke der Proklamation in diesem Vers ist sehr stark.

 

 Beachten wir auch den Zusatz des öffentlichen Redens in den verwandten Stellen Dan 11; Offb 13. 5_Wörtlich: »Erinnert ihr euch nicht, dass, als ich noch bei euch war, ich dies euch zu sagen pflegte«;

manche Grammatiker geben wieder im Sinn von: »ich habe euch diese Dinge immer und immer wieder ge-

 

1165 2. Thessalonicher 2,6-7

 

sagt« (vgl. Menge: »... während meiner Anwesenheit bei euch wiederholt gesagt habe«). Dieser Vers ist von beträchtlicher Bedeutung zum Verständnis von

1._der gegen Paulus in Thessalonich im Nachgang zu ungenauen Berichten über seine Verkündigung vorgebrachten Beschuldigung (Apg 17,7),

 nämlich dass er angeblich gesagt hätte, »dass ein anderer König sei – Jesus« und

2._der wahren Bedeutung des nächsten Verses, über den sich die Gelehrten im Blick auf die richtige Auslegung des winzigen Wörtchens »jetzt« streiten.

 Die meisten Ausleger entdecken einen Unterton leisen Ungehaltenseins oder Tadels in diesem Vers, und dies wäre verständlich (auch bei einer stillenden Mutter gegenüber ihren eigenen Kindern).

Denn wenn diese Lehre begriffen worden wäre, wäre die gegenwärtige Schwierigkeit, die zu dem Brief geführt hatte, nicht aufgetreten.

 

Doch scheint es, dass der wirkliche Grund für die in diesem Stil gehaltene Bemerkung des Apostels der ist, dass er jetzt zum entscheidenden Argument der bis jetzt entwickelten Beweisführung gekommen ist,

um gegen die Ängste der Thessalonicher anzugehen.

 

Eines kommt jedenfalls klar zum Ausdruck: die Tiefe der Belehrung, die Paulus solch jungen Bekehrten vermittelt hatte und das in der kurzen Zeit, die er bei ihnen verbracht hatte.

 Vielleicht ist hier eine Bemerkung zum Vorwurf mancher Kritiker am Platz, manche der Aussagen in diesem Teil des Briefes seien »relativ dunkel und unverständlich«.

 Während man darauf zum großen Teil mit dem Hinweis antworten kann, dass ein Brief an die Familie keiner langen und detaillierten Erklärungen zu sattsam bekannten Familienangelegenheiten bedarf,

 verdient noch ein anderer Punkt Beachtung. Der Brief war dazu bestimmt, persönlich überbracht und dann öffentlich vorgelesen zu werden.

Schließlich sollte er zirkulieren und dann (für uns) bewahrt und überliefert werden.

 

Dadurch wurde eine eventuelle Entdeckung und ein darauffolgendes missverstehen des Briefes (wie auch Paulus’ mündliche Botschaft in Apg 17,7 missverstanden wurde)

zu einer Gefährdung der beteiligten Personen.

 

 Deshalb, so glauben wir, ist eine gewisse Zurückhaltung bei den Bemerkungen des Paulus durchaus verständlich.

 Doch müssen wir um der Ausgewogenheit unserer Aussagen willen auch hinzufügen, dass die Verstehensschwierigkeiten, wie sie von manchen geäußert werden,

 diejenigen der »Weisen und Verständigen« sind, und es hat Gott Wohlgefallen, sie Unmündigen zu offenbaren, sowohl damals wie auch heute (Mt 11,25; 1Kor 1).

 

 Um von wirklichem Nutzen zu sein, sollte die Verkündigung von der Art sein »dass man sich leicht daran erinnern kann«.

Und wir betonen auch wiederum die Wichtigkeit der Wiederholung bereits vermittelter Wahrheiten; vgl. 2Petr 1,12-15.

 

4. Faktoren, die zurückhalten (2,6-7)

6_Bezüglich der Bedeutung dieser beiden Verse gab und gibt es viele gegensätzliche Auffassungen.

 Es existieren aber zwei herausragende Faktoren, die, wenn wir sie beachten, zum Finden und Bekräftigen

der richtigen Auslegung hilfreich sind. Der erste betrifft die Sache der zurückhaltenden oder hindernden Kräfte in jedem Vers, denn während der Ausdruck

bei Bruns, GN, Hoffnung, Zink verschieden übersetzt wird, ist es doch im Grundtext jeweils dasselbe Wort

 (siehe Albrecht, Einh, Elberf, Interlinear, Jerusalemer, Konkordante, Luther, MNT, Menge, Rev.Elberf, Schlachter, Wilckens, Zürcher).

Es besteht jedoch

 

2. Thessalonicher 2,6-7 1166

 

auch ein ganz entscheidender Unterschied; im ersteren Vers ist katechon sächlich, im letzteren aber – es lautet katechôn – männlichen Geschlechts.

 Deshalb spricht V. 6 von einer Sache, die zurückhält, aufhält oder hindert (Interlinear, MNT: »das Aufhaltende«) und

V. 7 von einer Person, einem Aufhaltenden oder Hindernden (Interlinear, MNT: »der Aufhaltende«).

 

Das Wort bedeutet »aufhalten, zurückhalten, hemmen, in Banden halten« (Rienecker), vgl. die Verwendung in Lk 4,42.

Der zweite Faktor bezieht sich auf die Auslegung, denn was immer das Auftreten des Menschen der Gesetzlosigkeit und die volle Macht der Gesetzlosigkeit zur Zeit von Paulus’ Niederschrift des Briefes zurückgehalten hat,

muss es auch in der Zwischenzeit zurückgehalten haben, hält es jetzt zurück, und wird es zurückhalten,

 bis es weggenommen wird.

 Diese beiden Dinge sind grundlegend, und an ihrem Felsengrund zerschellt schon sehr viel Spekulation.

 

Das Wort »jetzt« (nyn) zu Beginn des Verses hat manche Probleme in der Auslegung verursacht.

 Es ist die Frage, ob es sich auf die Zeit oder die logische Abfolge bezieht.

 Manche, die das Wörtchen im Gegensatz zu »zu seiner Zeit« sehen, legen es aus als »ihr wisst, was zur gegenwärtigen Zeit ...«; aber dies ist im Allgemeinen Kontext im Licht

der oben erwähnten Kriterien kaum aufrecht zu erhalten.

 Dieser Punkt wird oft zur Stützung des Arguments gebraucht, das zurückhaltende Element sei die Macht des Römischen Reiches gewesen.

Während es aber ganz offensichtlich wahr ist, dass Paulus selbst die zurückhaltende Hand Roms gegenüber dem Pöbel erfahren hatte

 (Apg 18,12; 21,32; 22,25; 23,17), kann man andererseits aber kaum aufrechterhalten, dass infolgedessen die Thessalonicher die römische Macht als das ansehen,

 was die Offenbarung des Mannes der Gesetzlosigkeit aufhielt.

