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Jeremia Kp 1
Jeremia  Wallvoord für Youtube  
Verfasser:  Charles H. Dyer


AUSLEGUNG

 

I. Einleitung

( Jer 1 )

 

Das Buch Jeremia beginnt mit der Vorstellung des Propheten. Seine Herkunft und seine Berufung in den prophetischen Dienst bilden den Hintergrund des ganzen Buches.

 

 

A. Die Herkunft des Propheten

( 1,1 - 3 )

 

Jer 1,1

 

Jeremia informiert uns über seinen familiären Hintergrund (V. 1 ) und die Zeit seines Dienstes (V. 2 - 3 ). Er stammt aus dem Priestergeschlecht, und zwar aus der Linie Aarons. Sein Vater, Hilkija , ist vermutlich nicht mit dem Hohenpriester Hilkija identisch, der während der Regierungszeit Josias eine Abschrift des Gesetzes entdeckte ( 2Kö 22,2-14 ). Offensichtlich war der Name "Hilkija" recht gebräuchlich, denn im Alten Testament werden verschiedene Männer, die alle Priester oder Leviten waren, so genannt ( 1Chr 6,30-31; 26,10-11; 2Chr 34,9-22; Neh 12,7; Jer 1,1 ).

Jeremias Heimatort war Anatot im Lande Benjamin . Das Dorf Anatot lag etwa fünf Kilometer nordöstlich von Jerusalem. Das Land Benjamin grenzte an das Land Juda. Die Grenzlinie zog sich von Osten nach Westen hin und lief an Jerusalem vorbei (vgl. Jos 18,15-16 ). Josua hatte Anatot den Priestern vermacht ( Jos 21,15-19 ). Salomo schickte den Priester Abjatar nach Anatot in die Verbannung, weil er Adonija als Nachfolger Davids unterstützt hatte ( 1Kö 1,7; 2,26-27 ).

 

 

Jer 1,2-3

 

Jeremia war als Priester geboren worden. Aber er wurde ein Prophet, als er das Wort des HERRN empfing. Ein Prophet ist ein Mensch, durch den Gott direkt zu seinem Volk spricht. Die Berufung Jeremias durch Gott geschah im dreizehnten Jahr der Regierung Josias. Josia wurde 640 v. Chr. König von Juda. Sein dreizehntes Jahr war also das Jahr 627 v. Chr. Josia war der letzte König von Juda, der vor Gott gerecht war. Die Könige, die nach dem vorzeitigen Tod Josias im Jahre 609 v. Chr. den Thron bestiegen, waren allesamt dieser Aufgabe unwürdig. Jeremia blieb der Sprecher Gottes bis ans Ende des elften Jahres Zedekias . Das war im Juli / August 586 v. Chr. Jeremias Wirken währte also mindestens 41 Jahre lang. Diese Aussage bezieht sich aber vermutlich auf den Dienst Jeremias am Volk von Juda, bis Jerusalem weggeführt wurde, denn Jer 39,11- Jer 44,30 berichten über Ereignisse während Jeremias Dienst, die nach August 586 stattfanden.

 

 

B. Die Berufung des Propheten

( 1,4 - 10 )

 

Jer 1,4-5

 

Die göttliche Berufung Jeremias als Prophet enthielt, auch wenn sie nur kurz war, eine Botschaft, die ihn ermutigen sollte, diese Aufgabe zu übernehmen. Gott offenbarte ihm, daß er ihn, Jeremia, auserwählt habe, ehe er ihn im Mutterleib bereitete . Das Wort kannte ( yADaZ ) bedeutet weit mehr als ein intellektuelles Kennen. Es wurde für die intimste Beziehung zwischen einem Mann und seiner Frau (vgl. 1Mo 4,1 ) benutzt und drückte ein enges, persönliches Verhältnis ("erkannt"; Am 3,2 ) und Schutz ( Ps 1,6 ) aus. Bevor Jeremia empfangen wurde, war er bereits von Gott auserwählt worden, um Israel sein Wort zu verkünden.

Gott sonderte Jeremia für diesen Dienst aus. Das Verb, das mit "aussondern" übersetzt wird ( qADaS ), bedeutet, jemanden oder etwas für eine bestimmte Aufgabe beiseite stellen. Menschen oder Dinge, die "ausgesondert" (oder geheiligt) wurden, um von Gott benutzt zu werden, waren z. B. der Sabbat ( 2Mo 16,23; 20,8 ), die Stiftshütte und ihre Einrichtung ( 2Mo 29,44; 40,9 ) und die Priester ( 2Mo 29,1; 30,30 ). Gott hatte Jeremia von der Empfängnis an gekennzeichnet und für eine besondere Aufgabe aufbewahrt. Er hatte ihn zum Propheten für die Völker bestimmt. Auch wenn Jeremia das Wort Gottes zunächst an Juda richtete ( Jer 2-45 ), ging sein Dienst als Sprecher Gottes doch weit über Juda hinaus und richtete sich auch an die heidnischen Völker ( Jer 46-51 ).

