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Hiob Walvoord
Hiob (Roy B. Zuck)


EINLEITUNG


Hiob und das Problem seines Leidens


Das Buch Hiob enthält eines der bekanntesten Beispiele für unverdientes Leid. In kürzester Zeit verlor Hiob, ein angesehener, wohlhabender und gottesfürchtiger Mann, seinen ganzen Besitz, alle seine Kinder und seine Gesundheit. Seine Frau war Hiob keine Stütze, denn sie legte ihm nahe, seinem Elend ein Ende zu bereiten, indem er Gott fluchte. Dann erschienen zum Überfluß noch Hiobs Freunde und verurteilten ihn, statt ihn zu trösten. Darüber hinaus schien Gott Hiob zu übersehen, denn er antwortete ihm lange Zeit überhaupt nicht und setzte sich nicht für seine Sache ein.

Hiobs Leid in dieser Zeit umfaßte den wirtschaftlichen, seelischen, körperlichen und geistlichen Bereich. Jedermann war gegen Hiob, und auch Gott, dem er treu gedient hatte, schien sich von ihm abgewandt zu haben. Dennoch war Hiob ein geistlich gesinnter Mensch, der an seinen moralischen Maßstäben festhielt ( Hi 1,1.8;2,3 ). Konnte Leid noch unverdienter sein? Hätte nicht solch ein gerechter Mensch von Gott gesegnet und nicht geplagt werden müssen? Die Tatsache, daß Hiob, der ein herausragender Bürger war, so viel besaß und dann so viel verlor, macht ihn zu einem außergewöhnlichen Beispiel für Bedrückung, die sich allen menschlichen Erklärungsversuchen entzieht.

Viele Menschen können sich mit Hiob identifizieren, wenn sie sich langanhaltenden, aufreibenden Nöten gegenübersehen, die ihnen ungerecht erscheinen. Sie fragen sich, warum sie diese Bedrückung erfahren und warum gerade sie so sehr geplagt werden. Jedem Menschen erscheint das Leid - insbesondere das unverdiente Leid - nur sehr schwer verständlich. Wenn Schmerzen offensichtlich keine Strafe für falsches Verhalten sind, dann verwirren sie uns. Das Buch Hiob handelt vom Rätsel des unverdienten Elends und macht deutlich, daß Gott mit dem Unglück unter Umständen andere Absichten verfolgt, als dem Menschen seine Sünde zu vergelten.

Das Buch Hiob beschäftigt sich auch mit der Frage nach der Haltung des Menschen in seiner Not. Hiobs Erfahrung macht deutlich, daß ein gläubiger Mensch, der großes Leid erfährt, Gott nicht notwendigerweise abschwören muß. Er darf ihn ruhig fragen, sollte ihn aber nicht verleugnen. Vielleicht sehnen wir uns wie Hiob nach einer Erklärung für das, was mit uns geschieht; aber wenn wir nicht verstehen können, warum wir leiden, müssen wir Gott deshalb noch lange nicht verfluchen. Obwohl Hiob nahe daran war, schwor er doch Gott nicht ab, wie es Satan vorausgesagt hatte.

Das Buch Hiob lehrt uns auch, daß es kein Fehler ist, nach dem Warum zu fragen, so wie es Hiob selbst getan hat ( Hi 3,11-12.20 ). Es ist jedoch falsch, von Gott eine Antwort auf unsere Klagen zu fordern, wie es Hiob ebenfalls getan hat ( Hi 13,22;19,7;31,35 ). Der Mensch hat kein Recht , von Gott eine Erklärung für das Leid, das er erfährt, zu verlangen, denn dann stellt er sich über Gott und zieht seine Allmacht in Zweifel.



Der Stil des Buches


Das Buch Hiob ist als unvergleichliches literarisches Kunstwerk bezeichnet worden. Die häufig zitierte Aussage von Thomas Carlyle ist nur ein Beispiel dafür: "Mir scheint, daß kein biblisches oder nichtbiblisches Buch geschrieben wurde, das ähnlichen literarischen Ruhm verdient" ("The Hero as a Prophet", Our Heroes, Hero-Worship, and the Heroic in History. Boston: Ginn, 1901, S. 56).

Das Buch Hiob fällt durch seinen einzigartigen Aufbau auf. Es ist eine Mischung aus Prosa und Poesie, von Monologen und Dialogen. Die Einleitung ( Hi 1-2 ) und der Schluß ( Hi 42,7-17 ) sind in erzählender Prosa gehalten; die Texte dazwischen sind in poetischer Form abgefaßt (ausgenommen sind jeweils der erste Vers eines jeden Kapitels, der eine neue Rede ankündigt, und Hi 32,1-6 a). Dieser Aufbau (Prosa-Poesie-Prosa), der in der Literatur des Alten Orients häufiger zu finden ist, ist in der Bibel einmalig. Eine weitere mögliche Betrachtungsweise des Aufbaus dieses Buches wird in der Übersicht "Der Parallelismus im Aufbau des Buches Hiob" vorgestellt.

Das Stilmittel der Ironie wird im gesamten Buch Hiob verwendet; einige der zahlreichen Beispiele werden in der Auslegung erwähnt (vgl. auch Gregory W. Parsons "Literary Features of the Book of Job"; Bibliotheca Sacra 138, Juli-September 1981, S. 215 - 8; Edwin M. Good, Irony in the Old Testament , Philadelphia; Westminster Press, 1965, S. 196 - 240).

Die literarische Form des Buches Hiob deutet auf einen Gerichtsprozeß (mehrere Ausdrücke aus dem Bereich von Gericht und Gesetz werden von Hiob, seinen Freunden und Gott benutzt), auf einen polemischen Dialog, einen Weisheitsstreit oder eine Klage hin. Hiob richtete zahlreiche Klagen gegen sich selbst, gegen Gott und gegen seine Feinde (vgl. die Übersicht "Hiobs Klagen").

Das Buch Hiob ist auch wegen seines großen Wortschatzes ein herausragendes literarisches Dokument. Viele Wörter werden nur in diesem Buch und sonst nirgends im AT verwendet.

Es werden fünf verschiedene Worte für "Löwe" gebraucht ( Hi 4,10-11 ), sechs Synonyme für "Falle" ( Hi 18,8-10 ) und sechs für "Finsternis" ( Hi 3,4-6;10,21-22 ). Das Vokabular des Buches Hiob verrät über das Hebräische hinaus den Einfluß mehrerer anderer Sprachen, wie z. B. des Akkadischen, Arabischen, Aramäischen, Sumerischen und Ugaritischen (vgl. R. Laird Harris, "The Book of Job and Its Doctrine of God", Grace Journal 13, Herbst 1976, 10 - 14).

Das Buch Hiob enthält darüber hinaus zahlreiche Vergleiche und Bilder, von denen viele aus der Natur stammen. Es streift verschiedene Lebensbereiche wie Astronomie, Geographie, Jagd, Bergbau, Reisen, Wetter, Zoologie und benutzt die Fachausdrücke der Gerichtshöfe.

Es kann daher nicht verwundern, wenn Alfred Tennyson das Buch "das größte Gedicht der Antike wie der Moderne" nennt (zitiert nach Victor E. Reichert, Job, S. XIII).



Verfasserfrage


Wir wissen nicht, wer das Buch Hiob geschrieben hat und wann es geschrieben wurde. Es ist uns ferner unbekannt, wann sich das ereignete, was hier beschrieben wird, und wann Hiob gelebt hat. All das bleibt uns verborgen, was aber der Botschaft und der Mahnung dieses Buches keinen Abbruch tut.

Man hat vermutet, daß entweder Hiob selbst oder Elihu (der vierte Freund Hiobs, der im letzten Teil des Buches, in den Kap. 32-37 zu Wort kommt) der Verfasser des Buches war. Auch Mose, Salomo, Hiskia und Jesaja wurden als Autoren vorgeschlagen. Das Buch könnte auch nach dem Babylonischen Exil geschrieben worden sein, z. B. von Esra oder einem uns unbekannten Verfasser, der um 200 v. Chr. lebte. Nach jüdischer Tradition war Mose der Autor des Buches Hiob. Man hat auch Salomo aufgrund seiner Vorliebe für die Poesie (vgl. Sprüche, Prediger und Hoheslied) und aufgrund einiger Ähnlichkeiten zwischen dem Buch Hiob und den Sprüchen (z. B. Hi 28 und Spr 8 ) als Verfasser vorgeschlagen.

Die Einzelheiten der langen Zwiegespräche, die im Buch Hiob enthalten sind, vermitteln den Eindruck, daß das Buch von einem Augenzeugen geschrieben wurde. Wenn Hiob selbst der Autor war, dann hätte er in den 140 Jahren, die er noch lebte, nachdem er wieder gesund geworden war, genügend Zeit gehabt, das Werk fertigzustellen. Diese Version scheint wahrscheinlicher zu sein, als daß ein anderer Autor viele Jahrhunderte später das niederschrieb, was in mündlicher Tradition über Jahrhunderte hinweg überliefert worden war.

Zur Zeit des Alten Testaments sprachen Menschen zuweilen von sich selbst in der dritten Person. Selbstverständlich muß ein anderer die beiden letzten Verse des Buches geschrieben haben ( Hi 42,16-17 ), die vom Alter und Tod Hiobs sprechen. Auch das war nicht ungewöhnlich (so wurde z. B. 5Mo 1-33 von Mose geschrieben, 5Mo 34 ,das Kapitel über den Tod Moses, wurde jedoch von einer anderen Person hinzugefügt).

Man hat auch vermutet, daß das Buch Hiob über viele Jahre hinweg von verschiedenen Autoren zusammengestellt worden sei, von denen jeder einen kleinen Teil zu dem ursprünglichen Werk beigetragen habe. Allerdings deuten zahlreiche Merkmale auf einen einzigen Verfasser hin, und viele Querverweise im Buch legen eine einheitliche Abfassung nahe.



Entstehungszeit


Die Meinungen darüber, wann Hiob gelebt haben könnte, reichen vom Zeitalter der Patriarchen (Abraham, Isaak und Jakob - etwa 2100 bis 1900 v. Chr.) bis zum sechsten Jahrhundert v. Chr. Mehrere Faktoren lassen jedoch auf eine Abfassung des Buches in der Zeit der Patriarchen schließen:

1. Hiob lebte noch 140 Jahre, nachdem sein Elend vorüber war ( Hi 42,16 ), so daß er etwa 210 Jahre alt geworden sein könnte. Das stimmt ungefähr mit der Lebensdauer überein, die uns für die Patriarchen bezeugt ist. Terach, der Vater Abrahams, starb im Alter von 205 Jahren, Abraham lebte 175 Jahre, Isaak 180 Jahre, und Jakob starb im Alter von 147 Jahren.

2. Der Reichtum Hiobs wurde wie bei Abraham ( 1Mo 12,16; 13,2 ) und Jakob ( 1Mo 30,43;32,6 ) an seinen Herden gemessen ( Hi 1,3;42,12 ).

3. Die Sabäer und Chaldäer ( Hi 1,15.17 ) waren zu Abrahams Zeiten Nomaden, später nicht mehr.

4. Das hebräische Wort q+RIFCh , das mit "Goldstück" übersetzt wird ( 42,11 ), wird im AT sonst nur noch zweimal benutzt ( 1Mo 33,19; Jos 24,32 ), wobei es sich beide Male auf Jakob bezieht.

5. Die Töchter Hiobs waren wie ihre Brüder Erben seines Besitzes ( Hi 42,15 ). Dies war nach dem mosaischen Gesetz nicht mehr möglich, wenn die Brüder der Töchter noch am Leben waren ( 4Mo 27,8 ).

6. Dem Buch Hiob in mancher Beziehung ähnliche literarische Werke wurden zur Zeit der Patriarchen in Ägypten und Mesopotamien verfaßt.

7. Das Buch Hiob nimmt auf die mosaische Zeit und ihre Einrichtungen (die Priesterschaft, die Gesetze, die Stiftshütte, besondere religiöse Gedenk- und Feiertage) keinen Bezug.

8. Gott wird im Buch Hiob 31mal Sadday genannt (im übrigen AT nur 17mal). Diese Bezeichnung Gottes war den Patriarchen vertraut (vgl. den Kommentar zu 1Mo 17,1; 2Mo 6,3 ).

9. Mehrere Personen- und Ortsnamen stehen mit der Patriarchenzeit in Verbindung. Beispiele dafür sind (a) Saba, ein Enkel Abrahams ( 1Mo 25,3 ), und die Sabäer ("die aus Saba") ( Hi 1,15;6,19 ); (b) Tema, ein weiterer Enkel Abrahams ( 1Mo 25,15 ), und Tema, ein Ort im Norden der arabischen Halbinsel ( Hi 6,19 ); (c) Elifas, ein Sohn Esaus ( 1Mo 36,4 ), und Elifas, einer der Gefährten Hiobs ( Hi 2,11; diese beiden Erwähnungen beziehen sich nicht notwendigerweise auf ein und dieselbe Person), und (d) Uz, ein Neffe Abrahams ( 1Mo 22,21 ), und Uz, der Ort, an dem Hiob wohnte ( Hi 1,1 ). Wenn man auch nicht mit Sicherheit behaupten kann, daß Hiob zur Zeit Jakobs oder kurze Zeit danach lebte, so muß diese These doch als Möglichkeit erwogen werden.

Hiob war im zweiten vorchristlichen Jahrtausend ein gebräuchlicher westsemitischer Name. Auch ein in den ägyptischen Fluchtexten erwähnter König aus dem 19. Jahrhundert v. Chr. hieß Hiob. Man hat ferner in den ägyptischen Amarnabriefen (um 1350 v. Chr.) und in ugaritischen Texten den Namen erwähnt gefunden.



GLIEDERUNG


I. Einleitung ( Kap.1-2 )

     A. Der Charakter Hiobs ( 1,1-5 )
          1.Hiobs Wohnort und seine Frömmigkeit ( 1,1 )
          2.Hiobs Besitztümer ( 1,2-3 )
          3.Hiobs Nachkommenschaft ( 1,4-5 )

     B. Hiobs Unglück ( 1,6-2,10 )
          1.Hiobs erste Prüfung ( 1,6-22 )
          2.Hiobs zwete Prüfung ( 2,1-10 )

     C. Hiobs Tröster ( 2,11-13 )

II. Der Dialog ( 3,1-10 )

     A. Hiobs Verlangen nach dem Tod ( Kap.3 )
          1.Hiobs Wunsch,daß er besser nie geboren worden wäre ( 3,1-10 )
          2.Hiobs Wunsch, daß er besser bei seiner Geburt gestorben wäre ( 3,11-19 )
          3.Hiobs Wunsch,daß er besser gleich stürbe ( 3,20-26 )

     B. Der erste Redezyklus ( Kap.4-14 )
          1.Elifas' erste Rede ( Kap.4-5 )
          2.Hiobs erste Antwort an Elifas ( Kap.6-7 )
          3.Bildads erste Rede ( Kap.8 )
          4.Hiobs erste Antwort an Bildad ( Kap.9-10 )
          5.Zofars erste Rede ( Kap.11 )
          6.Hiobs erste Antwort an Zofar ( Kap.21 )

     C. Der zweite Redezyklus ( Kap.15-21 )
          1.Elifas' zweite Rede ( Kap.4-5 )
          2.Hiobs zwete Antwort an Elias ( Kap.16-17 )
          3.Bildads zweite Rede ( Kap.18 )
          4.Hiobs zweite Antwort An Bildads ( Kap.19 )
          5.Zofars zweite Rede ( Kap.20 )
          6.Hiobs zweite Atwort an Zofars ( Kap.21 )

     D. Der dritte Redezyklus ( Kap.22-31 )
          1.Elifas' dritte Rede ( Kap.22 )
          2.Hiobs dritte Antwort an Elias ( Kap.23-24 )
          3.Bildads dritte Rede ( Kap.25 )
          4.Hiobs dritte Antwort An Bildads ( Kap.26-31 )

     E. Elihus vier Reden ( Kap.32-37 )
          1.Elihus erste Rede ( Kap.32-33 )
          2.Elihus zweite Rede ( Kap.34 )
          3.Elihus dritte Rede ( Kap.35 )
          4.Elihus vierte Rede ( Kap.36-37 )

     F. Die beiden Reden Gottes und Hiobs Antworten ( 38,1-42,6 )
          1.Gottes erste Rede ( 38,1-40,2 )
          2.Hiobs erste Antwort An die Gott ( 40,3-5 )
          3.Gottes zweite Rede 40,6-41,26 )
          4.Hiobs zweite Antwort an Gott ( 42,1-6 )

III. Nachwort ( 42,7-17 )

     A. Gott verurteilt die Freunde Hiobs ( 42,7-9 )
     B. Gott gibt Hiob wieder Besitz und Familie ( 42,10-17 )


AUSLEGUNG


I. Einleitung
( Hi 1-2 )


In dieser in Prosa gehaltenen Vorrede werden Hiobs geistliches Leben, seine Familie und Besitztümer, die Anklagen Satans und seine Angriffe auf Hiob, Hiobs Reaktion und die Ankunft seiner Freunde beleuchtet. All das wird rasch vor dem Leser entfaltet. Im Gegensatz dazu wird der darauffolgende Dialog ( Hi 3,1-42,6 ) langsam und ausführlich entwickelt. Der gedrängte Bericht zu Anfang des Buches gibt dem Leser die Möglichkeit, sich rasch in Hiobs Lage zu versetzen und an seinen aufreibenden Auseinandersetzungen mit seinen Freunden und mit Gott innerlich teilzunehmen.



A. Der Charakter Hiobs
( 1,1-5 )


1. Hiobs Wohnort und seine Frömmigkeit
( 1,1 )


Hi 1,1


Wir können nicht genau ausmachen, wo sich das Land Uz, in dem Hiob lebte, befand. Man hat vielfach angenommen, daß es mit Edom identisch ist, das südöstlich vom Roten Meer lag. Zur Zeit Jeremias (wenn nicht schon vorher; Jer 25,20-21 ) wurde Uz jedoch von Edom unterschieden. Uz war damals eine "Tochter" Edoms, d. h. ein Besitztum oder ein Nachbarland Edoms ( Kl 4,21 ). Man hat auch vermutet, daß Uz in Baschan südlich von Damaskus lag. Andere Meinungen gehen dahin, daß es sich östlich von Edom im nördlichen Arabien befand. Die Gebräuche, das Vokabular sowie die Angaben über Geographie und natürliche Gegebenheiten deuten auf Nordarabien hin. Auf jeden Fall lag Uz in der Nähe einer Wüste ( Hi 1,19 ), und man betrieb dort Ackerbau und Viehzucht ( Hi 1,3.14;42,12 ). Möglicherweise lag dieses Land außerhalb Palästinas.

Hiob war rechtschaffen ("ohne moralischen Makel" oder "moralisch vollkommen") und fromm ("gerade" in dem Sinne, daß er nicht von den Maßstäben Gottes abwich). Er war gottesfürchtig , d. h. er war sich der Majestät Gottes bewußt, verehrte den Herrn und unterwarf sich ihm. Er mied das Böse und lehnte alles ab, was dem Wesen Gottes widerstrebte. Diese Bewertung der Position Hiobs, die Gott später vor Satan wiederholt ( Hi 1,8;2,3 ), zeigt, daß seine Freunde ihn völlig zu Unrecht beschuldigten, ein verstockter Sünder zu sein.


2. Hiobs Besitztümer
( 1,2-3 )


Hi 1,2-3


Hiob hatte sieben Söhne, was man als Zeichen göttlichen Segens zu betrachten pflegte (vgl. Rt 4,15; 1Sam 2,5 ), und drei Töchter. Eine solche Kinderzahl war zu jener Zeit üblich. Hiob war bemerkenswert reich. Seine siebentausend Schafe lieferten Kleidung und Nahrung. Die dreitausend Kamele dienten zum Transport von Gütern und spendeten Milch. Die 1000 Rinder (fünfhundert Joch) lieferten Nahrung und Milch und pflügten die Felder. Die fünfhundert Eselinnen wurden ebenfalls zum Transport benutzt. So große Herden, wie Hiob sie besaß, erforderten viel Land und viel Gesinde.

Hiob war reicher als alle, die im Osten wohnten, und damit der vermögendste Mann eines offensichtlich wohlhabenden Volkes im nördlichen Arabien. Die, welche "im Osten wohnten", hat man mit Kedar in Nordarabien ( Jer 49,28 ) gleichgesetzt. Hiob besaß außergewöhnliche Weisheit, denn die Männer des Ostens waren für ihre große Weisheit bekannt, die in Sprichwörtern, Liedern und Geschichten zum Ausdruck kam.

Im Buch Hiob finden wir aber noch weitere Angaben über diesen Patriarchen. Er war hochangesehen ( Hi 29,7-11 ), er war ein gerechter und ehrlicher Richter ( Hi 29,7.12-17 ), ein weiser Berater ( Hi 29,21-24 ), ein ehrlicher Arbeitgeber ( Hi 31,13-15.38-39 ), gastfreundlich und großzügig ( Hi 31,16-21.32 ) und ein tüchtiger Landwirt ( Hi 31,38-40 ).



3. Hiobs Nachkommenschaft
( 1,4-5 )


Hi 1,4-5


Jedesmal, wenn seine sieben Söhne zusammen mit ihren Schwestern (vgl. V. 13 ) in einem ihrer Häuser ein Fest veranstalteten (möglicherweise eine Geburtstagsfeier), heiligte er sie, indem er zehn Brandopfer, also ein Brandopfer für jedes Kind, darbrachte. Er sorgte dafür, daß sie Vergebung für jede Sünde empfingen, die sie bewußt oder unbewußt begangen haben mochten. Hiobs Sorge, daß sie vielleicht Gott in ihrem Herzen geflucht hätten, läßt Satans Anschuldigung vorausahnen, daß Hiob Gott fluchen werde ( Hi 2,5 ).

Hiob war ein vorbildlicher Mensch. Wegen seiner besonderen Vorzüge traf ihn das nahende Unglück umso mehr. Niemand hatte das Leid weniger verdient als Hiob, und nur wenige Menschen haben mehr erduldet als er.



B. Hiobs Unglück
( 1,6-2,10 )


1. Hiobs erste Prüfung
( 1,6-22 )


Hiob wurde zwei Prüfungen unterworfen. Die erste betraf seinen Besitz und seine Kinder (V. 6-22 ), die zweite seine Gesundheit ( Hi 2,1-10 ). Jede der beiden Prüfungen wird in zwei Szenen dargestellt, von denen sich die eine im Himmel und die andere auf der Erde abspielt. In den beiden Szenen im Himmel wird Hiob von Satan angeklagt, in den beiden Szenen auf der Erde von ihm angegriffen, wobei auch die Reaktion Hiobs geschildert wird.

a. Satans erste Anklage
( 1,6-12 )


Hi 1,6-8


Als die Gottessöhne (d. h. Engel; nicht gefallene Engel sind "Söhne" Gottes in dem Sinne, daß sie seine Schöpfung sind; vgl. Hi 38,7 ) vor den Herrn traten, um über ihr Tun zu berichten, war auch der Satan (wörtl.: "der Ankläger") unter ihnen. Er hatte und hat noch Zugang zum Himmel (vgl. Offb 12,10 ). Er sagte, daß er die Erde hin und her durchzogen habe, um sich nach jemandem umzusehen, den er anklagen und beherrschen könnte ( 1Pet 5,8 ). Satans Umherziehen auf der Erde deutet wohl auch seine Herrschaft über die Erde und ihre Bewohner an. Ein Land zu durchwandern oder zu betreten symbolisiert häufig die Herrschaft darüber (vgl. 5Mo 1,36; 11,24; Jos 1,3; 14,9 ). Satan ist der "Gott dieser Welt" ( 2Kor 4,4; vgl. Eph 2,2 ), und "die ganze Welt liegt im Argen" (d. h. sie steht unter der Herrschaft des Bösen; 1Joh 5,19 ).

Der Herr sprach von Hiob mit der ehrenhaften Bezeichnung mein Knecht (vgl. Hi 2,3;42,7-8; in V. 8 dreimal) und führte ihn als herausragendes Beispiel der Frömmigkeit an: es ist seinesgleichen nicht auf Erden . Satan herrschte und herrscht über weite Teile der Welt, aber der Herr stellte klar heraus, daß er nicht über Hiob herrschen konnte!



Hi 1,9-12


Satan antwortete, indem er die Beweggründe Hiobs in Frage stellte: Meinst du, daß Hiob Gott umsonst fürchtet? "Umsonst" ( HinnAm ) wird in Hi 2,3 (vgl. den Kommentar dort) mit "ohne Grund" wiedergegeben. Weil Satan zugeben mußte, daß Gottes Meinung über Hiob zutreffend war, stellte er die Frage, warum Hiob so fromm war. Er deutete damit an, daß Hiob Gott möglicherweise nicht aus Liebe diente, sondern nur deshalb sein Knecht war, weil Gott ihm im Gegenzug soviel schenkte. Wenn diese "Belohnungen" ihm einmal weggenommen würden, wäre es mit seiner Gottesfurcht bald vorbei.

Satans listige Anspielung, daß die Verehrung Gottes bei Hiob wohl auf eigennützigen Beweggründen beruhe, trifft das Wesen der Beziehung des Menschen zu Gott. Das Buch Hiob wirft nicht nur die Frage nach dem Leid des Gerechten auf. Es behandelt auch, wie den Worten Satans zu entnehmen ist, die Beweggründe für ein gottgefälliges Leben. Wird ein Mensch noch dem Herrn dienen, wenn er selbst davon keinen Vorteil hat? Erkauft sich der Mensch durch die Verehrung Gottes eine himmlische Belohnung? Ist die Frömmigkeit Teil eines Vertrages, durch den man Reichtum erwerben und alle Schwierigkeiten abwenden kann?

Wenn Gott seine schützende Mauer um Hiob und alles, was er besaß, wegnähme, würde Hiob nach Meinung Satans Gott absagen (d. h. ihm fluchen). Der Widersacher erklärte, daß Hiob nicht länger fromm bliebe, wenn er nichts mehr davon hätte. Er behauptete also, daß Hiob Gott verehrte, damit es ihm selbst wohl erging. Diese Anklage war zugleich ein Angriff auf das Wesen Gottes, denn sie besagt ja, daß Gott von Menschen nur dann verehrt wird, wenn er ihnen Reichtum verspricht. Vielleicht war diese Anschuldigung Gottes einer der Gründe dafür, daß Gott Satan die Erlaubnis gab, Hiob anzutasten. Er kannte zwar das Herz seines Knechtes, aber er gebrauchte ihn, um Satan zum Schweigen zu bringen. Darüber hinaus wollte Gott das geistliche Leben Hiobs vertiefen.



b. Satans erster Angriff
( 1,13-19 )


Hi 1,13-15


Satan unternahm seinen ersten Angriff auf Hiob, als dessen zehn Kinder im Hause des ältesten Bruders ein Fest feierten (V. 13.18 ; vgl. V. 4 ). Das Unglück wurde abwechselnd von Menschen und von Naturkräften verursacht: Die Sabäer griffen an (V. 15 ), ein "Feuer Gottes" fiel vom Himmel (V. 16 ), die Chaldäer führten einen Raubzug durch (V. 17 ), und ein Wind aus der Wüste kam auf (V. 19 ). Gott erlaubte Satan, dies alles zu benutzen, um sein Ziel zu verfolgen und seine Angriffe rasch und gezielt zu führen. Während Hiob noch unter dem Schock eines Verlustes stand, wurde er bereits von der nächsten Unglücksbotschaft überwältigt.

Die Sabäer, die 1000 Rinder und 500 Eselinnen geraubt und die Knechte Hiobs erschlagen hatten, kamen vielleicht aus dem Gebiet um Saba bei Dedan im nördlichen Teil Arabiens ( 1Mo 10,7; 1Mo 25,3 ).



Hi 1,16-17


Das Feuer Gottes, das vom Himmel fiel und die 7000 Schafe sowie die Knechte verzehrte, wurde möglicherweise durch Blitze entzündet (vgl. "das Feuer des Herrn" in 1Kö 18,38 ).

Die Chaldäer griffen in drei Abteilungen an, raubten die 3000 Kamele und töteten die Knechte. Zu jener Zeit waren die Chaldäer ein wenig zivilisiertes Volk, das die Einwohner Mesopotamiens ausplünderte. Während die Sabäer aus dem Süden gekommen waren, fielen die Chaldäer vermutlich von Norden her in jene Region ein. Offensichtlich waren die Raubzüge dieser beiden Völker Überraschungsangriffe.



Hi 1,18-19


Der starke Wind, der an die vier Ecken des Hauses stieß, war wohl ein Wirbelsturm, der sich im Nu bildete, als der Wind durch die Wüste brauste. Er brachte das Haus ins Wanken, so daß es über den zehn Kindern zusammenstürzte.

Alle Herden Hiobs waren geraubt, alle seine Knechte erschlagen worden (außer den vielleicht vier Kundschaftern, die entronnen waren und Hiob Bericht erstatteten; es handelte sich bei ihnen entweder um Knechte oder um Angehörige Hiobs, die die Tragödien mitangesehen hatten); auch alle seine Kinder waren umgekommen. In wenigen Minuten war Hiob von Reichtum und Wohlstand zu Kummer und Armut herabgesunken. Würde er sich nun von Gott lossagen und ihm untreu werden?



c. Hiobs Antwort auf seine erste Prüfung
( 1,20-22 )


Hi 1,20-22


Als Reaktion auf diesen entsetzlichen, raschen, vierfachen Angriff Satans zerriß Hiob sein Kleid , was ein Zeichen für seinen inneren Aufruhr und seinen Schock war (vgl. Hi 2,12; 1Mo 37,29.34; 44,13; Ri 11,35 ), und schor sein Haupt (vgl. Jes 15,2; Jer 48,37; Hes 7,18 ). All das spiegelte seine Trauer über die großen Verluste wider. Hiob fiel auf die Erde , aber nicht aus Verzweiflung, sondern aus Ehrfurcht vor Gott.

Hiob erkannte, daß dieser Verlust seiner Geburt und seinem Tod glich: Bei seiner Geburt war er nackt gewesen, und er würde auch wieder nackt sterben. Nun war er, bildhaft gesprochen, ebenfalls nackt. Die Worte nackt werde ich wieder dahinfahren (wörtl.: "dahin zurückkehren") legen zunächst einmal nahe, daß Hiob in den Schoß seiner Mutter zurückkehren würde. Aber wie ist dies zu verstehen? Die Rückkehr eines Menschen in den Schoß seiner Mutter konnte ein poetischer Ausdruck für die Beerdigung sein (vgl. Ps 139,15; Pred 5,14;12,7 ). Die Verbindung ist ganz offensichtlich: Der Mensch, der im Mutterleib gebildet wird, ist auch "aus Erde vom Acker" gemacht ( 1Mo 2,7; vgl. 1Mo 3,19; Hi 10,9;34,15; Ps 103,14 ), und die Erde, die Frucht hervorbringt ("Lebendiges"), ist der Mutter gleich, die ein Kind zur Welt bringt.

Hiob erkannte die Allmacht Gottes ( Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen ) und pries den Herrn. Es ist in der Tat bemerkenswert, daß Hiob auf sein Unglück mit Anbetung antwortete, auf sein Leid mit der Verehrung Gottes. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen wurde Hiob nicht bitter; er klagte Gott nicht an (vgl. Hi 2,10 ).

Hiobs erstaunliche Reaktion macht deutlich, daß Satan mit seiner Voraussage, Hiob werde Gott fluchen, völlig im Irrtum gewesen war. Ein Mensch kann fromm sein, ohne von Gott mit Besitz gesegnet zu werden; er kann durchaus gottesfürchtig sein, ohne auf seinen eigenen Vorteil zu schauen. Hiobs Verehrung seines Gottes zu einer Zeit, da er so schwere Verluste hinnehmen und so großen Kummer erdulden mußte, bestätigten Gottes Worte über Hiobs Gottesfurcht.


2. Hiobs zweite Prüfung
( 2,1-10 )


a. Satans zweite Anklage
( 2,1-6 )


Hi 2,1-4


Bei der zweiten Heimsuchung Hiobs durch Satan brachte letzterer wiederum Beschuldigungen gegen Hiobs Beweggründe und seinen Charakter vor (vgl. Hi 1,6-8 ). Das hebräische Wort für ohne Grund lautet HinnAm , dasselbe Wort, das Satan in Hi 1,9 verwendet hatte. Als Satan Hiob zur Last legte, daß er für die Verehrung seines Gottes noch einen anderen Beweggrund habe, gab der Herr dem Ankläger diesen Vorwurf zurück; Gott erklärte, daß Satan keinerlei Vorwand finden könne, um ihn gegen den Patriarchen aufzubringen. In dieser dritten Szene, deren Schauplatz wiederum der Himmel ist, deutet Satan an, daß Hiob Gott noch anbete, weil er noch nicht sein Leben aufgegeben habe. Haut für Haut! und alles, was ein Mann hat (Besitz und Kinder), läßt er für sein Leben . "Haut für Haut" war eine Redensart, die sich vielleicht auf den Tausch oder Handel mit Tierhäuten bezog. Satan wollte damit sagen, daß Hiob ganz bewußt die Haut (das Leben) seiner eigenen Kinder verkauft habe, weil Gott ihm dafür die eigene Haut (sein Leben) gelassen hatte. Hiob wurde also wiederum der Selbstsucht bezichtigt.



Hi 2,5-6


Satan vertrat folgende Auffassung: Wenn Hiob erst einmal auch an seinem eigenen Körper leiden würde, würde er Gott ins Angesicht absagen (vgl. Hi 1,11 ), denn dann bestünde für ihn kein Grund mehr, Gott anzubeten. Er würde dann nämlich sehen, daß Gott gegen ihn war. Es überrascht, daß der Herr dem Widersacher erlaubte, Hiob zu plagen. Satan durfte ihn aber nicht töten. Gott wußte, daß Hiob ihn nicht verleugnen würde.

Hiob

b. Satans zweiter Angriff
( 2,7 )


Hi 2,7


Die erste Prüfung betraf Hiobs Reichtümer, seine Kinder und fast alle seine Knechte; die zweite Prüfung aber betraf seine Gesundheit. Satan schlug Hiob am ganzen Körper mit bösen Geschwüren .

Die beiden hebräischen Wörter für "böse Geschwüre" werden auch für die Plage mit den "bösen Blattern" in Ägypten ( 2Mo 9,8-11; 5Mo 28,27 ) und für die Krankheit Hiskias ( 2Kö 20,7 ,"Geschwür") gebraucht. Manche Ausleger vermuten, daß es sich bei dieser Krankheit um die Pocken handelte. Andere sind der Meinung, daß es Elephantiasis war. Offensichtlich handelte es sich um eine Hautkrankheit, die Wundschorf bildete, wie z. B. die Blasensucht (vgl. Rupert Hallam, "Pemphigus Foliaceus", in The British Encyclopaedia of Medical Practice, 2. Aufl., 12 Bde., London, Butterworth, 1950 - 52, 9, 490-92).

Auf diese Krankheit deuten, wie die heutige Medizin bestätigt, die Symptome Hiobs hin - schlimme Geschwüre ( Hi 2,7 ), Juckreiz (V. 8 ), krankhafte Veränderungen der Gesichtshaut (V. 7.12 ), Appetitlosigkeit ( Hi 3,24 ), Niedergeschlagenheit ( Hi 3,24-25 ), Schwinden der Kräfte ( Hi 6,11 ), Würmer in den Geschwüren ( Hi 7,5 ), eiternde Geschwüre ( Hi 7,5 ), Atemnot ( Hi 9,18 ), Schatten vor den Augen ( Hi 16,16 ), Mundgeruch ( 19,17 ), Abmagerung ( Hi 19,20;33,21 ), immerwährender Schmerz ( Hi 30,17 ), Ruhelosigkeit ( Hi 30,27 ), schwarz werdende Haut ( Hi 30,30 ), sich schälende Haut ( Hi 30,30 ) und Fieber ( Hi 30,30 ).



c. Hiobs Antwort auf die zweite Prüfung
( 2,8-10 )


Hi 2,8


Hiob saß in der Asche, d. h. auf oder nahe bei einem Haufen von Asche und Abfall zum Düngen außerhalb der Stadt. Missionare haben immer wieder berichtet, daß Menschen mit eiternden Geschwüren versuchten, sich mit Asche Linderung zu verschaffen. Wie demütigend muß das für Hiob gewesen sein! Er, der als Richter ( Hi 29,7 ) im Stadttor gesessen hatte, befand sich nun gemeinsam mit den Bettlern außerhalb der Stadt und kratzte seine juckenden, eiternden Geschwüre mit einer Scherbe ab.



Hi 2,9-10 a


Als Hiobs Frau ihn drängte, seine Frömmigkeit (vgl. "fromm" in Hi 1,1 ) aufzugeben und zu ihm sagte: Sage Gott ab und (als Ergebnis davon) stirb , warf er ihr vor, töricht zu reden ( nABAl , "unkundig in geistlichen Belangen, ohne Unterscheidungsvermögen"). Sie war sich nicht darüber im klaren, daß der Rat, Hiob solle Gott abschwören, genau das war, was Satan zweimal vorhergesagt hatte ( Hi 1,11;2,5 ). Als Hiob Trost von ihr gebraucht hätte, versetzte sie ihm nur einen neuen Schlag - ein Beweis für ihre Bitterkeit gegen Gott. In ruhigem Vertrauen auf Gottes Wege machte Hiob deutlich, daß das Böse ( rA+ , "Unheil, Elend") wie auch das Gute von Gott komme (vgl. Pred 7,14; Kl 3,38 ). Diese Aussage steht in krassem Gegensatz zu der Meinung vieler Menschen, die glauben, daß Probleme die Existenz Gottes in Frage stellen! Später versicherte Hiob seinen Freunden, daß er an seiner Rechtschaffenheit bis zum Tod festhalten werde ( Hi 27,5 ).


Hi 2,10 b


Die Aussage In diesem allen versündigte sich Hiob nicht beweist eindeutig, daß Satans Vorhersage über Hiobs Absagen an Gott falsch war; sie rechtfertigte somit Gottes Worte (vgl. Hi 1,22 ).



C. Hiobs Tröster
( 2,11-13 )


Hi 2,11


Die drei Freunde Hiobs, Elifas, Bildad und Zofar , offensichtlich angesehene Männer, die von Hiobs Unglück gehört hatten, kamen zusammen und besuchten Hiob. Elifas ist ein edomitischer Name ( 1Mo 36,4 ), dieser Freund stammte entweder aus Tem an in Edom, das für seine Weisheit bekannt war ( Jer 49,7; Ob 1,9 ), oder aus Tema in Arabien. Der Name Bildad kommt in der Bibel nur an dieser Stelle vor. Wenn Bildad als " Mann aus Schuach " bezeichnet wird, dann könnte er mit Schuach, dem jüngsten Sohn Abrahams von Ketura ( 1Mo 25,2 ), in Verbindung stehen. Der Name Zofar wird ebenfalls nur im Buch Hiob erwähnt, die Herkunft dieses Mannes von Naama ist uns nicht bekannt. Manche Ausleger haben vermutet, daß Zofar aus der kanaanitischen Stadt Naama stammte, die Juda erhalten hatte ( Jos 15,41 ). Elihu, der auch zugegen war, wird erst viel später erwähnt ( Hi 32 ).

Möglicherweise war Elifas der älteste der drei, denn er wird zuerst genannt ( Hi 2,11;42,9 ). Er hielt auch in den drei Redezyklen jeweils die erste Rede ( Hi 4-5;15;22 ), seine Reden waren länger und verrieten vom Inhalt her mehr Reife. Zudem wandte sich Gott an ihn, als er die drei Freunde zurechtwies ( Hi 42,7 ).

Diese Besucher waren gekommen, um Hiob zu beklagen und zu trösten . Aber schon bald erwiesen sich ihre Reden als keineswegs trostspendend!



Hi 2,12-13


Hiob war durch die Krankheit so entstellt, daß sie ihn kaum erkannten (vgl. Hi 6,21 ). Dann brachten sie in dreifacher Weise ihren Kummer und ihre Verzweiflung zum Ausdruck: Sie weinten laut (denn sie waren sehr erschrocken und tief bekümmert), jeder zerriß sein Kleid (denn sie waren sehr niedergeschlagen), und sie streuten Staub auf ihr Haupt (ein Ausdruck des allergrößten Kummers; vgl. 1Sam 4,12; 2Sam 1,2; Neh 9,1 ).

Sie saßen eine ganze Woche lang still bei Hiob. Dies war entweder ein Ausdruck ihrer tiefen Trauer über seinen fürchterlichen Zustand oder ein Zeichen ihres Mitgefühls und ihrer Bereitschaft, dem Freund Trost zu spenden; vielleicht schwiegen sie aber auch, weil sie entsetzt und schockiert waren. Was auch immer der Grund für ihr Verhalten war - sie warteten nach damaliger Sitte ab, bis der Trauernde als erster das Wort ergriff.



II. Der Dialog
( 3,1-42,6 )


A. Hiobs Verlangen nach dem Tod
( Hi 3 )


Das Schweigen Hiobs und seiner Freunde wurde unterbrochen, als Hiob darüber klagte, daß er überhaupt geboren wurde. Er sehnte sich nach dem Tod. Vielleicht hatte diese Woche des Leidens ihm seine Verluste zu Bewußtsein gebracht und den unbarmherzigen Schmerz verstärkt. Vielleicht hatte Hiob auch darüber nachgedacht, wie ungerecht sein Zustand war.

Auch in seinem bekümmerten Selbstgespräch, in dem er den Tod herbeiwünschte, schwor Hiob Gott nicht ab, wie es Satan vorhergesagt hatte ( Hi 1,11;2,5 ), noch erwog er den Selbstmord. Er beklagte allerdings den Tag seiner Geburt ( Hi 3,1-10 ), wünschte sich, daß er tot geboren worden wäre (V. 11-19 ) und sehnte sich danach, sterben zu dürfen (V. 20-26 ).



1. Hiobs Wunsch, daß er besser nie geboren worden wäre
( 3,1-10 )


Hi 3,1-3


Hiob verfluchte seinen Tag (d. h. den Tag seiner Geburt), aber interessanterweise verfluchte er nicht Gott. Er hätte den Tag seiner Geburt gerne aus dem Kalender gestrichen (vgl. V. 6 ). Dann gedachte Hiob der Nacht, da man sprach: E in Knabe kam zur Welt (wörtl.: "wurde empfangen").

Hiob fuhr fort, über den Tag seiner Geburt (V. 4-5 ) und die Nacht, in der er empfangen worden war (V. 6-7 a), zu sprechen. Dann schloß er diese poetische Rede (V. 3-10 ) ab und erklärte, weshalb er sich danach sehnte, daß er nie geboren worden wäre (V. 10 ).



Hi 3,4-6


Jener Tag soll finster sein ist eine interessante Umkehrung des Handelns Gottes am ersten Schöpfungstag: "Es werde Licht" ( 1Mo 1,3 ). Hiob betete: Gott droben frage nicht nach ihm (wörtl.: "kümmere sich nicht um ihn, suche ihn nicht"). Er hoffte, daß Gott mit diesem Tag auch ihn selbst vergaß.

In Hi 3,4-6 sprach Hiob fünfmal von der Finsternis und gebrauchte dafür vier verschiedene Wörter. Er wünschte sich, daß dieser Tag (a) "finster" sein möge ( HOSek , V. 4 ), und er bat, daß doch Finsternis ( HOSek ) und (b) Dunkel ( QalmAweT , V. 5 ; dieser Begriff kommt nur im Buch Hiob vor; vgl. Hi 10,21;24,17;28,3;34,22;38,17 ) sowie (c) Verfinsterung ( kimrIr ) den Tag schrecklich machen mögen (V. 5 ). Das Wort für "Verfinsterung" taucht sonst nirgends im AT auf und steht für die Dunkelheit, die eine Mondfinsternis, einen Wirbelsturm oder Sturmwolken begleitet. Dann wünschte sich Hiob, daß (d) das Dunkel die Nacht seiner Empfängnis hinwegnehmen möge. Das hebräische Wort für Dunkel ( ?OPel ) wird im Buch Hiob fünfmal verwendet (V. 6 ; Hi 10,22 [zweimal]; Hi 23,17; 28,3 ).


Hi 3,7


Hiob fuhr fort, die Nacht seiner Geburt zu verwünschen. Er wollte, daß sie unfruchtbar (wörtl.: "steinig") gewesen wäre. Mit anderen Worten: Hiob wünschte, daß seine Mutter so unfruchtbar gewesen wäre wie steiniger Boden. Im Nahen Osten war und ist es vielfach Sitte, bei der Geburt eines Jungen laut zu jubeln, aber Hiob sagte: kein Jauchzen sei darin (d. h. in dieser Nacht).



Hi 3,8


Hiobs Worte: Es sollen sie verfluchen, die einen Tag verfluchen können, und die da kundig sind, den Leviatan zu wecken bezieht sich auf die Zauberer, die angeblich einen Tag zum Unglückstag machen (d. h. ihn verfluchen) konnten, indem sie den Leviatan aufreizten (vgl. Hi 40,25; Ps 74,14; Jes 27,1 ), ein siebenköpfiges Seeungeheuer aus der Mythologie des Nahen Ostens der damaligen Zeit. Der angegriffene Drache rief dann eine Sonnenfinsternis hervor, indem er die Sonne oder den Mond verschlang. Wenn also einen Tag oder eine Nacht lang die Himmelskörper nicht da waren, dann existierte der Tag der Geburt Hiobs in gewissem Sinne nicht. Hiob muß nicht unbedingt an diese mythologische Vorstellung geglaubt haben. Er verwendete in seiner poetischen Rede vielleicht nur die Bilder, die seine Zuhörer verstanden. (Vgl. den Kommentar zum Leviatan in Hi 40 .)


Hi 3,9-10


Hiob, der so sehr litt, wünschte, daß die (Morgen-)Sterne (der Nacht seiner Empfängnis) finster wären. Er bezog sich hier wohl auf die beiden Planeten Venus und Merkur, die man in der Morgendämmerung wegen ihrer Helligkeit gut sehen kann (vgl. Hi 38,7 ). Der Ausdruck die Wimpern der Morgenröte ist ein Bild, das von den ersten Sonnenstrahlen, die bei Sonnenaufgang am Horizont erscheinen, wie von einem Menschen spricht, der gerade die Augen aufschlägt. Dasselbe Bild wird später noch einmal gebraucht ( Hi 41,10 ).

Hiob hatte den sehnlichen Wunsch, daß die Nacht seiner Empfängnis in Dunkelheit gehüllt sein möge ( Hi 3,6 ), daß sie unfruchtbar sein (V. 7 ) und niemals zum Tag werden möge (V. 9 ). Hiob hatte damit gesagt, daß er besser niemals im Schoß seiner Mutter empfangen worden wäre. Aber der Leib seiner Mutter war nicht verschlossen worden; Hiobs Empfängnis hatte stattgefunden. Wenn ihr Schoß verschlossen gewesen wäre, dann hätte Hiob niemals all das Unglück erlebt. "Unglück" ( ZAmAl , "Unheil, Mühsal") wird auch in Hi 4,8;5,6-7;7,3;11,16;15,35;16,2 verwendet.



2. Hiobs Wunsch, daß er besser bei seiner Geburt gestorben wäre
( 3,11-19 )


Weil Hiobs Wunsch, daß die Nacht seiner Empfängnis und der Tag seiner Geburt einfach ausgelöscht würden, nicht in Erfüllung gehen konnte, sehnte er sich nun danach, daß er doch tot geboren worden wäre. Das wäre erträglicher gewesen als sein jetziger Zustand. Nachdem er den Tag seiner Geburt verflucht hatte, verfiel er in ruhigeres Nachdenken darüber, wieviel besser es ihm ergangen wäre, wenn er tot geboren worden wäre.



Hi 3,11-12


Der Tod während der Geburt (V. 11-12 ) hätte für Hiob Ruhe im Tod bedeutet (V. 13-15 ); auch wenn seine Mutter eine Fehlgeburt gehabt hätte (V. 16 ), hätte er Frieden gefunden (V. 17-19 ).

Hiob stellte zwei Fragen (V. 11-12 ). Zunächst fragte er, warum er nicht gestorben sei, als er aus dem Mutterleib kam. Noch einmal beklagte er später dieselbe Tatsache ( Hi 10,18-19; vgl. sein Verlangen nach dem Tod in Hi 3,20-23;6,8-9;7,15;14,13 ). Wenn er eine Totgeburt gewesen wäre, dann wäre es ihm besser ergangen als in der gegenwärtigen Situation. Seine zweite Frage, warum man ihn auf den Schoß genommen habe, bezog sich entweder darauf, daß seine Mutter ihn bald nach der Geburt auf den Schoß genommen hatte oder auf den Brauch der Patriarchen, ein neugeborenes Kind als Symbol dafür, daß es als legitimer Nachkomme akzeptiert wurde, auf die Knie eines männlichen Vorfahren zu setzen (vgl. 1Mo 50,23 im hebräischen Original). Wenn Hiobs Mutter ihn nicht an ihren Brüsten gesäugt hätte, wäre er gestorben.


