III. Richtigstellung der eschatologischen
Irrtümer in der Gemeinde
( 2,1 - 12 )
Der zweite, entscheidende Teil des 2.
Thessalonicherbriefes enthält Aussagen, wie sie sonst an keiner
Stelle in der Bibel zu finden sind. Sie enthalten den Schlüssel
zum Verständnis der zukünftigen Ereignisse, die die Christenheit
erleben wird. Paulus befaßt sich hier mit einer Irrlehre im
Zusammenhang mit der Eschatologie (der Lehre von den letzten
Dingen), die in der thessalonischen Gemeinde aufgekommen war. Im
zweiten Kapitel geht er zunächst auf den theologischen Aspekt
dieser Irrlehre ein und setzt sich dann im dritten Kapitel mit
praktischen Problemen in der Gemeinde auseinander, die aus
diesem Irrtum heraus entstanden waren.
A. Der Anbruch des Tages des Herrn
( 2,1-5 ) Paulus hatte den Thessalonichern
schon vom "Tag des Herrn", wie er im Alten Testament beschrieben
ist, erzählt, als er bei ihnen war. Dieser "Tag des Gerichts"
spielt in den alttestamentlichen Texten eine wichtige Rolle als
die Zeit, in der Gott in direkterer und drastischerer Weise als
je zuvor seine Strafe und seinen Segen über die Menschen
ausgießen wird (vgl. Jes 13,6.9; Zeph 1,14-16 ). Aus weiteren
Offenbarungen im Neuen Testament, die diese Zeitperiode
betreffen, wird geschlossen, daß sie nach der Entrückung der
Kirche einsetzen wird und die Zeit der großen Trübsal und das
Tausendjährige Reich umfaßt.
In seinem ersten Brief an die
Thessalonicher hatte Paulus der Gemeinde geschrieben, daß der
Tag des Herrn kommen werde "wie ein Dieb in der Nacht" ( 1Thes
5,2 ). Dieser Gedanke machte seinen Lesern offensichtlich zu
schaffen. Es hat den Anschein, als ob einige von ihnen daraufhin
dachten, der Tag des Herrn sei bereits gekommen. Immerhin
schienen die Verfolgungen, denen sie ausgesetzt waren, ganz zu
dem zu passen, was die Propheten des Alten Testaments über die
großen Bedrängnisse gesagt hatten, die am Tag des Herrn über das
Gottesvolk und die ganze Welt hereinbrechen werden. Offenbar
hatten gewisse andere Lehrer die Thessalonicher noch in dieser
Ansicht bestärkt. Doch nun stellte sich für sie die Frage, wie
dann Paulus' frühere Aussage, daß sie entrückt und dem Zorn
Gottes entzogen würden, wahr sein konnte. Um diesen irrigen
Meinungen entgegenzutreten, geht der Apostel hier nochmals
ausführlich auf die ganze Frage ein ( 2Thes 2,1-5 ).
2Thes 2,1 Durch seine Ausführungen zum
Kommen Christi ( 2Thes 1,5-10 ) waren die Gedanken seiner Leser
schon auf das Thema eingestimmt, auf das er nun detaillierter zu
sprechen kommt. Das "Kommen ( parousias ) unseres Herrn Jesus
Christus ... und unsere Vereinigung mit ihm" bezieht sich auf
die Entrückung. Wieder spricht Paulus seine Leser in warmem,
herzlichem Ton an und macht ganz deutlich, daß er sie als seine
Brüder und Schwestern im Glauben empfindet, die er in seiner
brüderlichen Sorge und Liebe fast mehr noch "beschwört" als
"bittet" ( erOtOmen ), auf dem rechten Weg zu bleiben. Daß
Paulus hier den vollen Titel des Gottessohnes - "unser Herr
Jesus Christus" - gebraucht, unterstreicht den Ernst und die
Feierlichkeit seines Anliegens.
2Thes 2,2 Der Apostel warnt seine Leser
eindringlich davor, sich die Irrlehren, die unter ihnen im
Umlauf sind, ihr geistliches Gleichgewicht durcheinanderbringen
und sie ängstigen, zu eigen zu machen. Anscheinend wurde die
Parole, daß der Tag des Herrn schon da sei, auf ganz
verschiedene Weise (durch Weissagung, Wort, Brief ) vermittelt,
was die Thessalonicher noch stärker dazu bewog, sie als
autoritativ zu betrachten. Einige behaupteten sogar, diese Lehre
sei ihnen vom Herrn selbst offenbart worden. Andere gaben nur
das wieder, was sie selbst von anderen gehört hatten, und zu
alledem erhielten die Thessalonicher einen Brief, der angeblich
von Paulus stammte und denselben Irrtum vertrat (vgl. 2Thes 3,17
). Angesichts so vieler Einflüsse ist es kein Wunder, daß die
noch junge Gemeinde in ihren Überzeugungen erschüttert war.
Der Kern der irreführenden Botschaft, die
von diesen ganz verschiedenen Quellen verbreitet wurde, war, daß
der Tag des Herrn bereits angebrochen sei und die Thessalonicher
sich mitten darin befänden. Wenn dies tatsächlich der Fall war,
so fragten sich die Gläubigen, wie hatte Paulus dann behaupten
können, daß die Wiederkunft des Herrn dem Tag des Herrn vor sich
gehe ( 1Thes 1,10 )? Und was war von den Versprechungen zu
halten, daß sie Gottes Zorn nicht sehen würden ( 1Thes 1,10;5,9
)? Paulus hatte sie gelehrt, daß die Kirche vor der Zeit der
großen Trübsal entrückt würde. Die Verwirrung in der Gemeinde
war nun darauf zurückzuführen, daß sie keinen Unterschied
zwischen ihren gegenwärtigen Bedrängnissen und denen, die für
den Tag des Herrn prophezeit waren, sehen konnten.
2Thes 2,3 Nachdem Paulus die falsche Lehre
und die Quellen, denen sie entstammte, kenntlich gemacht hat,
warnt er seine Leser nochmals nachdrücklich davor, sich täuschen
zu lassen. Die Thessalonicher sollen sich durch keinen Menschen
irreführen lassen, ganz gleich, wie glaubwürdig er auftreten mag
oder wie gut er seine Lehre "verkauft", indem er die Autorität
Gottes oder gottesfürchtiger Männer für sich in Anspruch nimmt.
Christen, die neu im Glauben sind, neigen natürlicherweise zu
einer gewissen Leichtgläubigkeit, weil sie noch nicht fest in
der Wahrheit des Gotteswortes verwurzelt sind (vgl. Eph 4,14 ).
Doch auch erfahrene Christen sind nicht gegen die Verblendung
durch eine beeindruckende Persönlichkeit oder ein spektakuläres
Auftreten gefeit. Das beste Gegengift gegen einen solchen
vergiftenden Einfluß ist eine starke Dosis Wahrheit, wie sie
Paulus der Gemeinde in Thessalonich im folgenden verabreicht.
Er spricht von drei Ereignissen, die auf
jeden Fall vor dem Gericht am Tage des Herrn eintreten müssen:
1.) der Abfall ( 2Thes 2,3 ),
2.) das Offenbarwerden des Menschen der
Bosheit (V. 3-4.8 )
3.) und das Wegfallen aller Schranken gegen
die Bosheit (V. 6-7 ).
(Dies ist nicht unbedingt die genaue
chronologische Reihenfolge der drei Vorgänge; vgl. den Kommentar
zu den Versen 3.7 .)
[
Ein Ereignis von großer Wichtigkeit ist der
Abfall ( hE apostasia , daher der Begriff "Apostasie"), die
Auflehnung gegen eine zuvor vertretene Überzeugung und deren
Verwerfung.
Dieser Abfall, der innerhalb der Kirche
stattfinden wird, wird eine Abkehr von der Wahrheit mit sich
bringen,
die Gott in seinem Wort offenbart hat.
Es ist zwar richtig, daß es in der Kirche
von Anbeginn an immer wieder zu derartigen Gegenbewegungen
gekommen ist,
doch Paulus bezieht sich hier auf eine ganz
bestimmte, noch in der Zukunft liegende Apostasie,
die sich deutlich von allen vorherigen
abhebt (vgl.
1Tim 4,1-3; 2Tim 3,1-5;4,3-4; 2Pet
2;3,3-6; Jak 5,1-8; Jud) und von der er der thessalonischen
Gemeinde bereits bei seinem Aufenthalt in Thessalonich erzählte
( 2Thes 2,5 ).
Manche Exegeten sehen in der "Abkehr", von
der der Apostel hier spricht, einen Hinweis auf die Entrückung
der Kirche
(z. B. E. Schuyler English, Rethinking the
Rapture , New York 1954, S. 67 - 71),
doch das ist eher unwahrscheinlich, und D.
Edmond Hiebert widerlegt denn auch die These, daß sich apostasia
an dieser Stelle auf die Entrückung bezieht ( The Thessalonian
Epistles , S. 306).
Andere Bibelforscher sind der Ansicht, daß
dieser Abfall (von Paulus "der" Abfall genannt) darin bestehen
wird, daß die Menschen sich von der göttlichen Wahrheit
ab- und dem Antichristen zuwenden,
der sich im Tempel Gottes niederlassen und
als Gott ausgeben wird (V. 4 ).
Wenn das stimmt, dann findet das Gericht in
der zweiten Hälfte der sieben Jahre, die dem zweiten Advent
Christi vorangehen, statt.
Ein weiteres Ereignis, das vor dem Tag des
Herrn stattfinden muß, ist das Offenbarwerden "des Menschen der
Bosheit" ( ho anthrOpos tEs anomias ).
Die Verbform "muß ... offenbart werden"
zeigt an, daß es sich dabei um einen konkreten Vorgang handelt,
der zu einer ganz bestimmten Zeit in der Geschichte ablaufen
wird (vgl. V. 6.8 ).
Dieses Wesen wird ganz und gar durch
"Bosheit" (oder "Sünde", wie manche Übersetzungen schreiben)
gekennzeichnet sein.
Es wird auch als "der Sohn des Verderbens"
bezeichnet. Sein zerstörerischer Auftrag ist das Gegenstück zur
Erlösung - eine immerwährende Qual der Menschen.
Möglicherweise wird der "Mensch der
Bosheit" von einigen bereits dann erkannt werden, wenn er zu
Beginn der siebzigsten Woche Daniels (vgl. Dan 9,27 a) einen
Bund mit Israel schließt;
doch wenn er diesen Bund dreieinhalb Jahre
später ( Dan 9,27 b) bricht, wird auf jeden Fall offen zutage
liegen,
wer er wirklich ist (Charles C. Ryrie,
First and Second Thessalonians , S. 104).
Wahrscheinlich meint Paulus diesen späteren
Zeitpunkt, wenn er vom Offenbarwerden des "Menschen der Bosheit"
redet.
2Thes 2,4 "Der Sohn des Verderbens" ist der
Widersacher Gottes und wird versuchen, den Gottesdienst des
wahren Gottes - und aller falschen Götter - durch die Verehrung
seiner selbst zu ersetzen, indem er vorgibt, er sei Gott .
"Das Tier" wird keinen Gottesdienst als
seinen eigenen dulden (vgl. Offb 13,5-8 ).
Es wird sich auf Gottes Thron im inneren
Heiligtum des Tempels Gottes setzen.
Damit könnte ein wirklicher Tempel gemeint
sein, wie die frühen Kirchenväter und verschiedene moderne
Ausleger glauben.
Nach Ansicht anderer Exegeten ist dies
jedoch eine bildliche Anspielung darauf, daß der Widersacher
Gottes das Allerheiligste in der menschlichen Gottesverehrung,
das rechtmäßig nur Gott gehört,
für sich in Besitz nehmen wird. In der
Offenbarung des Johannes wird der Widersacher auch als "das Tier
aus dem Meer" ( Offb 13,1-10 ),
als "scharlachrotes Tier" ( Offb 17,3 )
oder einfach als "das Tier" ( Offb
17,8.16;19,19-20;20,10 ) bezeichnet.
Er ist der "Antichrist" ( 1Joh 2,18 ), ein
Pseudochristus, der dem Erlöser feindlich gegenübersteht.
Es handelt sich bei ihm jedoch um einen
wirklichen Menschen,
nicht etwa um ein Prinzip, ein
Herrschaftssystem oder eine Dynastie.
Bis jetzt ist eine solche Gestalt noch
nicht auf der Bühne der Menschheitsgeschichte erschienen.
2Thes 2,5 Für die Thessalonicher war das
hier Gesagte nicht neu;
Paulus hatte sie schon bei seinem Besuch in
der Stadt mit diesen Vorstellungen vertraut gemacht und ruft sie
ihnen nun wieder ins Gedächtnis.
Er weist dabei - zum ersten Mal im 2.
Thessalonicherbrief - explizit darauf hin, daß er ganz
persönlich (Singular) die Gemeinde in diesen Dingen unterwiesen
hat,
und unterstreicht damit die Wahrhaftigkeit
seiner Botschaft, denn er war in Thessalonich der Wortführer der
Missionare gewesen.
Offensichtlich erachtete der Apostel
prophetische Wahrheiten wie die Vision des Antichristen
keineswegs als zu tiefschürfend,
unwichtig oder widersprüchlich für die
neubekehrten Christen. Für ihn waren sie ein wichtiger Teil des
göttlichen Ratschlusses, den er ohne Zögern oder Abschwächung an
die Gemeinde weitergab.
B. Das Geheimnis der Bosheit
( 2,6 - 12 ) In Fortführung seiner
Richtigstellung geht der Apostel nochmals genauer auf den
"Menschen der Bosheit" und auf die Entfernung jener Instanz, die
die Bosheit momentan noch teilweise zurückhält, ein.
Die "Bosheit" bildet das zentrale Thema
dieses ganzen Briefabschnittes. Das Entfallen aller die Bosheit
eindämmenden Schranken ist ein drittes Geschehen, das vor dem
Anbruch des Tages des Herrn eintreten muß.
2Thes 2,6 Das Wörtchen "und" ( kai ) wirkt
als Bindeglied, das das Vorherige mit dem Folgenden verbindet.
Nach Paulus wissen die Thessalonicher, welche Macht das
Offenbarwerden des "Menschen der Bosheit" verhindert, er selbst
geht hier nicht näher darauf ein. Möglicherweise hatte er die
Gläubigen bei seinem Aufenthalt in Thessalonich darüber
unterrichtet. Jemand oder etwas sorgt dafür, daß die Bosheit
nicht überhandnehmen kann, und zwar zum Teil, damit der "Mensch
der Bosheit" nicht zu früh in Erscheinung tritt.
2Thes 2,7 Dieser Vers ist eine Erklärung
und Erweiterung von Vers 6 .
Paulus erinnert seine Leser daran, daß sich
das Geheimnis der Bosheit schon regt .
Dieses "Geheimnis" ( mystErion ) ist eines
der Geheimnisse des Neuen Testamentes ( Röm 16,25; 1Kor 2,6-12;
Eph 1,9;3,3-5; Kol 1,25-27 ).
Ein solches "Mysterium" ist immer eine
neue Wahrheit, die den Menschen bis zu ihrer Enthüllung in der
gegenwärtigen Zeit verschlossen war.
Im vorliegenden Fall ist es die Offenbarung
einer in der Zukunft liegenden Übersteigerung der Bosheit in der
Welt.
Damals wie heute war und ist eine von Satan
gelenkte Gegenströmung gegen das göttliche Gesetz wirksam.
Doch diese Gegenströmung wird noch
zurückgehalten,
bis schließlich der Zeitpunkt für das
Offenbarwerden des "Menschen der Bosheit" und die letzte Klimax
der Bosheit gekommen ist.
