Die Offenbarung des Johannes gewinnt dadurch
eine besondere Bedeutung, daß sie als letzter
vom Heiligen Geist inspirierter Text der Bibel
entstand und daher zu Recht ihren Platz am
Schluß der Heiligen Schrift erhielt. Damit
spannt sich der Bogen des Neuen Testamentes von
den vier Evangelien am Anfang, die sich mit dem
ersten Kommen Christi auseinandersetzen, bis zum
Buch der Offenbarung mit seinem großen Thema der
Wiederkunft Christi. Viele Offenbarungslinien,
die sich durch das Alte wie das Neue Testament
ziehen, laufen in diesem Text zusammen, und
viele Prophezeiungen, deren Erfüllung noch
aussteht, werden hier zu Ende geführt.
In der Offenbarung werden die Ereignisse bei der
Wiederkunft Christi und in den Jahren
unmittelbar vor dieser Wiederkunft detaillierter
geschildert als in irgendeiner anderen Schrift
der Bibel. So beschreibt das Buch Daniel zwar
genau die Zeitspanne von der Zeit Daniels bis
zum ersten Kommen Christi, enthält aber nur
knappe Andeutungen auf die Zeit der Großen
Trübsal und die Herrschaft Christi über die
Erde. Im Buch der Offenbarung jedoch werden die
großen Endzeitereignisse sehr viel breiter und
mit zahlreichen zusätzlichen Details
dargestellt. Sie finden ihren Höhepunkt in der
Beschreibung des neuen Himmels und der neuen
Erde nach dem Tausendjährigen Reich.
Verfasserfrage
Verfasser des Buches ist nach der schlichten
Feststellung der Einleitungsverse Johannes. Vom
ersten Jahrhundert an bis in die Gegenwart
herrschte in der orthodoxen Christenheit nahezu
einmütige Übereinstimmung, daß es sich dabei um
den Apostel Johannes handelt. Dionysius stellte
als erster die johanneische Verfasserschaft in
Frage, weil er die in der Schrift vertretene
theologische Richtung ablehnte und außerdem
viele grammatikalische Ungenauigkeiten im Text
fand. In der frühen Kirche wurden diese Einwände
von den meisten der bedeutenderen Kirchenväter,
wie z. B. Justinus Martyr, Irenäus, Tertullian,
Hippolyt, Clemens von Alexandria und Origenes,
jedoch nicht zur Kenntnis genommen (zu einer
detaillierteren Auseinandersetzung mit diesen
Fragen s. John F. Walvoord,
The Revelation of Jesus Christ , S.11 - 14).
Die Anhänger der Verbalinspiration sehen heute
fast alle ebenfalls den Apostel Johannes als
Verfasser an. Erasmus, Luther und Zwingli
bezweifelten allerdings, daß die Schrift
tatsächlich von Johannes stammt, weil sie die
Lehre eines Tausendjährigen Reiches Christi auf
Erden vertritt.
Datierung
Die meisten Wissenschaftler des
fundamentalistischen Lagers setzen die
Entstehung des Buches der Offenbarung in der
Zeit um 95 oder 96 n. Chr. an. Diese Datierung
basiert auf Berichten der frühen Kirchenväter,
daß der Apostel Johannes während der Herrschaft
Domitians, der im Jahre 96 n. Chr. starb, auf
die Insel Patmos ins Exil geschickt wurde. Nach
dem Tod des Kaisers wurde ihm gestattet, nach
Ephesus zurückzukehren.
Eine Äußerung des Kirchenvaters Papias,
derzufolge der Apostel Johannes noch vor dem
Jahr 70 n. Chr. den Märtyrertod erlitt, hat dazu
geführt, daß die johanneische Verfasserschaft in
Frage gestellt wurde. Andererseits stehen diesem
Papiaszitat Aussagen des Clemens von Alexandria
und des Eusebius entgegen, die ihrerseits
versichern, daß das Buch im Jahre 95 oder 96 n.
Chr. von Johannes auf Patmos geschrieben wurde.
Inspiration und Kanonizität
Diejenigen, die den Apostel Johannes als den
Verfasser der Offenbarung betrachten, erkennen
im allgemeinen auch die göttliche Inspiration
des Buches und seine Kanonizität an. Da der Stil
der Schrift sich von dem anderer
neutestamentlicher Bücher abhebt, wurde die
Akzeptierung der Offenbarung in der frühen
Christenheit durch eine wachsende Opposition
gegen den prämilleniaristischen Gedanken - der
besagt, daß die Wiederkunft Christi
vor dem Tausendjährigen Reich stattfindet -
verzögert. Die Lehre von der tausendjährigen
Herrschaft Christi wurde von einigen
Kirchenführern des 3. und 4. Jahrhunderts
abgelehnt. Dagegen gibt es Belege, daß die
orthodoxe Theologie das Buch sofort als von Gott
inspiriert akzeptierte. Unter den Kirchenvätern,
die seine Kanonizität nicht in Zweifel zogen,
sind Irenäus, Justinus Martyr, Eusebius,
Appollonius und Theophilus, der Bischof von
Antiochia. Mit dem Beginn des 3. Jahrhunderts
wurde der Text weithin als zur Heiligen Schrift
gehörig anerkannt. Dabei fiel auch die Tatsache
ins Gewicht, daß er zugleich eine Ergänzung zu
anderen Weissagungstexten, wie z. B. zum Buch
Daniel, darstellt.
Stil
Wie die alttestamentlichen Bücher Daniel und
Hesekiel macht das Buch der Offenbarung
ausgiebigen Gebrauch von symbolischen und
apokalyptischen Ausdrucksformen. Da Symbole
immer gedeutet werden müssen, kam es zu vielen
ganz verschiedenen Auslegungen. In den meisten
Fällen läßt sich die Bedeutung der Symbolsprache
jedoch durch den Vergleich mit früheren
prophetischen und apokalyptischen Aussagen im
Alten Testament erschließen. Viele Exegeten sind
deshalb überzeugt, daß die Offenbarung eine
Sammlung realistischer Vorhersagen für die
Zukunft enthält. Ihr apoklyptischer und
symbolischer Charakter steht in scharfem
Kontrast zu ähnlichen Büchern außerhalb des
biblischen Kanons, die als "Pseudepigraphen"
bezeichnet werden. Während viele dieser nicht in
den biblischen Kanon aufgenommenen Bücher nahezu
unverständlich sind, stellt die Offenbarung
einen Ausblick auf das Kommende dar, der
durchaus entschlüsselbar ist und im Einklang mit
dem Rest der Heiligen Schrift steht (vgl.
Walvoord,
Revelation , S. 23 - 30).
Interpretation
Die ungewöhnliche Form des Buches der
Offenbarung hat zu einer Vielzahl von
Interpretationsansätzen geführt, von denen
manche ernste Zweifel an dem tatsächlichen Wert
und der Autorität der Schrift als göttliche
Offenbarung laut werden lassen.
Der
allegorische Ansatz Dieses
Interpretationsmuster stammt aus der
alexandrinischen Schule des 3. und 4.
Jahrhunderts. Es versteht die gesamte Bibel als
eine große und umfassende Allegorie, deren Texte
dementsprechend nicht wörtlich genommen werden
dürfen. Die allegorische Interpretation der
Bibel wurde später durch Augustinus (354 - 430
n. Chr.) in erster Linie auf die Prophezeiungen
über das Tausendjährige Reich beschränkt. Er sah
im Buch der Offenbarung eine Darstellung des
geistlichen Konflikts zwischen Gott und Satan im
Kirchenzeitalter. Die moderne, liberale
Variation dieses Ansatzes betrachtet die
Offenbarung einfach als symbolische
Ausgestaltung des Gedankens vom endgültigen Sieg
Gottes.
Der
zeitgeschichtliche Ansatz Mehr Beachtung
fand der sogenannte "zeitgeschichtliche Ansatz".
Er sieht in der Offenbarung ein Sinnbild der
Kämpfe in der Frühzeit der Kirche und leugnet
demgemäß in weiten Teilen den
Vorhersagecharakter der Schrift. Diese Deutung
verbindet in unterschiedlichen Ausprägungen die
allegorische und die symbolische Erklärung mit
der Vorstellung, daß das Buch der Offenbarung
nicht von der Zukunft handelt. Eine andere
Variante dieses Ansatzes versteht die
Offenbarung als Darstellung der prinzipiellen
Handlungsweise Gottes mit den Menschen und
bestreitet ebenfalls, daß darin von bestimmten
historischen Ereignissen die Rede ist.
Der
kirchengeschichtliche Ansatz Weitverbreitet
ist auch der aus dem Mittelalter stammende
kirchengeschichtliche Ansatz, der die
Offenbarung als ein Sinnbild der Geschichte der
Kirche zwischen dem ersten und dem zweiten
Kommen Christi sieht. Dieser These, die in den
letzten Jahrhunderten breite Anerkennung fand,
hingen vor allem Luther, Isaac Newton, Elliott
und viele Exegeten der postmilleniaristischen
Schule an. Das Hauptproblem, mit dem diese
Auslegungsweise zu kämpfen hat, ist, daß kaum
einmal zwei Exegeten in ihrer Interpretation
einer bestimmten Textpassage übereinstimmen,
denn jeder neigt dazu, die Erfüllung der
betreffenden Stelle in seiner eigenen Zeit
anzusiedeln. Viele Theologen haben auch
versucht, den kirchengeschichtlichen Ansatz mit
Aspekten anderer Deutungsansätze zu verbinden,
um auf diese Weise praktische
Handlungsanweisungen für den Gläubigen aus dem
Buch zu gewinnen. Die bis jetzt genannten
Interpretationsansätze wenden sich im
allgemeinen nicht nur gegen die Vorstellung, daß
das Tausendjährige Reich auf Erden errichtet
werden wird, sondern überhaupt gegen den
Gedanken, daß die im Buch der Offenbarung
geschilderten Ereignisse in der Zukunft liegen.
Der
futurische Ansatz Dieser Ansatz wird in
erster Linie von konservativen Gelehrten,
gewöhnlich Prämilleniaristen, vertreten, die der
Ansicht sind, daß die
Kapitel 4 - 22 sich mit Geschehnissen
befassen, die noch in der Zukunft liegen. Ihrer
Auffassung nach beschreibt
Offb 4-18 die sieben Jahre, die dem zweiten
Kommen Christi vorangehen. Im Mittelpunkt steht
dabei die Zeit der Großen Trübsal, also die
dreieinhalb Jahre vor der Wiederkunft Christi.