Hi 3,13-15


Der Tod zum Zeitpunkt der Geburt wäre viel leichter gewesen. Hiob hätte dann Ruhe gefunden (vgl. V. 17-18 ), während ihm in seinem Leben soviel Unheil widerfuhr. Im Tod wäre Hiob zusammen mit erhabenen Persönlichkeiten, wie Königen, Ratsherren und wohlhabenden Fürsten, in einer beneidenswerten Lage.



Hi 3,16-19


Hiob sehnte sich danach, daß er doch eine Fehlgeburt gewesen wäre, die man verscharrt hätte, wie Kinder, die das Licht nie gesehen haben (vgl. V. 6-7.9 ). Er sprach noch einmal von der Ruhe, die er im Tod gefunden hätte: Dort haben die Gottlosen aufgehört mit ihrem Toben (dasselbe hebräische Wort rOgez , "Toben, Unruhe", wird in V. 26 ; Hi 14,1;37,2 verwendet) in ihrer Auflehnung gegen Gott; dort ruhen, die viel Mühe gehabt haben ; die Gefangenen haben Frieden (denn sie hören nicht mehr länger ihre Aufseher, die sie zu härterer Arbeit antreiben); klein und groß sind dort gleich; und der Knecht ist frei. Hiob, der von der Qual, die er erlitt, erschöpft war, hätte im Tod Ruhe gefunden; er wäre nicht länger der Gefangene seiner Krankheit, sondern frei von der Sklaverei seiner Pein gewesen. Diese bilderreiche Sprache zeichnet einen scharfen Gegensatz zwischen der Ruhe eines Toten und der Ruhelosigkeit eines Lebenden, der Schweres zu erdulden hat. Wer so schwer leidet wie Hiob, der kann seine Sehnsucht nach Erlösung durch den Tod nachempfinden.

 

3. Hiobs Wunsch, daß er besser gleich stürbe
( 3,20-26 )


Hi 3,20-22


Zum dritten Mal in diesem Kapitel stellte Hiob die Frage: "Warum?" (vgl. 11 - 12; vgl. auch Hi 7,20;13,24 ). Weil er keine Totgeburt gewesen, sondern empfangen und geboren worden war, wünschte er sich nun, da er längst erwachsen war, den Tod. Denn dieser würde seinem Leiden ein Ende setzen. Aber der Tod kam nicht. Noch einmal sprach Hiob vom Licht und der Dunkelheit als Anzeichen für Leben und Tod (vgl. Hi 3,3-9; Pred 11,7-8;12,1-2 ) und fragte: Warum gibt Gott das Licht dem Mühseligen und das Leben den betrübten Herzen? (vgl. Hi 3,23 ). Es erschien ihm widersinnig, daß Menschen wie er, die viele Schmerzen haben und innerlich verbittert sind, das Leben "erhalten" (vgl. V. 23 ) und es doch gar nicht wollen. Weder diejenigen, die auf den Tod warten, noch die, welche nach ihm suchen, können sterben. Der Tod kommt nicht. Wie verborgene Schätze, so ist auch der Tod unauffindbar. Wenn der Leidende endlich ein Grab finde, so sagte Hiob, dann freue er sich und sei fröhlich, denn der Tod erlöse ihn von seiner Qual.



Hi 3,23-24


Hiob fragte weiter, warum gerade der lebe, der gar nicht leben wolle. Sein Weg war verborgen (vgl. verborgene Schätze, V. 21 ), so daß er nicht erkennen konnte, wohin er ging. Wörtlich sagte Hiob, daß Gott seinen Pfad ringsum verzäunt habe. Hier bezeichnete er zum ersten Mal Gott als die Ursache seiner Bedrückung. Satan hatte sich ähnlich ausgedrückt, als er davon sprach, wie Gott Hiob "ringsumher" beschützte ( Hi 1,10 ). Nun bediente sich Hiob einer solchen Ausdrucksweise zur Benennung der von Gott auferlegten Beschränkungen. (Dies wird im Hebräischen besonders deutlich!) Das schwere Leiden schränkte seine Bewegungsfreiheit ein. Deshalb mußte Hiob seufzen und vermochte fast nichts mehr zu essen; seine Krankheit hatte ihm allen Appetit genommen. Sein Schreien nahm kein Ende, ebenso wie das Wasser eines Wasserfalls. Das hier verwendete Wort für "Schreien" bezeichnet sonst das Brüllen eines Löwen ( Hi 4,10; vgl. Ps 32,3 ).



Hi 3,25-26


Als Hiob zu Beginn seiner Prüfungen von einem Verlust gehört hatte, hatte er bereits den nächsten Verlust gefürchtet. Bei jeder neuen Katastrophe hatte er sich vor der nächsten geängstigt. Seine Ruhelosigkeit und sein innerer Aufruhr werden im Schlußsatz seines Monologes zusammengefaßt: Obwohl er sich nach Frieden und Ruhe sehnte (vgl. V. 13.17-18 ), erlebte er nur Ungemach ("Toben"; vgl. V. 17 ).

Hiobs Verlangen nach dem Tod, sein Sehnen nach dem Grab unterstreicht die entsetzliche Lage, in der er sich in wirtschaftlicher, körperlicher, geistiger, seelischer und geistlicher Hinsicht befand. Nur gottesfürchtige Menschen, denen der Tod angesichts der Qualen des Lebens als Erlösung erscheint, können Hiobs Wehklagen richtig einschätzen. Hiob hatte zunächst nicht über die Ungerechtigkeit seiner Situation geklagt, sondern nur über die Heftigkeit seiner Schmerzen. Als seine Pein andauerte, sprach er später von der Ungerechtigkeit, die ihm widerfuhr.


B. Der erste Redezyklus
( Hi 4-14 )


Nachdem Hiob das einwöchige Schweigen ( Hi 2,13 ) mit seinem Aufschrei der Qual gebrochen hatte, sahen sich seine drei Freunde - Elifas, Bildad und Zofar ( Hi 2,11 ) - genötigt, ebenfalls zu reden. Sie waren von Hiobs Verlangen nach dem Tod erschüttert und fühlten sich verpflichtet, ihn wegen seiner heftigen Worte zurechtzuweisen.

Jeder der drei Freunde hielt eine Rede und erhielt jeweils von Hiob eine Antwort. So entstanden drei Redezyklen. Der dritte Redezyklus lief etwas anders ab: Der dritte Freund hielt nur zwei Reden.

Während ihrer Reden beharrten die Freunde unnachgiebig auf ihrer theologischen Position. Sie waren der Meinung, daß stets der Gerechte belohnt und der Gottlose bestraft werde (vgl. z. B. Hi 4,7-8 ); deshalb sollte Hiob, der wohl mutwillig gesündigt hatte, Buße tun. Ihre logische Schlußfolgerung war: (a) Alles Leid ist die Bestrafung für Sünden, (b) Hiob litt, (c) deshalb hatte Hiob gesündigt. Allerdings stand diese Meinung im Gegensatz zu dem, was Gott über Hiob gesagt hatte ( Hi 1,1.8;2,3 ).

Die Freunde wurden immer heftiger, je länger sie redeten, und sie machten Hiob immer härtere Vorwürfe. Im ersten Redezyklus ( Hi 4-14 ) sprachen die drei von Hiobs Sünde und drängten ihn zum Bekenntnis. "Ich aber würde mich zu Gott wenden und meine Sache vor ihn bringen" (Elifas; 5,8 ); "wenn du rein und fromm bist" (Bildad; 8,6 ); "wenn du den Frevel in deiner Hand von dir wegtust" (Zofar; 11,14 ).

Im zweiten Redezyklus wurden die Freunde bereits deutlicher. Elifas sagte, daß es den Gottlosen übel ergehe ( Hi 15 ), Bildad bestätigte, daß sie verführt und vergessen seien ( Hi 18 ), und Zofar versicherte, daß sie nur kurze Zeit lebten und ihren Besitz einbüßten ( Hi 20 ). Sie hofften alle drei, daß Hiob verstehen und erkennen möge, daß sie von ihm sprachen. Im zweiten Redezyklus sprachen sie allerdings nicht von Buße.

Im dritten Redezyklus klagten die drei Freunde Hiob offen an. Elifas nannte mehrere Sünden, deren er Hiob beschuldigte ( Hi 22,5-9 ), und Bildad verkündete geradeheraus, daß der Mensch ein Wurm sei ( Hi 25,5-6 ). Nur Elifas wiederholte noch einmal, daß Hiob Buße tun solle ( Hi 22,21-23 ).

Doch allen diesen Beschuldigungen zum Trotz verteidigte Hiob seine Unschuld ( Hi 6,10;9,21;16,17;27,6 ) und erklärte gleichzeitig, daß Gott ihn heimgesucht habe ( Hi 6,4;9,17;13,27;16,12;19,11 ). Wer sonst konnte Hiob eine Erklärung für seine Qual geben? Warum jedoch Gott dies alles tat, war ihm unbegreiflich (zweimal fragte er in diesen Reden Gott: "Warum?"; Hi 7,20;13,24; vgl. auch die Frage "warum" in seinem Monolog zu Beginn; Hi 3,11-12.20 ).

Hiob war der Überzeugung, daß er, wenn Gott mit ihm vor Gericht erschiene, beweisen könnte, daß Gott ihn ungerecht behandelte ( Hi 13,3;16,21;19,23;23,4;31,35 ).



1. Elifas' erste Rede
( Hi 4-5 )


a. Elifas weist Hiob zurecht
( 4,1-6 )


Hi 4,1-2


Elifas , möglicherweise der älteste der drei Freunde (vgl. den Kommentar zu Hi 2,11 ), war sich darüber im klaren, daß Hiobs Monolog ( Hi 3 ) ein ungeduldiger Gefühlsausbruch gewesen war, der sich gegen seine Qual richtete. Er befürchtete, daß alles, was er jetzt sagte, von Hiob mit ähnlicher oder noch größerer Heftigkeit beantwortet werden könnte. Deshalb sagte er: Du hast's vielleicht nicht gern, wenn man versucht, mit dir zu reden . Elifas hielt es für angebracht, dieses Risiko einzugehen und zu Hiob zu sprechen. Er konnte seinen Angriff auf den Allmächtigen nicht unbeantwortet lassen.



Hi 4,3-5


Elifas lobte Hiob, weil er viele Menschen in seelischer und geistlicher Hinsicht unterwiesen und sie in ihrer Not gestärkt und aufgerichtet hatte. Aber dieses Lob enthielt auch einen Tadel, denn Elifas stellte nun fest, daß Hiob sich nicht selbst helfen konnte. Er hatte anderen den Rat erteilt, in der Versuchung Geduld aufzubringen, jetzt aber hatte er selbst Schwierigkeiten, und er war entmutigt geworden. Darüber war Hiob heftig erschrocken (dieser letzte Begriff findet sich auch in Hi 21,6;22,10;23,15-16 ). Er hatte viele Menschen ermutigt, aber er konnte sich selbst keinen Mut zusprechen. Elifas war sich leider nicht darüber im klaren, daß ein Gepeinigter sich nicht einfach selbst Mut zusprechen kann; vielmehr hätte er Hiob ermuntern sollen!


Hi 4,6


Dann fragte Elifas: Ist nicht deine Gottesfurcht dein Trost (vgl. Hi 1,1 ) und die Unsträflichkeit deiner Wege deine Hoffnung? (vgl. "rechtschaffen" in Hi 1,1 ) Vielleicht war dies ein ironischer Tadel: Elifas warf Hiob vor, daß er aus Mangel an Gottvertrauen auch seine Gottesfurcht eingebüßt habe. Doch vielleicht wollte er den Freund auch daran erinnern, daß er in der Vergangenheit Gott verehrt hatte und ihm deshalb selbst in dieser Notlage vertrauen konnte. Allerdings hinterfragte Elifas später Hiobs Frömmigkeit (Gottesfurcht; Hi 15,4 ).



b. Elifas' Gedanken über das Leid
( 4,7-11 )


Hi 4,7-9


Nun erläuterte Elifas seine Theorie über das Leid: Ein Unschuldiger komme niemals um (vgl. "umkommen" in V. 7.11.20 ); die Gerechten (Rechtschaffenen; vgl. Hi 1,1.8;2,3 ) würden nicht vertilgt; doch die da Frevel pflügten und Unheil säten ( ZAmAl ; vgl. Hi 3,10 ), würden Mühsal ernten (vgl. Spr 22,8; Hos 8,7;10,13 ), und die Gottlosen würden vom Zorn Gottes vertilgt. Allerdings stimmt diese Theorie nicht immer mit der Erfahrung überein. Häufig leidet der Unschuldige (z. B. Lk 13,4-5; Joh 9,1-3; 1Pet 2,19-20 ), und sehr oft scheint der Gottlose keine Probleme zu kennen. Darauf zielte Hiob auch im ganzen Buch immer wieder ab. Elifas' Meinung von der Vergeltung Gottes, die er mit solcher Gewißheit vorbrachte, steht nicht mit der Realität in Einklang.

Elifas hatte einfach aus dem geschlossen, was er in seinem Leben erfahren hatte ( wohl aber habe ich gesehen , Hi 4,8; vgl. Hi 5,3;15,17 ). Allerdings machte er hier einen Fehler: Seine Beobachtungen, wie umfassend sie auch gewesen sein mögen, deckten doch nicht alle möglichen Fälle ab. Bildad bezog sich auf die Geschichte ("Denn frage die früheren Geschlechter"; Hi 8,8 ), womit eine breitere Basis als die Erfahrung eines einzelnen Menschen hergestellt wurde. Zofar, der grob, unhöflich und rechthaberisch war, nahm einfach an, daß das, was er sagte, richtig sei; er berief sich daher auf niemand anderen.



Hi 4,10-11


Elifas fügte hinzu, daß Löwen zwar stark seien, jedoch ihre Zähne verlieren könnten. Sie könnten aus Futtermangel umkommen, und ihre Jungen könnten vom Jäger zerstreut werden. In gleicher Weise, so meinte Elifas, war Hiob, der doch einst so stark gewesen war (vgl. V. 3-4 ), gebrochen, und seine Kinder waren umgekommen. Es war richtig, daß Löwen (in V. 10-11 werden fünf verschiedene Wörter für "Löwen" gebraucht) gejagt und getötet wurden, denn sie bedrohten das Leben der Menschen. Aus Elifas' Worten war zu entnehmen, daß Hiob das Leid offenbar ebenso verdient hatte wie die Löwen!



c. Das Gesicht Elifas'
( 4,12-21 )


Hi 4,12-16


Elifas wollte seinem theologischen Standpunkt mehr Gewicht verleihen, indem er seine Erfahrungen als Gesichte darstellte. Man hätte ja seine beschränkten Beobachtungen anzweifeln können, aber wer hätte seine Traumvisionen zu widerlegen vermocht? Ein Wort war ihm heimlich in seinen Träumen zugeflüstert worden (vgl. V. 16 ). Seine Gebeine erzitterten vor Schreck, und die Haare standen ihm zu Berge. Der Geist (V. 15 ), ein verschwommenes Gebilde (V. 16 ), muß Elifas in großen Schrecken versetzt haben, als er an ihm vorbeiging und dann anhielt, ruhig verharrte und ihm etwas zuflüsterte.



Hi 4,17-21


Offensichtlich werden hier die Worte, die Elifas angeblich in seinem Traum gehört hatte, wiedergegeben. Aus drei Gründen waren diese Worte wohl kaum eine Offenbarung Gottes: (a) "ein Wort" (V. 12 ), nicht "ein Wort des Herrn", kam zu Elifas; (b) das Wort kam "heimlich" (d. h. auf eine nur schwer erfaßbare Art und Weise, V. 12 ); (c) die Botschaft besagte, daß Gott sich nicht um den Menschen kümmere (V. 17-21 ).

Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott? Die wörtliche Übersetzung von ?MnNS lautet: "schwacher, sterblicher Mensch"; dieses Wort kommt im Buch Hiob 30mal vor. Kann ein Mann ( geBer ; "Starker") rein sein vor dem, der ihn gemacht hat? (Vom Schöpfer und dem Schöpfungswerk ist auch in Hi 9,9;32,22;35,10;36,3;40,19 die Rede.) Elifas gab eine verneinende Anwort: Der Mensch kann vor Gott weder gerecht noch rein sein. Gott vertraut noch nicht einmal seinen Dienern (den Engeln), und seinen Boten (d. h. den gefallenen Engeln und Satan) wirft er Torheit vor. Daher ist der Mensch mit Sicherheit nicht vertrauenswürdig.

Elifas malte die Hinfälligkeit der Menschen in mehreren Bildern aus: Sie wohnen in vergänglichen Lehmhäusern, die auf Staub gegründet sind; sie werden wie Motten zerdrückt; sie werden wie ein Gefäß zerschlagen, und ihr Zelt wird abgebrochen. Die Menschen gehen dahin, sie sterben unversehens. In anderen Übersetzungen steht hier "ohne Weisheit" (zu sterben, ohne Weisheit erlangt zu haben, war ein großes Unglück im Alten Orient). Diese Worte waren ein kaum verhüllter Angriff auf Hiob. Seine Häuser boten keine Sicherheit; sein Besitz zerstreute sich ebenso, wie eine Motte zwischen den Fingern zerrieben wird; sein Leben war in Unordnung geraten, gleich einem Zelt, das umstürzt, wenn es nicht mehr von seinen Schnüren aufrecht gehalten wird (vgl. Hi 5,24;8,22;15,34 ). Hiob war nach Elifas' Meinung sicher kein weiser Mann. Elifas erzählte von seiner Vision, um seine Theorie zu stützen, daß Hiob deshalb so schwer litt, weil er ein Sünder sei. Hiobs Freund hatte offensichtlich nicht bedacht, daß auch er selbst leiden müßte, wenn alle Ungerechten und Unreinen zu leiden hätten.



d. Elifas gibt Hiob einen Rat
( 5,1-16 )


Hi 5,1-7


Elifas bezweifelte, daß die Engel (Heiligen) für Hiob eintreten könnten, da ja auf sie kein Verlaß sei ( Hi 4,18 ). Er interpretierte Hiobs Klage ( Hi 3 ) als Unmut eines Toren und als Eifer eines Unverständigen und meinte, ein solches Verhalten führe nicht zur Heilung, sondern zum Tod. Das Wort kaZaR wird hier mit "Unmut" übersetzt; es bedeutet auch "Verdruß", "Wut" oder "Kummer". Im Buch Hiob wird es dreimal verwendet: in Hi 6,2 ("Kummer"), in Hi 10,17 ("Zorn") und in Hi 17,7 ("Trauern"). Elifas nannte Hiob unbarmherzig einen Toren, dem es gerade noch wohlergangen war (der Wurzeln geschlagen hatte), der jedoch plötzlich von Gott verlassen worden war (vgl. Hi 4,9.19 ) und aufgrund dessen seine Kinder und seine Ernte eingebüßt hatte. Dies war eine grausame, hartherzige Anspielung auf Hiobs üble Lage. Elifas meinte, daß die Quelle solcher Bedrückungen nicht die Erde oder der Acker sei, sondern die Menschen selbst: der Mensch erzeugt sich selbst das Unheil ( ZAmAl ; möglicherweise eine Anspielung auf Hiobs Worte in Hi 3,10 ), wie Funken von einem offenen Feuer emporfliegen. Der Begriff für "Funken" bedeutet wörtlich "Söhne des R eSeP " und ist vielleicht eine poetische Anspielung auf den ugaritischen Gott des Blitzes, der Pest und der Feuerflammen.


Hi 5,8-16


Im Lichte seiner Sicht von Ursache und Wirkung der Sünde Hiobs gab Elifas dem Leidenden den Rat, sich zu Gott zu wenden, denn er sei hoch erhaben, mächtig (V. 9 ) und gütig: Er gibt Regen aufs Land (V. 10 ). Er hilft den Niedrigen und den Betrübten auf (V. 11 ), er macht die Pläne der Klugen (V. 12-14 ) zunichte und errettet die Armen und Elenden (V. 15-16 ). Dieser Rat war zwar an sich nicht falsch, aber Elifas hatte doch zu Unrecht behauptet, daß Hiob vorsätzlich gesündigt habe.


e. Elifas erinnert Hiob an Gottes Segnungen
( 5,17-27 )


Hi 5,17-27


Elifas meinte, daß Gott Hiob züchtigen wolle: Er wolle ihn zurechtweisen, und deshalb sollte Hiob sich der Züchtigung nicht widersetzen, sondern sie bereitwillig annehmen. Wenn Hiob sich Gott gegenüber richtig verhielte, würde ihm sein Segen zuteil. Gott bestraft zwar (er verletzt und zerschlägt), aber er heilt (verbindet) auch wieder. Er errettet in sechs und auch in sieben Nöten (wenn der ersten Zahl die nächsthöhere Zahl direkt folgt, wird damit die Ernsthaftigkeit der Aussage unterstrichen; vgl. Spr 30,15.18.21.29; Am 1,3.6.9.11.13; Hi 2,1.4.6 ). Dann sprach Elifas von Hungersnot, Kampf, Verleumdung, Verderben und wilden Tieren. Hiob würde eine reiche Ernte ( ein Bund mit den Steinen bedeutet, daß die Steine nicht den Ackerbau behindern), zahlreiche Nachkommen, Gesundheit und ein langes Leben haben. Wer wie aufgeschichtete Garben ins Grab kommt, der ist lebenssatt und bereit, in den Tod zu gehen (vgl. 42,17 ).

Elifas beschloß seine erste Rede, indem er noch einmal auf die Autorität hinwies, die angeblich hinter seinen Beobachtungen stand ( das haben wir erforscht ), und er drängte Hiob, ihnen Beachtung zu schenken.



2. Hiobs erste Antwort an Elifas
( Hi 6-7 )


a. Hiob rechtfertigt seine Klage
( 6,1-7 )


Hi 6,1-3


Der leidende Patriarch nannte als Grund für sein Klagen seinen schweren Kummer oder Gram ( kaZaR ; vgl. Hi 5,2;10,17;17,7 ). Aber wenn man seine Klage auf der Waage mit seinem Leiden verglich, dann war letzteres größer. Sein Elend war schwerer als nasser Sand. Seine Worte ( Hi 3 ), die er hitzig ausgesprochen hatte, waren im Vergleich zu seinem Leiden gar nichts.



Hi 6,4-7


Gott schoß vergiftete Pfeile auf Hiob ab (vgl. Hi 7,20;16,12-13; Kl 3,12-13 ). So wie ein Wildesel nicht schreit und ein Stier nicht brüllt, wenn sie Futter haben, so hätte Hiob nicht geklagt, wenn seine Lage nur besser gewesen wäre.

Fades schmeckte mit Salz besser; beides gehörte zusammen. Das Eiweiß mußte gewürzt werden, sonst würde Hiob sich weigern, es anzurühren. Ebenso gingen Hiobs Elend und sein Wehklagen Hand in Hand, und deshalb nahm der Leidende an, daß sein Jammern ihm verziehen würde.


b. Hiob ist über sein Leiden verzweifelt
( 6,8-13 )


Hi 6,8-10


Hiob hoffte auf den Tod; er wünschte sich , daß Gott seine Bitte erhören würde, so daß er sterben könnte (diese Bitte sprach Hiob in Hi 3,20-23 und in Hi 7,15;10,18-19;14,13 aus). Sein Elend hätte ein Ende, wenn Gott ihn erschlagen würde, wenn Gottes Hand nicht länger Hiobs Leben erhielte, sondern er sie ausstreckte und ihm den Lebensfaden abschnitte . Der einzige Trost und die einzige Freude lagen für den leidgeprüften Hiob darin, daß er Gott nicht verleugnet hatte. Nun beteuerte er zum ersten Mal seine Unschuld (vgl. Hi 9,21;16,17;27,6 ).



Hi 6,11-13


Hiob brauchte nicht geduldig zu sein (vgl. Hi 4,2 ), denn er hatte keine Hoffnung (vgl. Hi 7,6;14,19;17,15 ). Seine Kraft war dahin. Dachte Elifas etwa, daß Hiob so hart wie Stein oder so unerschütterlich wie Erz war? Hiobs folgende Frage ( Hi 6,13 ) sollte als Verneinung ausgelegt werden, die mit einem betonten bejahenden Partikel beginnt, die soviel wie "tatsächlich" bedeutet.

Hiob sagte also, daß er in sich selbst keine Hilfe und keine Quelle der Kraft finden könne.



c. Hiob ist von seinen Freunden enttäuscht
( 6,14-23 )


Hi 6,14-17


Wenn ein Mensch verzweifelt ist (vgl. V. 26 ), sollten ihm seine Brüder treu sein. Hiob hatte in all seinem Schmerz an der Furcht Gottes festgehalten (vgl. des Allmächtigen in Hi 5,17 ), aber auch wenn er sich von Gott abgewandt hätte, hätte er doch Freundschaft bitter nötig gehabt.

Hiobs Freunde waren wie ein Flußbett. In der Regenzeit führt das Wadi (Flußtal) viel reißendes Wasser aus geschmolzenem Schnee, aber im Sommer, wenn man das Wasser am nötigsten braucht, trocknet es aus. In gleicher Weise wurde Hiob von seinen Freunden enttäuscht, als er sie am dringendsten benötigte (vgl. V. 21 ).


Hi 6,18-23


Karawanenreisende aus Tema im Norden Arabiens und Saba im südwestlichen Arabien, die für ihren Handel berühmt waren, waren bei ihrer Suche nach Wasser in den Flußbetten in die Irre gegangen. Sie wurden zuschanden. In gleicher Weise war Hiob betrogen worden. Er hatte von seinen drei Gefährten Hilfe erwartet, aber keine erhalten. Sie fürchteten sich sogar noch, als sie diese Schrecknisse sahen (vgl. Hi 2,12 ). Vielleicht meinte Hiob damit, daß die drei Freunde sich vor der Strafe Gottes fürchteten, wenn sie sich auf die Seite dessen stellten, der vermutlich Gott abgeschworen hatte. Hiob hatte nie zuvor um ihre Hilfe gebeten. Warum jedoch ließen sie ihn jetzt im Stich, als er ihren Beistand brauchte?

Die Enttäuschung über seine Freunde war eines der Themen, auf die Hiob in seinen Reden immer wieder zurückkam (vgl. die Übersicht "Wiederholt aufgegriffene Themen in Hiobs Antworten").

Hiob

d. Hiobs Bitte an seine drei Freunde
( 6,24-30 )


Hi 6,24-27


Hiob hatte seiner tiefen Enttäuschung über den mangelnden Beistand seiner Freunde Ausdruck verliehen und bat sie nun, ihm doch mitzuteilen, worin er geirrt habe. "Belehrt mich, so will ich schweigen...!" Aus redlichen Worten hätte Hiob Nutzen ziehen können, auch wenn sie kräftig gewesen wären. Die Reden dieser Freunde waren jedoch nutzlos, und gleichzeitig verhallte seine eigene Rede im Wind. Es schien Hiob, als zögen sie ungebührlichen Vorteil aus der Not eines Waisenkindes oder verkauften gar ihren Nächsten!


Hi 6,28-30


Vielleicht konnten es Hiobs Freunde nicht ertragen, Hiob in das entstellte Angesicht zu schauen, denn er forderte sie nun auf, ihn anzusehen. Er wollte, daß sie seine Aufrichtigkeit erkannten ( ob ich euch ins Angesicht lüge ), ihm nicht länger Unrecht zufügten und falsche Anschuldigungen gegen ihn vorbrachten. Hiob war nicht boshaft, aber er konnte leicht Böses auf ihrer Seite bemerken.



e. Hiobs Elend
( 7,1-5 )


Hi 7,1-5


Hiob sagte, daß der Mensch ( ?MnNS , "vergänglicher, sterblicher Mensch"; vgl. den Kommentar zu Hi 4,17 ) verglichen werden kann mit: (a) einem Soldaten (das Wort QABA? , "Kriegsdienst", wird mit Dienst übersetzt; vgl. Hi 14,14; Jes 40,2 ), der seine Dienstzeit mit all ihren Mühen absolviert; (b) mit einem Tagelöhner , der harte Arbeit verrichten muß; (c) mit einem Knecht , der in der heißen Sonne arbeitet und das Ende des Tages herbeisehnt; (d) mit einem Tagelöhner, der auf die Auszahlung seines Lohnes wartet. Aber Hiobs Lage war ja noch viel schlimmer. Er verbrachte nicht nur Tage, sondern ganze Monate in vergeblichem Warten. Hiob konnte am Ende des Tages nicht im Schatten der Nacht ausruhen, sondern seine Nächte waren elend. ( ZAmAl ; vgl. Hi 3,10;4,8;5,6-7 .) Hiobs Nächte zogen sich lange hin, denn er warf sich auf seinem Lager hin und her. Wer hätte denn auch Schlaf finden können, wenn in seinem Fleisch Gewürm kroch (die Würmer fraßen möglicherweise das abgestorbene Fleisch) und Geschwüre entstanden? Die Geschwüre auf seiner Haut verschorften und brachen auf, und seine Wunden eiterten.



f. Hiob betet zu Gott
( 7,6-21 )


Hi 7,6-10


Hiob wandte sich nun an Gott und sprach zuerst von der Kürze des Lebens (vgl. Hi 9,25-26;10,20;14,1-2.5;17,1 ). Sein Leben ging schneller dahin als ein Weberschiffchen (V. 6 ), es war so vergänglich wie ein Hauch (V. 7 ) und fuhr dahin wie eine Wolke (V. 9 ). Seine Tage endeten ohne Hoffnung (vgl. Hi 6,11;14,19;17,11.15 ). Er empfand, daß er nie wieder Gutes sehen würde (dies steht im Gegensatz zu dem Glück, das Elifas ihm in Aussicht gestellt hatte, Hi 5,17-26 ). Tatsächlich würde Gott nicht mehr nach ihm sehen (vgl. Hi 7,17-19.21 ), und er würde zu den Toten hinunterfahren , um nie mehr zurückzukehren (vgl. V. 21 ).



Hi 7,11-12


Hiob hatte Gott gebeten, der Kürze seines Lebens zu gedenken, und richtete nun ungehemmt und voller Bitterkeit seine Anklage gegen ihn. Bin ich denn das Meer oder der Drache, daß du eine Wache gegen mich aufstellst? Er beklagte sich darüber, daß Gott ihn überwache und quäle. Die Nennung des Seeungeheuers war entweder eine Anspielung auf die ugaritische Mythologie, in welcher der Meergott Jam von Baal besiegt wird, oder auf einen babylonischen Mythos, in dem Marduk das Seeungeheuer Tiamat überwand und einen Wächter gegen das Ungeheuer aufstellte. Natürlich glaubte Hiob nicht an diese Mythen (vgl. den Kommentar zu Hi 3,8 ), aber er gebrauchte bekannte Erzählungen, um seine Lage bildhaft zu beschreiben. Wie das Meer oder das Seeungeheuer von einem falschen Gott beherrscht und in seine Schranken gewiesen wurde, so empfand auch Hiob seine Lage als unmenschlich, da der wahre Gott ihn wie einen besiegten Feind bewachte.



Hi 7,13-15


Hiob beschuldigte Gott, ihn mit Träumen zu ängstigen, so daß er noch nicht einmal im Schlaf seinem Übel entkommen konnte. Noch einmal sprach er den Wunsch aus, daß doch sein Elend durch seinen Tod ein Ende haben möge (vgl. Hi 3,20-23;6,8-9;10,18-19;14,13 ).



Hi 7,16-19


Weil Hiob mit seinem menschlichen Körper nicht ewig leben würde, wollte er von Gott alleingelassen werden. Warum sollte Gott ihn jagen, ihn quälen und heimsuchen, wenn sein Leben zu Ende ging und seine Tage nur noch ein Hauch waren (wörtl.: "nutzlos, vergeblich waren", heBel ; vgl. Pred 1,2 ). Hi 7,17-18 ähnelt Ps 8,5 ,abgesehen von der Tatsache, daß die Psalmworte Ehrfurcht vor Gott ausdrücken, während Hiob darüber klagte, daß er von Gott heimgesucht wurde - er wurde jeden Morgen und alle Stunde geprüft. In seiner Verzweiflung meinte Hiob, daß Gott ihn die ganze Zeit beobachtete (vgl. Hi 10,14;13,27;31,4 ) und ihm keinen Atemzug Ruhe ließ (wörtl.: "bis ich meinen Speichel hinuntergeschluckt habe!"; eine Redewendung, die heute noch im Arabischen gebraucht wird).



Hi 7,20-21


Hiob bat Gott nun, ihm mitzuteilen, auf welche Weise er gesündigt habe (er hatte seinen Freunden zuvor eine ähnliche Frage gestellt, Hi 6,24 ). Warum sollte Gott, der Menschenhüter, Hiob noch länger beachten und auf ihn wie auf ein Ziel losgehen (vgl. Hi 6,4 )? Wenn Hiob gesündigt hatte, warum vergab Gott ihm dann nicht, so daß alles sich zum Guten wandte? (Hier stellt Hiob wieder eine "Warum"-Frage; vgl. auch Hi 3,11-12.16.20.23 .) Die Zeit würde kommen, da Gott nicht länger sein Spiel treiben und seinen Feind, Hiob, peinigen würde. Hiob würde bald sterben (vgl. Hi 7,6-10 ); wenn Gott ihm noch seine Vergebung gewähren wollte, dann mußte das gleich geschehen. Wenn sich jemand in die Erde legte, so bedeutete das seinen Tod (vgl. Hi 10,9;17,16;20,11;34,15 ).

Dieses Gebet zu Gott ( Hi 7,6-21 ) war ein Schrei aus tiefster Verzweiflung. Hiob war zu der Meinung gelangt, daß Gott ihn in seinem Leben, das so schnell vorüberging, ständig quälte und ängstigte. Es war keine Hilfe in Sicht.



3. Bildads erste Rede
( Hi 8 )


Bildad warf Hiob vor, Gottes Gerechtigkeit anzuzweifeln (V. 3 ). Elifas hatte ihn beschuldigt, der Züchtigung Gottes zu widerstehen ( Hi 5,17 ). Die beiden selbsternannten Ratgeber waren der Meinung, daß das Unheil, das einem Menschen widerfährt, das Ergebnis seiner Untaten sei ( Hi 8,11-13; vgl. Hi 4,7-8 ). Bildad forderte wie Elifas Hiob dazu auf, seine Sünde zu bekennen, damit es ihm wieder wohl erginge ( Hi 8,5-7; vgl. Hi 5,8 ).



a. Bildad verteidigt Gottes Gerechtigkeit
( 8,1-7 )


Hi 8,1-2


Bildad begann seine Rede abrupt und schonungslos und stellte zwei Fragen. Die erste bezog sich auf Hiobs Reden, die wie der Wind daherfuhren, die andere auf Gottes Gerechtigkeit (V. 3 ). Er bezeichnete die Worte des Freundes als ungestüm (wörtlich: brausender Wind) und griff damit möglicherweise Hiobs eigene Erwähnung des Windes auf ( Hi 6,26 ). Das hebräische Wort, das hier mit "ungestüm" übersetzt wird, ist ungewöhnlich; es steht für einen starken Wind. Vielleicht waren Hiobs Worte für Bildad wie ein starker, langanhaltender Sturm gewesen. Vielleicht wollte Bildad aber auch zum Ausdruck bringen, daß Hiobs hastige, stürmisch ausgesprochenen Worte zerstörerisch waren, so wie der Sturm, der seine zehn Kinder getötet hatte ( Hi 1,19 ).



Hi 8,3-4


Bildad argumentierte, die Klage gegen Gott bedeute, daß Hiob Gott Ungerechtigkeit vorwarf (vgl. den Kommentar zu miSpoF in Hi 9,19 ): Weil Gott niemals das Recht verkehrte (der Begriff wird in Hi 8,3 zweimal benutzt), bestrafte er Hiob mit Sicherheit nicht ohne jeden Grund. Wenn Hiob nicht gesündigt hätte, dann würde das bedeuten, daß Gott seine geraden Wege krumm gemacht hatte. Das war für Bildad unvorstellbar! Deshalb war es ganz offensichtlich, daß Hiob doch gesündigt hatte.

Wer vor Gott gesündigt hat, bekommt auch die Folgen seiner Verfehlungen zu spüren. Für Bildad waren Hiobs Söhne der Beweis dafür. Sie waren umgekommen, weil sie gesündigt hatten, und nun starb auch Hiob, weil er in gleicher Weise gesündigt hatte. Warum sollte er sonst solches Leid erfahren? Für Bildad und seine Gefährten war die Vergeltung Gottes die Ursache für Hiobs Leiden. Anderen Erklärungen gegenüber waren sie blind. Mit Sicherheit wurde Hiob von dieser grausamen, unbarmherzigen Bemerkung tief verletzt. Immerhin hatte Hiob Opfer für die Sünden seiner Kinder gebracht ( Hi 1,5 ).


Hi 8,5-7


Wenn Hiob so rein und fromm war, wie er behauptete, dann brauchte er sich nur an Gott zu wenden und seine Gnade zu erflehen (vgl. Hi 5,8 ). Bildad brachte damit zum Ausdruck, daß Hiob Gott suchen und nicht von Gott erwarten sollte, daß er ihn suchte. Solch ein einfacher Schritt, so behauptete Bildad, hätte dann zur Folge, daß Gott Hiobs Wohnung der Gerechtigkeit wiederherstellte, so daß ihm sein vorheriger Besitz gering erscheinen würde! Aber der Rat Bildads war unangemessen, denn Hiob hatte sich bereits an Gott gewandt ( Hi 7,20-21 ), und nichts war geschehen.


b. Bildad führt den Beweis aus der Geschichte
( 8,8-10 )


Hi 8,8-10


Elifas hatte seinem Standpunkt Gewicht verliehen, indem er auf seine eigene Erfahrung verwiesen hatte ( Hi 4,8 ). Bildad versuchte, ihn zu übertreffen, indem er eine noch gewichtigere Autorität heranzog, nämlich die Beobachtungen der Menschen früherer Geschlechter. Weil die Erkenntnis Hiobs und seiner Gefährten begrenzt war ( wir wissen nichts ) und ihr Leben nur kurze Zeit währte (der Begriff Schatten nimmt vielleicht Bezug auf Hiobs Worte über die Kürze des Lebens, Hi 7,6-7.9 ), konnten sie von den Vorfahren lernen. Deren Rede entsprang aus ihrem Herzen , während Hiobs Worte aus seinem Mund stammten (dies behauptete jedenfalls Bildad). Wie konnte Hiob nur annehmen, daß die gesammelte Weisheit vieler anderer fehlerhaft war? Bildad glaubte, daß auch die Toten - falls sie sprechen könnten - bezeugen würden, daß der Mensch infolge seiner Sünden leidet.



c. Bildad illustriert das Gesagte mit Bildern aus der Natur
( 8,11-19 )


Hi 8,11-19


Um dieses Prinzip von Ursache und Wirkung bildhaft darzustellen, entwarf Hiobs zweiter Widersacher drei Bilder: davon waren zwei dem Pflanzenreich entnommen, und eines entstammte der Welt der Insekten. So wie Rohr ohne das Wasser des Sumpfes schneller verwelkt als Gras, so wird der Mensch, der sich Gott widersetzt, der Ruchlose ( HAnEP ; dieser Begriff wird im Buch Hiob achtmal gebraucht und bedeutet auch "weltlich", "gottlos"), dahinschwinden. Alles, worauf sich solch ein Mensch verlassen oder worauf er hoffen mag - so wie Hiob auf seine angebliche Unschuld - ist nutzlos und unzulänglich, und er kann darauf ebensowenig bauen wie auf eine Spinnwebe.

Bildad behauptete, Hiob schwinde dahin wie eine gut bewässerte Pflanze (mit großen Reisern über der Erde und starken Wurzeln unter der Erde, die sich über Steinhaufen schlingen), die eines Tages ausgerissen wird. Man vergißt die Pflanze ( die Stätte wird sie verleugnen ), und andere Pflanzen wachsen an ihrer Stelle. Das ist das Glück ihres Lebens, denn das einzig Freudige, das solch einer Pflanze widerfahren kann, ist das Wissen, daß eine andere ihre Stelle einnehmen wird. Auch diese bösartige Rede war Gift für Hiobs seelische Wunden. Ganz sicher hatte Hiob Gott nicht vergessen. Er war auch kein Ruchloser (vgl. Hi 1,1.8;2,3 ), der auf vergängliche Dinge gebaut hätte.



d. Bildad erweckt eine sehr schwache Hoffnung
( 8,20-22 )


Hi 8,20-22


Noch einmal unterstrich Bildad Gottes Gerechtigkeit (vgl. V. 3 ) und sagte: Siehe , (vgl. V. 19 ) Gott verwirft die Frommen nicht (vgl. Hi 1,1.8;2,3 ), und er hält die Hand der Boshaften nicht . Wenn Hiob wirklich rechtschaffen wäre (vgl. Hi 8,6 ), würde Gott ihn auch nicht so behandeln. Dann könnte er lachen, sein Mund wäre voll Jauchzens, und alle seine Feinde würden zuschanden (ironischerweise wurden Hiobs Freunde zu seinen Feinden, und sie wurden später zuschanden; vgl. Hi 42,7-9 ). Gott segnet den Rechtschaffenen und bestraft die Gottlosen (vgl. Hi 8,4.13 ), indem er ihre Hütte hinwegreißt (vgl. Hi 4,21 ), den Ort, an dem sie Sicherheit und Schutz finden. Bildads Rede endete mit den Worten nicht bestehen , denselben Worten, mit denen Hiob in Hi 7,21 seine Rede beendet hatte.

Bildads harte Rede enthielt auch einen weiteren unbarmherzigen Hinweis auf Hiobs Verluste. Der Versuch seines Widersachers, die Gerechtigkeit Gottes zu verteidigen, verstärkte nur noch Hiobs Enttäuschung über die offensichtliche Ungerechtigkeit des Herrn. Weil der Leidende nicht gesündigt hatte, waren die Worte des Ratgebers nutzlos.

 

4. Hiobs erste Antwort an Bildad
( Hi 9-10 )


Wie konnte ein Mensch mit Gott, dem Herrn der Welt, rechten? ( Hi 9,1-13 ) Gott würde Hiob überwältigen, wenn er es wagte, sich ihm entgegenzustellen ( Hi 9,14-20 ), denn Gott, so sagte Hiob, vernichte die Menschen, ganz gleich, ob sie unschuldig seien oder nicht ( Hi 9,21-24 ). Auch wenn Hiobs Lage hoffnungslos war ( Hi 9,25-35 ), so redete er doch frei heraus ( Hi 10,1-2 ) und stellte Gott zur Rede, der sein Geschöpf so grausam behandelte ( Hi 10,18-22 ).



a. Gottes furchtbare Macht
( 9,1-13 )


Hi 9,1-13


Hiob war das, was Bildad gesagt hatte, wohlbekannt ( Ja, ich weiß sehr gut, daß es so ist ); er wußte, daß der Ruchlose verging ( Hi 8,13 ). Aber das vergrößerte nur Hiobs Dilemma. Warum mußte er dann leiden?

Die Stimme in Elifas' Traum hatte gefragt: "Kann ein Sterblicher ( ?MnNS , "schwacher, sterblicher Mensch"; vgl. den Kommentar zu Hi 4,17 ) vor Gott gerecht sein?" Hiob antwortete darauf, indem er mit fast denselben hebräischen Worten bestätigte, daß ein Mensch nicht recht behalten kann gegen Gott. Mit ihm zu streiten ( rIB , "gegen ihn einen Prozeß anzustrengen"; das ist einer der zahlreichen Rechtsbegriffe im Buch Hiob), so wie Elifas es vorgeschlagen hatte ( Hi 5,8 ), wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Obwohl er versucht hatte, Gott "vor Gericht zu ziehen" (vgl. Hi 10,2;13,22;14,15;31,35-37 ), könnte Hiob ihm nicht antworten (vgl. Hi 40,3-5 ), wenn er endlich zu ihm sprechen würde!

Hiob empfand, wie wenig er dazu imstande war, seine Sache vor Gott zu bringen, denn er wußte, daß der HERR weise und mächtig ist (vgl. Hi 12,13 ). Ironischerweise handelte Gott in der Tat gemäß dieser beiden Eigenschaften, als er später zu Hiob sprach ( Hi 38,1-40,2;40,6-41,26 ). Hiob wußte, daß es zu riskant war, Gott zu widerstehen. Gott konnte Berge versetzen ( Hi 9,5 ), Erdbeben hervorrufen (V. 6 ) und die Sonne und die Sterne verdunkeln (V. 7 ). (Gott, nicht der Leviatan, verfinstert die Sonne; vgl. Hi 3,8 .) Er hat den Himmel wie ein Zelt über der Erde ausgebreitet ( Hi 9,8; vgl. Jes 40,22 ), und er geht auf den Wogen, d. h. seine Macht wird im Sturm auf dem Meer offenbar. In seiner Schöpferkraft hat er die Sterne am Firmament angeordnet ( Hi 9,9 ), und er tut Wunder (V. 10 ; Hiob zitierte hier Elifas' Worte aus Hi 5,9 ). Hiob sprach auch von der unsichtbaren Existenz Gottes ( Hi 9,11; vgl. Kol 1,15; 1Tim 1,17; Hebr 11,27 ), von seiner unumstößlichen Macht ( Hi 9,12 ) und seinem unabwendbaren Zorn (V. 13 ; vgl. V. 5 ). Vielleicht wies er auf Gottes unsichtbare Existenz hin, um Elifas' Traumvision von dem Geist, der angeblich an seinem Gesicht vorbeigezogen war ( Hi 4,15 ), zu entkräften. Sogar die Helfer Rahabs (vgl. Hi 26,12; Jes 51,9 ) unterwarfen sich Gott. Letzteres bezog sich auf einen babylonischen Mythos, in dem Marduk Tiamat besiegt (das ist ein anderer Name für Rahab und für den Leviatan; vgl. Hi 7,12 ) und dann seine Helfer gefangennimmt. Später wurde Rahab ein Spottname für Ägypten ( Ps 89,11; Jes 30,7 ).

Wenn Gott in seinem Zorn alle wirklichen und mythischen bösen Mächte besiegte, wie konnte es Hiob dann wagen, mit ihm zu streiten? Hiob merkte, daß er hilflos und seine Lage hoffnungslos war.

 

b. Die Macht Gottes
( 9,14-24 )


Hi 9,14-20


Angesichts der Größe Gottes (V. 4-13 ) sann Hiob noch einmal darüber nach, wie er nur seine Sache vorbringen (Gott antworten, vgl. V. 15 ) und gewinnen könnte. Weil er in der Gegenwart Gottes kein Wort hervorbringen würde, hätte er von einem solchen Richter wenig zu erwarten. Er meinte, daß er vielleicht noch nicht einmal angehört würde, sondern daß Gott nach ihm greifen und ihm viele Wunden schlagen würde. Sowohl hinsichtlich seiner Macht (vgl. V. 13-19 a) als auch in bezug auf das Recht (vgl. V. 19 b. 20-24 ) steht Gott über allem und läßt Hiob daher keine Hoffnung. (Der Begriff miSpoT , der hier mit "Recht" übersetzt wird, ist ein juristischer Terminus, der im Buch Hiob häufig vorkommt; vgl. Hi 8,3; 9,19.32; 13,3.18; 14,3; 19,7; 22,4; 23,4; 27,2; 31,13; 34,5.12; 37,23; 40,8 ) Hiob hatte Angst davor, daß er durcheinandergeraten und bei der Anklage gegen sich selbst Zeugnis ablegen könnte ( so müßte mich doch mein Mund verdammen ; vgl. Hi 15,6 und den Kommentar zu Hi 40,8 ).

 

Hi 9,21-24


Bei seiner Argumentation hatte Hiob gesagt: "Wäre ich gerecht" und "unschuldig" (V. 20 ). Nun versicherte er: Ich bin unschuldig (vgl. Hi 1,1.8; 2,3; 4,6; 8,20; 9,22; 12,4; 22,3; 31,6 ). Mehrmals beteuerte Hiob seine Unschuld (vgl. Hi 6,10; 10,7; 16,17; 27,6 ). Aber selbst wenn er unschuldig war, was machte das für einen Unterschied? Ob er zu den Frommen oder zu den Gottlosen gehörte - Gott würde ihn doch vernichten. Diese unbegründete Vernichtung Hiobs - Gottes Geißel tötete die Unschuldigen, und blinde Richter herrschten über das Volk - brachte ihn auf. Hier machte Hiob - wie später noch mehrmals - Gott Ungerechtigkeit zum Vorwurf. In Anbetracht der Ungerechtigkeiten in seinem Leben wie in dem der anderen lehnte er sich gegen die Meinung seiner Widersacher auf, daß Gott niemals das Recht beuge ( Hi 4,7; 8,3 ).



c. Hiobs Hoffnungslosigkeit
( 9,25-35 )


Hiob merkte, daß seine Lage aussichtslos war, denn (a) seine Tage flohen dahin (V. 25-26 ), (b) Gott hielt ihn für schuldig, ganz unabhängig davon, was er getan hatte (V. 27-31 ), und (c) niemand konnte zwischen Hiob und Gott vermitteln (V. 32-35 ).