 

Und doch behaupten manche sogar, das »Wissen« um die zurückhaltende Macht Roms ginge über die unmittelbare Anwendung hinaus zur letztendlichen,

 nämlich in der Wiederentstehung der römischen kaiserlichen Macht, in der Offenbarung des ersten Tieres von Offb 13.

Nun, angesichts des engen Bündnisses, ja, der gegenseitigen Abhängigkeit der beiden Tiere würde der Umstand, dass das erste (das kaiserliche Rom) die Aktivitäten,

ja sogar das Offenbarwerden des zweiten (des religiösen Bundesgenossen Roms) zurückhalten würde, ein wider sich selbst entzweites Haus bedeuten.

Außerdem, wenn Rom die zurückhaltende Macht zur Zeit Paulus’ war und es wiederum in der Zukunft sein wird, was hält dann jetzt zurück?

Und wie sollte man bei dieser Auslegung die furchtbare Rolle Roms in der Geschichte der frühen Gemeinde erklären?

Eine andere von vielen vertretene Auslegung ist die, dass das Zurückhaltende »die obrigkeitlichen Gewalten« sind,

 weil sie von Gott verordnet sind (Röm 13,1-7).

 

 Nun mag es wohl sein, dass Gott solche Gewalten benutzt, aber im Blick auf den Kommentar zu V. 7 ist es unsere Auffassung,

dass dies lediglich bedeutet, dass Gewalten Mittel sind, und nicht das Zurückhaltende als solches.

Und selbst dann haben solche Mächte nicht immer auf das beschriebene Ziel hin gewirkt, sondern haben oft Böses gefördert und,

hinsichtlich der Verantwortung des Menschen vor Gott, der Gesetzlosigkeit den Weg bereitet.

 

Wieder ein anderer Auslegungsvorschlag ist, das Gesetz selbst sei das zurückhaltende Element.

Dies aber würde dem Ausdruck

»Gesetzlosigkeit«

die Bedeutung beimessen, sich gegen das Gesetz als solches zu richten,

 sein eigentlicher Sinn aber ist, überhaupt kein Gesetz zu haben. Ge-

 

1167 2. Thessalonicher 2,6-7

 

setzlosigkeit ist das Wirken des Eigenwillens, und eben das Prinzip des göttlichen Gesetzes macht die Reaktion des menschlichen Herzens gegen diese Zurückhaltung deutlich.

Wenn der Vers als logische Fortsetzung der vorhergehenden Aussage (»dass ich dies zu euch sagte, als ich noch bei euch war«)

 verstanden wird und »jetzt« (nyn) als »nun«, »nun gut« oder »nun also« aufgefasst wird (diese Verwendung von nyn finden wir oft in der Schrift, und dass es auch hier so verwendet wird,

 wird nicht nur von Alford, Bloomfield, Bengel und Moffat bekräftigt, sondern seltsamerweise auch aus unvermuteten Winkeln der Gelehrsamkeit),

 dann ist der Gedankenfluss glatt und der Hinweis auf all die bereits gegebene Information logisch.

 

 Diese Information schließt dann nicht nur die mündliche Belehrung, sondern auch den Inhalt von Paulus’ erstem Brief an sie ein, und sogar den ersten Teil, dieses Briefes,

 insoweit dort betont wird, was bereits bekannt war.

 

Durch diese Dinge mussten sie eigentlich wissen (oida), was das Geoffenbartwerden des Menschen der Gesetzlosigkeit zurückhielt.

Es war ganz einfach die Tatsache, wie Paulus betont hatte, dass sie immer noch hier waren.

 Der Herr Jesus war offensichtlich noch nicht gekommen, um sie heimzuholen, der Dreh- und Angelpunkt von allem war

 »die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und unser Versammeltwerden zu ihm hin«.

 Dieses Ereignis stand der Wiederaufnahme des in der Prophetie beschriebenen Handelns mit der Erde im Weg; sie konnte nicht erfolgen,

solange die Heiligen noch hier waren.

Sie mussten erst entrückt, in den Himmel aufgenommen werden.

 

So ist also das zurückhaltende Element die Gesamtheit der Gläubigen auf der Erde.

 

Der Ausdruck »Gemeinde« wurde bei dieser Erklärung bewusst vermieden, denn nicht nur spricht die Schrift nicht von der Gemeinde auf der Erde,

sondern durch die Verwendung dieses Ausdrucks haben einige auch den Gegnern dieser Auffassung Anlass zur Kritik geliefert;

denn »Gemeinde« (ekklêsia) ist weiblichen Geschlechts,

 während das Wort für das zurückhaltende Element in diesem Vers sächlich ist.

 

 

Es hieße, die Macht der Gemeinde zu unterschätzen, wenn man – wie manche es tun – glauben würde, sie könne die Pläne des Teufels nicht zurückhalten.

Denn nicht nur werden die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen, sondern sie ist auch mit dem verbunden, der »alle Gewalt« hat, und der innewohnende Heilige Geist bestimmt ihre Stärke (1Jo 4,4).

Die Gemeinde hat unter anderem die Aufgabe, als Salz das Fortschreiten des Verderbens zurückzuhalten und den Triumphzug der Ungerechtigkeit zu hemmen.

 Das Argument, dass auch Salz seine Kraft verliere, zählt genauso wenig wie der Hinweis auf das oft flackernde Licht des Zeugnisses in einer finsteren Welt.

 

Dies ist das »Zeitalter« der Gemeinde, und solange sie hier ist, erlaubt Gott dem Menschen der Gesetzlosigkeit »seine Zeit« (siehe unten) nicht. »... dass er« (eis to) verweist auf den letztendlichen Zweck, das Ziel des Zurückhaltens.

 Er besteht darin, dass »er (der Mensch der Gesetzlosigkeit) zu seiner Zeit geoffenbart werde« oder korrekter

 »zu seiner eigenen (autou) Zeitperiode (oder seinem Zeitpunkt)«.

 

 Im Gegensatz zu den Behauptungen einiger Kommentatoren gibt es hinreichende Berechtigung für eine solche Wiedergabe von autou.

 Kairos (»Zeitpunkt, -periode«) richtet die Aufmerksamkeit auf den Charakter der Zeit, nicht so sehr den Augenblick; siehe 1Tim 6,15 und vgl. Apg 1,7.

 Wie es für das Erscheinen Christi eine exakte Zeitperiode gab, so gibt es sie auch für den falschen

 

2. Thessalonicher 2,6-7 1168

 

Christus Satans.

 Er ist nur ein Mensch; Gott bestimmt die ihm erlaubte Zeit.