Die Einwände gegen diese Position kommen
normalerweise aus den theologischen Lagern, die
die Wiederkunft Christi
vor dem Tausendjährigen Reich bestreiten.
Häufig wird dabei der Vorwurf erhoben, daß die
Offenbarung den Christen in der Frühzeit der
Kirche keinen Trost geboten hätte, wenn ihre
Aussagen in erster Linie futurisch zu verstehen
wären. Die Anhänger des futurischen Ansatzes
halten demgegenüber jedoch daran fest, daß die
zukünftigen Ereignisse, die in der Offenbarung
geschildert sind, allen Christen Trost und
Gewißheit geben, die im Glauben auf ihren
endgültigen Sieg hoffen. Diese Methode stellt
allerdings insofern hohe Anforderungen an den
Exegeten, als sie von ihm verlangt, die oftmals
in symbolüberfrachteten Schilderungen
versteckten konkreten Prophezeiungen aus dem
Text herauszuschälen.
Zweck
Das Buch der Offenbarung soll die Ereignisse
unmittelbar vor, während und nach der
Wiederkunft Christi enthüllen. Diesem
inhaltlichen Schwerpunkt ist ein Großteil der
Kapitel 4 - 18 gewidmet. Die Wiederkunft
selbst wird in
Kapitel 19 mit größerer Detailtreue als
irgendwo sonst in der Bibel geschildert. Ihr
folgt eine Darstellung der tausendjährigen
Herrschaft Christi in
Kapitel 20 .
Kapitel 21; 22 schließlich sind der
Beschreibung der Ewigkeit gewidmet. Es ist also
ganz offensichtlich Anliegen des Buches, jene
prophetische Linie zu Ende zu führen, die schon
früh in den Prophezeiungen des Alten Testaments
(z. B. bei Daniel) begann und dann in den
Ankündigungen Christi, besonders in der
Endzeitrede auf dem Ölberg (
Mt 24-25 ), fortgesetzt wurde. Neben dem
Weissagungscharakter des Buches fallen die
bedeutenden Aussagen zu nahezu allen wichtigen
theologischen Themenkreisen auf. Darüber hinaus
finden sich in vielen Versen praktische
Anwendungsmöglichkeiten der prophetischen
Wahrheiten im christlichen Leben. Das Wissen und
die Antizipation des zukünftigen göttlichen
Heilsplanes ist dem Gläubigen ein Ansporn zu
einem heiligen Lebenswandel und zur Hingabe an
den Dienst Christi.
Anwendung
Abgesehen von den bereits erwähnten Passagen,
die sich mit der praktischen Umsetzung der
prophetischen Wahrheit befassen, sind besonders
die
Kapitel 2; 3 zu beachten, die Botschaften an
sieben konkrete Gemeinden, die gewissermaßen die
gesamte damalige Kirche repräsentieren,
enthalten. Die besondere christliche Botschaft
für jede dieser Gemeinden bildet den Schlußpunkt
der neutestamentlichen Briefe, die sich mit dem
praktischen Leben der Christen
auseinandersetzen. Die Gläubigen werden zu einem
heiligen Lebenswandel ermahnt, die Ungläubigen
vor dem bevorstehenden Gericht gewarnt - ein
ernstzunehmender Hinweis darauf, daß der
gerechte Gott am Ende über die menschliche Sünde
zu Gericht sitzen und die Rettung derer, die auf
Christus vertraut haben, vollenden wird. All
jenen, die nicht auf das Kommende vorbereitet
sind, wird eine feierliche Warnung auf den Weg
gegeben, denn der Tag der Abrechnung, am dem
jedes Knie sich beugen wird (
Phil 2,10 ), rückt unausweichlich näher.
Wegen seiner Aussagen über die künftigen
Geschehniswie auch wegen seiner Mahnung zu einem
rechtschaffenen Lebenswandel wird dieses Buch zu
einem Segen für all jene, "die da hören die
Worte der Weissagung und behalten, was darin
geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe" (
Offb 1,3 ).
A. Prolog (
1,1-3 )
B. Grußwort (
1,4-8 )
C. Die Vision des verherrlichten Cristus (
1,9-18 )
D. Der Aufftrag an Johannes (
1,19-20 )
II. Die Sendschreiben an die sieben Gemeinden:
"Was jetzt ist" (
Kap.2-3
)
A. Der Brief an die Gemeinde in Ephesus (
2,1-7 )
B. Der Brief an die Gemeinde in Smyrna (
2,8-11 )
C. Der Brief an die Gemeinde in Pergamon (
2,12-17 )
D. Der Brief an die Gemeinde in Thyatira (
2,18-29 )
E. Der Brief an die Gemeinde in Sardes (
3,1-6 )
F. Der Brief an die Gemeinde in
Philadelphia (
3,7-13 )
G. Der Brief an die Gemeinde in Laodizea (
3,14-22 )
III. Die Offenbarung des Kommenden: "Was
geschehen soll danach" (
Kap.4-22
)
A. Der himmlische Thorn (
Kap.4 )
B. Das Buch mit den sieben Siegeln (
Kap.5 )
C. Die Öffnung der ersten sechs Siegel: die
Zeit des göttlichen Zornes (
Kap.6 )
D. Die in der Zeit der Großen Trübsal
Bewahrten (
Kap.7 )
E. Die Öffnung des siebten Siegels und die
Einführung der sieben Posaunen (
Kap.8-9 )
F. Der große Engel mit dem Büchlein (
Kap.10 )
G. Die beiden Zeugen (
11,1-14 )
H. Der Schall der siebenten Posaune (
11,15-19 )
J. Die Schalen des göttlichen Zorns (
Kap.16 )
K. Der Fall Babylons (
Kap.17-18 )
L. Der Jubel im Himmel (
19,1-10 )
M. Die Wiederkunft Christi (
19,11-21 )
N. Das Tausendjährige Reich (
20,1-10 )
O. Das Gericht vor dem Großen Weißen Thorn
(
20,11-15 )
P. Der neue Himmel und die neue Erde (
21,1-22,5 )
Q. Das Wort des Herrn (
22,6-21 )
Die einleitenden Worte
"die Offenbarung Jesu Christi" deuten
bereits an, worum es in der folgenden Schrift
geht. Der Begriff "Offenbarung" ist eine
Übersetzung des griechischen Wortes
apokalypsis , "Entschleierung, Enthüllung"
(daher das deutsche Lehnwort "Apokalypse").
Diese besondere Offenbarung wurde Johannes
zuteil, damit er sie seinerseits anderen,
seinen Knechten , weitergebe. Ihr Inhalt
zielt auf das,
was in Kürze geschehen soll . Es geht in
diesem Text also nicht um Dinge, die in der
Vergangenheit liegen, wie es etwa bei den vier
Evangelien der Fall ist. Die Zeitangabe "in
Kürze" (
en tachei ; vgl.
Offb 2,16;22,7.12.20 ) bedeutet, daß das
betreffende Geschehen plötzlich eintreten wird,
nicht unbedingt, daß es unmittelbar bevorsteht.
Wenn die endzeitlichen Ereignisse erst einmal in
Gang gebracht sind, werden sie in rascher Folge
ihrem Höhepunkt zustreben (vgl.
Lk 18,8; Apg 12,7; 22,18; 25,4; Röm 16,20 ).
Die Worte
"er hat sie ... kundgetan" geben die
griechische Verbform
esEmanen , "durch Zeichen oder Symbole
bekanntmachen", wieder, womit auch eine
mündliche Mitteilung gemeint sein kann. Der
Engelsbote, der sie überbringt, wird nicht mit
Namen genannt. Manche Ausleger sind der Ansicht,
daß es sich dabei um Gabriel handelte, der schon
Daniel, Maria und Zacharias eine Botschaft
Gottes übermittelte (vgl.
Dan 8,16;9,21-22; Lk 1,26-31 ). Die Wendung
"seinem Knecht" (
doulos , eigentlich "Sklave") taucht in
gleicher Form auch bei Paulus, Jakobus, Petrus
und Judas auf (vgl.
Röm 1,1; Phil 1,1; Tit 1,1; 2Pet 1,1; Jak 1,1;
Jud 1,1 ), wenn sie von ihrer Funktion als
Diener Gottes sprechen.
Johannes schilderte getreulich, was er als
das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus
Christus (gesehen hat) . Die Offenbarung,
die ihm zuteil geworden war, war eine Nachricht
von - und über - Jesus Christus.
Der Prolog des Buches schließt mit einem
Segenswort für jeden,
der es liest , und für all jene,
die da hören die Worte der Weissagung und
behalten, was darin geschrieben ist . Die
Formulierung dieses Segensspruches deutet darauf
hin, daß die Botschaft laut vor einer
Hörerschaft verlesen werden sollte. Doch der
Segen gilt nicht nur dem, der den Text vorliest,
und seinen Hörern, sondern auch und vor allem
jenen, die in Gehorsam auf das Gehörte
antworten.
Der Abschnitt endet mit der Wendung
"die Zeit ist nahe" . Der Begriff "Zeit" (
kairos ) bezieht sich auf eine bestimmte
Zeitspanne, d. h. in diesem Fall auf die Endzeit
(
Dan 8,17;11,35.40;12,4.9; vgl.
Offb 11,18 und
Offb 12,12 ). In
Offb 12,14 steht das Wort "Zeit" für den
Zeitraum eines Jahres (vgl.
Dan 7,25 ); die Wendung "eine Zeit und zwei
Zeiten und eine halbe Zeit" bedeutet demnach
soviel wie ein Jahr ("Zeit") und zwei Jahre
("Zeiten") und ein halbes Jahr ("eine halbe
Zeit"), zusammen also dreieinhalb Jahre - das
ist die Dauer der Endzeit.
Der Prolog stellt also in präziser Form die
Themen und das Anliegen des Buches vor sowie
seine Vermittler, Engel wie Menschen. Dabei ist
besonders bemerkenswert, daß der Text in erster
Linie als praktischer Anschauungsunterricht für
all jene gedacht ist, die ihn lesen und sich
seinen Inhalt zu Herzen nehmen.