Hi 9,25-26


Hiob beklagte die Kürze des Lebens (vgl. Hi 7,6-9; 10,20; 14,1-2.5; 17,1 ) und sagte, daß seine Tage dahineilten wie ein Läufer oder schnelle Schiffe , wie sie die Ägypter besaßen, oder wie ein Adler . Das hebräische Wort für "Adler" lautet neSer (es wird ebenfalls in Hi 39,27 gebraucht) und kann sowohl "Adler" als auch "Geier" bedeuten. Möglicherweise dachte Hiob dabei an den Wanderfalken, der etwa 190 km/h erreichen kann, wenn er auf seine Beute herabstößt. Diese drei Vergleiche (der Läufer, die Schiffe und der Falke) stehen für Geschwindigkeit zu Land, zu Wasser und in der Luft.


Hi 9,27-31


Hiobs Lage war in der Tat erbärmlich, denn auch wenn er versuchte, sein Elend zu vergessen und heiter zu bleiben (vgl. das Fehlen jeglicher Freude in V. 25 ), wäre er doch immer noch nicht unschuldig vor Gott. Warum sollte er sich also bemühen? Auch wenn er sich reinigte (die äußere Reinheit galt als Zeichen innerer Reinheit), wäre immer noch Gott seiner Meinung nach so sehr gegen ihn eingenommen, daß er ihn in die Grube werfen würde!


Hi 9,32-35


Eine Erörterung seiner Lage vor Gericht schien auch hier keinen Sinn zu haben (vgl. V. 3.14 ). Gott war schließlich kein Mensch. Es konnte sich ja auch kein Schiedsrichter über Gott und den Menschen stellen (wer könnte denn größer sein als Gott?), beide Seiten unparteiisch anhören ( der seine Hand auf uns beide legte ) und Gottes Rute und die Angst von Hiob wegnehmen (vgl. Hi 13,21;18,11 ). In diesem Fall würde Hiob sich Gott ohne Furcht entgegenstellen, doch er wußte, daß es keinen Schiedsrichter gab.



d. Hiobs Verzweiflung
( Hi 10 )


(1) Hiob fordert Gott heraus

Hi 10,1-7


Weil es keinen Schiedsmann gab, der in seiner Sache hätte vermitteln können, faßte Hiob den Entschluß, sein eigener Verteidiger zu werden. Das war ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Er nahm sein Leben selbst in die Hand (M ich ekelt mein Leben an ; vgl. Hi 9,21 ). Aber er wollte in der Betrübnis seiner Seele seiner Klage ihren Lauf lassen, auch wenn es ihn das Leben kostete. So wiederholte er seine Rede und gab Gott einen Befehl ( Verdamme mich nicht ; vgl. Hi 9,20; 15,6 und den Kommentar zu Hi 40,8 ); er bestand darauf, daß Gott seine Beschuldigungen gegen ihn vorbrachte. In diesem plötzlichen Ausbruch von Selbstsicherheit (vgl. als Gegensatz dazu Hi 9,3.14.32 ) wollte Hiob dem Herrn folgende Fragen stellen: (a) Freust du dich an meinem Leiden, wo du mich doch mit deinen Händen geschaffen hast? (vgl. Hi 10,8-12;14,15 ) (b) Hast du denn Menschenaugen, mit denen du mich erforschen mußt? (c) Ist deine Zeit so kurz, daß du nach meinen Sünden fragst? Mit Sicherheit ist Gott nicht so. Aber dennoch schien es Hiob, als ob Gott ihn knechtete, obwohl er doch wissen mußte, daß er unschuldig war.



Hi 10,8-12


(2) Hiob erinnert Gott an seine Schöpfung

Wenn Gott Hiob durch seine Hand vernichtete (vgl. V. 7 ), widersprach er sich offenbar selbst, denn er hatte ihn ja zuvor durch seine Hände im Leib seiner Mutter erschaffen. Wie ein Töpfer hatte Gott Hiob gebildet. Warum also sollte er so bald schon zum Staub zurückkehren, aus dem er gemacht worden war (vgl. Hi 7,21; 34,14-15; Ps 104,29-30; Pred 3,20; 12,7 )? Hiob verglich seine vorgeburtliche Entwicklung mit dem Gerinnen der Milch zu Käse, ein Prozeß, in dem er mit Haut und Fleisch bekleidet und seine Knochen und Sehnen zusammengefügt wurden (vgl. Ps 139,13.15 ). Gott hatte ihm Leben gegeben (vgl. Hi 12,10; 27,3; 34,14-15 ) und seinen Odem bewahrt (vgl. Hi 29,2; 36,6 ). Warum sollte sich Gott nun gegen ihn wenden? Noch einmal warf Hiob Gott vor, widersprüchlich zu handeln (vgl. Hi 10,3 ).


Hi 10,13-17


(3) Hiob klagt Gott an

Hiob erwog, ob der Herr seine Bedrückung schon immer im Sinn gehabt habe. Gott beobachtete ihn (vgl. 7,19-20 ; Hi 13,27; 31,4 ), bereit, ihm jedes Vergehen anzukreiden ( wenn ich sündigte ). Aber sogar im Falle seiner Unschuld konnte Hiob Gott nicht selbstbewußt gegenübertreten (im Gegensatz zu seiner Rede in Hi 10,2-7 ). Denn dieser schlich sich an ihn heran wie ein Löwe (vgl. Hi 16,9 ), bereit, erschreckend an ihm zu handeln (vgl. Hi 9,4-13 ) und gegen ihn Zeugen aufzustellen ( kaZaR wird mit Zorn übersetzt; vgl. Hi 5,2;6,2 ). Hiob war zu der Auffassung gelangt, daß seine Unschuld vor Gott nicht zähle, denn der Allmächtige hatte sich, aus welchem Grund auch immer, gegen ihn erhoben (vgl. Hi 9,15-20 ).



Hi 10,18-22


(4) Hiob trägt Gott eine Bitte vor

Noch einmal bat Hiob darum, daß er doch sterben dürfe (vgl. Hi 3,20-23; 6,8-9; 7,15; 10,18-19; 14,13 ) und wünschte sich, daß er niemals geboren worden wäre (vgl. Hi 3,17 ). Wenn er wie eine Totgeburt aus seiner Mutter Leib sofort in die Grube gefahren wäre, wäre ihm all dieses Elend erspart geblieben. Aber weil er dem Tod nun ohnehin sehr nahe war (vgl. Hi 7,6-9; 9,25-26; 14,1-2.5; 17,1 ), bat er Gott um eine kurze Pause zum Atemholen und ein wenig Erquickung (vgl. "Gutes" in Hi 9,25 ). Sein Tod wäre endgültig ( ich komme nicht zurück ) und finster. Vier hebräische Wörter werden hier verwendet, um die Dunkelheit des Grabes zu beschreiben. ( Finsternis , HOSek ; vgl. Hi 3,4; Dunkel , QalmAweT ; vgl. Hi 3,5; stockfinster , ZLPCh , ein Wort, das nur an dieser Stelle und in Am 4,13 gebraucht wird, "dunkel"; und Finsternis , ?OPel ; vgl. Hi 3,6; 23,17; 28,3 .) Diese Rede endete wie etliche andere Reden Hiobs mit einer Klage im Angesicht des Todes (vgl. 3,21-22; 7,21; 14,21-22 ).

 

5. Zofars erste Rede
( Hi 11 )


Zofar reagierte heftig auf Hiobs Unschuldsbeteuerungen und auf seine Anklage Gottes, der angeblich falsch gehandelt hatte. Dieser dritte Freund wurde kaum der Bezeichnung "Freund" gerecht, denn er war grob, gefühllos und frech.



a. Zofar tadelt Hiobs Worte
( 11,1-6 )


Hi 11,1-6


Zofar war wütend über Hiobs langes Gerede (V. 2-3 ). Seiner Meinung nach hatte Hiob Gott verspottet (V. 3 ) und damit geprahlt, daß er unschuldig sei (V. 4 ). Mit beißendem Sarkasmus sprach Zofar den Wunsch aus, daß Gott dem Freund doch antworten (vgl. Hi 9,3.16 ) und ihm Einsicht in die Tiefen der Weisheit geben möge, die nur schwer zu ergründen war. Nach Zofars Meinung hatte es Hiob noch gut getroffen, denn Gott ließ ihm ja nicht die Strafe zukommen, die er verdient hätte! Das war in der Tat ein harter Schlag.



b. Zofar preist die Weisheit Gottes
( 11,7-12 )


Hi 11,7-10


Zofars Lobpreis der Weisheit des Herrn ist möglicherweise eine Erwiderung auf Hiobs Aussage über Gottes Weisheit ( Hi 9,4 ). Zofar wies darauf hin, daß Gottes unerklärliche, unendlich tiefe, unerforschliche Weisheit höher als der Himmel, tiefer als die Hölle, länger als die Erde und breiter als das Meer sei. Wie konnte Hiob es ihm also wehren, wenn er gegen ihn Gericht hielt? (vgl. Hi 10,2 )

 

Hi 11,11-12


Weil Gott so unendlich weise war, so schloß Zofar, kannte er mit Sicherheit den Unterschied zwischen heillosen und aufrichtigen Menschen, auch wenn Hiob das nicht einsah (vgl. Hi 9,22 ). Zofar nannte Hiob einen Hohlkopf , dessen Aussicht, verständig zu werden, nicht größer sei als die eines Wildesels, eines als besonders dumm verschrienen Tieres, als Mensch zur Welt zu kommen! Zofar hatte wiederum ohne jedes Mitgefühl gesprochen.

 

c. Zofar fordert Hiob zum Sündenbekenntnis auf
( 11,13-20 )


Hi 11,13-20


Wie Elifas und Bildad mahnte auch Zofar Hiob zur Buße (V. 13-14 ), damit der Herr ihn wiederherstellen konnte. In diesem Fall würde Gott ihn auch von seiner Furcht befreien (vgl. Hi 10,15 ) und ihm Sicherheit und Zuversicht geben. Dann könnte Hiob alle Mühsal vergessen ( ZAmAl ; vgl. den Kommentar zu Hi 3,10 ) und Freude ( Hi 11,17; vgl. Hi 9,25; 10,20 ), Hoffnung und Sicherheit ( Hi 11,18 ) erfahren. Er würde Ruhe finden, und die Menschen würden sich wieder um seine Gunst bemühen. Wenn Hiob jedoch weiterhin in seiner sündhaften Haltung verharrte, würde er sterben ( seine Augen würden verschmachten ), seine Sünde würde ihn einholen (vgl. Hi 18,8-10 ) und seine Hoffnung ginge mit ihm zugrunde.

Diese drei ersten Reden der Freunde spendeten Hiob keinen Trost. Zwar entsprachen ihre allgemeinen Aussagen über Gottes Güte, Gerechtigkeit und Weisheit der Wahrheit, aber ihre herzlose Forderung, daß Hiob doch seine verborgene Sünde bekennen möge, ging an der Sache völlig vorbei. Sie erkannten nicht, daß Gott bisweilen andere Gründe hat, warum er Menschen leiden läßt.



6. Hiobs erste Antwort an Zofar
( Hi 12-14 )


Die Argumentationsweise der drei Freunde konnte Hiob kaum zum Schweigen bringen. Übrigens war Zofars Rede die längste, die bisher gehalten worden war. Hiob kritisierte die selbsternannten Geschworenen und ihre Beurteilung Gottes heftig ( Hi 12,1-13,19 ) und wandte sich nochmals mit seiner Sache an Gott ( Hi 13,20-14,22 ).



a. Hiob widerspricht seinen Freunden aufs entschiedenste
( 12,1-13,19 )


(1) Hiobs Erwiderung an seine drei Freunde ( Hi 12,1-12 )

Hi 12,1-3


Hiob verspottete die angebliche Weisheit seiner Freunde. Wenn Zofar ihn abfällig als dummen Esel bezeichnet hatte ( Hi 11,12 ), so antwortete er jetzt voller Sarkasmus darauf. Sie meinten wohl, daß mit ihrem Tod alle Weisheit aussterben würde! Es ging Hiob zwar sehr schlecht, aber er konnte noch klar denken. Er war nicht geringer als sie (dasselbe wiederholte er in Hi 13,2 ), und was sie über Gott gesagt hatten, war ja allgemein bekannt.



Hi 12,4-6


Gott hatte stets auf Hiobs Gebete geantwortet, aber obwohl er noch immer ohne Schuld war (vgl. Hi 1,1.8; 2,3; 9,21-22 ), hatte Gott ihn jetzt zur Zielscheibe des Spottes werden lassen. Es erschien Hiob aber ungerecht, wenn der Sichere (die drei Ratgeber!) einen Menschen im Unglück mit Verachtung strafte, und wenn die Hütten der Gottlosen, ganz im Gegensatz zu dem, was Elifas und Bildad gesagt hatten ( Hi 4,21; 8,22 ), sicher standen. Der Ausdruck die Gott in ihrer Faust führen bezog sich auf Menschen, die Götzenbilder herstellten und mit sich führten. Warum sollte es den Götzendienern wohlergehen, während Hiob, ein Mann von echter Frömmigkeit, so viel zu leiden hatte?


Hi 12,7-12


Noch einmal antwortete Hiob auf Zofars Bemerkung über den Esel ( Hi 11,12 ), indem er ihm sagte (die Anrede steht in Hi 12,7-8 im Singular), daß er von dem Vieh, den Vögeln, ja sogar von den Sträuchern der Erde und den Fischen lernen solle. Er meinte damit, daß die Tiere und Pflanzen immer noch klüger seien als Zofar, denn sie wüßten, daß auch die Widrigkeiten aus des Herrn Hand kommen (vgl. Hi 2,10 ) und nicht unbedingt die Folge von Sünden sein müssen. Sie wüßten auch, daß ihre Seele (wie der Odem des Menschen; vgl. Hi 10,12; 27,3; 34,14-15 ) aus der Hand Gottes komme. Hiob konnte die Fehler in der Argumentation seiner Freunde so deutlich erkennen, wie der Mund die Speise schmeckt (vgl. Hi 6,30 ). Er war erstaunt, daß die drei Gefährten keine Weisheit besaßen, wie sie im Normalfall ältere Menschen besitzen (vgl. die ähnlich lautenden Worte Elihus in Hi 32,7 ). Dies widerlegte Bildads Aussage, daß die Weisheit stets mit dem Alter komme ( Hi 8,8-10 ). Hiob hatte also in Hi 12,1-12 auf die Reden aller drei Freunde geantwortet.

Das Wort HERR ( Jahwe , V. 9 ) taucht in den poetischen Reden nur an dieser Stelle auf. Ansonsten findet es sich lediglich in den Kap. 1-2; 38; 40; 42 . Der Gebrauch des Namens des Herrn in diesem Zusammenhang fällt wegen seiner sonst spärlichen Verwendung in den einzelnen Reden besonders auf. Im Buch Hiob wird der Name Gottes nur von Hiob selbst ausgesprochen ( Hi 1,21;12,9 ). Alle anderen Erwähnungen finden wir in den in Prosa gehaltenen Abschnitten (in Aussagen wie z. B. "Der HERR aber sprach zu dem Satan"; Hi 1,7 ). In Hi 1,21 hatte Hiob anerkannt, daß sein Elend vom HERRN kam, und in Hi 12,9 bestätigte er diese Wahrheit noch einmal.



Hi 12,13-16


(2) Hiob spricht von Gottes Weisheit und Stärke ( Hi 12,13-25 )

Die Quintessenz der Rede Hiobs war: Ihr sagt zwar, daß Gott weise und mächtig ist ( Hi 5,9-12; 11,7-10 ), aber ich weiß darüber besser Bescheid als ihr. Gott kann das Geschick der Führer und sogar ganzer Völker wenden. In seiner Weisheit und Gewalt (vgl. Hi 9,4 ) ist Gott der Herr über die Natur. Er kann niederreißen, was der Mensch baut, Menschen gefangennehmen ( Hi 37,6-7 ) und Dürre oder Wasserfluten schicken.



Hi 12,17-21


Auch die Menschen stehen unter der Herrschaft Gottes. Er demütigt Ratsherren (bezog sich Hiob hier auf seine drei Freunde?) und Richter, beraubt Könige und Priester ihrer Würde. Er entmachtet die alten Geschlechter und entzieht den Verläßlichen, den Alten, den Fürsten und den Gewaltigen ihren Einfluß. Indem Gott all diesen Menschen ihre Weisheit und Macht nimmt, offenbart er seine überragende Weisheit und Macht.



Hi 12,22-25


In seiner unermeßlichen Weisheit kann Gott Licht in Dinge hineinbringen, die nur schwer zu verstehen sind (also in geistiger Hinsicht im Dunkeln liegen), eine Fähigkeit, die man von den Verantwortlichen (V. 17-21 ) erwartet. Gott ist der Herr über die Völker. Er erhebt sie und vernichtet sie. Er kann die Häupter des Volkes in die Irre leiten, indem er ihnen den Mut nimmt und sie in geistiger Hinsicht in der Finsternis umhertappen und wie die Trunkenen taumeln läßt.

Während man doch eigentlich von Oberhäuptern erwartet, daß sie stark und mächtig sind, und von Ältesten, daß sie weise sind (vgl. Hi 12,12 ), verkehrt Gott dies manchmal ins Gegenteil; denn die Ratgeber Hiobs, die älter waren als er, kamen ihm an Weisheit nicht gleich.



Hi 13,1-4


(3) Hiobs Bitte an seine drei Freunde ( Hi 13,1-19 )

Hiob hatte gesehen und gehört, was die drei über Gott gesagt hatten, und er war ihnen nicht unterlegen (vgl. Hi 12,3; die Anrede in Hi 13,2.4-6 steht im Hebräischen im Plural). Aber mit ihnen wollte er die Situation nicht erörtern. Er wollte seine Sache mit Gott rechten ( yAKah , "streiten, vor Gericht erörtern"). Warum sollte er seine Zeit verschwenden, indem er mit diesem schrecklichen Dreigespann herumstritt, das Tatsachen durch Lügen vertuschte und behauptete, daß Hiob ein Sünder sei! Sie waren unnütze Ärzte, die kein Rezept wußten, um seine Schmerzen zu lindern.



Hi 13,5-12


Hiob beklagte sich, daß die Worte seiner drei Freunde ihre Torheit offen dargelegt hatten; hätten sie geschwiegen, so wären sie weise geblieben. Hiob bat in diesem Kapitel mehrmals darum, ihm doch zuzuhören, ihre Ohren zu öffnen und nicht so töricht zu reden (vgl. V. 6.13.17.19 ). Er wollte, daß sie endlich einmal auf ihn und seine Streitsache gegenüber Gott hörten. Es war ihr eigener Schaden, wenn sie Hiob der Sünde anklagten, denn bei Gott ist kein Ansehen der Person. Mit Sicherheit konnten die drei nicht die Verteidiger Gottes sein ( rIB , "einen Rechtsstreit führen", wird mit verteidigen übersetzt). Wenn Gott ihr Leben überprüfen würde, könnten sie ihn nicht täuschen. Er würde sie zurechtweisen (von yAKaH , das Wort für "reden" in V. 3 ; es ist verwandt mit dem Begriff "Streitsache" in V. 6 ) und in Schrecken versetzen ( bAZaT ; siehe auch Hi 7,14; 9,34; 13,21 ). Später wies Gott sie streng zurecht, nachdem er sie von ihrem Irrtum überzeugt hatte ( Hi 42,7-9 ).

Die Männer waren unfähig, anderen einen Rat zu erteilen, denn ihre Worte waren Sprüche aus Asche - eine treffende Bezeichnung - angesichts des Aschehaufens, in dem Hiob saß ( Hi 2,8 ). Ihre Reden, hinter denen sie sich wie hinter Bollwerken verschanzten, glichen weichen Lehmhaufen und waren daher für Hiob keine Hilfe.


Hi 13,13-19


Furchtlos wartete Hiob darauf, seine Sache vor Gott offen darzulegen und die Folgen seiner Offenheit zu tragen ( komme über mich, was da will ), auch wenn er damit sein Leben aufs Spiel setzte. Hiob wußte, wie gefährlich (vgl. V. 15 ) es war, Gott seine Sache vorzubringen, aber er war entschlossen, sich vor ihm zu verantworten ( yAKaH ; vgl. V. 3 ), auch wenn er dann sterben mußte! Aufgrund der geringen Möglichkeit, daß Gott ihn freisprach, war Hiob gewillt, dies zu riskieren. Die Verse 14 - 16 machen deutlich, daß Hiob nicht mehr klar dachte. Vielleicht würde Gott ihn töten, vielleicht aber auch nicht, wenn er seine Verteidigung gut vorbrachte. Hiobs Bereitschaft zu dem Wagnis, Gott entgegenzutreten, zeigte, daß er durchaus kein Ruchloser war. Noch einmal bat Hiob die selbsternannten Verteidiger, die unrechtmäßigen Rechtsberater, seine Rede anzuhören (vgl. V. 5-6.13 ; in V. 6.13.17 stehen das hebräische Verb und das Personalpronomen im Plural), denn er war zum Rechtsstreit gerüstet ( ZArak , "seine Rede war geordnet"), und er war sich ganz sicher, daß Gott ihn freisprechen würde. (Später gebrauchte Elihu dasselbe Wort, um Hiob zu sagen, daß ein Mensch vor Gott überhaupt nichts vorbringen könne; Hi 37,19 .) Diese Aussage steht im Gegensatz zu Hiobs früheren verzweifelten Worten, daß Gott ihn nicht freisprechen werde ( Hi 9,28 ). Seine Gefühle schwankten hin und her. Nur dann, wenn irgendwer mit ihm rechten könnte, würde er schweigen und zugrunde gehen. Sein Schweigen träte dann an die Stelle des von ihm erbetenen Schweigens seiner Widersacher.



b. Hiob bringt seine Sache vor Gott
( 13,20-28 )


Hi 13,20-28


Hiob hatte sich bereiterklärt, seine Sache vor Gott zu bringen, auch wenn dieser ihn dann vielleicht tötete. Er wandte sich nun mit seiner Rede an Gott. Zunächst aber bat er den Herrn, ihn, den vor Gericht Angeklagten, nicht einzuschüchtern ( Schrecken vgl. Hi 9,34; 18,11 ). Es war nur gerecht, wenn er ein gerechtes Verfahren erhielt (vgl. Hi 9,16-19 ). Dann wollte Hiob Gott entweder als Angeklagter oder als Kläger gegenübertreten. Aber als er den Herrn bat, ihm das Maß seiner Schuld und Sünde zu nennen (vgl. Hi 6,24 ), trat dieser nicht vor Gericht auf. Hiob stellte Gott die Frage, warum er schweige und ihn als seinen Feind betrachte (vgl. Hi 19,11; 33,10 ). Ein Blatt zu schrecken oder einen Halm zu verfolgen bedeutete, einem schwachen, hilflosen Menschen zuzusetzen, der schon am Boden zerstört war. Warum, so fragte sich Hiob, sollte Gott die Sünden seiner Jugend wieder heraufbeschwören und ihn dafür bestrafen? Gegenwärtig gab es keine Sünde, die solch eine harte Strafe verdiente. Warum sollte Gott ihn wie einen Gefangenen behandeln, der streng bewacht wird (vgl. Hi 7,19-20; 10,14; 31,4 ), indem er auf Hiobs Fußtapfen sann, um seine Spur verfolgen zu können?

Nachdem Hiob so kühn gesprochen hatte, fiel er rasch wieder in Verzweiflung und sann darüber nach, daß er wie ein von Motten zerfressenes Kleid verschmachtete.



c. Hiobs verzweifeltes Hoffen
( Hi 14 )


In einem plötzlichen Stimmungsumschwung verkehrte sich Hiobs Vertrauen darauf, daß er seinen Rechtsstreit mit Gott gewinnen könnte, in eine trübsinnige Klage über die Nichtigkeit des Lebens und die Gewißheit des Todes.

(1) Die Kürze des Lebens ( Hi 14,1-6 )



Hi 14,1-4


Die Zeit des Menschen ist voller Unruhe ( rOgez , in Hi 3,17.26 mit "Toben" übersetzt, bedeutet auch Aufregung, heftige Bewegung) und sehr kurz (vgl. Hi 7,6.9; 9,25-26; 10,20; 14,5; 17,1 ), sie vergeht wie eine Blume oder ein Schatten (vgl. Hi 8,9; Pred 6,12 ). Gott aber prüft den Menschen beständig (vgl. Hi 7,20 ), obwohl dieser nicht nur vergänglich, sondern auch unrein ist (vgl. Hi 9,30-31; 25,4 ).


Hi 14,5-6


Das Leben eines Erdenbewohners ist nicht nur kurz; seine Tage und Monde sind auch von Gott festgesetzt. Er verfügt über eine begrenzte Zeit, die er nicht überschreiten kann. Weil der Mensch so begrenzt ist und seine Tage so schnell dahinschwinden, könnte doch Gott zumindest von ihm wegblicken, statt ihn beständig zu beobachten (vgl. Hi 7,19; 10,20 ) und zu quälen.


Hi 14,7-12


(2) Die Sinnlosigkeit des Todes ( Hi 14,7-17 )

Wenn ein Baum umgehauen wird, kann er wieder ausschlagen. Hiob spricht von dem Baum, als wenn er einen Geruchssinn besäße. Der Baum "riecht" das Wasser und wächst. Im Gegensatz zu den Pflanzen hat der Mensch keine solche Hoffnung. Wenn er stirbt und sich niederlegt ( HAlaS , "hingestreckt wird"), ist er entschwunden. (Das hebräische Wort für Mann in 10 a ist geBer , "Starker"; vgl. V. 14 . Auch Starke müssen sterben! Mensch in 10 b lautet im Hebräischen ?ADAm . Das ist der allgemeine Ausdruck für "Mensch", und das Wort für Mensch in V. 12 lautet ?IS , "Mann".)

Das heißt nicht, daß der Mensch einfach vernichtet wird (vgl. den Kommentar zu V. 14 ). Es bedeutet lediglich, daß er sein irdisches Leben in demselben sterblichen Leib nicht fortsetzen kann. Wenn er in der Erde ruht, so ist er nicht dem Stumpf eines Baumes gleich, der wieder aufsprießen kann, weil seine Wurzel in der Erde verankert ist, sondern er gleicht dem Wasser, das verdunstet. Wenn es entschwunden ist, kann es niemand zurückbringen. Der Tod ist endgültig. An dieser Stelle leugnet Hiob offensichtlich die Möglichkeit der leiblichen Auferstehung. Für ihn war der Tod nicht wie ein Schlaf, aus dem der Mensch wiedererweckt werden kann. Aber schon bald darauf sann Hiob darüber nach, ob es vielleicht doch eine Auferstehung gab (V. 14 ).



Hi 14,13-14


Ein begrabener Körper kann normalerweise nicht wiederbelebt werden (selbstverständlich berichtet die Bibel von einigen Ausnahmen; vgl. 1Kö 17,17-23; 2Kö 4,18-37; Joh 11,43-44; Mt 27,52-53; 28,5-7 ), aber für Hiob war das Totenreich eine Zufluchtsstätte vor dem Zorn Gottes (vgl. Gottes Zorn in Hi 16,9;19,11 ). Hiob konnte diese Tage ertragen, wenn Gott sie begrenzte und nicht versäumte, ihn wieder auferstehen zu lassen. Aber lag denn die Auferstehung überhaupt im Bereich des Möglichen? Hiob dachte über diese Möglichkeit nach - Meinst du, ein toter Mensch wird wieder leben ? - und bekundete seine Bereitschaft, auf das Ende seines Dienstes - ( QABA , "Kriegsdienst" oder "Frondienst, Knechtschaft"; vgl. Hi 7,1 ) in seinem Leben zu harren und seine Befreiung zu erhoffen. (Das hebr. Wort für Ablösung wird für die Dienstablösung eines Trupps von Soldaten durch einen anderen gebraucht.) Der Tod mit seiner Erlösung von den Widrigkeiten des Lebens erschien Hiob als eine Wachablösung. Er neigte nun zu der Annahme, daß der Mensch auch nach dem Tod weiter existiere, nachdem er lediglich von einem Zustand in den anderen überführt worden sei.



Hi 14,15-17


Hiob wandte sich nun wieder dem Gerichtsverfahren zu und brachte seine Gewißheit zum Ausdruck, daß Gott ihn vor Gericht ziehen würde, denn er sehnte sich doch nach Hiob (vgl. Hi 7,21 ), dem Werk seiner Hände (vgl. Hi 10,3.8 ). Wenn der Herr redete, so würde Hiob ihm antworten. (Als Gott dann tatsächlich redete, konnte er keine einzige seiner Fragen beantworten; Hi 40,4-5 .) Auch wenn Gott seine Schritte zählte (vgl. Hi 31,4 ), hätte er doch nicht mehr auf Hiobs Sünde acht, denn er würde dann seine Übertretungen verbergen ( in ein Bündlein versiegeln ). Für Hiob war dies eine sehr gute Aussicht. Aber in Hi 14,18-22 versank er wieder in Mutlosigkeit.



Hi 14,18-20


(3) Es gibt keine Hoffnung mehr ( Hi 14,18-22 )

Hiob sah zwar dem Zeitpunkt entgegen, da der Tod ihn von den Mühsalen des Lebens erlösen würde (V. 14 ), aber er hatte noch immer keine Hoffnung gefaßt, daß er noch vor dem Grab Gnade finden könnte. Die Hoffnung des Menschen ( ?MNS , "schwacher, sterblicher Mensch"; vgl. den Kommentar zu Hi 4,17 ) wird wie ein zusammenstürzender Berg, wie vom Wasser abgeriebene Steine und wie Erde, die von den Fluten weggewaschen wird, davongetragen. Bei seinem Tod überwältigt Gott den Menschen, er entstellt sein Antlitz (das vormals belebte Angesicht eines Menschen wird im Tode starr und bleich) und trennt ihn von allem, was um ihn war und was er in seinem Leben besessen hat.

 

Hi 14,21-22


Wenn ein Mensch stirbt, kann er nicht mehr erleben, wie seine Kinder zu Ehren kommen, noch kann er an ihren Schwierigkeiten Anteil nehmen. Hiob glaubte, daß der Mensch auch nach dem Tod leiden müsse, seine Schmerzen seien dann körperlicher (wenn sein erkaltetes Fleisch von den Würmern gefressen wird) und geistiger Natur (er trauert über seine Einsamkeit und Isoliertheit von anderen Menschen). Hiob beendete diese Rede in verdrießlichem Ton, denn er litt sicherlich an Schmerzen und besaß keine Hoffnung mehr.


C. Der zweite Redezyklus
( Hi 15-21 )


Bei diesem zweiten Wortgefecht hielten Elifas, Bildad und Zofar an ihrer Theorie fest, daß das Leiden stets die Folge der Sünde sei. In diesen Reden fehlt jedoch der Aufruf zur Buße. Statt dessen wurde die Haltung der drei Besucher noch feindseliger. Sie erörterten nochmals das Schicksal der Gottlosen und hoben die Gefahren hervor, denen diese sich aussetzten (Elifas, Hi 15 ); sie sprachen von den Fallen, in denen sie sich verfangen mußten (Bildad, Hi 18 ) und von der Vergänglichkeit ihres Reichtums (Zofar, Hi 20 ).



1. Elifas' zweite Rede
( Hi 15 )


In seiner ersten Rede hatte Elifas sich dem Kranken noch mit Anstand und Höflichkeit genähert. Jetzt aber änderte er sein Verhalten gegenüber Hiob: Er kanzelte den trauernden, niedergeschlagenen Freund ab, indem er ihm vorhielt, daß er ein verhärteter Sünder sei, der seine älteren Gefährten respektlos behandelte und Gott gegenüber trotzig war.



a. Elifas tadelt Hiobs Haltung
( 15,1-16 )


Hi 15,1-3


Elifas war, wie er sagte, von Hiobs schamloser Rede (V. 1-6 ) und seiner vorgetäuschten Weisheit (V. 7-16 ) verwirrt und klagte den Freund an, aufgeblasene Worte im Munde zu führen; seine Reden seien hochtönend, aber nichts nütze (vgl. Hi 8,2 ). ( S AKan , "dienlich sein" oder "nützen" in Verbindung mit dem Negativpartikel lo�Ԥ wird mit "nichts nütze" übersetzt; vgl. Hi 22,2 ). Hiob drehte später den Spieß um und nannte Elifas' Reden leer ( Hi 16,3 ).



Hi 15,4-6


Elifas vertrat die Ansicht, daß Hiob (das Du ist im Hebr. betont) die Gottesfurcht zerstöre (vgl. Hi 6,14 ). Seine Worte hätten ihre Ursache in verborgener Schuld, und deswegen sei er zu verurteilen. Hiobs gegenwärtiger Versuch der Selbstrechtfertigung (abgesehen von seinen vergangenen Sünden, derer Elifas ihn beschuldigte) sei allein ein ausreichender Grund dafür, daß Gott ihn verurteilte. Dein Mund verdammt dich war die Antwort auf Hiobs Worte in Hi 9,20 ("so müßte mich doch mein Mund verdammen") und Hi 10,2 ("Verdamme mich nicht"; vgl. den Kommentar zu Hi 40,8 ).


Hi 15,7-10


Elifas warf sich nun zum Ankläger Hiobs auf und tröstete ihn nicht mehr. Er beschuldigte Hiob, sich für den weisesten Menschen auf der Erde zu halten, als wenn er der älteste von allen wäre und im heimlichen Rat Gottes zugehört hätte. Aber Hiob hatte ja nur behauptet, daß er seinen Freunden an Weisheit gleichkomme (vgl. Hi 12,3; 13,2 ) und nicht, daß er weiser sei als sie. Elifas erklärte nun, daß Hiob nichts wisse, was ihnen nicht schon bekannt sei (vgl. Hi 13,2 ). Sie waren ja schließlich älter - und deshalb ihrer Auffassung nach auch weiser - als Hiob. Ihre Theologie anzufechten hieß, die Alten geringzuschätzen, und das war zu jener Zeit ein schweres Vergehen.



Hi 15,11-13


Hiob sollte sich Elifas' Meinung nach mit der Versicherung begnügen, daß Gott ihm durch Elifas Trost spendete. Diese Tröstungen waren angeblich sanft ( Hi 5,17-27 ). Seiner Ansicht nach konnte Hiob, bedingt durch die seelischen Erschütterungen, nicht mehr klar denken und entlud daher seinen Unmut wider Gott; eine solche Haltung, aus der heraus Hiob böse Reden gegen Gott und Menschen im Munde führte, würde nicht ohne Strafe bleiben. Dabei hatte Elifas möglicherweise Hiobs kühne Worte in Hi 6,4; 7,15-20; 10,2-3.16-17 und Hi 13,20-27 vor Augen.

 

Hi 15,14-16


Kein Mensch ( ?MNS , "schwacher, sterblicher Mensch"; vgl. den Kommentar zu Hi 4,17 ), der vom Weibe geboren ist (damit nahm Elifas Hiobs Worte aus Hi 14,1 auf; vgl. Hi 25,4 ), könne vor Gott rein oder gerecht sein. Wie konnte Hiob dann aber an der Beteuerung seiner Unschuld festhalten ( Hi 9,21; 12,4 ), wenn noch nicht einmal die Engel (Heiligen) und die Himmel rein waren? Damit wiederholte Elifas noch einmal das, was er früher schon vorgebracht hatte ( Hi 4,17 ). Der Mensch - also auch Hiob - sei greulich und verderbt (sauer wie Milch; vgl. Ps 14,3; 53,4 ) und trinke die Sünde wie Wasser.



b. Das Schicksal der Gottlosen
( 15,17-35 )


Hi 15,17-20


Zu seinen eigenen Beobachtungen ( was ich gesehen habe ; vgl. Hi 4,8 ) fügte Elifas die Erfahrungen der Väter hinzu (das hatte auch schon Bildad getan; vgl. Hi 8,8 ). Die Denker der Zeitalter, die Weisen der Zeiten, bevor ihr Land von fremden Philosophien überschwemmt worden war (womöglich meinten die drei Freunde, daß Hiobs Denken durch sie verdorben worden sei), konnten Hiob darüber Aufschluß geben, daß der Gottlose sein Leben lang bebt. Das hebr. Wort HNl , das hier mit "beben" übersetzt wird, bedeutet auch "leiden, durcheinandergeworfen werden" und bezeichnet somit ein Hin- und Hergeworfenwerden von Schmerzen oder Angst. Das Wort Tyrann vermittelt den Eindruck, als ob Hiob ein grausamer Herrscher gewesen wäre, der andere Menschen eingeschüchtert hätte.



Hi 15,21-26


Elifas zählte 17 verschiedene Formen des Unheils auf (in V. 21-35 ), die einen Sünder überwältigen können. Hiobs Widersacher, der doch einst sein Freund gewesen war, hoffte, Hiob zum Bekenntnis seiner falschen Wege zu zwingen. (1) Stimmen des Schreckens werden von einem Tyrannen vernommen, der andere in Schrecken versetzt. Hiob hatte ja Nachrichten erhalten, die ihn in Schrecken versetzt hatten ( Hi 1,14-19 ). (2) Der Verderber kommt über ihn. Die Sabäer und Chaldäer waren ja über Hiobs Herden und Knechte hergefallen ( Hi 1,15.17; vgl. Hiobs Worte über die Verwüster in Hi 12,6 ). (3) Das Dunkel ( HOSeK ; dasselbe Wort benutzte Elifas in Hi 15,23.30; vgl. Hi 3,4; 10,21 ) verfolgt ihn. Dieser Ausdruck bezieht sich möglicherweise auf die Finsternis des Todes. (4) Er fürchtet immer das Schwert, d. h. er ist von der Gefahr bedroht, ein Opfer der Gewalt zu werden, weil er selbst gegen andere Gewalt geübt hat. (5) Ohne Nahrung und voller Verzweiflung zieht er ziellos hin und her und versucht, seinen Verfolgern zu entkommen, ist sich aber darüber im klaren, daß er jeden Tag umkommen kann (er erlebt dann den Tag der Finsternis; vgl. V. 22.30 ). (6) Angst und Not verfolgen ihn und schlagen ihn nieder wie ein König, der angreift (vgl. Hiobs Worte über die Angst in Hi 9,34; 13,21; vgl. ebenfalls Hi 18,11; 20,25 ). Hiob hatte davon gesprochen, daß Gott den Menschen überwältigt, aber Elifas hatte jetzt betont, daß nicht Gott, sondern die Not den Menschen umbringe.

Was war die Ursache dieses Elends? Sie bestand für Elifas darin, daß ein Sünder Gott trotzte ( er hat seine Hand gegen Gott ausgestreckt ) und ihn sozusagen frontal angriff. Diese Annahme Elifas' stand aber im Widerspruch zu Hiobs Worten, daß Gott ihn zur Zielscheibe seines Angriffes gemacht habe ( Hi 7,20; 13,24; vgl. Hi 19,11; 33,10 ).



Hi 15,27-35


Der Aufzählung der ersten sechs Ausdrucksformen des Unheils, das den Gottlosen angeblich widerfährt (V. 21-24 ), folgte eine Erläuterung der Gründe für eine solche Bestrafung (V. 25-26 ). Nun ist die Reihenfolge genau umgekehrt: Elifas gab zunächst einen Grund für das Elend an (V. 27 ) und ging dann auf die Einzelheiten dieses Unglücks ein (V. 28-35 ). Genußsucht ( ein fetter Wanst ) war der Grund dafür. Ein wohlgenährter Mensch stellte mit seiner Person den Wohlstand dar, der ihm selbst zugute gekommen war, aber auch geistliche Stumpfheit (vgl. Ps 73,7; Jer 5,28 ).

Elifas führte seine Aufzählung fort: (7) Der reiche Gottlose wird arm werden. Er wird in zerstörten Städten und Häusern, die zu Steinhaufen bestimmt sind , leben. (8) Der Missetäter wird sein Gut verlieren. Das war eine herzlose Erinnerung an Hiobs Verluste ( Hi 1,13-17; vgl. Hi 20,12-26 ). (9) Die Finsternis (vgl. Hi 15,22-23 ) kommt über ihn. (10) Die Flamme wird seine Ernte vernichten. (11) Er selbst wird vergehen, denn Gott wird ihn mit dem Hauch seines Mundes wegraffen. (12) Einem Gottlosen, der sein Vertrauen auf Trug setzt, wird auch Trug zuteil. Mit dieser Aussage bestätigte Elifas seine Behauptung, Hiob habe sich auf seinen Reichtum verlassen - eine Beschuldigung, die Hiob im folgenden zurückwies ( Hi 31,24-25 ). (13) Wird der, der sich gegen Gott auflehnt, in materieller Hinsicht auch nichts bekommen ( 15,31 ), so wird er doch ausgezahlt werden (d. h. er wird von Gott die verdiente Strafe für seine Sünde erhalten). (14) Wie ein Weinstock und ein Wildbaum, die ihre Früchte und Blüten zu früh abwerfen, findet ein Ruchloser vorzeitig den Tod. Seine Hoffnung auf Wohlstand und Sicherheit wird nicht erfüllt. (15) Die Ruchlosen (vgl. Hi 8,12-13 ) werden, so meinte Elifas, auch keine Kinder haben. (16) Die Hütten der Bestechlichen, die um materieller Gewinne willen die einen bevorzugen und die anderen benachteiligen, werden verbrennen (vgl. das Verbrennen der Besitztümer Hiobs durch "Feuer Gottes"; Hi 1,16; vgl. auch die Erwähnung der Hütten (Zelte) durch die drei Freunde in Hi 4,21; 8,22; 18,15; 20,26 ). (17) Elifas benutzte das Bild von der Empfängnis und Geburt eines Kindes, um auszudrücken, daß die Gottlosen mit Mühsal ( ZAmAl ; vgl. den Kommentar zu Hi 3,10; 16,2 ), Unglück ( ?Awen ; Elifas hatte diesen Begriff bereits vorher in Hi 4,8 und Hi 5,6 gebraucht; er taucht noch einmal in Hi 22,15 auf) und Trug beladen sind.

Elifas legte dar, daß all dies Unglück den Gottlosen in ihrem Leben widerfahre. Er hatte aber nicht alle Faktoren beachtet. Sein Versuch, Hiob zur Buße zu bewegen, schlug fehl.

 

2. Hiobs zweite Antwort an Elifas
( Hi 16-17 )


a. Hiobs Widerspruch
( 16,1-5 )


Hi 16,1-5


Welche Enttäuschung hatten diese sogenannten Freunde dem Kranken doch bereitet! Sie hatten Hiob nichts Neues mitgeteilt (vgl. Hi 9,2 ), und sie waren leidige Tröster (wörtl.: "Tröster der Mühsal", ZAmAl ; dasselbe Wort hatte Elifas in Hi 15,35 gebraucht). Sie hatten ihm zusätzliche Schmerzen zugefügt, anstatt ihm seine Qual zu erleichtern. Darüber hinaus hatten sie leere Worte dahergeplappert, während echte Freunde dem Leidenden zugehört und ihm Trost gespendet hätten. Hiob fragte sich offensichtlich, was Elifas dazu bewogen hatte ( was reizt dich ), ein zweites Mal zu ihm zu sprechen (die Anrede in Hi 16,4-5 steht im Plural, in V. 3 b jedoch im Singular).

Wenn sie ihre Rollen tauschen könnten, dann könnte Hiob sie auch einmal mit Worten beschießen und sie verspotten (das Haupt schütteln bedeutete, über jemanden zu spotten; vgl. 2Kö 19,21; Ps 22,7 ). Aber das würde er eben nicht tun. Statt dessen würde er seine Freunde aufrichten und trösten (so wie er es in der Vergangenheit bei anderen getan hatte; Hi 4,4; 29,21-23 ), um ihnen ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Hiob hätte sie nicht verurteilt, sondern ihnen sein Beileid bezeugt.



b. Hiobs Leid
( 16,6-17 )


Hi 16,6-8


Noch einmal beklagte Hiob seine Qualen, die Gott ihm geschickt hatte. Ob er nun davon sprach oder nicht, so dauerte sein Schmerz doch weiter an. Gott hatte ihn müde gemacht und ihn durch all seine Schmerzen geschwächt; Hiob litt große Qualen, denn seine Angehörigen und Knechte ( was um mich ist ) waren verstört, und er selbst war ausgemergelt, wie sein runzliger Körper deutlich zeigte (vgl. Hi 17,7 ).

 

Hi 16,9-14


Gott hatte ihn - so sagte Hiob - wie ein wildes Tier angefallen. Sein Grimm hatte ihn zerrissen (vgl. Hi 14,13; 19,11 ); er hatte die Zähne gegen ihn gefletscht und ihn mit seinen Augen angefunkelt. Hinzu kam noch, daß die drei Freunde ihn verspottet (vgl. Hi 30,1.9-10 ) und geschlagen und ihren Mut miteinander an ihm gekühlt hatten. Gott hatte ihn den Ungerechten und den Gottlosen ausgeliefert. Dies stand ganz offensichtlich im Gegensatz zu Elifas' Behauptung, daß Hiob gottlos sei ( Hi 15,12-35 ).

Hiob warf Gott vor, ihn zunichte gemacht zu haben (vgl. Hi 16,7; er klagte ihn an, daß er ihn wie ein Tier (vgl. V. 9 ) beim Genick ergriffen und ihn zerschmettert habe (vgl. Hi 9,17 ). Gott war nicht nur wie ein wildes Tier, sondern auch wie ein Schütze, der Hiob als Zielscheibe gebrauchte (vgl. Hi 6,4;7,20 ). Er fügte ihm Wunden zu und schüttete seine Galle auf die Erde. Hiob verglich Gott ferner mit einem Kriegsmann, der ihn angriff. Hiob irrte, wenn er Gott Feindschaft gegen ihn zuschrieb; er hatte jedoch keine andere Erklärung zur Hand.


Hi 16,15-17


Weil Gott Hiob so angriff, trug er als Zeichen seines Kummers einen Sack (Sackleinwand; vgl. 2Kö 19,1; Neh 9,1; Est 4,1; Kl 2,10; Dan 9,3 ) und beugte sein Haupt (wörtl.: "Horn eines Tieres") in den Staub, was ein Bild für ein besiegtes Tier war. Sein Antlitz war vom Weinen gerötet, und wegen seines Kummers oder infolge der Krankheit lag Dunkelheit auf seinen Augen. Dabei hatte Hiob keinen Frevel begangen, denn er war nicht gewalttätig, wie Elifas behauptet hatte ( Hi 15,20 ). Sein Gebet entsprang einem reinen Herzen, keinen selbstsüchtigen Motiven. Also war diese Prüfung nicht zu erklären. Warum nur mußte er solche Qualen erleiden, wenn er doch gar kein böser Mensch war?

 

c. Hiobs Verlangen
( 16,18-17,5 )


Hi 16,18-21


Hiob bat die Erde, sie möge sein Blut nicht bedecken; mit anderen Worten, er wünschte, für das ihm widerfahrene Unrecht Rechtfertigung zu erlangen (vgl. 1Mo 4,10 ). Auch bat er, daß sein Schreien nach Gerechtigkeit nicht begraben und vergessen werden möge.

Nachdem er zur Erde gesprochen hatte, wandte sich Hiob nun dem Himmel zu. Er vertraute darauf, daß er dort einen Zeugen ( RAhED , ein aramäischer Begriff, der im Alten Testament nur an dieser Stelle vorkommt) oder einen Fürsprecher ( mEliQ , "Vermittler oder Abgesandter"; vgl. Hi 33,23 "Mittler"; Jes 43,27 "Wortführer") finden würde. Hiob hoffte, daß dieser Mittler ihm bei Gott Recht verschaffen würde. Weil niemand sich als Schiedsmann über Gott und Menschen erheben konnte ( Hi 9,33 ), wünschte sich Hiob einen Sprecher, eine Art himmlischen Verteidiger, der sich vor Gott für ihn einsetzte. Seine Gefährten hatten nicht für ihn gesprochen. Daher brauchte Hiob einen anderen, der diese Aufgabe übernahm.


Hi 16,22-17,2


Weil Hiob dachte, daß sein Leben zu Ende ging ( nur wenige Jahre noch, und ich gehe den Weg ; vgl. Hi 7,6.9; 9,25-26; 10,20; 14,1-2.5; 17,11 ), benötigte er die Hilfe des Fürsprechers schon bald. Er war niedergeschlagen ( Mein Geist ist zerbrochen ), denn er konnte mit seinen Augen, die in Tränen schwammen (vgl. Hi 16,16.20; 17,7 ), nur seine Freunde sehen, die ihm feindlich gesinnt waren ( Meine Freunde verspotten mich ).