Wer oder was hält diese satanischen
Bestrebungen gegen das Gesetz Gottes und damit das
Offenbarwerden des "Menschen der Bosheit" zurück?
Manche Ausleger verstehen die rätselhafte
Andeutung des Apostels als einen Hinweis auf das Römische Reich.
Doch das römische Imperium ist schon
langeversunken, und doch ist die geheimnisvolle eindämmende
Macht noch immer am Werk.
Einer anderen These zufolge ist es Satan
selbst, wenngleich es schwer einzusehen ist, warum ausgerechnet
er die Sünde zurückhalten sollte.
Wieder andere sind der Auffassung, daß die
Regierungen und Staatsformen auf der Welt ganz allgemein der
Sünde Schranken setzen und so das Erscheinen des Antichristen
verhindern.
Doch andererseits werden diese Regierungen
ihrerseits erst beim Auftreten des Antichristen verschwinden.
Im übrigen setzen keineswegs alle
Regierungen der Sünde Grenzen - viele fördern sie sogar!
Die einzige denkbare Instanz, die genügend
(übernatürliche) Macht besitzt, um eine solche Funktion
auszuüben, ist der Heilige Geist.
Aber auch diese Deutung ist nicht
unwidersprochen geblieben, weil to katechon in 2Thes 2,6 eine
Neutrumform ist (" was hält zurück").
Aus zwei Gründen stellt das jedoch kein
Problem dar:
Zum einen wird der Heilige Geist mehrfach
als Neutrum behandelt ( Joh 14,26; 15,26; 16,13-14 ).
Zum anderen wechselt das Genus im zweiten
Teil von Vers 7 ins Maskulinum: " ho katechOn " ( der, der es
aufhält ).
Auf welche Weise aber wirkt der Heilige
Geist als die Sünde eindämmende Macht?
Er nimmt Wohnung in den Christen und baut
durch sie in der Gesellschaft gleichsam einen Wall gegen die
steigende Flut der Schlechtigkeit.
Damit erklärt sich auch, wie es kommt, daß
der Hinderer der Sünde weggetan wird,
denn wenn die Kirche von der Erde entrückt
wird, wird auch der Heilige Geist insofern verschwinden,
als sein einzigartiges Wirken durch die
Christen ein Ende haben wird (vgl. 1Mo 6,3 ).
Die Entfernung der dämmenden Kraft in der
Zeit der Entrückung muß dem Tag des Herrn offensichtlich
vorausgehen.
Paulus' Gedankengang kann daher als
Argument für die These der Entrückung vor der Zeit der großen
Trübsal herangezogen werden:
Die Thessalonicher befinden sich demzufolge
momentan keineswegs in der Zeit der großen Trübsal, weil es noch
keine Entrückung gegeben hat.
2Thes 2,8 Wenn die Sünde nicht mehr
zurückgedrängt wird, wird die Welt restlos in Bosheit versinken,
und der "Mensch der Bosheit" wird offenbar werden (vgl. den
Kommentar zu V. 3 ).
Der Name dieses Menschen wird an keiner
Stelle in der Bibel genannt,
doch er wird an seinen Taten zu erkennen
sein (vgl. 2Thes 2,3 sowie Dan 9,26-27 und Dan 11,36-12,1 ).
Paulus war sich der Kräfte, die hinter
dieser Person stehen, bewußt, deshalb beschreibt er ihr
Erscheinen als ein Geschehen, das durch die Macht eines anderen,
nicht durch sie selbst bewirkt wird.
Diese böse Macht wird der Herr Jesus durch
den Hauch seines Mundes vernichten.
Der Antichrist mag die Kontrolle über die
Menschheit erlangen, doch er ist kein Gegner für den Messias.
Jesus ist wahrhaftig der Herr.
"Der bloße Atem des verherrlichten Jesus
wird den Bösen wie in einem Feuerofen verglühen lassen"
(Hiebert, The Thessalonian Epistles , S. 315) - er wird tot
sein, und sein Werk wird vernichtet werden. Die strahlende
Helligkeit der Gegenwart Christi bei seinem Kommen auf die Erde
wird die Pläne des Antichristen vereiteln, wie einst die
Offenbarung des verherrlichten Christus Saulus auf der Straße
nach Damaskus niederwarf und seinen widergöttlichen Bestrebungen
ein Ende machte.
Vers 8 umspannt die siebenjährige
Herrschaftszeit des Antichristen von seinem kurz nach der
Entrückung geschlossenen Bund mit Israel bis zu seiner
Überwindung durch Christus, wenn er am Ende der Zeit der großen
Trübsal kommt .
2Thes 2,9 In Vers 9 - 11 wird diese
Herrschaft des Bösen genauer beschrieben. Er wird gestützt von
Satan (vgl. Offb 13,2 b) und hält sich an der Macht durch dessen
Lieblingswerkzeuge: Lüge und Täuschung. Das Streben Satans, die
Wunder Gottes in der Welt nachzuäffen, läßt sich vom 1. Buch
Mose bis zur Offenbarung des Johannes in der ganzen Heiligen
Schrift verfolgen. Paulus verwendet drei Termini zurSchilderung
der übernatürlichen Machtmanifestationen des "Menschen der
Bosheit": (1) Er tritt mit großer Kraft ( dynamei ) auf, d. h.,
hinter den Dingen, die er bewirkt, steht eine starke Macht. (2)
Seine Herrschaft wird von lügenhaften Zeichen ( sEmeiois )
begleitet, d. h., er täuscht vor, daß die Wunder, die er tut,
Zeichencharakter haben. (3) Daß sie mit Wundern ( terasin )
gleichgesetzt werden, zeigt die Ehrfurcht und Bewunderung, die
sie bei den Menschen, die sie sehen, auslösen. Kurz, er
vollbringt so große Wunder, daß alle, die sie miterleben, spüren
werden, daß er übernatürliche Macht besitzt, und ihn verehren
werden. Ein Beispiel für ein solches Wunder und die Ehrfurcht,
die es bei den Menschen erweckt, wird in Offb 13,2 b.3-4 und
Offb 17,8 geschildert.
2Thes 2,10 Doch die Wunder, die der Böse
tun wird, werden nicht das einzige sein, was die Menschen dazu
bewegt, ihn für göttlich zu halten. Alles, was er tut, wird die
Leute in die Irre führen, ganz besonders jene, deren Augen für
sein wahres Gesicht und sein Handeln blind sind, weil sie nicht
an Gottes Wort glauben. Das soll nicht heißen, daß alles, was er
tut, von den Menschen als böse erkannt wird, sondern daß es
seinem Wesen nach böse ist, weil es die Wahrheit verfälscht und
die Menschen von der Anbetung Gottes abhält. Die gleichen
griechischen Begriffe, mit denen in Vers 9 das Wirken des
Antichristen beschrieben wird, werden in Apg 2,22 in bezug auf
das Wirken Jesu und in Hebr 2,4 für die Arbeit der Apostel
gebraucht. Für die Menschen, die in dieser Zeit auf der Erde
leben werden, wird es in der Tat den Anschein haben, als sei der
Antichrist Gott. Er wird sich als Gott ausgeben, und ihm wird
auch die Verehrung eines Gottes zuteil werden.
Diejenigen, die sich durch den "Menschen
der Bosheit" täuschen lassen, sind verloren ( apollymenois ,
Partizip Präsens; das Substantiv dazu, "Verderben" [ apOleias ],
steht in 2Thes 2,3 ), weil sie die Liebe zur Wahrheit Gottes
nicht angenommen und die von ihm geschenkte Erlösung verschmäht
haben. Trotz der Überzeugungskraft, die dieser rettenden
Wahrheit innewohnt, verschließen sich die Ungläubigen davor. Sie
haben damit ihr eigenes Verdammungsurteil gefällt. Die Liebe zur
Wahrheit des Evangeliums dagegen ist ein Zeichen echter
Bekehrung; es gehört dazu nicht mehr als die Bereitschaft, das
Evangelium im Glauben anzunehmen. Die "Wahrheit des Evangeliums"
verkörpert den Gegenpol zu den "lügenhaften Zeichen" des Bösen.
Wer der Wahrheit glaubt und sie liebgewinnt, ist gerettet. Die
Reaktion auf das Evangelium kommt also ebensosehr oder fast noch
stärker aus dem Herzen als aus dem Kopf.
2Thes 2,11 Gott will, daß alle Menschen
gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen ( 1Tim
2,4-6 ). Wenn die Menschen die Wahrheit jedoch ablehnen, läßt er
sie die Folgen der Lüge spüren (vgl. Röm 1,18-25 ). Im
Augenblick ihrer Auflehnung tritt Gott in sein Amt als Richter
der Menschheit ein und setzt sie der Macht der Verführung (
energeian planEs ) aus, die daraus erwächst, daß die Menschen
sich bewußt dafür entscheiden, der Lüge zu glauben und dem
Irrtum vor der Wahrheit den Vorzug zu geben. Der Richterspruch
Gottes ist also durch die Entscheidung der Ungläubigen
gerechtfertigt. "Die Lüge", auf die sie hereinfallen, ist der
Anspruch des Bösen, Gott zu sein.
2. Thessalonicher
2Thes 2,12
Das eigentliche Ziel des göttlichen
Handelns ist Gerechtigkeit (vgl. 2Thes 1,6 ). Ewige Verdammnis
ist das Schicksal all derer, die sich der Wahrheit verschließen
und die Freude an der Ungerechtigkeit haben. Ihre Lust ... an
der Ungerechtigkeit ist das Gegenstück zum christlichen Glauben
an die Wahrheit - in beiden kommt eine geistliche Entscheidung
zum Ausdruck. Auch wenn es Paulus hier natürlich in erster Linie
um die Ungläubigen, die beim Offenbarwerden des "Menschen der
Bosheit" leben, geht, so sehen die Folgen des Unglaubens
letztlich doch immer gleich aus. Das Grundprinzip der göttlichen
Gerechtigkeit bleibt über die Zeitenhinweg bestehen und ist
heute noch ebenso gültig wie zur Zeit des Apostels.
Wird in dieser Passage ausgesagt, daß jene,
die zur Zeit des "Menschen der Bosheit" nicht an das Evangelium
glauben und die deshalb nicht entrückt werden, sondern weiter
auf der Erde leben, nicht mehr gerettet werden können? Oder
können Menschen, die die Wahrheit des Evangeliums vor der
Entrückung zwar kennen, aber bewußt zurückweisen, danach noch
zum Glauben kommen? Die "Macht der Verführung" (V. 11 ), der
Gott diese Menschen aussetzen wird, legt die Annahme nahe, daß
allenfalls wenige der dann Lebenden noch erlöst werden. Es
scheint sich hier um ein besonderes Gottesurteil nur an diesem
einen Punkt in der Geschichte zu handeln. Bei den vielen
Heiligen, von denen das Buch der Offenbarung sagt, daß sie die
Zeit der großen Trübsal miterleben werden, handelt es sich also
wahrscheinlich um Menschen, die das Evangelium bis zur
Entrückung nicht kannten und deshalb auch nicht abgelehnt haben
( Offb 7,4 ).
Paulus führt seinen Lesern vor Augen, daß
die Bedrängnisse und Verfolgungen, denen sie sich ausgesetzt
sehen ( 2Thes 1,4 ), in keiner Weise als Anzeichen dafür zu
werten sind, daß sie nun das Strafgericht am Tag des Herrn
erleben. Sie müssen nicht befürchten, bei der Entrückung
übergangen worden zu sein, denn vor dem endgültigen Gericht am
Tag des Herrn werden mehrere eindeutig identifizierbare
Ereignisse eintreten, die bis jetzt noch ausstehen. Es sind dies
die Apostasie - der bewußte Abfall von der Wahrheit Gottes -,
die Entfernung der die Bosheit bändigenden Macht bei der
Entrückung, d. h. die Entfernung des Heiligen Geistes, der durch
die Gläubigen das Böse in der Welt im Zaum hält, und schließlich
das Offenbarwerden des Antichristen, des "Menschen der Bosheit".
Da diese drei Ereignisse damals noch nicht eingetreten waren
(und bis heute noch nicht Realität geworden sind), waren die
Thessalonicher also offensichtlich einem Irrglauben erlegen, als
sie meinten, der Tag des Herrn sei bereits da.
IV. Danksagung und Gebet
( 2,13 - 17 )
Die anschließende Passage bildet ein
überleitendes Versatzstück zwischen der Lehre vom Tag des Herrn
( 2Thes 2,1-12 ) und den Verhaltensmaßregeln des Apostels für
eine christliche Lebensführung, die auf diesen Tag ausgerichtet
ist und die Gemeinde in Thessalonich für ihn bereitmachen soll (
2Thes 3,1-15 ).
A. Dank des Apostels für die Berufung der
Thessalonicher
( 2,13 - 15 )
2Thes 2,13
Im Gegensatz zu den Ungläubigen, von denen
zuvor die Rede war, machen die Thessalonicher den Aposteln
wirklich Freude. Ja, Paulus hat das starke Bedürfnis, Gott
allezeit für sie zu danken. Er sieht in ihnen seine Brüder (vgl.
V. 1.15 ) und Schwestern im Glauben, die vom Herrn geliebt sind,
auch wenn sie von ihren gottlosen Mitbürgern gehaßt und verfolgt
werden.
Die Freude und Dankbarkeit des Apostels hat
ihren Grund darin, daß Gott die thessalonischen Gläubigen zum
ewigen Heil erwählt ( heilato , Imperfekt von aireO ,
"ergreifen, erwählen"; das Wort steht außer an dieser Stelle nur
noch in Phil 1,22 ) hat - und zwar als erste (vgl. "ehe der Welt
Grund gelegt war"; Eph 1,4 ), also nicht aufgrund ihrer Liebe
oder eines anderen Verdienstes von ihrer Seite, sondern weil er
sie liebt (vgl. 1Thes 1,4 ). Paulus lehrte immer wieder, daß die
Initiative zur Erlösung von Gott ausgeht und nicht vom Menschen.
Das Werkzeug, dessen er sich dazu bedient, ist das Wirken des
Heiligen Geistes, der die Erwählten zu einem Leben der Heiligung
und Sündlosigkeit aussondert (vgl. Joh 16,7-11 ). Er erneuert,
erfüllt und tauft die Christen und macht sie damit zu Gliedern
des Leibes Christi. Der menschliche Anteil an der Erlösung liegt
im Glauben an die Wahrheit des Evangeliums. Wo dieser Glaube
vorhanden ist, reinigt der Geist das Leben der Gläubigen durch
das Wort Gottes ( Joh 17,17 ).
Daß Gott, der ja alle Menschen liebt,
manche von ihnen für die Erlösung erwählt, sollte die Gläubigen
mit Dank für die Gnade dieser Erwählung erfüllen.
2Thes 2,14
Gott selbst hat die Leser dieses Briefes
durch das Evangelium , wie es von den Aposteln in Thessalonich
verkündigt wurde, zum Heil berufen . Er wollte, daß die
Gläubigen eines Tages die Herrlichkeit und Ehre, die Jesus
Christus , der zur Rechten des Vaters sitzt, schon jetzt hat,
mit ihm teilen (vgl. 2Thes 1,10-12 ).