Das Grußwort macht - ähnlich wie der anfängliche
Gruß in den paulinischen Briefen und das
Grußwort im 2. Johannesbrief, der ja vom selben
Verfasser stammt - genauere Angaben über den
Bestimmungsort des Schreibens. Empfänger der
hier verkündeten Botschaft waren die
sieben Gemeinden in der römischen
Provinz Asien in Kleinasien (
Offb 1,4; 2,3 ). Die Worte
"Gnade und Friede" bezeichnen den Stand des
Christen vor Gott und seine Gotteserfahrung.
"Gnade" bezieht sich auf das Verhältnis Gottes
gegenüber den Gläubigen; "Friede" auf das
Verhältnis der Gläubigen zu Gott und die
Erfahrung des göttlichen Friedens, der ihnen
geschenkt wird.
Ungewöhnlich an der Grußformel ist, daß sie Gott
Vater als den beschreibt,
der da ist und der da war und der da kommt (vgl.
Offb 1,8 ). Mit den
sieben Geistern ist wahrscheinlich der
Heilige Geist gemeint (vgl.
Jes 11,2-3; Offb 4,5;5,6 ), obwohl auch
diese Bezeichnung für die dritte Person der
Trinität außergewöhnlich ist. An letzter Stelle
wird
Jesus Christus genannt, möglicherweise, weil
er im Buch der Offenbarung eine ganz besondere
Rolle spielt. Er ist der
treue Zeuge , die Quelle der hier
verzeichneten Offenbarung,
der Erstgeborene von den Toten (vgl.
Kol 1,18 ) - ein Hinweis auf seine
Auferstehung. Und er ist der
Herr über die Könige auf Erden - ein Zeichen
für seine prophetische Rolle nach seiner
Wiederkunft (
Offb 19 ).
Die Auferstehung Christi geschah
von den Toten . Als der "Erstgeborene" ist
er der erste, der mit einem ewigen Leib
auferweckt wurde und somit ein Sinnbild für die
Schar der Auferweckten, zu denen die Heiligen,
die im Zeitalter der Kirche sterben (
Phil 3,11 ), die Märtyrer in der Zeit der
Großen Trübsal (
Offb 20,5-6 ) und die bösen Menschen aller
Zeiten (
Offb 20,12-13 ) gehören. In seinem Sterben
am Kreuz ist Christus,
der uns liebt , derjenige, der
uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut
(in einigen griechischen Handschriften steht
an dieser Stelle "gereinigt" statt "erlöst").
Die Gläubigen sind damit
zu Königen und Priestern geworden, die Gott
jetzt und in Ewigkeit dienen werden. Diese
Aussicht veranlaßte Johannes zu einer Doxologie,
die in dem Schlußwort
"Amen" (wörtlich "so geschehe es") gipfelt.
Die Leser werden dazu aufgefordert, nach
Christus Ausschau zu halten, denn
er kommt , wie es für sein zweites Kommen
vorhergesagt ist,
mit den Wolken (vgl.
Apg 1,9-11 ).
Es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn
durchbohrt haben. Obwohl die Leute, die
Jesus Christus ermordet und verworfen haben, nun
schon lange tot sind und erst nach dem
Tausendjährigen Reich wiederauferweckt werden,
wird der gläubige Rest von Israel Christus
"ansehen, den sie durchbohrt haben" (
Sach 12,10 ). Dieser gottesfürchtige Rest
repräsentiert das ganze Volk Israel.
Christi Wiederkunft wird sich jedoch nicht nur
vor den Augen der Israeliten, sondern vor den
Augen der
ganzen Welt, auch der Ungläubigen,
vollziehen im Gegensatz zu seinem ersten Kommen
in der Geburt in Bethlehem und im Gegensatz zu
der Entrückung der Kirche, die wahrscheinlich
nicht für die ganze Welt sichtbar sein wird. Das
Präsens in der Wendung "er kommt" (
Offb 1,7 ) verweist auf die künftige
Entrückung der Kirche (
Joh 14,3 ). Wieder fügt Johannes das Wort
"Amen" an. Sein Grußwort schließt mit dem
Hinweis auf Christus, den Ewigen,
das A und das O (der erste und der letzte
Buchstabe des griechischen Alphabets; vgl. auch
Offb 21,6;22,13 ). Er ist derjenige,
der da ist und der da war und der da kommt (vgl.
Offb 4,8;11,17 ),
der Allmächtige . Das griechische Wort für
"Allmächtiger",
pantokratOr , kommt zehnmal im Neuen
Testament vor, davon neunmal in der Offenbarung
(
2Kor 6,18; Offb
1,8;4,8;11,17;15,3;16,7.14;19,6.15;21,22 ).
Schon in diesen ersten Versen wird damit auf die
wichtigste Offenbarung des ganzen Buches Bezug
genommen.
C. Die Vision des verherrlichten Christus
(
1,9 - 18
)
Der Ort, an dem Johannes die dramatische Vision
Christi, die er in diesem Buch wiedergibt,
hatte, war die Insel Patmos, ein kleines Eiland
im Ägäischen Meer, südwestlich von Ephesus,
zwischen Kleinasien und Griechenland. Nach dem
Bericht mehrerer früher Kirchenväter (Irenäus,
Clemens von Alexandria und Eusebius) wurde
Johannes wegen seiner engagierten
Seelsorgetätigkeit in Ephesus als Gefangener auf
diese Insel verbannt. Victorinus, der erste
Ausleger des Buches der Offenbarung, notierte,
daß Johannes Zwangsarbeit in den Bergwerken auf
der kleinen Insel verrichten mußte. Als Kaiser
Domitian im Jahre 96 n. Chr. starb, gestattete
sein Nachfolger Nerva ihm die Rückkehr nach
Ephesus. In dieser schlimmen Zeit auf Patmos
ließ Gott dem Apostel die ungeheure Offenbarung
zuteil werden, die in diesem letzten Buch der
Bibel aufgezeichnet ist.
Der Abschnitt beginnt mit den einleitenden
Worten:
Ich, Johannes . Das ist der dritte Hinweis
auf Johannes als den menschlichen Verfasser des
Buches der Offenbarung in diesem Kapitel und die
erste von insgesamt drei Gelegenheiten, bei
denen er von sich in der Ich-Form spricht (vgl.
Offb 21,2;22,8 ). Das steht im Gegensatz zu
seinem Selbstzeugnis in
2Joh 1,1 und
3Joh 1,1 als "Ältester" und dem Hinweis in
Joh 21,24 ,daß er ein "Jünger" sei.
In den ersten Kapiteln, die an die sieben
Gemeinden in Asien gerichtet sind, bezeichnet
Johannes sich selbst als
Bruder und Mitgenosse(n) an der Bedrängnis .
In diese Bedrängnis hatte ihn seine
unerschrockene Verkündigung und sein Glaube an
das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus
gebracht. (Manche griechischen Texte fügen an
dieser Stelle nach "Jesus" noch den Titel
"Christus" ein.) "Das Zeugnis von Jesus" bezieht
sich auf das Zeugnis des Johannes
für und
von Jesus, nicht etwa auf ein Zeugnis
durch Jesus. Wie viele andere berühmte
Männer, die an der Heiligen Schrift mitwirkten
(Mose, David, Jesaja, Hesekiel, Jeremia und
Petrus), schrieb Johannes sein Buch auf dem
Hintergrund der Leiden, die ihm sein Engagement
für den wahren Gott zugezogen hatte.
Die Offenbarung erreichte ihn
am Tag des Herrn, als er vom Geist ergriffen war. Manche Exegeten sind der Ansicht, daß der
"Tag des Herrn" hier eine Bezeichnung für den
ersten Tag der Woche ist. Der Genitiv "des
Herrn" ist im griechischen Text jedoch ein
Adjektiv, und in dieser Form wird in der Bibel
an keiner Stelle vom ersten Tag der Woche
gesprochen. Johannes bezieht sich an dieser
Stelle also wahrscheinlich auf jenen "Tag des
Herrn", von dem sowohl im Alten wie im Neuen
Testament immer wieder die Rede ist (vgl.
Jes 2,12; 13,6.9; 34,8 ;
Joe 1,15; 2,1.11; 3,4; 4,14 ;
Am 5,18.20; Zeph 1,7-8.14.18; 2,3; Sach 14,1;
Mal 3,23; 1Thes 5,2; 2Pet 3,10 ). "Vom Geist
ergriffen" könnte auch mit "in meinem Geist"
(vgl.
Offb 4,2;17,3 ) übersetzt werden. Johannes
wurde also in einer Vision - nicht leiblich - in
jenen zukünftigen "Tag des Herrn" versetzt, an
dem Gott über die Erde zu Gericht sitzen wird.
Die aufrüttelnden Ereignisse, die ab
Kapitel 4 beschrieben werden, leiten den
"Tag des Herrn" und das Gericht, das er bringen
wird, ein. Es ist unwahrscheinlich, daß Johannes
die gesamte Vision, die im Buch der Offenbarung
festgehalten ist, an einem einzigen Tag schaute
- vor allem, weil er sie ja noch niederschreiben
mußte. Wahrscheinlich notierte er das Erlebte
erst anschließend, nachdem er auf prophetische
Weise den künftigen "Tag des Herrn" gesehen
hatte.
Johannes
hörte hinter sich eine große Stimme wie von
einer Posaune , die ihn anwies, alles, was
er sah und hörte, auf eine Rolle zu schreiben
und diese an die sieben Gemeinden in Kleinasien
zu schicken. Das ist die erste der zwölf
Aufforderungen an Johannes, das Geschaute
niederzuschreiben. Sie geht mit einer Ausnahme (
Offb 10,4 ), die nicht festgehalten werden
soll, den einzelnen Visionen voran (vgl.
Offb 1,19; 2,1.8.12.18; 3,1.7.14; 14,13; 19,9;
21,5 ).
Die sieben angesprochenen Gemeinden befanden
sich jeweils an ganz konkreten Orten.
Geographisch gesehen bilden sie in der
Reihenfolge ihrer Erwähnung einen Halbkreis, der
bei Ephesus an der Küste beginnt, über Smyrna
und Pergamon nach Norden führt und dann über
Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea nach
Osten und Süden einschwenkt. (Zu weiteren
Informationen über diese sieben Gemeinden vgl.
den Kommentar zu
Kapitel 2; 3 .)
Johannes wandte sich um, zu sehen nach der
Stimme, und erblickte
sieben goldene Leuchter . Dabei handelte es
sich offensichtlich um sieben einzelne Lampen,
nicht um den siebenarmigen Leuchter, wie wir ihn
aus dem Tabernakel und dem Tempel kennen.
