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Auszug aus Ägypten

 

I) BEDEUTUNG DES AUSZUGS FÜR ISRAEL

 

1) Der A. war von so außerordentlicher Bedeutung für die Volkwerdung, daß die Schrift in ihren verschiedenen Teilen mehr als 60mal Bezug darauf nimmt (z.B. 5Mo 16,3 ; Ps 78,40-55 ; Am 4,10 ).

 

2) Etwa 100 Bezugnahmen zeigen, daß dieses Ereignis die Gottesvorstellung ganz entscheidend bestimmt hat: Der A. ist eine Großtat des Herrn. In ihm offenbart sich Jahwe als Retter: in Form von Bekenntnissen (grundlegend das Credo in 5Mo 26,5 ; 2Mo 32,11 ; 1Chr 17,21 ; Neh 9,9 ; Ps 80,9 ; Jes 31,3 ; Jer 2,6 ; Dan 9,15 ; Hos 12,14 ; Am 2,10 ) und von Selbstaussagen Gottes (etwa 80 Beispiele, z.B. 2Mo 3,8 ; 3Mo 11,45 als typischste Formel; Ri 2,1 ; 1Sam 8,8 ; 1Kön 8,16 ; Jer 7,22 ; Hes 20,5 ; Hos 11,4 ; Hag 2,5 ). Für den atl. Frommen offenbarte sich der Herr im A. in so eindeutiger Weise als der Erlöser, daß dieses Ereignis zum Bild für die Erlösung schlechthin werden konnte (z.B. Jes 19,19; 43,3 ; Sach 10,10 ). In der späteren Prophetie finden wir die Erwartung eines neuen A.s ( Hes 20,34 ; Jes 43,14; 51,10; 52,11 ), nämlich die Rückkehr der Verschleppten aus dem Exil. Daß der A. messianisch gedeutet werden konnte, zeigt u.a. die Verknüpfung mit Jesus Christus in Mt 2,15 (vgl. Hos 11,1; 2,17 ). Man kann beinahe sagen, daß der A. aus Ägypten für den atl. Frommen eine ähnliche Rolle spielte wie Tod und Auferstehung Jesu für die ntl. Gemeinde.

 

II) GESCHICHTLICHKEIT DES AUSZUGS

 

 

Dafür sprechen:

 

1) Die außerordentliche Häufigkeit der bibl. Bezugnahmen.

 

2) Ägypt. Einflüsse auf israelit. Personennamen (z.B. Moses, Pinhas, Hofni, Paschhur).

 

3) Die Bestätigung bibl. Ortsangaben durch die Altertumsforschung in Ägypten (z.B. Ramses, Pitom, Sukkot).

 

4) Die zuverlässige, durch die ägypt. Archäologie erhärtete Nachzeichnung ägypt. Verhältnisse in den betreffenden bibl. Berichten (z.B. 1Mo 40,1. 20;41,8. 30. 35; 46,6. 34; 50,2. 26 ).

 

5) Daß der A. in keiner ägypt. Quelle direkt erwähnt wird, verwundert heute nicht mehr, nachdem bei den Ägyptern das Verschweigen eigener Niederlagen öfter nachweisbar ist.

 

 

III) VORGESCHICHTE UND HERGANG DES AUSZUGS

 

 

Der bibl. Bericht findet sich in 1Mo 37-2Mo 14,31.

 

1) Josef kommt nach Ägypten (1Mo 37; 39-41 ).

 

2) Die Jakobsfamilie wird im Osten des Nildeltas ansässig ( 1Mo 45 ). Dauer des Aufenthalts: 400-450 Jahre (vgl. 1Mo 15,13-16 ; 2Mo 12,40 ; Apg 13,20 ; da Gal 3,17 die 215jährige Patriarchenzeit mit einzubeziehen scheint, käme man nach dieser Notiz auf eine Dauer von nur 215 Jahren; vgl.  Zeitrechnung IV, 3 ).

 

3) Die Nachkommen Jakobs werden als Bedrohung für Ägypten empfunden, deshalb zur Sklavenarbeit herangezogen und das Volk durch den Befehl, männliche Neugeborene zu töten, in seinem Fortbestand bedroht ( 2Mo 1 ).

 

4) Gott errettet Mose, läßt ihn zum Führer des Volkes heranbilden, beruft ihn und rüstet ihn aus ( 2Mo 2-5 ).

 

5) Pharao und die Ägypter werden durch 10 Plagen gezwungen, das Volk ziehen zu lassen ( 2Mo 7-12 ).

 

6) In einer Nacht, die das spätere Passafest vorbildet, brechen die Israeliten auf und gelangen auf Umwegen über die Lagerstätten Sukkot, Etam, Pi-Hahirot an das Schilfmeer ( 2Mo 12-14 ).

 

7) Pharao, der das Volk nun doch mit seinem Heer verfolgt, verliert seine Streitkräfte im Schilfmeer (es wird nichts darüber gesagt, daß er selbst mit umkommt!), während Israel durch Gottes wunderbare Fügung sicher hindurchgeleitet wird ( 2Mo 14 ).

 

 

 

IV) DATIERUNG DES AUSZUGS

 

 

(vgl. auch Zeitrechnung IV 2 ; Ägypten V D ).

 

1) Geht man von 1Kön 6,1 aus, wonach Salomo den Tempelbau zu Jerusalem 480 Jahre nach dem Auszug begann (nämlich 966 v.Chr.), so erfolgte der A. um 1446 v.Chr. Demnach wäre die Familie Jakobs vor 1800 v.Chr. nach Ägypten gekommen. Von 1400 v.Chr. an wäre die Landnahme unter Josua erfolgt. Der Pharao der Unterdrückung ( 2Mo 1,8 ) müßte Thutmosis III. gewesen sein (1490-1436 v.Chr.), der Pharao des A.s ( 2Mo 2,23 ) Amenophis III. (um 1400 v.Chr.). Diese Datierung hätte den Vorzug, daß sie mit den Angaben 1Kön 6,1 und Ri 11,26 übereinstimmt und den Ereignissen zwischen Auszug und Königszeit genügend Raum läßt.

