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Die besondere Erwählung "Darum, liebe Brüder. tut desto mehr Fleiß, euren Beruf und Erwählung fest zu machen. 
Denn wenn ihr solches tut, werdet ihr nicht straucheln. Und also wird euch reichlich gewährt werden der Eingang zu dem ewigen Reich unseres Herrn 
und Heilandes Jesus Christus". 
2 Petrus 1, 10. 11.

Diese Predigt wurde kurz vor einer Parlamentswahl gehalten.

Es ist äußerst wünschenswert, daß unsere Seele in den Stunden des Gottesdienstes und in dem Haus der Anbetung so viel wie möglich von jedem weltlichen Gedanken frei sei. Obwohl das Geschäft der Woche es von uns verlangen mag, Eingriffe in den Sabbat zu machen, so ist es doch unsere Aufgabe, den Sabbat vor dem Eindringen weltlicher Sorgen zu hüten, wie wir eine Oase vor der Verschüttung mit Sand schützen würden. Ich habe aber gefühlt, daß wir uns heute in einer besonders schwierigen Lage befinden würden, wenn wir versuchten, unsere Gedanken auf geistliche Dinge zu lenken; denn, was die Zerstreutheit der Gedanken anbelangt, so ist vielleicht von allen Zeiten die Zeit der Wahlen die ungünstigste für die Erbauung im Heiligtum. Für die meisten Menschen sind die politischen Sachen so wichtig, daß sie nach dem Treiben der Woche, verbunden mit den so sehr aufregenden Wahlen, ganz natürlich dazu neigen, dieselben Gedanken und Gefühle in das Gebetshaus hinein zu bringen und am Ende gar am Ort der Gottesverehrung darüber nachzusinnen, ob ein Konservativer oder Liberaler in unserem Wahlkreis gewinnt oder ob für die Stadt London Lord John Russel, Baron Rothschild oder Mr. Currie gewählt werden wird. Ich dachte heute morgen: es wird nichts nützen, wenn ich versuche, diesen großen Zug in seinem Lauf aufzuhalten. Die Leute gehen gerade jetzt mit Eilzug-Geschwindigkeit in diesen Dingen vorwärts; ich denke, es wird weise sein, wenn ich, anstatt mich zu bemühen, sie von der Bahn abzubringen, nur den Kurs ändere, so daß sie immer noch mit derselben Geschwindigkeit fahren können, aber in einer anderen Richtung. Es wird dieselbe Bahn sein; sie werden immer noch eifrig auf die Wahl zueilen, aber möglicherweise besitze ich einiges Geschick, den Kurs zu ändern, so daß sie imstande sein werden, die Wahl in einem ganz, anderen Licht zu betrachten. 
Als Whitefield einst gebeten wurde, seinen Einfluß bei einer allgemeinen Wahl zu gebrauchen, gab er Seiner Lordship die Antwort zurück, daß er sehr wenig von allgemeinen Wahlen wisse, aber wenn Seine Lordship seinen Rat annehmen wolle, so möge er seinen eigenen besonderen ,Beruf und Erwählung" fest machen; was eine sehr passende Bemerkung war. Ich möchte allerdings nicht zu irgendeinem Anwesenden sagen: Verachte das Vorrecht, das du als Bürger hast. Fern sei es von mir, das zu tun. Wenn wir Christen werden, hören wir nicht auf, Engländer zu sein; wenn wir Bekenner der Religion werden, geben wir darum nicht die Rechte und Vorrechte auf, die wir als Bürger besitzen. Laßt uns jedesmal, wenn wir Gelegenheit haben, das Stimmrecht auszuüben, es gebrauchen wie vor dem Angesicht des allmächtigen Gottes in dem Gedanken, daß wir von allem Rechenschaft abzulegen haben und unter anderem auch hiervon, da es uns anvertraut ist. 
Nachdem ich so viel gesagt habe, laßt mich den Kurs ändern und euch zu der Betrachtung eures eigenen besonderen Berufes und besonderer Erwählung zu führen, indem ich euch mit den Worten des Apostels sage: ,Darum, liebe Brüder, tut desto mehr Fleiß, euren Beruf und eure Erwählung fest zu machen. Denn wenn ihr solches tut, werdet ihr nicht fallen. Und also wird euch reichlich gewährt werden der Eingang zu dem ewigen Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus."
 Wir haben hier zuerst zwei grundlegende Dinge in der Religion: "Beruf und Erwählung;" wir haben zweitens einen guten Rat - unseren Beruf und unsere Erwählung sicher zu machen, oder vielmehr, uns zu versichern, daß wir berufen und erwählt sind; und dann drittens haben wir hier ein paar Gründe, weshalb wir diesen Fleiß anwenden sollen, unserer Erwählung sicher zu werden - weil wir einerseits dadurch vor dem Straucheln bewahrt werden, und uns andererseits ein reichlicher Eingang zu dem ewigen Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus gewährt werden soll. 