Mitten unter den Leuchtern sah er einen, der war
einem Menschensohn gleich - eine
Formulierung, wie sie in
Dan 7,13 für Christus verwendet wird. Er war
wie ein Priester
angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um
die Brust mit einem goldenen Gürtel . Sein
weißes Haar erinnert an den "Uralten" in
Dan 7,9 , ist also ein Hinweis auf Gott
Vater. Gott Sohn, dessen Haupt und Haar
ebenfalls weiß sind, besitzt dieselbe Reinheit
und Ewigkeit wie Gott Vater.
Seine Augen, die wie eine Feuerflamme leuchten, sind ein Bild für das Gericht über die
Sünde, das er bringt (vgl.
Offb 2,18 ).
Diese Vorstellung wird weiter ausgeschmückt in
der Beschreibung seiner
Füße, die wie Golderz sind, das im Ofen glüht
(vgl.
Offb 2,18 ). (Dahinter steht eine Anspielung
auf den Bronzealtar im Tempel in Jerusalem, der
für die Sühnopfer bestimmt war.) Seine Stimme
wird mit einem
Wasserrauschen verglichen.
Sein Angesicht leuchtete mit einem Glanz,
wie die Sonne scheint in ihrer Macht .
Johannes bemerkte, daß er
sieben Sterne in seiner rechten Hand hielt,
die in Vers
20 als die Engel oder Boten der sieben
Gemeinden spezifiziert werden. Daß Christus
diese Sterne in der
Rechten hielt, ist ein Zeichen für seinen
souveränen Besitzanspruch. Im Blick auf Christi
Rolle als Richter sah Johannes
aus seinem Munde ... ein scharfes,
zweischneidiges Schwert kommen. Dieser
besondere Schwerttyp (
rhomphaia ; vgl.
Offb 2,12.16;6,8;19,15.21 ) wurde von den
Römern als Stichwaffe benutzt. Jesus Christus
ist nicht länger das Kind in Bethlehem oder der
leidende Gottesknecht mit der Dornenkrone; er
ist nun der Herr der Herrlichkeit.
Johannes berichtete:
Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen
wie tot. In ganz ähnlicher Weise stürzte
Paulus zu Boden, als ihm Christus in seiner
Herrlichkeit erschien (
Apg 9,4 ). Früher einmal hatte Johannes sein
Haupt an Jesu Brust gelegt (vgl.
Joh 13,25 ), doch mit diesem neuen
herrlichen Christus konnte er nicht mehr so
vertraulich umgehen. Mit den Worten
"fürchte dich nicht" richtete ihn Christus
auf und bestätigte, daß er der Ewige,
der Erste und der Letzte (vgl.
Offb 1,8;2,8;21,6;22,13 ) und der
Auferstandene,
der Lebendige ist, der einmal tot war und
nun
von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt. An dieser
Stelle bekräftigt Christus, daß er allein
die Schlüssel des Todes und der Hölle , d.
h. die Macht über den Tod und den Ort der Toten
hat (vgl.
Joh 5,21-26; 1Kor 15,54-57; Hebr 2,14; Offb
20,12-14 ). Auch wenn dem verherrlichten
Christus alle Ehre erwiesen werden muß, können
treue Gläubige wie Johannes doch sicher sein,
daß sie vom Sohn Gottes angenommen werden. Der
Tod
und die Auferstehung der Christen liegen in
seiner Hand. Das hier entworfene Bild des
verherrlichten Christus steht in starkem
Kontrast zu der Zeichnung des Menschen Christus
in den vier Evangelien (vgl.
Phil 2,6-8 ) mit Ausnahme seiner Verklärung
(
Mt 17,2; Mk 9,2 ).
Nach der Offenbarung der Herrlichkeit Christi
wurde Johannes erneut aufgefordert:
Schreibe . Er sollte aufschreiben, (a) was
in der Vergangenheit geschah (
was du gesehen hast ), (b) was in der
Gegenwart ist (was ist) und (c) was in der
Zukunft geschehen wird (
was geschehen soll danach ). Damit ist
offenbar das göttliche Schema der Offenbarung
aufgezeigt. Zuerst sollte Johannes von seiner
eigenen Erfahrung berichten (
Offb 1 ), die bereits zurücklag. Dann sollte
er die der Gegenwart geltende Botschaft Christi
an die sieben Gemeinden niederschreiben (
Offb 2-3 ) und schließlich - dem
prophetischen Charakter des Buches entsprechend
- von den Ereignissen erzählen, die dem zweiten
Kommen Christi vorangehen, darin ihren Höhepunkt
finden und darauf folgen (
Offb 4-22 ).
Diese chronologische Unterteilung des Buches der
Offenbarung ist vielen anderen
Gliederungsversuchen überlegen, in denen die
Exegeten sich häufig von bestimmten Wendungen
ablenken lassen oder das Buch ihrem eigenen
Auslegungsschema anpassen. Die hier
vorgeschlagene Gliederung harmoniert dagegen
hervorragend mit der Grundvorstellung, daß der
größte Teil der Offenbarung (von
Offb 4 an) futurisch und nicht historisch
oder bloß symbolisch konzipiert ist oder einfach
nur prinzipielle Aussagen enthält. Es muß betont
werden, daß nur eine futurische Deutung von
Offb 4-22 die Schrift als geschlossenes
Ganzes erscheinen läßt. Immerhin stimmen
diejenigen Exegeten, die vom allegorischen
Interpretationsansatz ausgehen, selten in ihren
Ansichten überein, und dasselbe gilt auch für
die Vertreter des symbolischen und des
historischen Ansatzes.
Häufig wird in der Offenbarung zunächst das
visionäre Symbol dargestellt und im Anschluß
erläutert. So werden z. B. an dieser Stelle die
sieben Sterne als
Engel oder Boten
der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter
als Sinnbilder der sieben Gemeinden erklärt.
Das Buch der Offenbarung ist also alles andere
als ein hoffnungslos undurchsichtiger Wirrwar
von symbolischen Visionen; es ist vielmehr eine
sorgfältige und genaue Aufzeichnung all dessen,
was Johannes sah und hörte, mit immer wieder
eingestreuten Erklärungen der theologischen und
praktischen Bedeutung des Geschauten.
Auf dem Hintergrund anderer symbolischer Bücher
wie etwa des Buches Daniel und Hesekiel sollte
die Offenbarung Johannes für jeden verstehbar
sein, der sich sorgsam und engagiert mit dem
Wort Gottes auseinandersetzt. Ähnlich wie im
Buch Daniel wird ihre Bedeutung immer klarer, je
weiter die Geschichte voranschreitet. Obwohl das
Buch der Offenbarung in seinem Gehalt und seiner
praktischen Anwendbarkeit zeitlos ist, gewährt
es doch in besonderem Maße jenen Trost, die in
der Zeit vor dem zweiten Kommen Christi der
Führung bedürfen.
Bevor die grandiose prophetische Szenerie der
Kapitel 4 - 22 entfaltet wird, richtete
Christus noch eine persönliche Botschaft an die
sieben Gemeinden, die ihre Geltung auch für die
heutige Kirche keineswegs verloren hat.
II. Die Sendschreiben an die sieben Gemeinden:
"Was jetzt ist"
(
Offb 2-3
)
Wie bereits in
Offb 1,11 angekündigt, sandte Christus eine
Botschaft an jede der sieben Ortsgemeinden in
Kleinasien. Die Reihenfolge, in der sie genannt
werden, orientiert sich an ihrer geographischen
Lage. So würde ein Bote selbstverständlich die
praktischste Reiseroute vom Seehafen Ephesus
etwa 50 Kilometer nach Norden zur nächsten
Hafenstadt Smyrna wählen, von dort zunächst
weiter nach Nordosten, nach Pergamon, reisen,
und dann weiter nach Osten und Süden ziehen, um
die vier übrigen Städte aufzusuchen (
Offb 1,11 ).
Es ist viel darüber gesprochen worden, was die
Sendschreiben heute zu sagen haben.
Offensichtlich wurden gerade diese Gemeinden mit
Vorbedacht ausgewählt und in eine bestimmte
Reihenfolge gebracht, um in ihnen verschiedene
charakteristische Situationen anzusprechen, mit
denen die Kirche im Laufe ihrer Geschichte
konfrontiert war. Wie auch die paulinischen
Briefe, obwohl sie an bestimmte Gemeinden
adressiert waren, sich gleichzeitig an die ganze
damalige Kirche richteten, so gelten diese
sieben Botschaften der ganzen heutigen Kirche.
Es gab damals noch zahlreiche andere Gemeinden,
etwa in Kolossä, Magnesia und Tralles, von denen
einige sogar größer gewesen wären als die sieben
genannten Gemeinden in Kleinasien, doch sie
werden nicht angesprochen.
Wenn man den Inhalt der Sendschreiben
untersucht, so wird als erstes deutlich, daß sie
Botschaften für die betreffenden historischen
Ortsgemeinden des 1. Jahrhunderts sind. Zum
Zweiten enthalten sie jedoch eine Botschaft an
Gemeinden von heute, die in derselben Situation
wie diese historischen Gemeinden sind. Die
individuellen Ermahnungen von Einzelpersonen
oder bestimmten Gruppen innerhalb der Gemeinden
machen drittens klar, daß der Inhalt der
Sendschreiben genauso auch für den einzelnen
Christen von heute bestimmt ist. Manche Exegeten
sind außerdem der Ansicht, daß die Reihenfolge
der sieben Gemeinden sich an der Abfolge
verschiedener kirchengeschichtlicher Epochen vom
1. Jahrhundert bis in die Gegenwart orientiert.
In der Tat gibt es bemerkenswerte Parallelen
zwischen den sieben Sendschreiben und der
Entwicklung der Kirchengeschichte seit der
Frühzeit der Kirche. Ephesus z. B. scheint ein
Sinnbild für die apostolische Kirche zu sein,
während Smyrna die Kirche zur Zeit der ersten
Christenverfolgungen symbolisiert. Doch die
Schrift gibt uns nichts Eindeutiges für eine
derartige Auslegung an die Hand. Deshalb sollte
man dieser Interpretation lediglich an den
Stellen folgen, wo sie sich gleichsam als
naturgegeben aufdrängt. Schließlich existierten
die genannten Gemeinden alle zur gleichen Zeit
im 1. Jahrhundert.