2Thes 2,15
Deshalb sollen die thessalonischen
Gläubigen im Angesicht ihrer Berufung nicht in ihrer
Glaubensfestigkeit, ihrer vorbildlichen, brüderlichen Fürsorge
und in ihrer Hoffnung auf die unmittelbar bevorstehende
Wiederkunft Jesu Christi wankend werden (vgl. 1Thes 1,3 ),
sondern feststehen ( stEkete ; vgl. 1Kor 16,13; 1Thes 3,8 ). Die
Christen sind immer in Gefahr, von den Strömungen der sie
umgebenden, ihrer Religion meist feindlich gegenüberstehenden
Kultur erfaßt zu werden. Und sie neigen allzuoft dazu, die
Wahrheit, die ihnen offenbart wurde, zu vergessen und ihre
Beziehung zu Gott erkalten zu lassen. Sie haben es daher
dringend nötig, sich an dem festzuhalten, was ihnen die Diener
Gottes gesagt haben. Die Thessalonicher standen im Begriff, sich
von den - persönlich wie brieflich empfangenen - Lehren der
Apostel zu lösen (vgl. 2Thes 3,6 ). Die ständigen Bedrängnisse,
denen sie ausgesetzt waren, aber auch der negative Einfluß der
Welt, des Fleisches und des Bösen drohten, sie in ihrer
Glaubensentwicklung zurückzuwerfen.
B. Bitte um Kraft für die Gemeinde
( 2,16 - 17 )
Paulus betet für die Standfestigkeit der
Thessalonicher, daß Gott ihnen Mut und Kraft geben möge (vgl.
1Thes 3,2.13; 2Thes 3,3 ).
2Thes 2,16
Wieder werden der Sohn und der Vater
einander gleichgestellt und als eins betrachtet. Gottes Liebe
und Gnade sind die Grundlage für einen ewigen (d. h. nie
versiegenden) Trost ( paraklEsin aiOnian ) in allen zeitlichen
Nöten. Aber Gott gibt seinen Gläubigen auch eine gute ( agathEn
) Hoffnung , die ihnen die Gewißheit der Rückkehr ihres
siegreichen Erlösers gibt.
2. Thessalonicher
2Thes 2,17
Zwei Dinge wünscht Paulus den
Thessalonichern in all den Ängsten und Befürchtungen, die durch
die Irrlehren in bezug auf den Tag des Herrn geweckt wurden:
Trost und Mut (das Verb "trösten", parakalesai , vereinigt beide
Bedeutungen in sich; an anderer Stelle [ 1Thes 4,1.10; 2Thes
3,12 ] heißt es auch "ermahnen"), und Gottes Gnade, um sie zu
festigen und zu stärken ( stErizai ; vgl. auch 1Thes 3,2.13 ) in
allem guten Werk ("gut" im Sinne von gottgefällig) und Wort ,
das sie zur Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums
sprechen.
III. Der Tag des HERRN (2,1-12) 1.
Die Grundlage der Wahrheit:
Der Angelpunkt des Briefes (2,1)
1_Der Abschnitt, mit dem wir uns jetzt
beschäftigen wollen, wurde durch eine verkehrte Übersetzung des
ersten Verses oft verdreht, indem man
– zweifellos in bester Absicht – Worte
gebrauchte, die die Bedeutung des Grundtextes völlig verändern,
weil man nicht unterschied oder
unterscheiden konnte zwischen dem Kommen des Herrn für Seine
Heiligen (der Entrückung) und Seiner Erscheinung mit Seinen
Heiligen (der apokalypsis).
Es ist deshalb notwendig, sich eng an den
Wortlaut des Grundtextes zu halten, um irrige Auffassungen zu
vermeiden und tatsächlich das Beispiel des Apostels zu erkennen,
der zuerst die Wahrheit deutlich macht, ehe
er sich mit dem beschäftigt, was falsch ist.
Der Apostel hat durch die Leitung des
Heiligen Geistes den Thessalonichern mit großem Geschick die
Bedeutung ihrer Leiden und der Belohnung dafür gezeigt,
und sie weitergeführt über den Pfad ihres
irdischen Zeugnisses zum Berggipfel der Hoffnung der
christlichen Gemeinde, dem Kommen des Herrn für Seine Heiligen,
wenn Er alle Gläubigen zusammenrufen wird,
um Ihm in der Luft zu begegnen, wo sie dann
– ihren Blick auf den gerichtet, den ihre
Herzen lieben
– die ersehnte Verwandlung erfahren werden,
wenn die Leiber ihrer Niedrigkeit umgestaltet werden zur
Gleichförmigkeit mit Seinem Leib der Herrlichkeit.
Das ist der Augenblick ihres
Verherrlichtwerdens in Ihm (1,12), die Entrückung.
Die Thessalonicher waren in dem Wissen über
die Wiederkunft des Herrn wahrhaft befestigt.
Das war schon vorher ihre glückselige
Hoffnung gewesen; sie waren bekannt dafür, wie der Apostel ihnen
in 1Thes 1,10 verdeutlicht hatte.
Ja, sie waren mit diesem Gedanken so sehr
beschäftigt, dass sie begonnen hatten, sich zu sorgen, ob ihren
Brüdern, die verstorben waren, nicht etwas von der Herrlichkeit
dieses Ereignisses entgehen würde.
Dieser Sorge zu begegnen war die Absicht
des ersten Briefes gewesen.
Sie wussten nun, dass das Kommen des Herrn
bei der Entrückung eine Quelle des Trostes war (1Thes 4,18).
Sie hätten auch wissen können, dass die
Erscheinung des Herrn in Macht und großer Herrlichkeit ein
völlig anderes Ereignis sein würde,
denn, von wahrscheinlicher mündlicher
Unterweisung abgesehen, hatte Paulus davon in
1Thes 1157 2. Thessalonicher 2,1 3,13
geschrieben.
Aus 1Thes 5,9 hätten sie wissen können,
dass sie nicht dazu bestimmt waren, »die Ausgießung des Zorns«
zu erfahren.
Offensichtlich waren sie seit dem Empfang
des ersten Briefes bezüglich der Abfolge der Ereignisse
durcheinandergebracht worden,
und zwar durch die Juden unter ihnen, die
skrupellos zu beweisen suchten, dass das Kommen des Herrn – wie
sie aus den Schriften des AT auch zeigten
– ein Tag der Finsternis und des Gerichts
war,
ein Tag, den man zu fürchten hatte.
Aufgrund ihrer schrecklichen Drangsale und
der raffinierten Propaganda der falschen Lehrer waren diese
Jungbekehrten
leicht zu überzeugen, dass der furchtbare
Tag des Zornes Gottes bereits gekommen sei.
Der Brief hier sollte diese falsche Lehre
berichtigen, sie in ihrer Hoffnung wieder befestigen und so die
Angst vertreiben,
die von ihnen Besitz ergriffen hatte.
Wir dürfen diesen Jungbekehrten keine
allzu großen Vorwürfe machen wegen der Zweifel und der
Verwirrung,
die infolge der doppelten Einwirkung von
Drangsalen und falscher Lehre entstanden waren,
zumal wenn wir an unsere Zeit und die
Unwissenheit über diese Fragen denken, nicht zuletzt unter
denen, die unter Entfaltung großer Gelehrsamkeit darüber
schreiben.
Es ist notwendig, sich an die Kürze von
Paulus’ Aufenthalt bei den Thessalonichern zu erinnern;
sie mussten im Blick auf einige Belehrungen
noch »vollendet« werden (1Thes 3,10).
Der Brief erinnert sie an das, was sie
mündlich und brieflich gelehrt worden waren, und vermittelt
weitere Offenbarungen der Wahrheit.
Wenn wir uns vor Augen halten, dass der
Brief ursprünglich nicht in Kapiteln gegliedert geschrieben
wurde,
wie er jetzt vor uns liegt, und dass
dieser erste Vers von Kap. 2 den Gipfelgedanken des letzten
Verses von Kap. 1 fortführt,
dann erkennen wir deutlich, dass Paulus
die gesegnete Gewissheit der Entrückung als solide Basis zur
Zerstreuung ihrer Ängste verwendet.
Er stellt ihnen dieses Ereignis
eindringlich flehend vor Augen, denn wenn ihre Herzen nur die
Tatsache ergreifen würden,
dass ihr »Versammeltwerden zu Ihm hin«, ihr
Entrücktwerden in den Himmel, um dadurch »allezeit bei dem Herrn
zu sein« (1Thes 4,17),
dass dies alles ihre Befreiung von und
Bewahrung vor dem über die Erde kommenden Zorn bedeutet, dann
müsste alle Furcht verschwinden.
Paulus’ Absicht ist es, zu zeigen, dass
die Gnade vor dem Gericht wirksam ist, die Entrückung vor dem
»Tag des Schreckens«.
Er versucht dies durch hingebungsvolles
Bitten, indem er sie als Brüder um »der Ankunft unseres Herrn
Jesus Christus und unseres Versammeltwerdens (episynagôgê)
zu ihm hin« willen anfleht.
Paulus bezieht sich natürlich auf das
Ereignis von 1Thes 4,16, die Entrückung.
Jede Silbe atmet Zuneigung und Gewissheit;
könnten sie auch nur irgendetwas von »unserem Herrn Jesus«
befürchten?
Das Wort episynagôgê ist äußerst bewegend
und lehrreich. Zweimal nur wird es im NT verwendet,
und jedesmal spricht es von Christus als
dem Mittelpunkt des Zusammenkommens der Heiligen;
hier geht es um das Versammeln zu Ihm hin
in der Luft bei der Entrückung,
und in Hebr 10,25 um unser gegenwärtiges
Vorrecht, uns zu Seinem Namen in der Versammlung zu versammeln,
während und solange wir auf jenes
herrliche Ereignis noch warten.
Es ist hier angebracht, einen Appell an
diejenigen zu richten, die die Hoffnung des Volkes Gottes
dämpfen möchten,
indem sie versuchen, es der herrlichen
Erwartung Seines jederzeit möglichen Kommens zur Entrückung der
Gemeinde zu berauben.
2. Thessalonicher 2,2 1158
Wir sehen die Auswirkungen der falschen
Lehre auf diese kleine Herde in Thessalonich,
und das Ergebnis ist heutzutage
zwangsläufig das gleiche. Es ist ernüchternd, wenn wir im
folgenden Vers feststellen,
dass dabei auch noch betrügerische Mittel
im Spiel waren.
Die Erfahrung lehrt, dass – werden solche
Dinge verbreitet – ohne Ausnahme der Beweis damit einhergeht,
dass »ein feindseliger Mensch dies getan hat«.
Wir richten an alle die dringende Bitte,
sich von solchen Denkpfaden abzuwenden; es ist besser,
unter Gebet die Grundlage der Wahrheit zu
suchen, als mit dem Irrtum herumzuspielen.
Die verkehrten Theorien, die das
unmittelbar bevorstehende Kommen des Herrn für die Seinen
leugnen,
und an dessen Stelle Gedanken ohne
schriftgemäße Grundlage setzen, wonach die Gemeinde die
furchtbare Periode der großen Drangsal durchleiden müsste,
haben niemals, nein, niemals irgendwelche
christlichen Tugenden hervorgebracht.
Stellen wir dem gegenüber die Freude und
ihre edle Auswirkung auf den christlichen Wandel, wenn ein Herz
in der inbrünstigen Erwartung lebt:
»Es könnte heute sein.«
Wenn wir die Frage falscher Übersetzungen
und der damit verbundenen falschen Lehre sorgfältig und
aufrichtig betrachten,
dann wird deutlich, dass sie in das
Kapitel eben die Ängste und Befürchtungen hineinlegt, die Paulus
zu widerlegen suchte.
Dadurch würde die Verwirrung der
thessalonischen Heiligen nur zementiert,
anstatt von Paulus unter der Inspiration
des Heiligen Geistes korrigiert zu werden.
2. Die Methoden der Irrlehre (2,2) 2_Die AV
gibt die entscheidenden Bindewörter (eis to),
mit denen dieser Vers beginnt, nicht
korrekt wieder,
und verbindet ihn mit dem grundlegenden
und beherrschenden Gedanken der Entrückung in V. 1;
man sollte besser übersetzen: »auf dass
(eis to) ihr nicht schnell erschüttert werdet« (vgl. MNT).
»Erschüttert werden« ist saleuthênai, von
etwas wegbewegen, im Sinn von Ruhelosigkeit,
wie im Fall des Meeres, das ein Schiff hin
und her bewegt, und zwar bis zur Gefahr,
es von seiner Vertäuung loßzureißen.
»Schnell«
bedeutet »durch eine hastige, übereilte
Entscheidung ohne viel Nachdenken« wie in 1Tim 5,22.
»In der Gesinnung« bezieht sich auf das
steuernde Element unserer Urteilskraft, den Verstand.
Wörtlich heißt es »weg von eurem Verstand«
(siehe Interlinear, MNT) und da das Zeitwort im Aorist steht,
hat der ganze Ausdruck die Bedeutung von:
»Lasst euch nicht durch einen persönlichen
Eindruck aus eurem verstandesmäßigen Gleichgewicht
und eurer wahrheitsgemäßen Beurteilung
dieses wichtigen Gegenstandes (nämlich des gefürchteten Tages)
bringen«;
vgl. Gal 1,6.
Im nächsten Halbsatz hat »erschreckt«
(throeô) die Bedeutung von verwirrt, aufgeregt,
durcheinandergebracht,
das kommt von einer Wurzel mit der
Bedeutung: »laut aufschreien«, wie z.B.:
bei einem starken Gefühlsausbruch (siehe Mt
24,6).
Das vorhergehende Zeitwort »erschüttert«
steht im Aorist und verweist auf ein spezifisches Ereignis,
aber »erschüttert« – im Infinitiv Präsens –
deutet einen kontinuierlichen Zustand an; natürlich kann das
eine das andere verursachen.
Es ist hier also die Rede von geistiger
und gefühlsmäßiger Verwirrung, und sicherlich ist es von
Interesse,
dass in 1Thes 5,8 der Apostel den
schützenden Helm und den Brustharnisch erwähnt,
wobei Ersterer den Kopf schützt und
Letzterer den Sitz der Gefühle.
»Weder durch Geist« meint eine
prophetische Äußerung.
Der Ausdruck könnte sich als Metonym (d.h.
die Handlung wird mit
1159 2. Thessalonicher 2,2
der Person gleichgesetzt) auf Personen
beziehen, die für sich den Besitz der Gabe der Weissagung
beanspruchen (siehe 1Thes 5,20).
Es ist notwendig »die Geister zu prüfen«
(1Jo 4,1), und sich zu vergegenwärtigen, dass eine sehr reale
Gefahr von Seiten eines
»anderen Geistes« (2Kor 11,4) besteht.
Die Absicht der gegen uns gerichteten
geistlichen Mächte ist es, den Gläubigen von Gott abzuwenden.
»Noch durch Wort« (logos) bedeutet entweder
durch eine angeblich von Paulus stammende Aussage,
oder möglicherweise auch
– dies ist im Bedeutungsspektrum von logos
durchaus enthalten
– durch einen Prozess verstandesmäßiger
Ableitung, durch vernunftmäßiges Nachdenken oder logisches
Schlussfolgern.
Vernunftschlüsse sind in Sachen des
Glaubens aber nicht nur gefährlich,
sie haben auch oft katastrophale Folgen.
Wir sind nicht auf menschliche Hilfsmittel
angewiesen; wir haben das Wort Gottes.
Und selbst dabei dürfen wir keine
Textstelle isoliert für sich betrachten, sondern müssen, wie
2Petr 1,20 verdeutlicht,
alles im vollen Kontext der Schrift als
Ganzes auslegen. (Vgl. 2,15, was den Gedanken des gesprochenen
Wortes unterstützt).
