Calvinistenirrlehre
Erwählung und Heiligkeit
“Siehe, Himmel
und aller Himmel Himmel und Erde, und alles, was darinnen ist, das ist des
Herrn, deines Gottes. Noch hat Er allein zu deinen Vätern Lust gehabt,
daß Er sie liebte, und hat ihren Samen erwählt nach ihnen, euch. über alle
Völker,
wie es heutigentags stehet. So beschneidet nun eures Herzens Vorhaut,
und seid von nun an nicht halsstarrig.”
5 Mose 10, 14. 15. 16.
Wer die ganze Wahrheit, wie sie in Jesus ist, predigt, wird
unter beständigen Nachteilen leiden; aber der große Vorteil, die Gegenwart und
den Segen Gottes zu haben, wird für den größten Verlust mehr als entschädigen.
Es ist mein ernstes Bemühen gewesen, immer seit ich das Wort predige, nie eine
einzige Lehre zurückzuhalten, die, wie ich glaube, von Gott gelehrt ist. Es ist
Zeit, daß wir die alten, verrosteten Systeme abwerfen, die so lange die Freiheit
religiöser Rede eingeengt haben. Der Arminianer zittert, einen Zoll über
Arminius oder Wesley hinauszugehen, und mancher Calvinist beruft sich auf Johann
Gill oder Johannes Calvin, als eine endgültige Autorität. Es ist Zeit, daß diese
Systeme niedergebrochen werden und daß genug Gnade in unser aller Herzen sei, um
alles zu glauben, was in Gottes Wort gelehrt ist, ob es von einem dieser Männer
gelehrt ward oder nicht. Ich habe häufig gefunden, wenn ich das predigte, was
man “hohe”(calvinistische) Lehre nennt, weil ich es in meinem Text fand, so
waren einige beleidigt; sie konnten sich nicht daran erfreuen, konnten es nicht
ertragen und gingen fort. Meistens waren es Leute, die am besten taten, zu
gehen; ich habe nie ihre Abwesenheit bedauert. Auf der andern Seite, wenn ich
irgend eine freundliche Einladung zum Text nahm, und die Allgemeinheit der Liebe
Christi zu den Menschen predigte; wenn ich die Sünder warnte, daß sie
verantwortlich seien, wenn sie das Evangelium hören, und daß, wenn sie Christum
verwerfen, ihr Blut über ihrem Haupte sein werde, so fand ich eine andre Klasse
von unzweifelhaft trefflichen Menschen, die nicht sehen können, wie diese beiden
Dinge übereinstimmen. Und deshalb wenden auch sie sich ab und waten in die
trügerischen, schlammigen Sümpfe des Antinomianismus hinein. Ich kann nur sagen,
mit Beziehung auf sie, daß ich es auch vorziehe, wenn sie zu ihrer eignen Art
gehen, statt bei meiner Gemeinde zu bleiben. Wir suchen die Wahrheit
festzuhalten. Wir kennen keinen Unterschied zwischen hoher und niederer Lehre.
Wenn Gott sie lehrt, so ist es genug. Wenn es nicht in dem Wort ist, weg damit!
weg damit! Aber wenn es in dem Worte ist, angenehm oder unangenehm, systematisch
oder unsystematisch, so glaube ich es. Es mag uns scheinen, als wenn eine
Wahrheit im Gegensatz zu einer andern stände, aber wir sind völlig überzeugt,
daß es nicht so sein kann, daß es ein Irrtum in unserm Urteil ist. Daß diese
zwei Dinge übereinstimmen, darüber sind wir ganz klar, obgleich wir noch nicht
wissen, wo sie miteinander zusammentreffen, sondern hoffen, es dereinst zu
erkennen. Daß Gott ein Volk hat, das Er sich erwählt und das seinen Ruhm
verkünden soll, ist, wie wir glauben, eine Lehre, die im Worte Gottes zu lesen
ist für jeden, der dies Buch mit einem ehrlichen und aufrichtigen Urteil lesen
will. Daß zu gleicher Zeit Christus jeder Kreatur unter dem Himmel frei
angeboten wird, und daß die Einladungen und Ermahnungen des Evangeliums ehrliche
und wahre Einladungen sind - nicht Erdichtungen oder Mythen, nicht Quälereien
und Spott, sondern Wirklichkeiten und Tatsachen - dies glauben wir rückhaltlos.
Wir unterschreiben beide Wahrheiten mit herzlicher Zu- und Beistimmung.
Nun mag es sein, daß heute morgen manche nicht billigen werden, was ich zu sagen
habe. Ihr werdet euch indes erinnern, daß ich nicht euren Beifall suche, daß es
für mich genügen wird, wenn mein Gewissen betreffs einer großen Wahrheit rein
ist, und ich das Evangelium treu gepredigt habe. Ich bin euch nicht
verantwortlich, noch ihr mir. Ihr seid Gott verantwortlich, wenn ihr eine
Wahrheit verwerft; ich bin Ihm verantwortlich, wenn ich einen Irrtum predige.
Ich fürchte mich nicht, vor sein Gericht zu treten in betreff der großen Lehren,
welche ich euch heute predigen will.
Nun, zwei Dinge heute morgen. Zuerst will ich versuchen, Gottes Erwählung
darzustellen; zweitens, ihre praktisch en Wirkungen zu zeigen. Ihr habt beides
im Text. “Siehe, Himmel und aller Himmel Himmel, und Erde, und alles, was
darinnen ist, das ist des Herrn, deines Gottes. Noch hat Er allein zu deinen
Vätern Lust gehabt, daß Er sie liebte und hat ihren Samen erwählt, euch, über
alle Völker; wie es heutigentags stehet.” Und dann, zweitens, ihre praktischen
Wirkungen: “So beschneidet nun eures Herzens Vorhaut, und seid von nun an nicht
halsstarrig.”
I.
Indem ich die Erwählung darstelle, muß ich zuerst auf ihre ungemeine
Sonderbarkeit aufmerksam machen. Gott hat sich ein Volk erwählt, das niemand
zählen kann, aus den Kindern Adams - aus dem gefallenen und abtrünnigen
Geschlecht, das aus den Lenden eines aufrührerischen Mannes entsprang. Nun, dies
ist ein Wunder der Wunder, wenn wir darüber nachdenken, daß der Himmel, selbst
der Himmel der Himmel, des Herrn ist. Wenn Gott ein erwähltes Geschlecht haben
will, warum wählte Er sich nicht eins aus den majestätischen Reihen der Engel,
oder aus den flammenden Seraphim und Cherubim, die um seinen Thron stehen? Warum
ward nicht Gabriel dazu bestimmt? Warum ward er nicht so geschaffen, daß aus
seinen Lenden ein mächtiges Geschlecht von Engeln entsproß, und warum waren
diese nicht die Erwählten Gottes vor Anbeginn der Welt? Was konnte in dem
Menschen sein, einem Geschöpfe, das niedriger denn die Engel ist, daß Gott ihn
vor den Engelgeistern wählte? Warum wurden nicht die Cherubim und Seraphim
Christo gegeben? Warum nahm Er nicht die Engel an sich? Warum zog Er nicht ihre
Natur an und nahm sie in Einheit mit sich selber auf? Ein Engelkörper hätte der
Person der Gottheit angemessener sein können, als ein Körper von schwachem und
leidendem Fleisch und Blut. Es wäre etwas Angemessenes darin gewesen, wenn Er zu
den Engeln gesprochen: “Ihr sollt meine Söhne sein.”