Jede der Botschaften lautet zwar etwas anders,
doch es gibt auch Berührungspunkte zwischen den
einzelnen Sendschreiben. So macht Christus immer
wieder deutlich, daß ihm die Werke der Gemeinde
bekannt sind. Jedes Sendschreiben enthält
darüber hinaus eine Verheißung für all jene, die
standhaft bleiben, ermahnt diejenigen, die die
Botschaft hören, und enthält schließlich eine
bestimmte Charakterisierung Christi, die mit der
anschließenden Botschaft in Zusammenhang steht.
Daneben folgen alle Sendschreiben einem
bestimmten Schema: Es wird jeweils ein Lob
(außer dem Schreiben an die Gemeinde in
Laodizea), ein Tadel (außer in den Schreiben an
die Gemeinden in Smyrna und Philadelphia), eine
Ermahnung und eine ermutigende Verheißung für
alle, die sich die Botschaft zu Herzen nehmen,
ausgesprochen. Letzlich geht es in den Briefen
an die sieben Gemeinden um Probleme, wie sie
sich Gemeinden in der ganzen Kirchengeschichte
stellten, und zugleich wird in ihnen in
prägnanter und umfassender Weise enthüllt, wie
Christus solche Gemeinden beurteilt.
Seltsamerweise wurde dieser Teil der Heiligen
Schrift immer vernachlässigt. Viele beschäftigen
sich mit den Paulusbriefen und anderen Passagen
aus dem Neuen Testament, um etwas über die
Kirche zu erfahren, aber die Sendschreiben an
die sieben Gemeinden, die doch von Christus
selbst stammen und ihrem ganzen Wesen nach einen
besonderen Höhepunkt der Schrift darstellen,
werden vollkommen übergangen. Diese
Unterlassungssünde hat nicht zuletzt dazu
beigetragen, daß viele Gemeinden von heute nicht
nach dem vollkommenen Willen Gottes gestaltet
sind.
Zu der Zeit, in der dieser Brief entstand, war
Ephesus ein bedeutender kleinasiatischer
Seehafen und außerdem der Standort des großen
Artemistempels (vgl.
Apg 19,24.27-28.34.35 ), eines der sieben
Weltwunder der Antike. Etwa 43 Jahre vor der
Abfassung des Sendschreibens an die Gemeinde in
Ephesus im Buch der Offenbarung hatte der
Apostel Paulus die Stadt besucht (um das Jahr 53
n. Chr.). Er war mehrere Jahre in Ephesus
geblieben und hatte das Evangelium mit solcher
Vollmacht verkündigt, "daß alle, die in der
Provinz Asien wohnten, das Wort des Herrn
hörten, Juden und Griechen" (
Apg 19,10 ). Die Botschaft des Apostels
setzte sich so stark in dieser antiken Großstadt
durch (
Apg 19,11-40 ), daß schließlich die
Silberschmiede einen Aufruhr anzettelten, weil
sie um ihr Geschäft, die Herstellung von Statuen
der Göttin, fürchteten.
Entsprechend alt und berühmt in der ganzen
Umgegend war die dortige
Gemeinde . Der Hirte oder Bote dieser
Gemeinde wird im Sendschreiben als
Engel (
angelos ) angeredet. Dieses Wort wird sonst
in der Bibel vor allem für die Engel im Himmel
verwendet, doch es taucht auch im Zusammenhang
mit menschlichen Boten auf (vgl.
Mt 11,10; Mk 1,2; Lk 7,24.27; 9,52 ).
Christus hielt
sieben Sterne in seiner Rechten und wandelte
mitten unter den sieben goldenen Leuchtern .
Die "Sterne" verkörpern die Boten oder Engel der
Gemeinden, die "Leuchter" die sieben Gemeiden
selbst (
Offb 1,20 ).
Christus lobte die Glieder der Gemeinde in
Ephesus für ihre
Werke und ... Mühsal und ... Geduld sowie
dafür, daß sie
die Bösen verurteilt und jene, die sich
fälschlich als Apostel ausgaben,
als Lügner gebrandmarkt hatten. (In den
ersten vier Gemeinden, an die die sieben
Sendschreiben gerichtet sind, waren durchweg
solche falschen Lehrer aufgetreten; vgl. V.
2.6.9.14.15.20 Aber die Gemeindeglieder
wurden auch dafür gelobt, daß sie
die Last getragen haben und ... nicht müde
geworden sind in ihrem Dienst für Gott. Die
Gemeinde in Ephesus hatte also mehr als 40 Jahre
getreulich an ihrem Dienst für Gott
festgehalten.
Trotz des lobenswerten Betragens der Gemeinde
auf vielen Gebieten mußte die Kirche in Ephesus
doch eine herbe Zurechtweisung hinnehmen:
Aber ich habe gegen dich, daß du die erste Liebe
verläßt. Die Wortordnung im Griechischen
läßt von der Betonung her auch die Übersetzung
zu: "Du hast deine erste Liebe verlassen."
Christus gebrauchte hier das Wort
agapEn für die tiefe Liebe, die Gott den
Menschen entgegenbringt. Diese tadelnden Worte
klingen ganz anders als das, was Paulus 35 Jahre
zuvor an die Epheser geschrieben hatte, nämlich
daß er nie aufhöre, für sie zu danken wegen
ihres Glaubens an Christus und ihrer Liebe,
agapEn , zu den Heiligen (
Eph 1,15-16 ). Die meisten Gemeindeglieder
der Kirche in Ephesus waren nun schon in der
zweiten Generation Christen und hatten sich zwar
die Reinheit der Lehre und des Lebens bewahrt
und eine hohe Stufe des Dienstes für Gott und
den Nächsten erreicht, doch es fehlte ihnen die
wahre Hingabe an Christus. Die gleiche Warnung,
daß Orthodoxie und Dienst allein nicht
ausreichend sind, könnte man der modernen Kirche
entgegenhalten. Christus liegt genausoviel an
den Herzen der Gläubigen wie an ihren Gedanken
und ihrem Tun.
Zunächst wurde den Ephesern vor Augen geführt,
wovon sie abgefallen waren. Sie sollten
Buße tun und zu der Liebe zurückkehren, die
sie verlassen hatten. Ganz ähnlich lautende
Mahnungen, in denen eine wahre und tiefe Liebe
zu Gott gefordert wird, finden sich an vielen
Stellen im Neuen Testament (
Mt 22,37; Mk 12,30; Lk 10,27; Joh 14,15.21.23;
Joh 21,15-16; 1Pet 1,8; Jak 2,5 ). Nach den
Worten Christi muß die Liebe des Christen zu
Gott größer sein als seine Liebe zu seinen
nächsten Verwandten wie Vater, Mutter, Sohn oder
Tochter (
Mt 10,37 ), und Paulus fügte hinzu, daß die
Liebe zu Gott sogar die Liebe zum eigenen
Ehepartner übersteigen sollte (
1Kor 7,32-35 ). Indem Christus die Gläubigen
von Ephesus zur Buße rief, forderte er sie zu
einem Wandel in ihrer Haltung und ihrer
Zuneigung auf. Sie sollten den christlichen
Dienst nicht einfach nur weiterführen, weil das
richtig war, sondern weil sie ihren Herrn
liebten. Er warnte sie auch davor, daß das Licht
ihres Zeugnisses verlöschen würde, wenn sie
seinem Ruf nicht folgten:
Wenn aber nicht, werde ich ... deinen Leuchter
wegstoßen von seiner Stätte . Die Gemeinde
von Ephesus bestand nach dem 1. Jahrhundert noch
weiter und war später Schauplatz eines
bedeutenden Konzils. Nach dem 5. Jahrhundert
verschwanden jedoch sowohl die Gemeinde als auch
die Stadt. Seit dem 14. Jahrhundert ist die
unmittelbare Umgebung dieser wichtigen
historischen Stätte völlig unbewohnt.
Trotz dieser ernsten Warnung findet sich in Vers
6 noch einmal ein lobendes Wort für die
Gemeinde. Es wird den Ephesern zugute gehalten,
daß sie
die Werke der Nikolaten haßten. Über die
Identität dieser Gruppe ist viel spekuliert
worden, doch die Schrift macht keine näheren
Angaben darüber, wer sie waren. Auf jeden Fall
handelte es sich wohl um eine Sekte, die in
ihren Praktiken und in ihrer Lehre Irrwege ging
(genauere Angaben finden sich bei Henry Alford,
The Greek Testament , 4,563 - 65; Merrill C.
Tenney,
Interpreting Revelation , S. 60 - 61;
Walvoord, Revelation , S. 58).
Wie in den anderen Sendschreiben gab Christus
auch der ephesischen Gemeinde eine Verheißung
für all jene auf den Weg, die sich seine Worte
zu Herzen nehmen würden:
Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von
dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist.
Der "Baum des Lebens", der zum ersten Mal in
1Mo 2,9 erwähnt wird, stand im Garten Eden.
Später taucht er im Zusammenhang mit dem Neuen
Jerusalem auf, wo er überreichlich Früchte trägt
(
Offb 22,2 ). Wer von seinen Früchten ißt,
wird niemals sterben (
1Mo 3,22 ). Mit dieser Verheißung ist
sicherlich nicht eine besondere Belohnung für
eine bestimmte Gruppe von Christen gemeint, sie
gilt vielmehr für
alle Gläubigen. Das "Paradies Gottes" ist
wahrscheinlich eine andere Bezeichnung für den
Himmel (vgl.
Lk 23,43; 2Kor 12,4; die beiden einzigen
anderen neutestamentlichen Verweise auf das
Paradies) und damit für das Neue Jerusalem in
der Ewigkeit, von dem später die Rede sein wird.
Diese Ermutigung zu wahrer Gottesliebe sollte
die Gläubigen an Gottes gnädigen Heilsplan in
Zeit und Ewigkeit erinnern. Die Liebe zu Gott
drückt sich nicht darin aus, daß man ängstlich
an Gesetzesvorschriften festhält, sondern in der
Antwort auf die Erkenntnis und Freude über die
Liebe Gottes.
B. Der Brief an die Gemeinde in Smyrna
(
2,8 - 11
)
Das zweite Sendschreiben richtet sich an die
Gemeinde in
Smyrna , einer großen und reichen Stadt
ungefähr 50 Kilometer nördlich von Ephesus. Wie
Ephesus war auch Smyrna eine Hafenstadt, die
allerdings noch heute ein großer Seehafen mit
etwa 200 000 Einwohnern ist. In seiner Botschaft
an Smyrna beschrieb sich Christus selbst als
der Erste und der Letzte, der tot war und ist
lebendig geworden . Er ist der Ewige (vgl.