 

 7_Wir kommen jetzt zur Frage des »Aufhaltenden« oder »Hinderers«, unterschieden von dem, »was aufhält« oder zurückhält« in V. 6.

»Denn« verweist auf die Erklärung des letzten Teils des vorhergehenden Verses: »... auf dass er zu seiner Zeit geoffenbart werde.«

 

Obgleich die beiden Aspekte des Zurückhaltens sich in dem unterscheiden, was sie jeweils zurückhalten,

so besteht doch die entscheidende Verbindung darin, dass beide entfernt werden müssen,

 ehe der Mensch der Gesetzlosigkeit geoffenbart wird

(siehe den Beginn von V. 8).

 In »das Geheimnis der Gesetzlosigkeit« steht im Grundtext anomia, das gleiche Wort wie in V. 3.

 

 Unglücklicherweise verdunkeln Albrecht, Bruns, Elberf, GN, Hoffnung, Interlinear, Luther ’12 und ’56, Schlachter, Zink durch die Verwendung von jeweils zwei verschiedenen Wörter

die Fortführung des Gedankens der Gesetzlosigkeit (siehe auch zu »der Gesetzlose« in V. 8). Ein Geheimnis in der Schrift wird in Röm 16,25 klar als etwas erklärt, das bisher verborgen war,

und jetzt ausschließlich durch Offenbarung bekannt gemacht worden ist.

 Beispiele dafür sind: das Einssein von Christus und der Gemeinde (Eph 5,32),

das Geheimnis der Gottseligkeit (1Tim 3,16);

das Geheimnis des Glaubens (1Tim 3,9);

die Verwandlung bei der Entrückung (1Kor 15,51).

Hier ist es das Geheimnis, das verborgene Wirken der Gesetzlosigkeit,

das von Gott durch Seinen Knecht Paulus bekannt gemacht wurde;

 

 später werden dessen Ziel und Anstifter enthüllt (V. 8-10).

Es ist ernüchternd zu erfahren, dass bereits zu einem so frühen Zeitpunkt wie den Tagen des Apostels dieses verborgene System der Gesetzlosigkeit wirksam war.

Das Geheimnis, sein verborgenes Wirken, wird kontrastiert mit seiner vollen Entfaltung in der schlussendlichen Offenbarung des Menschen der Gesetzlosigkeit.

 

Worin besteht dieses verborgene Wirken?

Das Gleichnis vom Sauerteig in Mt 13,33 zeigt die verdeckte, aber kontinuierliche Wirksamkeit in der Sphäre des äußeren Bekenntnisses,

mit dem Ziel, das Ganze zu verderben.

Der Apostel Paulus hatte von solch heimtückischen Aktivitäten in Apg 20,28-30 gesprochen

(»... Und aus euch selbst werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her.«)

Diese Anfänge der Wirksamkeit des Sauerteigs zeigen Charakterzüge, die identisch sind mit dem,

was in seiner vollen Entfaltung dem Wirken des Menschen der Gesetzlosigkeit, so offensichtlich ist.

Er ist geprägt von eigenwilliger Gier nach Selbsterhöhung.

 Und genau dies ist es auch, was wir auch in den verderblichen Umtrieben der falschen Lehrer in Apg 20 sehen;

 sie waren gierig nach einer hohen Stellung und nach Nachfolgern.

Dies schlich sich in Ephesus heimlich ein, entwickelte sich, wie wir es im Nikolaitentum in Offb 2,6 sehen,

 und erweiterte sich schließlich zu einer Lehre in Offb 2,15.

 In diese Richtung zielt auch der Geist eines Diotrephes in 3 Jo, das Ziel der Gnostiker in Kolossä,

 und das verführerische Element, wovor Paulus Timotheus warnt:

 »... die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen.

« Es ist der Mensch, inthronisiert in einer Sphäre der Religion, sei es nun in der Christenheit ganz allgemein oder in den Sekten des Ostens.

 

 Es geht um ein Ziel (die Tricks, der Betrug, menschliche Vernunftschlüsse, Zeichen und Wunder sind nur Mittel zum Zweck)

 und das ist die Erhöhung eines Menschen.

 Und doch ist selbst dies noch Betrug, das eigentliche Ziel ist die welt-

 

1169 2. Thessalonicher 2,6-7

 

 weite Anbetung Satans selbst, denn Satan steht hinter all dem und verfolgt selbstsüchtig seine eigenen Ziele.

 

 Der Mensch ist lediglich das betrogene Werkzeug zum Versuch der Befriedigung des ungeheuerlichen Ehrgeizes Satans,

der sich in seinem Herzen vor Beginn der Zeit erhoben hatte: »Ich will mich gleichmachen dem Höchsten« (Jes 14,14).

 Das ist das Geheimnis, nun in all seiner nackten Abscheulichkeit enthüllt. Unter der souveränen Hand Gottes wird die sich auftürmende Flutwelle und ihr Tempo zurückgehalten, gehindert, nicht wie in V. 6 durch eine Sache, die aufhält, sondern hier durch eine Person.

Diese Person hielt nicht nur zurück, als der Brief geschrieben wurde, sondern hat es seitdem auch weiterhin getan,

 und wird es weiterhin tun,

»bis er aus dem Wege ist«,

 oder »bis er aus der Mitte genommen ist« (Interlinear).

 

 Es gibt einige Einwände gegen diese Übersetzung von ek mesou genêtai,

 hauptsächlich aufgrund dessen, dass genêtai nicht als »genommen« übersetzt werden kann.

 

Aber wie William Kelly aufzeigt und von Gelehrten wie Alford und Bloomfield unterstützt wird, ist der Einwand unbegründet.

Obwohl Kelly ausführliche Beweise für die Korrektheit dieser Übersetzung liefert und zeigt, dass sie mit dem Gebrauch des Griechischen sehr wohl übereinstimmt,

sind wir bei der Angelegenheit nicht ausschließlich auf die Grammatik angewiesen,

denn wir haben auch das Zeugnis der Verwendung im NT, wo ek mesou mit seinen verschiedenen Zeitwörtern ohne Ausnahme

 »Wegnahme aus dem Weg (oder aus der Mitte)«

bedeutet, z.B. Kol 2,14 êrken ek tou mesou, wo êrken Perfekt von airô (tragen oder emporheben) mit ek tou mesou verbunden wird,

um die Bedeutung von »hat er sie aus der Mitte weggenommen« zu vermitteln.

 Aber noch gewichtiger ist der Sinn des Ausdrucks im Textzusammenhang.

 

Der Gebrauch von »jetzt« (arti), besser übersetzt mit »jetzt gerade«, deutet an, dass es ein für eine Zeit wirksames Element der Hinderung gibt,

 das weggenommen werden könnte.