 

 

Jer 1,6

 

Jeremia reagierte auf Gottes Weisung mit einer gewissen Unsicherheit. Er wandte zunächst ein, er tauge nicht zu predigen . Damit wollte er nicht sagen, daß er körperlich nicht in der Lage sei zu reden. Vielmehr meinte er damit einen Mangel an Beredsamkeit und spachlichen Fähigkeiten, wie sie für einen solchen Dienst in der Öffentlichkeit unerläßlich waren.

Aber er wandte auch ein, daß er zu jung ( naZar ) sei. Dieses Wort wurde für Kinder ( 2Mo 2,6; 1Sam 4,21 ) und junge Männer ( 1Mo 14,24 ) benutzt. Jeremias Alter wird nicht genannt, aber er war zu dieser Zeit vermutlich knapp oder etwas über 20. Indem er das Wort "Kind" benutzte, wollte Jeremia seine mangelhafte Erfahrung deutlich machen. Er fühlte sich nicht darauf vorbereitet, Gottes Bote für die Völker zu werden.

 

 

Jer 1,7-10

 

Gott gab auf Jeremias Einwände drei Antworten. Erstens betonte er, in wessen Autorität Jeremia handeln solle. Jeremia konnte seine Unerfahrenheit nicht als Argument benutzen, um sich vor dieser Aufgabe zu drücken. Er würde sich weder seine Zuhörerschaft noch seine Botschaft aussuchen können. Vielmehr sollte er zu jedem gehen, zu dem Gott ihn senden, und alles predigen, was Gott ihm gebieten würde. Jeremia mußte kein sprachgewandter Politiker sein - er sollte einfach ein treuer Bote sein.

Zweitens unterstrich Gott, daß er den zukünftigen Propheten bewahren werde. Offensichtlich fürchtete Jeremia um seine persönliche Sicherheit. Und ganz bestimmt waren seine Befürchtungen darauf gegründet, daß er seine Zeit gut kannte, denn die Menschen versuchten später wirklich, sich seiner zu entledigen (vgl. Jer 11,18-23; 12,6; 20,1-2; 26,11; 37,15-16; 38,4-6 ). Aber Gott ließ Jeremia wissen, daß er sich vor ihnen nicht zu fürchten brauche, denn er selbst werde an seiner Seite stehen. Die Menschen würden versuchen, Jeremia zu töten, aber Gott versprach, ihn zu erretten.

Drittens schließlich zeigte Gott Jeremia die Grundlage seiner Botschaft. Jeremias Berufung muß in Form einer Vision erfolgt sein (vgl. Hes 1,1 ), denn er schreibt, daß der Herr seine Hand ausstreckte und Jeremias Mund berührte. Diese sichtbare Manifestation Gottes war eine Gegenstandslektion für Jeremia. Sie sollte ihm zeigen, daß Gott selbst seine Worte in Jeremias Mund legen würde. Jeremia brauchte sich nicht darum zu kümmern, was er sagen sollte. Gott würde ihm die Worte eingeben, die er sprechen sollte.

Nun faßte Gott den Inhalt der Botschaft Jeremias zusammen ( Jer 1,10 ). Sie würde eine Botschaft sowohl des Gerichtes als auch des Segens für Völker und Königreiche sein. Gott gebrauchte zwei Bilder, um Jeremias Auftrag zu beschreiben (vgl. Jer 31,28 ,wo dieselben Bilder noch einmal auftauchen). Er verglich Jeremia mit einem Bauer und sagte, daß er ausreißen (Gericht ankündigen) und pflanzen (Segen verheißen) werde. Ferner verglich er ihn mit einem Baumeister und sagte, daß er einreißen, zerstören, verderben (Gericht ankündigen) und bauen (Segen verheißen) werde.

 

 

C. Die bestätigenden Visionen des Propheten

( 1,11 - 16 )

 

Gott bestätigte die Berufung Jeremias, indem er ihm zwei Visionen gab. Die erste (V. 11 - 12 ) spricht von der Art der Botschaft, die Jeremia überliefern sollte, und die zweite (V. 13 - 16 ) zeigt den Inhalt dieser Botschaft.