»Noch durch Brief als durch (dia) uns«
(Mehrzahl), d.h. der sich als von uns stammend ausgibt, was sich
deutlich auf Fälschung bezieht (siehe dazu 3,17).
Manche beziehen den Ausdruck »von uns« auf
alle
drei Dinge,
nämlich Geist,
Wort
und Brief, und es stimmt durchaus, dass
»Wort« und »Brief« diese Bedeutung haben können,
aber der folgende Vers (vgl. Kol 2,4),
schließt diesen Gedanken offensichtlich aus, da er sich auf
»jeden beliebigen Menschen«
(»niemand«, mêtis) und »jede beliebige
Weise« (mêdeis tropos) bezieht.
Welcher Ansicht wir uns auch immer
anschließen, so ist das Argument doch klar, nämlich dass der
Feind sogar schon in
apostolischen Zeiten durch Tricks und
Betrügereien das Kind Gottes von der sicheren und gewissen
Aussicht auf die persönliche Wiederkunft des Herrn
in die Luft zur Sammlung Seiner Heiligen
zu sich abwenden wollte.
Wir müssen ständig auf der Hut sein vor den
verschlagenen Listen des Teufels, der durch jedes beliebige
Mittel die Wahrheit zu verdrehen und Samen des Irrtums zu säen
sucht.
Wir verwerfen ohne Zögern die Wiedergabe
»als ob der Tag Christi (AV Luther ’12) unmittelbar bevorstünde
(AV, GN, Interlinear, Zürcher)«, da sie
sämtlichen ältesten Handschriften widerspricht, wie Alford
bestätigt.
Die korrekte Lesart ist »der Tag des
Herrn« und »unmittelbar bevorsteht« sollte übersetzt werden mit
»ist bereits gekommen« oder »ist schon da«.
Die Bedeutung dieser Korrekturen am Text
der AV (bzw. Luther ’12 und GN, Interlinear, Zürcher),
die in allen anderen Übersetzungen
glücklicherweise ausgeführt sind, wird sofort einsichtig,
wenn wir verstehen,
dass – während der Tag Christi und der Tag
des Herrn fast die gleiche Zeitperiode parallel nebeneinander
laufen
– sich ersterer auf die Gläubigen und den
Himmel bezieht, letzterer aber (dem Kontext nach) auf die
Ungläubigen auf der Erde.
(Siehe den Anhang hinsichtlich des Tages
Christi und des Tages des Herrn.)
Es geht also hier um den Tag des Herrn, von
dem im AT ausführlich gesprochen wird, weil er sich auf Menschen
auf der Erde bezieht,
während der Ausdruck
»der Tag Christi« mit der Gemeinde zu tun
hat,
also eine neutestamentliche Wahrheit ist,
die im AT nicht erwähnt wird.
Nun ist es notwendig, aufzuzeigen, dass der
Ausdruck enestêken (Perfekt von enistamai, eintreten) mit
»bereits eingetreten« oder »schon gegenwärtig« übersetzt werden
muss
und nicht mit »(unmittelbar) bevorstehen«
wie bei
2. Thessalonicher 2,3-5 1160
GN, Interlinear, Zürcher. Wollte man
abstreiten, dass der Tag des Herrn bevorstehe, würde man damit
dem ganzen Grundtenor der Schrift widersprechen,
von den Weissagungen Jesajas und dem Ruf
Johannes des Täufers angefangen bis hin zu der Warnung von 2Petr
3,10.
Daher also die große Bedeutung der
korrekten Übersetzung. Das Zeitwort enistamai wird in Röm 8,38;
1Kor 3,22 (»Gegenwärtiges«);
1Kor 7,26; Gal 1,4; Hebr 9,9
(»gegenwärtig«) gebraucht.
In keiner dieser Stellen wird etwas
Zukünftiges angedeutet, vielmehr zeigt der Vergleich dieser
Stellen, dass es jeweils um gegenwärtige Dinge im Gegensatz zu
zukünftigen geht.
So können wir also aus der Verwendung des
Begriffs in der Schrift und speziell bei Paulus (wenn wir
annehmen, dass er den Hebräerbrief geschrieben hat)
eindeutig schließen, dass die letzten Worte
von V. 2 nicht auf das unmittelbare Bevorstehen des Tages des
Herrn hinweisen,
sondern der Behauptung widersprechen, der
Tag des Herrn wäre bereits gekommen (bzw. jetzt gegenwärtig).
Wir werden sehen, wie dies genau zum
Kontext passt, denn den thessalonischen Gläubigen war durch
falsche Behauptungen Angst eingejagt worden,
dass die ihnen widerfahrenden Leiden die
Schrecken des gefürchteten Tages des Herrn wären.
Dies ist der Grund, aus dem Paulus jetzt
schreibt, und warum er für sie in Kap. 1 noch einmal den
Unterschied zwischen dem Kommen des Herrn für Seine Heiligen (V.
12)
und Seinem Kommen mit ihnen (V. 8-10)
dargestellt hatte.
Hier demonstriert Paulus ebenso wie Petrus
(2Petr 1,12) die Wichtigkeit, bekannte Wahrheiten zu
wiederholen, besonders wenn die Heiligen unter Druck stehen.
Dies ist heutzutage nicht weniger nötig,
wo die Menschen, sowohl böse als auch im Irrtum gefangene,
ebenso wie in Thessalonich, immer noch die Schrift verdrehen,
um falsche Lehren zu begründen.
Heutzutage verweisen sie auf Schriftstellen
wie Joh 16, besonders V. 33, wo von der christlichen Norm im
Blick auf Leiden in dieser Welt gesprochen wird,
um damit die kostbare Hoffnung des Kindes
Gottes aus den Angeln zu heben und es zu überzeugen, dass diese
Stellen davon sprechen,
dass die Gemeinde durch jene schreckliche
Periode des Zornes Gottes über die sündigen Menschen auf der
Erde hindurch muss,
die als »die Drangsal«, ja sogar »die
große Drangsal« bekannt ist.
Dabei sprechen die betreffenden Stellen in
keiner Weise von einem solchen Ereignis.
Wir müssen Sorgfalt darauf verwenden,
Dinge zu unterscheiden, die verschiedenartig sind: »Drangsal«
und »die Drangsal« sind keineswegs das gleiche.
3. Die dem Tag des Herrn vorhergehenden
Ereignisse (2,3-5) 3_Sie sollten sich von niemand verführen oder
betrügen lassen, auf keinen Fall.
Beachten wir die doppelte Verneinung als
Ausdruck der Betonung.
Der Herr Jesus kommentierte diese
grundsätzlichen Ereignisse in Mt 24,4-6 mit ähnlichen Worten.
Betrügen oder verführen, wie im Fall Evas
in 1Tim 2,14, steht oft in Verbindung mit Satan.
»Auf irgendeine Weise« erweitert das
Spektrum hinsichtlich der in V. 2 erwähnten Methoden.
Paulus war sich ständig des möglichen
Wirkens betrügerischer Arbeiter (2Kor 4,2; 11,13) bewusst und
derer,
die viele »verführen« (2Tim 3,13).
2Jo 1,7 verbindet zutreffend Verführung
mit dem Antichristen, in Übereinstimmung mit 2Thes 2,10.
»Dieser Tag kommt nicht« (obwohl nicht im
Grundtext) ist hier zu Recht eingefügt worden (so auch bei
Luther ’12 und ’56, Rev.Elberf, Wilckens) um den Sinn der Stelle
zu verdeutli-
1161 2. Thessalonicher 2,3-5
chen. »Es sei denn, dass zuerst der Abfall
komme« ist wörtlich »weil wenn nicht der Abfall zuerst kommt«.
Die Majestät dieses Ausdrucks sollte uns
deutlich werden:
Alle hier detailliert genannten
Geschehnisse sind Gottes Zeitplan unterworfen.
Das Wort »denn« oder »weil« (hoti) ist
bedeutsam für die Darlegung des Grundes für Paulus’ Behauptung
, dass »der Tag« noch nicht über sie
gekommen sei, ja in der Tat überhaupt nicht über sie kommen
könne.
Beachten wir den bestimmten Artikel vor
»Abfall«, der deutlich macht, dass es nicht nur ein den
Thessalonichern bekanntes Ereignis war,
aber auch weit mehr als eine einzelne
Person, die vom Glauben abfiel wie in 1Tim 4,1,
ja viel mehr sogar als der teilweise
Abfall im Zeitalter der Gemeinde. Es war das, was Paulus ihnen,
als er noch unter ihnen war,
über den schrecklichen letzten Akt der
trotzigen Herausforderung des Menschen gegenüber Gott gesagt
hatte; die Rebellion gegen jedes Wort, Werk, ja jeden Gedanken
von und über Gott.
Es ist ein Geschehnis, ebenso
gekennzeichnet, spezifisch und einzigartig wie jenes andere
große Geschehen, das noch kommen muss und ebenso den bestimmten
Artikel zur besonderen Kennzeichnung trägt,
nämlich »die Drangsal«.
Es stellt ein Ereignis ohne jede Präzedenz
und Beispiel dar.
Im Griechischen wird das Wort »Abfall«
(apostasia) im militärischen Sinn für die Fahnenflucht eines
Soldaten von seiner Armee gebraucht;
in der politischen Sphäre für Rebellion
gegen die Autorität; in der Schrift spricht es vom Verlassen
oder der Abkehr von einmal gekannter Wahrheit über Gott,
einer totalen Absage an die Wahrheit.
Dies ist der abschließende Akt des »Tages
des Menschen«, der seinen Keim in der Versuchung in Eden hatte,
sich deutlich in Babel zeigte
(wo Nimrod der große Typus des Antichristen
ist), dessen Bekenntnis: »Es gibt keinen Gott für mich!« (Ps
14,1)
ist und dessen Kurs in Röm 1 beschrieben
ist.
Einige vertreten die Auffassung, dass das
griechische prôton (»zuerst«) das erste von zwei aufeinander
folgenden Ereignissen andeute,
und zitieren Apg 1,1 als Beispiel.
Während dies im Allgemeinen die Bedeutung
des Wortes ist, so ist es doch nicht korrekt, daraus abzuleiten,
wie es einige getan haben,
dass »der Abfall« und »das
Geoffenbartwerden des Menschen der Sünde« die beiden
angedeuteten Ereignisse wären,
denn es sind »der Abfall« und »der Tag des
Herrn«.
Der Apostel zeigt nun das letztendliche und
schreckliche Resultat der Abkehr von Gott, indem er es in einer
einzigen Person gipfeln lässt.
Der Mensch muss einen Gegenstand der
Verehrung haben.
Röm 1 macht dies klar, denn als er sich
von der Verehrung Gottes abwandte, tauschte er die Herrlichkeit
seines Schöpfers gegen ein in Gleichheit des Geschöpfs gemachtes
Götzenbild ein,
wenn er auch in gewissem Sinn mit diesem
Götzenbild Gott gedanklich verband (2Mo 32,5); daraus folgen
zwangsläufig furchtbare moralische Konsequenzen.
Aber einige mussten noch weitergehen; der
Mensch gab seinem Unwillen Gott gegenüber Ausdruck, indem er die
Wahrheit Gottes gegen »die Lüge« eintauschte (Röm 1,25).
Gott war bis zu einem gewissen Grad
beiseitegesetzt und ersetzt, die Sünde vertieft worden, und
doch, das Herz des Menschen verlangte nach Anbetung,
und Satan füllte das Vakuum aus, und
lieferte dem Menschen ständig eine Alternative für sein Herz,
bis zu dieser Zeit absoluten Niedergangs,
wenn der Mensch sein tiefstes Tief der
Schande erreicht, die Frucht seiner Abkehr von Gott und das Ziel
allen Götzendienstes,
das Auftauchen des Menschen der Sünde.
2. Thessalonicher 2,3-5 1162
Der Ausdruck »der Mensch der Sünde« wird
besser übersetzt mit »Mensch der Gesetzlosigkeit«,
denn das Wort ist anomia, zusammengesetzt
aus dem Wort für »Gesetz« und dem Alpha privativum (das Zeichen
für »Abwesenheit, Nichtvorhandensein von«).
Vgl. Einh. (»Gesetzwidrigkeit«)
Interlinear (»Ungesetzlichkeit«), Jerusalemer, Konkordante,
Menge, MNT, Rev.Elberf (»Gesetzlosigkeit«), Zink (»gesetzlos«),
Zürcher (»Gesetzesfeindschaft«).
Wer ist dieser »Mensch der
Gesetzlosigkeit«? Wenn wir uns mit der Frage beschäftigen,
müssen wir natürlich die vielen fantasievollen Auslegungen
berücksichtigen,
die im Lauf der Kirchengeschichte
entstanden sind, besonders wenn die Heiligen es genauso wie die
Thessalonicher gemacht haben,
nämlich die Prophetie im Licht ihrer
eigenen Erfahrung bestimmter Geschehnisse auszulegen.
Darin liegt aber eine große Gefahr, die
Schrift allein muss ihre eigene Auslegerin sein.
Doch kamen selbst unter dieser
Voraussetzung gottesfürchtige Gelehrte zu verschiedenen
Ergebnissen,
obgleich allgemeine Übereinstimmung darüber
herrscht, dass der Apostel in den folgenden Versen ausreichende
Hinweise liefert,
aufgrund derer diese schreckliche
Persönlichkeit identifiziert werden kann, obgleich die Antwort
nicht direkt auf der Hand liegt.
Es wird weithin akzeptiert, dass sich
diese Stelle auf das in Offenbarung erwähnte »Tier« bezieht,
aber dies kann keine vollständige Antwort
sein, denn dort wird von zwei Tieren gesprochen, und man muss
zugeben,
dass die Züge und Eigenschaften von beiden
in großem Maß zu der in unserem Kapitel gegebenen Beschreibung
passen.
Dies hat zu einiger Verwirrung geführt,
aber es gibt unterscheidende Faktoren, die die Frage mit
ausreichender Klarheit beantworten.
Wenn wir Schriftwort mit Schriftwort
vergleichen, scheint es klar, dass der »Mensch der
Gesetzlosigkeit« das zweite Tier von Offb 13 ist, das Tier aus
der Erde.
Uns ist bewusst, dass viele das andere
Tier in Entsprechung zu dieser furchtbaren Person sehen.
Aber welche Ansicht man auch vertreten mag,
es muss jedenfalls in dem Bewusstsein geschehen, dass in Fragen
der Auslegung von Prophetie keiner ein besonderes Vorrecht
genießt,
und es deshalb auch keinen Platz für einen
Parteigeist gibt. Wie in allen Fragen christlichen Wandels sind
auch hier Takt und Langmut angebracht
(siehe den Anhang hinsichtlich des
»Menschen der Gesetzlosigkeit«),
Dieser Mensch der Gesetzlosigkeit, und wir
wollen deutlich sagen, dass er ein Mensch ist und nicht ein
System,
ist die Inkarnation des Bösen, wie
Christus die Fleischwerdung alles Heiligen, Guten und Wahren
ist.
Der Ausdruck »Gesetzlosigkeit« zeigt
seinen Charakter. Anomia bedeutet ohne jegliches Gesetz, und
dies wird auch in seiner Beschreibung durch Daniel als
»nach seinem Gutdünken handelnd« (Dan
11,3.36)
deutlich, was bewusste, arrogante
Perversion und Eigenwillen andeutet. Der Mensch am Tiefpunkt
seines Irrwegs, die Sünde ohne Begrenzung, das Fleisch ohne
Schranken,
die Bosheit wie ein tosender Strom ohne
Ufer, keinerlei Zurückhaltung mehr, der Mensch, seinen
Machenschaften überlassen, völlig ohne Gott, und Satan das
Vakuum mit sich selbst ausfüllend.