 

 »Bis« (heôs)

 macht die Möglichkeit zu einer zukünftigen Gewissheit, dass jemand im Weg stand, der aus dem Weg genommen werden würde, das ist ganz augenfällig der Punkt.

 Bevor wir uns von Fragen der Grammatik wieder abwenden, sollten wir noch kurz darauf hinweisen, dass das Wörtchen »nur« (monon) hier zur Erregung der Aufmerksamkeit eingefügt ist;

vgl. seine Verwendung in Gal 2,10; 6,12.

 

 Wer also ist die Person, die zurückhält? Niemand anders als der Heilige Geist Gottes.

Die Offenbarung des Menschen der Gesetzlosigkeit wird von der fortgesetzten Anwesenheit der Gläubigen des Gemeindezeitalters auf der Erde aufgehalten,

und das verborgene Wirken der Gesetzlosigkeit wird von der Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde und im Gläubigen zurückgehalten;

beide müssen aus dem Weg genommen werden, ehe der Mensch der Gesetzlosigkeit geoffenbart wird.

 

Das Ereignis, das dies bewirkt, ist die Entrückung, denn dann werden die Heiligen des Gemeindezeitalters in die Herrlichkeit aufgenommen,

und der Heilige Geist wird, da das Ziel Seiner Anwesenheit erreicht ist, zurückgezogen werden, um wiederum so unter den Menschen zu wirken,

wie Er es in alttestamentlichen Zeiten getan hatte.

 

Es ist von nicht geringer Bedeutung, dass wir einerseits den Heiligen Geist bei den Versammlungen in Offb. 2; 3 stark im Vordergrund sehen, andererseits aber, nachdem in Offb 4 symbolisch von der Entrückung (eine im Himmel aufgetane Tür) die Rede war, Er in diesem Buch bis zum Ende kaum noch erwähnt wird.

 

2. Thessalonicher 2,8-10 1170

 

 Wenn das Zurückhaltende (V. 6)

und der Zurückhaltende (V. 7)

 von der Erde verschwunden sind, wird die Gesetzlosigkeit nichts Verborgenes mehr sein, das nur unter göttlicher Hemmung und Hinderung bedingt wirken kann.

 Nun werden die Schleusen des Bösen weit geöffnet werden, um das Herz des Menschen, von Gott ganz sich selbst überlassen,

deutlich an den Pranger zu stellen; und der Mensch nach der Wahl Satans wird in seiner furchtbaren Rolle geoffenbart werden.

Es ist uns bewusst, dass im Lauf der Jahre viele andere zurückhaltende Kräfte angeführt wurden, die die V. 6-7 erklären sollen.

 

Aber fast alle halten den oben erwähnten Kriterien nicht stand.

 Es gibt keine zwei anderen Kräfte, die allen erwähnten Anforderungen entsprechen.

 Was wir haben, ist Gott in Seiner eigenen Macht, der in Seinen eigenen geliebten Kindern wirkt, und zwar bis zu Seiner von Ihm selbst bestimmten Zeit.

 

5. Das Wirken Satans

 

(2,8-10) 8_»Und dann« bedeutet einen stark betonten Zeitpunkt und bezieht sich auf das »jetzt« (arti, jetzt gerade) in V. 7 und nicht auf das »jetzt« von V. 6.

 

 Es scheint anzudeuten, dass – kaum dass das Hindernis und der Hindernde aus dem Weg genommen sind

– sofort die Offenbarung »des Gesetzlosen« stattfinden wird.

Wir können nur staunen, wie jedes dieser zukünftigen Ereignisse seinen exakten Platz in Gottes Terminkalender hat;

 

 Gott ist souverän. »Der Gesetzlose« ist ein weiteres Beispiel wie manche Übersetzungen (Bruns, GN, Hoffnung, Luther ’84) nicht den ursprünglichen Wortlaut wiedergeben

und nicht konsequent das Wort »Gesetzlosigkeit« bzw. »gesetzlos« in V. 3.7-8 verwenden (Einh, Jerusalemer, Konkordante, MNT, Menge, Rev.Elberf, Wilckens und Zürcher

 übersetzen konsequent mit dem jeweils gleichen Ausdruck, meist »gesetzlos«).

 

 Das hier gebrauchte Wort anomos wird jedenfalls korrekt mit »der Gesetzlose« wiedergegeben und bezieht sich natürlich auf den Menschen der Gesetzlosigkeit.

Es ist interessant, dass dies die einzige Stelle im NT ist, wo das Wort in der Einzahl erscheint,

 was andeutet, dass dieser Mensch in sich selbst die Verkörperung der Gesetzlosigkeit ist.

 

Die bisher verborgen wirkende Sache ist nun in einem Menschen geoffenbart.

Die Wiederholung des Wortes »geoffenbart« betont das mit diesem Geschehen verbundene machtvolle, übernatürliche Wirken.

Den raschen Übergang von der Offenbarung dieser Person zu ihrer völligen Vernichtung sollten wir gut beachten,

denn er erinnert uns an die grundsätzliche Absicht Paulus’ mit diesem Brief.

 Es geht ihm nicht um einen prophetischen Abriss der abscheulichen Geschichte dieses Menschen:

Ja, seine Erwähnung geschieht eigentlich eher zwangsläufig und nebenbei.

 Das Ziel ist, die Heiligen zu ermutigen, indem ihnen die Absichten Gottes gezeigt werden, gegenüber denen keine Macht die Oberhand behalten kann.

 

Der Sieg ist ihnen sicher.

 Indem Paulus zeigt, dass die Entrückung (aufgrund derer er sie liebevoll anflehte, 2,1) ihr »Tag« sei, versucht er ihre glückselige Hoffnung wieder neu zu entfachen,

damit sie inmitten all ihrer Leiden gewiss wären, dass der »Tag des Herrn« solange nicht kommen könnte, wie sie hier auf der Erde seien.

 

 Und nicht nur das, sondern wenn auch nach ihrem Abscheiden, um allezeit beim Herrn zu sein, jener gefürchtete Tag kommen würde,

so bedeutete er keinen Schrecken mehr für sie.

 

Ganz im Gegenteil. Furchtbare Folgen würde es in der Tat geben – für ihre Verfolger; aber auf

 

1171 2. Thessalonicher 2,8-10

 

sie warteten

nur Ruhe von der Verfolgung,

Rechtfertigung,

öffentliche Rechtfertigung

und unbeschreibliche Herrlichkeit.

 

 All dies hing von der Frage ab, ob die Thessalonicher klar erfassen würden, dass der »Tag des Herrn«,

Gegenstand vieler Weissagungen (wie es die jüdischen falschen Lehrer deutlich herausstellten)

 im Blick auf Zeitpunkt und Zweck von der Entrückung (parousia) völlig verschieden war,

 die nicht der Gegenstand alttestamentlicher Weissagung, sondern neutestamentlicher Offenbarung war.