Aber nein! Obgleich alle diese sein eigen waren, so geht Er doch an der
Hierarchie der Engel vorüber und beugt sich zum Menschen herab. Er nimmt einen
abtrünnigen Wurm auf, und spricht zu ihm: “Du sollst mein Sohn sein,” und zu
Myriaden desselben Geschlechts ruft Er: “Ihr sollt meine Söhne und Töchter sein
in einem ewigen Bunde.” Aber, sagt einer: “Es scheint, daß Gott beabsichtigte,
Gefallene zu erwählen, um ihnen seine Gnade noch mehr zu beweisen. Nun würden
die Engel hierzu natürlich unpassend sein, weil sie nicht gefallen sind.” Ich
erwidere, es gibt Engel, die gefallen sind; es waren Engel da, die nicht ihren
Stand behielten, sondern von ihrer Würde herabsanken. Und wie ist es, daß diese
der Schwärze der Finsternis auf ewig überwiesen sind? Antwortet mir, ihr, die
ihr Gottes unumschränkte Macht leugnet und seine Erwählung haßt - wie ist es,
daß die Engel zum ewigen Feuer verdammt sind, während euch, den Kindern Adams,
das Evangelium Christi frei gepredigt wird? Die einzige Antwort, die möglich
ist, ist diese: Gott hat es so gewollt. Er hat ein Recht, mit seiner eignen
Gnade zu tun, wie es Ihm gefällt. Engel verdienen keine Gnade; wir verdienen
keine. Nichtsdestoweniger gewährte Er sie uns und versagte sie ihnen. Sie sind
mit Ketten gebunden, aufbehalten zum ewigen Feuer für den letzten großen Tag,
aber wir sind errettet. Vor Deiner Unumschränktheit beuge ich mich, großer Gott,
und erkenne an, daß Du tust, wie Du willst, und daß Du keine Rechenschaft von
Deinen Sachen ablegst. Wie, wenn in den Geschöpfen irgend ein Grund wäre, Gott
zu bewegen, so hätte Er gewiß Teufel eher gewählt, als Menschen. Wären die Engel
erlöst, so hätten sie Gott mehr verherrlichen können, als wir; sie hätten sein
Lob lauter singen können, als wir, beschwert wie wir es sind, mit Fleisch und
Blut. Aber Er ging an den Größeren vorüber und wählte die Geringeren, damit Er
seine unumschränkte Macht zeigen könnte, die der glänzendste Edelstein in der
Krone seiner Göttlichkeit ist. Unsre Arminianischen Gegner lassen immer die
gefallenen Engel ganz aus der Frage weg, denn es paßt ihnen nicht, sich an
dieses alte Beispiel der Erwählung zu erinnern. Sie nennen es ungerecht, daß
Gott den einen Menschen erwählt und den andern nicht. Brüder, laßt uns aufhören,
Gott vor unserm armen, fehlbaren Richterstuhl anzuklagen. Er ist gut und handelt
nach Gerechtigkeit, ob wir es einsehen können oder nicht.
Ich habe euch nun zum Anfang einige Gründe gegeben, weshalb wir Gottes Erwählung
für sonderbar ansehen sollten. Aber ich habe euch noch andre zu bieten. Bemerkt,
der Text sagt nicht nur: “Siehe, Himmel und aller Himmel Himmel ist des Herrn,”
sondern er fügt hinzu: “und Erde, und alles, was darinnen ist.” Nun, wenn wir
denken, daß Gott uns erwählt hat, wenn ihr, meine Brüder, die ihr durch die
Gnade euer Vertrauen auf Christum gesetzt habt “,euer Anrecht zu des Himmels
Wohnungen klar lest,” so mögt ihr wohl innehalten und staunend fragen: warum
wir? warum ich? Könige übergangen, und Bettler gewählt; Weise zurückgelassen,
aber Toren die Wunder seiner erlösenden Liebe kund getan; Zöllner und Huren
sanft gezwungen, zum Fest der Barmherzigkeit zu kommen; während stolzen
Pharisäern gestattet wird, auf ihre eigne Gerechtigkeit zu trauen und in ihrer
eitlen Prahlerei umzukommen. Gottes Wahl wird immer in den Augen unerneuerter
Menschen sehr seltsam erscheinen. Er hat diejenigen übergangen, die wir erwählt
haben würden, und Er hat gerade die Einfältigen und Geringen vor der Welt
gewählt, die Menschen, die am wenigsten dachten, daß sie je seine Gnade
schmecken würden. Warum sind wir als eine Nation erwählt, das Vorrecht des
Evangeliums zu haben? Sind nicht andre Nationen ebenso groß, wie wir? Sündig,
wie diese englische Nation sich gezeigt hat, warum hat Gott die Angelsächsische
Rasse erwählt, die reine Wahrheit zu empfangen, während Völker, die vielleicht
das Licht mit noch größerer Freude als wir aufgenommen haben würden, immer noch
in Finsternis gehüllt liegen und von der Sonne des Evangeliums nie beschienen
worden sind? Warum, sage ich wieder bei jedem einzelnen, warum ist der Mann
erwählt, der erwählt ist? Nur die Antwort des Heilandes kann gegeben werden:
“Ja, Vater, denn es ist also wohlgefällig gewesen vor Dir.” Noch ein andrer
Gedanke, um Gottes Erwählung in der Tat wunderbar zu machen. Gott hat
unbegrenzte Schöpfungsmacht. Nun, wenn Er gewillt war, eine Schar zu machen, die
seine Günstlinge sein und mit der Person seines Sohnes vereinigt werden sollten
und mit Ihm regieren, warum machte Er nicht eine neue Rasse? Als Adam sündigte,
da würde es leicht genug gewesen sein, die Welt ganz aus dem Dasein hinweg zu
streichen. Er brauchte nur zu sprechen, und diese Erdkugel hätte sich aufgelöst,
wie die Wasserblase in der Welle stirbt, die sie trägt. Es wäre keine Spur von
Adams Sünde übrig geblieben, das Ganze hätte dahin sterben und auf ewig
vergessen sein können. Aber nein! Anstatt ein neues Geschlecht zu schaffen, ein
reines, das nicht sündigen konnte, anstatt Geschöpfe an sich zu nehmen, die
rein, unverdorben und ohne Flecken waren, nimmt Er herabgewürdigte und gefallene
Wesen, und erhebt diese, und noch dazu durch kostbare Mittel; durch den Tod
seines eignen Sohnes, durch das Werk seines eignen Geistes; damit sie Edelsteine
in seiner Krone sein und auf ewig seine Herrlichkeit widerstrahlen sollten. O,
sonderbare Wahl! O, seltsame Erwählung!