 

 

1. Der erwachende Zweig

( 1,11 - 12 )

 

Jer 1,11

 

Gottes erste bestätigende Vision ließ Jeremia einen erwachenden Zweig , d.h. den Zweig eines Mandelbaumes, sehen. Das hebräische Wort für "Mandelbaum" ist SAqED . Dieses Wort ist abgeleitet von dem Wort "wachen", "aufwachen" ( SAqaD ). Der Mandelbaum wurde "erwachter Baum" genannt, weil er in Palästina der erste Baum im Jahr ist, der blüht und Früchte trägt. Seine Blüten kommen noch vor seinen Blättern, und er beginnt bereits Ende Januar zu blühen.

 

Jer 1,12

 

Der Zweig war ein Bild für Gott, der darüber wachen wollte, daß sich sein Wort erfüllte. Gott benutzte ein Wortspiel, um den Mandelbaumzweig mit seinem Handeln zu verknüpfen. Das Wort "wachen" ist SOqED , ein Wort, das mit dem hebräischen Substantiv für "Mandelbaum" verwandt ist. Jeremias Vision des "wachen Baumes" erinnerte ihn daran, daß Gott wach war und über seinem Wort wachte, damit es sich auch wirklich erfüllte.

 

 

2. Der siedende Kessel

( 1,13 - 16 )

 

Jer 1,13

 

Die zweite bestätigende Vision ließ Jeremia einen siedenden Kessel sehen. Dieser Kessel war ein großes Gefäß, das offensichtlich auf einem Feuer stand, denn er war "siedend" (wörtl.: "angeblasen", nAPUaH , was einen Wind oder Hauch meint, der in das Feuer bläst, damit es den Inhalt des daraufgestellten Kessels zum Sieden bringt). Jeremia sah den Kessel überkochen von Norden her . Sein Inhalt würde sich also nach Süden hin ergießen.

 

 

Jer 1,14-16

 

Der siedende Kessel war ein Bild für das Unheil, das losbrechen würde über alle, die im Land wohnten . Die Richtung, aus der der Kessel überkochte, bezeichnete die Völker der Königreiche des Nordens, die Gott versammelte, um das Volk von Juda zu bestrafen. Manche Ausleger meinen, daß Gott hier von einer skythischen Invasion sprach, aber es ist wohl besser, diese Botschaft als einen Hinweis auf den bevorstehenden Angriff Babylons und seiner Verbündeten zu deuten (vgl. Jer 25,8-9 ). Zwar lag Babylon geographisch gesehen im Osten , aber die Invasionstruppen folgten bei ihrem Marsch gegen Juda den Handelswegen entlang des Euphrats. Diese Heere kamen daher von Norden her (vgl. Jer 4,6; 6,1.22; 10,22; 13,20; 15,12; 16,15; 23,8; 25,9.26; 31,8; 46,24; 47,2; 50,3.9.41 ). Sie würden ihre Throne vor die Tore Jerusalems setzen . Die Stadt würde also von ihnen eingenommen werden. Jeremia berichtet über die Erfüllung dieser Prophetie in Jer 39,2-3 ,nachdem die Babylonier Jerusalem besiegt haben.

Judas Eroberung durch Babylon sollte ein Gericht Gottes für den Götzendienst in Juda sein. Weil sie Gott verlassen und ihrer Hände Werk angebetet hatten, hatten die Menschen in Juda ihren Bund mit Gott gebrochen (vgl. 5Mo 28 ). Die Sünde Judas führte zu seinem Untergang.

 

 

D. Die Herausforderung des Propheten

( 1,17 - 19 )

 

Jer 1,17-19

 

Nachdem Gott ihm seine Aufgabe erklärt hatte, rief er Jeremia dazu auf, die Herausforderung anzunehmen. So gürte nun deine Lenden und mache dich auf! mahnte er ihn (vgl. 2Mo 12,11; 2Kö 4,29; 9,1; Lk 12,35; Eph 6,14; 1Pet 1,13 ). Gott würde ihm die nötige Kraft geben, um dem Volk von Juda entgegenzutreten. Durch Gottes Befähigung würde Jeremia zur festen Stadt, zur eisernen Säule, zur ehernen Mauer werden. Jeremia würde Gottes Kraft zum Widerstand gegen die Angriffe benötigen, denn alle Menschen würden sich gegen seine Botschaft stellen. Sie würden wider Jeremia streiten, aber Gott versicherte ihm, daß sie ihm nichts anhaben könnten.