 

 Die Entrückung, und überhaupt die Gemeinde, haben keinen Platz in den Schriften des AT.

 

Die Entrückung würde sie aus dieser Welt – Szene herausnehmen und vor dem »kommenden Zorn« erretten (1Thes 1,10);

 der Zorn aber würde absolut sicher über die Erde kommen, sogar noch ehe diese geliebten Heiligen mit dem Herrn bei

Seinem Erscheinen in Macht und großer Herrlichkeit wiederkommen würden (2Thes 1,10).

 

 Wie frohmachend muss es deshalb für ihre verängstigten Herzen gewesen sein, wenn sie von der majestätischen Macht des Herrn bei Seinem Erscheinen lasen,

wenn Er den richtet, der jede böse gegen sie gerichtete Macht verkörpert,

 »den der Herr Jesus vernichten wird mit dem Hauch seines Mundes«  (so der Grundtext).

 

 Die ganze Passage ist voll von dem Gedanken der gemächlichen Majestät göttlicher Kontrolle und unendlicher Macht.

 Ja, was ist in der Tat schon der Mensch gegenüber »unserem Gott«?

Das Wort »verzehren« ist analôsei und »vernichten«, das wir oben vorgezogen haben, ist anelei; die Lesart ist unsicher.

 

 »Vernichten« wird zumeist von zuverlässigen Herausgebern vertreten, andererseits liest

 Dan 7,26 »zerstören«, ein stärkerer Ausdruck, der mehr in die Richtung von »verzehren« weist.

»Durch den Hauch seines Mundes« ist ein Zitat aus Jes 11,4; siehe auch Jes 30,33; Ps 33,6.

 

Die Worte zeigen die Leichtigkeit mit der der Herr Jesus mit dem fertig wird, der sich so über die Maßen gebrüstet hatte.

 Der Ausdruck illustriert den entscheidenden Urteilsspruch des Richters aus der Herrlichkeit und Macht Seiner heiligen Empörung heraus.

Es ist nicht der gleiche Gedanke wie das Schwert, das in Offb 19,15 aus Seinem Mund hervorgeht,

das Ihn als den mächtigen Krieger kennzeichnet.

 

Vielmehr wird hier von Seiner Macht in der schnellen Ausübung des Gerichts gesprochen.

 Es bestehen einige Zweifel im Blick auf das Textzeugnis für den Einschluss von »Jesus«; aber das geschieht nicht nur von den meisten Gelehrten,

sondern sein Platz hier ist auch sehr treffend. Gottes Mann, »geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz«,

der jedes einzelne Wort davon erfüllte, der im Namen Seines Vaters kam,

sich in gehorsamem Dienst dem Willen des Vaters unterwarf und jedes Angebot der Macht von Seiten Satans ablehnte,

richtet mit dem Hauch Seines Mundes mit vollkommener Leichtigkeit den, der Ihn vergeblich fälschlich nachzuahmen versuchte.

 

 »Vernichten« (katargeô)

sollte besser übersetzt werden mit »nutzlos, wirkungslos, unwirksam machen«; vgl. Röm 3,3; 4,14; 1Kor 1,28; Gal 3,17; Eph 2,15.

Es spricht nicht nur davon, dass dieser abscheuliche Frevler zunichte gemacht wird, sondern auch all das, was irgendwie mit ihm verbunden ist.

 »Durch die Erscheinung seiner Ankunft«, die epiphaneia Seiner parousia, das Ausstrahlen Seiner Gegenwart, ist ein Beispiel dafür,

wie parousia in Verbindung mit etwas anderem als der Entrückung gebraucht wird;

denn dies hier ist natürlich das Erscheinen des Herrn in Macht und großer Herrlichkeit. Epiphaneia ist das Ausstrahlen, Aufleuchten und wird

 

 2. Thessalonicher 2,8-10 1172

 

 gebraucht bezogen auf einen Monarchen, einen Gott, eine Militärmacht und den Herrn; siehe 1Tim 6,14; 2Tim 4,1.8; Tit 2,13.

 Es drückt den Glanz aus, der sich bei Seinem Kommen entfaltet,

obwohl der Gebrauch des Wortes immer auch den Gedanken der Plötzlichkeit des Ereignisses mit anzudeuten scheint.

 

Bei der Verwendung zusammen mit parousia, wie hier, spricht es von der herrlichen Offenbarung Seiner Gegenwart.

 

Der Gebrauch dieser beiden Wörter, von denen jedes auch an anderer Stelle für Sein Kommen verwendet wird, soll dieses Geschehnis in Kontrast zur Entrückung setzen.

Die Entrückung ist für die Welt unsichtbar; wenn Er aber zum Gericht kommt, wird es allen offenbar sein.

 

 »Epiphanie«, sagt Bloomfield, »wird sowohl in der Schrift wie auch bei den Klassikern zum Ausdruck göttlicher Majestät gebraucht«.

 

 Und Bengel vertritt den gewichtigen Gedanken, dass das Wort die »erste Morgendämmerung« Seiner Erscheinung deutlich macht,

 den Augenblick unmittelbar vor Seiner tatsächlichen Gegenwart auf der Erde, ähnlich wie das erste Licht der Morgendämmerung zeigt,

 dass der Tag angebrochen ist, obwohl er als noch kommend betrachtet wird.

 Dieser Gedanke intensiviert die feierliche Majestät des beschriebenen Geschehens, denn schon der erste Bruchteil Seiner Erscheinung vernichtet den Gesetzlosen.

 

9_Nachdem nun die Heiligen in der Sicherheit ihrer Stellung in diesen Dingen befestigt und die Leichtigkeit beschrieben wurde, mit der der Mensch der Gesetzlosigkeit weggetan werden wird,

fährt Paulus mit einigen Einzelheiten über ihn fort. »Ihn« wurde von Elberf nur der Verbindung halber eingefügt, es steht nicht im Grundtext.

 

 »Dessen« bezieht sich auf »den« von V. 8, also auf den Gesetzlosen;

 »Ankunft« (parousia) ist mehr die Gegenwart als der Prozess der Ankunft.

 

 Wie grauenvoll ist der Gedanke bei der Verwendung dieses Wortes, ebenso wie des Ausdrucks »geoffenbart«, für den Menschen der Gesetzlosigkeit.

Er zeigt, dass Satan »seinen Mann« im Nachäffen des Kommens Christi einführen wird.

Dies kennzeichnet das Ereignis als ebenso bedeutsam für alle Bosheit und Ungerechtigkeit, wie es das Kommen des Herrn für die heiligen Ratschlüsse Gottes ist.