Beachtet außer der Sonderbarkeit auch die schrankenlose Freiheit der erwählenden
Liebe. In unserm Text ist sie angedeutet durch das Wort “Allein.” Warum liebte
Gott ihre Väter? Nun, allein deshalb, weil Er es tat. Es ist kein andrer Grund
da. “ Allein, der Herr hat Lust gehabt zu deinen Vätern, daß Er sie liebte, und
hat ihren Samen erwählt nach ihnen, euch, über alle Völker, wie es heutigentags
stehet.” (Engl. Übers.) Es war ohne Zweifel ein weiser Grund da für des Herrn
Handlungen, denn Er tut alle Dinge nach dem Rat seines Willens, aber es konnte
sicher kein Grund in der Trefflichkeit oder Tugend des von Ihm erwählten
Geschöpfes liegen. Nun, verweilt hierbei einen Augenblick. Laßt uns beachten,
daß nichts ursprünglich Gutes in denen ist, die Gott wählt. Was war in Abraham,
um deswillen Gott ihn wählte? Er kam aus einem abgöttischen Volke und es wird zu
seiner Nachkommenschaft gesagt: “Ein Syrer, nahe daran, umzukommen, war dein
Vater.” (5 Mose 26, 5.) Als wenn Gott zeigen wollte, daß es nicht die Güte
Abrahams sei, spricht Er: “Schaut den Fels an, davon ihr gehauen seid, und des
Brunnens Gruft, daraus ihr gegraben seid. Schaut Abraham an, euren Vater, und
Sara, von welcher ihr geboren seid. Denn ich rief ihn, da er noch einzeln war,
und segnete ihn, und mehrte ihn.” Es war nicht mehr in Abraham, als in einem von
uns, weshalb Gott ihn wählte, denn was Gutes in ihm war, das ward von Gott in
ihn hineingelegt. Nun, wenn Gott es in ihn hineinlegte, so konnte die Tatsache
seines Hineinlegens nicht der Grund für sein Hineinlegen sein. Ihr könnt nicht
den Grund für eine Tatsache in dieser selber finden; es muß ein Beweggrund dafür
sein, der höher liegt, als irgend etwas, das in der bloßen Tat Gottes liegt.
Wenn Gott einen Menschen erwählt, um ihn heilig, gerecht und gut zu machen, so
kann Er ihn nicht erwählt haben, weil er gut und gerecht war. Es wäre
abgeschmackt, solche Schlüsse zu ziehen. Es hieße eine Ursache aus der Wirkung
und eine Wirkung zur Ursache machen. Wenn ich behauptete, die Rosenknospe sei
die Urheberin der Wurzel, ja, da verdiente ich ausgelacht zu werden. Aber
bestände ich darauf, daß irgend etwas Gutes im Menschen der Grund von Gottes
Wahl sei, und brächte euch zu gleicher Zeit in Erinnerung, daß dieses Gute die
Wirkung von Gottes Wahl sei, so würde ich in der Tat töricht sein. Das, was die
Wirkung ist, kann nicht die Ursache sein. Aber was für Gutes ist von Natur in
einem Menschen? Wenn Gott uns wählte um des Guten willen, das in uns ist, dann
müßten wir alle unerwählt bleiben. Haben wir nicht alle ein böses Herz des
Unglaubens? Sind wir nicht alle von seinem Wege abgewichen? Sind wir nicht alle
von Natur verderbt, Feinde Gottes durch böse Werke? Wenn Er uns wählt, so kann
es nicht um etwas Guten willen sein, das von Natur in uns ist? “Aber,” sagt
einer “,vielleicht mag es sein, weil Er das Gute vorhergesehen hat; Gott hat
sein Volk erwählt, weil Er vorhersieht, daß sie glauben und errettet sein
werden.” Eine sonderbare Vorstellung in der Tat! Hier ist eine gewisse Anzahl
Armer und ein Fürst kommt an diesen Ort. An einige neunzig aus den hundert
verteilt er Geld. Jemand tut die Frage: “Warum gab der Fürst das Geld diesen
Neunzig?” Ein Verrückter in einem Winkel, dessen Gesicht man gar nicht sehen
sollte, antwortet: “Er gab es ihnen, weil er vorhersah, daß sie es haben
würden.” Aber wie konnte er vorher wissen, daß sie es haben würden, wenn er
nicht die Absicht hatte, es ihnen zu geben? Nun, ihr sagt, daß Gott Glauben,
Buße, Errettung gibt, weil Er vorhersah, daß die Menschen dies haben würden. Er
sah es nicht vorher, abgesehen davon, daß Er die Absicht hatte, es ihnen zu
geben. Er sah vorher, daß Er ihnen Gnade geben würde. Aber was war der Grund,
daß Er sie ihnen gab? Gewiß nicht sein Vorhersehen. Das wäre in der Tat
abgeschmackt! und nur ein Wahnsinniger würde einen solchen Schluß ziehen. O
Vater, wenn Du mir Leben und Licht und Freude und Frieden gegeben hast, so ist
der Grund davon Dir allein bekannt. Es ist nichts in mir, was Achtung verdient
oder Dir Freude geben könnte. Es ist alles durch Deine Gnade, allein Deine
Gnade, daß ich bin, was ich bin.