Hiob

Hi 17,3-5


Gott hatte sich zwar gegen Hiob gestellt (vgl. Hi 16,7-9.11-14 ), aber er allein konnte vor Gericht sein Bürge sein, d. h. dem Verteidiger ein Pfand als Garantie dafür geben, daß ihm kein Unrecht geschähe. Der Ausdruck "Bürge sein" lautet wörtlich "in eine Hand einschlagen", eine Handlung, durch die eine Übereinkunft bestätigt wurde (vgl. Spr 6,1; 11,15; 17,18; 22,26 ). Diese Übereinkunft mit Gott war notwendig, denn Hiobs Gefährten glaubten nicht an seine Unschuld und verurteilten ihn sogar. Sie hofften darauf, eine Belohnung dafür zu erhalten, daß sie Gott verteidigt hatten. Aber diesen treulosen Freunden würde Gott den Sieg nicht geben; dessen war sich Hiob sicher.



d. Hiobs ausweglose Lage
( 17,6-16 )


Hi 17,6-9


Nachdem Hiob seinem Wunsch nach einem Anwalt und nach einem Bürgen Ausdruck verliehen hatte, schöpfte er zunächst ein wenig Mut (V. 4 ), fiel aber bald wieder in seine Klagen zurück. Die Menschen verhöhnten ihn, sie machten aus seinem Schicksal ein Sprichwort (vgl. Hi 30,9 ) und spuckten (vgl. Hi 30,10 ) ihm ins Angesicht, eine im höchsten Maße beleidigende und widerliche Handlung. Hiobs Trauern ( kaZaR , "Erschütterung"; vgl. Hi 5,2 "Unmut"; Hi 6,2 "Kummer"; Hi 10,17 "Zorn") war so heftig, daß sogar sein Blick getrübt wurde - vermutlich von den Tränen (vgl. Hi 16,16.20;17,2.5 ) - und sein Körper ausgezehrt war (ein Schatten; vgl. Hi 16,8 ).

Alle Gerechten und Unschuldigen mußten sich über diese seltsame Behandlung eines Freundes entsetzen (vgl. Hi 18,20 ). Damit hatte Hiob einfließen lassen, daß die drei Wortfechter keine aufrichtigen Menschen waren. Aber Hiob hielt in jedem Falle an seiner Überzeugung fest und war sich dessen bewußt, daß er reine Hände hatte.



Hi 17,10-16


Voller Sarkasmus forderte Hiob die drei zu einem erneuten Versuch auf, ihm seine Schuld nachzuweisen. Er wußte jedoch, daß sie dazu nicht imstande wären, weil sie keine Weisen (vgl. Hi 12,2 ) waren. Sein Leben schwand dahin, und seine Pläne und Wünsche blieben unerfüllt, auch wenn seine Freunde ihm durch ihre Aufforderung zur Buße neue Hoffnung in Aussicht gestellt hatten. Es war wenig realistisch, auf das Licht der Genesung zu warten (vgl. Zofars Worte in Hi 11,17-18 ). Hiobs einziger Ausweg war, wie er meinte, das Grab, wo Finsternis herrschen (vgl. Hi 10,21-22 ) und die Würmer ihn fressen würden (vgl. Hi 21,26; 24,20 ). All das wäre ihm im Grab näher als seine liebsten Verwandten. Auch hier sprach Hiob wie schon dreimal zuvor ( Hi 6,11; 7,6; 14,19 ) deutlich aus, daß er keine Hoffnung auf Genesung hatte. Die Hoffnung, die ihm die drei Gefährten dargeboten hatten, würde mit ihm zu Grabe getragen werden.


3. Bildads zweite Rede
( Hi 18 )


Bildad wiederholte etliche Aussagen seines älteren Gefährten ( Hi 15; vgl. Roy B. Zuck, Job , S. 81 - 82). Bildad beschrieb das Schicksal der Gottlosen und hob besonders hervor, daß sie in die Falle gehen müßten ( Hi 18,8-10 ). Er sprach darüber hinaus von ihrem Unglück (V. 11-12 ), ihren Krankheiten (V. 13 ), ihrer Unruhe (V. 11 ), dem Verlust ihrer Besitztümer (V. 14-16 ) und der Vergänglichkeit ihres Andenkens (V. 17-18 ). Es schien, als wäre genau dies das Schicksal Hiobs.



a. Bildad verurteilt Hiob
( 18,1-4 )


Hi 18,1-4


Bildad hielt Hiobs Worte für höchst anmaßend, und er tadelte ihn heftig dafür. Hiob hatte sich darüber verwundert gezeigt, daß Elifas ihn ein zweites Mal angegriffen hatte ( Hi 16,3 ); Bildad hingegen fragte, wann Hiobs Reden denn ein Ende fänden. Die erste Zeile von Hi 18,2 lautet wörtlich: "Wie lange (vgl. Hi 8,2 ) wollt ihr auf Worte Jagd machen?" (Später fragte Hiob noch einmal "Wie lange"; Hi 19,2 .) Hiob hatte den Vorwurf erhoben, daß Bildad und die übrigen Freunde nicht weise seien ( Hi 17,10 ), aber Bildad gab zur Antwort, daß es Hiob sei, dem es an Einsicht fehle.

Nach Hiobs Aussage hatten Tiere, die doch keinen Verstand besaßen, mehr Erkenntnis als seine Widersacher ( Hi 12,7-9 ); Bildad geriet über diese harten Worte in Zorn. Hiob war der Meinung, daß Gott ihn in seinem Grimm zerfleischt habe ( Hi 16,9 ), aber Bildad gab zur Antwort, daß Hiob sich selbst durch seinen Zorn zerfleische. Wie könne Hiob von Gott erwarten, daß er die Situation zu seinen Gunsten änderte? Sollten sich etwa alle Dinge zu seinem Vorteil wenden, als ob er der einzige Mensch auf der Erde wäre? Sollte Gott etwa seine Wege nur für Hiob ebnen und dabei auch Felsen fortbewegen? (Vgl. Hiobs Worte zum Felsen in Hi 14,18 .)



b. Bildad beschreibt das Schicksal der Gottlosen
( 18,5-21 )


Hi 18,5-12


Bildad, der bei seiner Antwort Hiob vor Augen hatte, zählte unbarmherzig die Widrigkeiten auf, die seiner Meinung nach dem Gottlosen widerfahren mußten: Das Licht in seinem Haus, ein Symbol für Leben und Wohlergehen (vgl. Hi 21,17; Spr 13,9;20,20 ), werde verlöschen und ihn der Finsternis und Verwirrung überlassen. Er werde körperlich geschwächt ( seine kräftigen Schritte werden kürzer ), und sein hinterhältiger Plan werde ihn selbst zu Fall bringen. Die Gefahren, die ihn erwarteten, glichen dem Garn (zum Vogelfang; vgl. Spr 1,17 ), den Fanggruben, einem Netz, einer Schlinge, einem Strick in der Erde und einer Falle auf seinem Weg. Hier verwendete Bildad sechs hebräische Wörter für Falle, d. h. viel mehr Synonyme, als wir an irgendeiner anderen Stelle des Alten Testaments finden. Bildad wollte damit zum Ausdruck bringen, daß dem Gottlosen alles letztendlich zum Fallstrick werde. Deshalb werde er in Angst und Schrecken geraten, wohin er auch immer blicke (vgl. Hi 9,34;13,21 ); Unheil und Unglück könnten jederzeit über ihn kommen, um ihn zu stürzen.


Hi 18,13-21


Bildad sprach davon, daß die Glieder des Sünders verzehrt würden, womit er offensichtlich auf Hiobs Krankheit anspielte. Krankheiten galten als Kinder des Todes, da sie dem Tod Vorschub leisten; der Erstgeborene des Todes steht für das schlimmste aller körperlichen Leiden. Der Verdammte werde aus seiner Hütte verjagt , was ja auch Hiob widerfahren war (vgl. Hi 4,21; 8,22; 15,34; 21,28 ), und hingetrieben zum König des Schreckens , d. h. zum Tod. Die Wohnstätten der Gottlosen würden niedergebrannt. (Bildads Erwähnung der Wurzel und der Zweige erinnert an seine Bilder aus der Pflanzenwelt in Hi 8,11-19; vgl. Hiobs Worte in Hi 14,8 und Elifas' Ausspruch in Hi 15,32 .) Kein Mensch werde des Gottlosen gedenken, der in die Finsternis (vgl. Hi 12,25; 15,30; 18,5-6 ) vertrieben war und der keine Kinder hatte, die seinen Namen weitertrugen. Letzteres galt im Alten Orient als besonders großes Übel.

Hiob hatte die Meinung geäußert, daß die Gerechten sich über sein Unglück entsetzen müßten ( Hi 17,8 ); Bildad erwiderte darauf, daß die Menschen überall in der Welt weniger über das Elend der Gottlosen erschrecken als über die Härte ihrer Bestrafung. Bildads Rede gipfelte in dem Schlußwort: Ja, so geht's der Wohnung des Ungerechten ( ZawAl ; Hiob verwendete diesen Begriff im weiteren Verlauf dreimal: Hi 27,7; 29,17; 31,3 ). Erstaunlicherweise deutete Bildad sogar an, daß Hiob Gott noch nicht einmal achtete. Er hatte sich geweigert, Buße zu tun. Wie konnte er da gerecht sein?



4. Hiobs zweite Antwort an Bildad
( Hi 19 )


Dieses Kapitel erzählt von einem der Tiefpunkte Hiobs, sowohl in seelischerals auch in geistlicher Hinsicht, aber auch von einem seiner Höhepunkte. Nachdem Hiob die feindliche Haltung seiner drei Ankläger (V. 1-6 ), das Verhalten Gottes (V. 7-12 ) und das seiner Verwandten und Freunde (V. 13-22 ) beklagt hatte, erreichte er eine neue Ebene geistlichen Vertrauens. Er gewann von neuem die Sicherheit, daß er Gott sehen und von ihm Rechtfertigung erfahren würde (V. 23-29 ).



a. Die Feindseligkeit der drei Freunde
( 19,1-6 )


Hi 19,1-6


Von den Worten der drei Ankläger aufgebracht, mit denen sie Hiob zehnmal (der hebräische Ausdruck bedeutet "häufig, viel"; vgl. 1Mo 31,7.41; 4Mo 14,22; Dan 1,20 ) gequält, bedrängt und beschimpft hatten, schleuderte Hiob nun Bildad dessen eigene Worte entgegen: Wie lange? (vgl. Hi 8,2;18,2 ). Daraufhin führte Hiob weiter aus, daß sein Irrtum sein eigenes Problem sei und nicht das ihre. Wenn sie sich schon über ihn stellten, dann hätten sie erkennen müssen, daß er nicht gesündigt hatte und deshalb in einer Falle gefangen war, wie Bildad gesagt hatte ( Hi 18,8-10 ). Zuvor habe Gott ihn tatsächlich mit seinem Jagdnetz umgeben, doch habe er ihm damit Unrecht getan und in seiner Sache das Recht verkehrt (das hebräische Wort für "Unrecht tun" wird in Hi 8,3 mit "das Recht beugen, verkehren" übersetzt). Noch einmal wandte sich Hiob mit seinem Vorwurf gegen Gott (vgl. Hi 3,23; 6,4; 7,17-21; 9,13.22.31.34; 10,2-3; 13,24-27; 16,7-14; 17,6 ). Wie hätte er sich sonst seine Situation erklären sollen?



b. Hiobs Feindseligkeit gegen Gott
( 19,7-12 )


Hi 19,7-12


Bei seinem Aufschrei (vgl. Hi 30,28 ) gegen Gottes Gewalttaten erlebte Hiob eine weitere Enttäuschung, denn Gott schwieg (vgl. Hi 30,20 ) und stand dem Recht offenbar gleichgültig gegenüber. Auf acht verschiedene Arten und Weisen hatte Gott Hiob anscheinend verhöhnt: (a) Er hatte seinen Weg verstellt (vgl. Hi 3,23 ) und ihn (b) verfinstert (vgl. Hi 12,25 ). (c) Er hatte ihm seine Krone genommen (d. h. ihn um die Achtung in den Augen der Gemeinschaft gebracht; vgl. Hi 29,7-11; 30,1.9-10 ). (d) Er hatte ihn wie ein Gebäude zerstört und (e) seine Hoffnung wie einen Baum ausgerissen (vgl. Hi 14,7 ). Zu alledem kam hinzu, daß (f) Gott offenbar auf Hiob sehr zornig war (vgl. Hi 14,13; 16,9 ) und (g) ihn als seinen Feind betrachtete (vgl. Hi 13,24; 33,10; mit Sicherheit unterlag Hiob hier einem Irrtum, denn der Satan, Gottes größter Feind, war auch der Feind Hiobs). (h) Gott hatte Hiob angegriffen wie ein Kriegsheer, das eine Belagerungsrampe vor der Stadtmauer einer umzingelten Stadt aufgebaut hatte. Gott hatte sich um seine Hütte herum gelagert. Bildad hatte viele Katastrophen aufgezählt, die den Gottlosen drohten ( Hi 18,5-21 ), aber Hiob antwortete, daß ihm solche Katastrophen ohne eigenes Verschulden von Gott geschickt worden seien. Warum Gott einen der Seinen so mit Elend heimsuchte, ist eine der schwierigsten Fragen für den Gläubigen.



c. Die Feindseligkeit der Verwandten und Bekannten Hiobs
( 19,13-22 )


Hi 19,13-17


Die Klage des Leidenden erhielt durch seine Einsamkeit zusätzliche Nahrung. Seine Brüder (möglicherweise keine Blutsverwandten, sondern Gefährten) und Verwandten, seine Nächsten und Freunde ekelten sich vor Hiob und zogen sich von ihm zurück; dies galt auch für die drei Besucher, die sich zwar körperlich in seiner Nähe befanden, jedoch im Grunde weit von ihm entfernt waren. Hiob sprach dann von seinem Haus und zählte die Mägde, seinen persönlichen Knecht und sogar seine Frau und seine Söhne zu denjenigen, die nichts mit ihm zu tun haben wollten. Hiobs Knecht weigerte sich, ihm zu antworten, und seine Frau (sie wird mit Ausnahme von Hi 2,9-10 nur hier erwähnt) hielt von ihm wegen seines schlechten Mundgeruches Abstand.

 

Hi 19,18-20


Auch die Kinder machten sich über Hiob lustig, statt ihm der Sitte gemäß den dem Älteren gebührenden Respekt zu zollen (vgl. Hi 30,1.9-10 ). Hiob faßte mit dem Wort "Getreue " die zusammen, die ihm einst nahegestanden hatten ( die ich lieb hatte ); zu ihnen gehörten auch die drei Besucher. Sie alle hatten sich gegen ihn gewandt. Hiob mußte sogar den Trost entbehren, den der Mensch in trüben Stunden normalerweise von Freunden und Vertrauten empfängt.

Zu alledem kam hinzu, daß seine körperlichen Schmerzen nicht nachließen. Er verlor immer mehr an Gewicht (sein Gebein hing nur noch an Haut und Fleisch; vgl. Hi 18,13 ), und er war bisher nur knapp dem Tod entronnen (wörtlich: nur mit meiner Zähne Haut bin ich davongekommen ). Wenn Hiob mit "meiner Zähne Haut" sein Zahnfleisch meinte, wie man verschiedentlich angenommen hat, dann wollte er sagen, daß er körperlich so heruntergekommen war, daß sogar seine Zähne bereits ausfielen und nur sein Gaumen noch vorhanden war. Die herkömmliche Auslegung ist jedoch wahrscheinlicher.


Hi 19,21-22


Hiob richtete an seine Freunde die flehentliche Bitte, die vielleicht sogar sarkastisch gemeint war, Erbarmen mit ihm zu haben. Es hatte genug damit zu schaffen, daß die Hand Gottes ihn getroffen hatte (vgl. Hi 1,11; 2,5; 6,9; 13,21 ); warum mußten sie auch noch unbarmherzig sein und wie die Tiere nach seinem Fleisch lechzen?



d. Hiob weiss, dass er Gott schauen wird
( 19,23-29 )


Kurz nachdem Hiob an seinem Tiefpunkt angelangt war, schwang er sich zu seinem Höhepunkt auf. Verzweifelt, von Schmerzen gequält und von Gott und Menschen angefeindet, raffte er sich auf und faßte geistgewirktes Zutrauen zu der Rechtfertigung seiner Sache in der Zukunft. Hier fand sein Glaube in wunderbarer Weise Ausdruck.

Hi 19,23-24


Hiob äußerte den Wunsch, daß seine Reden der Unschuld und der Anklage entweder auf einer Schriftrolle aufgeschrieben oder in einen Fels gehauen und mit Blei ausgefüllt würden. Dann könnten gegenwärtige und künftige Generationen von Hiobs Aufrichtigkeit erfahren.



Hi 19,25


Von großer Zuversicht erfüllt, verlieh Hiob seiner Gewißheit Ausdruck, daß Gott, sein Erlöser lebte . Obwohl der Leidende dachte, daß der Herr ihm feindlich gesinnt sei, wußte er doch, daß nur er seine Unschuld verteidigen konnte. Hiob würde sterben, aber Gott, sein Verteidiger, Bewahrer und Rechtfertiger ( gO?El , "jemand, der die Sache eines anderen verteidigt oder rächt, einen anderen schützt oder einem nahen Verwandten Rechtshilfe leistet, der sie für sich selbst nicht erwirken kann"; vgl. 3Mo 25,23-25.47-55; 4Mo 35,19-27; Spr 23,10-11; Jer 50,34 ), lebte weiter. Hiob wußte, daß Gott sich als der letzte über den Staub erheben und wie ein Zeuge bei einer Gerichtsverhandlung bezeugen würde, daß Hiob unschuldig sei. Dann würden nicht nur alle von seiner Aufrichtigkeit lesen ( Hi 19,23-24 ), sondern auch von Gott hören!



Hi 19,26


Und ist meine Haut noch so zerschlagen , könnte auch mit: "nachdem meine Haut abgezogen (oder "abgestreift") worden ist" übersetzt werden, d. h. nachdem er wegen seiner sich ständig schälenden Haut (das ist ein weiteres Symptom der Blasensucht; vgl. den Kommentar zu Hi 2,7;30,30 ) gestorben war oder nachdem die Würmer (vgl. Hi 17,14;24,20 ) in seinem Grab seine Haut gefressen hatten.

Hiob vertraute darauf, daß er nach seinem Tod Gott sehen würde. Er würde auch dann in einem bewußten Zustand existieren; würde weder vernichtet werden noch in eine Art Seelenschlaf versinken. Vers 26 könnte den Eindruck erwecken, als erwarte Hiob, dem Herrn als leibliches Wesen gegenüberzutreten (vgl. ältere Lutherübersetzungen). Wie ist dies zu verstehen? Entweder meinte er, daß er einen Auferstehungsleib erhalten werde (in diesem Falle müßte man die hebräische Präposition " min " mit "von dem Ausgangspunkt aus" übersetzen; in Hi 36,25 wird " min " in diesem Sinne gebraucht). Vielleicht meinte Hiob aber auch, daß er Gott "außerhalb" seines Fleisches sehen würde (" min " bedeutet häufig "außerhalb, jenseits von, ohne"; vgl. Hi 11,15 b), d. h. während der Zeit seiner bewußten Existenz nach dem Tod, aber vor der Auferstehung des Fleisches. Gibt man der ersten Ansicht den Vorzug, so nimmt " min " hier die Bedeutung "von dem Ausgangspunkt aus" an, und zwar in Verbindung mit dem Verb "sehen" ( HAzCh ). Der zweiten Ansicht den Vorzug zu geben, hätte für sich, daß in Hi 19,26 a offensichtlich von dem Zustand Hiobs im Tod gesprochen wird und man in Anbetracht des hebräischen Parallelismus erwarten würde, daß Vers 26 b sich eher ebenfalls auf den Tod bezieht als auf eine Zeit, in der Hiob nach dem Tod bereits eine Auferstehung erlebt hat.



Hi 19,27


Hiob war so sehr von der Gewißheit durchdrungen, daß er Gott schauen würde, daß er dieselbe Aussage noch einmal wiederholte. Das hebräische Wort für sehen ( HAzCh ) wird auch in den Versen 26.27 a gebraucht. Hiob betonte auch zweimal das Wort ich (V. 25.27 ; wörtlich "Ich, ja ich weiß", und "ich, ja ich werde ihn sehen"). Hiob würde Gott in alle Ewigkeit mit seinen Augen anschauen (entweder mit den Augen seines auferstandenen Leibes oder, bildlich gesprochen, mit den Augen seiner Seele). Dann wäre er für Gott kein Fremder mehr, denn Gott stünde ihm zur Seite.

Dieser Gedanke überwältigte Hiob, so daß er ausrief: Danach sehnt sich mein Herz (wörtl.: "meine Nieren"; die Nieren wurden als Sitz der Gefühle betrachtet). Hiob wurde von dem Gedanken daran verzehrt, daß er Gott schauen würde und sich ein für allemal rechtfertigen könnte, statt sich geschlagen zu geben.



Hi 19,28-29


Wenn Hiobs Freunde ihn weiterhin verfolgen wollten (vgl. V. 22 ), um ihn von ihrer Auffassung zu überzeugen, daß die Sünde sein Leiden heraufbeschworen habe, dann würde Gott sie möglicherweise mit dem Schwert schlagen (vielleicht war dies eine Erwiderung auf Elifas' Worte über das Schwert in Hi 15,22 ). Dann sähen sie, daß Gott die Sünde der Bösen bestraft. Nicht Hiob würde für seine Schlechtigkeit heimgesucht, sondern sie selbst bekämen Gottes Gericht zu spüren, nachdem sie immer wieder von neuem ein unschuldiges Opfer gequält hatten. Hiob war der festen Überzeugung, daß sich die drei Gefährten bezüglich seines geistlichen Zustandes im Irrtum befanden und daß er selbst gerecht war. Daher vermochte er über den Tod hinauszuschauen und dem Tag entgegenzusehen, an dem Gott ihn freisprechen und er in Gemeinschaft mit dem Allmächtigen leben würde.

 

5. Zofars zweite Rede
( Hi 20 )


Diese sechste Rede der Gefährten schmerzte Hiob von all den gehässigen Anklagen am meisten. Voller Wut verdammte der beleidigte Zofar Hiob und versuchte, ihn davon zu überzeugen, daß sein Besitz geschwunden sei, weil er die Armen bedrückt habe.



a. Zofars Zorn
( 20,1-3 )


Hi 20,1-3


Wie seine beiden Gefährten vor ihm konnte auch Zofar sich nicht beherrschen; er mußte auch noch einmal das Wort ergreifen. Zofar war über Hiobs heftige Reden so beunruhigt und erregt, daß er das Gefühl hatte, noch einmal antworten zu müssen. Hiob hatte gesagt, daß die drei ihn viele Male verhöhnt hätten ( Hi 19,3 ), aber nun behauptete Zofar, daß Hiob ihn geschmäht habe.

Nach Hiobs Worten hatte Gott "ihrem Herzen den Verstand verborgen" ( Hi 17,4 ), aber Zofar erwiderte, daß seine Einsicht ihn lehre, Hiob zu antworten. Er wollte seine Erkenntnisse unbedingt weitergeben!



b. Der vergängliche Wohlstand der Gottlosen
( 20,4-11 )


Hi 20,4-11


Hiob sollte sich nach Zofars Meinung darüber im klaren sein, daß seit Beginn der Menschheitsgeschichte das Frohlocken der Gottlosen stets von kurzer Dauer war und nur einen Augenblick währte. Voller Überheblichkeit bemerkte Zofar nun, daß Hiob doch recht überheblich sein müsse (!); er werde jedoch gedemütigt werden und sterben. Wenn er auch in den Himmel hinaufragte, so werde er doch wie Kot vergehen. Die Menschen würden nicht mehr wissen, wo er sei, denn er werde wie ein Traum entschwunden sein (vier Personen sprechen im Buch Hiob von Träumen; Elifas, Hi 4,13; Hiob, Hi 7,14; Zofar, Hi 20,8; Elihu, Hi 33,15 ). Er werde unsichtbar sein ( Hi 20,9; dies war eine Erwiderung auf Hiobs Worte in Hi 7,8 ), seine Söhne würden bei den Armen betteln gehen müssen (denn er hatte sie angeblich unterdrückt; Hi 20,19 ), und er werde all seine unrechtmäßig erworbene Habe einbüßen. Zofar sprach in seiner Rede wiederholt vom Reichtum (V. 10.15.18.20-22.26 ) und seiner Vergänglichkeit und führte damit Elifas' Worte über diesen Gegenstand weiter aus ( Hi 15,29 ). Mit alledem wollte er zum Ausdruck bringen, daß Hiob seine Besitztümer auf unehrlichem Wege erlangt habe. Ein Reicher wird, wenn er gottlos ist, erfahren, daß seine Jugendkraft mit ihm begraben wird (vgl. Hi 21,23 und "Staub" in Hi 10,9 ).


c. Die Gottlosen werden verarmen
( 20,12-19 )


Hi 20,12-16


Ein Gottloser mochte vielleicht seinen mit unehrlichen Mitteln erworbenen Reichtum wie eine köstliche Speise genießen, die er im Mund zergehen ließ; er werde sich aber in seinem Leib in Otterngift (vgl. V. 16 ) verwandeln.

Zofar behauptete, daß Güter, die auf gottlosen Wegen erlangt werden, keinen Bestand hätten. Sie müßten ausgespien werden und würden den Gottlosen wie Otterngift (vgl. V. 14 ) oder wie die Zunge der Schlange töten.



Hi 20,17-19


Die Missetäter würden die Ströme von Honig und Milch (dies waren Symbole des Wohlstands) nicht sehen. Bei seinem Tod müsse ein Sünder alle erworbenen Güter hergeben (V. 10 ), ohne über ihren Besitz jemals Freude empfunden zu haben. Der Grund dafür sei der, daß er die Armen unterdrückt habe, ja ihnen sogar ihre Häuser genommen habe, um sich selbst zu bereichern. Natürlich hatte Zofar dabei Hiob vor Augen, der hier wiederum mit Worten gequält wurde. Dieser wies jedoch derartige Anschuldigungen weit von sich ( Hi 29,12-16 ).



d. Der Zorn Gottes über die Gottlosen
( 20,20-29 )


Hi 20,20-23


Zofar erhob weitere ungerechte Vorwürfe gegen Hiob. Ein Gottloser, der ständig auf der Jagd nach noch größerem Reichtum sei, werde merken, daß dieser ihn nicht retten kann, denn er habe keinen Bestand . Ein solcher Mensch werde Widrigkeiten erleiden ( Mühsal , ZAmAl ; das war eine Anspielung auf die Verwendung desselben hebräischen Wortes in Hiobs Reden ; vgl. Hi 3,10.20; 7,3; 16,2; vgl. auch den Kommentar zu Hi 3,10 ), und wenn er gerade seinen Wohlstand genießen wollte, werde Gott ihn in seinem Zorn schlagen (vgl. V. 28 ). Der Verärgerte schien hier nicht Gott, sondern eher Zofar zu sein! Zofar griff Hiob in bösartiger Weise an und beschuldigte ihn völlig zu Unrecht, ein gieriger Profitmacher zu sein, der unbarmherzig die Armen unterdrückt habe. Solche Anklagen waren vollkommen unbegründet.



Hi 20,24-29


Wenn der Ruchlose versuchen sollte, dem Zorn Gottes zu entfliehen, würde ihn eine zweite Waffe (Bogen) töten, sofern die erste ( Harnisch ) ihn verschonte. Das Geschoß bzw. der Pfeil (vgl. Hi 6,4 ) würde ihn durchbohren (vgl. Hi 16,13 ). Schrecken und Finsternis (vgl. Hi 15,30; 18,18 ) würden ihn überwältigen, und ein Feuer (vgl. Hi 18,15; 22,20 ) würde seinen Reichtum erfassen und ihn verzehren.

Gott - so behauptete Zofar - werde den Gottlosen nicht entkommen lassen. Der Himmel und die Erde würden als Zeugen gegen ihn auftreten. Letzteres war eine Erwiderung darauf, daß Hiob den Wunsch geäußert hatte, die Erde möge Gottes Ungerechtigkeit ihm gegenüber nicht bedecken ( Hi 16,18 ), und sein Zeuge und Fürsprecher im Himmel möge für ihn eintreten ( Hi 16,19-21 ).

Die Unterdrückung der Armen und der Raub ihrer Häuser ( Hi 20,19 ) werde vergolten werden, wenn seine eigene Ernte am Tage des Zorns Gottes (vgl. Hi 20,23 ) weggeführt und zerstreut würde. Zusammenfassend sagte Zofar: Das ist der Lohn eines gottlosen Menschen und das Erbe, das Gott ihm zugesprochen hat (vgl. Hi 27,13 ). Nach Zofars Ansicht konnte Hi. also kaum erwarten, daß sich seine Lage in irgendeiner Weise von der eben beschriebenen unterschied. Warum hatte Hiob seine Besitztümer so plötzlich verloren? Die einzige Erklärung für dieses große Unglück war doch wohl die, daß Hiob ein Gottloser war!

In seiner philosophischen Kurzsichtigkeit hatte Zofar hier natürlich die Situationen außer acht gelassen, in denen ein Mensch Bedrückung erfährt, ohne eine schwere Sünde begangen zu haben, für die er mit diesem Unglück heimgesucht werden könnte. Die gehässigen Worte, die dieser Besucher dem Kranken zumutete, glichen dem Gift der Schlange, von der er gesprochen hatte.



6. Hiobs zweite Antwort an Zofar
( Hi 21 )


Hiob stand nun sowohl Zofar als auch den beiden anderen Wortfechtern Rede und Antwort (die Anrede in

V. 2.27-29.34 steht im Plural, ebenso wie die Verben in 2-3 a. 5.29.34 ), indem er auf die Vernichtung der Gottlosen einging. Im Gegensatz zu seinen anderen Reden wandte er sich hier nirgends direkt an Gott. Viele seiner Aussprüche in den Versen 7-33 stellten eine unmittelbare Widerlegung der Worte Zofars in Kapitel 20 dar (vgl. Zuck, Job , S. 98, wo die gegensätzlichen Ansichten aufgelistet sind).



a. Hiobs Bitte um Stille
( 21,1-6 )


Hi 21,1-3


Hiob äußerte den Wunsch, daß seine so überaus lästigen Ratgeber doch einmal auf das hörten, was er selbst zu sagen hatte; dies wäre ein wahrer Trost für ihn (für Tröstung steht hier dasselbe hebräische Wort, das Elifas in Hi 15,11 gebraucht hatte; in beiden Versen steht es im Hebräischen im Plural). Diese Aussage erinnert deutlich daran, daß sich auch der Leidende ein offenes Ohr wünscht und nicht einen Mund, der ihn verdammt. Voller Sarkasmus fügte Hiob hinzu, daß Zofar ja anschließend über ihn spotten könne (dieses Verb steht im Singular, wohingegen die Verben in Hi 21,2-3 a, wie bereits bemerkt, im Plural stehen).

 

Hi 21,4-6


Wenn Hiob sich doch bei Gott und nicht bei ihnen beklagte, warum sollte er dann nicht das Recht haben, ungeduldig zu sein? (vgl. Hi 4,2; 6,2-3 ) Die drei sollten über seine schreckliche Erscheinung erschrecken (Hiob wollte, daß sie sich ihm zuwandten und ihm zuhörten), so wie sie es ganz zu Anfang getan hatten ( Hi 2,12 ). Nach Bildads Worten erschraken die Menschen an jedem Ort über das, was dem Gottlosen widerfuhr ( Hi 18,20 ). Warum konnten die drei also nicht zumindest ein wenig Betroffenheit über Hiobs Situation zeigen, wenn sie schon der Meinung waren, daß er solch ein großer Sünder war? Sie sollten wirklich schweigen und ihre Hand auf ihren Mund legen (vgl. Hi 29,9; 40,4 ). Wenn Hiob nur an seine erbärmliche Situation dachte, versetzte ihn dies in Aufruhr, und zwar sowohl seelisch ( so erschrecke ich ; vgl. Hi 4,5; 22,10; 23,15-16 ) als auch körperlich (sein Leib erzitterte).



b. Der Reichtum der Gottlosen
( 21,7-16 )


Hi 21,7-16


Wie konnte der Standpunkt der drei Wortfechter, insbesondere Zofars Meinung, daß sich die Gottlosen nur kurze Zeit ihres Lebens freuten, richtig sein ( Hi 15,29.32-34; 18,5; 20,5.8.22 ), wenn Hiob doch beobachtet hatte, daß die Gottlosen am Leben blieben, bis sie alt geworden waren (vgl. Hi 20,10 ), Kinder hatten und in Sicherheit und Frieden lebten (vgl. Hi 20,28 )? Offensichtlich traf sie kein Gericht Gottes (vgl. Hi 20,23.28-29 )! Die Herden vieler Sünder gediehen, die Gottlosen hatten Gefallen an fröhlicher Musik, und selbst der Tod war für sie nicht schmerzlich. Hinzu kam, daß sie Gott verhöhnten und sich fragten, was es ihnen nützte, ihn anzurufen. Dies erinnert deutlich an Satans Anschuldigung, daß Hiob Gott nur aus Eigennutz verehre ( Hi 1,9-11 ), aber Hiob konnte von der Behauptung des Widersachers natürlich nichts wissen. Er wußte jedoch, daß das Glück der Gottlosen letztendlich nicht in ihren Händen lag: Gott, den sie so sehr verachteten, hatte ihnen ihren Reichtum beschert! Deshalb mied Hiob den Rat der Gottlosen (vgl. den Kommentar zu Hi 22,16-18 ).

Hiobs Äußerungen liegt eine sehr wichtige Erkenntnis zugrunde: Der Mensch erfährt in diesem Leben nicht immer nur Gerechtigkeit. Wie oft geht es den Gottlosen gut, während die Gottesfürchtigen leiden müssen. "Das harte Gericht im zukünftigen Leben ist das einzig mögliche Gegengewicht zu dem offensichtlichen Triumph der Gottlosigkeit. Die Vergeltung nach dem Tod wird im Alten und im Neuen Testament ganz klar gelehrt - vgl. Ps 9,18; Jes 5,14-15; 30,33; Hes 32,22-25; Mt 7,13; 2Thes 1,8-9 obwohl dieser Grundsatz in späterer Zeit noch deutlicher hervortritt als zur Zeit Hiobs." (Gleason L. Archer, Jr., The Book of Job, God's Answer to the Problem of Undeserved Suffering, S. 77)

 

c. Der Tod der Gottlosen
( 21,17-26 )


Hi 21,17-21


Auf Bildads Behauptung hin, daß "das Licht der Gottlosen verlöschen werde" ( Hi 18,5 ) und daß Unheil und Unglück die Frevler jederzeit heimsuchen könnten ( Hi 18,12 ), fragte Hiob: Wie oft geschieht das wirklich? Die Ansicht Zofars, daß Gott Herzeleid über sie austeilt in seinem Zorn ( Hi 20,23.29; zu "Zorn" vgl. Hi 20,28; 21,30 ), war jedenfalls mit den Tatsachen nur schwer in Einklang zu bringen. Die Sünder wurden (und werden) nur selten plötzlich und so leicht wie Stroh oder Spreu hinweggefegt.

Hiob wollte einem möglichen Einwand seiner Gefährten zuvorkommen, daß die Strafe ja vielleicht erst die Kinder jener Übeltäter treffen würde, indem er betonte, daß der Gottlose selbst für seine Sünden büßen und Gottes Grimm zu spüren bekommen müsse; wenn er erst einmal tot war, würde ihn ein Gericht über sein Haus nicht mehr bekümmern (vgl. Hi 20,10 ).

 

Hi 21,22-26


Gottes Gericht über die Gottlosen folgt nicht dem beschränkten theologischen System der Freunde Hiobs. Gott stürzt gerade nicht, wie sie meinten, die Gottlosen häufig ins Unglück ( Hi 20,5 ) oder bringt statt dessen das Gericht über ihre Kinder. Gottes Wege sind unerforschlich. Er kann es einem Menschen gestatten, im Wohlstand zu leben und bei guter Gesundheit zu sein (indem Hiob in Hi 21,23 auf die Kraft und in Vers 24 auf das Gebein Bezug nahm, antwortete er auf Zofars Worte in Hi 20,11 ), während er es einem anderen Menschen auferlegt, Entbehrungen zu leiden und darüber verbittert zu werden. Letztlich ereilt doch beide das gleiche Schicksal, wenn sie in der Erde liegen und vom Gewürm gefressen werden (vgl. Hi 17,14; 24,20; vgl. auch Pred 9,2-3 ). Von Reichtum oder Gesundheit kann man nicht auf den Charakter eines Menschen schließen. Ein Gottloser kann entweder jung oder alt sterben. Diese Aussagen stimmen offensichtlich eher mit der Wirklichkeit überein als das starre Schema der drei geschwätzigen Ankläger Hiobs.



d. Der Tod der reichen Gottlosen
( 21,27-34 )


Hi 21,27-33


Hiob war sich offensichtlich darüber im klaren, welche Einwände die drei Besucher gegen seine Worte erheben würden. Sie würden ihn fragen, wo denn die reichen Gottlosen zu finden seien (vgl. Hi 8,22; 18,21; 20,28 ). Hiob beantwortete diese von ihm vorausgeahnte Frage mit einer Gegenfrage. Hatten die drei denn niemals die Vorüberziehenden befragt? Menschen, die Reisen unternahmen, waren vermögend, und dennoch kam über viele von ihnen trotz ihrer Bosheit keineswegs das Verderben oder Gottes Grimm. Kein Mensch wagte es, gottlose, aber einflußreiche Leute zu verurteilen, ihnen feindlich gegenüberzutreten oder Vergeltung an ihnen zu üben. Solch ein von allen anerkannter Mensch lebte weiter und erhielt sogar ein ehrenhaftes Begräbnis. Sein Grab wurde bewacht, nachdem viele Leute seiner Bestattung beigewohnt hatten.



Hi 21,34


Die Tröstungen der drei Gefährten (vgl. V. 2 ) waren nach Hiobs Beurteilung Nichtigkeiten (hebel, "leer, vergeblich, nutzlos"; vgl. Hi 7,16 und den Kommentar zu Pred 1,2 ) und ein Beweis dafür, daß sie unehrlich waren ( mAZal , "treulos, betrügerisch"). Hiob konnte ihre Erklärung für das Leid auf keinen Fall akzeptieren, zumal sie aufgrund ihrer Ansichten an ihm, ihrem alten Freund, treulos handelten.



D. Der dritte Redezyklus
( Hi 22-31 )


Im ersten Redezyklus hatten die Besucher behauptet, daß Hiob ein Sünder sei. Sie hatten ihn zur Buße aufgefordert. In der zweiten Gesprächsrunde hatten die drei Hiob zu verstehen gegeben, daß er schuldig sei. Sie hatten das schreckliche Los der Gottlosen hervorgehoben, ohne jedoch Hiob zum Sündenbekenntnis zu drängen. Im dritten Wortgefecht griffen nun die drei Freunde Hiob an, indem sie ihm ganz bestimmte Sünden vorwarfen, und nur Elifas forderte ihn auf, sich wieder Gott zuzuwenden. In seinen Entgegnungen auf alle drei Angriffsreden verteidigte Hiob seinen Standpunkt. Er wies (a) die Voraussetzung für ihre Annahmen, (b) ihre Versicherung, daß die Gottlosen beständig litten und (c) die Behauptung, daß er selbst ein mutwilliger Missetäter sei, weit von sich.



1. Elifas' dritte Rede
( Hi 22 )


Elifas begann seine Rede recht abrupt. Er ging auf Hiobs Argumente gar nicht ein. Vielmehr schien er entschlossen zu sein, Hiob in die Knie zu zwingen und ihn dazu zu bewegen, seine Missetaten zu bereuen.



a. Gott ist an Hiob nicht interessiert
( 22,1-5 )


Hi 22,1-3


Elifas meinte, daß die Gerechtigkeit eines Menschen Gott nichts nützen könne; der Allmächtige hätte ja nichts davon, wenn Hiob gerecht und ohne Tadel wäre, wie Hiob lauthals verkündet habe. Elifas Gedankengang war folgender: Weil Gott nicht davon betroffen ist, wenn ein Mensch reich oder arm ist (vgl. Hi 21,23-26 ), müssen die Menschen aufgrund ihrer Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit reich oder arm sein. Wie könnte man sonst solche offensichtlich wahllos verteilten Lebensumstände erklären? Elifas konnte einfach nicht glauben, daß Gott alle Abweichungen von dem, was eigentlich gerecht wäre, verantwortete.



Hi 22,4-5


Es erschien Elifas deshalb ganz und gar unvernünftig, wenn Hiob der Meinung war, Gott erteile ihm für seine Gerechtigkeit einen Verweis. Warum sollte der Herr mit einem Unschuldigen ins Gericht gehen?



b. Hiobs Sünden gegen die Gesellschaft
( 22,6-11 )


Hi 22,6-9


Ohne einen Beweis anzuführen, klagte Elifas Hiob mehrerer Vergehen gegen seine Mitmenschen an:

1) Hiob habe seinem Bruder (der Begriff bezeichnet hier ebenso wie in Hi 19,13 Hiobs Landsleute) ein Pfand abgenommen und dem Armen die Kleider entrissen. Wenn ein Schuldner einem Gläubiger sein Obergewand als Pfand für die ausstehende Zahlung übergab, mußte das Gewand abends zurückgegeben werden, damit der Schuldner vor der Kälte geschützt war ( 2Mo 22,26-27; 5Mo 24,10-13 ). Wenn solch ein Gewand nicht zurückgegeben wurde, so war dies eine Sünde. Im weiteren Verlauf des Gesprächs ging Hiob speziell auf diese falsche Beschuldigung ein ( Hi 31,19-22 ).

2) Hiob habe sich geweigert, bedürftigen Menschen Wasser und Brot zu geben, obwohl er doch zu den Mächtigen gehörte und es sich ganz offensichtlich leisten konnte, den Hungrigen diese gelegentlichen Mahlzeiten zu geben. Auch auf diese falsche Beschuldigung ging Hiob später ein ( Hi 31,16-18 ).

3) Elifas warf Hiob ferner vor, Witwen und Waisen schlecht behandelt zu haben, was als ein schweres Verbrechen galt ( 2Mo 22,21-23; 5Mo 27,19; Jer 7,6; 22,3; Sach 7,10 ). Auch auf diese Anklage antwortete Hiob später ( Hi 31,16-18.21-22 ). Mit Sicherheit wies Elifas' theologisches System große Mängel auf, wenn er zu Lügen griff, um seine Meinung über Hiobs Verhalten zu stützen.



Hi 22,10-11


Die Folgen der Missetaten, die Hiob angeblich seinen Nächsten zugefügt hatte, waren laut Elifas Schlingen und Entsetzen sowie Finsternis und eine Wasserflut . Ein so unmoralisch handelnder Mensch müsse in seinem Leben auf Hindernisse ("Schlingen") treffen; Schrecken erfasse ihn (vgl. Hi 18,11;20,25; vgl. auch Hi 4,5; 21,6; 23,15-16 ); durch Finsternis werde er verwirrt und in Angst versetzt (vgl. Hi 15,30; 18,18; 20,26 ). Er erlebe furchtbare Katastrophen, wie z. B. eine Wasserflut (vgl. Hi 20,28 ). Hiob hatte all das zwar erlebt, aber dieses Unglück war nicht, wie Elifas annahm, die Folge seiner Sünde.



c. Hiobs geistlicher Zustand
( 22,12-20 )


Hi 22,12-14


Noch einmal wies Elifas auf den Abstand zwischen Gott und Mensch hin (vgl. Hi 4,17-19; 5,9; 15,14-16 ). War Gott nicht hoch erhaben und thronte im Himmel über den fernen Sternen? Wie konnte da Hiob so anmaßend gegenüber Gott sein und seine Weisheit, seine Kenntnis des Menschen und seine Berechtigung zum Gericht in Frage stellen? War der Allmächtige nicht vom Menschen durch die Wolken getrennt? Aber Elifas verdrehte Hiobs Worte ( Hi 21,22 ) und offenbarte auf diese Weise noch einmal den Irrtum seines eigenen theologischen Denkschemas. Hiob hatte gesagt, daß Gott Einsicht besitze. Gerade das ließ Hiob verzweifeln. Er hatte nicht behauptet, daß Gott die Menschen nicht sehen könne, sondern genau das Gegenteil davon ( Hi 7,17-20; 14,6 ).



Hi 22,15-18


Der älteste der Ankläger, Elifas, warf Hiob vor, ein böswilliger Sünder zu sein, der den Weg (vgl. Hi 23,11 ) der Ungerechten gegangen sei, die von einer Wasserflut fortgerafft wurden, womit möglicherweise die Flut in den Tagen Noahs gemeint ist. Sie hatten Gott getrotzt und ihn gebeten, sie allein zu lassen ( Hebe dich von uns! ), obwohl er sie doch gesegnet hatte, und dies war nach Elifas' Ansicht genau das, was Hiob jetzt wollte. Diese höhnische Anspielung auf Hiobs Worte in Hi 21,14-16 offenbarte Elifas' haßerfüllte Überheblichkeit. Er fügte noch hinzu: Der Rat der Gottlosen ist ferne von mir . Dies war eine genaue Wiedergabe eines Ausspruchs Hiobs ( Hi 21,16 ). Elifas benutzte diese Worte, um Hiob zu verhöhnen; er wollte herausstellen, daß er selbst die Gedanken der Gottlosen weit von sich wies, aber er tat das, indem er sich von dem angeblich gottlosen Hiob distanzierte!



Hi 22,19-20


Wenn die Widersacher vertilgt werden, freuen sich die Gerechten (also Elifas und die übrigen) darüber, daß ihnen nun Gerechtigkeit widerfahren ist. Hiob hatte gesagt, daß die anderen ihn verspotten könnten ( Hi 21,3 ). Elifas deutete nun an, daß ein Gerechter wie er selbst die Sünder (einschließlich Hiob!) guten Gewissens verspotten könne. Elifas, der zuerst so höflich gewesen war ( Hi 4,2 ), wurde jetzt sehr verletzend. Er redete mittlerweile ganz ähnlich wie Bildad und Zofar, die beide davon gesprochen hatten, daß die Besitztümer des Gottlosen verzehrt würden ( Hi 18,15; 20,26 ).


d. Elifas' Aufruf zur Busse
( 22,21-30 )


Hi 22,21-30


Elifas, der über Hiob Lügengespinste erfunden und seine Worte verdreht hatte, rief den Leidenden nun noch einmal zur Buße auf.

Er legte dar, was Hiob seiner Ansicht nach zu tun hatte. Er sollte (a) sich mit Gott vertragen, anstatt an ihm zu zweifeln und ihn anzuklagen, und (b) mit ihm Frieden schließen. Er sollte (c) Gottes Weisung annehmen (als ob Hiob dazu nicht bereit gewesen wäre!) und (d) seine Worte in sein Herz fassen. Ferner sollte er sich (e) zum Allmächtigen bekehren, (f) alles Unrecht weit weg tun (wieder deutete Elifas an, daß Hiob ein heimlicher Sünder sei) und (g) nicht mehr auf seinen Reichtum vertrauen: wirf in den Staub dein Gold und zu den Steinen der Bäche das Gold aus Ofir (zu Ofir an der südwestlichen Küste der Arabischen Halbinsel vgl. Hi 28,16; Jes 13,12 ). Dieser letzte Punkt war eine weitere falsche Anschuldigung. Wie wollte Elifas beweisen, daß Hiob sein Vertrauen auf materielle Dinge setzte? Er besaß ja jetzt überhaupt kein Gold mehr, auf das er sich hätte verlassen können!

Wenn Hiob sich an diese Dinge hielte, so versprach Elifas, würde Gott ihn wiederherstellen und ihn auf folgende Weise segnen: (a) mit geistlichem Reichtum ( so wird der Allmächtige dein Gold sein und wie Silber ; V. 25 ), (b) Lust an dem Allmächtigen (V. 26 ; Elifas bezeichnete Gott in diesem Kapitel fünfmal als "Allmächtiger": V. 3.17.23.25-26 ), (c) Gemeinschaft mit Gott (V. 26 ), (d) Erhörung seiner Gebete (V. 27 ), (e) Streben nach Erfüllung seiner Gelübde (V. 27 ), (f) Erfolg (V. 28 ), (g) Hilfe als Lohn für Demut (V. 29 ) und (h) Rettung des Schuldigen durch Hiobs Fürbitte, um der Reinheit seiner Hände willen (V. 30 ).