»Geoffenbart« (apokalyptô) steht in diesem
Satz an der Stelle der Betonung und bedeutet, wie bei Christus
in 1,7 eine plötzliche Offenbarung von jemandem, der bisher
verborgen war;
der Ausdruck vermittelt ganz und gar den
Eindruck der Handlung einer übermenschlichen Macht. Ebenso wie
Gottes Sohn geoffenbart werden wird, so wird auch Satan sein
abscheu-
1163 2. Thessalonicher 2,3-5
liches Gegenstück offenbaren (siehe V. 9).
»Der Sohn des Verderbens« (apôleia) wird für Judas Iskariot in
Joh 17,12 gebraucht;
»Sohn« ist ein Hebraismus zur Bezeichnung
von Charakter und Schicksal, hier des Verderbens
(Zugrundegehens); er wird durch Aktivität charakterisiert,
die ihn als für das Verderben bestimmt
kennzeichnet (siehe V. 8).
Die Frage wurde gestellt, ob der »Mensch
der Gesetzlosigkeit« identisch ist mit »dem Abfall«. Während wir
dies verneinen müssen,
denn jeder Ausdruck hat den bestimmten
Artikel, ist es doch notwendig, das Geschehen und die Person als
eng miteinander verknüpft zu sehen.
Abfall zeigte sich bereits seit den
frühesten Zeiten der Gemeinde (1Jo 2,18), ebenso wie in Israel;
doch in der Endzeit wird er sich beschleunigen und
seinen furchtbaren Gipfelpunkt erreichen,
wenn die Gemeinde heim in die Herrlichkeit gerufen worden ist.
Die extreme Abscheulichkeit dieses Gott
verwerfenden Zustands wird dann so reifen (wenn für solch
schreckliche Umstände dieses Wort gebraucht werden darf),
dass sie das Auftauchen des Mannes nötig
macht, der sie personifiziert.
So ist also »der Abfall« das Geschehen
selbst, der »Mensch der Gesetzlosigkeit« das Ziel, das sein
Anstifter, Satan,
im Auge hatte bei der Verfolgung seiner
Absicht, Gott zu entthronen und sich selbst weltweit verehren zu
lassen (Jes 14,12-15).
Der Geist des Antichristen verleugnet den
Vater und den Sohn in jedem Zeitalter,
aber zu jener Zeit wird dies einen
derartigen Grad erreichen, dass diese Leugnung ihren Mittelpunkt
in einer Person hat, die sie durch öffentliches Gesetz geschehen
lässt.
Dann wird einerseits Israel Jahwe Gott und
Seinen Messias verleugnen,
und andererseits die Hurenkirche Christus
und den Vater, den Er geoffenbart hat.
Auf diese Weise steht der Weg offen für das
Tier und seinen Anspruch, Gott zu sein und für Juden und
Nationen einheitlich einen falschen Christus zu proklamieren.
4_Dies ist sicherlich die düsterste
Beschreibung des Menschen in der ganzen Heiligen Schrift: der
Mensch unter der Macht Satans,
in trotziger Herausforderung gegen Gott
handelnd. In seinem persönlichen Bemühen sich zu erhöhen wird er
den Platz jedweder Religionsausübung beanspruchen,
bis zu dem Punkt, sich an die Stelle
Gottes selbst zu setzen.
Welch absoluter Gegensatz ist dieser, der
hochmütig »in seinem eigenen Namen« (Joh 5,43) kommt,
zu dem, der im Namen Seines Vaters
gekommen ist und sich selbst erniedrigt hat, um daraufhin aber
von Gott über alles erhöht zu werden (Phil 2).
Doch in Übereinstimmung mit den
Grundsätzen von Gottes gerechtem Gericht wird dieser stolze,
ehrgeizige Mensch aufs Tiefste erniedrigt werden (Offb 19,20),
bis in Tiefen hinab, die seiner
abscheulichen Anmaßung und Sünde entsprechen.
In »welcher widersteht und sich selbst
erhöht« vermittelt die wörtliche Wiedergabe des Partizips einen
noch
tieferen Eindruck vom Charakter des
Menschen der Gesetzlosigkeit, nämlich »der sich Widersetzende
und sich Überhebende über alles« (MNT, vgl. Interlinear).
Alle trotzige Herausforderung,
Überheblichkeit und starrsinnige Arroganz dieses Widersachers
Gottes kommen in dieser kurzen Beschreibung zum Ausdruck.
»Welcher widersteht (oder: der sich
Widersetzende, der Widersacher)«, von antikeimai,
wird in Lk 13,17 für die Widersacher des
Herrn Jesus gebraucht; in Gal 5,17; 1Tim 1,10 wird es übersetzt
mit »gelüsten wider« bzw. »zuwider sein«.
Es stellt das Tier in seiner Rolle als
Antichristus dar, nämlich als den »sich Christus
Widersetzenden«.
2. Thessalonicher 2,3-5 1164
»Sich erhöht« (hyperairô), in 2Kor 12,7
»sich überheben« (Phil 2,9), wird von Bloomfield im Blick auf
den Menschen der Sünde als »das äußerste Extrem der Sünde«
definiert,
während Alford auf die Note trotziger
Feindschaft hinweist, die in dem Wort mitschwingt, auf die auch
Darby – im Hinblick auf den Gedanken des sich Widersetzens –
aufmerksam macht.
Er beansprucht den Vorrang über »alles Gott
genannt Werdende« (so wörtlich, vgl. Interlinear), d.h. über
jede Vorstellung einer Gottheit, wahr oder falsch,
denn er brüstet sich öffentlich mit seiner
Verachtung alles dessen (Dan 11,37).
Furchtbarer Gedanke! »... oder ein
Gegenstand der Verehrung« (sebasma, vgl. Apg 17,23)
erweitert noch seine Ansprüche auf
Ehrerbietung anstelle von allem anderen, was das Herz des
Menschen erfüllt, und bezieht sich erst recht auf jede Form von
Religion.
In »so dass er sich selbst in den Tempel
Gottes setzt und sich selbst darstellt, dass er Gott sei« ist
»Tempel« naos, das innere Heiligtum (siehe Elberf Fußnote),
der Ort, der einst in vergangenen Zeiten
durch heidnische Götzenbilder verunreinigt und einmal durch
einen anderen »Sohn des Verderbens« durch dreißig Silberstücke
entweiht wurde,
den Preis seines abscheulichen Verrats.
Schon die Worte allein müssen uns einen
Eindruck geben von der furchtbar düsteren und schrecklichen
Realität dieser Szene,
denn dies ist die Verwerfung Golgathas,
besiegelt im Herzen des Menschen.
Es gibt keinen Grund, naos als Symbol der
Gemeinde zu betrachten.
Nicht nur ist die Gemeinde als
Voraussetzung für dieses Ereignis bereits entrückt worden,
sondern der ganze Hintergrund des Auftretens des Tieres ist die
Zusammenführung der abgefallenen
Juden- und Christenheit.
Und welch passenderen Platz gäbe es für
die Christenheit, als das Endprodukt ihrer Verbindung mit
überholten judaistischen Praktiken im Tempel in Jerusalem zu
erleben.
Der Weg, den wir heute beschritten sehen,
muss zwangsläufig dorthin führen. »Und sich selbst darstellt,
dass er Gott sei« bedeutet nicht, dass er sich als Jahwe
ausgibt,
sondern dass Jahwe nicht Gott ist, denn Er
wurde im Zuge des Abfalls schlichtweg beiseitegesetzt.
Der Punkt hier ist, dass dort in Jerusalem,
wo Gott Seinen Namen hatte wohnen lassen, ein Mensch, ein Jude,
behauptete, er, und nicht Jahwe, sei Gott.
Beachten wir das Fehlen des bestimmten
Artikels vor »Gott«, was dies bestätigt. »Darstellt«, Partizip
Präsens Aktiv von apodeiknymi (und mit »sich selbst« verbunden)
kennzeichnet dies als einen festen Zustand
und nicht als vereinzelte Demonstration.
Es herrscht allgemeine Übereinstimmung
darüber, dass dieser Ausdruck für die Einsetzung eines
Würdenträgers in sein Amt verwendet wird oder für die feierliche
Proklamation eines Königs
bei seiner Thronbesteigung; es hat den
Unterton von »nach Recht und Gesetz« und wird in Apg 2,22 auch
mit »beglaubigt« (Interlinear) oder »ausgewiesen« (MNT)
übersetzt.
In Apg 25,7 wird es mit »beweisen«
wiedergegeben. Aber seine hauptsächliche Verwendung ist für
Proklamation, öffentliche Deklaration, wie in 1Kor 2,4, wo das
Hauptwort apodeixis steht.
Siehe auch 1Kor 4,9: (als Schauspiel)
»dargestellt«. Der Gedanke der Proklamation in diesem Vers ist
sehr stark.
Beachten wir auch den Zusatz des
öffentlichen Redens in den verwandten Stellen Dan 11; Offb 13.
5_Wörtlich: »Erinnert ihr euch nicht, dass, als ich noch bei
euch war, ich dies euch zu sagen pflegte«;
manche Grammatiker geben wieder im Sinn
von: »ich habe euch diese Dinge immer und immer wieder ge-
1165 2. Thessalonicher 2,6-7
sagt« (vgl. Menge: »... während meiner
Anwesenheit bei euch wiederholt gesagt habe«). Dieser Vers ist
von beträchtlicher Bedeutung zum Verständnis von
1._der gegen Paulus in Thessalonich im
Nachgang zu ungenauen Berichten über seine Verkündigung
vorgebrachten Beschuldigung (Apg 17,7),
nämlich dass er angeblich gesagt hätte,
»dass ein anderer König sei – Jesus« und
2._der wahren Bedeutung des nächsten
Verses, über den sich die Gelehrten im Blick auf die richtige
Auslegung des winzigen Wörtchens »jetzt« streiten.
Die meisten Ausleger entdecken einen
Unterton leisen Ungehaltenseins oder Tadels in diesem Vers, und
dies wäre verständlich (auch bei einer stillenden Mutter
gegenüber ihren eigenen Kindern).
Denn wenn diese Lehre begriffen worden
wäre, wäre die gegenwärtige Schwierigkeit, die zu dem Brief
geführt hatte, nicht aufgetreten.
Doch scheint es, dass der wirkliche Grund
für die in diesem Stil gehaltene Bemerkung des Apostels der ist,
dass er jetzt zum entscheidenden Argument der bis jetzt
entwickelten Beweisführung gekommen ist,
um gegen die Ängste der Thessalonicher
anzugehen.
Eines kommt jedenfalls klar zum Ausdruck:
die Tiefe der Belehrung, die Paulus solch jungen Bekehrten
vermittelt hatte und das in der kurzen Zeit, die er bei ihnen
verbracht hatte.
Vielleicht ist hier eine Bemerkung zum
Vorwurf mancher Kritiker am Platz, manche der Aussagen in diesem
Teil des Briefes seien »relativ dunkel und unverständlich«.
Während man darauf zum großen Teil mit dem
Hinweis antworten kann, dass ein Brief an die Familie keiner
langen und detaillierten Erklärungen zu sattsam bekannten
Familienangelegenheiten bedarf,
verdient noch ein anderer Punkt Beachtung.
Der Brief war dazu bestimmt, persönlich überbracht und dann
öffentlich vorgelesen zu werden.
Schließlich sollte er zirkulieren und dann
(für uns) bewahrt und überliefert werden.
Dadurch wurde eine eventuelle Entdeckung
und ein darauffolgendes missverstehen des Briefes (wie auch
Paulus’ mündliche Botschaft in Apg 17,7 missverstanden wurde)
zu einer Gefährdung der beteiligten
Personen.
Deshalb, so glauben wir, ist eine gewisse
Zurückhaltung bei den Bemerkungen des Paulus durchaus
verständlich.
Doch müssen wir um der Ausgewogenheit
unserer Aussagen willen auch hinzufügen, dass die
Verstehensschwierigkeiten, wie sie von manchen geäußert werden,
diejenigen der »Weisen und Verständigen«
sind, und es hat Gott Wohlgefallen, sie Unmündigen zu
offenbaren, sowohl damals wie auch heute (Mt 11,25; 1Kor 1).
Um von wirklichem Nutzen zu sein, sollte
die Verkündigung von der Art sein »dass man sich leicht daran
erinnern kann«.
Und wir betonen auch wiederum die
Wichtigkeit der Wiederholung bereits vermittelter Wahrheiten;
vgl. 2Petr 1,12-15.
4. Faktoren, die zurückhalten (2,6-7)
6_Bezüglich der Bedeutung dieser beiden
Verse gab und gibt es viele gegensätzliche Auffassungen.
Es existieren aber zwei herausragende
Faktoren, die, wenn wir sie beachten, zum Finden und Bekräftigen
der richtigen Auslegung hilfreich sind. Der
erste betrifft die Sache der zurückhaltenden oder hindernden
Kräfte in jedem Vers, denn während der Ausdruck
bei Bruns, GN, Hoffnung, Zink verschieden
übersetzt wird, ist es doch im Grundtext jeweils dasselbe Wort
(siehe Albrecht, Einh, Elberf,
Interlinear, Jerusalemer, Konkordante, Luther, MNT, Menge,
Rev.Elberf, Schlachter, Wilckens, Zürcher).
Es besteht jedoch
2. Thessalonicher 2,6-7 1166
auch ein ganz entscheidender Unterschied;
im ersteren Vers ist katechon sächlich, im letzteren aber – es
lautet katechôn – männlichen Geschlechts.
Deshalb spricht V. 6 von einer Sache, die
zurückhält, aufhält oder hindert (Interlinear, MNT: »das
Aufhaltende«) und
V. 7 von einer Person, einem Aufhaltenden
oder Hindernden (Interlinear, MNT: »der Aufhaltende«).
Das Wort bedeutet »aufhalten, zurückhalten,
hemmen, in Banden halten« (Rienecker), vgl. die Verwendung in Lk
4,42.
Der zweite Faktor bezieht sich auf die
Auslegung, denn was immer das Auftreten des Menschen der
Gesetzlosigkeit und die volle Macht der Gesetzlosigkeit zur Zeit
von Paulus’ Niederschrift des Briefes zurückgehalten hat,
muss es auch in der Zwischenzeit
zurückgehalten haben, hält es jetzt zurück, und wird es
zurückhalten,
bis es weggenommen wird.
Diese beiden Dinge sind grundlegend, und
an ihrem Felsengrund zerschellt schon sehr viel Spekulation.
Das Wort »jetzt« (nyn) zu Beginn des Verses
hat manche Probleme in der Auslegung verursacht.
Es ist die Frage, ob es sich auf die Zeit
oder die logische Abfolge bezieht.
Manche, die das Wörtchen im Gegensatz zu
»zu seiner Zeit« sehen, legen es aus als »ihr wisst, was zur
gegenwärtigen Zeit ...«; aber dies ist im Allgemeinen Kontext im
Licht
der oben erwähnten Kriterien kaum aufrecht
zu erhalten.
Dieser Punkt wird oft zur Stützung des
Arguments gebraucht, das zurückhaltende Element sei die Macht
des Römischen Reiches gewesen.
Während es aber ganz offensichtlich wahr
ist, dass Paulus selbst die zurückhaltende Hand Roms gegenüber
dem Pöbel erfahren hatte
(Apg 18,12; 21,32; 22,25; 23,17), kann man
andererseits aber kaum aufrechterhalten, dass infolgedessen die
Thessalonicher die römische Macht als das ansehen,
was die Offenbarung des Mannes der
Gesetzlosigkeit aufhielt.