 

 »Ist« deutet hier nicht ein Ereignis an, das bereits geschehen ist, wie der obige Kontext zeigt, sondern ist vielmehr eine Aussage über das moralische Prinzip, das in dieser Weissagung zum Tragen kommt.

 

Wie Alford sagt, geht es nicht darum, dass der Apostel seine Gedanken auf den prophetischen Zeitpunkt projiziert,

 wenn das Ereignis stattfinden wird, sondern auf den grundsätzlichen Charakterzug, der darin zum Tragen kommt, nämlich das Wirken satanischer Macht.

 »Wirksamkeit« (energeia, woher wir unser Wort »Energie« ableiten) wird in der Schrift für Macht in Aktion verwendet, besonders göttliche Macht;

siehe Eph 1,19-20; 3,7; 4,16; Phil 3,21; Kol 1,21.

 

 Hier ist es die Wirksamkeit »Satans«. So ist der Gedanke hier also der, dass die »Ankunft« oder »Gegenwart« dieses Mannes von der Art ist,

wie man sie von der Wirksamkeit satanischer Macht erwarten kann.

 

Der folgende Ausdruck »in« (en, in, mit oder durch) aller (jeder Art von) Macht und Zeichen und Wundern der Lüge (pseudos, Lüge, Falschheit, Betrug),

 beschreibt das Wesen dieser Wirksamkeit.

 

 Obwohl »Macht« in der Einzahl und »Zeichen« und »Wunder« in der Mehrzahl stehen, gibt es grammatikalisch keinen Einwand,

 warum »Lüge« (oder »Falschheit«) nicht mit allen drei Ausdrücken verbunden werden könnte; aber es ist besser,

die Macht Satans als real an-

 

1173 2. Thessalonicher 2,8-10

 

 zusehen (also nicht »Macht der Lüge«), und »Lüge« nur auf Zeichen und Wunder zu beziehen. So wird also geoffenbart, dass Satan nicht nur hinter diesem Gesetzlosen steht,

 sondern auch die Quelle all seiner betrügerischen Fähigkeiten ist.

 Es ist beachtenswert, dass er Mittel verwendet, die in Hebr 2,4 Christus und in Röm 15,19 den Jüngern zugeschrieben werden.

 

 In Apg 2,22 werden Machttaten, Zeichen und Wunder mit dem Erweis Christi als Messias durch Gott in Verbindung gebracht.

 Siehe auch Mt 24,24 wo der Herr Jesus diese Dinge als Kennzeichen falscher Christi nennt.

 

 Macht (dynamis) drückt die übermenschliche Quelle aus,

 »Zeichen« den Zweck ihrer Entfaltung

und »Wunder« die Auswirkung auf den Betrachter, der überzeugt wird, dass er Zeuge von etwas Unerklärlichem geworden ist.

 

 Satan ist ein Nachahmer.

Er versucht die Ratschlüsse Gottes zu verfälschen, denn als Lügner kann er keine Wahrheit einführen; deshalb versucht er sie zu kopieren und sie durch Lügen zu verzerren und verderben.

 

Gottes Ratschlüsse sind zusammengefasst in einem Menschen, wenn auch in einem einzigartigen Menschen, deshalb versucht Satan das gleiche.

Bei seiner Begierde, Gott zu ersetzen und sich selbst weltweit verehren zu lassen, handelt er durch einen Menschen,

den Menschen der Gesetzlosigkeit, den Antichristen, das zweite Tier von Offb 13.

 Es gibt kein besseres Operationsfeld als die verderbte Religion, in welcher das Geheimnis der Gesetzlosigkeit sich jetzt voll entfaltet hat.

10_Der Gedanke von V. 8-9 wird weitergeführt: »und in allem Betrug der Ungerechtigkeit.« Jede Art von Betrug, der seine Quelle in der Ungerechtigkeit hat

 und deshalb seinen Charakter davon ableitet (d.h. von dem Betrüger, der vom Garten Eden an die Menschen mit seiner Falschheit gefangenzunehmen suchte),

alle Heimtücke, Verschlagenheit und List des Erzbetrügers wird ohne Skrupel angewandt.

 

Obwohl der Ausdruck »aller Betrug der Ungerechtigkeit« allumfassend ist, weist er doch in ganz besonderer Weise auf die Aktivitäten

des zweiten Tieres in Offb 13,14-18 hin im Blick auf das redende, atmende Bild und das Malzeichen 666.

 Der Grundton all dieser Aktivitäten ist, wie immer bei der Wirksamkeit Satans, Falschheit und Betrug.

 

Beachten wir, wie diese betrügerischen satanischen Mittel ihre Wirksamkeit entfalten »in denen (oder ’für die’), die verloren gehen«,

die fortlaufende Zeitform der Gegenwart, ebenso wie 1Kor 1,18-20 (siehe dort), sie befinden sich bereits auf festem Kurs ins Verderben,

 »darum dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen«

 (die Zeitform der Vergangenheit verweist auf die Zeit Seines Erscheinens) »damit sie errettet würden« (vgl. 1Kor 16,22).

 

 Um die grauenvolle Bedeutung dieser ganzen Aussage zu erfassen, müssen »die, die verloren gehen« als Klasse für sich als der Gegenstand der Wirksamkeit Satans (V. 9)

 und der Gesetzlosen als Instrument dazu gesehen werden.

Die Verlorengehenden sind keine »armen Betrogenen«, denn sie haben eine bewusste Entscheidung getroffen und die Wahrheit (im Blick auf die Errettung) verworfen.

Stellen wir dies 1Thes 2,13 gegenüber, denn die Bedeutung hier ist, dass sie die Wahrheit nicht aufnahmen, wie ein Gastgeber einen erwünschten Gast willkommen heißen würde;

 dies nämlich ist der Sinn von dechomai (jemand freundlich, zuvorkommend, erwartungsvoll aufnehmen, jemand bewusst einladen).

 Sie »nahmen« auch etwas »freudig auf«, aber nicht das Wort Gottes; sie haben eine andere Wahl

 

 2. Thessalonicher 2,11-12 1174

 

getroffen, und das willentlich und endgültig, und haben den Vorspiegelungen des Verführers nachgegeben.

 

 Sie sind von Gott Abgefallene ebenso wie der Sohn des Verderbens, der mit ihnen umkommen wird, ebenso die Ablehner der Wahrheit;

für sie gilt auch das Urteil von Joh 8,44.

Die Wahrheit kam, wurde ihnen angeboten, und sie haben sie verworfen, sie wollten stattdessen lieber den Lüsten ihres Vaters, des Teufels, frönen.

 

Es sind solche wie in Mt 13,15, wo das Wort »bekehren« oder »umkehren« (Interlinear, MNT) andeutet,

 dass sie sich von einmal gekannter Wahrheit abgekehrt haben.