Offb 1,8.17;21,6;22,13 ), der von den Händen
seiner Verfolger den Tod erlitt und aus dem Grab
auferweckt wurde (vgl.
Offb 1,5 ). Diese Attribute Christi waren
für die Gläubigen in Smyrna besonders relevant,
denn auch sie waren schweren Verfolgungen
ausgesetzt.
Der Name der Stadt Smyrna bedeutet soviel wie
"Myrrhe", eine in der damaligen Zeit
weitverbreitete wohlriechende Essenz. Sie fand
unter anderem auch Verwendung in der Zubereitung
des Salböls für die Stiftshütte und bei der
Einbalsamierung von Toten (vgl.
2Mo 30,23; Ps 45,9; Hl 3,6; Mt 2,11; Mk 15,23;
Joh 19,39 ). Während die Christen der
Gemeinde von Smyrna die Bitterkeit des Leidens
zu schmecken bekamen, war ihr treues Zeugnis für
Gott wie der Duft von Myrrhe oder einer anderen
aromatischen Substanz.
Es muß für die Christen in Smyrna ein großer
Trost gewesen sein, daß Christus all ihre Leiden
kannte:
Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut - du
aber bist reich ! Neben den Verfolgungen,
die sie zu ertragen hatten, litten die
Gemeindeglieder auch noch unter drückender Armut
(
ptOcheian , im Gegensatz zu
penia , dem gebräuchlichen Wort für
"Armut"). Dennoch waren sie reich durch die
wunderbaren Verheißungen, die Christus ihnen
gegeben hatte (vgl.
2Kor 6,10; Jak 2,5 ). Sie wurden nicht nur
von den Heiden, sondern auch von feindseligen
Juden, ja von Satan selbst verfolgt - die
jüdische Synagoge in Smyrna galt offensichtlich
als
Synagoge des Satans (vgl.
Offb 3,9 ). (Satan wird in vier der sieben
Sendschreiben erwähnt:
Offb 2,9.13.24;3,9 .) In der Geschichte der
Kirche kamen die schwersten Verfolgungen in der
Tat meistens aus der Ecke religiöser Fanatiker.
3. Tadel
Es fällt auf, daß die gläubigen, bedrängten
Christen in Smyrna nicht getadelt werden. Dieser
Befund steht in schroffem Kontrast zu der
Beurteilung von fünf der sechs anderen
Gemeinden, die Christus streng zurechtwies. Ihre
leidvollen Erfahrungen hatten die Gläubigen in
Smyrna trotz allem darin bestärkt, sich in ihrem
Glauben und ihrem Lebenswandel rein zu erhalten.
Die Ermahnung, die Christus den Bedrängten
zukommen ließ, war zugleich eine Ermutigung:
Fürchte dich nicht (wörtlich "höre auf, dich
zu fürchten")
vor dem, was du leiden wirst! Die schweren
Drangsale, denen sie sich ausgesetzt sahen,
würden fortdauern, ja, sie würden weiter
verfolgt und ins
Gefängnis geworfen werden und
zehn Tage zusätzliche
Bedrängnis zu erdulden haben. Manche
Exegeten haben die Zeitangabe "zehn Tage" als
symbolischen Ausdruck für alle
Kirchenverfolgungen verstanden. Andere halten
sie für eine Anspielung auf zehn
Christenverfolgungen, die unter den römischen
Kaisern stattfanden. Am wahrscheinlichsten ist
jedoch, daß in dieser Wendung eine begrenzte
Zeit des Leidens vorweggenommen ist (vgl.
Walvoord,
Revelation , S.61-62), eine These, für die
Scott in der Schrift mehrere Belege fand (Walter
Scott,
Exposition of the Revelation of Jesus Christ , S.69). Er zitiert in diesem Zusammenhang
1Mo 24,55; Neh 5,18; Jer 42,7; Dan 1,12 und
Apg 25,6 .Dieselbe Position vertritt auch
Alford, der als Beispiele
4Mo 11,19; 4Mo 14,22; 1Sam 1,8 und
Hi 19,3 anführt (
The Greek Testament , 4:567).
Das Problem des menschlichen Leidens hat die
gläubigen Christen zu allen Zeiten beschäftigt
und ihre Überzeugung auf eine harte Probe
gestellt. Wenn nur die Gottlosen leiden müßten,
so wäre das ja nicht weiter verwunderlich, doch
warum geht es den Gottesfürchtigen nicht besser?
Die Schrift gibt auf diese Frage eine ganze
Reihe von Antworten. So kann das Leiden (1)
disziplinierenden (
1Kor 11,30-32; Hebr 12,3-13 ) oder (2)
vorbeugenden Charakter haben (wie der "Stachel
im Fleisch" des Paulus;
2Kor 12,7 ), es kann (3) die Menschen
Gehorsam lehren (wie das Leiden Christi;
Hebr 5,8; vgl.
Röm 5,3-5 ) oder (4) ein eindrucksvolleres
Zeugnis für Christus bewirken (wie in
Apg 9,16 ).
Die bedrängte Schar der Gläubigen in Smyrna
wurde ermahnt:
Sei getreu bis an den Tod . Ihre Verfolger
konnten den smyrnischen Christen zwar ihr
irdisches Leben nehmen, doch in diesem Fall
würden sie nur ein wenig früher
die Krone des Lebens empfangen.
Offensichtlich war bis zu diesem Zeitpunkt noch
niemand aus der Gemeinde bei Verfolgungen
umgekommen, doch es stand zu befürchten, daß das
bald geschehen würde. In der Tat starb Polykarp
den Märtyrertod, nachdem er Bischof der Gemeinde
in Smyrna geworden war - ein Schicksal, das
zweifellos noch viele andere nach ihm erlitten
(vgl. Robert Jamieson, A. R. Fausset und David
Brown,
A Commentary Critical, Experimental and
Practical on the Old and New Testaments .
Grand Rapids 1945, 6,662). "Die Krone des
Lebens" ist eine von mehreren "Kronen" oder
Belohnungen, die den Christen verheißen sind
(vgl.
1Kor 9,25; 1Thes 2,19; 2Tim 4,6-8; 1Pet 5,4;
Offb 4,4; vgl. auch
Jak 1,12 ). Die Gläubigen werden also zu
einem standhaften Leben im Gehorsam gegenüber
Gott ermutigt; sie sollen ihren Blick auf das
richten, was sie nach dem Tod erwartet: das
ewige Leben.
Wie in den übrigen Sendschreiben wurden auch
hier diejenigen, die bereit waren zu hören,
ermahnt. Die Verheißung galt denen, die
standhaft bleiben - letztlich also allen
Gläubigen - und schenkte ihnen die Gewißheit,
daß ihnen
kein Leid ... von dem zweiten Tode geschehen
würde (vgl.
Offb 20,15 ). Dieses ermutigende Wort
Christi an die bedrängten Christen in Smyrna
gilt zugleich
allen leidenden und verfolgten Gläubigen.
Wie es in Hebräer 12,11 heißt: "Jede Züchtigung
aber, wenn sie da ist, scheint uns nicht Freude,
sondern Leid zu sein; danach aber bringt sie als
Frucht denen, die dadurch geübt sind, Frieden
und Gerechtigkeit."
C. Der Brief an die Gemeinde in Pergamon
(
2,12 - 17
)
Die dritte Gemeinde befand sich in
Pergamon , etwa 30 Kilometer landeinwärts
von Smyrna. Wie Ephesus und Smyrna war auch
Pergamon eine reiche, wenngleich völlig
verdorbene Stadt. Ihre Einwohner verehrten die
heidnischen Götter Athene, Asklepios, Dionysos
und Zeus. Die Stadt war außerdem berühmt für
ihre Universität mit einer Bibliothek von
ungefähr 200 000 Bänden und für die Herstellung
von Pergament - ein papierartiges Material, das
als
pergamena bezeichnet wurde. Das ganze
geistige Klima der Stadt war für jede Form
wahrhaft christlichen Lebens und Zeugnisses
denkbar ungeeignet.
In Vorwegnahme des Tadels Christi für die laxe
Haltung der dortigen Gläubigen gegenüber dem
Bösen und Unmoralischen führte Johannes Christus
als den ein,
der da hat das scharfe, zweischneidige Schwert
(vgl. auch
Offb 1,16; 2,16; 19,15.21 ). Das Schwert ist
ein Sinnbild der zweifachen Fähigkeit des
Gotteswortes, die Gläubigen von der Welt zu
scheiden und die Welt für ihre Sünden zu
verdammen. Es ist das Schwert des Heils und
zugleich das Schwert des Todes.
In Einhaltung derselben Reihenfolge wie in den
beiden vorhergegangenen Sendschreiben wurde der
Gemeinde auch hier zunächst ein Lob
ausgesprochen. Christus kannte ihre schwierige
Situation. Die Gläubigen mußten immerhin leben,
wo der Thron des Satans ist . Diese Wendung
bezieht sich möglicherweise auf den großen
Tempel des Asklepios, des heidnischen Gottes der
Heilkunst, der in der Gestalt einer Schlange
dargestellt wurde. Am Ende des Verses wird Satan
ein weiteres Mal genannt: Pergamon lag
da, wo der Satan wohnt . Die Heiligen wurden
deshalb gelobt, daß sie bei ihrem Glauben
beharrt hatten,
auch ... als Antipas (der Name bedeutet
soviel wie "gegen alles") den Märtyrertod starb.
Wir wissen nichts Genaueres über diesen Vorfall.
Offenbar waren die Christen von Pergamon Gott
auch unter schwersten Prüfungen treu geblieben,
hatten ihr Bekenntnis aber auf andere Weise aufs
Spiel gesetzt, wie aus den beiden folgenden
Versen deutlich wird.
Sie hatten sich des schwersten Verrates schuldig
gemacht, denn es gab Leute unter ihnen,
die sich an die Lehre Bileams und an die Lehre
der Nikolaten hielten. Der Seher Bileam
hatte einst Schuld auf sich geladen, weil er
König
Balak riet, Israel zur Sünde
zu verführen , und zwar zu Mischehen mit
heidnischen Frauen, die häufig ihren
Götzendienst mit in die Ehe brachten (vgl.