Elifas wollte anscheinend verdeutlichen, daß Hiobs Frömmigkeit zwar Gott nicht beeinflussen würde, aber auf Hiob selbst Einfluß hätte.



2. Hiobs dritte Antwort an Elifas
( Hi 23-24 )


Hiob ignorierte Elifas' Behauptungen zunächst (er ging später darauf ein, vgl. Hi 31 ) und sann über zwei Fragen nach: über die Ungerechtigkeiten, die er selbst erlebte, und die, welche anderen widerfuhren. Hiob wollte seine Sache vor Gott bringen ( 23, 1-7 ), aber Gott blieb unerreichbar ( Hi 23,8-17 ). Gott schwieg auch zu den Sünden anderer Menschen ( Hi 24 ). Solche Ungerechtigkeiten, zu denen Gott sich nicht äußerte, verwirrten Hiob.



a. Hiob sehnt sich danach, Gott zu finden
( 23,1-9 )


Hi 23,1-7


In seiner Betrübnis (Hiob erwähnte diese mehrere Male, vgl. Hi 3,20;7,11;10,1;27,2 ) und seinem Seufzen empfand Hiob noch immer, wie die Hand Gottes ihn niederdrückte (vgl. Hi 13,21; 33,7 ). Ganz sicher wollte er sich an Gott wenden (wie alle drei Redner es ihm geraten hatten, vgl. Hi 5,8; 8,5; 11,13; 22,23 ), aber er konnte ihn nicht finden (vgl. Hi 13,24 ). Wenn Hiob Gott finden könnte, dann würde er ihm das Recht darlegen ( Hi 23,4 , miSpoF , ein weiterer Begriff aus der Gerichtssprache, der im Buch Hiob häufig verwendet wird), überzeugend argumentieren (vgl. Hi 10,2 ) und Gottes Antwort abwägen ( Hi 23,5 ). Gott, der sich dann der Tatsache der Unschuld Hiobs gegenüber sähe, würde nicht länger mit seiner schrecklichen Macht mit ihm rechten ( rIB , wörtl.: "mit jemandem streiten oder einen Rechtsstreit führen"). Zuvor hatte Hiob festgestellt, daß es zwecklos wäre, seine Sache vor Gott zu bringen ( Hi 9,14-16 ), aber jetzt war er sich sicher, daß ein Redlicher (damit meinte er sich selbst) mit ihm rechten ( yAKaH , "einen Rechtsfall erörtern, darlegen") konnte. Der Richter würde ihn freisprechen, und sein Elend hätte ein Ende.


Hi 23,8-9


Wenn ein Richter zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung nicht erscheint, kann ihm der Rechtsfall nicht vorgetragen werden. Daher hielt Hiob überall nach Gott Ausschau, aber vergeblich. Gott schwieg weiterhin; er schien Hiob auszuweichen.

 

b. Hiob beteuert seine Unschuld
( 23,10-12 )


Hi 23,10-12


Hiob war der Meinung, daß Gott sich ihm entzog. Wenn er sich nämlich zeigen würde, dann müßte er Hiob für unschuldig erklären, da er ja wußte, daß dieser den Weg der Frömmigkeit ging. Wenn jedoch Gott sich seines Falles annahm, würde Hiob, wie er glaubte, befunden werden wie das Gold . Vers 10 bezieht sich wohl eher auf den Ausgang des Gerichtsverfahrens als darauf, daß Gott ihn einer Prüfung unterziehen würde, aus der er reiner als zuvor hervorginge. Hiob konnte den Anspruch erheben, so rein wie Gold zu sein - vor und während des Gerichtsverfahrens -, denn er war dem Herrn treu nachgefolgt und hatte sich an seinen Weg gehalten (diese Tatsache stand im Gegensatz zu Elifas' Anschuldigung, daß Hiob auf dem "Weg der Vorzeit" bzw. der "Ungerechten" gegangen sei, Hi 22,15 ), ohne jemals davon abzuweichen. Hiob hatte Gott gehorcht (vgl. Hi 22,22 ) und Gottes Worte liebgehabt. Hier beteuerte er von neuem seine Unschuld.



c. Hiobs Erbitterung über Gottes Souveränität
( 23,13-17 )


Hi 23,13-14


Doch nun schreckte Hiob erneut vor der Vorstellung zurück, Gott vor Gericht gegenüberzutreten. Wie konnte er es wagen, Gott, dem Einzigartigen ( er ist der eine , d. h. es gibt niemanden, der ihm gleich wäre), zu widersprechen, ihm, der alles macht, wie er will (vgl. Ps 115,3 ) - und zwar auch das, was er für Hiob bestimmt hat (vgl. Hi 10,13 ).



Hi 23,15-17


Weil Gott so schwer greifbar (V. 3.8-9 ) und so souverän (V. 13-14 ) war, erschrak Hiob ( bAhal , "erschrocken, beunruhigt sein", Hi 4,5; 21,6; 22,10; 23,15-16 ) und wurde mutlos. Er erschrak aber nicht über seine Sünden, wie Elifas angedeutet hatte ( Hi 22,10 ), sondern über das angsteinflößende Wesen Gottes. Dennoch wurde er von der Finsternis ( HOSek ; vgl. Hi 3,4 ) und dem tiefen Dunkel ( ?OPel ; vgl. Hi 3,6 ), das ihn niederdrückte, nicht zum Schweigen gebracht.



d. Hiob spricht über Gottes Gleichgültigkeit
( 24,1-17 )


(1) Gottes Gleichgültigkeit hinsichtlich des Gerichtes über die Sünder ( Hi 24,1-12 )

Hi 24,1-8


Wenn die Menschen mehr über Gottes Zeitplan für das Gericht über die Menschen wüßten, dann wären sie mit seiner scheinbar gleichgültigen Haltung gegenüber der Sünde weniger unzufrieden. Zu Hiobs Zeiten wurde Land gestohlen (indem die Grenzen verrückt und somit Teile der nachbarlichen Felder vereinnahmt wurden), Herden wurden geraubt, ja selbst die Tiere der Witwen und Waisen wurden entwendet (dies war eine deutliche Anspielung auf Elifas' Vorwurf, daß Hiob die Bedürftigen schlecht behandelt habe; Hi 22,9 ). Die Armen wurden vom Weg gestoßen, so daß sie noch nicht einmal betteln konnten. Die Elenden hielten sich aus Furcht verborgen, wanderten in der Einöde umher und suchten das Wenige zusammen, was sie auf dem Acker und im Weinberg des Gottlosen finden konnten. Sie waren nackt (vgl. Hi 24,10 ), sie froren und wurden naß.


Hi 24,9-12


Die Unterdrücker rissen den verwitweten Müttern die Kinder fort, weil sie ihre Schulden nicht zu bezahlen vermochten. Noch einmal wies Hiob darauf hin, daß die Armen nackt und hungrig waren. Sie mußten die Garben von den Feldern tragen, Öl pressen und die Kelter treten, während sie selbst Hunger und Durst litten. Außerhalb der Städte lagen Sterbende. Doch Gott schien all dies nicht zu sehen. Das verwirrte Hiob, denn zum einen litt er nicht aufgrund einer bestimmten Missetat, und zum anderen sündigten andere vorsätzlich und vor aller Augen und kamen ungeschoren davon.



Hi 24,13-17


(2) Gottes Gleichgültigkeit hinsichtlich des Gerichtes über heimliche Sünder

Mörder, Räuber und Ehebrecher taten ihr Werk des Nachts und meinten, ihre Verbrechen würden nicht entdeckt. Sie mieden das Licht (vgl. Joh 3,19-20 ); sie fühlten sich in tiefer Finsternis wohl ( QalmAweT ; vgl. den Kommentar zu Hi 3,5 ). Gott schien auch gegen diese Menschen nichts zu unternehmen.



e. Hiob hat Gewissheit über die letztendliche Bestrafung der Gottlosen
( 24,18-25 )


Diese Verse stehen scheinbar im Gegensatz zu Hiobs vorausgegangenen Worten (V. 1-17 ), denn er behauptet hier, daß Gott die Gottlosen bestrafe. Deshalb haben manche Ausleger diese Worte (V. 18-24 ) Zofar oder auch Bildad zugeschrieben; andere haben vermutet, daß Hiob hier zwar der Sprecher sei, aber nur einen der drei Freunde zitierte, um ihre Ansichten zu widerlegen (V. 25 ). Wahrscheinlich geben diese Worte jedoch Hiobs Meinung wieder, daß die Gottlosen, obwohl sie häufig am Leben bleiben und mit ihrer Sünde davonkommen, am Ende doch bestraft würden. Diese Auffassung stand im Gegensatz zu Zofars Äußerung, daß die Gottlosen jung stürben ( Hi 20,5 ), und unterstrich, was Hiob bereits ausgesprochen hatte: "Warum bleiben die Gottlosen am Leben?" ( Hi 21,7 ). Hiob glaubte, daß sowohl der Gerechte als auch der Gottlose leiden müßten, und daß es sowohl den Gerechten als auch den Gottlosen wohlergehen könnte. Diese Meinung weicht stark von dem Standpunkt der drei Freunde ab, demzufolge nur die Gottlosen leiden und es allen Gerechten wohlergeht.

Hi 24,18-25


Die Unterdrücker seien - so sagte Hiob - unstet wie Schaum auf dem Wasser. Ihr Acker sei verflucht und bringe daher keine Frucht (ebenso ihr Weinberg; vgl. 3Mo 19,9-10; 23,22 ). Wenn sie stürben, dann würden sogar ihre Mütter (der Mutterschoß) sie vergessen. Die Würmer würden ihren Leib fressen (vgl. Hi 17,14; 21,26 ), und sie würden wie Holz zerbrechen. Wer Witwen schlecht behandle (vgl. Hi 24,3 ), werde von Gott durch seine Kraft gerichtet werden. Diese Sünder mochten sich an einem Ort niederlassen und dort eine Zeitlang sicher wohnen, aber Gott würde wachen über ihren Wegen (vgl. Hi 34,21 ).

So konnten die Sünder zwar für eine gewisse Zeit eine gehobene Stellung einnehmen, aber Gott würde sie schließlich doch verderben, und sie würden wie alle in die Grube hinabfahren. Sie waren zwar einst wie die Spitzen der vollen Gersten- oder Weizenähren, aber sie würden ebenso abgeschnitten, wie man Garben abschneidet. Sie würden nicht sofort vernichtet, wie es die drei Freunde behauptet hatten, aber am Ende würde Gott sie doch verderben. Warum es ihnen dann zunächst wohlerging, während sie unbekümmert sündigten, war Hiob ein Rätsel. Er hielt jedoch an seiner Sicht der Dinge fest, denn sie stimmte mit den Tatsachen überein, was man von der Auffassung seiner drei Gefährten nicht behaupten konnte.



3. Bildads dritte Rede
( Hi 25 )


Bildads kurze Rede macht deutlich, daß ihm die Argumente ausgingen, mit denen er Hiobs Ansichten hätte widerlegen können. Wie Elifas in seiner dritten Rede ( Hi 22 ) und im Unterschied zu seinen beiden ersten Reden ( Hi 8 und 18) ging Bildad nicht auf Hiobs Worte ein. Die Größe Gottes im Gegensatz zu der Bedeutungslosigkeit und Ungerechtigkeit aller Menschen (und nicht nur Hiobs und der Gottlosen) war das Thema dieser Rede. Möglicherweise war dies ein letzter Versuch, Hiob klarzumachen, wie sinnlos es wäre, eine Anhörung seiner Sache vor dem Gericht des allmächtigen Gottes zu planen.



Hi 25,1-3


Bildads Gedankengang war folgender: Weil Gott die alleinige Herrschaft ausübt, muß man ihn fürchten ( Schrecken ist bei ihm ). Vielleicht wollte Bildad damit andeuten, daß Hiob Gott nicht fürchtete. In seiner Majestät hat der Herr Frieden geschaffen in seinen Höhen (er ist gerecht; vgl. Hi 8,3 ). Er herrscht über unzählbare Scharen, womit hier möglicherweise Engel gemeint sind (er ist somit allmächtig). Sein Licht (das Sonnenlicht) durchdringt alles und ist ein Zeichen der göttlichen Allmacht.



Hi 25,4-6


Nun wiederholte Bildad, statt auf Hiobs Überlegungen über die Ungerechtigkeit ( Hi 23-24 ) einzugehen, einfach die von Elifas zweimal hintereinander gemachte vorgetragene falsche Aussage ( Hi 4,17-18;15,14-16 ), daß der Mensch ( ?MNS , "schwacher, sterblicher Mensch"; vgl. Hi 25,6 und den Kommentar zu Hi 4,17 ) nicht gerecht oder rein sein kann. (Indem Bildad den Ausdruck ein vom Weibe Geborener als ein Synonym für den vergänglichen Menschen verwendete, griff er absichtlich Hiobs Worte aus Hi 14,1 wieder auf; vgl. Hi 15,4 .) Elifas hatte ja gesagt ( Hi 15,15 ): "Selbst die Himmel sind" in all ihrer Pracht "nicht rein". Der Mond wirft nur das Sonnenlicht zurück, und die Sterne (vgl. Hi 22,12 ) ermangeln der Reinheit vor Gott, weil sie im Vergleich zu Gottes Herrlichkeit nur schwache Lichter sind. Wie kann dann der vergängliche Mensch ( ?MNS ; vgl. Hi 25,4 ) oder das Menschenkind , ein aus Erde geschaffenes Wesen, darauf hoffen, vor Gott bestehen zu können? Der Mensch ist so viel kleiner als das Weltall mit seinen Sternen, er ist nur eine Made oder ein Wurm. Vielleicht bezog sich Bildad mit diesen abstoßenden Ausdrücken ganz bewußt auf Hiobs Klage über seine vielen Geschwüre, die voller Würmer waren ( Hi 7,5 ).

Bildad wollte Hiob demütigen, um ihm seine eigene Unwürdigkeit vor Augen zu führen. Aber diese unerfreuliche Rede erreichte ihr Ziel nicht, weil Hiob bereits die Tatsache der Größe Gottes und der Sündhaftigkeit aller Menschen anerkannt hatte.

Ein Rückblick auf die Reden der drei Gefährten Hiobs macht deutlich, daß sie alle armselige Tröster waren. Sie verhielten sich in mehr als einer Hinsicht falsch: (1) Sie drückten in ihren Reden kein Mitgefühl für Hiob aus. (2) Sie beteten nicht für ihn. (3) Sie ignorierten ganz offensichtlich den Umstand, daß Hiob seelische und körperliche Qualen litt und dies auch zum Ausdruck brachte. (4) Sie redeten zuviel und hörten offenbar dem Hilfesuchenden nicht richtig zu. (5) Sie gingen in Abwehrstellung und begannen zu streiten. (6) Sie verletzten Hiob, statt ihn zu ermutigen. (7) Sie behaupteten, den Grund für Hiobs Elend zu kennen. (8) Sie zeigten sich sogar dann noch unbelehrbar, als ihre Ansichten den Tatsachen widersprachen. (9) Sie schlugen eine unpassende Lösung vor, um Hiobs Elend ein Ende zu setzen. (10) Sie machten Hiob Vorwürfe und verurteilten ihn, weil er seinem Kummer und seiner Enttäuschung Ausdruck verliehen hatte. Als Seelsorger tut man heute gut daran, ähnliche Fehler ganz bewußt zu vermeiden.



4. Hiobs dritte Antwort an Bildad
( Hi 26-31 )


Auf die kürzeste Rede des gesamten Buches ( Hi 25 ) folgt in Kapitel 26-31 die längste Rede des Buches. Zuerst gab Hiob eine Antwort auf Bildads Rede (die Anrede in Hi 26,2-4 steht im Singular), aber im weiteren Verlauf ( Hi 27-31 ) wandte er sich an alle drei Freunde (die Anrede in Hi 27,5 ff steht im Plural).



a. Hiob beschreibt das Walten des Allmächtigen in der Natur
( Hi 26 )


An dieser Stelle wollte Hiob Bildad klarmachen, daß er, Hiob, mehr über Gottes Majestät wußte als sein Widersacher. Aber zuerst wies er Bildad voller Sarkasmus zurecht, indem er andeutete, daß er, Bildad, der eigentlich Schwache sei.

Hi 26,1-4


Mit beißender Ironie spottete Hiob über Bildads vergeblichen Versuch, ihm beizustehen. Bildad hatte Hiob behandelt, als ob er keine Kraft und Stärke (vgl. Hi 18,7 ) und keine Weisheit und Einsicht (vgl. Hi 18,2 ) besäße. Aber Bildad hatte ihm weder beigestanden und ihn gestärkt, noch hatte er ihm einen hilfreichen Rat erteilt oder ihm Weisheit vermittelt. Bildad sann einzig und allein darüber nach, welches Elend dem Gottlosen widerfahren müsse ( Hi 8,8-19;18,5-21 ) und wie verderbt die Natur des Menschen sei ( Hi 25,4-6 ). Bildads Worte waren offensichtlich völlig wertlos. Er und seine Gefährten hatten sich als "unnütze Ärzte" ( Hi 13,4 ) und "leidige Tröster" ( Hi 16,2 ) erwiesen.



Hi 26,5-6


Manche Ausleger halten die Verse 5-14 für eine Ergänzung der kurzen Rede Bildads oder für die dritte Rede Zofars. Es war jedoch charakteristisch für Hiob, daß er die drei streitenden Freunde mit seinen Aussagen über Gottes Erhabenheit übertraf. War Bildad wirklich der Meinung, daß er über die Größe des Allmächtigen etwas wisse ( Hi 25,2-3 )? Dann sollte er einmal auf das hören, was Hiob hierzu zu sagen hatte! Hiob beschrieb die göttliche Majestät folgendermaßen:

Gott ist der Herr über das Totenreich ( Hi 26,5-6 ), den Weltraum und die Erde (V. 7 ), die Wolken (V. 8-9 ), das Licht und die Finsternis (V. 10 ) und über alles, was auf der Erde (die Berge und das Meer, V. 11-12 ) und im Himmel ist (V. 13 ).

Vor Gott erzittern die Schatten der Toten (ein Hinweis auf ihre Qualen bei vollem Bewußtsein; vgl. Lk 16,24 ) unter dem Wasser, im Totenreich S+Nl ("Scheol") oder im Abgrund ("Abaddon"; ein Synonym für Scheol; vgl. Hi 28,22;31,12 ).

Das hebräische Wort r+PA?Im , das hier mit "Schatten" übersetzt wird, wird bisweilen auch für ein Volk benutzt, das uns als Refater bekannt ist. Die Refater waren hochgewachsene Menschen wie die Anakiter ( 5Mo 2,20-21 ). Zumindest vier riesenhafte Refater werden im Alten Testament namentlich erwähnt: Og ( 5Mo 3,11; vgl. Jos 12,4; Jos 13,12 ), Jischbi-Benob (Luther: "einer der Riesensöhne", ein Nachkomme von Rafa; 2Sam 21,16 ), Saf ( 2Sam 21,18; 1Chr 20,4 ) und Goliat ( 2Sam 21,19 ). 2Sam 21,20 bezieht sich auf einen weiteren hochgewachsenen Refater, dessen Name nicht genannt wird. Die Refater werden in 1Mo 14,5; 1Mo 15,20; 5Mo 2,11; 5Mo 3,13 und Jos 17,15 erwähnt (bei Luther steht statt dessen z. T. "Riesen"!).

Im Ugaritischen waren die Refater die obersten Götter oder die kriegführenden Fürsten, die offensichtlich mit diesem Namen belegt wurden, weil beide nach allgemeiner Ansicht über die Macht und Stärke von Riesen verfügten. Wenn das Wort r+PA?Im im Ugaritischen für die Toten gebraucht wurde, dann bedeutete es wohl "die Oberen unter den Toten". Im Hebräischen kann es "die Oberen unter den Toten" bedeuten (vgl. Jes 14,9 ,"alle Gewaltigen der Welt") oder aber einfach als Synonym für andere gebräuchliche Worte für die Toten gebraucht werden. R +PA?Im bezeichnet in Ps 88,11 b, "die Verstorbenen"; Spr 2,18 ,"(die) Toten"; Hi 9,18 ,"die Schatten"; Spr 21,16 ,"(die) Toten"; Jes 14,9 ,"die Toten"; Jes 26,14 ,"(die) Schatten" und Jes 26,19 c, "die Toten". Hiob wollte offensichtlich in Hi 26,5 betonen, daß auch die verstorbenen Mächtigen vor Gott erzittern, weil er sie kennt und sieht.



Hi 26,7-10


Gott spannt den Norden (oder: "die Himmelsgewölbe"; vgl. V. 13 ) aus über dem Leeren und hängt die Erde über das Nichts - Aussagen, die in erstaunlicher Weise mit den Tatsachen übereinstimmen, die den Naturwissenschaftlern lange nicht bekannt waren und denen sie bis vor einigen Jahrhunderten kaum hätten zustimmen können. In den Wolken des Himmels sammelt Gott die Wasser, und er kann seinen Thron (oder: "den Mond") mit Wolken verhüllen. Am Horizont scheiden sich scheinbar Licht und Finsternis. Der Horizont erscheint kreisförmig, denn "eine Grenze ziehen" ist die Übersetzung eines hebräischen Wortes ( HVq ), das eigentlich "einen Kreis ziehen" bedeutet und auf die Erdkrümmung hinweisen könnte. Auch das würde mit den Tatsachen übereinstimmen, die von den Naturwissenschaftlern erst in jüngster Zeit entdeckt worden sind.



Hi 26,11-14


Gott herrscht nicht nur machtvoll über das Weltall, sondern er gebietet auch über die auf der Erde wirkenden Naturkräfte. Er läßt die Erde erbeben und schickt den Sturm auf das Meer, das er dann auch wieder beruhigt. Der Ausdruck die Säulen des Himmels bezeichnet die Berge, die den Himmel zu stützen scheinen (vgl. Hi 9,6 ). Das tosende Meer wird durch eine Seegottheit mit dem Namen Rahab dargestellt (vgl. den Kommentar zu Hi 9,13 ), die von Gott besiegt wurde. Mit der flüchtigen Schlange könnte ebenfalls diese Seegottheit gemeint sein, die auch als Leviatan bezeichnet wurde ( Jes 27,1 ). Gott herrscht über das Meer, und er ist erhaben über alle unheilbringenden mythologischen Erscheinungen.

Durch den Wind (auch: "Atem [Gottes]") vertreibt Gott nach einem Sturm die Wolken vom Himmel, so daß dieser sich aufklärt. Dadurch wird Gottes Einsicht und Macht offenbar (vgl. Hi 9,4 ).

All diese Beweise für die Herrschaft Gottes über die Natur (über die Dinge unter, über und auf der Erde) sind nur die Enden seiner Wege , nicht mehr als ein schwacher Widerhall seiner Allmacht. Der Mensch ist so weit von Gott entfernt, daß er nur ein leises Wörtlein davon vernimmt (vgl. Hi 4,12 ) und daher den großen Plan, der hinter allen Handlungen des Allmächtigen steht, nicht begreifen kann.


b. Hiob beschreibt das Schicksal der Gottlosen
( Hi 27 )


Hi 27,1-6


Bevor sich Hiob der Beschreibung des Schicksals der Gottlosen zuwandte (V. 7-23 ), beteuerte er noch einmal seine Unschuld (V. 1-6 ). Vielleicht wollte er damit erneut dem Vorwurf entgegenwirken, daß er selbst zu den Gottlosen gehöre. Immer wieder hatte Hiob Gott mehr oder weniger direkt der Ungerechtigkeit bezichtigt ( Hi 6,4;7,20;10,2-3;13,24;16,12-13;19,7;23,14 ) und beklagt, daß er seine Seele betrübt habe ( Hi 3,20;7,11;10,1;23,2 ). Dennoch beharrte Hiob darauf, untadelig zu sein, wie er es ja bereits in seinen an Elifas ( Hi 6,10.29-30;16,17;23,10-12 ), Bildad ( Hi 9,21-22;10,7 ) und Zofar ( Hi 12,4;13,18-19 ) gerichteten Antworten getan hatte. Solange er Odem besaß und durch den Hauch Gottes (vgl. Hi 10,12;12,10;34,14-15 ) lebte ( Hi 27,3.6 ), wollte er seinen Gefährten keinesfalls recht geben; er konnte ihren Standpunkt (die Anrede steht in Hi 27,5.11-12 im Plural) nicht akzeptieren und seine Gerechtigkeit nicht verleugnen, wozu ihn seine Frau gedrängt hatte ( Hi 2,9 ). Obwohl Hiob von seinen Freunden so bedrängt worden war, vertraute er doch fest darauf, daß er unschuldig war und daß ihn sein Gewissen nicht beißen würde ( HAraP , "beschuldigen").



Hi 27,7-12


Hiob verfluchte seine Feinde (hatte Hiob hierbei seine Gefährten im Blick, die mit ihm bei der Asche saßen?) und stellte dann vier Fragen, die auf die hoffnungslose Situation des Gottlosen ( ZawAl , "Ungerechter"; vgl. Hi 18,21;29,17;31,3 ) hinwiesen: Wenn der Gottlose stirbt ( wenn Gott mit ihm ein Ende macht ; vgl. Gott als Quelle des Lebens, Hi 10,12 ), wird er zu Gott rufen, aber weil er nur im Zustand der Angst betet, wird Gott ihn nicht erhören.

Hiob sagte, daß er, im Gegensatz zu den Gottlosen, sogar seine Gefährten über Gottes Tun unterweisen könne (er kehrte mit dieser Aussage Elifas' Worte in Hi 22,22 um). Die drei Besucher hatten die Zeichen für das Wirken Gottes gesehen, und sie befanden sich im Irrtum, wenn sie an ihren falschen, hohlen (unnütz, heBel ; Hi 7,16;9,29 ,"vergeblich"; Hi 21,34; "Nichtigkeiten", "Hauch") Beschuldigungen festhielten und behaupteten, daß Gott ihn - einen Unschuldigen - bestrafe.


Hi 27,13-23


Manche Ausleger schreiben diese Worte Zofar zu, weil er damit eine dritte Rede gehalten hätte, und weil die Worte besser zu ihm zu passen scheinen als zu Hiob. Aber Hiob hatte ja bereits vom Schicksal der Gottlosen gesprochen ( Hi 24,18-24 ). Er hatte niemals geleugnet, daß Gott letztendlich seine Feinde bestraft, aber er hatte im Gegensatz zu Zofar ( Hi 20,5;21,7 ) bestritten, daß Gott sie sofort richtet. Wenn Zofar vom Lohn eines gottlosen Menschen und Erbe der Tyrannen ( Hi 20,29 ) sprechen konnte, dann konnte das Hiob allemal! Er prophezeite den Frevlern folgendes: Ihre Familienmitglieder werden im Krieg (durch das Schwert) umkommen, sie werden vom Hungertod oder von einem anderen Übel hinweggerafft werden. Der Gottlose wird seine Besitztümer verlieren. Er mag zwar ungeheuer reich sein und viel Gold und schöne Kleider besitzen, aber diese Dinge werden in die Hände anderer Menschen fallen. Sein Haus wird so hinfällig sein wie ein Spinnennetz, so unsicher wie eine behelfsmäßige Unterkunft, die ein Bauer errichtet, um seine Ernte zu bewachen. Von seinem Reichtum wird plötzlich nichts mehr da sein, und ein Sturm wird ihn davontragen, der stürmische Ostwind. Man wird sich über ihn lustig machen ( mit den Händen klatschen und zischen ), wenn er versucht, der erbarmungslosen Gewalt zu entkommen.



c. Hiob spricht über die Weisheit Gottes
( Hi 28 )


Nun versicherte Hiob, daß die Menschen nicht in der Lage seien, Gottes Weisheit ganz und gar zu ergründen. Er widersprach damit seinen drei Widersachern, die behauptet hatten, daß sie wüßten, was Gott in Hiobs Leben tat. Obwohl dieses Kapitel offensichtlich für sich allein steht (manche Ausleger glauben, in diesem Kapitel spreche einer der drei Gefährten, Gott oder ein namentlich nicht genannter Redner), paßt es gut zu Hiobs früheren Aussagen über die Unfähigkeit des Menschen, Gottes Weisheit zu erkennen. Es paßt ebenfalls zu seinen Erläuterungen über die Souveränität Gottes gegenüber dem Tod und der Natur (vgl. Hi 28,24-27 mit Hi 26,5-13 ).



Hi 28,1-11


Hiob hatte folgendes beobachtet: Die Menschen schürften in der Erde nach verschiedenen Metallen (V. 1-2 : Silber und Gold sowie Eisen und Kupfer ) und nach Edelsteinen, wie z. B. Saphiren (V. 6 ; vgl. V. 16 ). (Obwohl die Eisenzeit, in der aus Eisen hergestellte Werkzeuge üblich wurden, etwa 1200 v. Chr. begann, war das Eisen als solches schon wesentlich früher bekannt; vgl. z. B. 1Mo 4,22 .) Bergarbeiter gruben Schächte in der Finsternis unter der Erde, sie hingen an Seilen, um schwer zugängliche Fundstellen zu erreichen. Unter der Erdoberfläche war die Erde, welche die Bergleute während ihrer Arbeit von unten nach oben gekehrt hatten, zu Schutt und Geröll geworden, als ob sie verbrannt worden wäre.

Kein Vogel - und war er noch so scharfsichtig - hatte die in der Erde verborgenen Schätze erblickt, und kein Tier war jemals zu einer dieser Fundstellen gelangt. Bei seiner Arbeit im Bergbau hämmerte der Mensch auf den Fels ein, er grub Stollen und entdeckte unterirdische Quellen, die gestaut werden mußten. Als Ergebnis seines Wirkens war er in der Lage, verborgene, unter der Erde liegende Dinge ans Licht zu bringen. Diese Verse sind auf ungewöhnliche Art und Weise chiastisch angeordnet (vgl. David J. Clark: "In Search of Wisdom: Notes on Job 28". The Bible Translator 33, Oktober 1982, S. 401 - 5):

a Die Gewinnung wertvoller Metalle aus der Erde ( Hi 28,1-2 )

b Das Schürfen im Untertagebau (V. 3 )

c Die Entlegenheit der Minen (vor den Menschen verborgen, V. 4 )

a1 Die Gewinnung wertvoller Metalle und Edelsteine aus der Erde (V. 5-6 )

c1 Die Entlegenheit der Minen (vor den Vögeln und Tieren verborgen, V. 7-8 )

b1 Das Schürfen im Untertagebau (V. 9 )

a2 Die Gewinnung wertvoller Metalle aus der Erde (V. 10-11 ).



Hi 28,12-19


Aus seinen Beobachtungen zog Hiob folgenden Schluß: Trotz der ihm zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel kann der Mensch ohne Hilfeleistung den größten aller Schätze, die Weisheit, nicht finden. Ihren Wert kann niemand (wörtlich: "kein Mensch", ?MNS , "schwacher, sterblicher Mensch"; vgl. den Kommentar zu Hi 4,17 ) wirklich bestimmen. Der Mensch mag andere unter der Erdoberfläche verborgene Schätze finden ( Hi 28,4.10 ), aber er kann auf dem bewohnten Teil der Erde ( im Lande der Lebendigen ) oder im Meer nicht die Weisheit finden. Er kann sie auch nicht käuflich erwerben wie ein Edelmetall oder wie Edelsteine (Gold, Silber, Onyx, Saphir, Kristall, Korallen, Perlen, Topas), denn die Weisheit übertrifft alles andere an Wert (vgl. Spr 3,13-15;8,11;16,16 ).


Hi 28,20-27


Nachdem Hiob die beiden zuvor gestellten Fragen wiederholt hatte (V. 20 ; vgl. V. 12 ), bestätigte er, daß kein Lebewesen auf Erden die Weisheit sehen könne (so wie niemand die in der Erde verborgenen Metalle sehen kann, V. 4.7-8 ). Hiob fügte hinzu: Und so wie das Meer nicht weiß, wo man Weisheit erlangen kann (V. 14 ), so wissen es auch nicht der Abgrund ("Abaddon") und der Tod. Der einzige, der davon Kunde hat, ist Gott, denn er ist allgegenwärtig (er sieht, was die Menschen, die Tiere und die Vögel nicht sehen können; Hi 28,7.21 ). Als Gott das Universum erschuf, gab er den Elementen ihre Ordnung; er setzte das Gewicht des Windes, das Maß des Wassers und das Gesetz des Regens fest und bestimmte, welchen Weg Blitz und Donner nehmen sollten. Der Geist des Schöpfers erkannte die Weisheit, erforschte sie (vgl. Spr 8,27-30 ) und tat damit das, wozu der Mensch nicht in der Lage ist (vgl. Hi 28,12-13 ).

Die Verse 13 - 27 sind ebenfalls in außergewöhnlicher Weise chiastisch angeordnet:

a Die Unerreichbarkeit der Weisheit (V. 12-14 )

b Die Weisheit ist wertvoller als die Steine und Metalle (V. 15-19 )

a1 Die Unerreichbarkeit der Weisheit (V. 20-22 )

b1 Den Wert der Weisheit erkennt nur Gott (V. 23-27 )



Hi 28,28


Gott hatte zum Menschen ( ?ADAm, "Menschheit") gesagt, daß die Furcht des HERRN (d. h. die Verehrung Gottes und die Unterwerfung unter seinen Willen) Weisheit sei, auch wenn der Mensch die Wege des Allmächtigen nicht verstehen könne. Ebenso zeuge es von Einsicht, wenn man das Böse meide und nach Gottes Maßstäben in Heiligkeit lebe. Mit anderen Worten: Wer Gott verehrt (eine positive Handlung), der meidet die Sünde (eine negative Handlung bzw. ein Nicht-Tun; Spr 8,13 ). Die drei Ankläger hatten auf dem Standpunkt beharrt, daß Hiob Gott nicht fürchte, die Sünde nicht meide und daher auch nicht weise sein könne. Doch Hiob behauptete das Gegenteil: Gerade er fürchte Gott und verabscheue das Böse (Gott hatte dies bereits über Hiob gesagt: Hi 1,1.8;2,3 ), aber die drei Gefährten seien nicht weise! Deshalb besitze er selbst Weisheit und Einsicht, nicht jedoch seine Widersacher.

Der Schlußvers von Kapitel 28 leitet zu Kapitel 29 über, in dem Hiob Beweise dafür anführt, daß er stets den Herrn verehrte. Der Vers stellt ferner eine Verbindung zu Kapitel 31 her, in dem Hiob Beweise dafür aufzählt, daß er nicht in Sünde verstrickt war.



d. Hiob beschliesst seine Rede mit einem Monolog
( Hi 29-31 )


Hiob beschloß seine Rede, indem er allein zu Gott sprach. Er faßte seine Argumente wie ein Anwalt vor Gericht zusammen. Zunächst gedachte er des Glücks, das er erlebt hatte, ehe dieses große Unheil über ihn hereingebrochen war ( Hi 29 ); dann schilderte er seine gegenwärtige Betrübnis ( Hi 30 ), und schließlich beteuerte er zum letzten Mal seine Unschuld ( Hi 31 ).

(1) Hiobs einstiges Glück ( Hi 29 )

Dieses Kapitel greift einen Satz wieder auf, den Hiob früher geäußert hatte: "Ich war in Frieden" ( Hi 16,12 ).



Hi 29,1-6


In vergangenen Monden (damit wird deutlich, daß Hiobs Krankheit sich zumindest über mehrere Monate hingezogen hatte; vgl. Hi 7,3 ) hatte Gott ihn behütet (vgl. Hi 10,12 ). Wenn die Leuchte Gottes über einem Menschen scheint wie eine Lampe, die in einem Zelt aufgehängt wird (vgl. Hi 18,6; Pred 12,6; "Schale" steht für "Leuchte"), dann bedeutet das, daß dieser Mensch Gottes Güte erfährt. Der Herr hatte Hiob durch die Finsternis der Bedrängnisse geleitet, hatte sich seiner angenommen und war mit ihm gewesen. Hiob hatte ein glückliches Familienleben gehabt (seine Kinder waren bei ihm gewesen, während sie jetzt tot waren), und er war wohlhabend gewesen ( Milch und Öl waren Zeichen des Wohlstands).



Hi 29,7-11


Der fromme Hiob, der nun so sehr litt, hatte damals beträchtliches Ansehen als Richter genossen (die Ältesten hielten am Tor der Stadt Gericht; vgl. 5Mo 21,19; 22,15; Jos 20,4; dieses Amt könnte zumindest teilweise Hiobs Gebrauch von Rechtsbegriffen erklären). Hiob hatte sich großen Ansehens erfreut, und zwar nicht nur bei den Jüngeren, sondern - im Gegensatz zur üblichen Sitte - auch bei den Älteren. Das Stillschweigen der Oberen am Stadttor, wo sie darauf gewartet hatten, daß Hiob Worte der Weisheit sprach (vgl. Hi 29,21-23 ), vermißte man bei seinen drei geschwätzigen Besuchern! Die Oberen hatten ihre Hand auf ihren Mund gelegt (um damit ihr Schweigen zu unterstreichen), nicht jedoch die Widersacher Hiobs ( Hi 21,5; vgl. Hi 40,4 )! Hiob hatte man damals gerühmt ( Hi 29,11 ), statt ihn zu beschuldigen, wie es nun die drei Gefährten taten ( Hi 19,2-3 ).


Hi 29,12-17


Warum hatte Hiob ein so hohes Ansehen genossen? Ein Grund dafür war, daß er den Bedürftigen beigestanden hatte (V. 12-13 ). Das war das Gegenteil dessen, was Elifas über Hiob gesagt hatte ( Hi 22,6-7.9 ). Er hatte den Armen und den hilflos zurückgelassenen Waisen und Witwen geholfen. Ein weiterer Grund für seine Beliebtheit bestand darin, daß er für Gerechtigkeit gesorgt ( Hi 29,14-17 ) und die Sache der Blinden, der Lahmen, der Armen und der Unbekannten unterstützt hatte. Hiob hatte die Unterdrücker der Armen zu Fall gebracht ( zerbrach die Kinnbacken der Ungerechten , ZawAl ; vgl. Hi 18,21;27,7;31,3 ). Ironischerweise versäumten es Hiobs Gefährten, ihm jetzt , da er selbst einmal niedergedrückt war, beizustehen.



Hi 29,18-20


Hiob hatte fest damit gerechnet, daß Gott ihn weiterhin segnen und ihm ein langes Leben (Tage wie Sand am Meer) in Beständigkeit (Wurzel) und Wohlstand (Tau), einen guten Ruf (Ehre) und anhaltende Kraft (versinnbildlicht durch einen starken Bogen; vgl. Hi 30,11 ) schenken würde.



Hi 29,21-25


Hiob war nicht nur ein gesegneter Mann gewesen (V. 2-6 ), der anderen beigestanden hatte (V. 7-17 ) und der weiterhin mit Gesundheit und Kraft gerechnet hatte (V. 18-20 ); auch sein Rat war gerne gehört worden - dies stand im Gegensatz zu der Haltung der drei ungeladenen Gäste! Früher war man so begierig darauf gewesen, seine Meinung zu hören, wie der ausgedorrte Boden, der den Spätregen aufsaugt. Wenn er anderen Hilfe geleistet hatte, hatte er sie darüber hinaus durch sein Lächeln ermutigt; im Gegensatz dazu fragt man sich, ob die drei Besucher Hiob jemals mit einem warmen Lächeln ermuntert hatten. Die Menschen, die Hiob einst um Rat ersucht hatten, hatten seine Ratschläge angenommen und ihm Achtung entgegengebracht (vgl. V. 11 ), als ob er einer der Oberen oder gar ein König wäre. Außerdem hatte er die Trauernden getröstet. Auch auf diesem Gebiet hatten Hiobs Widersacher versagt.



Hi 30,1-8


(2) Hiobs gegenwärtige Betrübnis ( Hi 30 )

Hiob beklagte sein gegenwärtiges Elend, das einen so starken Kontrast zu seinen früheren Tagen des Wohlergehens bildete. Er wurde nun in der Gesellschaft mißachtet (V. 1-15 ), er litt körperliche Schmerzen (V. 16-19 ), er wurde mit seinen Fragen an Gott allein gelassen (V. 20-23 ), er erfuhr Feindschaft von seiten der Gemeinschaft (V. 24-26 ) und geriet immer mehr in einen Zustand körperlicher und seelischer Erschöpfung (V. 27-31 ).

Die jungen Leute verspotteten Hiob, statt ihn hochzuachten (vgl. V. 9-10 ; Hi 12,4;16,10;19,18 ), was im damaligen Nahen Osten eine kaum vorstellbare Unhöflichkeit darstellte. Hatte er einst die höchste Achtung genossen, so war er jetzt der Allerverachtetste (vgl. Francis I. Andersen, Job: An Introduction and Commentary, S. 235). Diese waren Menschen ohne Lebenskraft ( Hi 30,2 ), die Hiob nichts hatten nützen können, magere, ausgehungerte, rastlose Wanderer in der Wüste (V. 3 ), die sich von kümmerlicher Speise ernährten (V. 4 , die Ginsterwurzel schmeckt bitter); sie waren Ausgestoßene ( aus der Menschen Mitte weggetrieben ; V. 5 ), die in Flußtälern lebten, in den Ländern der Erde (V. 6 ) wohnten, wie Wildesel schrien und sich unter den Disteln versammelten (V. 7 ). Dieses von der Gesellschaft verachtete gottlose Volk ohne Namen wagte es, Hiob zu verhöhnen!



Hi 30,9-15


Diese Elenden verspotteten den unglücklichen, niedergedrückten Frommen (vgl. Hi 16,10 ); sie verabscheuten ihn und besaßen die Unverschämtheit, vor seinem Angesicht auszuspeien (vgl. Hi 17,6 ). In seiner von Gott herbeigeführten Bedrängnis (vgl. Hi 16,9 ) war Hiob so schwach (vgl. Hi 16,7 ) wie ein gelöstes Seil (oder: "ungespannter Bogen", vgl. Hi 29,20 ). Aber diese Übeltäter griffen Hiob an wie ein Heer (vgl. Hi 16,13-14 ), so daß er nichts gegen sie vermochte (sie hatten seine Pfade aufgerissen). Es ist daher nicht verwunderlich, daß Hiob wiederum sagte, er sei von Schrecken überwältigt worden (vgl. Hi 6,4; 13,21; 24,17; 27,20 sowie "erschrecken" in Hi 21,6; 23,15-16 ). Hiob genoß kein Ansehen mehr, und er war seines Lebens nicht mehr sicher.


Hi 30,16-19


Hiob sprach nun von seinen körperlichen Qualen. Sein Leben schwand dahin; des Nachts fühlte er sich elend, wie wenn ein Schwert sein Gebein durchbohrte (vgl. Hi 33,19 ) und ihm unendliche Schmerzen bereitete. Hiob sprach hier zum achten Mal von Gottes gewaltiger Macht (vgl. Hi 9,4; 10,16; 12,13; 24,22; 26,12.14; 27,11 ). Er fühlte sich so, als ob Gott ihn an seiner Kleidung gepackt (wenn man diesen schwierigen hebräischen Satz so wiedergeben kann) und in den Dreck geworfen hätte. Wenn Hiob das Gefühl hatte, wie Staub und Asche geworden zu sein, so konnte das bedeuten: (a) Er war entstellt und abgezehrt, er sah grau aus wie die Asche, (b) er hatte auf seine Geschwüre Asche gestreut (vgl. den Kommentar zu Hi 2,8 ), oder (c) er war tief im Innern niedergeschlagen. Diese Worte Hiobs weisen bereits auf einen seiner späteren Aussprüche hin, als er sagte, daß er in Staub und Asche bereue ( Hi 42,6 ).


Hi 30,20-23


Zu dem Ausschluß Hiobs aus der Gemeinschaft (V. 1-15 ) und seinem körperlichen Schmerz (V. 16-19 ) kam für ihn noch das Empfinden des völligen Verlassenseins von Gott hinzu (V. 20-23 ). Sein Schreien zum Allmächtigen verhallte ungehört (vgl. Hi 19,7;31,35 ), obwohl jener ihn doch sah (vgl. Hi 7,19-20; 10,14; 13,27; 31,4 ). Hiob schien es, als habe sich Gott gegen ihn gewandt, ihn angegriffen (vgl. Hi 16,12 ) und ihn hin- und hergeschleudert, als ob er ihn einem heftigen Sturm aussetzen wollte (Hiob hatte gesagt, daß Gott dies den Gottlosen antue; Hi 27,21 ).

 

Hi 30,24-31


Die drei Besucher hatten Hiob etwas angetan, das kein Gerechter getan hätte: Sie hatten ihn gequält, obwohl er in Not war und eine harte Zeit durchmachte. Hiob dagegen hatte mit Menschen, die im Elend lebten oder Kummer hatten, Mitleid gehabt und mit ihnen getrauert. Er hatte auf den Beistand seiner Freunde ( das Gute und Licht ) gehofft, aber das Gegenteil davon erfahren. Mit Sicherheit hatte er die feindselige Haltung der drei Gefährten nicht verdient!

Nun legte Hiob noch einmal seine körperlichen und seelischen Leiden dar: Er war innerlich aufgewühlt ( in mir kochte es ), er erlebte Tage des Elends (vgl. V. 16 ), seine Haut hatte sich (aufgrund der Krankheit; vgl. V. 30 ) schwarz gefärbt, er rief laut um Hilfe, klagte wie heulende Schakale und schrie wie die Strauße (oder: "Eulen"; wahrscheinlich trifft aber "Strauße" eher zu; vgl. Jes 13,21; 34,13; Mi 1,8 ), seine schwarz gewordene Haut schälte sich (vgl. Hi 19,26 ), und er litt an Fieber. Infolgedessen hatte sich seine Freude (auf Harfen und Flöten spielte man meist fröhliche Melodien) in Klage verwandelt; er sang Trauerlieder wie bei einer Totenklage. Von Hiobs seelischen Qualen ist in 30,24-26.29.31 die Rede; die Verse 27-28.30 nehmen auf seine körperlichen Schmerzen Bezug.

Das vielfache Elend, welches in diesem Kapitel beschrieben ist, hatte Hiob in tiefe Verzweiflung gestürzt.



Hi 31,1-4


(3) Hiob schwört, daß er unschuldig ist ( Hi 31 )

Mit einem feierlichen Eidschwur versuchte Hiob zum letzten Mal, Gott dazu zu zwingen, in seine Situation einzugreifen. Das negative Bekenntnis, bei dem der Angeklagte sich selbst verfluchte, falls er doch schuldig und die Anschuldigungen richtig wären, stellt eine starke Form des Abstreitens dar. Zur Bekräftigung seiner Aussagen bediente er sich entweder verneinter rhetorischer Fragen oder aber verneinter Bedingungssätze. Der 2. Teil (Hauptsatz) eines solchen Bedingungssatzes enthält einen Fluch (Schema: Habe ich dies oder jenes getan, so soll mir dies oder jenes widerfahren; vgl. z. B. V. 7-10 ). Manchmal folgt auf diesen Fluch noch eine Begründung (z. B. V. 11 ). Hiob wies Elifas' Vorwürfe ( Hi 22,6-9 ) zurück und bestritt, jemals eine verwerfliche Tat begangen zu haben. Darüber hinaus versicherte er, daß er auch hinsichtlich seiner inneren Haltung und seiner Beweggründe unschuldig sei.

Als erstes leugnete Hiob, daß er je lüstern auf eine Jungfrau geblickt hatte. Er wußte, daß das Teil, welches Gott dem Sünder zukommen läßt, Verderben für den Ungerechten ist ( ZawAl ; vgl. Hi 18,21;27,7;29,17 ). Vom Unglück als dem Erbe eines Übeltäters hatten sowohl Zofar als auch Hiob selbst bereits gesprochen ( Hi 20,29;27,13 ). Deshalb hätte Hiob diese Sünde gemieden, zumal der Allmächtige ihn ja sah (vgl. Hi 7,19-20;10,14;13,27 ) und alle seine Schritte verfolgte (vgl. Hi 14,16 ).

 

Hi 31,5-8


Hiob bestritt ferner, daß er an seinem Nächsten unehrlich gehandelt hatte (vgl. Betrug in Hi 27,4 ). Falls er einen seiner Nächsten beim Abwiegen von Waren betrogen hatte, so war er bereit, sich von Gott auf rechter Waage wiegen und von ihm richten zu lassen. Hiob wußte ja, daß er nur ehrliche Geschäfte getätigt hatte und daß der Herr seine Unschuld erkennen würde. Falls er jedoch bei dieser Sache hinsichtlich seiner Beweggründe oder seines Verhaltens ( Herz und Hände ) schuldig war, so war er bereit, zu hungern, wenn als Folge davon seine Ernten vernichtet würden (vgl. Hi 31,12 ).