I.
Zuallererst sind hier zwei wichtige Sachen in der Religion - beides Geheimnisse für die Welt, - nur von denen verstanden, die durch die göttliche Gnade lebendig gemacht worden sind: ,Beruf und Erwählung." Unter dem Worte ,Beruf" verstehen wir in der Heiligen Schrift zweierlei: Einmal die allgemeine Berufung, die in der Predigt des Evangeliums jeder Kreatur unter dem Himmel zuteil wird; dann aber auch (und von der ist hier die Rede): die besondere Berufung, die wir auch die wirksame Berufung nennen. In ihr wirkt Gott durch die unwiderstehliche Kraft des Heiligen Geistes in geheimnisvoller Weise und ruft aus der Menschheit eine gewisse Anzahl, die Er selbst zuvor erwählt hat. Dies geschieht dadurch, daß Er sie aus ihren Sünden herausruft, damit sie gerecht werden, daß Er sie ruft von ihrem ,Tod in Übertretungen und Sünden" zu lebendigen geistlichen Menschen, daß Er sie herausruft aus ihren weltlichen Beschäftigungen, um Nachfolger Jesu Christi zu werden. 
Diese zwei Berufungen sind sehr verschieden. Wie Bunyan sehr schön sagt: ,Durch seinen allgemeinen Ruf gibt Er nichts; durch seinen besonderen Ruf hat Er immer etwas zu geben; Er hat auch eine brütende Stimme für die, die unter seinen Flügeln sind; und Er hat eine laute Stimme, die warnt, wenn Er den Feind kommen sieht." Was wir schlechthin nötig haben, um unser Heil zu erlangen, ist eine besondere Berufung, die nicht an unser Ohr, sondern an unser Herz ergeht, nicht an unser bloß fleischliches Verständnis, sondern an den inneren Menschen durch die Macht des Geistes. 
Und die zweite wichtige Sache ist die Erwählung. Wie ohne Berufung kein Heil ist, so ist ohne Erwählung keine Berufung. Die Heilige Schrift lehrt uns, daß Gott von Anbeginn uns, die wir errettet sind, zur Heiligkeit durch Jesus Christus erwählt hat. Und es wird gesagt, daß so viele zum ewigen Leben verordnet sind, gläubig werden, und daß ihr Glaube die Wirkung davon ist, daß sie zum ewigen Leben berufen waren vor aller Zeit. Wie sehr dies auch bestritten werden mag, was häufig geschieht, so muß man doch erst die Glaubwürdigkeit und die volle Inspiration der Heiligen Schrift leugnen, ehe man diese Lehre rechtmäßig und völlig leugnen kann. Und da ich hier ohne Zweifel viele habe, die Mitglieder der bischöflichen Kirche sind, so sei es mir gestattet, ihnen zu sagen, was ich schon oft zuvor gesagt habe: ,Ihr vor allen Menschen seid die inkonsequentesten der Welt, wenn ihr nicht an die Lehre von der Erwählung glaubt, denn wenn sie nicht in der Schrift gelehrt wird, so ist es doch eine absolute Gewißheit, daß sie in euren Artikeln gelehrt ist." 
Nichts kann stärker ausgedrückt, nichts bestimmter aufgestellt sein, als die Lehre von der Vorherbestimmung in dem Book of Common Prayer (das in der englischen Landeskirche gebrauchte Gebetbuch); obwohl uns gesagt wird, was wir schon wissen, daß diese Lehre ein hohes Geheimnis sei und sorgfältig nur von erleuchteten Menschen behandelt werden müsse. 
Allerdings ist es ohne Zweifel die Lehre der Schrift, daß die, die errettet sind, es sind, weil Gott sie erwählte, errettet zu werden, und daß ihre Berufung die Wirkung dieser ersten Wahl Gottes ist. Wenn einige von euch dies bestreiten, berufe ich mich auf die Autorität der Heiligen Schrift; ja, und wenn es nötig wäre, sich auf die Tradition zu berufen, was, wie ich sicher bin, nicht nötig ist und was kein christlicher Mann je tun würde, so könnte ich es auch hier mit euch aufnehmen; denn ich kann diese Lehre durch den Mund einer ganzen Reihe von heiligen Männern verfolgen, von der Gegenwart an bis auf die Tage Calvins, von da zu Augustinus und von da zu Paulus selbst und sogar bis zu dem Munde des Herrn Jesus Christus. Die Lehre ist zweifellos in der Schrift gelehrt, und wären die Menschen nicht zu stolz, sich zu ihr herabzulassen, so würde sie allgemein geglaubt und als nichts anderes denn als klare Wahrheit aufgenommen werden. 
Wie, Mensch, glaubst du nicht, daß Gott seine Kinder liebt? und weißt du nicht, daß Gott unveränderlich ist? Deshalb muß Er sie immer geliebt haben, wenn Er sie jetzt liebt. Glaubst du nicht, daß, wenn Menschen errettet werden, Gott sie errettet? Und wenn das so ist, kannst du irgendeine Schwierigkeit bei der Einräumung sehen, daß, weil Er sie rettet, ein Vorsatz dagewesen sein muß, sie zu retten - ein Vorsatz, der vor allen Welten existierte? Willst du mir das nicht zugeben? Wenn du es nicht willst, so muß ich dich der Schrift selbst überlassen; und wenn sie dich nicht davon überzeugt, so muß ich dich unüberzeugt lassen. 
Man wird nun fragen, warum ist hier Berufung vor die Erwählung gestellt, da die Erwählung ewig ist und die Berufung in der Zeit geschieht? Ich erwidere: Weil die Berufung für uns das erste ist. Das erste, was ihr und ich wissen können, ist unsere Berufung: wir können nicht sagen, ob wir erwählt sind, bis wir fühlen, daß wir berufen sind. Wir müssen zuerst unsere Berufung erfahren, und dann ist unsere Erwählung ganz sicher. ,Welche Er aber verordnet hat, die hat Er auch berufen; welche Er aber berufen hat, die hat Er auch gerecht gemacht, welche Er aber gerecht gemacht hat, die hat Er auch herrlich gemacht." 
Die Berufung wird zuerst von uns wahrgenommen. Wir werden durch Gottes Geist aus unserem bösen Zustand herausgerufen, wiedergeboren und zu neuen Kreaturen gemacht, und beim Blick zurück sehen wir alsdann, daß wir ganz sicher erwählt sind, weil wir berufen worden sind. Nun also denke ich, daß ich den Text erklärt habe. 
Dies sind die zwei Dinge, deren wir uns versichern müssen - ob wir berufen sind und ob wir erwählt sind. Und, liebe Freunde, es ist eine Sache, wegen der ihr und ich sehr besorgt sein sollten. Denn erwägt, was für eine ehrenvolle Sache es ist, erwählt zu sein. In dieser Welt hält man es für eine mächtige Sache, ins Parlament gewählt zu werden, aber wieviel ehrenvoller ist es, zum ewigen Leben erwählt zu sein; ,erwählt zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind;" erwählt, ein Mitgenosse der Engel zu sein, ein Günstling des lebendigen Gottes, bei dem Höchsten zu wohnen, unter den schönsten der Söhne des Lichts, dem ewigen Thron am nächsten! Die Erwählung in dieser Welt ist nur ein kurzlebiges Ding, aber Gottes Erwählung ist ewig. Laßt einen Mann erwählt sein zu einem Sitz im Parlament: sieben Jahre ist die längste Periode, für die seine Wahl gilt; aber wenn ihr und ich nach dem göttlichen Vorsatz erwählt seid, so werden wir unseren Sitz noch inne haben, wenn der Morgenstern aufgehört hat zu scheinen, wenn die Sonne trüb vor Alter geworden ist und wenn die ewigen Berge sich vor Schwäche gebeugt haben. 
Wenn wir von Gott erwählt sind, dann sind wir auf ewig erwählt, denn Gott ändert die Gegenstände seiner Wahl nicht. Die, die Er verordnet hat, hat Er zum ewigen Leben verordnet, und ,sie werden niemals umkommen und niemand wird sie Ihm aus seiner Hand reißen." Es ist der Mühe wert, zu wissen, daß wir erwählt sind, denn nichts in dieser Welt kann einen Menschen glücklicher oder tapferer machen, als die Kenntnis von seiner Erwählung. ,Doch darüber," spricht der Herr Jesus zu seinen Jüngern, ,,freut euch nicht; freut euch aber, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind." Das ist der süßeste Trost, die Honigscheibe, aus der der köstlichste Honig tröpfelt, die Kenntnis, daß wir von Gott erwählt sind. Und dies, Geliebte, macht einen Mann auch tapfer. Wenn ein Mann durch Fleiß die Sicherheit seiner Erwählung erlangt hat, so könnt ihr ihn nicht zu einem Feigling machen, ihr könnt nicht machen, daß er memmenhaft schreit inmitten des Kampfes; er hält das Banner hoch und fest und schlägt die Feinde mit dem Schwert der Wahrheit. ,Wurde ich nicht von Gott verordnet, der Bannerträger dieser Wahrheit zu sein? Ich muß, ich will zu ihm stehen, trotz euch allen." Er spricht zu jedem Feind: ,Bin ich nicht ein erwählter König? Können Wasserfluten das heilige Salböl von eines Königs heller Stirn waschen? Nein, niemals! Und wenn Gott mich erwählt hat, ein König und ein Priester Gottes in Ewigkeit zu sein, komme, was mag, oder komme, was da will - die Zähne der Löwen, der Feuerofen, der Speer, die Folter, der Scheiterhaufen, alle diese Dinge sind weniger als nichts, weil ich von Gott zur Seligkeit erwählt bin." 
Man hat gesagt, daß diese Lehre die Menschen notwendig schwach mache. Es ist eine Lüge. Es mag in der Theorie so scheinen, aber in der Wirklichkeit hat sich immer das Gegenteil gezeigt. Die Menschen, die an Vorherbestimmung geglaubt und daran festgehalten haben, haben stets die tapfersten Taten getan. Es ist ein Punkt da, in dem dies sogar mit Mohammeds Glauben verwandt ist. Die Taten, die von ihm getan wurden, entsprangen hauptsächlich der festen Zuversicht, daß Gott ihn zu seinem Werk verordnet habe. Niemals hätte Cromwell seine Feinde vor sich hin getrieben, wäre es nicht in der starken Kraft dieser fast allmächtigen Wahrheit gewesen; und es wird kaum ein Mann gefunden werden, der stark ist, große und tapfere Taten zu tun, wenn er nicht im Vertrauen auf die Vorsehung Gottes die Ereignisse seines Lebens als von Gott gelenkt betrachtet und sich Gottes fester Vorherbestimmung ergibt und von dem Strom seines Willens sich tragen läßt, allem Willen und allen Wünschen der Welt entgegen. ,Deshalb, Brüder, tut um so mehr Fleiß, euren Beruf und eure Erwählung sicher zu machen." 