4Mo 22-25; 4Mo 31,15-16 ). Die Ehe mit
Heidinnen war in Pergamon, wo jeder soziale
Kontakt mit der Umwelt immer auch Formen des
Götzendienstes miteinschloß, ein besonderes
Problem. So war das Fleisch, das auf dem
Fleischmarkt angeboten wurde, in der Regel zuvor
Götzen dargebracht worden (vgl.
1Kor 8 ). Doch die Gläubigen in Pergamon
wurden auch dafür verurteilt, daß sie den Lehren
der Nikolaten folgten. Zuvor war die Gemeinde
von Ephesus dafür gelobt worden, daß sie diesen
Lehren widerstanden hatte, die offenbar auf
einen moralischen Irrweg hinausliefen (vgl.
Offb 2,6 ). Manche griechischen
Handschriften fügen an dieser Stelle an, daß
Gott die Lehre der Nikolaten haßt, wie es schon
in Vers
6 heißt. Der Kompromiß mit der weltlichen
Moral und der heidnischen Lehre war in der
Kirche vor allem im 3. Jahrhundert, als das
Christentum populär zu werden begann, weit
verbreitet. Dieses Sich-Einlassen auf heidnische
Religionen und die Abkehr vom reinen biblischen
Glauben korrumpierte die Kirche offenbar schon
zu einem frühen Zeitpunkt.
Christus tadelte die Gemeinde mit dem schroffen
Befehl:
Tue Buße! Die Gemeindeglieder wurden
gewarnt:
Wenn aber nicht, so werde ich bald über dich
kommen und gegen sie streiten mit dem Schwert
meines Mundes. Christus kündigte ihnen also
an, daß das Gericht "bald" -
tachys , ein Wort, das auch "plötzlich"
bedeutet (vgl.
Offb 1,1;22,7.12.20 ) - kommen würde. Er
würde mit den abtrünnigen Gemeindegliedern
kämpfen und dabei das Schwert seines Mundes
einsetzen (vgl.
Offb 1,16;2,12;19,15.21 ). Auch hier ist
wieder das Wort Gottes gemeint, das alle faulen
Kompromisse und Sünden mit seiner Schärfe
richtet.
Die abschließende Ermahnung der einzelnen
Gemeindeglieder richtete sich wie in den
Botschaften an die anderen Gemeinden wiederum an
jene, die bereit waren zu hören. Denen, die
überwinden, wurde
von dem verborgenen Manna versprochen. Sie
sollten
einen weißen Stein erhalten, auf dem
ein neuer Name geschrieben stand. Das
"verborgene Manna" bezieht sich vielleicht auf
Christus als das "Brot vom Himmel", die
unsichtbare geistliche Quelle der Nahrung und
Stärkung für die Gläubigen. So wie Israel einst
auf der Wüstenwanderung physische Nahrung,
Manna, erhielt, so erhält die Kirche nun
geistliche Nahrung (
Joh 6,48-51 ). Über die Bedeutung des
"weißen Steines" sind sich die Gelehrten nicht
einig. Alford hat wahrscheinlich recht, wenn er
sagt, daß das Entscheidende an diesem Bild die
Inschrift auf dem Stein ist, die dem Gläubigen
"einen neuen Namen" zuteilt, ein Zeichen der
Annahme durch Gott und ein Ehrentitel (
The Greek Testament , 4,572). Möglicherweise
steckt darin eine Anspielung auf die
alttestamentliche Praxis, daß der Hohepriester
zwölf Steine, in die die Namen der zwölf Stämme
Israel geritzt waren, auf seinem Ornat trug.
Auch wenn die Gläubigen in Pergamon wohl keine
kostbaren Steine oder Schätze besaßen, so hatten
sie doch etwas sehr viel Wichtigeres: Sie waren
von Christus selbst angenommen und wußten, daß
sie nie endenden Segnungen entgegengingen.
Insgesamt betrachtet ist die Botschaft an die
Gemeinde in Pergamon eine Warnung vor falschen
Kompromissen in Moral und Lehre und vor der
Abweichung von der Reinheit der Lehre, die von
den Christen verlangt wird.
D. Der Brief an die Gemeinde in Thyatira
(
2,18 - 29
)
Thyatira , 60 Kilometer südöstlich von
Pergamon, war eine sehr viel kleinere Stadt. Sie
lag in einer Region, die berühmt war für ihre
Fruchtbarkeit und für die Herstellung von
Purpurfarbe. Die dortige Gemeinde war ebenfalls
klein, und doch wurde gerade sie zum Gegenstand
einer so eindringlichen und herben
Zurechtweisung.
Passend zu dem, was auf diese Einleitung folgt,
wird Christus als
der Sohn Gottes, der Augen hat wie Feuerflammen
und ... Füße ... wie Golderz eingeführt.
Diese Beschreibung ähnelt der Darstellung in
Offb 1,13-15 ,nur daß Christus hier als "der
Sohn Gottes" und nicht als der "Menschensohn"
bezeichnet wird. Die Situation in Thyatira
erforderte eine Bekräftigung seiner Gottheit wie
auch seiner gerechten Empörung über die Sünden
der dortigen Gemeinde. Der Begriff "Golderz",
mit dem die Füße des Gottessohnes verglichen
werden, gibt das äußerst seltene griechische
Wort
chalkolibanO wieder, das auch in
Offb 1,15 gebraucht ist. Es scheint sich
dabei um eine Legierung von mehreren Metallen
gehandelt zu haben, die sich durch besonderen
Glanz auszeichnete, wenn sie poliert wurde. Der
Hinweis auf die Augen Christi, die sind wie
"Feuerflammen", und den leuchtenden Glanz seiner
Füße unterstreichen die Vorstellung des Zornes
und des gerechten Richtens Christi.
Obwohl vieles in der Gemeinde in Thyatira im
Argen lag, wurden die Gläubigen doch für ihre
Liebe , ihren
Glauben , ihren
Dienst und ihre
Geduld gelobt (vgl.
Offb 2,2 ). Ja, die Christen aus Thyatira
taten sogar mit der Zeit immer
mehr (im Gegensatz zur ephesischen Gemeinde,
die in ihrem Dienst nachließ). Doch trotz dieser
Beweise eines christlichen Lebenswandels und
ihres christlichen Zeugnisses steckte die
Gemeinde in Thyatira in einer tiefen Krise.
Jesu schärfstes Verdammungsurteil richtete sich
gegen
Isebel ..., diese Frau , die von sich
behauptete,
eine Prophetin zu sein und die Gläubigen
lehrte,
Hurerei zu treiben - ein Kennzeichen vieler
heidnischer Religionen - und
Götzenopfer zu essen . Was in der
heidnischen Gesellschaft Thyatiras durchaus
akzeptiert war und zum Alltag gehörte, war
Christus ein Greuel. Der moralische Verfall der
Gemeinde hatte bereits vor einiger Zeit
eingesetzt (V.
21 ). Vielleicht hatten die Menschen in
Thyatira das Evangelium zuerst durch die
Purpurkrämerin Lydia gehört, die von Paulus
bekehrt worden war (
Apg 16,14-15 ). Interessanterweise war es
auch jetzt eine Frau, eine selbsternannte
"Prophetin", die so großen - diesmal
verderblichen Einfluß auf die Gemeinde hatte.
Ihr Name "Isebel" erinnert an Ahabs Frau Isebel,
die einst Israel ins Unglück stürzte (
1Kö 16,31-33 ). Christus verhieß ihr jedoch
ein plötzliches und unmittelbar bevorstehendes
Gericht. Er bezeichnete ihre Sünde ungeschminkt
als "Hurerei" und kündigte an, daß alle, die der
Verderberin folgten,
in große Trübsal geraten würden. Auch
ihre Kinder sollten mit dem Tode bestraft
werden - ihre Anhänger würden also ebenfalls
nicht ungeschoren davonkommen. Die Strafe über
die Abgefallenen in Thyatira sollte so drastisch
sein, daß
alle Gemeinden ... erkennen würden, daß
Christus derjenige ist,
der die Nieren und Herzen erforscht .
Nach diesem scharfen Verdammungsurteil richtete
Christus ein mahnendes Wort an den
gottesfürchtigen Rest der Gemeinde, wobei er
offensichtlich davon ausging, daß alle übrigen
Gemeindeglieder vom Glauben abgewichen waren. Er
nannte diese wenigen Getreuen die
"andern in Thyatira, die solche Lehre nicht
haben und nicht erkannt haben die Tiefen des
Satans" . Dieser kleinen gottesfürchtigen
Schar erteilte er eine einzige, sehr einfache
Anweisung:
Was ihr habt, das haltet fest, bis ich komme.
Er befahl ihnen also nicht etwa, die
Gemeinde zu verlassen - vielleicht, weil sie so
klein war -, sondern in ihr als ein Zeugnis für
Gott auszuharren. Das Gericht über Isebel und
ihre Anhänger würde in Kürze hereinbrechen und
die Gemeinde reinigen. Heute können Christen,
die in abtrünnigen Gemeinden leben, die
Gemeinschaft im allgemeinen problemlos verlassen
und sich einer anderen Gruppe anschließen;
damals in Thyatira war ein solches Vorgehen
jedoch nicht praktikabel.
Die Parallelen zwischen Thyatira und anderen von
Christus abgefallenen Gemeinden in der
Kirchengeschichte sind deutlich. Manche Ausleger
vergleichen Thyatira mit den Gläubigen im
Mittelalter, als sich der Protestantismus vom
römischen Katholizismus abspaltete und zur
Reinheit in Lehre und Lebensführung
zurückzukehren versuchte. Die herausragende
Rolle der Isebel, die in der Gemeinde von
Thyatira irrtümlicherweise als weibliche
Prophetin akzeptiert und verehrt wurde, wird
manchmal mit der Erhöhung von Maria, die sich
ebenfalls nicht aus der Schrift ableiten läßt,
in Verbindung gebracht. Die Teilnahme an
Götzenopfermählern kann als Sinnbild für die
falsche Lehre der katholischen Kirche, die im
Abendmahl die Wiederholung des Opfers Christi am
Kreuz sieht, verstanden werden. Ungeachtet der
Apostasie in der Kirche des Mittelalters gab es
jedoch auch damals Gemeinden, die wie die
Gemeinde in Thyatira immer noch Gläubige zu
ihren Mitgliedern zählten, deren Frömmigkeit und
Rechtgläubigkeit in der Lehre und im Leben
vorbildhaft waren.