Und doch behaupten manche sogar, das
»Wissen« um die zurückhaltende Macht Roms ginge über die
unmittelbare Anwendung hinaus zur letztendlichen,
nämlich in der Wiederentstehung der
römischen kaiserlichen Macht, in der Offenbarung des ersten
Tieres von Offb 13.
Nun, angesichts des engen Bündnisses, ja,
der gegenseitigen Abhängigkeit der beiden Tiere würde der
Umstand, dass das erste (das kaiserliche Rom) die Aktivitäten,
ja sogar das Offenbarwerden des zweiten
(des religiösen Bundesgenossen Roms) zurückhalten würde, ein
wider sich selbst entzweites Haus bedeuten.
Außerdem, wenn Rom die zurückhaltende Macht
zur Zeit Paulus’ war und es wiederum in der Zukunft sein wird,
was hält dann jetzt zurück?
Und wie sollte man bei dieser Auslegung die
furchtbare Rolle Roms in der Geschichte der frühen Gemeinde
erklären?
Eine andere von vielen vertretene Auslegung
ist die, dass das Zurückhaltende »die obrigkeitlichen Gewalten«
sind,
weil sie von Gott verordnet sind (Röm
13,1-7).
Nun mag es wohl sein, dass Gott solche
Gewalten benutzt, aber im Blick auf den Kommentar zu V. 7 ist es
unsere Auffassung,
dass dies lediglich bedeutet, dass Gewalten
Mittel sind, und nicht das Zurückhaltende als solches.
Und selbst dann haben solche Mächte nicht
immer auf das beschriebene Ziel hin gewirkt, sondern haben oft
Böses gefördert und,
hinsichtlich der Verantwortung des Menschen
vor Gott, der Gesetzlosigkeit den Weg bereitet.
Wieder ein anderer Auslegungsvorschlag ist,
das Gesetz selbst sei das zurückhaltende Element.
Dies aber würde dem Ausdruck
»Gesetzlosigkeit«
die Bedeutung beimessen, sich gegen das
Gesetz als solches zu richten,
sein eigentlicher Sinn aber ist, überhaupt
kein Gesetz zu haben. Ge-
1167 2. Thessalonicher 2,6-7
setzlosigkeit ist das Wirken des
Eigenwillens, und eben das Prinzip des göttlichen Gesetzes macht
die Reaktion des menschlichen Herzens gegen diese Zurückhaltung
deutlich.
Wenn der Vers als logische Fortsetzung der
vorhergehenden Aussage (»dass ich dies zu euch sagte, als ich
noch bei euch war«)
verstanden wird und »jetzt« (nyn) als
»nun«, »nun gut« oder »nun also« aufgefasst wird (diese
Verwendung von nyn finden wir oft in der Schrift, und dass es
auch hier so verwendet wird,
wird nicht nur von Alford, Bloomfield,
Bengel und Moffat bekräftigt, sondern seltsamerweise auch aus
unvermuteten Winkeln der Gelehrsamkeit),
dann ist der Gedankenfluss glatt und der
Hinweis auf all die bereits gegebene Information logisch.
Diese Information schließt dann nicht nur
die mündliche Belehrung, sondern auch den Inhalt von Paulus’
erstem Brief an sie ein, und sogar den ersten Teil, dieses
Briefes,
insoweit dort betont wird, was bereits
bekannt war.
Durch diese Dinge mussten sie eigentlich
wissen (oida), was das Geoffenbartwerden des Menschen der
Gesetzlosigkeit zurückhielt.
Es war ganz einfach die Tatsache, wie
Paulus betont hatte, dass sie immer noch hier waren.
Der Herr Jesus war offensichtlich noch
nicht gekommen, um sie heimzuholen, der Dreh- und Angelpunkt von
allem war
»die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus
und unser Versammeltwerden zu ihm hin«.
Dieses Ereignis stand der Wiederaufnahme
des in der Prophetie beschriebenen Handelns mit der Erde im Weg;
sie konnte nicht erfolgen,
solange die Heiligen noch hier waren.
Sie mussten erst entrückt, in den Himmel
aufgenommen werden.
So ist also das zurückhaltende Element die
Gesamtheit der Gläubigen auf der Erde.
Der Ausdruck »Gemeinde« wurde bei dieser
Erklärung bewusst vermieden, denn nicht nur spricht die Schrift
nicht von der Gemeinde auf der Erde,
sondern durch die Verwendung dieses
Ausdrucks haben einige auch den Gegnern dieser Auffassung Anlass
zur Kritik geliefert;
denn »Gemeinde« (ekklêsia) ist weiblichen
Geschlechts,
während das Wort für das zurückhaltende
Element in diesem Vers sächlich ist.
Es hieße, die Macht der Gemeinde zu
unterschätzen, wenn man – wie manche es tun – glauben würde, sie
könne die Pläne des Teufels nicht zurückhalten.
Denn nicht nur werden die Pforten der Hölle
sie nicht überwältigen, sondern sie ist auch mit dem verbunden,
der »alle Gewalt« hat, und der innewohnende Heilige Geist
bestimmt ihre Stärke (1Jo 4,4).
Die Gemeinde hat unter anderem die Aufgabe,
als Salz das Fortschreiten des Verderbens zurückzuhalten und den
Triumphzug der Ungerechtigkeit zu hemmen.
Das Argument, dass auch Salz seine Kraft
verliere, zählt genauso wenig wie der Hinweis auf das oft
flackernde Licht des Zeugnisses in einer finsteren Welt.
Dies ist das »Zeitalter« der Gemeinde, und
solange sie hier ist, erlaubt Gott dem Menschen der
Gesetzlosigkeit »seine Zeit« (siehe unten) nicht. »... dass er«
(eis to) verweist auf den letztendlichen Zweck, das Ziel des
Zurückhaltens.
Er besteht darin, dass »er (der Mensch der
Gesetzlosigkeit) zu seiner Zeit geoffenbart werde« oder
korrekter
»zu seiner eigenen (autou) Zeitperiode
(oder seinem Zeitpunkt)«.
Im Gegensatz zu den Behauptungen einiger
Kommentatoren gibt es hinreichende Berechtigung für eine solche
Wiedergabe von autou.
Kairos (»Zeitpunkt, -periode«) richtet die
Aufmerksamkeit auf den Charakter der Zeit, nicht so sehr den
Augenblick; siehe 1Tim 6,15 und vgl. Apg 1,7.
Wie es für das Erscheinen Christi eine
exakte Zeitperiode gab, so gibt es sie auch für den falschen
2. Thessalonicher 2,6-7 1168
Christus Satans.
Er ist nur ein Mensch; Gott bestimmt die
ihm erlaubte Zeit.
7_Wir kommen jetzt zur Frage des
»Aufhaltenden« oder »Hinderers«, unterschieden von dem, »was
aufhält« oder zurückhält« in V. 6.
»Denn« verweist auf die Erklärung des
letzten Teils des vorhergehenden Verses: »... auf dass er zu
seiner Zeit geoffenbart werde.«
Obgleich die beiden Aspekte des
Zurückhaltens sich in dem unterscheiden, was sie jeweils
zurückhalten,
so besteht doch die entscheidende
Verbindung darin, dass beide entfernt werden müssen,
ehe der Mensch der Gesetzlosigkeit
geoffenbart wird
(siehe den Beginn von V. 8).
In »das Geheimnis der Gesetzlosigkeit«
steht im Grundtext anomia, das gleiche Wort wie in V. 3.
Unglücklicherweise verdunkeln Albrecht,
Bruns, Elberf, GN, Hoffnung, Interlinear, Luther ’12 und ’56,
Schlachter, Zink durch die Verwendung von jeweils zwei
verschiedenen Wörter
die Fortführung des Gedankens der
Gesetzlosigkeit (siehe auch zu »der Gesetzlose« in V. 8). Ein
Geheimnis in der Schrift wird in Röm 16,25 klar als etwas
erklärt, das bisher verborgen war,
und jetzt ausschließlich durch Offenbarung
bekannt gemacht worden ist.
Beispiele dafür sind: das Einssein von
Christus und der Gemeinde (Eph 5,32),
das Geheimnis der Gottseligkeit (1Tim
3,16);
das Geheimnis des Glaubens (1Tim 3,9);
die Verwandlung bei der Entrückung (1Kor
15,51).
Hier ist es das Geheimnis, das verborgene
Wirken der Gesetzlosigkeit,
das von Gott durch Seinen Knecht Paulus
bekannt gemacht wurde;
später werden dessen Ziel und Anstifter
enthüllt (V. 8-10).
Es ist ernüchternd zu erfahren, dass
bereits zu einem so frühen Zeitpunkt wie den Tagen des Apostels
dieses verborgene System der Gesetzlosigkeit wirksam war.
Das Geheimnis, sein verborgenes Wirken,
wird kontrastiert mit seiner vollen Entfaltung in der
schlussendlichen Offenbarung des Menschen der Gesetzlosigkeit.
Worin besteht dieses verborgene Wirken?
Das Gleichnis vom Sauerteig in Mt 13,33
zeigt die verdeckte, aber kontinuierliche Wirksamkeit in der
Sphäre des äußeren Bekenntnisses,
mit dem Ziel, das Ganze zu verderben.
Der Apostel Paulus hatte von solch
heimtückischen Aktivitäten in Apg 20,28-30 gesprochen
(»... Und aus euch selbst werden Männer
aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen
hinter sich her.«)
Diese Anfänge der Wirksamkeit des
Sauerteigs zeigen Charakterzüge, die identisch sind mit dem,
was in seiner vollen Entfaltung dem Wirken
des Menschen der Gesetzlosigkeit, so offensichtlich ist.
Er ist geprägt von eigenwilliger Gier nach
Selbsterhöhung.
Und genau dies ist es auch, was wir auch
in den verderblichen Umtrieben der falschen Lehrer in Apg 20
sehen;
sie waren gierig nach einer hohen Stellung
und nach Nachfolgern.
Dies schlich sich in Ephesus heimlich ein,
entwickelte sich, wie wir es im Nikolaitentum in Offb 2,6 sehen,
und erweiterte sich schließlich zu einer
Lehre in Offb 2,15.
In diese Richtung zielt auch der Geist
eines Diotrephes in 3 Jo, das Ziel der Gnostiker in Kolossä,
und das verführerische Element, wovor
Paulus Timotheus warnt:
»... die eine Form der Gottseligkeit
haben, deren Kraft aber verleugnen.
« Es ist der Mensch, inthronisiert in einer
Sphäre der Religion, sei es nun in der Christenheit ganz
allgemein oder in den Sekten des Ostens.
Es geht um ein Ziel (die Tricks, der
Betrug, menschliche Vernunftschlüsse, Zeichen und Wunder sind
nur Mittel zum Zweck)
und das ist die Erhöhung eines Menschen.
Und doch ist selbst dies noch Betrug, das
eigentliche Ziel ist die welt-
1169 2. Thessalonicher 2,6-7
weite Anbetung Satans selbst, denn Satan
steht hinter all dem und verfolgt selbstsüchtig seine eigenen
Ziele.
Der Mensch ist lediglich das betrogene
Werkzeug zum Versuch der Befriedigung des ungeheuerlichen
Ehrgeizes Satans,
der sich in seinem Herzen vor Beginn der
Zeit erhoben hatte: »Ich will mich gleichmachen dem Höchsten«
(Jes 14,14).
Das ist das Geheimnis, nun in all seiner
nackten Abscheulichkeit enthüllt. Unter der souveränen Hand
Gottes wird die sich auftürmende Flutwelle und ihr Tempo
zurückgehalten, gehindert, nicht wie in V. 6 durch eine Sache,
die aufhält, sondern hier durch eine Person.
Diese Person hielt nicht nur zurück, als
der Brief geschrieben wurde, sondern hat es seitdem auch
weiterhin getan,
und wird es weiterhin tun,
»bis er aus dem Wege ist«,
oder »bis er aus der Mitte genommen ist«
(Interlinear).
Es gibt einige Einwände gegen diese
Übersetzung von ek mesou genêtai,
hauptsächlich aufgrund dessen, dass
genêtai nicht als »genommen« übersetzt werden kann.
Aber wie William Kelly aufzeigt und von
Gelehrten wie Alford und Bloomfield unterstützt wird, ist der
Einwand unbegründet.
Obwohl Kelly ausführliche Beweise für die
Korrektheit dieser Übersetzung liefert und zeigt, dass sie mit
dem Gebrauch des Griechischen sehr wohl übereinstimmt,
sind wir bei der Angelegenheit nicht
ausschließlich auf die Grammatik angewiesen,
denn wir haben auch das Zeugnis der
Verwendung im NT, wo ek mesou mit seinen verschiedenen
Zeitwörtern ohne Ausnahme
»Wegnahme aus dem Weg (oder aus der
Mitte)«
bedeutet, z.B. Kol 2,14 êrken ek tou mesou,
wo êrken Perfekt von airô (tragen oder emporheben) mit ek tou
mesou verbunden wird,
um die Bedeutung von »hat er sie aus der
Mitte weggenommen« zu vermitteln.
Aber noch gewichtiger ist der Sinn des
Ausdrucks im Textzusammenhang.
Der Gebrauch von »jetzt« (arti), besser
übersetzt mit »jetzt gerade«, deutet an, dass es ein für eine
Zeit wirksames Element der Hinderung gibt,
das weggenommen werden könnte.
»Bis« (heôs)
macht die Möglichkeit zu einer zukünftigen
Gewissheit, dass jemand im Weg stand, der aus dem Weg genommen
werden würde, das ist ganz augenfällig der Punkt.
Bevor wir uns von Fragen der Grammatik
wieder abwenden, sollten wir noch kurz darauf hinweisen, dass
das Wörtchen »nur« (monon) hier zur Erregung der Aufmerksamkeit
eingefügt ist;
vgl. seine Verwendung in Gal 2,10; 6,12.
Wer also ist die Person, die zurückhält?
Niemand anders als der Heilige Geist Gottes.
Die Offenbarung des Menschen der
Gesetzlosigkeit wird von der fortgesetzten Anwesenheit der
Gläubigen des Gemeindezeitalters auf der Erde aufgehalten,
und das verborgene Wirken der
Gesetzlosigkeit wird von der Gegenwart des Heiligen Geistes auf
der Erde und im Gläubigen zurückgehalten;
beide müssen aus dem Weg genommen werden,
ehe der Mensch der Gesetzlosigkeit geoffenbart wird.
Das Ereignis, das dies bewirkt, ist die
Entrückung, denn dann werden die Heiligen des Gemeindezeitalters
in die Herrlichkeit aufgenommen,
und der Heilige Geist wird, da das Ziel
Seiner Anwesenheit erreicht ist, zurückgezogen werden, um
wiederum so unter den Menschen zu wirken,
wie Er es in alttestamentlichen Zeiten
getan hatte.
Es ist von nicht geringer Bedeutung, dass
wir einerseits den Heiligen Geist bei den Versammlungen in Offb.
2; 3 stark im Vordergrund sehen, andererseits aber, nachdem in
Offb 4 symbolisch von der Entrückung (eine im Himmel aufgetane
Tür) die Rede war, Er in diesem Buch bis zum Ende kaum noch
erwähnt wird.
2. Thessalonicher 2,8-10 1170
Wenn das Zurückhaltende (V. 6)
und der Zurückhaltende (V. 7)
von der Erde verschwunden sind, wird die
Gesetzlosigkeit nichts Verborgenes mehr sein, das nur unter
göttlicher Hemmung und Hinderung bedingt wirken kann.