 

2) Wahrscheinlicher ist aber eine andere Datierung, die davon ausgeht, daß Ramses II. der Pharao des A.s gewesen ist (sein Vater Sethos I.(1304-1290v Chr.)der Pharao der Unterdrückung?, denn nach 2Mo 1,11 , bauten die Hebräer zur Zeit Moses die Städte Pitom und Ramses. Auch archäologische Argumente sprechen für diese Datierung. Danach hätte der A. etwa zwischen 1280-50 v.Chr. stattgefunden, Jakobs Familie wäre um 1700 v.Chr. nach Ägypten gekommen und Josua um 1230 v.Chr. nach Kanaan einmarschiert. Allerdings wird nach dieser Berechnung die Zeit zwischen Auszug und Königszeit knapp. Das gilt in noch stärkerem Maße, wenn Ramses II. der Pharao der Unterdrückung und sein Nachfolger Merneptah (1224-1204 v.Chr.) der Pharao des A.s gewesen sein soll, wofür spricht, daß der Bau der Städte Pitom und Ramses ( 2Mo 1,11 ) sich unter der Regierung des Ramses vollzieht.

 

 

 

V) DIE AUSZUGSROUTE

 

 

1) Der A. nahm seinen Ausgang von Ramses oder Pi-Ramesse »Haus des Ramses« (vgl. 2Mo 1,11; 12,37 ; 4Mo 33,3 ). Ab 1100 v.Chr. heißt die Stadt Tanis. Sie wurde verschiedentlich mit Zoan ( 4Mo 13,22 ) gleichgesetzt, was jedoch unwahrscheinlich ist.

 

2) Das Volk wandte sich nun nicht auf direktem Wege über die alte Philisterstraße nach Kanaan, weil diese durch eine ganze Reihe von Grenzbefestigungen gesichert war, sondern etwa 50 km südwärts nach Sukkot (westl. des Timsah-Sees und etwa 13 km östl. von Pitom). Man hat Reste der Befestigungsanlagen von Sukkot ausgegraben.

 

3) Von dort ging es weiter südöstl. nach Etam, das nördl. der Bitterseen direkt am Rande der Wüste Schur lag. Über Etam (= Festung) führte, von On (Heliopolis) kommend, ebenfalls eine Straße nach Kanaan.

 

4) Nun wendete sich der Zug wieder nach W und S zurück, um den Pharao zu täuschen ( 2Mo 14,2 ) und gelangte an den dritten Lagerplatz »Pi-Hahirot zwischen Migdol (= Festung, Turm) und dem Meer, vor Baal- Zefon«.

 

Pi-Hahirot und Migdol werden in ägypt. Quellen genannt, sind aber bisher noch nicht sicher lokalisiert. Pi-Hahirot vermutet man südwestl. der Bitterseen. Migdol hat viell. am Dschebel Abu Hassan, ca. 20 km nordwestl. von Suez gelegen. Baal- Zefon war dann viell. der heutige Dschebel Murr, ca. 10 km nordwestl. von Suez, man hat aber auch an den Dschebel Ataka westl. von Suez gedacht.

 

5) Von Pi-Hahirot aus erfolgte der Durchzug durch das »Meer« ( 2Mo 14,9. 22 ). Dabei kann es sich kaum um das heutige Rote Meer gehandelt haben, das noch 20-30 km südlicher liegt. Vielmehr haben wir den Ort des Durchzugs wahrscheinlich irgendwo an oder südl. von den Bitterseen zu suchen, die damals noch in Verbindung mit dem Roten Meer standen

 

 

 

VI) DAS WUNDER DES DURCHZUGS

 

 

Man hat dafür eine Reihe von Erklärungsversuchen naturwissenschaftlicher Art bereit, die den Begriff des Wunders zu umgehen suchen (z.B. starke Ebbe, starker Wind, vgl. 2Mo 14,21). Die Schrift wird jedoch nicht müde zu betonen, daß der Durchzug erst durch ein unmittelbares Eingreifen Gottes möglich wurde (z.B. 2Mo 14,14. 16. 18-21. 26. 30; 15,6 ; 4Mo 33,3 ). Spekulationen darüber, inwieweit sich Gott dabei natürlicher Vorgänge bediente, sind überflüssig, weil sie das Letzte doch nicht erklären ( Wunder ).

 

 

 

VII) DIE ZAHL DER AUSZIEHENDEN

 

 

Nach 2Mo 12,37 belief sich die Zahl der ausziehenden Männer auf 600000, so daß die Gesamtzahl der Flüchtenden höher gelegen haben muß. Da die Sinaihalbinsel ein verhältnismäßig kleines und sehr unfruchtbares Gebiet ist, halten viele diese Zahlenangabe für zu hoch gegriffen. Es sei undenkbar, daß sich ein so großes Volk 40 Jahre lang in einem derartigen Gebiet ernähren konnte. Das haben nach den bibl. Berichten die Israeliten nicht nur ebenfalls gedacht, sondern auch erlebt; auch in dieser Frage erwies sich Gott als der helfende Wundertäter (2Mo 16; 17 ; 4Mo 20 ). Auch die Menge des Metalls, das die Israeliten für den Bau des Heiligtums und der Geräte spendeten (2Mo 38,21-24 ), liegt bei 600000 Männern durchaus im Rahmen des Möglichen, wird jedoch bei wesentlich geringerer Volkszahl unwahrscheinlich hoch.