Hi 31,9-12


Die dritte Sünde, die Hiob leugnete, war der Ehebruch (V. 1 bezog sich auf lüsterne Blicke; diese Verse handeln von sexuellen Vergehen). Wenn es Beweise dafür gab, daß Hiob sich eines solchen abscheulichen Verbrechens schuldig gemacht hatte, dann sollte sein Weib gedemütigt werden (das Mahlen von Getreide galt als eine niedrige Arbeit; 2Mo 11,5 ) und offenbar auch in sexueller Hinsicht Erniedrigung erfahren ( andere sollen sich über sie beugen ). Solch eine Schandtat verdiente nach Hiobs Ansicht eine strenge Bestrafung; darüber hinaus zerstörte sie ja das Leben eines Menschen wie vernichtendes Feuer und stürzte ihn in den Abgrund ("Abaddon", ein Synonym für Scheol; vgl. Hi 26,2;28,22 ).



Hi 31,13-15


Ferner versicherte Hiob, daß er seine Knechte und Mägde gerecht behandelt habe. Hätte er sie schlecht behandelt, wenn sie mit ihm eine Auseinandersetzung hatten, so wäre er jetzt nicht in der Lage, Gott gegenüberzutreten und ihm seinen Streitfall vorzutragen. In zwei parallel gestellten rhetorischen Fragen, die seine Zuhörer verwirrt haben mögen, brachte er zum Ausdruck, daß er mit seinen Knechten und Mägden im Grunde auf einer Stufe stand, denn auch sie waren ja vom Schöpfer im Mutterschoß bereitet worden (vgl. Hi 10,8-11 ).



Hi 31,16-23


Als Antwort auf Elifas' falsche Anschuldigungen ( Hi 22,7-9 ) stritt Hiob ab, daß er die Bedürftigen unterdrückt hatte. Er war nicht nur auf sein eigenes Wohl bedacht gewesen ( Hi 31,17 ), denn er hatte seine Nahrung mit Waisen geteilt und diese bei sich aufgenommen. Er hatte die Witwen ermuntert (V. 16 ) und ihnen Ratschläge erteilt, um ihnen gegen hartherzige Gläubiger beizustehen. Hiob hatte Kleider und Decken an diejenigen ausgeteilt, die nichts dergleichen besaßen (V. 19-20 ). Er hatte niemals Waisen vor Gericht (wörtl.: im Tor , dem Ort für Gerichtsverhandlungen; vgl. Hi 29,7 ) übervorteilt. Falls er dies doch getan haben sollte, so sollte sein Arm brechen (vgl. Hand; Hi 31,21 ). Hiob hatte in ungewöhnlichem Maße für die Armen gesorgt, denn er hatte Gottes Strafe gefürchtet. Er hatte gewußt, daß sein Geld und seine gehobene Stellung ihn nicht vor Gottes Gericht schützen würden.

Mit seiner Verteidigungsrede in den Versen 13.16-22 (und in Hi 29,12-17 ) wollte Hiob möglicherweise zum Ausdruck bringen, daß er gerechter als der Herr selbst gehandelt hatte.


Hi 31,24-28


Materialismus und Götzendienst waren zwei weitere Sünden, die Hiob nicht begangen hatte. Elifas hatte ihm zwar vorgeworfen, daß er auf seine Reichtümer vertraut habe ( 22,24 ), aber Hiob versicherte nun, daß dies keineswegs der Fall gewesen sei und daß sein großes Gut ihm niemals viel bedeutet habe. Ferner hatte er sich nicht nur von den Frauen ferngehalten ( Hi 31,9 ), sondern auch von der Verehrung der Himmelsgestirne, die zur damaligen Zeit im Nahen Osten weit verbreitet war. Eine solche Anbetung der Schöpfung war eine Beleidigung des Schöpfers ( Gott in der Höhe ; vgl. V. 2 ) und verdiente Bestrafung.



Hi 31,29-34


Sünden, derer Hiob sich ebenfalls nicht schuldig gemacht hatte, waren z. B. die Freude über das Unglück eines Feindes (diese Sünde betraf die innere Einstellung) oder die an Gott gerichtete Aufforderung, diesen zu bestrafen ( ich verwünschte ; eine äußere Handlung). Seine Familie und seine Arbeiter hatten immer reichlich zu essen gehabt, und sogar Reisende hatten seine Gastfreundschaft genossen. Hiob hatte auch nicht seine Übertretungen verborgen, so wie Menschen tun (oder vielleicht besser: "wie es Adam tat"). Wenn er ein Heuchler gewesen wäre, dann hätten es die Leute in seiner Umgebung früher oder später bemerkt, und sie hätten ihn verspottet.



Hi 31,35-37


Hiob sehnte sich danach, daß ihn jemand anhörte, denn das Triumvirat seiner Ankläger hörte nicht wirklich auf das, was er sagte (vgl. Hi 13,6.17;21,2 ). So unterschrieb Hiob (bildlich gesprochen) die Erklärung seiner Rechtfertigung und wartete auf Gottes Antwort. Er war sich seiner Unschuld so sicher, daß er voller Stolz Gottes Anklageschrift auf seine Schulter nehmen wollte, denn er wußte, daß es ein leichtes werden würde, ihre Fehlerhaftigkeit zu beweisen. Hiob nannte Gott seinen Verkläger (wörtl.: "den Mann meiner Anklage"). Das war ein kühner Schritt, denn normalerweise wünschten Angeklagte nicht, daß die Anschuldigungen ihrer Kläger, ob sie nun falsch oder richtig waren, an die Öffentlichkeit gelangten. Hiob vertraute jedoch darauf, daß er alle Beschuldigungen Gottes zurückweisen und sich ihm wie ein Fürst nahen würde.



Hi 31,38-40


Als wohlhabender Grundbesitzer hätte Hiob seine Ackerleute schlecht behandeln können, aber er bestritt jeglichen Betrug und jede Ungerechtigkeit ihnen gegenüber. Wenn die Lohnarbeiter auf den Feldern überlastet oder unterbezahlt worden wären, hätte der Acker geschrien (eine Personifizierung), und seine weinenden Furchen hätten wider Hiob Zeugnis abgelegt. In einer abschließenden Beteuerung seiner Unschuld und einer Selbstverwünschung machte Hiob deutlich, daß seine Weizenfelder Disteln und seine Gerstenfelder Unkraut hervorbringen sollten, falls er die Entlohnung seiner Pachtbauern zurückgehalten hatte oder diese Menschen durch unsinnige Forderungen oder schwierige Arbeitsbedingungen bedrückt hatte. Die Erfüllung dieses Fluches hätte für Hiob hohe Einkommensverluste zur Folge gehabt.

Mit diesem Eid auf seine Rechtschaffenheit, in dessen Verlauf er fast ein Dutzend Sünden bestritten hatte, die entweder mit dem Verhalten oder aber mit der inneren Einstellung zusammenhingen, beendete Hiob seine Rede. Er hatte gegen die streitsüchtigen Ankläger alle seine Anliegen vorgebracht und hoffte, Gott zum Eingreifen zwingen zu können. Offensichtlich war er der Meinung, daß Gott angesichts eines solchen Ultimatums sein Schweigen brechen müsse. Wenn Hiob unschuldig war, dann mußte Gott nach allgemeinem Rechtsbrauch nun reden und Hiobs Rechtschaffenheit bestätigen. Wenn er jedoch schuldig war, dann mußte Gott die Anklagepunkte, die Hiob gegen den Allmächtigen vorgebracht hatte, für nichtig erklären. Aber der Leidende merkte, daß Gott noch immer schwieg. Niemand kann den Herrn in die Ecke drängen oder zum Handeln zwingen!



E. Elihus vier Reden
( Hi 32-37 )


Hiob hatte in seiner Rede darauf bestanden, daß er unschuldig sei, und immer wieder der Auffassung seiner ehemaligen Freunde und jetzigen Kritiker widersprochen, daß Leid stets eine Strafe Gottes sei. Weil die drei Widersacher Hiob nicht umstimmen konnten, verfielen sie schließlich in Schweigen ( Hi 32,1 ).

Aber auch jetzt, da Hiob die drei Schwätzer zum Verstummen gebracht hatte, vermochte er Gott nicht dazu zu bewegen, das Wort zu ergreifen. Hiob hoffte, den Herrn dazu bringen zu können, daß er zugab, wie ungerecht Hiobs Behandlung gewesen war, und ihn dann auch von seinem Elend befreite.

Da das Streitgespräch in eine Sackgasse geraten war und Gott noch immer schwieg, betrat nun eine fünfte Person den Schauplatz. Elihu, ein junger Mann, der bisher nur Zuschauer gewesen war, war über beide Standpunkte in der Debatte erzürnt; er nutzte die Gelegenheit, daß gerade alle schwiegen, und erhob sich, um Gottes Gerechtigkeit und Souveränität zu verteidigen. Elihu empfand durchaus Mitgefühl mit dem Kranken, und das stand in starkem Gegensatz zu den harten Worten der drei Widersacher. Seine Sicht spiegelte ein größeres Verständnis für die Situation Hiobs wider, als es die drei anderen Redner bewiesen hatten. Es ist daher nicht angebracht, in Elihu einen unverschämten, herzlosen jungen Narren zu sehen, wie es verschiedene Ausleger getan haben.

Nicht wenige Kommentatoren sind der Ansicht, daß die vier Reden Elihus ( Hi 32-37 ) mehrere Jahre (oder sogar Jahrhunderte!) nach Abfassung der Originalversion von einem Bearbeiter des Textes zu diesem hinzugefügt wurden. Für gewöhnlich werden vier Argumente angeführt, um diese Auffassung zu verteidigen: (1) Elihu wird sonst nirgends im Buch Hiob erwähnt. (2) Elihus Reden weichen in Stil und Sprache vom übrigen Text ab. (3) Elihus Standpunkt fügt zu der Argumentation des Buches nichts Neues hinzu. (4) Hiob gab auf Elihus Reden keine Antwort.

Man kann diesen Argumenten jedoch folgendes entgegenhalten:

1) Elihu mußte nicht unbedingt vorher im Buch Hiob erwähnt werden, denn er war ein schweigsamer Zuschauer, der bisher nicht in das Streitgespräch eingegriffen hatte. Auch wurde Elihu von Gott in Hi 42,7-8 wohl deswegen nicht zusammen mit Elifas und seinen zwei Gefährten verurteilt, weil er der Wahrheit näher kam als die drei anderen.

2) Es ist richtig, daß Elihus Redestil von dem der drei anderen Wortstreiter abwich. Er bezeichnete öfter als alle anderen Gott mit ?El (sein 19maliger Gebrauch von ?El steht dem 17maligen Hiobs, dem 8maligen Elifas', dem 6maligen Bildads und dem 2maligen Zofars gegenüber; vgl. Samuel Rolles Driver und George Buchanan Gray, A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Job, S. xlii-iii). Ebenso benutzte Elihu eine Anzahl aramäischer Worte öfter als die anderen drei (ebd., S. xlvi-vii). Diese Unterschiede heben seinen spezifischen Charakter hervor (Edouard Dhorme, A Commentary on the Book of Job , S. cii).

3) Elihus Sicht des Leidens unterscheidet sich von der der drei anderen Redner. Jene hatten behauptet, daß Hiob leiden müsse, weil er gesündigt habe. Elihu dagegen war der Meinung, daß Hiob sündige (mit seiner stolzen Haltung), weil er leiden mußte. Elihu deutete an, daß Gott das Leid benutze, um Menschen zu segnen ( Hi 33,17.28.30;36,16 ). Er legte damit den Finger auf Hiobs wunden Punkt - darauf, daß er sich aus einer falschen Haltung heraus bei Gott beklagte ( Hi 33,13;34,17 ), und er riet ihm, sich vor Gott zu demütigen ( Hi 33,27;36,21;37,24 ).

4) Es trifft zu, daß Hiob Elihus Reden nicht beantwortete. Der Grund dafür könnte darin liegen, daß dessen Worte ihn zum Verstummen brachten. Vielleicht hatten Elihus Ausführungen ins Schwarze getroffen und Hiob dazu veranlaßt, über seine Sünde nachzudenken, denn er hatte Gottes Wege in Frage gestellt. Darüber hinaus schlagen Elihus Reden eine Brücke zwischen Hiobs Beharren auf seiner Forderung nach Rechtfertigung ( Hi 31 ) und Gottes Reden.

Wenn Elihus Reden nicht zum ursprünglichen Text gehörten, dann antwortete Gott unmittelbar auf Hiobs Forderung, und das stünde im Widerspruch zum Wesen Gottes. Außerdem verleihen diese Reden dem Buch ein zusätzliches Spannungsmoment, weil sie die Antwort Gottes hinauszögern, auf die der Leser - ebenso wie Hiob - wartet.



1. Elihus erste Rede
( Hi 32-33 )


Nachdem Elihu durch einen in Prosa gehaltenen Abschnitt vorgestellt worden ist ( Hi 32,1-5 ), folgen seine vier Reden: (a) Hi 32,6-33,33 ,(b) Kapitel 34 , (c) Kapitel 35 und (d) Kapitel 36-37 .



a. Die Vorstellung Elihus
( 32,1-5 )


Hi 32,1-3


Die drei Widersacher Hiobs gaben den Kampf auf, weil sie den Leidenden nicht dazu bewegen konnten, seine Rechtschaffenheit abzuleugnen und zu bekennen, daß er ein sündhaftes Leben geführt hatte. Elihu hatte bemerkt, daß alle vier Männer nichts mehr zu sagen hatten (vgl. V. 5.15-16 ) und mischte sich nun ein. Sein Vater Barachel war ein Busiter , also möglicherweise ein Nachkomme von Bus, dem Neffen Abrahams ( 1Mo 22,20.21 ). Interessanterweise wurde das "Land Uz" ( Hi 1,1 ) wohl nach dem älteren Bruder von Bus (oder Buz!), nämlich nach Uz, genannt.

Elihu war über beide Parteien des Wortgefechtes zornig (vgl. Hi 32,5 ). Er war über Hiob erzürnt, weil er sich selbst von allem Unrecht freigesprochen und gleichzeitig Gott des Unrechts angeklagt hatte (vgl. Hi 40,2 ). Hiob war eher bereit, Gott zu schmähen, als auch nur eine Sünde zuzugeben. Elihu war aber auch über die drei Freunde erbost, weil sie Hiob schuldig gesprochen hatten (vgl. Hi 32,12 ) ohne ausreichende Beweise. Der junge Mann schien sich bei seinen Äußerungen hauptsächlich vom Zorn leiten zu lassen. Die drei Gefährten waren auf Hiob wütend, Hiob war auf die drei und auf Gott wütend, und er merkte, daß auch Gott auf ihn zornig war. Und nun geriet auch noch Elihu außer sich!



Hi 32,4-5


Elihu hatte das Ende der langatmigen Auseinandersetzungen geduldig abgewartet; damit drückte er seinen Respekt vor dem Alter aus, wie es damals im Nahen Osten Sitte war (vgl. Hi 29,8 a. 21 ; 32,6-7.11-12 a). Als er nun aber die Ratlosigkeit der drei Männer sah, welche die Lage nicht meistern konnten, wurde er ärgerlich (vgl. V. 1-2 ). Vielleicht entbrannte sein Zorn, weil er der Meinung war, die drei Gefährten hätten mehr tun sollen, als sich immer wieder auf Hiob zu stürzen, als ob er ein verstockter Sünder wäre, der Buße nötig hatte.



b. Elihu stellt sich den anderen vor
( 32,6-22 )


Bevor Elihu begann, seine Argumente gegen Hiobs Standpunkte ins Feld zu führen (was er ab Hi 33,1 tat), rechtfertigte er sich in den ersten Sätzen dafür, daß er es wagte, sich in das Gespräch einzumischen.

Mit diesen Worten wollte Elihu wohl kaum prahlen, wie manche Ausleger annehmen, sondern sie waren offenbar notwendig, damit der junge Mann von den anderen akzeptiert wurde und man ihn überhaupt anhörte.

Man hätte ihn, einen schweigenden Zuhörer, als aufdringlich bezeichnet, wenn er sich einfach eingemischt hätte, ohne zu erläutern, weshalb er sich das Recht nahm, sich zu äußern.

Wenn er sich zu sehr vorgedrängt hätte, hätte man sich möglicherweise abgewandt, ohne ihn überhaupt anzuhören. Elihu war jedoch davon überzeugt, daß er Hiobs Lage verstand ( Hi 32,10.17;33,33;36,2-4 ).

(1) Elihu verteidigt seine Weisheit



Hi 32,6-9


Elihu gab zu, daß er jünger als die anderen Männer war.

Er hatte es nicht gewagt, diese zu unterbrechen und seine Meinung kundzutun (er gebrauchte dreimal den Ausdruck mein Wissen ; V. 6.10.17 ), weil die Älteren zur damaligen Zeit anerkanntermaßen Weisheit besaßen (vgl. Hi 12,12 ).

Das fortgeschrittene Alter eines Menschen verlieh ihm größere Erfahrung und daher auch mehr Einsicht.

Dennoch war Elihu der Meinung, daß Jüngere nicht unbedingt ohne Erkenntnis sein müssen, da diese von Gott kommt und sich nicht einfach aufgrund der Jahre einstellt.

Der Ausdruck der Geist in den Menschen bezieht sich vielleicht auf den Geist Gottes, der häufig mit dem Begriff der Weisheit - deren Ursprung er ist - in Verbindung gebracht wird ( 1Mo 41,38-39; 2Mo 31,3; 4Mo 27,18-21; Jes 11,2; Dan 5,11-12 ). Elihu wagte es, zu bemerken, daß Einsicht nicht nur bei den Betagten zu finden sei. ( Die Alten in Hi 32,9 bedeutet wörtlich "die vielen", was möglicherweise auf diejenigen hindeutet, welche schon viele Jahre gelebt haben.)



Hi 32,10


(2) Elihu ist über die drei Ratgeber enttäuscht ( Hi 32,10-14 )

Elihu sprach nun die Bitte aus, daß die drei ihm einmal zuhören sollten, denn er hatte ihnen nun schon so lange zugehört. Achtmal sprach er die Bitte aus, daß die drei und/oder Hiob ihm zuhören möchten (V. 10 ; Hi 33,1.31.33; 34,2.10.16; 37,14 ), womit er offensichtlich seiner Besorgnis Audruck verlieh, daß die anderen ihm wegen seiner Jugend nicht zuhören könnten. Elihu war jedoch der Meinung, daß er zu dieser Sache etwas zu sagen habe, was noch nicht vorgebracht worden sei ( mein Wissen ; vgl. Hi 32,6.17 ).



Hi 32,11-13


Elihu hatte geduldig gewartet und geschwiegen, bis die anderern geredet hatten, und er hatte ihre Einsicht vernommen. (Daß er von ihrem Suchen nach Worten sprach, könnte darauf hindeuten, daß jeweils einige Zeit, Stunden oder vielleicht sogar Tage, zwischen den einzelnen Reden verging.) Mit ihren Worten hatten die drei Hiobs Behauptung, daß er ein untadeliges Leben geführt habe, nicht widerlegt. Deshalb sollten sie nicht für sich in Anspruch nehmen, weise zu sein oder etwa erklären, daß Gott Hiob schlagen würde, wenn sie es nicht konnten. Den zweiten Teil von Vers 13 könnte man jedoch auch als Elihus eigene Annahme auffassen, statt ihn als Zitat aus der Rede der drei Gefährten zu verstehen. Wenn das zutrifft, dann wollte Elihu andeuten, daß Gott , nicht die drei Besucher, Hiobs Reden widerlegen werde, weil ein Mensch nicht dazu in der Lage sei.

 

Hi 32,14


Elihu machte deutlich, daß er der Sache anders gegenüberstand. Er mußte sich nicht gegen die verbalen Angriffe Hiobs verteidigen, wie die drei Redner es für nötig gehalten hatten. Auch wollte er Hiob nicht mit ihren Reden antworten.



Hi 32,15-19


(3) Elihu möchte sein Wissen verkünden ( Hi 32,15-22 )

Weil die drei älteren Besucher nichts mehr zu sagen hatten (vgl. V. 1.5 ), glaubte Elihu, daß nun seine Zeit gekommen sei, um das Wort zu ergreifen. Er wollte sein Wissen kundtun (vgl. V. 6.10 ; Hi 33,3 ), denn er war voll von Worten . Und er war äußerst redefreudig! Seine Reden ( Hi 32,6-37,24; ausgenommen Hi 34,1;35,1 ) umfassen insgesamt 157 Verse und sind damit etwa ebenso lang wie Hiobs abschließende Rede ( Hi 26-31; ausgenommen Hi 26,1;27,1;29,1 ), die aus 158 Versen besteht, und länger als die jeweils aus mehreren Teilen bestehenden Reden der drei vermeintlichen Freunde (vgl. Elifas: 110, Bildad: 46 und Zofar: 47 Verse).

Der Ausdruck der Geist in meinem Innern könnte sich im Hinblick auf die beiden folgenden Verse auf Elihus Geist, also nicht auf den Geist Gottes, beziehen. Schläuche (Tierhäute, in denen Wein aufbewahrt wurde) dehnten sich aus und platzten, wenn sie keine Öffnung besaßen, durch welche die bei der Gärung des Weines entstehenden Gase entweichen konnten. Elihu fühlte sich wie ein Weinschlauch, der dem Bersten nahe war, weil er voller Gedanken war, aber keine Möglichkeit hatte, sie zu artikulieren.

Hiob

Hi 32,20-22


Elihu fühlte sich dazu gedrängt, zu reden und damit den drei Gefährten und Hiob zu antworten. Er wollte dabei jedoch für niemanden Partei ergreifen (er stimmte nämlich mit keiner der beiden Seiten überein). Er wollte auch keiner Partei schmeicheln, um so ihre Zuneigung zu erlangen. Wenn er sich der Schmeichelei schuldig machen würde, also eines unrechten Vorgehens, dann sollte ihn Gott dahinraffen, der ihm das Leben gegeben hatte ( mein Schöpfer ; vgl. Hi 4,17;9,9;35,10;36,3;40,19 ).



c. Elihus erste Antwort an Hiob
( Hi 33 )


Wie aus der Tabelle "Übersicht über Elihus Reden" hervorgeht, antwortete der junge Schriftgelehrte Elihu auf drei Klagen Hiobs. Zuerst erörterte er Hiobs Vorwürfe gegen Gott, weil dieser sein Schweigen nicht brach.

(1) Elihus Bitte an Hiob, ihn anzuhören ( Hi 33,1-7 )



Hi 33,1-4


Dreimal redete Elihu Hiob mit seinem Namen an (V. 1.31 ; Hi 37,14 ) und fünf weitere Male erwähnte er Hiobs Namen ( Hi 32,12;34,5.7.35-36 ). Im Gegensatz dazu hatten die drei älteren Redner weder direkt noch indirekt Hiobs Namen genannt.

Hiob hatte seine drei Freunde gebeten, ihm zuzuhören ( Hi 13,6.17;21,2 ); nun drehte Elihu den Spieß um und bat Hiob, ihm einmal zuzuhören (vgl. den Kommentar zu Hi 32,10 ). Der junge Redner hatte den dreien seine Aufmerksamkeit geschenkt ( Hi 33,12 ); nun bat er Hiob, ihm seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Die Worte, die Elihu nun sagen wollte (sie lagen ihm auf der Zunge), waren lauter (aus aufrichtigem Herzen), und sie sollten die Wahrheit über Hiobs Situation ans Licht bringen ( Erkenntnis ; vgl. Hi 32,6.10.17 ). Der junge Mann war der Meinung, daß er mit Hiob auf derselben Stufe stehe, da beide Geschöpfe Gottes waren. Elihu sagte, daß der Geist Gottes ihn gemacht habe (der Heilige Geist ist bei der Erschaffung des Menschen beteiligt) und daß ihm das Leben (vgl. 1Mo 2,7 ) durch den Odem des Allmächtigen geschenkt worden sei (vgl. Hi 12,10;27,3;34,14-15 ); auch Hiob hatte gesagt, daß Gott ihn geschaffen habe ( Hi 31,15 ).



Hi 33,5


Der junge Redner, der Hiob so lange zugehört hatte, forderte diesen auf, ihm zu antworten, falls er es konnte (vgl. V. 32 ). Er sollte sich zur Antwort rüsten und bereit sein, sich Elihu zu stellen. Das Wort ZArak , das hier mit "sich rüsten" übersetzt wird, hat die Grundbedeutung "sich in einer Reihe aufstellen" und wird häufig für das Aufstellen von Truppen oder Waffen in Schlachtordnung gebraucht (vgl. 1Sam 17,8; "sich zum Kampf rüsten" und Hi 6,4 ). Es wird hier bildhaft für das Sich-Rüsten mit Worten für einen Disput oder einen Rechtsstreit benutzt (vgl. Hi 32,14;37,19;13,18;23,4 ). Das Wort yAQaB , das hier mit "sich stellen" wiedergegeben wird, hat die Grundbedeutung "eine Position einnehmen, in Stellung gehen" und kann auch für die Erklärung der Bereitschaft zum Kampf verwendet werden ( 1Sam 17,16; Jer 46,4.14; Hi 41,7 ). Elihu war zum Kampf bereit! Natürlich hatte Hiob seine Argumente bereits vorgebracht. Vielleicht hatten die zahlreichen Attacken seiner sogenannten Freunde ihn jedoch kampfesmüde gemacht.



Hi 33,6-7


Obwohl Elihu bereit war, es mit Hiob aufzunehmen und ihm zu zeigen, wie heikel seine Kritik an Gott war, wollte er sich dem Leidenden gegenüber doch nicht als Herr aufspielen, wie es die drei Wortfechter getan hatten. Er gab zu, daß er mit Hiob auf gleicher Stufe stand, denn sie waren ja beide vergängliche Menschen, aus Erde gemacht (vgl. Hiobs gleichlautende Worte in Hi 10,9 und den Kommentar zu Hi 33,4 ). Deshalb brauchte Hiob nicht vor Elihu zu erschrecken, denn er wollte ihn freundlich behandeln. Er wollte den Leidenden nicht noch mehr ängstigen, da Gott ihn ja bereits - wie Hiob gesagt hatte - in Angst und Schrecken versetzt hatte ( Hi 7,14;9,34; 13,21;23,15-16 ). Elihu versprach dem Kranken, daß er ihn mit seinen Worten nicht bedrängen werde (sein Drängen sollte nicht auf ihm lasten), da Hiob ja der Meinung war, daß Gott ihn bedrängen wolle ( Hi 23,2 ,"seine Hand drückt schwer").

Elihu war zwar redefreudig, aber weit weniger arrogant und dreist als die drei anderen Männer.


Hi 33,8-11


(2) Elihu faßt Hiobs Vorwürfe gegen Gott zusammen

Der junge Mann hatte den Worten des Leidenden aufmerksam gelauscht, was sich daran erkennen läßt, daß er dessen eigene Worte zitierte. Elihu überprüfte Hiobs Standpunkt, indem er festhielt, daß Hiob Gott Vorwürfe gemacht hatte, weil dieser ihn trotz seiner Unschuld offenbar als seinen Feind betrachtete.

Vieles in Elihus Zusammenfassung gibt genau das wieder, was der leidende Hiob gesagt hatte (vgl. die Übersicht "Elihus Zitate aus Hiobs Reden").



Hi 33,12-13


(3) Elihu weist Hiobs Behauptung zurück, daß Gott immer nur schweige ( Hi 33,12-33 )

Der junge Mann bemerkte hierzu ganz unverblümt, daß Hiob darin nicht recht habe . Das "darin" bezieht sich wahrscheinlich darauf, daß Hiob den Herrn der Ungerechtigkeit bezichtigt hatte (V. 10-11 ). Nach Elihus Auffassung durfte Hiob Gott keinen solchen Vorwurf machen, denn Gott war ja mehr als ein Mensch. Hiob durfte den Allmächtigen in seiner souveränen Majestät (die er ja anerkannte) nicht kritisieren. Mit anderen Worten: Gott verfolgt mit seinem Tun Absichten, die über das Begreifen des Menschen hinausgehen können. Weil er der Herr ist, hat er das Recht, zu tun, was ihm gefällt. Deshalb - so sagte Elihu - sei es falsch, Gott anzuklagen oder mit ihm zu hadern, weil er auf Menschenworte keine Antwort gibt. Das hebräische rIB wird hier mit dem Begriff "hadern" wiedergegeben; dieser rechtliche Begriff mit der Bedeutung "einen Streitfall vor Gericht bringen oder erörtern" wird von Hiob fünfmal ( Hi 9,3; 10,2; 13,8; 13,19; 23,6 ) und von Gott einmal ( Hi 40,2 ) gebraucht. Viermal verwendete Hiob das Substantiv rIB ( Hi 13,6; 29,16; 31,13; 31,35 ). Hiob schien es, daß Gott vor Gericht Vorwürfe gegen ihn erhob ( Hi 10,2 ), aber nach Elihus Meinung sollte er nicht darauf antworten, indem er nun seinerseits Vorwürfe gegen Gott erhob!

 

Hi 33,14-18


Elihu war davon überzeugt, daß Gott zu den Menschen redete, und zwar auf ganz verschiedene Weise ( auf eine Weise und auf eine zweite ). Gott redete z. B. durch Träume (V. 14-18 ) oder durch Krankheit und Schmerzen (V. 19-22 ). Das Problem lag darin, daß die Menschen häufig nicht bemerkten, daß Gott zu ihnen sprach.

Im Traum öffnete Gott, wie Elihu sagte, das Ohr der Menschen ( ?MnNS , "schwacher, sterblicher Mensch"; vgl. den Kommentar zu Hi 4,17 ). Wenn Gott einem Menschen das Ohr öffnete, dann wollte er ihm etwas offenbaren. Die Worte: er schreckt sie auf und warnt sie lassen sich auch anders übersetzen, etwa mit "er bekräftigt ihre Belehrung" oder "er bekräftigt ihre Züchtigung oder Erziehung". Wenn die erste Übersetzung den Text am besten wiedergibt, dann wollte Elihu sagen, daß Träume einen Menschen in Schrecken versetzen können (vgl. die ähnlich lautende Aussage von Elifas, Hi 4,12-17 ), damit er gewarnt wird. Wenn die zweite oder die dritte Version zutrifft, dann wollte er zum Ausdruck bringen, daß Gott den Menschen durch Träume bestimmte Erkenntnisse vermitteln bzw. ihn dazu bringen will, ein zuchtvolleres Leben zu führen.

Derartige Träume sollten, ob sie nun als Warnung, als Unterweisung oder als Mittel der Erziehung gedacht waren, den Menschen von seinem bösen Vorhaben oder seiner Hoffahrt (das war die Sünde, die Elihu bei Hiob vermutete; vgl. Hi 36,9 ) abbringen, um seine Seele und sein Leben zu bewahren. Hiob hatte allerdings gesagt, daß er, wenn Gott ihn mit Träumen in Schrekken versetzte ( Hi 7,14 ), lieber sterben wolle ( Hi 7,15 ). Zur Zeit des Alten Testaments sprach Gott häufig durch Träume oder auf manche andere Weise ( Hebr 1,1 ) zu den Menschen, jetzt jedoch spricht er zu ihnen durch Christus, das lebendige Wort ( Hebr 1,2 ) und durch die Bibel, das geschriebene Wort ( 2Tim 3,16 ).



Hi 33,19-22


Auch auf andere Weise erreichte Gott, daß die Menschen aufmerkten. Nach Elihu konnte dies dadurch geschehen, daß er ihnen Schmerzen zufügte. Eine ernsthafte Krankheit (mit einem Kampf in seinen Gliedern ; vgl. Hi 30,17 ) vermochte, einem Menschen den Appetit zu rauben und ihn Gewicht verlieren zu lassen (auch Hiob verlor seinen Appetit und magerte ab; Hi 3,24; 6,7; 19,20 ), so daß seine Knochen hervorstanden. Solch eine Krankheit konnte einen Menschen dem Tod nahebringen ( Grube ist ein Synonym für Grab).



Hi 33,23-24


Wenn ein Mensch krank war, sandte Gott vielleicht einen Engel ( mal?Ak ) als Mittler ( mElIQ ), um (a) den betreffenden Menschen an den rechten Weg zu erinnern, den er in seinem Leben beschreiten sollte ( was für ihn recht ist ), und (b) bei Gott Fürsprache einzulegen, damit er nicht hinunterfahre zu den Toten . Elihu stimmte nicht mit Elifas überein, der die Ansicht vertreten hatte, daß kein Engel Hiob beistehen könne ( Hi 5,1 ). Elihu stimmte auch nicht mit Hiob überein, der die Meinung geäußert hatte, daß er keinen Fürsprecher habe, der ihm half, seine Sache zu entscheiden ( Hi 9,33 ). Mit den Worten einer aus tausend (vgl. die Verwendung dieses Ausdrucks durch Hiob in Hi 9,3 ) wollte Elihu entweder sagen, daß es viele Engel gebe, welche Fürsprache einlegen konnten, oder aber (was vielleicht richtiger ist), daß ihre Zahl sehr gering sei (vgl. Pred 7,28 ). Dieser Engel konnte sich bei Gott für einen Menschen einsetzen (im Gegensatz zu denjenigen, die als Todesboten wirkten), weil er ein Lösegeld für den Kranken gefunden hatte. Das "Lösegeld", das hier nicht näher erläutert wird, könnte z. B. eine Überlegung oder eine Einsicht des Leidenden sein, die ihm dazu verhalf, von seiner Krankheit befreit zu werden.

 

Hi 33,25-28


Wenn der Engel für den Leidenden Fürsprache eingelegt habe, so fuhr Elihu fort, werde dieser wieder jung und gesund. Er werde auch seine geistlichen Kräfte wiedergewinnen, zu Gott beten und von ihm angenommen werden; er werde die Gemeinschaft mit ihm genießen und mit Freuden Gottes Antlitz schauen (vgl. die ähnlich lautenden Worte von Elifas in Hi 22,26 und Bildads Worte in Hi 8,21 ), und der Allmächtige werde ihm seine frühere Gerechtigkeit zurückgeben (vgl. Bildads Worte in Hi 8,6 ). Darüber hinaus werde er zu den anderen sagen, (a) daß er gesündigt habe und eigentlich eine härtere Strafe als diese Krankheit verdient hätte (vgl. Hi 11,6 ) und (b) daß Gott ihn vom Tod erlöst und ihm das Leben wieder gegeben habe (das Licht schauen - z. B. die Sonne schauen - bedeutet: sich des Lebens freuen; vgl. V. 30 ; Pred 11,7 ). Elihus Worte vermitteln uns somit folgende Erkenntnis: Wenn ein Mensch Leid erfährt, so kann diese Erfahrung seine Beziehung zu Gott vertiefen, und er kann andere zu Gott führen, indem er vor aller Augen die Größe des Herrn bezeugt.



Hi 33,29-30


Nach Elihus Ansicht schickte Gott dem Menschen häufig erschreckende Träume oder Krankheiten (beides war eine negative Erfahrung). Der Ausdruck zwei- oder dreimal steht für häufig (oder bezieht sich, wie manche Ausleger vermuten, auf die drei Wege Gottes, die Elihu erörtert hatte: die Träume, die Krankheit und der Engel). Noch einmal wies Elihu auf den Zweck all dieser Erfahrungen hin: Im negativen Sinne dienten sie dazu, den Menschen dem Tod zu entreißen, und im positiven Sinne verhalfen sie diesem Menschen dazu, sich seines Lebens mehr als zuvor zu freuen (vgl. V. 28 ). Auch eine Krankheit, die zum Tod zu führen schien (V. 21-22 ), konnte Gott dazu gebrauchen, um einen Menschen vom Tod fernzuhalten (V. 24.28.30 ) und ihm ein erfüllteres Leben zu schenken.



Hi 33,31-33


Wieder forderte der junge Mann Hiob auf, ihm geduldig zuzuhören. Wenn er dann etwas zu sagen hätte, sollte er antworten; andernfalls wollte Elihu mit seiner Rede fortfahren. Die Aufforderung: höre mir zu und schweige (V. 31 ) wird in Vers 33 wiederholt.

Nach Elihus Verständnis war das Leid, obwohl es mit der Sünde zusammenhing (V. 27 ), eher eine schützende als eine strafende Maßnahme Gottes. Die drei Vorredner hatten behauptet, daß Gott Bedrückung schicke, um die Menschen zu bestrafen; Elihu war der Meinung, daß er dies tue, um sie zu erziehen. Er hob hervor, daß das Leid einen Menschen dazu veranlassen könne, sich von der Sünde und dem daraus folgenden Tod abzuwenden, wohingegen die drei älteren Männer die Ansicht vertraten, daß ein ungesühntes Vergehen mit Sicherheit zum Tod führe.

Alle vier Ratgeber irrten darin, wie sie die Sache Hiobs beurteilten, denn alle nahmen an, daß das Leid eine Folge der Sünde sei. Wenn Gott zu den Menschen sprach ( Hi 38-41 ), dann redete er unmittelbar, nicht durch einen Engel. Aber Hiobs Leid hatte in der Tat zur Folge, daß seine Gemeinschaft mit Gott tiefer wurde ( Hi 42,2.5-6.9 ), und er erfreute sich tatsächlich eines langen und erfüllten Lebens ( Hi 42,10.12.16 ).

 

2. Elihus zweite Rede
( Hi 34 )


Weil Hiob schwieg (vgl. Hi 33,32 ), sprach Elihu weiter. Seine zweite Rede stellte eine Verteidigung der Gerechtigkeit Gottes dar und war eine Antwort auf Hiobs Behauptung, daß Gott ungerecht sei. Der junge Redner richtete zunächst einige Worte an die drei älteren Gefährten ( Hi 34,1-15 ), wie aus den Pluralformen "ihr", "Männer" (V. 2.10 ) und "uns" in Vers 4 hervorgeht, und wandte sich dann Hiob zu (V. 16-37 ), was aus dem Singular "du" (V. 16.17.33 ) ersichtlich ist.



a. Elihu bittet darum, dass die Älteren ihm einmal zuhören
( 34,1-4 )


Hi 34,1-4


Elihu bat die Älteren, die er achtete ( ihr Weisen, ihr Verständigen ; vgl. V. 10.34 ), noch einmal, ihm zuzuhören (vgl. seinen Gebrauch des Wortes "zuhören" in Hi 32,10; 33,1.31.33; 34,10.16; 37,14 ). Noch einmal bezog er sich auf Hiobs Worte (vgl. Hi 12,11 ), als er davon sprach, wie notwendig es sei, daß die Streitenden den Wahrheitsgehalt seiner Rede prüften, wie der Gaumen zwischen unterschiedlichen Speisen , die er schmeckt, unterscheiden kann. Sie sollten herausfinden, welche Entscheidung in diesem Falle gut war.



b. Elihu verurteilt Hiobs Behauptung, dass Gott ungerecht sei
( 34,5-9 )


Hi 34,5-9


Wieder zitierte Elihu etliche Aussagen Hiobs (vgl. die Übersicht "Elihus Zitate aus Hiobs Reden" zu Hi 33,9-11 ). Dann ergriff er für die drei Gefährten Partei und beschuldigte Hiob der vorsätzlichen Sünde, da er mit Übeltätern Umgang gehabt und behauptet habe, daß es dem Menschen nichts nütze, wenn er Gott verehrte (vgl. Hi 9,30-31;35,2 ). Der Vorwurf, daß Hiob Hohn wie Wasser trinkt, erinnert an Elifas' Worte in Hi 15,16 .Elihu irrte sich mit Sicherheit, wenn er meinte, daß Hiob mit gottlosen Leuten gemeinsame Sache gemacht habe, aber er hatte recht, wenn er ihn dafür verurteilte, daß er Gott voller Spott und Auflehnung attackiert hatte. Auf die Beschwerde, daß ein Mensch nichts davon habe, wenn er Gott diene, ging Elihu später ein ( Hi 35 ).

Hiob

c. Elihu verteidigt Gottes Gerechtigkeit und Unparteilichkeit
( 34,10-20 )


Hi 34,10-15


Ähnlich wie Bildad verteidigte nun auch Elihu Gottes Gerechtigkeit, indem er versicherte, daß Gott nicht gottlos oder ungerecht handeln könne (vgl. V. 12 ; Hi 8,3 "Meinst du, daß Gott Unrecht richtet...?"). Hiob hatte sich zwar beklagt, daß Gott ihm sein Recht verweigert habe ( Hi 27,2 ), aber Elihu führte Belege für Gottes unerschütterliche Gerechtigkeit an: (1) Gott läßt dem Menschen das zukommen, was er verdient, und zwar auch die Strafe für seine Sünde ( Hi 34,11 ). (2) Wenn Gott Unrecht täte (vgl. V. 10 ) oder das Recht beugte (vgl. Hi 8,3 ), so wäre das mit seinem Wesen unvereinbar. (3) Gott besitzt absolute Autorität, da er der allmächtige Herrscher über die Erde ist. Deshalb kann ihn auch niemand von der Gerechtigkeit abbringen (V. 13 ). (4) Gott, der das Leben der Menschen erhält, könnte, wenn es ihm gefiele, seinen Geist (oder "den Geist") und seinen Odem augenblicklich zurückziehen, so daß alles Leben sofort vergehen würde (vgl. Hi 12,10;27,3;33,4 ). In seiner Güte gegenüber den Menschen handelt er aber nicht so.



Hi 34,16-20


Zum dritten Mal in dieser Rede forderte Elihu die vier anderen Männer auf, ihn anzuhören ( höre und merke auf ; vgl. V. 2.10 ). Dann fuhr er fort, Beweise dafür anzuführen, daß Gott gerecht handelte. (5) Wenn Gott ungerecht wäre, wie könnte er dann die Welt regieren (V. 17 )? Den gerechten Herrn anzuklagen, steht einem Ungerechten mit Sicherheit nicht an. (6) Gott zögert nicht, unfähige und gottlose Könige, Fürsten und Vornehme zu richten. Der Herr bevorzugt niemanden, denn er wird nicht durch die Macht oder den Besitz eines Menschen beeinflußt; alle sind als seiner Hände Werk vor ihm gleich. Gott kann schnell, vielleicht plötzlich um Mitternacht (vgl. V. 25 ), die Gottlosen vernichten und die Mächtigen zu Fall bringen (vgl. V. 24 ). Wie konnte Hiob nur behaupten, daß Gott ungerecht sei?



d. Elihu erörtert die Bestrafung der Gottlosen
( 34,21-30 )


Hi 34,21-30


Möglicherweise ging Elihu nun auf die Gedanken ein, die sich Hiob darüber gemacht hatte, daß Gott die Schaffung der Gerechtigkeit offenbar verzögerte ( Hi 24,1-21 ). Als weitere Belege für Gottes Gerechtigkeit (vgl. den Kommentar zu Hi 34,10-20 ) führte er folgende Tatsachen an: (7) Gott kennt jeweils alle Umstände einer Sache, denn die Augen des Allmächtigen sehen alles , was ein Mensch tut (V. 21 ; vgl. Hi 24,23 ). Die Sünder können also seinem Gericht nicht entgehen, indem sie sich in der Finsternis verbergen. Im Gegensatz zu menschlichen Richtern besteht für ihn keine Notwendigkeit, eine Sache zu erforschen ( Hi 34,22; vgl. Zofars Worte in Hi 11,11 ). Gott kann die Stolzen vernichten (vgl. Hi 34,20 ) und andere an ihre Stelle setzen. Er stürzt sie des Nachts und zerschlägt sie (vgl. V. 20 ). (8) Gott ist gerecht, denn er richtet die Gottlosen vor aller Augen ( an einem Ort, wo viele es sehen ). Der Herr bestraft die, welche ihn ablehnen und ihn nicht erkennen wollen und die Armen und Elenden schlecht behandeln ( 34, 26-28 ). (9) Gottes Gerechtigkeit wird offenbar, auch wenn es ihm gefällt, eine Zeitlang die Sünde nicht zu bestrafen und zu den Rufen Hiobs und der anderen nach rasch eintretender Gerechtigkeit zu schweigen; als der allmächtige Herrscher über alle Völker und Leute wird der Herr, der bisweilen das Antlitz verbirgt, letztlich dafür sorgen, daß den Gottlosen ( HAnEP , "Ungläubiger"; vgl. Hi 8,13 ) sein Schicksal ereilt ( Hi 34,30 ). Hiob hatte Gott nicht gesehen, als es diesem wohlgefiel, zu schweigen (vgl. seine Klage hierüber in Hi 23,8-9 ), aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, Gott zu verdammen (V. 29 ; vgl. Hi 19,7;30,20 ).

Hiob

e. Elihu wirft Hiob vor, noch keine Busse getan und sich gegen Gott aufgelehnt zu haben
( 34,31-37 )


Hi 34,31-33


Elihu war darüber erschüttert, daß Hiob in dieser Weise mit Gott geredet hatte. Er hatte ja immer wieder versichert, daß er unschuldig sei. Aber er hatte auch gesagt, daß er sich von seiner Sünde abwenden würde, wenn Gott ihm zeigte, wo er unrecht gehandelt hatte (vgl. Hi 6,24; 7,20-21; 10,2; 13,23 ). Elihu bemerkte jedoch - und damit hatte er völlig recht -, daß es nicht angebracht sei, dem Herrn Vorschriften machen zu wollen. Weil Gott allmächtig war, richtete er sich nicht nach dem menschlichen Rechtsempfinden, vor allem dann nicht, wenn jemand eine unbußfertige Haltung einnahm. Elihu fügte hinzu, daß Hiob wählen möge, wie Gott ihm seine Taten vergelten sollte.

b

Hi 34,34-37


Verständige Leute müßten erkennen, daß Hiob (als er Gott Ungerechtigkeit vorgeworfen hatte) mit Unverstand (vgl. Hi 35,16;38,2 ) und nicht klug geredet hatte. Nach Elihus Meinung sollte Hiob bis zum Äußersten geprüft werden, weil er wie freche Sünder gesprochen hatte. Diese Erklärung erinnert an Zofars Worte ( Hi 11,5-6 ). Elihu vermutete bei Hiob eine rebellische Einstellung und legte ihm zur Last, daß er sich über diejenigen lustig mache, die Gottes Gerechtigkeit verteidigten.

Elihu hatte recht, wenn er Hiob dafür tadelte, daß er (a) die Gerechtigkeit des Herrn hinterfragt hatte ( Hi 34,17 ) und (b) Gott dazu aufgefordert hatte, ihm doch zu antworten (V. 29 ), um zu erfahren, welche Sünde er begangen habe (V. 32 ). Aber Elihu schien sich - wenigstens zum Teil - die unbarmherzige Haltung der drei älteren Ratgeber zu eigen gemacht zu haben, denn er wollte, daß Hiob "bis zum Äußersten" geprüft werden sollte, und er nahm an, daß Hiobs zahlreiche Worte (vgl. 35,16 ) wider Gott auf Frevelhaftigkeit hindeuteten.



3. Elihus dritte Rede
( Hi 35 )


In dieser Rede verteidigte Elihu Gottes Allmacht und antwortete damit auf Hiobs Klage, daß Gott ihn für seinen untadeligen Lebenswandel nicht belohne. Elihu gab darauf eine zweifache Antwort: (a) Weil Gott der Allerhöchste sei, berühre ihn die Rechtschaffenheit oder die Sünde eines Menschen überhaupt nicht; (b) Gott habe auf die Klagen des Leidenden nicht geantwortet, weil Hiob so stolz sei.



a. Widersprüche in Hiobs Argumentation
( 35,1-3 )


Hi 35,1-3


Wie konnte Hiob nur je darauf hoffen, von Gott (vgl. Hi 13,18 ) gerechtfertigt zu werden, wenn er gleichzeitig auf der Meinung bestand, daß ihm seine Rechtschaffenheit vor Gott nichts nütze? Elihu befand diese Haltung für widersprüchlich. Schon vorher hatte er Hiobs Worte zitiert, daß der Mensch offenbar nichts davon habe, wenn er Gott diene ( Hi 34,9; vgl. Hi 21,15 ).



b. Der Mensch ist unfähig, Gott etwas anzutun, denn Gott ist gross
( 35,4-8 )


Hi 35,4-8


Elihu wandte sich nun gleichzeitig an Hiob und an die drei Redner (der Ausdruck deinen Freunden mit dir bezieht sich wohl auf die drei Gefährten Hiobs und nicht auf andere gottlose Gefährten, wie man bisweilen angenommen hat); er machte deutlich, daß Gott ganz sicher höher stand als der Mensch, für den ja schon der Himmel und die Wolken viel zu hoch waren. Deshalb - so sagte er - könne ein Mensch Gott mit seinen Missetaten nicht schaden, noch könne er ihm, wenn er gerecht war, etwas geben. (Vgl. Elifas' ähnlich lautende Worte über die Sterne; Hi 22,12 ,und Gottes Gleichgültigkeit gegenüber dem Menschen; Hi 22,2-3 .) Die Bosheit oder die Gerechtigkeit eines Menschen hätten nur auf andere Menschen Einfluß, nicht aber auf Gott. Elihus Auffassung läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Wenn der Herr einem Menschen Gnade erweist, so tut er das nicht, weil jener ihn dazu überredet hat, und wenn Gott jemandem ein Gericht schickt, so geschieht das nicht, weil dieser Mensch ihn gekränkt hat. Gott ist allmächtig und tut deshalb das, was ihm wohlgefällt. Er ist unbestechlich. Seine Maßstäbe für das Gericht über die Menschen sind beständig; Gott ergreift für niemanden Partei, und niemand kann seine Schritte lenken. Weil jedoch das Fehlverhalten eines Menschen diesem selbst Schaden zufügt, während die Rechtschaffenheit ihm nützt, ist es für den Menschen von großer Bedeutung, ob er sündigt oder nicht (vgl. Hi 35,3 ).