Aber ist es nicht alles eitles Gerede, auch wenn man nur einen Augenblick
streitet gegen die absurde Vorstellung, daß der Mensch seinen Schöpfer fesseln
kann? Soll der Ratschluß des Ewigen von dem Willen des Menschen abhängen? Soll
der Mensch wirklich der Herr seines Schöpfers sein? Soll der Mensch den Thron
Gottes einnehmen und alle Ratschläge Jehovahs, wie es ihm gefällt, beiseite
setzen - Ihn durch sein Verdienst zwingen, ihn zu wählen? Soll etwas, das der
Mensch tun kann, die Bewegungen Jehovahs einschränken? Jemand hat gesagt, daß
die Menschen jedem den freien Willen zusprechen, ausgenommen Gott, und reden,
als wenn Gott der Sklave der Menschen sein müsse. Ja, wir glauben, daß Gott dem
Menschen einen freien Willen verliehen hat - das leugnen wir nicht; aber wir
wollen, daß Gott auch einen freien Willen hat - daß Er überdies ein Recht hat,
ihn zu gebrauchen, und daß Er ihn gebraucht; und daß kein Verdienst des Menschen
einen Zwang auf den Schöpfer ausüben kann. Verdienst ist einerseits unmöglich;
und selbst wenn wir es besäßen, so wäre es nicht möglich, daß wir es in einem
solchen Grade besäßen, daß wir die Gabe Christi verdienten. Gedenkt daran, wenn
wir Errettung verdienten, so müßte der Mensch Tugend genug haben, um den Himmel
zu verdienen, Vereinigung mit Jesu zu verdienen, in der Tat, um die ewige
Herrlichkeit zu verdienen. Ihr geht zurück zu der alten römischen Vorstellung,
wenn ihr erst den Anker fahren laßt und das Tau durchschneidet, und von irgend
etwas im Menschen redet, das die Barmherzigkeit Gottes bewegt haben könnte.
“Wohl,” sagt einer “,das ist schändlicher Calvinismus.” Sei es so, wenn es dir
beliebt, ihn so zu nennen; Calvin fand seine Lehre in der Schrift. Ohne Zweifel
hat er auch Unterweisung in den Werken des Augustinus gefunden, aber dieser
mächtige Doktor der Gnade lernte aus den Schriften von Paulus; und Paulus, der
Apostel der Gnade, empfing es durch Inspiration von Jesus, dem Herrn. Wir können
unsern Stammbaum direkt auf Christum zurückführen. Deshalb schämen wir uns
keines Titels, der an eine herrliche Wahrheit Gottes gehängt wird.
Ich komme zum schwersten Teil meiner Aufgabe heute morgen - die Erwählung in
ihrer Gerechtigkeit. Nun will ich diese große Tatsache verteidigen, daß Gott die
Menschen sich erwählt hat, und ich werde sie von einem andern Gesichtspunkte aus
betrachten, als dem, aus dem man sie gewöhnlich ansieht. Meine Verteidigung ist
diese. Ihr sagt mir, wenn Gott einige Menschen zum ewigen Leben erwählt hat, so
ist das ungerecht gewesen. Ich bitte euch, das zu beweisen. Es ist an euch, den
Beweis zu liefern. Denn ich möchte euch daran erinnern, daß niemand dies
überhaupt verdiente. Ist ein Mensch im ganzen Weltall, der die Dreistigkeit hat,
zu sagen, daß er etwas von seinem Schöpfer verdient? Wenn das, so sei es euch
kund getan, daß er alles haben soll, was er verdient; und sein Lohn werden die
Flammen der Hölle auf ewig sein, denn das ist das äußerste, was ein Mensch je
von Gott verdiente. Gott ist keinem Menschen etwas schuldig, und am letzten
großen Tage wird jeder Mensch so viel Liebe, so viel Mitleid, so viel Güte
haben, als er verdient. Selbst die Verlorenen in der Hölle sollen alles haben,
was sie verdienen; ja, und Wehe ihnen an dem Tage, wo sie den Zorn Gottes haben
werden, der das Höchste sein wird, das sie verdient haben. Wenn Gott jedem so
viel gibt, wie er verdient, ist Er deshalb der Ungerechtigkeit zu beschuldigen,
wenn Er einigen unendlich mehr gibt, als sie verdienen? Wo ist die
Ungerechtigkeit eines Menschen, der mit dem Seinigen tut, wie er will? Hat er
nicht das Recht, zu geben, was ihm gefällt? Wenn Gott jemandem etwas schuldig
wäre, dann würde Ungerechtigkeit da sein. Aber Er ist niemandes Schuldner, und
wenn Er seine Gunst nach seinem eignen unumschränkten Willen verleiht, wer will
Ihn tadeln? Du hast keinen Schaden erlitten; Gott hat dir nicht Unrecht getan.
Bringe deine Ansprüche vor Ihn, und Er wird ihnen bis aufs letzte Jota gerecht
werden. Wenn du gerecht bist und etwas von deinem Schöpfer verlangen kannst,
stehe auf und mache deine Tugenden geltend, so wird Er dir antworten, ob du auch
deine Lenden gürtest wie ein Mann, und vor Ihm stehst und deine eigne
Gerechtigkeit geltend machst, so wird Er dich zittern machen und dich selber
verabscheuen, daß du dich in Staub und Asche wälzest; denn deine Gerechtigkeit
ist eine Lüge, und deine besten Werke nur unreine Lumpen.
Ich verteidige sie wiederum ans einem andern Grunde. Wem von euch hat Gott je
seine Barmherzigkeit und Liebe verweigert, wenn ihr sein Angesicht gesucht habt?
Hat Er nicht das Evangelium euch allen frei verkünden lassen? Heißt nicht sein
Wort euch zu Jesu kommen? und sagt es nicht feierlich: “Wer da will, der komme?”
Werdet ihr nicht jeden Sonntag eingeladen, zu kommen und euer Vertrauen auf
Jesum zu setzen? Wenn ihr es nicht tun wollt, sondern eure Seelen verderben
wollt, wer ist zu tadeln? Wenn ihr euer Vertrauen auf Christum setzen wollt, so
sollt ihr errettet werden; Gott wird sein Versprechen nicht zurücknehmen.
Erprobt Ihn, versucht Ihn. In dem Augenblick, wo du der Sünde entsagst und auf
Christum vertraust, in dem Augenblick magst du dich als einen seiner Erwählten
wissen; aber wenn du böswillig das Evangelium wegstößest, das täglich gepredigt
wird, wenn du nicht errettet werden willst, dann sei dein Blut über deinem
eignen Haupte. Der einzige Grund, weshalb du verloren gehen kannst, ist, weil du
in der Sünde beharren wolltest und nicht versuchen, davon errettet zu werden. Du
hast Christum verworfen, du hast Ihn weit von dir gewiesen und dir selbst
überlassen, willst du Ihn nicht aufnehmen. “Wohl,” sagt der eine “,aber ich kann
nicht zu Gott kommen.” Deine Unfähigkeit, zu kommen, liegt darin, daß du keinen
Willen hast, zu kommen. Wenn du nur einmal willig wärest, so würde es dir an der
Kraft nicht fehlen. Du kannst nicht kommen, weil du so an deinen Lüsten hängst,
und die Sünde so lieb hast. Das ist es, warum du nicht kommen kannst. Deine
Unfähigkeit liegt nicht in deiner leiblichen Natur, sondern in deiner
verdorbenen sittlichen Natur. O! wenn du willig wärest, errettet zu werden! Das
ist der Punkt - das ist der Punkt. Du bist nicht willens, und wirst es auch nie
sein, bis die Gnade dich willig macht. Aber wer ist zu tadeln, weil du nicht
willig bist, errettet zu werden? Niemand als du selbst; auf dich fällt aller
Tadel. Wenn du das ewige Leben ausschlägst, wenn du nicht auf Christum blicken
willst, wenn du Ihm nicht vertrauen willst, so gedenke daran, daß es dein eigner
Wille ist, der dich verdammt. War je irgend ein Mensch, der den aufrichtigen
Willen hatte, auf Gottes Weise errettet zu werden, und dem die Errettung
verweigert ward? Nein, nein, und tausendmal nein, denn ein solcher Mensch ist
schon von Gott gelehrt. Er, der den Willen gibt, wird nicht die Kraft versagen.