Nun werden die Schleusen des Bösen weit
geöffnet werden, um das Herz des Menschen, von Gott ganz sich
selbst überlassen,
deutlich an den Pranger zu stellen; und der
Mensch nach der Wahl Satans wird in seiner furchtbaren Rolle
geoffenbart werden.
Es ist uns bewusst, dass im Lauf der Jahre
viele andere zurückhaltende Kräfte angeführt wurden, die die V.
6-7 erklären sollen.
Aber fast alle halten den oben erwähnten
Kriterien nicht stand.
Es gibt keine zwei anderen Kräfte, die
allen erwähnten Anforderungen entsprechen.
Was wir haben, ist Gott in Seiner eigenen
Macht, der in Seinen eigenen geliebten Kindern wirkt, und zwar
bis zu Seiner von Ihm selbst bestimmten Zeit.
5. Das Wirken Satans
(2,8-10) 8_»Und dann« bedeutet einen stark
betonten Zeitpunkt und bezieht sich auf das »jetzt« (arti, jetzt
gerade) in V. 7 und nicht auf das »jetzt« von V. 6.
Es scheint anzudeuten, dass – kaum dass
das Hindernis und der Hindernde aus dem Weg genommen sind
– sofort die Offenbarung »des Gesetzlosen«
stattfinden wird.
Wir können nur staunen, wie jedes dieser
zukünftigen Ereignisse seinen exakten Platz in Gottes
Terminkalender hat;
Gott ist souverän. »Der Gesetzlose« ist
ein weiteres Beispiel wie manche Übersetzungen (Bruns, GN,
Hoffnung, Luther ’84) nicht den ursprünglichen Wortlaut
wiedergeben
und nicht konsequent das Wort
»Gesetzlosigkeit« bzw. »gesetzlos« in V. 3.7-8 verwenden (Einh,
Jerusalemer, Konkordante, MNT, Menge, Rev.Elberf, Wilckens und
Zürcher
übersetzen konsequent mit dem jeweils
gleichen Ausdruck, meist »gesetzlos«).
Das hier gebrauchte Wort anomos wird
jedenfalls korrekt mit »der Gesetzlose« wiedergegeben und
bezieht sich natürlich auf den Menschen der Gesetzlosigkeit.
Es ist interessant, dass dies die einzige
Stelle im NT ist, wo das Wort in der Einzahl erscheint,
was andeutet, dass dieser Mensch in sich
selbst die Verkörperung der Gesetzlosigkeit ist.
Die bisher verborgen wirkende Sache ist nun
in einem Menschen geoffenbart.
Die Wiederholung des Wortes »geoffenbart«
betont das mit diesem Geschehen verbundene machtvolle,
übernatürliche Wirken.
Den raschen Übergang von der Offenbarung
dieser Person zu ihrer völligen Vernichtung sollten wir gut
beachten,
denn er erinnert uns an die grundsätzliche
Absicht Paulus’ mit diesem Brief.
Es geht ihm nicht um einen prophetischen
Abriss der abscheulichen Geschichte dieses Menschen:
Ja, seine Erwähnung geschieht eigentlich
eher zwangsläufig und nebenbei.
Das Ziel ist, die Heiligen zu ermutigen,
indem ihnen die Absichten Gottes gezeigt werden, gegenüber denen
keine Macht die Oberhand behalten kann.
Der Sieg ist ihnen sicher.
Indem Paulus zeigt, dass die Entrückung
(aufgrund derer er sie liebevoll anflehte, 2,1) ihr »Tag« sei,
versucht er ihre glückselige Hoffnung wieder neu zu entfachen,
damit sie inmitten all ihrer Leiden gewiss
wären, dass der »Tag des Herrn« solange nicht kommen könnte, wie
sie hier auf der Erde seien.
Und nicht nur das, sondern wenn auch nach
ihrem Abscheiden, um allezeit beim Herrn zu sein, jener
gefürchtete Tag kommen würde,
so bedeutete er keinen Schrecken mehr für
sie.
Ganz im Gegenteil. Furchtbare Folgen würde
es in der Tat geben – für ihre Verfolger; aber auf
1171 2. Thessalonicher 2,8-10
sie warteten
nur Ruhe von der Verfolgung,
Rechtfertigung,
öffentliche Rechtfertigung
und unbeschreibliche Herrlichkeit.
All dies hing von der Frage ab, ob die
Thessalonicher klar erfassen würden, dass der »Tag des Herrn«,
Gegenstand vieler Weissagungen (wie es die
jüdischen falschen Lehrer deutlich herausstellten)
im Blick auf Zeitpunkt und Zweck von der
Entrückung (parousia) völlig verschieden war,
die nicht der Gegenstand
alttestamentlicher Weissagung, sondern neutestamentlicher
Offenbarung war.
Die Entrückung, und überhaupt die
Gemeinde, haben keinen Platz in den Schriften des AT.
Die Entrückung würde sie aus dieser Welt –
Szene herausnehmen und vor dem »kommenden Zorn« erretten (1Thes
1,10);
der Zorn aber würde absolut sicher über
die Erde kommen, sogar noch ehe diese geliebten Heiligen mit dem
Herrn bei
Seinem Erscheinen in Macht und großer
Herrlichkeit wiederkommen würden (2Thes 1,10).
Wie frohmachend muss es deshalb für ihre
verängstigten Herzen gewesen sein, wenn sie von der
majestätischen Macht des Herrn bei Seinem Erscheinen lasen,
wenn Er den richtet, der jede böse gegen
sie gerichtete Macht verkörpert,
»den der Herr Jesus vernichten wird mit
dem Hauch seines Mundes« (so der Grundtext).
Die ganze Passage ist voll von dem
Gedanken der gemächlichen Majestät göttlicher Kontrolle und
unendlicher Macht.
Ja, was ist in der Tat schon der Mensch
gegenüber »unserem Gott«?
Das Wort »verzehren« ist analôsei und
»vernichten«, das wir oben vorgezogen haben, ist anelei; die
Lesart ist unsicher.
»Vernichten« wird zumeist von
zuverlässigen Herausgebern vertreten, andererseits liest
Dan 7,26 »zerstören«, ein stärkerer
Ausdruck, der mehr in die Richtung von »verzehren« weist.
»Durch den Hauch seines Mundes« ist ein
Zitat aus Jes 11,4; siehe auch Jes 30,33; Ps 33,6.
Die Worte zeigen die Leichtigkeit mit der
der Herr Jesus mit dem fertig wird, der sich so über die Maßen
gebrüstet hatte.
Der Ausdruck illustriert den
entscheidenden Urteilsspruch des Richters aus der Herrlichkeit
und Macht Seiner heiligen Empörung heraus.
Es ist nicht der gleiche Gedanke wie das
Schwert, das in Offb 19,15 aus Seinem Mund hervorgeht,
das Ihn als den mächtigen Krieger
kennzeichnet.
Vielmehr wird hier von Seiner Macht in der
schnellen Ausübung des Gerichts gesprochen.
Es bestehen einige Zweifel im Blick auf
das Textzeugnis für den Einschluss von »Jesus«; aber das
geschieht nicht nur von den meisten Gelehrten,
sondern sein Platz hier ist auch sehr
treffend. Gottes Mann, »geboren von einer Frau, geboren unter
Gesetz«,
der jedes einzelne Wort davon erfüllte, der
im Namen Seines Vaters kam,
sich in gehorsamem Dienst dem Willen des
Vaters unterwarf und jedes Angebot der Macht von Seiten Satans
ablehnte,
richtet mit dem Hauch Seines Mundes mit
vollkommener Leichtigkeit den, der Ihn vergeblich fälschlich
nachzuahmen versuchte.
»Vernichten« (katargeô)
sollte besser übersetzt werden mit
»nutzlos, wirkungslos, unwirksam machen«; vgl. Röm 3,3; 4,14;
1Kor 1,28; Gal 3,17; Eph 2,15.
Es spricht nicht nur davon, dass dieser
abscheuliche Frevler zunichte gemacht wird, sondern auch all
das, was irgendwie mit ihm verbunden ist.
»Durch die Erscheinung seiner Ankunft«,
die epiphaneia Seiner parousia, das Ausstrahlen Seiner
Gegenwart, ist ein Beispiel dafür,
wie parousia in Verbindung mit etwas
anderem als der Entrückung gebraucht wird;
denn dies hier ist natürlich das Erscheinen
des Herrn in Macht und großer Herrlichkeit. Epiphaneia ist das
Ausstrahlen, Aufleuchten und wird
2. Thessalonicher 2,8-10 1172
gebraucht bezogen auf einen Monarchen,
einen Gott, eine Militärmacht und den Herrn; siehe 1Tim 6,14;
2Tim 4,1.8; Tit 2,13.
Es drückt den Glanz aus, der sich bei
Seinem Kommen entfaltet,
obwohl der Gebrauch des Wortes immer auch
den Gedanken der Plötzlichkeit des Ereignisses mit anzudeuten
scheint.
Bei der Verwendung zusammen mit parousia,
wie hier, spricht es von der herrlichen Offenbarung Seiner
Gegenwart.
Der Gebrauch dieser beiden Wörter, von
denen jedes auch an anderer Stelle für Sein Kommen verwendet
wird, soll dieses Geschehnis in Kontrast zur Entrückung setzen.
Die Entrückung ist für die Welt unsichtbar;
wenn Er aber zum Gericht kommt, wird es allen offenbar sein.
»Epiphanie«, sagt Bloomfield, »wird sowohl
in der Schrift wie auch bei den Klassikern zum Ausdruck
göttlicher Majestät gebraucht«.
Und Bengel vertritt den gewichtigen
Gedanken, dass das Wort die »erste Morgendämmerung« Seiner
Erscheinung deutlich macht,
den Augenblick unmittelbar vor Seiner
tatsächlichen Gegenwart auf der Erde, ähnlich wie das erste
Licht der Morgendämmerung zeigt,
dass der Tag angebrochen ist, obwohl er
als noch kommend betrachtet wird.
Dieser Gedanke intensiviert die feierliche
Majestät des beschriebenen Geschehens, denn schon der erste
Bruchteil Seiner Erscheinung vernichtet den Gesetzlosen.
9_Nachdem nun die Heiligen in der
Sicherheit ihrer Stellung in diesen Dingen befestigt und die
Leichtigkeit beschrieben wurde, mit der der Mensch der
Gesetzlosigkeit weggetan werden wird,
fährt Paulus mit einigen Einzelheiten über
ihn fort. »Ihn« wurde von Elberf nur der Verbindung halber
eingefügt, es steht nicht im Grundtext.
»Dessen« bezieht sich auf »den« von V. 8,
also auf den Gesetzlosen;
»Ankunft« (parousia) ist mehr die
Gegenwart als der Prozess der Ankunft.
Wie grauenvoll ist der Gedanke bei der
Verwendung dieses Wortes, ebenso wie des Ausdrucks
»geoffenbart«, für den Menschen der Gesetzlosigkeit.
Er zeigt, dass Satan »seinen Mann« im
Nachäffen des Kommens Christi einführen wird.
Dies kennzeichnet das Ereignis als ebenso
bedeutsam für alle Bosheit und Ungerechtigkeit, wie es das
Kommen des Herrn für die heiligen Ratschlüsse Gottes ist.
»Ist« deutet hier nicht ein Ereignis an,
das bereits geschehen ist, wie der obige Kontext zeigt, sondern
ist vielmehr eine Aussage über das moralische Prinzip, das in
dieser Weissagung zum Tragen kommt.
Wie Alford sagt, geht es nicht darum, dass
der Apostel seine Gedanken auf den prophetischen Zeitpunkt
projiziert,
wenn das Ereignis stattfinden wird,
sondern auf den grundsätzlichen Charakterzug, der darin zum
Tragen kommt, nämlich das Wirken satanischer Macht.
»Wirksamkeit« (energeia, woher wir unser
Wort »Energie« ableiten) wird in der Schrift für Macht in Aktion
verwendet, besonders göttliche Macht;
siehe Eph 1,19-20; 3,7; 4,16; Phil 3,21;
Kol 1,21.
Hier ist es die Wirksamkeit »Satans«. So
ist der Gedanke hier also der, dass die »Ankunft« oder
»Gegenwart« dieses Mannes von der Art ist,
wie man sie von der Wirksamkeit satanischer
Macht erwarten kann.
Der folgende Ausdruck »in« (en, in, mit
oder durch) aller (jeder Art von) Macht und Zeichen und Wundern
der Lüge (pseudos, Lüge, Falschheit, Betrug),
beschreibt das Wesen dieser Wirksamkeit.
Obwohl »Macht« in der Einzahl und
»Zeichen« und »Wunder« in der Mehrzahl stehen, gibt es
grammatikalisch keinen Einwand,
warum »Lüge« (oder »Falschheit«) nicht mit
allen drei Ausdrücken verbunden werden könnte; aber es ist
besser,
die Macht Satans als real an-
1173 2. Thessalonicher 2,8-10
zusehen (also nicht »Macht der Lüge«), und
»Lüge« nur auf Zeichen und Wunder zu beziehen. So wird also
geoffenbart, dass Satan nicht nur hinter diesem Gesetzlosen
steht,
sondern auch die Quelle all seiner
betrügerischen Fähigkeiten ist.
Es ist beachtenswert, dass er Mittel
verwendet, die in Hebr 2,4 Christus und in Röm 15,19 den Jüngern
zugeschrieben werden.
In Apg 2,22 werden Machttaten, Zeichen und
Wunder mit dem Erweis Christi als Messias durch Gott in
Verbindung gebracht.
Siehe auch Mt 24,24 wo der Herr Jesus
diese Dinge als Kennzeichen falscher Christi nennt.
Macht (dynamis) drückt die übermenschliche
Quelle aus,
»Zeichen« den Zweck ihrer Entfaltung
und »Wunder« die Auswirkung auf den
Betrachter, der überzeugt wird, dass er Zeuge von etwas
Unerklärlichem geworden ist.
Satan ist ein Nachahmer.
Er versucht die Ratschlüsse Gottes zu
verfälschen, denn als Lügner kann er keine Wahrheit einführen;
deshalb versucht er sie zu kopieren und sie durch Lügen zu
verzerren und verderben.
Gottes Ratschlüsse sind zusammengefasst in
einem Menschen, wenn auch in einem einzigartigen Menschen,
deshalb versucht Satan das gleiche.
Bei seiner Begierde, Gott zu ersetzen und
sich selbst weltweit verehren zu lassen, handelt er durch einen
Menschen,
den Menschen der Gesetzlosigkeit, den
Antichristen, das zweite Tier von Offb 13.
Es gibt kein besseres Operationsfeld als
die verderbte Religion, in welcher das Geheimnis der
Gesetzlosigkeit sich jetzt voll entfaltet hat.
10_Der Gedanke von V. 8-9 wird
weitergeführt: »und in allem Betrug der Ungerechtigkeit.« Jede
Art von Betrug, der seine Quelle in der Ungerechtigkeit hat
und deshalb seinen Charakter davon
ableitet (d.h. von dem Betrüger, der vom Garten Eden an die
Menschen mit seiner Falschheit gefangenzunehmen suchte),
alle Heimtücke, Verschlagenheit und List
des Erzbetrügers wird ohne Skrupel angewandt.
Obwohl der Ausdruck »aller Betrug der
Ungerechtigkeit« allumfassend ist, weist er doch in ganz
besonderer Weise auf die Aktivitäten
des zweiten Tieres in Offb 13,14-18 hin im
Blick auf das redende, atmende Bild und das Malzeichen 666.
Der Grundton all dieser Aktivitäten ist,
wie immer bei der Wirksamkeit Satans, Falschheit und Betrug.