II.
Kommt nun, hier ist der zweite Punkt - guter Rat. ,Macht euren Beruf und eure Erwählung sicher." Nicht für Gott, denn für Ihn sind sie sicher: macht sie für euch sicher. Seid ihrer ganz gewiß; seid völlig zufriedengestellt in ihr. In vielen unserer Dissidentengemeinden wird dem Zweifeln viel Ermutigung gegeben. Jemand kommt zum Pastor und sagt: ,O, ich habe so Angst, daß ich nicht bekehrt bin; ich zittere, daß ich vielleicht kein Kind Gottes bin. O, ich fürchte, ich bin keiner von den Erwählten Gottes!" Und der Pastor reicht ihm die Hand und sagt: ,Lieber Bruder, es steht alles recht mit Ihnen, so lange Sie zweifeln können." Nun, ich glaube, daß dies ganz und gar verkehrt ist. Die Schrift sagt nirgends: ,Wer da zweifelt, der wird selig werden," sondern: ,Wer da glaubt." Es mag sein, daß der Mann in einem guten Zustand ist; es mag sein, daß er ein wenig Trost nötig hat; aber seine Zweifel sind nichts Gutes, und wir sollten ihn nicht darin ermutigen. Unsere Sache ist es, ihn aus seinen Zweifeln herauszubringen und ihn durch Gottes Gnade dazu zu bringen, daß er ,allen Fleiß tue, seinen Beruf und seine Erwählung sicher zu machen;" nicht daran zu zweifeln, sondern ihrer gewiß zu sein. 
Ah! ich habe einige heuchlerische Zweifler sagen hören: ,O, ich habe solche Zweifel, ob ich des Herrn Eigentum bin," und dachte bei mir selbst: ,,Und ich habe auch große Zweifel wegen eurer Zweifel." Ich habe einige sagen hören, sie zitterten so, weil sie fürchteten, daß sie nicht zum Volk Gottes gehörten; und die faulen Gesellen sitzen in ihren Stühlen am Sonntag und hören nur eben der Predigt zu; aber sie denken nie daran, fleißig zu sein, sie tun nichts Gutes, ihr Leben stimmt vielleicht nicht mit ihrem Bekenntnis überein, und dann schwatzen sie von Zweifeln. Es ist ganz recht, daß sie zweifeln, es ist gut, daß sie es tun; und wenn sie nicht zweifelten, so müßten wir beginnen, für sie zu zweifeln. Träge Menschen haben kein Recht auf volle Gewißheit. Die Schrift sagt: ,Tut Fleiß, euren Beruf und eure Erwählung fest zu machen." 
Volle Gewißheit ist etwas Hervorragendes. Es ist einem Menschen nützlich, in diesem Leben seiner Sache gewiß zu sein, und vor allem seines eigenen Berufs und seiner eigenen Erwählung sicher zu sein. Aber wie kann er sicher sein? Nun, viele unserer unwissendsten Hörer bilden sich ein, daß sie ihrer Erwählung nur sicher werden könnten durch irgendeine Offenbarung, einen Traum oder etwas Geheimnisvolles. Ich habe zuweilen herzlich gelacht auf Kosten einiger Leute, deren Glauben in Visionen seine Stütze hatte. Wirklich, wenn ihr so viele Schattierungen unwissender Christen gesehen und so viele Zweifel und Befürchtungen zu lösen hättet, wie ich es habe, ihr würdet der Träume und Visionen so überdrüssig sein, daß ihr, sobald jemand davon zu sprechen begönne, sagen würdet: ,,Schweigen Sie, bitte, still." ,Herr," sagte eine Frau, ,ich sah blaue Lichter in der Vorderstube, als ich betete, und glaubte, den Heiland in einem Winkel zu sehen, und sagte zu mir selber, ich bin errettet." 
Und dennoch gibt es Zehntausende in jedem Teil des Landes, und Mitglieder christlicher Körperschaften dazu, die keinen besseren Grund für ihren Glauben, daß sie berufen und erwählt sind, haben, als eine ebenso lächerliche Vision oder das ebenso abgeschmackte Hören einer Stimme. Eine junge Person kam vor einiger Zeit zu mir; sie wünschte in die Gemeinde aufgenommen zu werden, und auf meine Frage, wie sie wisse, daß sie bekehrt sei, sagte sie, sie wäre unten im Garten gewesen und dächte, sie hätte da eine Stimme gehört und etwas in den Wolken gesehen, was ihr dies und das gesagt hätte. ,Nun," antwortete ich, ,das mag das Mittel gewesen sein, etwas Gutes in Ihnen zu bewirken, aber wenn Sie ihr Vertrauen darein setzen, so ist alles vorbei mit Ihnen." Ein Traum, ja, und eine Vision, mag oft Menschen zu Christus leiten; ich habe viele gekannt, die ohne Zweifel durch so etwas zu Ihm geführt waren, obwohl es mir dunkel war, wie es geschehen ist; aber daß die Leute dies als Beweis ihrer Bekehrung vorbringen, das ist der Irrtum; denn du kannst häufig tausend Träume haben und fünfzigtausend Visionen sehen und doch ein Narr sein und ein um so größerer Sünder, weil du sie gesehen hast. Es sind bessere Beweise zu haben als diese: Tue Fleiß, deinen Beruf und deine Erwählung fest zu machen. 
,Wie habe ich denn," sagt einer, ,meinen Beruf und meine Erwählung fest zu machen?" Nun, so: Wenn du aus dem Zustand des Zweifelns herauskommen willst, so komm aus dem Zustand der Trägheit heraus; wenn du aus dem Zustand des Zitterns heraus willst, so komm aus dem Zustand der Lauheit heraus; denn Lauheit und Zweifel, Trägheit und Zittern gehen ganz natürlich Hand in Hand. Wenn du die große Gnade voller Glaubensgewißheit unter dem Einfluß und Beistand des Heiligen Geistes genießen willst, so tue, was die Schrift dir sagt: ,Tue Fleiß, deinen Beruf und deine Erwählung fest zu machen." 
Worin sollst du fleißig sein? Beachte, was für eine Liste uns die Schrift gegeben hat.