Dann laßt mich eine andre Frage tun. Ihr sagt, es ist ungerecht, daß einige
verloren gehen, während andre errettet werden. Wer läßt diejenigen verloren
gehen, die verloren sind? Veranlaßte Gott euch, zu sündigen? Hat der Geist
Gottes euch je überredet, etwas Unrechtes zu tun? Hat das Wort Gottes euch je in
eurer Selbstgerechtigkeit unterstützt? Nein, Gott hat nie einen Einfluß auf euch
geübt, um euch den verkehrten Weg gehen zu lassen. Die ganze Tendenz seines
Wortes und der Predigt des Evangeliums geht dahin, euch zu überreden, euch von
der Sünde zur Gerechtigkeit zu kehren, von eurem gottlosen Wege zu Jehovah. Ich
sage wieder, Gott ist gerecht. Wenn ihr den Heiland verwerft, der euch verkündet
wird, wenn ihr euch weigert, Ihm zu trauen, wenn ihr nicht zu Ihm kommen wollt
und errettet werden, und dann verloren gehet, so ist Gott durchaus gerecht
darin, daß ihr verloren geht; aber wenn es Ihm gefällt, den übernatürlichen
Einfluß des Heiliges Geistes an einigen von euch auszuüben, so ist Er sicher
gerecht, indem Er die Gnade gibt, die kein Mensch beanspruchen kann, und so
gerecht, daß durch die Ewigkeiten hindurch nie ein Fehler in seinen Handlungen
gefunden werden wird, sondern das “Heilig, Heilig, Heilig” soll gesungen werden
von den Erlösten und von Cherubim und Seraphim; und selbst die Verlorenen in der
Hölle werden gezwungen sein, einen unfreiwilligen Baß zu dem furchtbaren Lied
ertönen zu lassen: “Heilig, Heilig, Heilig ist der Herr Gott Zebaoth.”
Nachdem ich so versucht habe, die Gerechtigkeit der Erwählung zu verteidigen,
wende ich mich nun dazu, die Wahrheit derselben darzulegen. Ich habe hier
möglicherweise einige gottesfürchtige Männer, welche diese Lehre nicht aufnehmen
können. Nun, mein Freund, ich zürne dir nicht, wenn du sie nicht aufnehmen
kannst, denn kein Mensch kann sie aufnehmen, wenn es ihm nicht von Gott gegeben
ist; kein Christ wird sich darüber freuen, wenn er nicht von dem Geiste gelehrt
ist. Aber im Grunde, mein Bruder, wenn du ein erneuerter Mensch bist, so glaubst
du sie. Du kommst die Stufen hinauf, um mit mir zu streiten. Komm her, und ich
will dir erlauben, mit dir selbst zu streiten, und ehe fünf Minuten verflossen
sind, wirst du mit deinem eignen Munde meine Sache beweisen. Komm, mein lieber
Bruder, du glaubst nicht, daß Gott gerechterweise einigen Menschen mehr Gnade
geben kann, als andern. Sehr wohl. Laßt uns niederknien und zusammen beten; und
du sollst zuerst beten. Kaum beginnst du zu beten, so sagst du: “O Herr, möge es
Dir gefallen in Deiner unendlichen Barmherzigkeit, Deinen Heiligen Geist zu
senden, um diese Versammlung zu erretten, und möge es Dir gefallen, meine
Verwandten nach dem Fleisch zu segnen.” Halt' ein! Halt' ein! Du bittest Gott,
etwas zu tun, was nach deiner Theorie nicht recht ist. Du bittest Ihn, ihnen
mehr Gnade zu geben, als sie empfangen haben; du bittest Ihn, etwas Besonderes
zu tun. Wie kannst du nach deiner Theorie dies für recht erklären? Wenn es
ungerecht von Gott wäre, einem Menschen mehr Gnade zu geben, als einem andern,
wie sehr ungerecht ist es dann von dir, Ihn zu bitten, es zu tun! Wenn es alles
dem freien Willen des Menschen überlassen ist, warum bittest du dann den Herrn,
dazwischen zu treten? Du rufst: “Herr, ziehe sie, Herr, brich ihre Herzen,
erneuere ihren Geist.” Nun, ich tue von Herzen dies Gebet, aber wie kannst du es
tun, wenn du es für ungerecht vom Herrn hältst, diesen Leuten mehr Gnade zu
gewähren, als den übrigen Menschen. “O!” aber sagst du “,ich fühle, daß es recht
ist, und ich will Ihn bitten.” Sehr wohl; wenn es aber recht von dir ist, zu
bitten, so muß es recht von Ihm sein, zu geben; es muß recht von Ihm sein,
Menschen Gnade zu geben, und einigen solche Gnade, daß sie gezwungen sind,
errettet zu werden. Du hast so meine Behauptung bewiesen, und ich brauche keinen
bessern Beweis. Und nun, mein Bruder, wollen wir ein Lied zusammen singen.
“Mein Herr und Gott, ich liebe Dich,
Denn Du zuvördest liebtest mich.”