 

 Sie haben die Wahrheit verworfen, ja sogar die Wahrheit in Person, und haben die Lüge in Person freudig willkommen geheißen.

 Sie haben das Licht verworfen und die Finsternis vorgezogen; sie haben Gott abgelehnt und sich für Satan entschieden;

sie haben Christus verachtet und beugen sich jetzt vor dem Antichristus.

 

Das sind diejenigen, die »Gott nicht kennen und dem Evangelium nicht gehorchen« (1,8),

 und »vollständige Vergeltung« erfahren werden.

 

Unsere Haltung zur Wahrheit zeigt, wer wir sind, und entscheidet damit über unser letztendliches Schicksal als errettet oder verloren.

 

 Wir können nicht sowohl die Wahrheit als auch die Falschheit lieben, und weil die Wahrheit oft verwundet,

 züchtigt, demütigt, neigt sich das Fleisch dem scheinbar bequemeren Pfad zu, aber dies ist ein Weg voller Fallgruben des Teufels.

 

 Das Wort »darum dass« (anth’ hôn), mit der Bedeutung »anstelle von, als Vergeltung für etwas« ist äußerst lehrreich.

 

 Es verweist nicht nur auf den Grund für ihren Zustand, sondern auch durch die schriftgemäße Verwendung auf den Grundsatz gerechter Vergeltung.

 

 Eine ähnliche Verwendung des Ausdrucks finden wir in Apg 12,23, wo Gott Herodes mit tödlicher Krankheit schlägt,

»darum dass« (anth’ hôn) er nicht Gott die Ehre gab.

 

Wie wir säen, so ernten wir. »Die Liebe zur Wahrheit« ist ein einzigartiger Ausdruck im NT und kennzeichnet den Unterschied zwischen voller

Annahme des Evangeliums und bloßer, verstandesmäßiger Zustimmung.

 

Die, »die verloren gehen«, taten weder das eine noch das andere.

 

6. Die Ergebnisse – jetzt und dann am Ende (2,11-12) 11_Der Apostel setzt nun seine Schilderung fort und beschreibt den »Lohn« derer,

die sich willentlich haben betrügen lassen.

»Und deshalb« (oder »aus diesem Grund«), d.h. weil sie die Liebe zur Wahrheit, zu ihrer Errettung, nicht angenommen haben,

 weil sie Gott verworfen,

Christus verworfen,

das Kreuz ignoriert haben,

 taub geblieben sind gegenüber dem Evangelium der Gnade Gottes und,

 wie das Volk Israel, »diesen Menschen« nicht haben wollten, sondern einen anderen erwählten,

willkommen hießen, vorzogen, deswegen

»sendet ihnen Gott« (beachten wir wieder das Präsens in Verbindung mit »denen, die verloren gehen«)

 eine »wirksame Kraft« (energeia, das gleiche Wort wie »Wirksamkeit« in V. 9) des Irrwahns.

 

Das Zeitwort, obwohl im Präsens, verweist nicht auf eine gegenwärtig ablaufende Handlung,

 sondern spricht von der moralischen Konsequenz als grundlegendes Prinzip des Handelns Gottes, wie zu allen Zeiten.

Es ist nicht so, dass Gott dies (die Kraft des Irrwahns) zulässt, sondern dass Er angesichts ihrer Ablehnung der Gnade moralisch handelt,

 indem er sie sendet. »Ihnen« bezieht sich auf die »Verlorengehenden«, und es ist wichtig zu beachten,

 dass dies ihre endgültige Klassifikation ist.

 Sie haben die Liebe

 

1175 2. Thessalonicher 2,11-12

 

 zur Wahrheit abgelehnt, und in Konsequenz dieser Tatsache handelt Gott.

 Gottes »Senden« wird bestimmt durch ihr »Nichtannehmen« (Joh 12,36-50 ist ein ernster Kommentar zu diesem Umstand).

 Gott verführt sie nicht in einen bestimmten Zustand, sondern handelt aufgrund ihres Zustands und gibt ihnen als ihr Teil das,

was sie ohnehin erwählt haben, wenn Er auch zugelassen hat, dass sie sich eine Zeitlang daran erfreuten.

 

 Dieses göttliche Prinzip sehen wir in der Geschichte Israels; es ist das Thema von Röm 1.

Die Sünde selbst bringt ihr eigenes Gericht mit sich und auch das letztendliche Gericht über sie im Tod.

Gott lässt sich nicht spotten; es ist die Sünde, die ihren Spott mit den Sündern treibt.

Das ist nicht der letzte gerichtliche Akt Gottes, er geschieht aber im Hinblick auf diesen;

 als Sünder sind sie »schon gerichtet«, aber das Gericht »nach ihren Werken« (Offb 20,12) steht noch aus.

 

So erlegt Gott ihnen also die moralische Konsequenz ihres Zustands auf im Blick auf jene letzte endgültige Verdammung.

 

Albrecht (»lässt Gott Verführung über sie kommen«), Einh (»lässt Gott sie der Macht des Irrtums verfallen«),

Hoffnung (»überlässt sie Gott ihrem Irrtum«) gehen am eigentlichen Punkt vorbei,

denn – wie auch Alford sagt – hat der Grundtext nicht diese passive Bedeutung, sondern spricht von der aktiven Ursache: »sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft (gleiches Wort wie

 V. 9) des Irrwahns« (Elberf, vgl. Bruns, Interlinear, Jerusalemer, Konkordante, Luther ’12, ’56, ’84, Menge, MNT, Rev.Elberf, Schlachter, Wilckens, Zürcher, Zink).

 

 Die Position des Menschen ist, dass die Sünde ihn von Gott getrennt hat; er lebt in Feindschaft mit Gott, ist unter Gericht und verdammt zu ewiger Verlorenheit.

 

Nur Gnade, Gnade aus dem liebenden Herzen Gottes, Gnade und Liebe, ausgedrückt im Opfertod des geliebten Sohnes Gottes,

können die Kluft überbrücken,

so dass der Mensch in seinem grauenvollen Zustand mit Gott versöhnt werden kann,

und nicht nur versöhnt,

sondern auch gerechtfertigt und – was unser Begriffsvermögen völlig übersteigt – verherrlicht,

 zu Söhnen gemacht,

angenehm gemacht in dem Geliebten.

 

Dies haben die »Verlorengehenden« (Interlinear) abgelehnt. Das ist mehr als ein Missbrauch der Gnade Gottes;

es ist ihre aktive Verwerfung und die bewusste Entscheidung für etwas anderes.

 

 In diesem verfestigten Zustand bringt der Mensch letztendlich gerichtliche Konsequenzen seines selbstgewählten Kurses über sich

 und besiegelt dadurch das Resultat seiner eigenen Machenschaften.