 

c. Der Mensch ist unfähig, Gott zu beeinflussen, denn er ist stolz
( 35,9-16 )


Hi 35,9-11


Auch die folgenden Aussagen Elihus enthalten viel Wahres: Wenn die Menschen in Not sind ( viel Gewalt geschieht ), wenden sie sich meist an Gott, um einen Ausweg zu finden. Sie wenden sich ihm aber nicht als ihrem Schöpfer zu (vgl. Hi 4,17;9,9;36,3;40,19 ), dem einzigen, der Freude in Zeiten der Not schenken kann ( Lobgesänge in der Nacht ). Sie sind auch Gott nicht dankbar dafür, daß er ihnen mehr Verstand geschenkt hat als den Tieren und Vögeln.

 

Hi 35,12-15


Aber Gott beantwortet die unaufrichtigen Hilfeschreie der Menschen nicht, denn diese Gebete entstammen ihrem Hochmut (vgl. Hi 36,9 ). Wenn Gott diese nichtigen Bitten um Hilfe nicht erhöre, dann erhöre er mit Sicherheit auch nicht Hiobs hochmütiges, ungeduldiges Rufen. Hiob hatte gesagt, daß er Gott nicht sehen und nicht finden könne ( Hi 9,11;23,8-9; vgl. Hi 34,29 ); dennoch hatte er seinen Rechtsstreit in Gottes Hände gelegt ( Hi 13,18;23,7 ). Aber Elihu stellte bei Hiob noch einen weiteren Widerspruch fest (vgl. den Kommentar zu Hi 35,2-3 ): Der Leidende wollte auf Gott harren, damit er ihn in seiner Gerechtigkeit entlastete, und dennoch glaubte Hiob, wie Elihu sagte, daß Gott angesichts der Sünde nichts unternehmen würde ( Hi 24,1-12 ). Elihu hatte Hiob an dieser Stelle mißverstanden, denn der Patriarch hatte nicht behauptet, daß Gott den Sünder niemals bestrafe; er werde zwar während seines Lebens meist nicht gestraft, doch bei seinem Tod werde Gottes Gericht über ihn kommen.



Hi 35,16


Hiob hatte nach Elihus Meinung seinen Mund aufgesperrt (er wollte zwar, daß Gott ihn freisprach, war aber gleichzeitig davon beunruhigt, daß Gott die Sünde offenbar nicht bekämpfte) und stolze Reden um nichts ( heBel ; vgl. den Kommentar zu diesem Wort in Pred 1,2 "eitel") geführt, ohne Einsicht zu besitzen (vgl. Hi 34,35 ).

Elihu glaubte, daß Hiob von Gott so lange nicht freigesprochen werden könne ( Hi 35,2 ), wie er noch daran zweifle, ob es überhaupt einen Wert habe, Gott zu dienen (V. 3 ), und aus einer hochmütigen Haltung heraus bete (V. 12 ), während er gleichzeitig leugne, daß Gott die Sünde heimsuche (V. 15 ).



4. Elihus vierte Rede
( Hi 36-37 )


In seiner zweiten Rede ( Hi 34 ) hatte Elihu Gottes Gerechtigkeit verteidigt, und in seiner dritten Rede ( Hi 35 ) war er für Gottes Allmacht eingetreten. In seiner abschließenden Rede sprach er noch einmal von diesen beiden Eigenschaften Gottes - zuerst beschäftigte er sich mit Gottes Gerechtigkeit (und Macht), die sich in seinem Handeln gegenüber den Menschen zeigt ( Hi 36,1-26 ); dann ging er auf Gottes Allmacht (und Güte) ein, die daraus ersichtlich wird, wie er gegenüber der Natur handelt ( Hi 36,27-37,24 ). Auf diese Weise wollte Elihu sowohl Hiob ( Hi 33,2;33,10-12 ) als auch den drei Gefährten des Leidenden ( Hi 32,3.12 ) gerecht werden.



a. Elihu verteidigt Gottes Gerechtigkeit und Macht bei seinem Handeln gegenüber den Menschen
( 36,1-26 )


(1) Elihu ist von seiner Erkenntnis überzeugt



Hi 36,1-4


Zu Beginn seiner vierten Rede (was aus den Worten Elihu hob noch einmal an hervorgeht; vgl. "Und Elihu hob an" in Hi 34,1 und Hi 35,1 als Einleitung seiner zweiten und dritten Rede) war der jugendliche Ratgeber Elihu so von den Gedanken erfüllt, die er gerne mitteilen wollte ( Hi 32,18-20 ), daß er Hiob bat, nicht ungeduldig zu werden ( Warte noch ein wenig ). Er hatte noch mehr zur Verteidigung von Gottes Gerechtigkeit zu sagen. Elihu mangelte es nicht an Selbstvertrauen. Er bemerkte, daß er sein Wissen (vgl. Hi 36,4 ) von weit her holen werde; damit wollte er sagen, daß sein Wissen im Gegensatz zu Hiobs Erkenntnis ein großes Gebiet umfaßte, denn Hiob besaß nach seiner Ansicht keine Erkenntnis ( Hi 34,35;35,16 ). Zunächst ging es Elihu wie zuvor ( Hi 34,10-12.17 ) darum, Gottes Gerechtigkeit zu preisen. Wiederum nannte er Gott seinen Schöpfer (vgl. Hi 4,17;9,9;32,22;35,10;40,19 ). Voller Selbstgewißheit versicherte Elihu, daß seine Worte wahr seien und er ausgezeichnet Bescheid wisse ( einer, der es wirklich weiß ). Allerdings könnten sich die Worte "einer, der es wirklich weiß" auch auf Gott beziehen, so wie das in Hi 37,16 mit Sicherheit der Fall ist. Diese Sicht wird durch die in jüngster Zeit entdeckten Tafeln von Ebla erhärtet (Mitchell Dahood, "Are the Ebla Tablets Relevant to Biblical Research?" Biblical Archaeology Review 6, September-Oktober 1980, S. 58).



Hi 36,5-7


(2) Gott handelt gerecht gegenüber Gottlosen und Frommen

Das hebräische Wort für "siehe" leitet vier Aussagen Elihus über die Macht Gottes ein (V. 5.22.26.30 ). Seiner Auffassung nach war Gott gerecht (V. 6-7 ), aber auch mächtig; und obwohl er so mächtig war, war er doch auch barmherzig ( er verwirft niemand ). Wiederum stellte sich Elihu auf die Seite der drei wenig hilfreichen Freunde, indem er darauf beharrte, daß Gott den Gottlosen nicht am Leben lasse (vgl. V. 14 ; Hi 15,27-35;20,5-29 ). Er widersprach damit Hiob, der darauf bestanden hatte, daß es vielen Sündern bis ins hohe Alter wohlergehe ( Hi 21,7.27-33 ). Auch versicherte Elihu, daß Gott die notleidenden Gerechten ( Elenden ) wiederaufrichte. Gott gebe ihnen den wohlverdienten Segen und wache über sie (Hiob war dagegen der Meinung, daß das für ihn nicht mehr gelte; Hi 29,2;10,12 ), er lasse sie mit Königen auf dem Thron sitzen und erhöhe sie. Mit diesen Worten näherte sich Elihu ebenfalls den Argumenten der drei anderen Ratgeber. Diese vertraten die Meinung, daß Gott die Menschen bereits in diesem Leben ihrem Wandel entsprechend belohne bzw. bestrafe. Hiob zweifelte nicht daran, daß Gott im allgemeinen gerecht war, wie aus Hi 27,13-23 deutlich hervorgeht. Er bestritt jedoch, daß der Herr den Menschen stets vor ihrem Tod Gerechtigkeit widerfahren ließ und daß er ihm gegenüber gerecht handelte.



Hi 36,8-10


(3) Gott schickt dem Menschen Leid, damit er seinen Hochmut bereut ( Hi 36,8-12 )

Bisweilen - so fuhr Elihu fort - sei auch der Gerechte ("sie" bezieht sich auf die in V. 7 erwähnten Gerechten) Prüfungen ausgesetzt ( gefangen in Ketten ) und erlebe Bedrückung (z. B. dann, wenn er gleichsam gebunden mit Stricken , auf einem Schmerzenslager festgehalten würde). Das Wort elend ( ZXnI , "arm oder elend") findet sich ebenfalls in Vers 21 . Der Begriff "Elend" in Vers 15 leitet sich dagegen von einem anderen hebräischen Wort her (vgl. den Kommentar zu dieser Stelle). Wenn Gott dem Frommen Bedrückung schickte, so bedeutete dies nach Elihus Auffassung jedoch nicht, daß er ihn verließ. Vielmehr führe er ihm sein falsches Tun ( was sie getan haben ) und seine Sünden, und zwar insbesondere seinen Hochmut, vor Augen ( daß sie sich überhoben haben heißt wörtlich: "sie stellen sich selbst als die Starken hin" und ist eine abgeleitete Stammform des Verbs gABar , "stark sein"). Mit anderen Worten: Wenn ein Mensch sich vor Gott als Starker darstellt, dann trotzt er dem Allmächtigen (vgl. Hi 15,25 ). Gott möchte durch das Leid, das er den Seinen schickt, beispielsweise ihren Stolz brechen (Elihu hatte dies bereits angedeutet; vgl. Hi 33,17 ). Wenn ein Mensch Schmerzen hat, wird er auf Gott aufmerksam und hört auf das, was er ihn lehren will (er "öffnet ihnen das Ohr" findet sich auch in Hi 33,16 und Hi 36,15 ).



Hi 36,11-12


Wer gottesfürchtig war und litt, führte der junge Redner aus, und wer auf Gott hörte und wieder bereit war, ihm zu gehorchen und zu dienen, dem werde es wieder wohlergehen, und er werde glücklich leben. Schon früher hatte Elihu das Thema des Leidens und der Abkehr vom Stolz erörtert ( Hi 33,23-28 ). Somit schien er einer ähnlichen theologischen Lehrmeinung anzuhängen wie die drei anderen. Jene hatten jedoch hervorgehoben, daß Hiob verwerflich gehandelt habe, während Elihu sich mehr mit der falschen, hochmütigen Einstellung Hiobs befaßte. Wenn sich ein Glaubender jedoch in seinem Stolz weigerte, aus dem von Gott geschickten Elend zu lernen ( Gehorchen sie nicht seinen Weisungen; vgl. Hi 36,10 ), so werde er hinfahren durch des Todes Geschoß (vgl. Hi 33,18 ) und in Unverstand vergehen (vgl. Hi 34,35;35,16 ), d. h. ohne das Wissen, das Gott ihm zugedacht hatte. Nach Elihu entbehrte es jeder Grundlage, wenn man Hiob davon zu überzeugen suchte, daß sein Elend ein Zeichen für seine Gottlosigkeit sei (das war die Sicht der drei Freunde) oder ein Beweis dafür, daß Gott ihn verlassen habe (wie Hiob behauptet hatte). Statt dessen sollte er seine Bedrückung als Aufforderung zur Demütigung vor Gott betrachten.

 

Hi 36,13-15


(4) Die Reaktion der Menschen auf das Leid

Die wirklichen Sünder, die Ruchlosen ( HAnEP , vgl. Hi 8,13 ), reagierten, wie Elihu ausführte, mit Groll auf die Schwierigkeiten, mit denen Gott sie heimsuchte ( gefangen legt ; vgl. Hi 36,8 ). Sie wollten nicht um Hilfe flehen, und wenn sie es taten, dann geschah dies nicht in aufrichtiger Reue ( Hi 27,8-9 ). Das Ergebnis davon sei, daß sie jung sterben müßten, wie Zofar gesagt hatte ( Hi 20,5.11 ), und im Gericht wie verstockte Sünder - wie Hurer in einem heidnischen Tempel - behandelt würden. (Das hebräische Wort q+DESIm , "Tempelhurer", bedeutet wörtlich: "Geweihte", denn es bezeichnet Männer oder Frauen, die dem Tempel für rituelle Sexualhandlungen übergeben wurden, möglicherweise im Zusammenhang mit heidnischen Kulturen; vgl. 5Mo 23,18; 1Kö 15,12 .)

Andernfalls, so betonte Elihu, werde Gott den Elenden ( ZXnI , "Elender, Bedrückter" bezeichnet den Gerechten in Not; vgl. den Kommentar zu Hi 36,8 ) erlösen. Er werde ihm das Ohr öffnen (vgl. V. 10 ), so daß er sich zu Gott bekehren könne, und ihn erretten (vgl. V. 11 ). Elend (V. 15 ) ist die Übersetzung des hebräischen Wortes laHaQ , das auf das Verb laHaQ ("unterdrücken") zurückgeht. (Das in V. 8.21 mit "elend" bzw. "Elend" übersetzte Wort ist ein anderer hebräischer Begriff.) Elihu behauptete, daß Gott einen bußfertigen Gläubigen von seiner Bedrückung erlösen werde. In Vers 15 bediente er sich eines Wortspiels, da das Wort für "erretten" HAlaQ und der Begriff für "Elend" laHaQ lautet.

Das Ergebnis - entweder Tod oder Errettung - hing also nach Elihu von der Einstellung eines Menschen und seiner Reaktion auf die Schwierigkeiten ab: Wenn Hiob seinen Stolz nicht zugebe, dann beweise er damit, daß er gottlos sei. Wenn er aber damit aufhöre, seine Faust gegen Gott zu erheben, dann zeige er damit, daß er Gottes Kind sei.

 

Hi 36,16-19


(5) Hiobs Reaktion auf das Leid ( 36,16-26 )

Gott wollte Hiob, wie Elihu sagte, aus der Angst ( Qar , "Enge, beengte Lage"; das Wort ist in V. 19 mit "Not" übersetzt) befreien und ihn in einen weiten Raum (vgl. Ps 18,20;31,9 ) führen; dies war ein Bild für Wohlergehen und ein sorgenfreies Leben. Er wollte ihn auch überreich mit allem Guten versorgen. Daher sollte sich Hiob nicht auf den Gedanken konzentrieren, daß Gott ihm anscheinend sein Recht vorenthielt. Hiob war von diesem Problem ( Hi 36,17 ) erfüllt ( mAlE? ; in unserer Übersetzung ist dieses Wortspiel nicht nachgeahmt), obwohl sein Tisch dereinst vielleicht voll ( mAlE? ) von Köstlichkeiten sein würde (V. 16 ).

Elihu gab Hiob also folgenden Rat: Er solle darauf achten, daß er sich aus Sehnsucht nach seinem früheren Wohlergehen nicht von Gottes Weg abkehre (vgl. V. 21 ). (Das Wort Lösegeld (vgl. Hi 33,24 ) steht hier möglicherweise für den hohen Preis, den Hiob durch sein Leiden bezahlte.) Schon mancher habe erkennen müssen, daß Geld und Fähigkeiten einen Menschen nicht von der Not ( Qar , "Enge, beengte Lage"; vgl. Hi 36,16 ) freikaufen und ihm Frieden schenken konnten.



Hi 36,20-21


Ferner riet Elihu dem Leidenden, sich nicht nach der Nacht zu sehnen ( Hi 36,20 ). Diese Worte sind im Hebräischen schwer verständlich. Unsere Übersetzung geht davon aus, daß damit die Nacht des Todes gemeint ist (vgl. Hi 3,20-23 ); Hiob sollte also den Tod nicht als Befreiung von seinem Leiden betrachten ( Hi 3,13.17 ). (Eine andere Möglichkeit wäre, die "Nacht" mit der Sünde in Verbindung zu bringen; vgl. Hi 24,13-17 .) Statt dessen sollte er seinen Stolz bereuen. Er sollte sich in acht nehmen, daß er sich nicht der Sünde zuwandte, wenn er jammerte, denn er schien lieber zu klagen, als sein Elend ( ZXnI ; vgl. den Kommentar zu Hi 36,8 ) gottergeben hinzunehmen. Wenn Hiob Gott Vorwürfe machte, würde ihm das aber keine Befreiung von seinen Prüfungen bringen.



Hi 36,22-26


Elihu lenkte Hiobs Aufmerksamkeit auf Gott und sprach von seiner Kraft (vgl. V. 5 ; Hi 37,23 ), seiner Fähigkeit, die Menschen zu unterweisen (vgl. Hi 36,9-10 ), seiner Souveränität (keiner könne Gott hinsichtlich seines Weges Vorschriften machen), seiner Gerechtigkeit (keiner könne beweisen, wie es Hiob versucht hatte, daß Gott jemals Unrecht tat; vgl. Hi 19,6-7 ), seiner unbegreiflichen Größe ( Hi 36,26 ) und seiner Ewigkeit (V. 26 ). Die Zahl seiner Jahre sei unerforschlich und unendlich groß, im Gegensatz zu den wenigen Jahren, die der Mensch zu leben habe ( Hi 9,25; 14,1-2.5; 16,22 ). Im Hinblick auf Gottes Vollkommenheit sollte sich Hiob also von der Sünde abkehren, Gott zu tadeln. Vielmehr sollte er sein gewaltiges Werk preisen, wie andere gottesfürchtige Menschen es in ihren Liedern taten. Jedermann erkennt Gottes großes Werk, wenngleich die Mensche n ( ?MnNS , "schwacher, sterblicher Mensch"; vgl. den Kommentar zu Hi 4,17 ) seine wunderbare Schöpfung (z. B. die Sterne) nur von ferne sehen. Der Leidende hatte immer wieder von Gottes Größe gesprochen ( Hi 9,4-13; 10,16; 12,13; 21,22; 23,13; 24,22; 26,14; 27,11 ), aber Elihu meinte, daß es nicht miteinander zu vereinbaren sei, daß Hiob sich der Allmacht Gottes bewußt war und gleichzeitig den Allmächtigen angriff.



b. Elihu verteidigt Gottes Allmacht und Güte in seinem Handeln gegenüber der Natur
( 36,27-37,24 )


Elihu hatte von Gottes "Weg" und von seinem "Werk" gesprochen ( 36,23-24 ), das der Mensch vor Augen habe ( Hi 36,25 ). Nun erörterte er das Handeln Gottes gegenüber der Natur im Herbststurm ( Hi 36,27-37,5 ), im Winter ( Hi 37,6-13 ) und im Sommer ( Hi 37,14-18 ).

In seiner dritten Rede ( Hi 35 ) hatte Elihu von Gottes Allmacht gesprochen. Jetzt wandte er sich erneut diesem Thema zu, hob jedoch besonders hervor, daß Gottes Herrschaft über die Natur auch seine Güte gegenüber der Erde, den Tieren und den Menschen mitbedingte.

(1) Gottes Allmacht in den Herbststürmen ( Hi 36,27-37,5 )



Hi 36,27-31


Elihu entwarf ein anschauliches Bild der göttlichen Allmacht. Gott ist der Herr über die vielen Naturerscheinungen: über die Verdunstung (V. 27 a), den Regen (V. 27 b. 28 ), die Wolken (V. 29 a), den Donner (V. 29 b; vgl. V. 33 ; der Ausdruck Gezelt ist eine malerische Bezeichnung des Himmels), das Licht (V. 30.32 ) und das Meer. Wenn Gott alle Tiefen des Meeres bedeckt (V. 30 ), so bedeutet dies, daß er die Tiefen der Ozeane so mit Wasser überflutet, daß die Menschen auf dem festen Land ihren Grund nicht sehen können.

Gott benutzt die Verdunstung, den Regen, den Donner und das Licht sowohl dazu, den Menschen seine Macht zu zeigen (und sie gegebenenfalls zu richten) als auch dazu, sie zu segnen, indem er ihnen Speise gibt (V. 31 ; vgl. Apg 14,17 ).



Hi 36,32-33


Gott bedeckt seine Hände mit Blitzen; dies bedeutet im Zusammenhang mit dem folgenden, daß er die Blitze ergreift, um sie wie Pfeile abzuschießen. Das Donnern geht dem Sturm voraus (V. 33 a, vgl.V. 29 ). Die nur schwer verständlichen Worte im zweiten Teil von Vers 33 sind ganz verschieden übersetzt worden. Aus der uns vorliegenden Übersetzung geht hervor, daß das Grollen des Donners ein Strafgericht Gottes ankündigt.



Hi 37,1-5


Zu jeder Zeit waren Menschen von dem beeindruckenden Schauspiel von Donner und Blitz fasziniert; dies galt auch für Elihu. Sein Herz erbebte und klopfte heftig. Möglicherweise zog gerade ein richtiger Sturm herauf, denn er forderte seine Zuhörer auf, auf das Gedröhn ( rOgez , "Aufruhr"; dieses Wort wird in Hi 3,17.26 mit "Toben" übersetzt) aus seinem Munde zu hören (diese Aufforderung steht im Plural). In der Bibel wird der Donner häufig als Gottes mächtige Stimme bezeichnet ( Hi 37,2.4-5 ). Mehrmals erwähnte Elihu, daß Gott seinen Blitz schickte ( Hi 36,30.32; 37,3.11.15 ). Wie Gott diese großen, manchmal erschreckenden Dinge tut, kann der Mensch mit seinem begrenzten Verstand nicht begreifen (V. 5 ; vgl. Hi 36,26.29 ); diese wahre Erkenntnis hatte auch Elifas schon zum Ausdruck gebracht ( Hi 5,9 ), Hiob hatte diese Aussage zweimal bestätigt ( Hi 9,10; 26,14 ).

 

Hi 37,6-13


(2) Gottes Allmacht im Winter

Viele von uns haben schon erlebt, welche Auswirkungen Schneefall oder ein starker Platzregen haben können. Es sind Naturereignisse, die die Menschen auf Gott und sein Werk ( was er tun kann ) hinweisen (vgl. Hi 36,24; Röm 1,20 ). Er gebietet dem Treiben des Menschen Einhalt, die Tiere suchen Schutz in Höhlen, wenn der Sturm aus seinen Kammern kommt , womit die Vorstellung erweckt wird, daß der Sturm gleichsam in bestimmten Räumen festgehalten wird (vgl. Hi 38,22 ), bis Gott ihn herausläßt. Kalte Winde blasen von Norden her, Eis bildet sich (durch Gottes Atem), und Seen und Flüsse frieren zu. Schwere Wolken, von Blitzen (vgl. Hi 36,32; 37,3 ) durchzuckt, ziehen über den Erdkreis. Sie gehorchen den Befehlen Gottes und bringen das Gericht über manche Menschen, indem sie ihre Ernte zerstören, ihren Besitz überfluten und sie selbst ertrinken lassen (vgl. den Kommentar zu Hi 36,31 a). Doch die Niederschläge können auch Segen bedeuten, und in diesem Fall sind die Wolken ein Zeichen der Liebe Gottes (vgl. 36,31 b; Apg 14,17 ). An diesem Beispiel wird wiederum ersichtlich, daß Gottes Macht auf der einen Seite Gottes Güte auf der anderen Seite gegenübersteht.



Hi 37,14-18


(3) Gottes Allmacht im Sommer

Der junge Mann forderte Hiob nun auf, über das nachzusinnen, was er über die Wunder Gottes (vgl. V. 16 ) gesagt hatte. Mit mehreren rhetorischen Fragen machte er Hiob klar, wie wenig er über das Wirken Gottes in der Natur wußte. Der Mensch weiß eben nicht, wie Gott die Wolken lenkt und das Licht aus ihnen hervorbrechen läßt (vgl. Hi 36,30 ) und wie er die Wolken am Himmel schweben läßt. Der Mensch weiß das alles nicht, Gott aber ist der Allwissende. Der Mensch vermag auch Gottes Wirken nicht nachzuahmen; so ist er z. B. nicht imstande, die Wolkendecke auszubreiten, die so fest scheint wie ein (aus Bronze) gegossener Spiegel (vgl. 5Mo 28,23 ), so daß die Menschen wegen des heißen Wetters schwitzen.

 

Hi 37,19-21


(4) Hiob ist außerstande, Gottes Wege zu verstehen ( Hi 37,19-24 )

Wenn Hiob noch nicht einmal die sichtbaren Taten Gottes in der Natur zu begreifen vermochte, wie konnte er es dann wagen, seinen Rechtsfall vorzubringen ( ZArak , "anordnen, festsetzen"; vgl. Hi 13,18 ), um mit Gott einen Rechtsstreit auszutragen, wie Hiob es vorgehabt hatte? Elihu machte diesem klar, daß er gegen Gott nichts würde ausrichten können, da der Mensch in der Finsternis lebe und somit nichts über Gott wisse (vgl. Hi 38,2 ). In Gottes Gegenwart das Wort ergreifen zu wollen, was Hiob ja vorgehabt hatte ( Hi 10,2; 13,3.22 ), und den Höchsten der Ungerechtigkeit anzuklagen, käme der eigenen Vernichtung gleich! Der winzige Mensch konnte noch nicht einmal zum Licht der Sonne aufschauen, ohne geblendet zu werden. Wie konnte Hiob da hoffen, Gottes Gegenwart zu ertragen?

 

Hi 37,22-24


Möglicherweise empfand Elihu, daß Gott in einem nahenden Sturm gegenwärtig war ( Hi 38,1 ), und kündigte deshalb sein Kommen an. In den ugaritischen Mythen wird manchmal von Baal gesagt, er habe seinen goldenen Palast in den Bergen des Nordens verlassen. Hier jedoch kommt der wahre Gott von Norden als goldener Schein, und um ihn her erstrahlt schrecklicher Glanz. Elihu bemerkte hierzu, daß der Mensch Gott mit seinem Verstand nicht erreichen könne; dies hatte auch Hiob bereits festgestellt ( Hi 26,14; vgl. Elihus ähnlich lautende Worte in Hi 36,26.29; 37,5 ). Dann nannte er noch einmal die beiden Eigenschaften des Herrn, die er immer wieder verteidigt hatte: Gottes Kraft (vgl. Hi 36,22 ) oder Allmacht und seine Gerechtigkeit (vgl. Hi 34,12.17 ). Elihu hatte die Gewißheit, daß Gott an Hiob nicht ungerecht handelte und ihn weder unterdrücken noch ihm feindlich begegnen wollte, obgleich Hiob, bevor der junge Mann das Wort ergriffen hatte, keine andere Erklärung für sein Leid gehabt hatte.

Elihu schloß seine Rede, indem er Hiob riet, Gott zu fürchten (vgl. den Kommentar zu Hi 1,1 ); dies bedeutete, daß er alle Einbildung und allen Stolz (die Überzeugung, daß er weise sei) ablegen sollte. Wer Gott fürchtet, der erkennt seine Herrschaft und die eigene Unterlegenheit aufgrund der menschlichen Begrenztheit an. Noch einmal legte Elihu den Finger auf Hiobs Sünde - seinen Stolz vor Gott (vgl. Hi 33,17; 36,9 ).

Hiob gab auf Elihus Worte keine Antwort - wohl deshalb, weil er erkannt hatte, daß an ihnen etwas Wahres war. Sein junger Ratgeber hatte deutlich gemacht, daß der Mensch Gottes Gerechtigkeit nicht anzweifeln und seine Allmacht nicht in Frage stellen darf, denn seine Wege führen über die Grenzen des menschlichen Verstandes hinaus. Nach Elihus Ansicht können Not und Elend einen Menschen dazu bringen, sich von seinem Stolz abzuwenden und ihn auf diese Weise vor noch größerem Unglück zu bewahren. Der Mensch sollte Gott verehren, statt ihn zu kritisieren. Er sollte den Herrn preisen, statt ihn einem Verhör unterziehen zu wollen.

Mit seinen Worten bereitete Elihu den Weg für Gottes Rede. Er tat dies, indem er (a) Gott verteidigte, (b) Hiob auf seinen Mangel an Demut aufmerksam machte, (c) das wunderbare Wirken Gottes in der Natur beschrieb, was Gott im folgenden weiter ausführte, (d) Hiob einige herausfordernde Fragen stellte ( Hi 33,13; 34,17-19.33; 35,2.6-7; 36,19.22-23.29; 37,15-18.20 ) - eine Taktik, die Gott weiterverfolgte, und (e) Hiobs Grundproblem erörterte (er bezeichnete sich selbst als gerecht und Gott als ungerecht), auf das Gott im weiteren Verlauf einging (vgl. Hi 32,2 mit Hi 40,8 ).



F. Die beiden Reden Gottes und Hiobs Antworten
( 38,1-42,6 )


Nun wurde Hiobs Bitte, daß der Herr ihm antworten möge, doch noch erhört. Immer wieder hatte Hiob an der Himmelspforte angeklopft, denn er hatte sich danach gesehnt, daß Gott ihm antwortete ( Hi 13,22;31,35 ) oder daß ein Schiedsrichter ( Hi 9,33 ), ein Anwalt oder ein Fürsprecher ( Hi 16,19-20 ) für ihn eintreten würde.

Gottes Entgegnung war jedoch ganz anders, als Hiob erwartet hatte. Hiob hatte sich gewünscht, in einer Art Gerichtsverhandlung angehört zu werden. Er hatte auf eine Gelegenheit gewartet, um den Beweis anzutreten, daß Gottes Angriffe auf ihn, den Patriarchen und Ankläger, nicht rechtmäßig waren. Gott jedoch ging nicht auf Hiobs Anklage bezüglich der Ungerechtigkeiten des Allmächtigen ein, sondern stellte seinerseits Hiob einige Fragen! Statt sich zu Hiobs Vorladung zur Verhandlung zu äußern, lud er Hiob vor! Der Herr erklärte weder die Bedeutung des Unglücks noch den Wert des Leidens, sondern er tadelte Hiob dafür, daß er es gewagt hatte, gegen seine Wege Widerspruch einzulegen.

Mit mehr als 70 Fragen - Hiob konnte nicht eine einzige davon beantworten! - unterzog Gott den Patriarchen einem Verhör über die unzähligen Erscheinungsformen der belebten und unbelebten Natur. Diese beiden "naturwissenschaftlichen Prüfungen" reichten von den Sternen bis zu den Erdschollen und von den wilden Tieren bis zu den Vögeln. Gott machte deutlich, in welcher Pracht sich die Schöpfung im Weltraum, im Himmel und auf der Erde entfaltet. Wenn Hiob auch infolge dieser Flut von Fragen kein Wort mehr hervorbrachte, so begegnete er doch Gott von Angesicht zu Angesicht. Dies gab dem Klagenden die Gewißheit, daß Gott ihn trotz allem, was geschehen war, nicht verlassen hatte.

Welche Absicht verfolgte Gott mit seiner vorwurfsvollen Antwort? Der Herr zeigte Hiob seine Macht und seine Weisheit und führte ihm damit gleichzeitig die eigene Unwissenheit und Ungeduld vor Augen. Wie konnte Hiob Gott begreifen oder seine Pläne mit den Menschen überprüfen, wenn er Gottes Herrschaft über die Natur weder begreifen noch überprüfen konnte? Wenn er auf diese Fragen keine Antwort zu geben vermochte, wie konnte er dann darauf hoffen, mit Gott einen Wortstreit auszufechten? Wenn Gott seine eigenen Wege geht, seine eigenen Pläne im Himmel und auf Erden hat, hat er dann nicht auch seine eigenen Absichten bei seinem Handeln gegenüber den Menschen? Wenn auch die Menschen Gottes Handeln nicht verstehen können, so können sie ihm doch vertrauen. Die Verehrung Gottes sollte der Dankbarkeit entspringen, nicht dem Wissen um alle Wege Gottes. Wenn der Mensch auch keine Antwort hat, so soll er doch Gott preisen.

Gott erklärte Hiob seine Wege nicht; er zeigte sie ihm nur und machte damit deutlich, daß der souveräne Schöpfer und Erhalter des ganzen Universums dem winzigen Menschlein keine Erläuterung schuldig ist. Der Mensch ist Gott Rechenschaft schuldig, nicht umgekehrt. Obwohl Gott nicht seine Pläne darlegt, die er damit verfolgt, daß er den Menschen Schwierigkeiten und Leiden schickt, offenbart er ihnen doch sein Wesen.

Diese Klärung des Sachverhaltes durch den Herrn selbst - es ist die längste in der Bibel wiedergegebene Rede Gottes - gliedert sich in zwei Teile ( Hi 38,1-40,2 und Hi 40,6-41,26 ). Auf den ersten Teil folgt Hiobs Antwort, in der er sich vor Gott demütigt ( Hi 40,3-5 ). Auf den zweiten Teil der Rede Gottes hin bereut Hiob seine Schuld ( Hi 42,1-6 ).

Diese Rede Gottes "erreicht die höchsten Höhen dichterischer Kraft" (Victor E. Reichert, Job , S. 195). Dieser überschwengliche Lobpreis des wunderbaren Wirkens Gottes in der Natur übertrifft alle anderen Schilderungen der Schöpferkraft des Allmächtigen. Kein Wunder, daß Hiob daraufhin schwieg, sich demütigte und Buße tat!



1. Gottes erste Rede
( 38,1-40,2 )


a. Gott tadelt Hiob und fordert ihn auf, ihm zu antworten
( 38,1-3 )


Hi 38,1


Gottes Erscheinen war von einem Wettersturm begleitet, wobei es sich möglicherweise um denselben Sturm handelte, dessen Nahen Elihu zu spüren glaubte ( Hi 37,22 ). Das hebräische Wort s+ZArCh bezeichnet einen von heftigem Wind begleiteten Sturm (vgl. z. B. 2Kö 2,1.11 ,"Wetter"; Jes 40,24; 29,6 ,"Wirbelsturm"; Ps 107,25 ,"Sturmwind"; Hes 1,4 ,"ungestümer Wind"). Es ist schon fast Ironie, daß Hiobs zehn Söhne und Töchter durch einen "großen Wind" umkamen. Nun begleitete ein starker Sturm Gottes Rede. Während jener Wind Zerstörung und Leid verursachte, brachte dieser "Wettersturm" Segen, denn Gott offenbarte sich in ihm und führte durch ihn den Leidenden wieder auf den rechten Weg. Im Alten Testament bediente sich Gott häufig der Stürme, um bestimmten Ereignissen besonderes Gewicht zu verleihen (vgl. 2Mo 19,16-17; 1Kö 19,11-13 ).

 

Hi 38,2-3


Gott eröffnete seine Rede mit einem Tadel und klagte Hiob in Form einer Frage an, den Ratschluß verdunkelt, d. h. Gottes Plan hinsichtlich des Universums verschleiert zu haben. Hiobs Fragen hatten eher Verwirrung gestiftet, als den Sachverhalt zu klären (vgl. Elihus Kommentar zur Finsternis des menschlichen Geistes, Hi 37,19 ). Wenn der Leidende meinte, daß Gott sein Feind geworden sei, so brachte dies eher andere in Verwirrung, als daß dadurch Gottes Wege erhellt würden. Obwohl Hiob immer wieder einmal Gott gepriesen hatte, schien er nicht wirklich zu wissen, was er gesagt hatte, als er Gott der Ungerechtigkeit angeklagt hatte. Hiob hatte Worte ohne Verstand gesprochen (wie Elihu zweimal betont hatte; Hi 34,35;35,16 ).

Gott befahl dem Patriarchen nun, sich auf seine Fragen einzustellen. Er sagte zu ihm: Gürte deine Lenden wie ein Mann ( geBer , "starker Mann"; vgl. Hi 40,7 )! Hiob sollte sich zum Kampf rüsten wie ein Mann, der sein langes Gewand raffte und in seine Schärpe steckte, bevor er eine schwierige Aufgabe in Angriff nahm (vgl. z. B. 2Mo 12,11; 1Kö 18,46 .) Er sollte auf der Hut sein, damit er Gott verständige Antworten geben konnte ( Ich will dich fragen, lehre mich ). Das ist die genaue Umkehrung der Worte, die Hiob an Gott gerichtet hatte: "der Allmächtige antworte mir" ( Hi 31,35 ). Er, der Ankläger, mußte sich nun verteidigen!



b. Gott befragt Hiob über die unbelebte Natur
( 38,4-38 )


Mit zahlreichen Fragen zu den Gebieten der Kosmologie, Ozeanographie, Meteorologie und Astronomie zwang Gott Hiob zum Nachdenken darüber, ob er überhaupt die Kompetenz besaß, über die Herrschaft des Allmächtigen über die Welt zu Gericht zu sitzen. Gott bediente sich der Ironie, um Hiobs Unkenntnis zu entlarven (z. B. "Sag mir's", V. 4 , vgl. V. 18 ; "Du weißt es ja", V. 21 ).

(1) Fragen bezüglich der Erde ( 38,4-21 )



Hi 38,4-7


Hiob sah sich sofort mit der Tatsache konfrontiert, wie unbedeutend er selbst war, denn er war natürlich nicht zugegen gewesen, als Gott die Erde gründete . Da er nicht beobachtet hatte, was damals geschehen war, vermochte er es auch nicht zu sagen. Wie konnte er jetzt noch versuchen, Gott Ratschläge zu erteilen? Die Erschaffung der Erde wird hier wie der Bau eines Hauses beschrieben, das ein Fundament, Maße, eine Richtschnur, Pfeiler und einen Eckstein erhält. Als Gott die Erde schuf, glich dieser Vorgang dem Zusammenfügen verschiedener Bestandteile eines Hauses.

Hiob war nicht zugegen gewesen, als die Morgensterne (möglicherweise Venus und Merkur; vgl. Hi 3,9 ) den Herrn lobten und die Gottessöhne (vgl. Hi 1,6;2,1 ) vor Freude darüber jauchzten, weil Gott die Erde geschaffen hatte. Wenn hier von singenden Sternen die Rede ist, so handelt es sich um eine Personifizierung, nicht um einen Hinweis auf die von den Sternen erzeugten Klänge, die mit astronomischen Instrumenten entdeckt worden sind. (In Ps 148,2-3 wird den Engeln und den Sternen geboten, den Herrn zu preisen!)



Hi 38,8-11


Während die Erschaffung der Erde dem Bau eines Hauses glich (V. 4-7 ), ähnelte die Entstehung der Meere der Geburt eines Kindes. Hiob hatte sich nicht in Gottes "Entbindungssaal" befunden, als der Herr die Ozeane, die Meere und Seen erschuf, die wie ein Kind aus dem Mutterschoß hervorgekommen waren (vgl. V. 29 ). Gott hatte den gerade hervorgequollenen Wassern durch die Ufer Grenzen gesetzt ( mit Toren verschlossen, eine Grenze und Riegel und Tore gesetzt wie bei einer Stadt). Die Wasser konnten somit nicht mehr wie am Anfang (vgl. 1Mo 1,2.9; Ps 104,9 ) den ganzen Erdkreis überfluten. Gott hatte die Wasser auf der Erde vom festen Land geschieden und die Wasser über der Erde als Wolken (vgl. 1Mo 1,6 ) gesammelt, die die Wasser der Erde in Dunkel einhüllten wie in Windeln (vgl. Hi 38,14 ). Wenn Gott davon sprach, daß er den stolzen Wellen , die an die Küste donnerten, eine Grenze setzte, so war dies vielleicht ein subtiler Hinweis darauf, daß er auch Hiobs Stolz zu bändigen wußte.

 

Hi 38,12-15


Doch Gott ist nicht nur der Herrscher über die Erde, sondern er lenkt auch den Wechsel von Finsternis und Morgenröte. Wenn der Morgen dämmert, verbergen sich die Gottlosen, die in der Nacht ihr Werk tun (vgl. Hi 24,14-17; Joh 3,19 ). Es ist, als ob das Morgenlicht die Gottlosen herausschüttelte ( Hi 38,13 ), und ihre Macht wird zerbrochen ( ihr erhobener Arm , V. 15 ; vgl. Hi 40,9 ). Wenn die Sonne aufgeht, werden die Umrisse der Erde sichtbar, und die Gottlosen finden keine Finsternis mehr vor, die sie ihr Licht nennen, da sie während der finsteren Nacht tätig sind. Hiob hatte weder bei der Erschaffung dieser Naturerscheinungen mitgewirkt, noch war er an der Herrschaft über sie beteiligt. Wie konnte er dann daran zweifeln, daß Gott richtig handelte?



Hi 38,16-18


Als nächstes stellte Gott Hiob die Frage, ob er jemals so unbekannte Orte und Phänomene erforscht habe wie (a) die Quellen des Meeres (das hebräische Wort für "Quellen", nEBek , kommt nur an dieser Stelle im Alten Testament vor und bezieht sich möglicherweise auf die Quellen, die vom Meeresgrund her in die Meere fließen), (b) den Grund der Tiefe (die Tiefen der Ozeane), (c) das Reich des Todes, von dem hier in bildhafter Form gesagt wird, daß es den Verstorbenen seine Tore öffne (vgl. Ps 9,14; Jes 38,10 ) und eine Stätte der "Finsternis" sei, und (d) die Breite der Erde.



Hi 38,19-21


Gott personifizierte das Licht und die Finsternis, indem er sagte, daß sie an bestimmten Orten wohnten. Mit rhetorischen Fragen machte er dem Kläger Hiob deutlich, daß dieser, der ja nur ein Mensch war, dem Licht bei Sonnenuntergang nicht folgen konnte, um zu sehen, wohin es ging. Er konnte auch nicht bei Sonnenaufgang der Finsternis folgen, um zu erfahren, wo sie zu Hause war. Ihre Gebiete und ihre Pfade waren für Hiob insofern unerreichbar, als er nicht erklären konnte, wie Gott den Rhythmus von Tag und Nacht geschaffen hatte und aufrechterhielt. Mit den Worten: Du weißt es ja (vgl. V. 5 ), denn zu der Zeit wurdest du geboren! unterstrich der Herr auf ironische Weise, daß Hiob es nicht wissen konnte, denn er war natürlich nicht zugegen gewesen, als Gott Licht und Finsternis voneinander trennte. Hiob zählte ja im Vergleich zu Gottes Ewigkeit (vgl. Hi 36,26 ) nur wenige Tage.



Hi 38,22-24


(2) Fragen bezüglich des Himmels ( Hi 38,22-38 )

Hiob hatte auch keine Vorstellung davon, wie Gott Schnee oder Hagel machte. Hier wird in bildhafter Sprache gesagt, daß der Herr den Schnee und den Hagel verwahrt habe (vgl. Ps 33,7; 135,7; Jer 10,13 ), um diese Naturerscheinungen zu bestimmten Anlässen gleichsam loszulassen. Wenn es während eines Kampfes hagelte (vgl. Jos 10,11 ), so war dies, wie schon Elihu ausgeführt hatte, ein Beispiel dafür, wie Gott die Elemente dazu benutzte, um den Menschen in ihrem Tun Einhalt zu gebieten ( Hi 37,6-7 ) oder um sie zu strafen ( Hi 37,13 ). Hiob konnte nicht vorhersagen, wo Gott das Licht teilte (vgl. Elihus Worte in Hi 36,30;37,15 ) oder wohin der Ostwind blies.



Hi 38,25-30


Niemand weiß, wie Gott Regen und Eis gemacht hat (vgl. Elihus Ausführungen dazu in Hi 36,27-28; 37,6.10 ). Er allein hat im Himmel eine Bahn für Platzregen und Gewitter (vgl. 28,26 ) gebrochen. Der Mensch sieht noch nicht einmal zu jeder Zeit, wo der Herr den Regen fallen läßt - dann nämlich, wenn dieser in einer Wüste oder Wildnis niedergeht.

Noch einmal wird das Bild von der Geburt aufgegriffen (vgl. Hi 38,8 ), wenn Gott Hiob fragt, ob ihm bekannt sei, aus wessen Schoß das Eis hervorgehe. Doch hier überwiegt der Gedanke der Zeugung, denn Gott fragte auch, wer der Vater von Regen, Tau und Reif sei. Dies war vielleicht eine Anspielung (und gleichzeitig ein Angriff) auf den kanaanitischen Mythos vom Regen als dem Samen der Götter, der auf die "Mutter Erde" fällt, welche dann ihre "Kinder", die Ernte, zur Welt bringt. Mit Sicherheit weiß niemand, nach welchem Plan der Herrscher der Erde den Regen auf die Erde sendet und kaltes Wetter, Tau, Eis, Raureif und zugefrorene Seen und Flüsse schafft.

 

Hi 38,31-33


(3) Fragen bezüglich der Sterne und der Wolken ( Hi 38,31-38 )

Hiob wußte, daß Gott die Sternbilder des Siebengestirns, des Orion und des Großen Bären ( Bärin ) geschaffen hatte ( Hi 9,9 ). Der Patriarch trug jedoch in keiner Weise dazu bei, daß die Sterne zusammenblieben, die unter dem Namen "Siebengestirn" bekannt sind, noch konnte er die Anordnung der Sterne des Orion verändern oder veranlassen, daß der Große Bär sich des Nachts zeigte. Weil Hiob von des Himmels Ordnungen, von den Gesetzen, nach denen der Herr die Sterne, die Planeten und den Mond lenkte, gar nichts wußte, hatte er keinerlei Recht, die Wege zu kritisieren, die Gott die Menschen gehen ließ. Gott hatte die Herrschaft über die Erde inne, nicht Hiob.



Hi 38,34-38


Der Herr demütigte den Patriarchen auch, indem er auf dessen Unvermögen hinwies, Regen niedergehen zu lassen oder Blitze auszusenden (vgl. V. 25 ). Vers 36 , der recht schwierig wiederzugeben ist, könnte auch ganz anders übersetzt werden, nämlich so, daß Gott noch einmal als Herr der Himmelserscheinungen bezeichnet würde (vgl. Rowley, Job , S. 315 - 316). Diese Übersetzung würde in den Zusammenhang passen. Wenn die herkömmliche Version jedoch korrekt ist, dann enthält Vers 36 folgende Aussage: Gott ist es, der dem Menschen Einsicht verleiht; der Mensch kann also keinesfalls weiser sein als sein Schöpfer! Niemand ist so weise, daß er die vielen Wolken zählen oder sie dazu veranlassen könnte, ihr Wasser auszuschütten (die Wolken werden hier mit Wasserschläuchen verglichen), so daß die Erdböden und die Schollen naß werden.



c. Gott befragt Hiob über die belebte Natur
( 38,39-39,30 )


Die elf an dieser Stelle beschriebenen Tiere - sechs Säugetiere, vier Vögel und eine Insektenart - legen Zeugnis ab für den schöpferischen Genius Gottes und seine liebevolle Fürsorge für seine Geschöpfe. Die Aufzählung beginnt passenderweise mit dem Löwen, dem König der Tiere, und endet mit dem Adler, dem König der Vögel (allerdings bezeichnet das Wort für Adler auch den weißköpfigen Geier; vgl. den Kommentar zu 39,27 ). Hiobs Unfähigkeit und Unkenntnis werden daran ersichtlich, daß er für die Löwen und Raben ( Hi 38,39-41 ) kein Futter herbeischaffen konnte, daß er von den Umständen der Geburt junger Gemsen und Hirschkühe nichts wußte ( Hi 39,1-4 ), daß er weder die Wildesel freiließ noch die Wildstiere zähmte ( Hi 39,5-12 ) und daß er den Straußen nicht ihre seltsamen Verhaltensweisen vorschrieb (in Hi 39,13-25 ) oder die Falken und Adler das Fliegen lehrte ( 39,26-30 ). Man könnte zwar geltend machen, daß der Mensch über die Tiere herrscht und er für viele von ihnen sorgt. Aber Gott zeigte Hiob, daß er in mancher Beziehung sogar den Tieren unterlegen war.

(1) Die Löwen und die Raben



Hi 38,39-41


Um seiner eigenen Sicherheit willen hielt sich Hiob von den Löwen fern und jagte auch nicht ihren Raub für sie. Er konnte auch die Raben nicht mit Speise versorgen, deren Junge häufig von ihren Eltern vernachlässigt wurden. Hiob konnte das Tierreich nicht ernähren. Wenn Gott also für die Raben sorgte (Jesus sagte, daß die Raben von Gott ihre Nahrung erhielten; Lk 12,24 ), die doch einen geringeren Wert als die Menschen hatten, mußte er sich dann nicht auch um die Menschen kümmern?