Ja, Bruder, das ist Calvinismus. Du hast ihn wieder ausgesprochen. Du liebst deinen Herrn und Gott, weil Er dich zuerst geliebt hat. Wohl, wie ist es, daß du dahin gekommen bist, Ihn zu lieben, während andre Ihn nicht lieben? Ist das zu deiner Ehre oder zu seiner Ehre? Du sagst: “Es ist zum Preise der Gnade; laß die Gnade den Preis haben.” Sehr wohl, Bruder, wir werden ganz gut zusammen auskommen; denn obgleich wir nicht im Predigen übereinstimmen, so stimmen wir doch, wie du siehst, im Beten und Preisen überein. Vor ein paar Monaten predigte ich in einer großen Versammlung von Methodisten; die Brüder waren sehr lebendig und gaben alle Arten Antworten auf meine Predigt, nickten mit dem Kopf und riefen: “Amen!” “Halleluja!” “Ehre sei Gott!” und ähnliches. Sie weckten mich vollständig auf. Mein Geist war erregt, und ich predigte weiter mit ungewöhnlicher Kraft und Stärke; und je mehr ich predigte, desto mehr riefen sie: “Amen!” “Halleluja!” “Ehre sei Gott!” Zuletzt führte mich ein Teil meines Textes auf das, was hohe Lehre genannt wird. Deshalb sagte ich, dies bringt mich zu der Lehre von der Erwählung. Da gab es ein tiefes Atemholen. “Nun, meine Freunde, ihr glaubt sie,” sie schienen zu sagen: “Nein, wir tun es nicht.” Aber ihr tut es, und ich will euch “Halleluja!” darüber singen machen. Ich will sie euch so predigen, daß ihr sie anerkennen und glauben werdet. Deshalb stellte ich es so dar: “Ist kein Unterschied da zwischen euch und andern Menschen? “Ja, ja. Ehre sei Gott, Ehre!” Es ist ein Unterschied da zwischen dem, was ihr waret, und was ihr jetzt seid. “O, ja! o, ja!” An eurer Seite sitzt ein Mann, der zu derselben Kapelle gegangen ist, wie ihr, dasselbe Evangelium gehört, er ist unbekehrt. Wer hat den Unterschied gemacht, ihr selbst oder Gott? “Der Herr!” sagten sie “,der Herr! Ehre! Halleluja!” Ja, rief ich, und das ist die Lehre von der Erwählung; das ist alles, was ich behaupte, daß wenn ein Unterschied da ist, der Herr ihn gemacht hat. Ein guter Mann kam zu mir herauf: “Du hast recht, mein Junge! Du hast recht! Ich glaube deine Lehre von der Erwählung; ich glaube sie nicht, wie sie von einigen Leuten gepredigt wird, 'aber ich glaube, daß wir Gott die Ehre geben müssen; wir müssen die Krone auf das rechte Haupt setzen.” Im Grunde ist ein Instinkt in dem Herzen eines jeden Christen, der macht, daß er das Wesentliche dieser Lehre aufnimmt, selbst wenn er sie nicht in der besonderen Form annehmen will, in der wir sie geben. Das ist mir genug. Ich lege keinen Wert auf die Worte oder Ausdrücke oder die Form des Glaubensbekenntnisses, in der ich die Gewohnheit haben mag, diese Lehre darzustellen. Ich wünsche nicht, daß ihr mein Glaubensbekenntnis unterschreibt; aber ich wünsche, daß ihr eins unterschreibt, das Gott die Ehre für seine Errettung gibt. Jeder Heilige im Himmel singt: “Die Gnade hat es getan;” und ich wünsche, das jeder Heilige auf Erden dasselbe Lied singt: “Ihm, der uns geliebet hat und gewaschen von den Sünden mit seinem Blut, Ihm sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.” Die Gebete, die Lobgesänge, die Erfahrung derer, welche diese Lehre nicht glauben, beweisen dieselbe besser, als irgend etwas, was ich sagen kann.
II.
Die Erwählung in ihren praktischen Einflüssen.
Ihr werdet sehen, daß das Gebot mit der Lehre verbunden ist: Gott hat euch
geliebt über alle Völker der Erde; deshalb “beschneidet nun eures Herzens
Vorhaut und seid von nun an nicht halsstarrig.” Man flüstert davon, daß die
Erwählung eine zügellose Lehre sei. Sprecht es laut aus, und dann wollen wir
euch antworten. Die Lehre von der Erwählung ist eine zügellose! Wie beweist ihr
das? Es ist meine Sache, euch das gerade Gegenteil zu beweisen. “Ja, aber,” ruft
jemand “,ich kenne einen Mann, der an die Erwählung glaubt, und doch in Sünden
lebt.” Ja, und ich nehme an, daß dies beweist, sie sei nicht wahr. So kann ich
also durch London gehen und irgend einen zerlumpten betrunkenen Kerl finden, der
eine Lehre glaubt und in Sünden lebt, und die Tatsache, daß er sie glaubt,
beweist, daß sie nicht wahr ist. Sonderbare Logik das!
Ich will es unternehmen, jede Wahrheit in der Welt als unwahr zu beweisen, wenn
ihr mir nur dies als Regel gebt. Ich könnte einen Elenden, der in Sünden lebt,
auftreiben, der doch glaubt, daß, wenn er von Herzen riefe: “Herr, sei mir
Sünder gnädig,” er errettet werden würde, selbst auf seinem Sterbebett; ich
vermute, sein Glaube daran beweist es als falsch, - nicht wahr? Nein! Ihr wißt
sehr wohl, obgleich ihr solche Logik gegen uns gebraucht, so würdet ihr sie doch
nicht gegen euch selber gebrauchen. Die Sache ist die, daß das schlechte oder
das gute Leben einzelner nicht als ein Beweis für oder gegen eine Reihe von
Lehren genommen werden kann. Es gibt heilige Männer, die im Irrtum sind; es gibt
Unheilige, welche die Wahrheit annehmen. Das kann jeder, der aufrichtig die
Beobachtung anstellen will, jeden Tag sehen. Wenn indes irgend eine Sekte
besonders voll von ungöttlichen Bekennern und Heuchlern wäre, so wollte ich die
Kraft eures Beweises zugeben. Aber ich fordere euch auf, den Beweis zu liefern.
Die Menschen, die diese Lehre geglaubt haben, sind überall in der ganzen Welt -
obgleich es vielleicht sich für mich nicht paßt, es zu sagen, außer daß ich mich
dessen rühmen will, wie Paulus es tat - sehr eifrige, sehr ernste, sehr heilige
Menschen gewesen. Gedenkt daran, ihr, die ihr über diese Lehre spottet, daß ihr
eure Freiheiten Männern verdankt, die sie glaubten. Wer schnitt für England
seine Freiheiten zurecht? Ich zögere nicht, die Palme den starken Armen der
Kriegsleute und dem mächtigen Willen Oliver Cromwells zu reichen. Aber was
andres ließ sie sich so in die Schlacht stürzen, wie sie es taten, als der feste
Glaube, daß sie die Erwählten Gottes seien, und alles vor sich hinwegfegen
könnten, weil der Herr, ihr Gott, mit ihnen war? Es ward zu Karls des Zweiten
Zeit gesagt, wenn man solche suchte, die an den Arminianismus glaubten, so
könnte man sie in jeder Schenke finden; aber wenn man die suchte, die an die
Lehren von der Gnade glaubten, so müßte man in die Kerker gehen, wo die Heiligen
Gottes eingeschlossen seien wegen der Strenge ihres Lebens und der besonderen
Genauigkeit ihres Wandels. Niemals waren Menschen himmlischer gesinnt, als die
Puritaner; und welchen Puritaner könnt ihr finden, der eine andre Lehre hatte,
als die, welche ich heute predige? Ihr mögt einen neueren Doktor finden, der das
Gegenteil lehrt, aber geht durch die Jahrhunderte hindurch, und wenige Ausnahmen
abgerechnet, wo sind die Heiligen, welche die Erwählung Gottes leugneten? Das
Banner ist von einer Hand in die andre gegangen. Märtyrer starben dafür! sie
besiegelten die Wahrheit mit ihrem Blute. Und diese Wahrheit wird stehen, wenn
die rollenden Jahre aufhören, sich zu bewegen.