- Sei fleißig in deinem Glauben.

- Sorge dafür, daß dein Glaube rechter Art ist - daß er nicht die Sache des Kopfes, sondern des Herzens ist - daß er nicht ein bloßes Fürwahrhalten der Lehre, sondern ein Aufnehmen der Lehre ins Herz ist, und daß das Licht der Lehre in deiner Seele auf dein Tun Einfluß hat.

- Trage Sorge, daß dein Glaube aus der Notwendigkeit entspringt, daß du an Christus glaubst, weil du nichts anderes hast, woran du glauben kannst.

- Trage Sorge, daß es einfacher Glaube ist, der allein an Christus hängt, ohne ein anderes Vertrauen als das auf Christus, den Gekreuzigten.

- Und wenn du darin Fleiß getan hast, so tue Fleiß in deinem Mut. Bemühe dich, Kraft zu erlangen; bitte Gott, daß Er dir die Stirn eines Löwen gebe, daß du nie vor irgendeinem Feind Angst hast, wie er auch spotte oder drohe, sondern im Bewußtsein des Rechtes vorwärts gehen und kühn auf Gott vertrauen mögest.

- Und wenn du mit Hilfe des Heiligen Geistes dies erlangt hast, so forsche emsig in der Schrift und erwerbe die Kenntnis, denn eine Kenntnis der Lehre wird sehr beitragen, deinen Glauben zu befestigen. Versuche, Gottes Wort zu verstehen; verschaffe dir ein vernünftiges, geistliches Verständnis davon. Verschaffe dir, wenn du kannst, ein System der Theologie aus Gottes Bibel. Setze die Lehren zusammen. Erwirb dir wirkliche, theologische Kenntnis, die auf das unfehlbare Wort gegründet ist. Erwirb dir eine Kenntnis von jener am meisten verachteten, aber allernotwendigsten Wissenschaft, der Wissenschaft von Christus, dem Gekreuzigten, und den großen Gnadenlehren.

 - Und wenn du dies getan hast, so füge zu deiner Kenntnis Mäßigung. Achte auf deinen Körper, sei da mäßig. Achte auf deine Seele, sei da mäßig. Sei nicht trunken vor Stolz; sei nicht aufgeblasen von Selbstvertrauen. Sei mäßig. Sei nicht hart gegen deine Freunde, noch bitter gegen deine Feinde. Erwirb dir Mäßigung der Lippe, Mäßigung des Lebens, Mäßigung des Herzens, Mäßigung des Gedankens. Sei nicht leidenschaftlich; laß dich nicht fortreißen von jedem Wind der Lehre. 

- Erwirb dir Mäßigung, und dann füge durch den Geist Gottes noch Geduld dazu; bitte Ihn, dir jene Geduld zu geben, die die Trübsal erträgt, und wenn sie geprüft ist, wie Gold hervorkommen wird. Umgürte dich mit Geduld, damit du nicht in Krankheiten murrst; damit du Gott nicht fluchst bei deinen Verlusten und in deinen Leiden nicht niedergedrückt bist. Bete ohne Unterlaß, bis der Heilige Geist dich mit Geduld gestählt hat, um bis ans Ende auszuharren. 