Beachten wir, wie diese betrügerischen
satanischen Mittel ihre Wirksamkeit entfalten »in denen (oder
’für die’), die verloren gehen«,
die fortlaufende Zeitform der Gegenwart,
ebenso wie 1Kor 1,18-20 (siehe dort), sie befinden sich bereits
auf festem Kurs ins Verderben,
»darum dass sie die Liebe zur Wahrheit
nicht annahmen«
(die Zeitform der Vergangenheit verweist
auf die Zeit Seines Erscheinens) »damit sie errettet würden«
(vgl. 1Kor 16,22).
Um die grauenvolle Bedeutung dieser ganzen
Aussage zu erfassen, müssen »die, die verloren gehen« als Klasse
für sich als der Gegenstand der Wirksamkeit Satans (V. 9)
und der Gesetzlosen als Instrument dazu
gesehen werden.
Die Verlorengehenden sind keine »armen
Betrogenen«, denn sie haben eine bewusste Entscheidung getroffen
und die Wahrheit (im Blick auf die Errettung) verworfen.
Stellen wir dies 1Thes 2,13 gegenüber, denn
die Bedeutung hier ist, dass sie die Wahrheit nicht aufnahmen,
wie ein Gastgeber einen erwünschten Gast willkommen heißen
würde;
dies nämlich ist der Sinn von dechomai
(jemand freundlich, zuvorkommend, erwartungsvoll aufnehmen,
jemand bewusst einladen).
Sie »nahmen« auch etwas »freudig auf«,
aber nicht das Wort Gottes; sie haben eine andere Wahl
2. Thessalonicher 2,11-12 1174
getroffen, und das willentlich und
endgültig, und haben den Vorspiegelungen des Verführers
nachgegeben.
Sie sind von Gott Abgefallene ebenso wie
der Sohn des Verderbens, der mit ihnen umkommen wird, ebenso die
Ablehner der Wahrheit;
für sie gilt auch das Urteil von Joh 8,44.
Die Wahrheit kam, wurde ihnen angeboten,
und sie haben sie verworfen, sie wollten stattdessen lieber den
Lüsten ihres Vaters, des Teufels, frönen.
Es sind solche wie in Mt 13,15, wo das Wort
»bekehren« oder »umkehren« (Interlinear, MNT) andeutet,
dass sie sich von einmal gekannter
Wahrheit abgekehrt haben.
Sie haben die Wahrheit verworfen, ja sogar
die Wahrheit in Person, und haben die Lüge in Person freudig
willkommen geheißen.
Sie haben das Licht verworfen und die
Finsternis vorgezogen; sie haben Gott abgelehnt und sich für
Satan entschieden;
sie haben Christus verachtet und beugen
sich jetzt vor dem Antichristus.
Das sind diejenigen, die »Gott nicht kennen
und dem Evangelium nicht gehorchen« (1,8),
und »vollständige Vergeltung« erfahren
werden.
Unsere Haltung zur Wahrheit zeigt, wer wir
sind, und entscheidet damit über unser letztendliches Schicksal
als errettet oder verloren.
Wir können nicht sowohl die Wahrheit als
auch die Falschheit lieben, und weil die Wahrheit oft verwundet,
züchtigt, demütigt, neigt sich das Fleisch
dem scheinbar bequemeren Pfad zu, aber dies ist ein Weg voller
Fallgruben des Teufels.
Das Wort »darum dass« (anth’ hôn), mit der
Bedeutung »anstelle von, als Vergeltung für etwas« ist äußerst
lehrreich.
Es verweist nicht nur auf den Grund für
ihren Zustand, sondern auch durch die schriftgemäße Verwendung
auf den Grundsatz gerechter Vergeltung.
Eine ähnliche Verwendung des Ausdrucks
finden wir in Apg 12,23, wo Gott Herodes mit tödlicher Krankheit
schlägt,
»darum dass« (anth’ hôn) er nicht Gott die
Ehre gab.
Wie wir säen, so ernten wir. »Die Liebe zur
Wahrheit« ist ein einzigartiger Ausdruck im NT und kennzeichnet
den Unterschied zwischen voller
Annahme des Evangeliums und bloßer,
verstandesmäßiger Zustimmung.
Die, »die verloren gehen«, taten weder das
eine noch das andere.
6. Die Ergebnisse – jetzt und dann am Ende
(2,11-12) 11_Der Apostel setzt nun seine Schilderung fort und
beschreibt den »Lohn« derer,
die sich willentlich haben betrügen lassen.
»Und deshalb« (oder »aus diesem Grund«),
d.h. weil sie die Liebe zur Wahrheit, zu ihrer Errettung, nicht
angenommen haben,
weil sie Gott verworfen,
Christus verworfen,
das Kreuz ignoriert haben,
taub geblieben sind gegenüber dem
Evangelium der Gnade Gottes und,
wie das Volk Israel, »diesen Menschen«
nicht haben wollten, sondern einen anderen erwählten,
willkommen hießen, vorzogen, deswegen
»sendet ihnen Gott« (beachten wir wieder
das Präsens in Verbindung mit »denen, die verloren gehen«)
eine »wirksame Kraft« (energeia, das
gleiche Wort wie »Wirksamkeit« in V. 9) des Irrwahns.
Das Zeitwort, obwohl im Präsens, verweist
nicht auf eine gegenwärtig ablaufende Handlung,
sondern spricht von der moralischen
Konsequenz als grundlegendes Prinzip des Handelns Gottes, wie zu
allen Zeiten.
Es ist nicht so, dass Gott dies (die Kraft
des Irrwahns) zulässt, sondern dass Er angesichts ihrer
Ablehnung der Gnade moralisch handelt,
indem er sie sendet. »Ihnen« bezieht sich
auf die »Verlorengehenden«, und es ist wichtig zu beachten,
dass dies ihre endgültige Klassifikation
ist.
Sie haben die Liebe
1175 2. Thessalonicher 2,11-12
zur Wahrheit abgelehnt, und in Konsequenz
dieser Tatsache handelt Gott.
Gottes »Senden« wird bestimmt durch ihr
»Nichtannehmen« (Joh 12,36-50 ist ein ernster Kommentar zu
diesem Umstand).
Gott verführt sie nicht in einen
bestimmten Zustand, sondern handelt aufgrund ihres Zustands und
gibt ihnen als ihr Teil das,
was sie ohnehin erwählt haben, wenn Er auch
zugelassen hat, dass sie sich eine Zeitlang daran erfreuten.
Dieses göttliche Prinzip sehen wir in der
Geschichte Israels; es ist das Thema von Röm 1.
Die Sünde selbst bringt ihr eigenes Gericht
mit sich und auch das letztendliche Gericht über sie im Tod.
Gott lässt sich nicht spotten; es ist die
Sünde, die ihren Spott mit den Sündern treibt.
Das ist nicht der letzte gerichtliche Akt
Gottes, er geschieht aber im Hinblick auf diesen;
als Sünder sind sie »schon gerichtet«,
aber das Gericht »nach ihren Werken« (Offb 20,12) steht noch
aus.
So erlegt Gott ihnen also die moralische
Konsequenz ihres Zustands auf im Blick auf jene letzte
endgültige Verdammung.
Albrecht (»lässt Gott Verführung über sie
kommen«), Einh (»lässt Gott sie der Macht des Irrtums
verfallen«),
Hoffnung (»überlässt sie Gott ihrem
Irrtum«) gehen am eigentlichen Punkt vorbei,
denn – wie auch Alford sagt – hat der
Grundtext nicht diese passive Bedeutung, sondern spricht von der
aktiven Ursache: »sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft
(gleiches Wort wie
V. 9) des Irrwahns« (Elberf, vgl. Bruns,
Interlinear, Jerusalemer, Konkordante, Luther ’12, ’56, ’84,
Menge, MNT, Rev.Elberf, Schlachter, Wilckens, Zürcher, Zink).
Die Position des Menschen ist, dass die
Sünde ihn von Gott getrennt hat; er lebt in Feindschaft mit
Gott, ist unter Gericht und verdammt zu ewiger Verlorenheit.
Nur Gnade, Gnade aus dem liebenden Herzen
Gottes, Gnade und Liebe, ausgedrückt im Opfertod des geliebten
Sohnes Gottes,
können die Kluft überbrücken,
so dass der Mensch in seinem grauenvollen
Zustand mit Gott versöhnt werden kann,
und nicht nur versöhnt,
sondern auch gerechtfertigt und – was unser
Begriffsvermögen völlig übersteigt – verherrlicht,
zu Söhnen gemacht,
angenehm gemacht in dem Geliebten.
Dies haben die »Verlorengehenden«
(Interlinear) abgelehnt. Das ist mehr als ein Missbrauch der
Gnade Gottes;
es ist ihre aktive Verwerfung und die
bewusste Entscheidung für etwas anderes.
In diesem verfestigten Zustand bringt der
Mensch letztendlich gerichtliche Konsequenzen seines
selbstgewählten Kurses über sich
und besiegelt dadurch das Resultat seiner
eigenen Machenschaften.
Er weist das Licht zurück und wählt die
Finsternis; nun, er wird Finsternis bekommen.
Er verhärtet sein Herz, verhärtet wird es
werden.
Er lehnt die Liebe zur Wahrheit ab, so wird
er den Lügengeist aufnehmen und die letzte und furchtbarste Lüge
des Götzendienstes
willkommen heißen und den Mann der
Gesetzlosigkeit anbeten.
Er hat das ewige Leben verachtet;
ewigen Tod wird er dafür bekommen.
Der Abgefallene, derjenige, der sich
bewusst von Gott abkehrt, hat keinen Weg zurück; sein Schicksal
wurde besiegelt,
zuerst von ihm selbst, und dann, als Folge
davon, von Gott. Der Gedanke ist zu grauenvoll, um darüber
nachzudenken,
aber die Sünde des Menschen und darüber
hinaus auch die Gerechtigkeit Gottes erfordern es.
Gottes Heiligkeit kann nicht ungestraft
herausgefordert noch Seine Gnade und Liebe missbraucht,
geschweige denn direkt verworfen werden,
ohne das furchtbare Urteil auf sich zu ziehen, das darauf folgt.
»Mit dem Ziel, dass sie glauben«,
so die wörtliche Übersetzung (eis to
pisteusai), zeigt das Objekt des Glaubens, nämlich
2. Thessalonicher 2,11-12 1176
»die Lüge« (beachten wir den bestimmten
Artikel!).
Die Lüge ist hier nicht Falschheit im
allgemeinen Sinn, sondern spricht hier, wie in der verwandten
Stelle in Röm 1,25 vom Götzendienst.
Hier ist es jedoch noch konkreter im
letztendlichen Sinn der Götze, auf den aller Götzendienst
hingewiesen hat,
nämlich der Mensch, der nach seiner
totalen Verwerfung Gottes (beachten wir den Abstieg in Röm 1 von
»vertauscht« – êllaxan, V. 23 – zu »völlig
ausgetauscht« – metêllaxan, V. 25) den Menschen als Gott
anbetet.
Es ist nicht unbegründet, in dem Ausdruck
»die Lüge« den Antichristen als deren Verkörperung zu sehen,
im Gegensatz zum Herrn Jesus als die
fleischgewordene »Wahrheit«.
Das ist die furchtbare Bedeutung von
»darum dass« in V. 10. Diese Menschen in
ihrer selbstgewählten Klasse als »die Verlorengehenden« werden,
da sie die Liebe zur Wahrheit nicht
(als willkommenen Gast) aufgenommen haben,
als Gericht dem Ergebnis der Wirksamkeit ihres eigenen Irrwahns
übergeben, mit dem Ziel, dass sie dem Gipfel der Lüge glauben.
Sie haben Gottes Christus verworfen; jetzt
werden sie dahingegeben, den Antichristus des Teufels zu
empfangen.
Beachten wir die »Wirksamkeit«, die
»Energie« der Gesetzlosigkeit (V. 7), Satans (V. 9), und Gottes
(V. 11).
Es ist jeweils das gleiche Wort energeomai
bzw. energeia, Kraft in Aktion; vgl. in 1Thes 2,13 das »Wirken«
des »wahrhaftigen« Wortes Gottes.
12_»Auf dass« (hina) deutet hin auf die
moralische Konsequenz, nämlich »sie gerichtet werden« (krinô,
vom gleichen Wortstamm wie »Gericht« in 1,5).
Das Ergebnis ist, dass sie verdammt
werden, diejenigen, die in ihrem Leben die »Verlorengehenden«
waren, müssen im Tod gerichtet und verdammt werden.
Es ist ernst, in dieser Handlung Gottes zu
sehen, wie er eben das Wirken Satans (V. 9-10) seine eigene
schreckliche Frucht im Gericht hervorbringen lässt.
Satans Wirken in den Menschen veranlasst
sie, Hals über Kopf zum letztendlichen Gericht über ihre Sünde
zu stürzen, wie wir es im Fall von Judas Iskariot sehen.
In »die der Wahrheit nicht geglaubt haben«
gebraucht Paulus eine für ihn ungewöhnliche Konstruktion;
es ist nicht eis mit dem Akkusativ, was
»sein Vertrauen setzen auf« bedeuten würde, sondern die
Verneinung mit dem Dativ.
Dadurch wirkt die Aussage viel stärker als
ein bloßes »sie vertrauten nicht auf« sondern weist auf eine
Weigerung, die Wahrheit in ihrer Gesamtheit anzunehmen.
Sie haben die Wahrheit Gottes direkt
verworfen.
Aber mehr noch, sie haben sogar
»Wohlgefallen gefunden an der Ungerechtigkeit«.
In 1Thes 2,8 wird das Wort mit »gefiel es
uns wohl« übersetzt; es könnte noch stärker übersetzt werden mit
»wir waren hocherfreut«, »wir waren begeistert«.
Wieder haben wir ein Wort, das nur in
dieser Stelle negativ gebraucht wird, denn sonst wird
»Wohlgefallen« immer im guten Sinn verwendet;
ausschließlich hier bezieht es sich auf
Ungerechtigkeit (vgl. 2Tim 3,4).
Diese »Verlorengehenden« haben nicht nur
die Wahrheit Gottes als wahr abgelehnt,
sondern haben sich auch mit bewusster
Entscheidung an der Ungerechtigkeit erfreut. Vgl. mit Röm
1,28-32 im Gegensatz zu 1.Kor. 13,6.
Die Schrift stellt die Wahrheit der
Ungerechtigkeit gegenüber; siehe Röm 2,8; 1Kor 13,6; Tit 3,3-5.
Wir können in diesem Gegensatz die
Abhängigkeit gerechten Verhaltens von der Annahme der Wahrheit
erkennen, und dass es dabei keine neutrale Zone gibt.
Diese Menschen, Abgefallene, die dem Licht
ihren Rücken zugewandt haben,
1177 2. Thessalonicher 2,13-14
erfreuen sich am Reich der Finsternis; da
sie die Gerechtigkeit verlacht haben, finden sie ihr Vergnügen
in allem, was Gott entgegengesetzt ist;
da sie Gott aktiv und willentlich
verworfen haben, genießen sie die Gemeinschaft des Teufels.
Das ist ihr willentlicher Zustand, die
bewusste Wahl derer, die – und das endgültig – als »die
Verlorengehenden« klassifiziert werden,
und dieser Zustand ist nicht das Ergebnis
des Handelns Gottes gegen sie, sondern seine Ursache.
Das Herz des Menschen offenbarte den
Menschen als getrennt von der Wahrheit, aber unter dem
Blitzstrahl ihres Gerichts.