Aber ich komme zu meinem Beweise zurück. Es wird als eine Theorie aufgestellt,
daß diese Lehre zügellos sei. Wir widersetzen uns dieser Theorie. Es würde nicht
geziemend sein, wenn es so wäre. Die Erwählung lehrt, daß Gott einige erwählt
hat, Könige und Priester vor Gott zu sein. Wenn ein Mann glaubt, daß er erwählt
ist, ein König zu sein, würde er berechtigt sein, daraus den Schluß zu ziehen:
“Ich bin zum König erwählt, deshalb will ich ein Bettler sein; ich bin erwählt,
auf einem Throne zu sitzen, deshalb will ich Lumpen tragen.” Ihr würdet sagen:
“Darin wäre keine Logik, kein Verstand.” Aber es ist ganz ebensoviel Verstand
darin, als in eurer Annahme, daß Gott sein Volk erwählt hat, heilig zu sein, und
eine. Kenntnis dieser Tatsache es unheilig machen wird. Nein! Der Mensch, der
weiß, daß Gott ihm eine besondere Würde verliehen hat, fühlt in seinem Herzen
einen Wunsch, dieser Würde gemäß zu leben. “Gott hat mich mehr als andre
geliebt,” sagt er, “darum will ich Ihn mehr als andre lieben. Er hat mich durch
seine freie Gnade höher als andre gestellt; darum will ich höher als sie leben:
will heiliger sein; will hervorragender in der Gnade sein, als einer von ihnen.”
Wenn es einen Menschen gibt, der die Würde der Gnade, die Christus ihm gegeben,
mißbrauchen kann, und sie in einen Grund für Zügellosigkeit verkehren, so ist er
nicht unter uns zu finden. Der müßte etwas weniger als ein Mensch, gefallen, wie
der Mensch es ist, sein, der aus der Tatsache, daß er ein Kind Gottes durch
Gottes freie Gnade geworden, nun den Schluß ziehen wollte, daß er deshalb leben
müsse wie ein Kind des Teufels; oder sagen wollte: “Weil Gott mich verordnet
hat, heilig zu sein, deshalb will ich unheilig sein.” Das wäre die seltsamste,
wunderlichste, verkehrteste, abscheulichste Schlußfolgerung, die man nur hören
könnte.
Wiederum, nicht nur das Geziemende bei der Sache, sondern die Sache selbst
beweist, daß es so nicht ist. Erwählung ist nie Absonderung. Gott hat den, der
gottesfürchtig, für sich selber ausgesondert, hat ein Volk aus der Masse des
Menschengeschlechts abgesondert. Erlaubt diese Absonderung uns zu schließen:
“Gott hat mich abgesondert, deshalb will ich leben, wie andre Menschen leben.”
Nein! Wenn ich glaube, daß Gott mich durch seine unterscheidende Liebe
ausgezeichnet hat und mich abgesondert, dann höre ich den Ruf: Gehet aus von
ihnen, und sondert euch ab, und rührt kein Unreines an, so will ich euer Vater
sein.” Es wäre sonderbar, wenn der Ratschluß der Absonderung eine unheilige
Gemeinschaft erzeugen sollte. Es kann nicht sein. Ich leugne ein für allemal in
dem Namen aller, welche an der Wahrheit halten, - ich leugne feierlich, wie in
der Gegenwart Gottes, daß wir irgend einen Gedanken daran haben, daß wir, weil
Gott uns abgesondert hat, hingehen und wie andre leben sollten. Nein, Gott
verhüte es. Unsre Absonderung ist eine Ursache und ein Beweggrund dafür, daß wir
uns ganz von Sündern trennen. Ich hörte einmal einen Mann sagen: “Mein Herr,
wenn ich diese Lehre glaubte, so würde ich in Sünden leben.” Meine Antwort war:
“Ich glaube wohl, Sie würden es. Ich glaube wohl, Sie würden es.” “Und warum,”
sagte er “,sollte ich es mehr als Sie?” “Einfach darum, weil Sie ein Mensch
sind, und ich hoffe, ich bin ein neuer Mensch in Christo Jesu.” Für einen
Menschen, der durch die Gnade erneuert ist, gibt es keine Lehre, die ihn
veranlassen könnte, die Sünde zu lieben. Dort ist ein Rabe in eine Taube
verwandelt. Ich will euch diese Taube geben, und ihr könnt sie lehren, was ihr
wollt, aber diese Taube wird nicht mehr Aas fressen. Sie kann es nicht ertragen,
ihre Natur ist ganz verwandelt. Hier ist ein Löwe, der nach Raub brüllt. Ich
will ihn in ein Lamm verwandeln; und ich fordere euch heraus, ob ihr dies Lamm
durch irgend eine Lehre dahin bringen könnt, daß es hingeht und seine Lippen mit
Blut rötet. Es kann dies nicht tun - seine Natur ist verwandelt. Ein Freund an
Bord eines Dampfers fragte, als wir von Irland zurückkamen, einen der Matrosen:
“Möchtest du ein lustiges Lied?” “Nein,” sagte er “,ich liebe solche Dinge
nicht.” “Möchtest du einen Tanz?” “Nein,” sagte er “,ich habe eine Religion, die
nur erlaubt, zu fluchen und mich zu betrinken, so oft es mir gefällt und das ist
niemals; denn ich hasse alle solche Dinge mit vollkommenem Haß.” Christen halten
sich von der Sünde fern, weil ihre Natur die Sünde verabscheut. Bildet euch
nicht ein, daß wir von der Sünde zurückgehalten werden, weil man uns durch die
Drohung der Verdammnis erschreckt; wir haben keine Furcht, außer der Furcht,
unsern liebevollen Vater zu beleidigen. Aber wir wünschen nicht zu sündigen -
unser Durst ist nach Heiligkeit und nicht nach Laster. Aber wenn ihr eine
Religion habt, die euch immer einen Zwang auferlegt, so daß ihr sagt: “Ich ginge
gern ins Theater heute abend, wenn ich nur dürfte,” - wenn ihr so sprecht,
verlaßt euch darauf, dann ist eure Religion nicht viel wert. Ihr müßt eine
Religion haben, die euch das hassen macht, was ihr einst liebtet, und lieben,