- Und wenn du dies hast, so strebe nach Gottseligkeit. Gottseligkeit ist etwas mehr als Religion. Die religiösesten Menschen können die gottlosesten Menschen sein, und zuweilen kann ein gottseliger Mann irreligiös scheinen. Laßt mich diesen scheinbaren Widerspruch erklären. Ein wirklich religiöser Mensch ist ein Mensch, der nach Sakramenten seufzt, Kirchen und Kapellen besucht, und äußerlich gut ist, aber nicht weiter geht. Ein gottseliger Mensch ist ein Mensch, der nicht so sehr auf das Kleid als auf die Person sieht: nicht auf die äußere Form, sondern auf die innere und geistliche Gnade; er ist ein gottseliger Mann, und er ist auch einer, der auf Religion hält. Einige Menschen aber sind gottselig und verachten dabei in großem Maße die Formen; sie mögen gottselig sein ohne einen Grad von Religion; aber ein Mensch kann nicht völlig gerecht sein, ohne gottselig zu sein in der wahren Bedeutung jedes dieser Worte, wenn auch nicht in ihrem allgemeinen, gewöhnlichen Sinne. Füge zu deiner Geduld ein auf Gott gerichtetes Auge; lebe vor seinem Angesicht, weile in seiner Nähe; suche Gemeinschaft mit Ihm; so hast du Gottseligkeit. 
Und dann füge die brüderliche Liebe hinzu. Sei liebevoll gegen alle Mitglieder der Gemeinde Christi; habe Liebe für die Heiligen jeder Denomination. 
Und dann füge dazu die christliche Liebe, die ihre Arme allen Menschen öffnet und sie lieb hat; und wenn du all dieses erlangt hast, dann wirst du deinen Beruf und deine Erwählung kennen, und gerade in dem Verhältnis, wie du diese himmlischen Lebensregeln ausübst, in dieser himmlischen Art, wirst du dahin kommen, zu wissen, daß du berufen und daß du erwählt bist. Aber auf keine andere Weise kannst du zu diesem Wissen gelangen, als durch das Zeugnis des Geistes, das deinem Geist das Zeugnis gibt, daß du von Gott geboren bist, und dann deinem Gewissen bezeugt, daß du nicht bist, was du warst, sondern ein neuer Mensch in Christus Jesus und deshalb berufen und deshalb erwählt. 
Ein Mann dort drüben sagt, daß er erwählt sei. Er betrinkt sich. Ah, du bist vom Teufel erwählt, Mann; das ist so ziemlich deine einzige Erwählung. Ein anderer sagt: ,Gott sei gelobt; ich kümmere mich nicht ein bißchen um Zeugnisse; ich bin nicht so gesetzlich wie ihr!" Nein, ich glaube wohl, daß du das nicht bist; aber du hast keine große Ursache, Gott dafür zu danken, denn, mein lieber Freund, wenn du nicht die Zeugnisse einer neuen Geburt hast, so nimm dich in acht! ,Gott läßt sich nicht spotten; was der Mensch sät, das wird er ernten." 
"Wohl," sagt ein anderer, ,aber ich denke, diese Lehre von der Erwählung ist eine sehr zügellose Lehre." Denke das, so lange es dir gefällt; aber bitte, gib mir das Zeugnis, daß so, wie ich sie heute gepredigt habe, nichts Zügelloses darin ist. Wahrscheinlich bist du zügellos und würdest die Lehre zügellos machen, wenn du sie glaubtest, aber ,den Reinen ist alles rein." 
Nicht oft geschieht es, daß einer, der Gottes Lehre in sein Herz aufnimmt, sie verkehrt, und sich von ihr zu schlechten Wegen abwendet. Kein Mensch, laßt mich dies wiederholen, hat ein Recht, sich von Gott erwählt zu glauben, bis er von Gott erneuert ist; kein Mensch hat ein Recht, sich berufen zu glauben, bis sein Leben der Hauptsache nach mit seinem Beruf übereinstimmt, und er wandelt, wie sich's gebührt, in dem Beruf, in dem er berufen ist. Schmach über eine Erwählung, die euch in Sünden leben läßt! Hinweg damit! Hinweg damit! Das war nie die Absicht des Wortes Gottes; und es war auch niemals die Lehre der Calvinisten. Obwohl man Lügen über uns verbreitet und unsere Lehren verdreht hat, so haben wir doch stets hierzu gestanden - daß gute Werke, obwohl sie die Errettung nicht verschaffen noch in irgendeinem Grade verdienen, doch notwendige Beweise der Errettung sind; und daß, wenn sie sich bei einem Menschen nicht finden, die Seele noch tot, unberufen und unwiedergeboren ist. Je näher ihr Christus lebt, je mehr ihr Ihm nachahmt, je gleichförmiger euer Leben dem seinigen ist, und je einfältiger ihr durch den Glauben au Ihm hängt, desto gewisser könnt ihr eurer Erwählung in Christus und eurer Berufung durch den Heiligen Geist sein. Möge der Heilige in Israel euch die liebliche Gewißheit seiner Gnade geben, indem Er euch ,gute Zeichen" gewährt in den Tugenden, die Er euch an offenbar werden läßt. 

