Tragkraft
Vor dem Stationsgebäude
einsam auf der Bank ich saß,
um die Wartezeit zu kürzen,
ich in einem Büchlein las;
Dann und wann hob ich die Blicke - -
viel zu sehn gabOs nicht hier,
nur ein leerer Güterwagen
stand auf dem Geleis, vor mir.
Doch auf einmal blieb mein Auge
daran haften wie gebannt;
Tragkraft 130 Zentner - - - - -
hieß es, auf des Wagens Wand,
und, die harmlos kurze Aufschrift
schreckte mich aus meiner Ruh.
Eine Frage mich durchzuckte:
- - - - - Wieviel Tragkraft, Herz hast du??
Wieviel Tragkraft, für des Lebens
Kampf und Müh und Not und Leid??
Wieviel Tragkraft für Verkennung,
Härte, Ungerechtigkeit??
Für ein lieblos Wort und Lächeln,
Für den Spott und Hohn der Welt?
Wieviel Tragkraft für den Nächsten
wenn er strauchelt, wenn er fällt??
Und es ward in den Minuten
ernster Selbstprüfung mir klar,
Wie oft Tragkraftmangel, Ursach
meiner Niederlagen war.
Und aus meinem tiefsten Herzen
stieg ein Seufzer himmelwärts:
Vater! rüste aus mit Tragkraft,
deines Kindes schwaches Herz!