was ihr einst haßtet; eine Religion, die euch aus eurem alten Leben herauszieht
und euch in ein neues Leben bringt. Nun, wenn ein Mensch eine neue Natur hat,
welche Lehre von der Erwählung kann machen, daß diese neue Natur gegen ihre
Instinkte handelt? Die Erwählung Gottes gibt eine neue Natur; deshalb, selbst
wenn die Lehre gefährlich wäre, würde die Natur sie schon im Zaume halten. Aber
noch einmal, bringt mir hierher den Mensch en - Menschen soll ich ihn nennen? -
bringt mir die Bestie oder den Teufel hierher, der sagen würde: “Gott hat mich
geliebt, ehe die Welt gegründet ward; mein Name ist auf Jesu Herzen; Er erkaufte
mich mit seinem Blut; meine Sünden sind alle vergeben; ich werde Gottes
Angesicht mit Freude und Wonne sehen; deshalb hasse ich Gott; deshalb lebe ich
in Sünden.” Bringt mir das Ungeheuer herauf, sage ich; und wenn ihr ein solches
gebracht habt, selbst dann will ich nicht zugeben, daß Vernunft in dieser
schändlichen Lüge ist, dieser verdammenswerten Verleumdung, die ihr auf diese
Lehre geworfen habt, daß sie die Menschen zügellos mache. Es gibt keine
Wahrheit, die einen Menschen so zur Frömmigkeit stählen kann, als die Tatsache,
daß er von Gott erwählt war vor Anbeginn der Zeit. Von Dir geliebt mit einer
grenzenlosen Liebe, die sich nie ändert und bis zum Ende dauert - o, mein Gott!
Ich wünsche, mich in Deinem Dienste zu verzehren, denn diese reiche
Barmherzigkeit zwingt uns, nötigt uns, in der Furcht Gottes zu wandeln, Ihn zu
lieben und Ihm unser ganzes Leben lang zu dienen.
Nun noch zwei Lehren, und dann will ich schließen.
Die erste Lehre ist dies: Christliche Männer und Frauen, erwählt von Gott und
verordnet zur Seligkeit, erinnert euch, daß dies eine Lehre ist, der überall
widersprochen wird. Verbergt sie nicht, versteckt sie nicht, denkt daran, daß
Christus gesagt hat: “Wer sich meiner Worte schämt, dessen werde ich mich auch
schämen.” Aber nehmt euch in acht, daß ihr der Lehre keine Unehre macht. Seid
heilig, wie Er heilig ist. Er hat euch berufen; haltet fest an eurem Beruf und
tut Fleiß, euren Beruf und Erwählung fest zu machen. Ziehet an, als die
Erwählten Gottes, herzliches Erbarmen, Heiligkeit und Liebe; und laßt die Welt
sehen, daß Gottes Erwählte durch die Gnade zu den auserlesensten Menschen
gemacht sind, die mehr in Christi Nähe leben und mehr Christo gleichen, als
irgend welche andre Leute auf der Erde. Und laßt mich hinzufügen, wenn die Welt
euch verhöhnt, so könnt ihr eurer Feindin ins Angesicht blicken, ohne zu
zittern. Denn dies ist ein Grad des Adels, ein Patent göttlicher Würde, wegen
dessen ihr nie zu erröten braucht, das euch aber abhalten wird, je Feiglinge zu
sein oder das Knie vor Pomp und Rang zu beugen, wenn sie mit dem Laster
vergesellschaftet sind. Die Menschen haben sich ihre eignen Erwählten
auserlesen, ihre Könige, Herzöge und Grafen, und Gottes Erwählung kommt damit in
Widerstreit. Es sind einige, die ihre Knie nicht vor Baal beugen wollen, die
sich für Gottes echte Aristokratie halten, die nicht ihr Gewissen den Diktaten
andrer unterwerfen wollen. Die Menschen spotten und toben und rasen, weil diese
Lehre einen Mann stark in seinen Lenden macht und ihn nicht das Knie beugen oder
umkehren und ein Feigling sein läßt. Steht deshalb fest in dieser Freiheit und
laßt euch nicht in der Hoffnung eures Berufes erschüttern.
Ein andres Wort der Ermahnung; es ist die zweite Lehre. Es sind einige unter
euch, die aus der Lehre von der Erwählung eine Entschuldigung machen, eine
Verteidigung für ihren eignen Unglauben und ihr gottloses Herz. Nun, gedenkt
daran, diese Lehre übt durchaus gar keinen Zwang auf euch aus. Wenn ihr gottlos
seid, so seid ihr es, weil ihr es sein wollt. Wenn ihr den Heiland verwerft, so
tut ihr es eben, weil ihr es tun wollt. Die Lehre läßt euch Ihn nicht verwerfen.
Ihr mögt sie als Entschuldigung brauchen, aber es ist eine vergebliche; es ist
ein Kleid von Spinngewebe, das am jüngsten Tage weggerissen werden wird. Ich
bitte euch, legt es beiseite und bedenkt, daß die Wahrheit, mit der ihr es zu
tun haben werdet, die ist: “Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du
selig.” Wenn du glaubst, so wirst du selig. Wenn du Christo vertraust, magst du
sein, wer du willst oder was du willst, in der ganzen weiten Welt, so bist du
ein erretteter Mensch. Sprich nicht: “Ich will nicht glauben, weil ich nicht
weiß, ob ich erwählt bin.” Du kannst es nicht wissen, bis du geglaubt hast.
Deine Sache ist es, zu glauben. “Wer” - es ist keine Beschränkung dabei - “wer
an Christum glaubt, soll errettet werden.” Du ebensowohl, wie jeder andre
Mensch. Wenn du Christo vertraust, sollen deine Sünden vergeben, deine
Missetaten ausgetilgt werden. Das Knie beugend, bitte ich euch: “Küsset den
Sohn, daß Er nicht zürne.” Empfangt seine Barmherzigkeit jetzt, ergebt euch Ihm,
und dann werdet ihr finden, daß ihr euch Ihm ergabt, weil Er dies in euch
wirkte; daß ihr zu Ihm kamt, weil Er euch zog; und daß Er euch zog, weil Er euch
je und je geliebt hatte.
Möge Gott seinen Segen hierzu geben, um Jesu willen! Amen.