III.
Und nun will ich schließen, indem ich euch des Apostels Gründe nenne, weshalb ihr euren Beruf und eure Erwählung fest machen solltet. Ich gebe euch zuerst meinen eigenen. Es ist, weil, wie ich schon gesagt, es euch glücklich machen wird. Menschen, die an ihrem Beruf und ihrer Erwählung zweifeln, können nicht voll Freude sein, aber die glücklichsten Heiligen sind die, die daran glauben und darum wissen. Ihr wißt, daß unsere Freunde sagen, die Erde sei eine ,heulende Wüste" (5 Mose 32, 10), und ihr wißt, meine Antwort darauf ist, daß sie all das Heulen selbst tun: es würde nicht so viel Heulen sein, wenn sie etwas mehr hinauf- und etwas weniger hinunterblicken wollten, denn durch den Glauben würden sie die Erde wie eine Rose blühen machen und ihr die Schönheit und Herrlichkeit von Saron und Karmel geben. Aber sie heulen so viel, weil sie nicht glauben. Unser Glück und unser Glaube stehen sehr im Verhältnis zueinander; sie sind für den Christen Siamesische Zwillinge; sie müssen zusammen blühen oder verwelken. Nur der Glaube macht, daß der Christ ein glückliches Leben führt. 
Aber jetzt die Gründe des Petrus. Zuerst: ,wenn ihr solches tut, werdet ihr nicht fallen." ,Vielleicht," sagt einer, ,werden wir, wenn wir an die Erwählung denken, unseren täglichen Wandel vergessen, und, wie der alte Philosoph, der zu den Sternen aufschaute, beim Weitergehen in einen Graben fallen!" ,Nein, nein," sagt Petrus, ,wenn ihr auf euren Beruf und eure Erwählung achtet, werdet ihr nicht straucheln;" wenn eure Augen hinaufblicken nach Beruf und Erwählung, so wird Gott auf eure Füße achten und ihr sollt nicht fallen. 
Ist es nicht merkwürdig, daß man in vielen Kirchen und Kapellen nicht oft eine Predigt über heute hört; es ist immer entweder über die alte Ewigkeit oder über das tausendjährige Reich; entweder über das, was Gott tat, ehe der Mensch gemacht war, oder über das, was Gott tun wird, wenn alle tot und begraben sind? Schade, daß sie uns nicht etwas sagen über das, was wir heute tun sollen, jetzt, in unserem täglichen Wandel und Verkehr! 
Petrus nimmt diese Schwierigkeit hinweg. Er sagt: ,Dieser Punkt ist ein praktischer, denn ihr könnt eurer Erwählung nur gewiß werden, wenn ihr auf euer Handeln acht habt; und während ihr das tut und so eure Erwählung fest macht, tut ihr das Beste, was ihr nur könnt, um euch vor dem Fallen zu hüten." Und ist es nicht wünschenswert, daß ein wahrer Christ vor dem Fallen behütet wird? Beachtet den Unterschied zwischen fallen und abfallen. Der wahre Gläubige kann niemals abfallen und umkommen; aber er kann fallen und sich Schaden tun. Er soll nicht fallen und den Hals brechen; aber ein gebrochenes Bein ist schlimm genug ohne einen gebrochenen Hals. "Fällt er, so wird er nicht weggeworfen;" aber das ist kein Grund, weshalb er sich an einen Stein stoßen sollte. Sein Wunsch ist, Tag für Tag heiliger zu werden; Stunde für Stunde gründlicher erneuert zu werden, bis er dem Bild Christi ähnlich in die ewige Seligkeit eingeht. Wenn ihr also Fleiß tut, euren Beruf und eure Erwählung fest zu machen, so tut ihr das Beste in der Welt, euch vor dem Fallen zu bewahren, denn wenn ihr solches tut, werdet ihr nicht fallen. 
Und nun der andere Grund, und dann bin ich fast zu Ende. ,Und also wird euch reichlich gewährt werden der Eingang zu dem ewigen Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus." Ein ,,reichlicher Eingang" ist oft auf folgende Weise veranschaulicht worden. Ihr seht jenes Schiff. Nach einer langen Reise ist es dem Hafen nah, aber es ist sehr beschädigt; die Segel sind zu Bändern zerrissen, und es ist in so kläglichem Zustand, daß es nicht in den Hafen hinein kommen kann, ein Schleppdampfer zieht es mit vieler Mühe hinein. Es gleicht dem Gerechten, der ,kaum errettet" wird. 
Aber seht ihr jenes andere Schiff? Es hat eine glückliche Reise gehabt; und nun, beladen bis an des Wassers Rand, alle Segel ausgespannt und das weiße Segeltuch vom Winde aufgebläht, fährt es froh und herrlich in den Hafen ein. Das ist ein ,reichlicher Eingang;" und wenn ihr und ich unserem Glauben Tugend u.s.w. hinzufügen (1 Petrus 1, 6-8), so sollen wir auch zuletzt ,einen reichlichen Eingang in das Reich unseres Herrn Jesus Christus" haben. 
Da ist ein Mann, der ein Christ ist; aber ach, es sind viele Gebrechen in seinem Leben, über die er zu trauern hat. Er liegt sterbend auf seinem Bett, der Gedanke an sein vergangenes Leben kommt über ihn. Er schreit: ,O Herr, sei mir Sünder gnädig," und das Gebet wird erhört; er glaubt an Christus und er soll errettet werden. Aber, was für Kummer hat er auf seinem Bett! ,Wenn ich meinem Gott nur besser gedient hätte! Und meine Kinder - wenn ich sie nur besser erzogen hätte in der Zucht und Ermahnung zum Herrn! Ich bin errettet," sagt er, ,aber ach! ach! obwohl es eine große Errettung ist, kann ich mich doch nicht darüber freuen. Ich sterbe, umgeben von Dunkel und Wolken und Finsternis. Ich vertraue, ich hoffe, daß ich zu meinen Vätern versammelt werde, aber ich habe keine Werke, die mir nachfolgen - oder sehr wenige; denn obwohl ich errettet bin, so bin ich nur eben errettet - errettet so, als ob ich durchs Feuer alles verloren hätte." Hier ist ein anderer; auch er liegt am Sterben. Fragt ihn, wo sein Vertrauen ist, er sagt: ,,Ich vertraue einzig und allein auf Jesus." Aber beobachtet ihn, wenn er auf sein vergangenes Leben zurückblickt. ,An jenem Ort," sagt er, ,predigte ich das Evangelium, und Gott half mir." Und obwohl ohne Stolz - er wird sich nicht beglückwünschen wegen dessen, was er getan hat - doch hebt er seine Hände zum Himmel und lobt Gott, daß er durch ein langes Leben hindurch imstande gewesen ist, seine Kleider weiß zu halten; daß er seinem Herrn gedient hat und nun wie eine Garbe völlig reifen Korns in seines Herrn Scheuer gesammelt werden soll. Hört ihm zu! Es ist nicht das schwache Lispeln eines Zitternden, sondern mit ,Sieg, Sieg, Sieg!", seinem letzten Ruf schließt er die Augen und stirbt wie ein Krieger in seinem Ruhm. Das ist der ,reichliche Eingang." 
Nun, der, welcher Fleiß tut, seinen Beruf und seine Erwählung festzumachen, wird sich ,einen reichlichen Eingang in das Reich Jesu Christi" sichern. Was für ein schreckliches Bild ist angedeutet in den Worten des Apostels -,,errettet, so doch, als durchs Feuer!" Laßt mich versuchen, es euch vorzuführen. Der Mann ist an den Rand des Jordans gekommen; die Zeit ist da, wo er sterben soll. Er ist ein Gläubiger - so eben ein Gläubiger, aber sein Leben ist das nicht gewesen, was er hätte wünschen können; nicht alles, was er jetzt wünscht, daß es gewesen wäre. Und nun ist der ernste Tod vor ihm, und er hat den ersten Schritt in den Jordan zu tun. Stellt euch sein Grausen vor, wenn die Flammen seine Füße umringen. Er tritt auf den heißen Sand des Stromes; und beim nächsten Schritt, den er tut, stehen ihm die Haare fast zu Berge, er hat sein Auge auf den Himmel am jenseitigen Ufer gerichtet, doch ist auf seinem Gesicht noch Grauen zu lesen. Er tut einen weiteren Schritt und ist ganz im Feuer gebadet. Noch ein Schritt, und er ist bis an die Lenden im Feuer -,,gerettet, so doch, als durchs Feuer." Eine starke Hand hat ihn erfaßt, die ihn vorwärts durch den Strom zieht. 
Aber wie schrecklich muß der Tod, selbst des Christen, sein, wenn er gerettet wird, so doch, als ob er durchs Feuer ging! Da, am Ufer des Flusses sieht er zurück und sieht die flüssigen Flammen, durch die er hat gehen müssen wegen seiner Gleichgültigkeit in diesem Leben. Gerettet ist er - Gott sei Dank; und sein Himmel soll groß sein, und seine Krone golden, und seine Harfe lieblich, und seine Gesänge ewig, und seine Seligkeit unvergänglich; - aber sein letzter Augenblick, sein Scheiden war verdunkelt durch die Sünde; und er wurde gerettet, ,so doch, als durchs Feuer!" 
Beachtet jenen anderen; er muß auch sterben. Er hat oft den Tod gefürchtet. Er tut den ersten Tritt in den Jordan, und sein Körper zittert, sein Puls wird matt und selbst seine Augen sind fest geschlossen. Seine Lippen können kaum reden, aber er sagt dennoch: ,Jesus, Du bist mit mir, wenn ich durch den Strom gehe!" Er tut einen zweiten Schritt, und die Wasser beginnen ihn zu erfrischen. Er taucht seine Hand hinein und schmeckt den Strom, und sagt zu denen, die um ihn her stehen, daß Sterben etwas Seliges ist. ,Der Strom ist süß, nicht bitter," sagt er, ,es ist selig, zu sterben." Dann tut er noch einen Schritt, und wenn er fast ganz in den Strom untergetaucht und aus dem Blick verschwunden ist, sagt er:

"Erscheine mir zum Schilde,
Zum Trost in meinem Tod,
Und laß mich seh'n Dein Bilde
In Deiner Kreuzesnot:
Da will ich nach Dir blicken,
Da will ich glaubensvoll
Dich fest an mein Herz drücken,
Wer so stirbt, der stirbt wohl."

Das ist der ,reichliche Eingang" dessen, der seinem Gott männlich gedient hat, der durch die göttliche Gnade einen wolkenlosen und heiteren Pfad gehabt hat - der Fleiß getan, ,seinen Beruf und seine Erwählung fest zu machen;" und deshalb als Lohn, keinen verdienten, sondern Gnadenlohn, in den Himmel mit höheren Ehren und mit mehr Leichtigkeit eingeht, als andere, die genauso errettet werden, aber nicht in so glänzender Art. Noch einen Gedanken mehr. Es heißt, daß der Eingang ,uns gewährt werden" wird. Das gibt mir einen lieblichen Wink, bei dem, wie ich finde, auch Doddridge verweilt. Christus wird die Pforten des Himmels öffnen; aber der himmlische Zug der Tugenden - die Werke, die uns nachfolgen, - werden mit uns hinaufgehen und uns den Eingang darreichen. 
Ich denke zuweilen, wenn Gott mich befähigte, zum Wohl dieser Versammlungen zu leben und zu sterben, so daß viele von ihnen errettet werden, wie süß es sein wird, in den Himmel zu gehen, und wenn ich da ankomme, zu finden, daß mir der Eingang nicht von Christus allein gewährt wird, sondern von einigen unter euch, denen ich das Wort Gottes gewährt habe. Einer von euch wird mir an der Pforte entgegenkommen und sagen: ,Du warst der Anlaß zu meiner Errettung!" Und ein anderer, und ein anderer, und ein anderer werden dasselbe ausrufen. Als Whitfield in den Himmel kam, - jener hochbegnadigte Knecht des Herrn - da ist mir, als sähe ich die Scharen, die sich an die Pforten drängten, um ihn zu empfangen. Es sind Tausende dort, die durch ihn zu Gott geführt sind. O, wie sie die Tore weit öffnen; und wie sie Gott preisen, daß er das Mittel gewesen ist, sie in den Himmel zu bringen; und wie sie ihm einen reichlichen Eingang bieten! Es werden vielleicht einige von euch im Himmel sein mit sternenlosen Kronen: denn ihr habt nie euren Mitgeschöpfen Gutes getan; ihr seid nie das Mittel gewesen, Seelen zu erretten; ihr werdet Kronen ohne Sterne haben. Aber ,die, die viele zur Gerechtigkeit weisen, werden leuchten wie die Sterne immer und ewiglich;" und ein reichlicher Eingang wird ihnen gewährt werden. Ich möchte eine schwere Krone im Himmel haben - nicht um sie zu tragen, sondern um eine köstlichere Gabe zu haben, die ich Christus geben kann. Und ihr solltet dasselbe wünschen, daß ihr viele Ehren hättet und so umsomehr zu seinen Füßen niederwerfen könntet mit: ,Nicht uns, sondern Deinem Namen, o Christus, sei die Ehre!" ,,So tut nun desto mehr Fleiß, euren Beruf und eure Erwählung fest zu machen." 
Und nun zum Schluß. Mit einigen von euch hat dieser Text nichts zu tun. Ihr könnt ,euren Beruf und eure Erwählung nicht fest machen;" denn ihr seid nicht berufen worden; und ihr habt kein Recht, zu glauben, daß ihr erwählt seid, wenn ihr nie berufen worden seid. Zu diesen laßt mich sagen: Fragt nicht zuerst, ob ihr erwählt seid, sondern fragt, ob ihr berufen seid. Und geht zum Gotteshaus und beugt die Knie im Gebet; und möge Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit euch berufen! Und merkt euch dies - wenn jemand von euch. sagen kann: 
"Nichts in meiner Hand bring' ich,
 Nur Dein Kreuz umklamm're ich;"

Wenn jemand von euch aller Selbstgerechtigkeit abschwören und jetzt zu Christus kommen und Ihn als sein alles in allem annehmen kann, so ist er berufen, so ist er erwählt.
 "Macht euren Beruf und eure Erwählung fest" und zieht fröhlich eures Weges! Möge Gott euch segnen; und dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist sei Ehre auf ewig! Amen.