Hi 39,1-4


(2) Die Gemsen und die Hirschkü

Hiob wußte noch nicht einmal, wann bestimmte Tiere ihre Jungen gebären, noch war ihm der Zeitraum ihrer Tragzeit bekannt. Gemsen und Hirschkühe bringen ohne fremde Hilfe und ohne die Einsicht, die der Mensch besitzt, aber offensichtlich unter der Aufsicht Gottes, ihre Jungen zur Welt, die schnell groß werden, ihre Eltern verlassen und dann für sich selbst sorgen (vgl. die Erwähnung der "Jungen" in Hi 38,41;39,30 ). Mit dem Wort, das hier mit "Gemse" übersetzt ist, könnte der Nubische Steinbock gemeint sein, eine Ziegenart, die in der Wildnis des Nahen Ostens lebt und deren Weibchen sich verbergen, wenn sie ihre Jungen zur Welt bringen. Bis heute haben nur verhältnismäßig wenige Leute diese Ziegen beim Werfen ihrer Jungen beobachtet (Avinoam Danin, "Do You Know When the Ibexes Give Birth?" Biblical Archaeology Review 5, November-Dezember 1979, S. 50 - 51).



Hi 39,5-8


(3) Die wilden Esel und Stiere ( 39,5-12 )

Allein das Freilassen der Wildesel, die in der Steppe umherschweiften und in der Salzwüste lebten (möglicherweise in der Region des Toten Meeres), wo sie fern von jeglicher Zivilisation die Berge durchstreiften, ging über Hiobs Fähigkeiten hinaus. Nur Gott konnte das Überleben dieser Tiere sichern.



Hi 39,9-12


Hiob konnte einerseits keinen Wildesel freilassen und andererseits keinen Wildstier zähmen. Dieses Tier - möglicherweise handelte es sich um den Auerochsen - ließ sich nicht domestizieren. Hiob konnte es nicht für seine Zwecke gebrauchen, denn es würde weder wie ein zahmes Rind bei Nacht in seinem Stall bleiben noch würde es tagsüber den Pflug ziehen. Es war zwar außergewöhnlich stark, würde aber für den Menschen keine schwere Arbeit verrichten. Es würde z. B. auch keinen Karren mit Korn vom Feld zur Scheune ziehen. Wenn Hi. noch nicht einmal dieses eine wilde Tier zähmen konnte, wie konnte er dann darauf hoffen, mit Gott über dessen Handeln gegenüber dem Menschen zu streiten?


Hi 39,13-18


(4) Die Strauße, die Pferde und die Heuschrecken ( Hi 39,13-25 )

Der Strauß, auch von seinem Äußeren her ein merkwürdiger Vogel, der an die 130 kg wiegt und etwa zwei bis zweieinhalb Meter groß wird, schlägt mit den Fittichen, kann aber nicht fliegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Vögeln läßt die Straußin ihre Eier auf dem Boden liegen. Dabei legen mehrere Straußenhennen ihre Eier in einem einzigen Nest ab; ist aber im Nest kein Platz mehr, so legen sie ihre Eier außerhalb des Nestes in den Sand. Wenn sich dann andere brütende Straußenhennen auf dem Nest niederlassen oder wieder aufstehen, zertreten sie häufig diese Eier. Die offensichtliche Gleichgültigkeit oder gar Grausamkeit der Straußenhennen gegenüber ihren Jungen (V. 16 ; vgl. Kl 4,3 ) scheint ein Beweis für ihren Mangel an Weisheit und Verstand zu sein. Wenn sie überfüttert sind oder wenn sie einfach die Geduld verlieren, verlassen die Hennen unter Umständen sogar das Nest, bevor alle Jungen ausgeschlüpft sind. Nähert sich ein Mensch einem Nest, zertritt die Straußenhenne vielleicht sogar ihre Eier. Es kann auch vorkommen, daß sie sich auf die Eier in einem anderen Nest setzt und darüber ihr eigenes Nest vergißt. (Zum Verhalten der Straußenhenne vgl. George F. Howe "Job and the Ostrich: A Case Study in Biblical Accuracy", Journal of the American Scientific Affiliation , 15. Dezember 1963, S. 107 - 110). Der Straußenhenne scheint es zwar an Einsicht zu mangeln, aber dafür kann sie mit einer Geschwindigkeit von 65 km/h laufen, also schneller als ein Roß. Konnte Hiob sich auch nur vorstellen, solch einen außergewöhnlichen Vogel zu erschaffen?



Hi 39,19-25


Hiob hatte auch nicht bei der Erschaffung des Pferdes mitgewirkt; er hatte ihm nicht seine Kräfte und seine Mähne gegeben. Er hatte dem Roß auch nicht die Fähigkeit verliehen, wie die Heuschrecken zu springen, und er ließ es nicht schnauben, stampfen und sich furchtlos ins Kampfgetümmel stürzen. Der Reiter führte seine Waffen mit sich, das Pferd flog über die Erde dahin, und es wartete darauf, daß die Trompete das Signal zur Schlacht gab. Es witterte den Kampf von ferne und vernahm die Schlachtrufe. Die dichterische Kraft dieser Verse paßt zu der Beschreibung der Lebenskraft eines Pferdes. Wenn Hiob schon mit der Stärke dieses Pferdes nicht mithalten konnte, dann konnte er sich mit Sicherheit nicht dem Schöpfer dieses Pferdes gleichstellen.



Hi 39,26-30


(5) Die Falken und die Adler

Die jährliche Wanderung des Falken gen Süden nahm ohne Hiobs Einsicht ihren Lauf. Der Adler schwang sich empor und baute sein Nest in der Höhe auf steilen Felsen, von wo aus er die Beute aus großer Entfernung erspähte (vgl. Hi 28,7 ). Wenn von diesem Vogel gesagt wird, daß er Kadaver verschlinge und Blut trinke, so könnte dies darauf hinweisen, daß hier doch eher der weißköpfige Geier als der Adler gemeint ist (George Cansdale, Animals of Bible Lands , London, Paternoster Press, 1970, S. 144). Das hebräische Wort neSer kann sowohl den Adler als auch den Geier bezeichnen (vgl. Hi 9,26 ).

Dieser Blick auf nur wenige Beispiele aus der Tierwelt macht deutlich, daß Hiob, der nicht einmal in der Lage war, sich mit der Schöpfung zu messen, kaum das Recht haben konnte, den Schöpfer zu verurteilen. Gleichzeitig veranschaulichen diese Verse Gottes Freude an seiner Schöpfung. Die von ihm erschaffenen Sterne und Engel sangen Loblieder und jauchzten, als er die Erde schuf ( Hi 38,7 ), und offensichtlich erfreut sich Gott auch an der Tierwelt. Darüber hinaus gebraucht Gott die Schöpfung, um den Gottlosen Grenzen zu setzen ( Hi 38,15 ), den Menschen zu helfen ( Hi 38,23 ) und den Boden zu bewässern ( Hi 38,26.37-38 ). Gott ist der Herr über die Schöpfung; er setzt ihr Grenzen ( Hi 38,8-9,11 ) und lenkt sie nach seinen Gesetzen ( Hi 38,12.25.31-33 ). Der Herr versorgt auch die Tiere ( Hi 38,39-41;39,29-30 ); er steht ihnen bei (V. 1-4.26-28 ), läßt sie frei umherschweifen (V. 5-12 ) und gibt ihnen Kraft (V. 13-25 ). Hiob vermochte nicht, dergleichen zu tun. Es ist offensichtlich, daß Gott für seine Schöpfung, die er so sinnvoll gestaltet hat, sorgt; dennoch warf Hiob Gott vor, daß er gegenüber dem Kosmos willkürlich handle, seine Herrschaft über den Kosmos vernachlässige und seine Schöpfung weder versorge noch sich um sie kümmere.



d. Gott tadelt Hiob erneut und fordert ihn zum letzten Mal auf, ihm zu antworten
( 40,1-2 )


Hi 40,1-2


Gottes erste Rede an Hiob, die mit einem Tadel und mit der Aufforderung begonnen hatte, ihm zu antworten ( Hi 38,2-3 ), endete ebenfalls mit einem Tadel und mit der Bitte um Antwort. Der Tadel wird als Frage formuliert. Die Worte, wer Gott zurechtweist , deuten natürlich auf Hiob hin. Zweimal ( Hi 10,2;23,6 ) hatte dieser darüber nachgedacht, ob Gott wohl mit ihm einen Rechtsstreit austragen wollte ( rIB , einen Rechtsfall gegen jemanden vorbringen). Ironischerweise klagte der Herr nun seinerseits Hiob an (vgl. Elihus Worte "Warum willst du mit ihm hadern?", rIB , Hi 33,13 ). Wie konnte jener es wagen, Gott Vorwürfe zu machen? Weil Hiob den Allmächtigen angeklagt hatte, sollte er nun auf dessen Fragen antworten (vgl. "lehre mich" in Hi 38,3;40,7 ).



2. Hiobs erste Antwort an Gott
( 40,3-5 )


Hi 40,3-5


Hiob sah ein, daß der Mensch nicht der Herr der Welt ist, sondern daß Gott über die Schöpfung herrscht und für sie sorgt. Er erkannte, (a) wie unbedeutend er selbst war ( gering kommt von dem Verb qAlal , "stumm, unbedeutend, klein, gering sein") und (b) daß er keine Argumente mehr hatte, die er zu seiner Verteidigung hätte vorbringen können. Sein früheres Selbstbewußtsein ("Ich will zu Gott sagen: Verdamme mich nicht", Hi 10,2; "dann rufe, ich will dir antworten", Hi 13,22; "Du würdest rufen und ich dir antworten", Hi 14,15 ) hatte sich in demütige Unterwerfung unter den Willen Gottes verwandelt ( was soll ich antworten? ). Hiob würde sich Gott nie wieder wie ein erhabener Fürst nähern ( 31,37 ). Vielmehr gab er zu, daß er der Aufforderung des Herrn, ihm zu antworten, ( Hi 38,3;40,2 ) nicht Folge leisten konnte. Seine einzige Antwort bestand daher darin, daß er schwieg: Ich will meine Hand auf meinen Mund legen (diese Geste hatte er zuvor seinen Gefährten empfohlen: "ihr werdet... die Hand auf den Mund legen müssen", Hi 21,5 ).

Hiob hatte zu Gott gesprochen und sich dabei wiederholt ( einmal hab ich geredet und ein zweites Mal ), aber nun spürte er, daß er nicht mehr reden sollte. Dennoch war seiner Antwort auf die vorausgegangene Anklage kein Zeichen von Reue anzumerken. Hiob war gedemütigt worden, war aber noch nicht zur Umkehr bereit. Daher forderte Gott ihn auf, ihm auf weitere Fragen Antwort zu geben.



3. Gottes zweite Rede
( 40,6-41,26 )


Auch diese Rede Gottes enthielt eine Aufforderung an Hiob, ihm doch zu antworten ( Hi 40,6-7 ), einen Tadel ( Hi 40,8-14 ) und Fragen über die Natur ( Hi 40,15-41,26 ). Die erste Rede des Herrn hatte sich auf die unbelebte Schöpfung und auf die Tiere konzentriert; nun lenkte Gott Hiobs Aufmerksamkeit auf zwei Riesentiere. Diese Rede endete - im Gegensatz zur ersten - nicht mit einem abschließenden Tadel und einer nochmaligen Aufforderung, Gott zu antworten (vgl. 40,2 ).



a. Gott tadelt Hiob und fordert ihn auf, ihm zu antworten
( 40,6-14 )


Hi 40,6-8


Der Herr sprach noch einmal aus dem Wettersturm (vgl. den Kommentar zu Hi 38,1 ) und wiederholte wortwörtlich seine Aufforderung an Hiob( Hi 38,3 ), daß er sich doch wie ein Mann gürten und dann Gottes Fragen beantworten möge ( lehre mich! ). Daraufhin stellte Gott ihm eine Frage (vgl. die Fragen in Hi 38,2; 40,2 ), die einen Tadel enthielt: Willst du mein Urteil zunichte machen? Dies ist die einzige Stelle, an der Gott unmittelbar auf Hiobs Anklage Bezug nimmt.

Im zweiten Teil der Frage ( und willst du mich schuldig sprechen, daß du recht behältst ) wird das Verb rASaZ , "gottlos handeln" oder "als gottlos verurteilen", mit "schuldig sprechen" übersetzt. Der Gebrauch dieses Wortes ist sehr interessant, denn der Begriff wurde bereits mehrere Male im Buch Hiob verwendet. Hiob hatte gesagt, er würde verurteilt, auch wenn er im Recht wäre, denn sein Mund würde ihn verdammen ( Hi 9,20 a). Dann hatte er Gott bitten wollen, ihn nicht zu verurteilen ( Hi 10,2 ). Elifas hatte zu Hiob gesagt, daß er, der Leidende, sich mit seinen Worten selbst verurteilte ( Hi 15,6 ), und Elihu hatte den drei anderen Ratgebern vorgeworfen, Hiob verurteilt zu haben ( Hi 32,3 ). Nun erklärte Gott, daß er von Hiob schuldig gesprochen worden sei! In seinem Verlangen nach Selbstrechtfertigung (d. h. um zu beweisen, daß er nicht ungerecht gehandelt hatte) hatte der Patriarch sich zu der Behauptung verstiegen, daß Gott ihn ungerecht behandelt habe!



Hi 40,9-14


Wer mit dem Herrn rechten will, der muß auf derselben Stufe stehen wie er, was allerdings auf keinen Sterblichen zutrifft. Hiob besaß nicht Gottes Kraft (der Arm ist ein Symbol für Stärke; vgl. Hi 38,15; Ps 89,14; Jes 40,10; vgl. den Begriff Hand in Hi 40,14 ). Er konnte durch seine Stimme niemanden in Schrecken versetzen. Wenn Hiob somit in keiner Weise zur Herrschaft über die Welt befähigt war und nicht die Macht besaß, das Falsche darin auszumerzen, wie konnte er sich dann das Recht anmaßen, am Herrn der Welt Kritik zu üben?

Wenn Hiob Vorwürfe gegen den Allmächtigen erhob, dann mußte er zunächst beweisen, daß er das Universum regieren konnte. Hiob hatte Gott geschmäht und damit im Grunde genommen die göttliche Autorität an sich gerissen. Er hatte versucht, sich selbst an Gottes Stelle zu setzen. Deshalb - so folgerte der Herr - sollte er beweisen, daß er dazu imstande war, die Herrschaft über die Welt auszuüben. Er sollte sich mit Gottes Pracht und Hoheit, mit seiner Majestät und Herrlichkeit schmücken. Natürlich war ihm noch nicht einmal das möglich. Auch sollte Hiob seinen Zorn entfesseln und die Frevler und Hochmütigen allein dadurch demütigen, daß er sie anschaute (auch der Leviatan blickt die Hochmütigen an; Hi 41,26 ) und sie dann vernichtete und begrub. Hiob hatte Gott vorgeworfen, daß er die Gottlosen nicht bestrafe ( Hi 21,29-31;24,1-17 ). Nun forderte Gott voller Ironie Hiob dazu auf, diese Aufgabe zu übernehmen, damit man sehen konnte, ob er sie vielleicht besser ausführte. Nur wenn jener sich dieser gewaltigen Aufgabe gewachsen zeigte, würde der Herr die Unabhängigkeit des Anklägers, seine Selbstgenügsamkeit und die Stichhaltigkeit seiner Kritik anerkennen.



b. Gott stellt Hiob Fragen über zwei Riesentiere
( 40,15-41,26 )


In seiner ersten Rede hatte der Herr Hiob einen Einblick in das Naturgeschehen verschafft und war dann auf elf Tiere näher eingegangen. In seiner zweiten Rede konzentrierte er sich auf zwei Tiere. Gott beeindruckte Hiob hier, indem er ihm seine eigene Schwächlichkeit und zugleich Gottes gewaltige Macht vor Augen führte.

Über die Frage, um welche beiden Tiere es sich hier handelt, gehen die Meinungen der Ausleger weit auseinander. Gegen die Auffassung, daß der Behemot ( Hi 40,15-24 ) und der Leviatan ( Hi 40,25-41,26 ) mythologische Gestalten seien, sprechen folgende Tatsachen: (1) Gott befahl Hiob: "Siehe da den Behemot" ( Hi 40,15 ). (2) Gott hatte selbst gesagt, daß er den Behemot "geschaffen" hatte, so wie er auch der Schöpfer Hiobs war ( Hi 40,15 ). (3) Die detaillierte Beschreibung des Körperbaus beider Ungeheuer deutet eher auf wirkliche Tiere als auf Fabelwesen hin. (4) Die in den Mythen vorkommenden Wesen hatten zwar Ähnlichkeit mit tatsächlich existierenden Tieren, besaßen jedoch auch übernatürliche Eigenschaften. (5) Die elf in Hi 38,39-39,30 beschriebenen Tiere existierten wirklich, so daß man annehmen kann, daß auch diese beiden Lebewesen wirkliche Tiere waren. (6) Zwar nimmt die Bibel bisweilen auf den Leviatan als mythologisches Wesen Bezug (z. B. Hi 3,8; Ps 74,14; Jes 27,1 ), doch an anderen Stellen spricht sie von ihm als von einem Geschöpf Gottes. In Joe 1,20 ist "Behemot" einfach die Bezeichnung für "wilde Tiere" (vgl. Ps 104,25 ).

Obwohl hier also vermutlich wirkliche Tiere gemeint sind, könnten sie auch für die Hochmütigen, die Gottlosen in der Welt stehen. Im damaligen Nahen Osten symbolisierten diese Lebewesen mit ihrer rohen Kraft ( Hi 40,16-18; 41,4.14.17-21 ) und ihrer Neigung, das Wasser aufzuwühlen ( 41,23-24 ), die Chaos erzeugende Wirkung des Bösen. (Dies könnte erklären, warum das Krokodil zum Vorbild eines mythologischen Drachens wurde.) In Ägypten gab es einen Ritus, bei dem der Pharao (mit Unterstützung anderer) vor seiner Thronbesteigung ein männliches Nilpferd, mitunter auch ein Krokodil, harpunierte, um auf dramatische Weise seine Fähigkeit zur Beseitigung des Chaos und zur Bewahrung der Weltordnung zu demonstrieren. Der König konnte diese schwierige Aufgabe nach allgemeiner Auffassung nur deshalb ausführen, weil er übermenschliche, gottähnliche Kräfte besaß. Der Herr zeigte Hiob jedoch, daß er nicht über solche Fähigkeiten verfügte. Wenn er noch nicht einmal die tierischen Verkörperungen des Bösen zu besiegen vermochte, wie konnte er dann die Gottlosen unterwerfen?

Die Beziehung beider Tiere zum Wasser ( Hi 40,21-23; 41,23-24 ) verknüpft diese Rede mit der ersten Rede Gottes ( Hi 38,8-11.16 ).

(1) Der Behemot



Hi 40,15-24


Gott machte eine Reihe von Aussagen über den Behemot. Er sagte, daß er ebenso wie Hiob ein Geschöpf sei (V. 15 ), und sprach von seiner Nahrung (V. 15 ), seiner Körperkraft (V. 16-19 ), seinem Aufenthaltsort (V. 20-23 ) und seiner Wildheit (V. 24 ). Das Wort Behemot ist der Plural des Wortes für "wildes Tier". Da in den Versen 15-24 nur ein Tier beschrieben wird, weist der Plural möglicherweise auf dessen Größe hin. Man hat dieses Tier als Elefanten, Nashorn, Brontosaurus (ein pflanzenfressender Dinosaurier), Wasserbüffel und Nilpferd gedeutet. Die häufige Annahme, daß der Behemot ein Nilpferd gewesen sei, wird durch verschiedene Beobachtungen gestützt: (1) Das Tier ist ein Pflanzenfresser ( es frißt Gras wie ein Rind ; V. 15 ). Daher fürchten sich die wilden Tiere nicht vor seinem Angriff (V. 20 ). (2) Es besitzt große Kraft in seinen Lenden, seinen Bauchmuskeln, seinem Schwanz, seinen Schenkeln und in seinen Knochen, die wie Metallstäbe sind (V. 16-18 ).

Im Gegensatz zum Elefanten besitzt das Nilpferd besonders kräftige Bauchmuskeln. Die Aussage, daß der Schwanz des Tieres sich wie eine Zeder streckt (womit möglicherweise der Ast einer Zeder, nicht jedoch ihr Stamm gemeint ist), hat manche Ausleger glauben lassen, daß mit "Schwanz" hier der Rüssel eines Elefanten gemeint ist. Ugaritische Parallelen legen jedoch nahe, daß das Wort für "strecken" (es kommt im gesamten AT nur an dieser Stelle vor) genaugenommen "steif halten" bedeutet und nicht etwa impliziert, daß das Tier einen langen Schwanz hatte. Man hat nun aber beobachtet, daß der Schwanz des Nilpferdes sich versteift, wenn das Tier erschreckt wird oder sich schnell bewegt. (3) Das Nilpferd war wohl das größte im damaligen Nahen Osten bekannte Tier ( er ist das erste der Werke Gottes ; V. 19 ). Ein ausgewachsenes Nilpferd wiegt oft über 3500 kg. "Vielleicht gab es eine besonders große Nilpferdart, die zu jener Zeit im Gebiet des Jordan lebte, und möglicherweise übertraf deren Größe sogar noch die des Elefanten ..." (Gleason L. Archer, Jr., The Book of Job , S. 107). (4) Das Nilpferd kann auch kaum gefangen oder harpuniert werden, wenn nur seine Augen oder seine Nase über der Wasseroberfläche sichtbar werden (V. 24 ). (5) Einem Nilpferd, das im Schlamm verborgen liegt, macht es nichts aus, wenn der Strom, in dem es beheimatet ist und aus dem es seine Nahrung bezieht, stark anschwillt (V. 21-23 ). Einen Elefanten oder Brontosaurus würde man wohl nicht auf diese Weise beschreiben. Ein in Bewegung geratener Fluß würde kaum in das Maul dieser Tiere hineinfließen.



Hi 40,25-41,3


(2) Der Leviatan ( Hi 40,25-41,26 )

Ein Strick, eine Angel, eine Fangschnur und ein Haken waren ungeeignet, um den Leviatan zu fangen ( Hi 40,25-26 ). Man konnte ihn nicht zähmen, denn er bat die Menschen nicht um Gnade (das Tier wird hier personifiziert), und war auch nicht bereit, ihr Knecht zu werden ( Hi 40,27-29 ). Die Händler konnten das Tier nicht verkaufen, denn es wurde kaum jemals gefangen ( Hi 40,30 ). Auch mit größeren Fischfanggeräten, Spießen oder Fischerhaken ( Hi 40,31 ) ließ sich nichts ausrichten. Die Menschen fürchteten ja bereits den Anblick des Leviatan. Daher würde niemand es wagen, ihn zu reizen ( Hi 41,1-2 ). Gott sprach von diesem furchteinflößenden Tier, um Hiob klar zu machen, daß der Mensch in keiner Weise vor dem Herrn bestehen oder ihm entgegentreten konnte. Wenn Hiob von Schrecken erfaßt würde, wenn er den Leviatan erblickte, wie könnte er es dann wagen, gegen dessen Schöpfer aufzubegehren und ihm zu sagen, daß er falsch gehandelt habe? Im Vergleich zu diesem wilden Tier war Hiob schwach, aber verglichen mit dem Allmächtigen war er völlig ohnmächtig.



Hi 41,4-9


Gott beschrieb Hiob nun das Aussehen des Leviatan ( Hi 41,4-16 ). Aufgrund der machtvollen Erscheinung ( Hi 41,4 ) dieses Tieres, seines schützenden Panzers aus widerstandsfähiger Haut ( Hi 41,5 ), seiner Kiefer ( den Toren seines Rachens) , die ein Mensch nicht mit bloßen Händen aufstemmen konnte ( Hi 41,6 ), und seiner scharfen Zähne, die jedermann in Angst und Schrecken versetzten ( Hi 41,6-9 ), war es sehr schwierig, den Leviatan einzufangen.



Hi 41,10-13


Auch die Bewegungen, die dieses Riesentier mit seiner Nase, seinen Augen und seinem Maul machte, versetzten die Menschen in Panik. Wenn ein Krokodil, das etwa fünf Minuten lang unter Wasser bleiben kann, plötzlich auftaucht, um Luft zu holen, und wenn es dann das Wasser aus seinen Nüstern herausbläst, so kann dieser Sprühnebel im Sonnenlicht durchaus wie lichte Lohe glänzen. Wenn das Reptil aus dem Wasser auftaucht, sieht man zuerst ( wie die Wimpern der Morgenröte ) seine kleinen Augen, deren Pupillen denen von Katzenaugen ähneln. Interessanterweise stehen in der ägyptischen Hieroglyphenschrift Krokodilaugen für die Morgendämmerung (Victor E. Reichert, Job , S. 216).

Deuten die Fackeln und die feurigen Funken , die aus dem Rachen des Tieres kamen, und der Rauch und die Lohe , die aus seinen Nüstern aufstiegen ( Hi 41,11-13 ), nicht vielleicht doch darauf hin, daß es sich hierbei um einen Drachen aus der Mythologie handelte? Keineswegs. Diese Ausdrücke dürften eher als Bilder verstanden werden, mit denen Gott sagen wollte, daß das Wasser, das der Leviatan aus Maul und Nase spritzte, im Sonnenlicht Funken zu sprühen schien. Diese poetische Ausdrucksweise sollte vielleicht sogar durch Übertreibung das furchterregende Wesen dieses wilden Tieres herausstellen. Mit Hilfe einer solchen Bildersprache werden allerdings auch mythologische Drachen beschrieben (Vgl. den Kommentar in "B. Gott stellt Hiob Fragen über zwei Riesentiere ( Hi 40,15-41,26 )".)



Hi 41,14-17


Mit seinem kräftigen Nacken, seinem festen (vgl. V. 7 ) Fleisch und seiner ungewöhnlich harten Brust ("Herz") versetzte der Leviatan die Menschen in Schrecken. Wenn er sich aus dem Wasser erhob, fürchteten sich auch die Starken und flohen. Der hebräische Ausdruck, der hier mit "Wenn er sich erhebt" übersetzt wird, bedeutet eigentlich "sein stolzes Erheben". Hiob hatte gesagt, daß Gottes "stolzes Erheben" ("Hoheit" in Hi 31,23 ) ihn in Schrecken versetzt habe und auch die drei Freunde ängstigen werde ( 13,11 ). Hiob war durch Gottes Hoheit in Schrecken versetzt worden. Damit war völlig unvereinbar, daß er ihm entgegentreten wollte.



Hi 41,18-26


Die großen Jäger (vgl. V. 17 ) jener Tage griffen den Leviatan nur selten an, denn ihre übliche Bewaffnung - das Schwert, der Spieß, das Geschoß und der Speer - drang in die widerstandsfähige Haut der Tiere nicht ein (V. 15 ). Geräte aus Eisen oder Erz konnten von diesem Tier leicht zerbrochen werden. Auf den Leviatan abgeschossene Pfeile oder Schleudersteine prallten an ihm ab, ohne irgend etwas auszurichten. Ein Krokodil konnte auch mit einer Keule oder einer Lanze nicht zur Strecke gebracht werden.

Die Haut am Bauch hat so scharfe Konturen, daß das Tier im Schlamm Spuren hinterläßt, die denen eines Dreschschlittens gleichen. Wenn es in einem Fluß schwimmt, wühlt es das Wasser so sehr auf, daß dieses aussieht, als brodle es. Gott verglich das schäumende Wasser mit einem Topf, in dem Salbe gemischt wird.

Auch die Geschwindigkeit, mit der sich der Leviatan bewegt, versetzt alle anderen Kreaturen in Schrecken. Er durchschwimmt das Wasser so schnell, daß er eine leuchtende Bahn hinterläßt, d. h. schaumgekrönte Wellen, die wie Silberhaar aussehen.

Nichts gleicht diesem Geschöpf ; es fürchtet sich vor nichts und niemandem, aber alle fürchten sich vor ihm, sogar große Tiere ( was hoch ist ). Dieses unbesiegbare Lebewesen ist der König über die stolzen Tiere und Menschen. Hiob konnte keinen Frevler demütigen, indem er ihn lediglich anschaute ( Hi 40,11-14 ), während der Leviatan dies vermochte, obwohl er nur ein Tier war. Gottes abschließende Feststellung, daß dieses Tier allem Hohen ins Auge sehe und die Stolzen überrage, sollte Hiob wohl daran erinnern, daß sein Stolz vor Gott , dem Schöpfer dieses Ungeheuers, sowohl unbedacht als auch gefährlich war.

In seiner zweiten Rede ( Hi 40,6-41,26 ) hatte Gott Hiob aufgefordert, doch diese wilden Tiere zu unterwerfen - eine Aufgabe, der er offensichtlich nicht gewachsen war -, wenn er die Ordnung in Gottes Universum aufrechterhalten wollte. Der Patriarch war darüber ungehalten gewesen, daß Gott die Bösen nicht heimgesucht hatte; nun hatte Gott ihm klargemacht, daß er nicht die Macht besaß, um anstelle des Höchsten die Herrschaft über das Böse anzutreten und es zu unterwerfen, denn er konnte ja noch nicht einmal die durch jene Tiere verkörperten Symbole des Bösen unterwerfen. Der Herr hatte diese geschaffen , woraus hervorgeht, daß die Kräfte des Bösen ganz und gar Gott unterworfen sind. Dieser läßt das Böse eine Zeitlang regieren, so wie er auch dem Satan erlaubt hatte, Hiob zu prüfen ( Hi 1,12;2,6 ).

Der Mensch kann das Nilpferd oder das Krokodil ohne Hilfe oder Hilfsmittel nicht unterwerfen ( Hi 40,15 ). Er kann auch nicht das Böse in der Welt besiegen, das diese Tiere symbolisieren. Nur Gott allein hat die Macht dazu. Daher war Hiobs trotzige Haltung, aus der heraus er Gottes Gerechtigkeit gegenüber dem Universum in Frage gestellt hatte (als wäre der Herr unfähig, seine Aufgabe zu erfüllen, oder gar böse!), vollkommen absurd und unangebracht.



4. Hiobs zweite Antwort an Gott
( 42,1-6 )


Hi 42,1-2


In seiner ersten Antwort ( Hi 40,3-5 ) hatte Hiob seine Begrenztheit zugegeben, als er sich mit Gottes vielen Wundern in der Natur - über, auf und unter der Erde - konfrontiert sah. Er hatte jedoch weder Gottes Souveränität anerkannt noch seinen Stolz als Sünde bekannt. In seiner zweiten Antwort an Gott tat Hiob endlich diesen Schritt. Er war von der Kraft und der Wildheit des Behemot und des Leviatan überwältigt und erkannte seine eigene Unfähigkeit, das Böse zu besiegen und zu beherrschen, für das diese beiden Tiere standen. So wurde er sich nun von neuem der gewaltigen Macht Gottes und seiner allmächtigen Herrschaft bewußt. Hiobs Worte: Ich erkenne, daß du alles vermagst machen deutlich, wie töricht es von ihm gewesen war, Gottes Herrschaft über das Universum in Frage zu stellen. Seine Versuche, Gottes Pläne zu durchkreuzen, hatten sich als vergeblich herausgestellt.


Hi 42,3


Hiob zitierte Gottes Frage: Wer ist der, der den Ratschluß verhüllt mit Worten ohne Verstand? , um zu zeigen, daß der Herr recht hatte. Der Patriarch hatte geredet, ohne Erkenntnis zu besitzen (das hatte auch Elihu festgestellt; Hi 34,35; 35,16 ); er hatte von Zusammenhängen der Schöpfung gesprochen, die er nicht begreifen konnte und die für ihn zu hoch (vgl. "Wunder" in Hi 37,14 ) waren oder ihm zuviel Furcht einflößten, als daß er sie hätte verstehen können. Hiob verwarf nun seine frühere Auffassung, daß Gott unfähig sei, die Welt in Gerechtigkeit zu regieren. Auch die Vorstellung, daß er alle Anklagen Gottes kühn zurückweisen könnte ( Hi 23,4-7;31,35-36 ), hatte er aufgegeben.



Hi 42,4-5


Noch einmal zitierte Hiob die Worte des Herrn, und zwar diesmal jene, mit denen Gott ihn zu Beginn seiner beiden Reden dazu aufgefordert hatte, ihm doch zu antworten ( Hi 38,3;40,7 ): ich will dich fragen, lehre mich! Wenn Hiob hier wiederum Gottes Worte zitierte, so war das gleichsam ein Eingeständnis seiner Unfähigkeit, auch nur eine der vielen rhetorischen Fragen des Allmächtigen zu beantworten. Der Patriarch gab zu, daß er Gottes "naturwissenschaftliche Prüfung" nicht bestanden hatte.

Hiob hatte von Gottes Handeln bisher nur vom Hörensagen vernommen. Der Ankläger war bei der Schöpfung nicht als Augenzeuge dabeigewesen, eine Tatsache, auf die der Herr schon zu Beginn seiner ersten Rede ( Hi 38,4-11 ) Hiobs Aufmerksamkeit gelenkt hatte. Dieser hatte große Bereiche der Schöpfung Gottes ( Hi 38,16-24; 39,1-4 ) noch nicht einmal direkt betrachten können. Seine Schau des gesamten Werkes Gottes war daher begrenzt und stammte nur aus zweiter Hand.

Da sich Gott nun aber unmittelbar an Hiob gewandt hatte, war dieser einer Erfahrung teilhaftig geworden, die über seine frühere Erkenntnis hinausging: nun hat mein Auge dich gesehen . Dieses Schauen des Herrn, womit wohl eher eine geistliche Schau als ein Sehen im physischen Sinne gemeint ist, vermehrte Hiobs Einsicht und veranlaßte ihn dazu, sich vor Gott niederzuwerfen. Diese neugewonnene Gotteserkenntnis war mit seinen früheren, von Unwissenheit geprägten Vorstellungen nicht zu vergleichen. Die persönliche Begegnung mit Gott beendete seine Einwände und vergrößerte seine Ehrfurcht vor dem Allmächtigen.



Hi 42,6


Nachdem Hiob Einblick in die Wege und das Wesen Gottes erhalten hatte (V. 5 ) - in seine Schöpferkraft, seine allmächtige Herrschaft, seine Fürsorge und Liebe -, bekannte er, wie unwürdig er selbst war, und tat Buße. Die Worte: Darum spreche ich mich schuldig bedeuten, daß Hiob seine früheren, voller Stolz vorgebrachten Anschuldigungen gegen Gott verwarf. Der Herr hatte ihn bereits wegen seiner Anklagen und Vorwürfe gegen den Höchsten und wegen seines Mißtrauens ihm gegenüber zurechtgewiesen ( Hi 40,2 ). Hiob tat nun Buße in Staub und Asche , womit er seine Selbsterniedrigung (vgl. 1Mo 18,27 ) zum Ausdruck brachte. Wenn jemand Staub in die Luft warf, so daß er auf seinen Kopf fiel (vgl. Hi 2,12 ), sich in oder neben die Asche setzte oder sich Asche aufs Haupt streute (vgl. Hi 2,8; Jes 58,5; Dan 9,3 ), dann wollte er damit seiner Demut Ausdruck verleihen. Zuvor hatte Hiob auf diese Weise über seinen verlorenen Besitz getrauert; nun aber trauerte er über seine Sünde.

Offensichtlich tat Hiob keine Buße für die Sünden, die seine drei Freunde ihm zur Last gelegt hatten. Er hielt beharrlich an seinem Standpunkt fest, daß sein Leiden keine Strafe für Sünden sei, die er vor seinem Unglück begangen hatte ( Hi 27,2-6 ). Vielmehr waren Bitterkeit und Stolz die Folgen davon gewesen, daß Hiob seinen Besitz, seine Familie und seine Gesundheit verloren hatte ( Hi 32,2; 33,17; 35,12-13; 36,9; 37,24 ), ein Punkt, auf den Elihu bereits eingegangen war. Zuerst war Hiobs Reaktion auf das Leid ja beispielhaft gewesen ( Hi 1,21-22;2,10 ). Jetzt erkannte der Patriarch, daß auf Gottes Aufforderung, es ihm, dem Allmächtigen, gleichzutun, keine Entgegnung möglich war ( Hi 40,10 ) und daß niemand Gott anklagen konnte. Hiob hatte eingesehen, daß Gott dem Menschen gegenüber zu nichts verpflichtet ist. Da endeten seine Fragen, und sein Unmut verschwand. Sein Verlangen war nun gestillt, denn Gott hatte zu ihm über sein Wesen, nicht jedoch über Hiobs Schwierigkeiten gesprochen. Nun war der Patriarch gewillt, dem Allmächtigen zu vertrauen, dessen Wege vollkommen waren ( Ps 18,31 ), und zwar auch dann, wenn er sie nicht verstehen konnte. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß Gott ihm seine frühere Sünde, den Hochmut, vergeben hatte.


III. Nachwort
( 42,7-17 )


Dieser Abschnitt ist wie der Beginn des Buches ( Hi 1-2 ) in Prosa verfaßt. Gott wandte sich nun den drei Kritikern zu, ehe er Hiobs Wohlstand wiederherstellte und ihm noch einmal eine Familie schenkte.



A. Gott verurteilt die Freunde Hiobs
( 42,7-9 )


Hi 42,7


Der Herr wandte sich an Elifas , der möglicherweise der älteste der drei Freunde war, und sprach von dem Zorn, den er gegen ihn und seine beiden Gefährten hegte (in ähnlicher Weise hatte Elihu auf die Reden der drei Freunde reagiert; Hi 32,3 ), denn sie hatten nicht recht von Gott geredet wie sein Knecht Hiob . Die drei Gefährten hatten Gott verteidigen wollen und mußten sich nun selbst verteidigen. Wie Hiob vorausgesagt hatte ( Hi 13,7-9 ), nahm die Sache für sie kein gutes Ende. Sie hatten geglaubt, Gottes Wege zu kennen, aber diesen Ausgang hatten sie nicht erwartet! Die Worte mein Knecht Hiob , die Gott in Hi 42,7-8 insgesamt viermal wiederholte, deuten darauf hin, daß der Patriarch wieder zum vertrauensvollen und gehorsamen Knecht des Herrn geworden war (vgl. Hi 1,8;2,3 ).

Indem die drei Wortfechter darauf bestanden hatten, daß das Leid immer eine Strafe für die Sünden sei, hatten sie die Wege des Allmächtigen einzuschränken versucht, obwohl dieser doch das Leid auch für andere Zwecke einsetzen kann. Infolgedessen hatten sie den unschuldigen Hiob in grausamer Weise beschuldigt.

Inwiefern hatte Hiob jedoch "recht" von Gott geredet? Hatte er nicht immer wieder voller Stolz den Herrn zum Rechtsstreit herausgefordert und ihn der Ungerechtigkeit und des ungerechtfertigten Schweigens angeklagt? Ja, aber er hatte nun für seine vermessenen Anklagen Buße getan ( Hi 42,6 ), und Gott hatte ihn daraufhin wieder angenommen. Darüberhinaus hatte er niemals Gott geflucht, obwohl Satan vorhergesagt hatte, daß er dies tun werde, und obwohl seine Frau ihn dazu gedrängt hatte ( Hi 1,11; 2,5.9 ), wenn er auch diesem Punkt sehr nahe kam. Zwar hatte Hiob lange mit Gott gerechtet, doch er hatte ihm nicht abgeschworen. Seine Auffassung von der Macht und Weisheit des Herrn traf eher zu als die Ansichten seiner drei Gefährten.



Hi 42,8-9


Zu ihrer größten Überraschung und zu ihrem Verdruß befahl der Herr den drei Kritikern, ihm ein großes Brandopfer mit sieben jungen Stieren und sieben Widdern darzubringen. Hiob sollte für sie Fürbitte tun (vgl. seine frühere Tätigkeit als Priester; Hi 1,5 ). Sie waren noch nie für ihn eingetreten, und nun sollte Hiob, den sie verdammt und gequält hatten und der ihre Ratschläge zurückgewiesen hatte, sich für sie einsetzen. Welch bittere Ironie!

Die drei Wortfechter hatten Gottes Gerechtigkeit verteidigt, indem sie Hiob angeklagt hatten. Nun erkannten sie jedoch, daß es Gott um mehr als nur um Gerechtigkeit geht; zu seinem Wesen gehören auch Liebe und Gnade. Sie mußten jetzt die Buße, die sie Hiob empfohlen hatten, selbst tun. Indem Gott sie direkt angesprochen hatte, hatte er sie zum Verstummen gebracht und zurechtgewiesen. Elihu war von der Buße ausgenommen, denn obwohl nicht alle seine Ansichten über Hiobs Lage zutrafen, war er der Wahrheit doch näher gekommen als die drei anderen Männer.

Hiob hatte nach einem Mittler zwischen ihm und Gott verlangt ( Hi 16,19-21 ), da seine drei Landsleute nicht für ihn eintraten; ironischerweise wurde er nun selbst zum Mittler für sie , obwohl sie nicht um einen Fürsprecher gebeten hatten.



B. Gott gibt Hiob wieder Besitz und Familie
( 42,10-17 )


Hi 42,10-11


Hiob hatte Gottes Erhabenheit erkannt und daraufhin Buße getan, und das ebnete den Weg dafür, daß er auch seinen drei Freunden vergeben und im Gebet für sie eintreten konnte. Seine Bereitschaft, jenen zu verzeihen, setzte wiederum den Segen Gottes über dem Patriarchen frei. Seine schmerzhafte Krankheit heilte ab, falls dies nicht schon sofort nach seiner Buße geschehen war (V. 6 ).

Alle Brüder und Schwestern Hiobs und alle, die ihn früher gekannt hatten (wobei möglicherweise die drei Gefährten miteingeschlossen waren!) und die ihn dann im Stich gelassen hatten ( Hi 19,13-19 ), hörten von seiner Wiederherstellung. Sie kamen und aßen mit ihm in seinem Hause. Sie trösteten ihn über sein Unglück ( rAZCh , "Elend"), obwohl es ihn sicherlich mehr getröstet hätte, wenn sie früher gekommen wären. Dieses Leid war, wie Hiob selbst erkannt hatte ( Hi 1,21;2,10 ), vom Herrn gekommen (auch wenn Satan der Ausführende gewesen war). Die Verwandten und Bekannten bewiesen ihre Freundlichkeit, indem jeder ihm ein Goldstück ( q+RIFCh , ein Wort, das nur an dieser Stelle und in 1Mo 33,19 und Jos 24,32 vorkommt) und einen goldenen Ring (nezem) gab, womit entweder ein Stirnreif ( 1Mo 24,22 ) oder ein Ohrring ( 1Mo 35,4 ) gemeint ist.



Hi 42,12


Gott gab Hiob doppelt so viele Herden, wie er zuvor besessen hatte (V. 10 ; vgl. Hi 1,3 ), so daß es ihm in seinen letzten Lebensjahren besser ging als zuvor. Vielleicht verwendete er das Gold, das er von seinen Brüdern, Schwestern und Landsleuten bekommen hatte, um neue Herden zu erwerben, die sich im Laufe der Zeit vergrößerten.

Bedeutete dieser Überfluß an materiellem Segen, daß die Theorie der drei selbsternannten Verteidiger Gottes am Ende doch richtig war? (Sie hatten gesagt, daß auf Buße Wohlstand folge; Hi 5,8.17-26; 8,5-7.21; 11,13-19 .) Nein, denn daß Gott Hiob wieder zu Wohlstand kommen ließ, war ein Geschenk der Gnade Gottes und ergab sich nicht zwingend aus Gottes Gerechtigkeit. Weil Hiob - ohne es zu wissen - Satan dadurch zum Verstummen gebracht hatte, daß er Gott nicht fluchte, und weil er wegen seines Stolzes Buße getan hatte, brauchte er nicht länger zu leiden. Wenn Gott ihm seinen früheren Besitz wiedergegeben hatte, so zeigte dies seinen Freunden, daß der Herr ihn wiederhergestellt hatte. Darüber hinaus leugnet das Buch Hiob nicht den allgemeinen biblischen Grundsatz, daß Gott den Gerechten segnet. Aber die Bibel macht deutlich, daß dieser Grundsatz hier auf Erden keine uneingeschränkte Gültigkeit besitzt. Der Allmächtige verfolgt seine eigenen Ziele, wenn er die Menschen segnet oder ihnen seine Gnadengaben vorenthält.



Hi 42,13-15


Hiobs Kummer über den Verlust seiner zehn Kinder wurde durch die Geburt von wiederum zehn Kindern etwas erleichtert, wenn auch wohl nicht beseitigt. Wir erfahren, wie seine drei Töchter hießen, während uns die Namen der übrigen sieben Kinder nicht mitgeteilt werden. Jemima bedeutet "Turteltaube", Kezia "Zimtduft" (aus Kassiarinde, von q+QIZCh , wird Parfüm gemacht), und Keren-Happuch bedeutet "Horn für die Augenschminke" (Tierhörner dienten als Gefäße für Augenschminke, mit der Wimpern, Lider und Augenbrauen gefärbt wurden). Diese Namen zeugen von der Schönheit und Anmut, für die die Mädchen bekannt waren. Interessant ist, daß die Töchter Hiobs mit ihren Brüdern das Erbteil teilten - eine ungewöhnliche Erscheinung zu jener Zeit. Im weiteren Verlauf der Geschichte Israels konnte eine Tochter nur dann das Vermögen ihres Vaters erben, wenn sie keine Brüder hatte ( 4Mo 27,8 ).

Hiob

Hi 42,16-17


Nach dieser schweren Prüfung lebte Hiob noch hundertundvierzig Jahre. Wenn er etwa 70 Jahre zählte, als das Unheil über ihn hereinbrach, war er am Ende seines Lebens etwa 210 Jahre alt. Nach der jüdischen Tradition betrug die Zahl der Jahre nach Hiobs Wiederherstellung (140 Jahre) genau das Doppelte seines vorherigen Alters (70 Jahre). Hiob sah seine Nachkommen bis in die vierte Generation, d. h. er lebte so lange, daß er noch seine Ururenkel sehen konnte. Sein Tod trat nicht ein, als er durch all seine Verluste hart geprüft wurde (damals sehnte er sich nach dem Tod, Hi 3,20-26; 10,18-22 ), sondern später, als er alt und lebenssatt war.

Dieses Buch, das möglicherweise das älteste der ganzen Bibel ist, behandelt die beiden schwierigsten Probleme des gläubigen Menschen: die Frage nach dem Leid und nach der Beziehung zwischen Mensch und Gott. Hiobs Erfahrung vermittelt die Erkenntnis, daß die Verehrung des Allmächtigen durch den Menschen sich nicht auf eine Art Geschäftsvertrag gründet, der dem Menschen eine materielle Belohnung für seine Frömmigkeit garantiert. Die Beziehung des Menschen zu Gott folgt keinen bestimmten Gesetzen, aufgrund derer Gott dazu verpflichtet wäre, den Menschen für jede gute Tat zu belohnen. Vielmehr obliegt es dem Menschen, sich auf Gott zu verlassen, ihn unabhängig von den Umständen zu verehren und darauf zu vertrauen, daß er vollkommen ist, auch wenn man seine Wege oft nur schwer begreifen kann.

Wenn Menschen in Not sind, so bedeutet dies nicht, daß Gott die Seinen verlassen hat. Vielmehr verfolgt er mit ihnen Pläne, die die Leidenden vielleicht nicht erkennen. Wenn ein Gerechter schuldlos leidet, so ist das unter Umständen niemals ganz verständlich. Der Betreffende kann aber trotzdem erkennen, daß Gott hinter allem steht, daß er ihn noch immer liebt und sich um ihn kümmert. Dies hatte auch Hiob erfahren. Die drei Ankläger hatten behauptet, daß die Absicht Gottes, die hinter dem Leiden steht, stets die Züchtigung (also die Bestrafung der Sünde) sei. Hiob hatte geglaubt, daß Gott sich entschlossen habe, ihn zu vertilgen ; Elihu hatte betont, daß der Zweck seines Unglücks die Korrektur sei. Gott hatte jedoch mit der Heimsuchung Hiobs zwei Ziele verfolgt: Er wollte einen Beweis führen (den nämlich, daß die Behauptungen Satans über Hiob unbegründet waren), und er wollte Hiobs geistliche Erkenntnis vermehren . Deshalb ist es immer falsch, wenn ein Glaubender Gott angreift, ihn beschimpft, ihn herausfordert, ihn anklagt, ihn reizt oder versucht, ihn in die Enge zu treiben. All das hatte Hiob ja getan. Wer Gottes Weisheit kritisiert, beweist nur seine eigene Dummheit. Die Kluft zwischen Gott und Mensch läßt für Stolz und Selbstzufriedenheit keinen Raum.

Hiob erhielt keine Erklärungen für sein Elend; er gelangte jedoch zu einer wesentlich tieferen Einsicht in die Erhabenheit und die liebende Fürsorge Gottes. Dadurch wurde sein Vertrauen auf Gott viel größer, denn er wußte nun, daß der Mensch die Wege des Herrn nicht in Frage stellen darf. Diese Wege sind zwar oft unerforschlich und rätselhaft, aber sie sind immer zu unserem Besten.

 

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