 

Er weist das Licht zurück und wählt die Finsternis; nun, er wird Finsternis bekommen.

Er verhärtet sein Herz, verhärtet wird es werden.

Er lehnt die Liebe zur Wahrheit ab, so wird er den Lügengeist aufnehmen und die letzte und furchtbarste Lüge des Götzendienstes

 willkommen heißen und den Mann der Gesetzlosigkeit anbeten.

 

 Er hat das ewige Leben verachtet;

ewigen Tod wird er dafür bekommen.

 

Der Abgefallene, derjenige, der sich bewusst von Gott abkehrt, hat keinen Weg zurück; sein Schicksal wurde besiegelt,

zuerst von ihm selbst, und dann, als Folge davon, von Gott. Der Gedanke ist zu grauenvoll, um darüber nachzudenken,

 aber die Sünde des Menschen und darüber hinaus auch die Gerechtigkeit Gottes erfordern es.

 

Gottes Heiligkeit kann nicht ungestraft herausgefordert noch Seine Gnade und Liebe missbraucht,

geschweige denn direkt verworfen werden, ohne das furchtbare Urteil auf sich zu ziehen, das darauf folgt.

 »Mit dem Ziel, dass sie glauben«,

so die wörtliche Übersetzung (eis to pisteusai), zeigt das Objekt des Glaubens, nämlich

 

2. Thessalonicher 2,11-12 1176

 

»die Lüge« (beachten wir den bestimmten Artikel!).

 Die Lüge ist hier nicht Falschheit im allgemeinen Sinn, sondern spricht hier, wie in der verwandten Stelle in Röm 1,25 vom Götzendienst.

Hier ist es jedoch noch konkreter im letztendlichen Sinn der Götze, auf den aller Götzendienst hingewiesen hat,

 nämlich der Mensch, der nach seiner totalen Verwerfung Gottes (beachten wir den Abstieg in Röm 1 von

 »vertauscht« – êllaxan, V. 23 – zu »völlig ausgetauscht« – metêllaxan, V. 25) den Menschen als Gott anbetet.

 

 Es ist nicht unbegründet, in dem Ausdruck »die Lüge« den Antichristen als deren Verkörperung zu sehen,

im Gegensatz zum Herrn Jesus als die fleischgewordene »Wahrheit«.

 Das ist die furchtbare Bedeutung von

»darum dass« in V. 10. Diese Menschen in ihrer selbstgewählten Klasse als »die Verlorengehenden« werden, da sie die Liebe zur Wahrheit nicht

 (als willkommenen Gast) aufgenommen haben, als Gericht dem Ergebnis der Wirksamkeit ihres eigenen Irrwahns übergeben, mit dem Ziel, dass sie dem Gipfel der Lüge glauben.

 

Sie haben Gottes Christus verworfen; jetzt werden sie dahingegeben, den Antichristus des Teufels zu empfangen.

 

 

 Beachten wir die »Wirksamkeit«, die »Energie« der Gesetzlosigkeit (V. 7), Satans (V. 9), und Gottes (V. 11).

Es ist jeweils das gleiche Wort energeomai bzw. energeia, Kraft in Aktion; vgl. in 1Thes 2,13 das »Wirken« des »wahrhaftigen« Wortes Gottes.

12_»Auf dass« (hina) deutet hin auf die moralische Konsequenz, nämlich »sie gerichtet werden« (krinô, vom gleichen Wortstamm wie »Gericht« in 1,5).

 Das Ergebnis ist, dass sie verdammt werden, diejenigen, die in ihrem Leben die »Verlorengehenden« waren, müssen im Tod gerichtet und verdammt werden.

Es ist ernst, in dieser Handlung Gottes zu sehen, wie er eben das Wirken Satans (V. 9-10) seine eigene schreckliche Frucht im Gericht hervorbringen lässt.

Satans Wirken in den Menschen veranlasst sie, Hals über Kopf zum letztendlichen Gericht über ihre Sünde zu stürzen, wie wir es im Fall von Judas Iskariot sehen.

 In »die der Wahrheit nicht geglaubt haben« gebraucht Paulus eine für ihn ungewöhnliche Konstruktion;

es ist nicht eis mit dem Akkusativ, was »sein Vertrauen setzen auf« bedeuten würde, sondern die Verneinung mit dem Dativ.

 

Dadurch wirkt die Aussage viel stärker als ein bloßes »sie vertrauten nicht auf« sondern weist auf eine Weigerung, die Wahrheit in ihrer Gesamtheit anzunehmen.

Sie haben die Wahrheit Gottes direkt verworfen.

Aber mehr noch, sie haben sogar »Wohlgefallen gefunden an der Ungerechtigkeit«.

 

 In 1Thes 2,8 wird das Wort mit »gefiel es uns wohl« übersetzt; es könnte noch stärker übersetzt werden mit »wir waren hocherfreut«, »wir waren begeistert«.

Wieder haben wir ein Wort, das nur in dieser Stelle negativ gebraucht wird, denn sonst wird »Wohlgefallen« immer im guten Sinn verwendet;

 ausschließlich hier bezieht es sich auf Ungerechtigkeit (vgl. 2Tim 3,4).

 

 Diese »Verlorengehenden« haben nicht nur die Wahrheit Gottes als wahr abgelehnt,

 sondern haben sich auch mit bewusster Entscheidung an der Ungerechtigkeit erfreut. Vgl. mit Röm 1,28-32 im Gegensatz zu 1.Kor. 13,6.

 

Die Schrift stellt die Wahrheit der Ungerechtigkeit gegenüber; siehe Röm 2,8; 1Kor 13,6; Tit 3,3-5.

Wir können in diesem Gegensatz die Abhängigkeit gerechten Verhaltens von der Annahme der Wahrheit erkennen, und dass es dabei keine neutrale Zone gibt.

Diese Menschen, Abgefallene, die dem Licht ihren Rücken zugewandt haben,

 

 1177 2. Thessalonicher 2,13-14

 

erfreuen sich am Reich der Finsternis; da sie die Gerechtigkeit verlacht haben, finden sie ihr Vergnügen in allem, was Gott entgegengesetzt ist;

 da sie Gott aktiv und willentlich verworfen haben, genießen sie die Gemeinschaft des Teufels.

 Das ist ihr willentlicher Zustand, die bewusste Wahl derer, die – und das endgültig – als »die Verlorengehenden« klassifiziert werden,

 und dieser Zustand ist nicht das Ergebnis des Handelns Gottes gegen sie, sondern seine Ursache.

 Das Herz des Menschen offenbarte den Menschen als getrennt von der Wahrheit, aber unter dem Blitzstrahl ihres Gerichts.