GEWISSENSKÄMPFE.

,,Wieviel sind meiner Missetaten und Sünden? Meine Übertretung und Sünde laß mich wissen." Hiob 13, 23.

Es gibt viele Personen, die danach verlangen, ein tiefes Gefühl ihrer Sündhaftigkeit zu haben, und deshalb Gewissenszweifel zur Schau tragen, die sie für die Vernachlässigung der einfachen Glaubensübung entschuldigen sollen. Diese geistliche Krankheit, die die Sünder von Jesus abzieht, nimmt zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene Gestalt an. In den Tagen Luthers bestand das Übel, unter dessen Last die Menschen keuchten, darin, daß sie bei ihrem Glauben selbstgerecht waren und darum voraussetzten, erst müßten sie gute Werke hervorbringen, ehe sie auf Christus vertrauen dürften. 
In unseren Tagen hat das Übel eine andere und zwar ganz außerordentliche Gestalt angenommen. Die Menschen trachten immer noch nach der Selbstgerechtigkeit, aber in einer ganz sonderbaren Weise; sie meinen, sie müssen ihre Unwürdigkeit stärker empfinden und ein tieferes Sündenbewußtsein haben, ehe sie auf Christus vertrauen können. Ich begegne vielen Hunderten, die da sagen, sie dürfen nicht zu Christus kommen und mit ganzer Seele auf Ihn trauen, weil sie nicht stark genug empfinden, daß sie ihn brauchen, weil sie um ihrer Sünden willen nicht genug zerknirscht seien, weil sie nicht nach dem Maß der Übertretung Reue gefühlt haben. 
Liebe Brüder, es ist das gleiche Übel, entsprungen aus dem gleichen alten Keim, der Selbstgerechtigkeit, nur hat es eine andere, und ich glaube, eine bezauberndere Gestalt angenommen. Der Satan hat sich in manchen Herzen unter der Hülle eines Engels des Lichts eingenistet und hat dem Sünder ins Ohr geflüstert: ,,Reue ist eine unerläßliche Tugend; warte noch, bis du reuevoll zerknirscht bist, und wenn du dich genug um deiner Sünden willen gegrämt hast, dann bist du für die Begegnung mit Christus vorbereitet und fähig, Ihm zu vertrauen, dich auf Ihn zu verlassen." 
Gegen dieses tödliche Übel möchte ich ankämpfen. Ich bin überzeugt, daß es viel häufiger vorkommt, als viele meinen. Und ich glaube, die Ursache seines häufigen Vorkommens zu kennen. Zur Zeit der Puritaner, die sich gewiß durch Reinheit der Lehre auszeichneten, wurde auch viel über Erfahrungen gepredigt; und hierbei kam viel Gesundes und Heilsames zum Vorschein. Aber manches war unbiblisch, weil es mehr das zur Richtschnur machte, was der Christ fühlte und weniger, was der Herr Jesus gesagt hat; mehr die Folgerung aus den Erfahrungen eines Gläubigen, und weniger die Botschaft, die jedem Glauben vorausgeht. Viele treffliche Männer jener Zeit, unter denen sich nicht wenige Verfasser vorzüglicher religiöser Schriften befinden, geben Schilderungen von dem, was ein Sünder sein müsse, ehe er zu Christus kommen könne, und beschreiben geradezu, was ein Heiliger ist, nachdem er schon zu Christus gekommen ist. Diese teuren Brüder haben ihre eigene Erfahrung zum Maßstabe genommen; sie betrachteten das, was sie fühlten, ehe sie erleuchtet waren, als das Maß dessen, was jeder andere Mensch fühlen müsse, ehe er sein Vertrauen auf Christus setzen und auf Gnade hoffen dürfe. Es gab damals wohl einige, die sich gegen diese Lehre erhoben und darauf bestanden, daß die Sünder eingeladen werden müßten, zu kommen, wie sie seien; nicht irgendwie durch Gefühle und Werke vorbereitet. 
Es gibt heutzutage viele Prediger, die davor zurückschaudern, eine freie Einladung an die Sünder ergehen zu lassen; immer verbessern sie die Einladung des Heilandes so: ,,Wenn du ein gefühlvoller Sünder bist, so darfst du kommen;" gerade als ob abgestumpfte Sünder nicht kommen dürften. Sie sagen: ,Wenn du fühlst, wie nötig du Christus hast, dann darfst du kommen;" und dann beschreiben sie, was dieses Gefühl des Bedürfnisses ist, und geben eine so erhabene Schilderung davon, daß die Zuhörer sagen: ,Ja, ich fühlte noch nie etwas Ähnliches," und sich fürchten, zu kommen, weil ihnen diese Voraussetzungen fehlen. 
Beachtet wohl, daß die Brüder einigermaßen die Wahrheit reden. Sie beschreiben, was ein Sünder fühlt, ehe er kommt, aber sie begehen einen Mißgriff, indem sie das, was ein Sünder fühlt, als das hinstellen, was ein Sünder fühlen sollte. Was der Sünder fühlt, und was er tut, ehe er durch die Gnade erneuert ist, ist das gerade Gegenteil von dem, was er tun und fühlen sollte. Wir sind immer im Irrtum, wenn wir sagen, die Erfahrung eines Christen müsse nach dem bemessen werden, was ein anderer Christ gefühlt habe. Nein, mein Freund, meine Erfahrung muß nach dem Wort Gottes beurteilt werden; und was der Sünder fühlen sollte, muß sich danach richten, was Christus ihm zu fühlen befiehlt, und nicht nach dem, was ein anderer Sünder gefühlt hat. Wenn wir uns mit uns selber vergleichen, so handeln wir nicht weise. 
Ich glaube, es gibt Hunderte und Tausende, die in Zweifel und Ungewißheit bleiben, von Gewissensbissen gequält, und endlich der Verzweiflung anheimfallen, weil ihnen eine Beschreibung von dem, was ein Sünder fühlen sollte, gemacht, und eine Vorbereitung auf Christus von ihnen verlangt wird, die sie nie erreichen können - eine Beschreibung, die in Wahrheit nicht richtig ist, weil es eine Beschreibung dessen ist, was sie fühlen, nachdem sie Christus schon gefunden haben, und nicht dessen, was sie fühlen sollten, ehe sie zu Ihm kommen.