Christus hat den Gläubigen, die standhaft
bleiben, verheißen, daß sie mit ihm zusammen in
seinem Tausendjährigen Reich herrschen werden (
Ps 2,8-9; 2Tim 2,12; Offb 20,4-6 ). Das in
Vers
27 verwendete Wort
weiden (
poimanei ) bedeutet jedoch, daß Christus -
gemeinsam mit seinen Anhängern - nicht nur
Gerechtigkeit üben wird, sondern daß er die ihm
Anvertrauten wie ein Hirte seine Herde sowohl
zur Ordnung rufen als auch schützen wird.
Johannes bezieht die Herrschaft
Christi , von der in
Ps 27 die Rede ist, an dieser Stelle auf die
Gläubigen, die standhaft bleiben: Sie werden
dieselbe Autorität wie Christus besitzen (
1Kor 6,2-3; 2Tim 2,12; Offb 3,21;20,4.6 ),
dessen
Macht wiederum von seinem Vater stammt (vgl.
Joh 5,22 ).
Außerdem wird der gläubige Rest den
Morgenstern empfangen, der kurz vor
Tagesanbruch sichtbar wird. In der Schrift ist
dieses Bild nicht erklärt, doch es bezieht sich
wahrscheinlich auf die Entrückung der Kirche
vor den dunklen Stunden, die der Morgenröte
des Tausendjährigen Reiches vorausgehen.
Der Brief an die Gemeinde von Thyatira schließt
mit der bereits vertrauten Ermahnung zu hören,
was der Geist den Gemeinden sagt . Im
Gegensatz zu den früheren Sendschreiben folgt
diese Ermahnung jedoch auf die Verheißung, statt
ihr voranzugehen - eine Anordnung, die in den
drei letzten Briefen beibehalten wird.
Die bedeutende Handelsstadt
Sardes lag etwa 50 Kilometer südöstlich von
Thyatira an einer wichtigen Verkehrsader, die
das Königreich Lydien von Osten nach Westen
durchzog. Große Gewerbezweige wie Schmuck-,
Farb- und Textilgewerbe hatten die Stadt reich
gemacht. Vom religiösen Standpunkt aus war sie
jedoch ein Zentrum heidnischer Religionen und
beherbergte unter anderem einen großen
Artemistempel (zu einem anderen Artemistempel
vgl. den Kommentar zu
Offb 2,1 ). Von dieser einst so bedeutenden
Stadt ist nur noch ein kleines Dorf
übriggeblieben. Neben den noch heute sichtbaren
Resten des Tempels haben die Archäologen die
Ruinen einer christlichen Kirche freigelegt.
Christus bezeichnete sich in seiner Botschaft an
die damalige Gemeinde als den,
der die sieben Geister Gottes hat und die sieben
Sterne , eine Beschreibung, die der von
Offb 1,4 ähnelt. Hier liegt die Betonung
jedoch auf der Tatsache, daß er die Geister
hat - ein Hinweis auf die enge Verbindung
zwischen ihm selbst und dem Heiligen Geist (
Jes 11,2-5; vgl.
Offb 5,6 ). Auch in
Offb 1,20 hielt Christus die sieben Sterne,
die die sieben Gemeindehirten darstellen, in der
Hand (vgl.
Offb 2,1 ).
Das einzige Wort der Billigung, das dieser
Gemeinde gewährt wurde, war im Grunde genommen
wiederum ein Tadel. Christus sagte, daß sie in
dem Ruf stehe, "lebendig" zu sein. Die Gemeinde
von Sardes galt also offensichtlich unter den
Zeitgenossen als Musterbeispiel einer Kirche.
Diesen Eindruck entlarvte Christus jedoch sehr
rasch als Täuschung:
und bist tot . Wie bei den Pharisäern war
auch ihre äußere Erscheinung nur eine Fassade,
die ihr innerliches Abgestorbensein verbarg
(vgl.
Mt 23,27-28 ). Christus fügte hinzu:
Denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen
befunden vor meinem Gott . Die Mitglieder
der Gemeinde in Sardes waren weit davon
entfernt, ihre Verpflichtungen als gläubige
Christen zu erfüllen.
Sardes sollte aus seinem geistlichen Schlummer
erwachen und die wenigen Lebensimpulse, die die
Gemeinde noch zeigte, stärken. Christus ermahnte
die Gläubigen, sich an ihre Anfänge im Glauben
zu erinnern, daran festzuhalten und Buße zu tun,
andernfalls würde das Gericht so plötzlich und
unerwartet über sie kommen
wie ein Dieb .
Während die Gemeinde als ganze tot war oder
zumindest im Sterben lag, kannte Christus doch
einen kleinen Rest
in Sardes , dessen
Kleider nicht besudelt waren. Er hatte
verheißen, daß die wahren Gläubigen
in weißen Kleidern einhergehen werden (vgl.
V.
18 ) - ein Symbol der Gerechtigkeit Gottes
-, daß ihre Namen
nicht ... aus dem Buch des Lebens ausgetilgt
werden und daß er sie vor seinem
Vater und vor seinen Engeln als sein
Eigentum anerkennen wird.
Die Aussage, daß ihre "Namen nicht aus dem Buch
des Lebens" getilgt werden, ist für manche
Exegeten ein Problem. Doch ein Mensch, der
wahrhaftig wiedergeboren ist,
bleibt auch in diesem Stand, wie Johannes
schon an anderer Stelle sagte (
Joh 5,24; Joh 6,35-37.39; Joh 10,28-29 ).
Während aus dieser kurzen Passage eigentlich zu
schließen ist, daß auch Namen aus dem "Buch des
Lebens" gestrichen werden, haben wir nur die
umgekehrte Versicherung, daß die Namen der
Gläubigen bleiben (vgl. Walvoord,
Revelation , S. 82.338). Johannes nahm an
sechs Stellen Bezug auf dieses "Buch des Lebens"
(
Offb 3,5;13,8 [vgl. den dortigen Kommentar];
Offb 17,8;20,12.15;21,27 ).
Auch dieser Brief schließt mit der Mahnung, auf
das zu hören,
was der Geist den Gemeinden sagt . Das
Sendschreiben an die Gemeinde in Sardes ist eine
eindringliche Mahnung für diejenigen Gemeinden
von heute, die überströmen von Aktivitäten und
prächtige Kirchen haben, denen aber nur allzu
oft die Früchte des ewigen Lebens fehlen.
Christi mahnende Worte "denkt daran, haltet fest
und tut Buße" gelten heute noch genauso wie
damals für die Gemeinde in Sardes.
F. Der Brief an die Gemeinde in Philadelphia
(
3,7 - 13
)
Die Stadt
Philadelphia lag etwa 45 Kilometer
südöstlich von Sardes in einer Region, deren
landwirtschaftliche Produkte berühmt waren. Das
ganze Gebiet wurde immer wieder von Erdbeben
heimgesucht, die auch in der Stadt mehrmals
verheerende Verwüstungen anrichteten, zuletzt im
Jahr 37 n. Chr. Der Name "Philadelphia" stammte
von dem Erbauer der Stadt, einem König von
Pergamon namens Attalus Philadelphus.
"Philadelphus" ähnelt dem griechischen Wort
philadelphia , "brüderliche Liebe", das
siebenmal in der Bibel vorkommt (
Röm 12,10; 1Thes 4,9; 1Pet 1,22; 2Pet 1,7 [zweimal];
Hebr 13,1; Offb 3,7 ). Nur in der
Offenbarung bezieht sich der Begriff auf die
gleichnamige Stadt, in der es noch heute eine
christliche Gemeinde gibt.
Nach den einleitenden Worten des Sendschreibens
an die Stadt ist Christus
der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den
Schlüssel Davids und damit ein Tor zu öffnen
oder zu schließen vermag, das sonst niemand
bewegen kann. Die Heiligkeit Christi ist eine
immer wiederkehrende wichtige Aussage der
Schrift (
1Pet 1,15 ). Nur weil er heilig ist, steht
es ihm zu, das geistliche Leben der
philadelphischen Gemeinde zu beurteilen. "Der
Schlüssel Davids" scheint auf
Jes 22,22 anzuspielen, wo der Schlüssel des
Hauses David an Eljakim ging, der damit Zugang
zu den Schätzen des Königs hatte. Schon zuvor
war Christus als der beschrieben worden, der
"die Schlüssel des Todes und der Hölle" hat (
Offb 1,18 ). An dieser Stelle ist jedoch
wahrscheinlich der Zugang zu geistlichen
Reichtümern gemeint.
Wie in den Sendschreiben an die anderen
Gemeinden hielt Christus auch hier zunächst
fest:
Ich kenne deine Werke . Er, der die Macht
hat, Türen zu öffnen und zu schließen, erklärte:
Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und
niemand kann sie zuschließen. Christus fügte
dieser Aussage kein tadelndes Wort hinzu,
sondern fuhr lediglich fort:
Du hast eine kleine Kraft. Die geringe Kraft
der philadelphischen Christen war jedoch kein
Anlaß zum Tadel, sondern bildete im Gegenteil
die Grundlage für das nachfolgende Lob:
Du ... hast mein Wort bewahrt und hast meinen
Namen nicht verleugnet.
Von den Gegnern der Gemeinde sprach Christus als
der Synagoge des Satans (vgl.
Offb 2,9 ). Es handelte sich dabei um Juden,
die gegen das christliche Zeugnis der Gläubigen
opponierten. Die falsche Religionszugehörigkeit
hat sich immer als eine starke Gegenkraft gegen
den wahren christlichen Glauben erwiesen, doch
der Tag wird kommen, an dem alle Feinde des
Glaubens seine Wahrheit anerkennen müssen (vgl.
Jes 45,23; Röm 14,11; Phil 2,10-11 ). Dann
wird eintreten, was Christus der Gemeinde in
Philadelphia verhieß:
Siehe, ich will sie dazu bringen, daß sie kommen
sollen und zu deinen Füßen niederfallen und
erkennen, daß ich dich geliebt habe.
Die Gemeinde in Philadelphia wurde nicht
zurechtgewiesen. Es wurde ihr vielmehr eine
Verheißung für ihre Standhaftigkeit und Geduld
zuteil:
Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast,
will auch ich dich bewahren vor der Stunde der
Versuchung, die kommen wird über den ganzen
Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen.
Damit ist explizit ausgesprochen, daß die
philadelphische Gemeinde von der ab
Kapitel 6 beschriebenen Stunde der
Versuchung ausgenommen ist. Christus kündigte
hier in eindeutiger Form an, daß sie die
künftige Zeit der Großen Trübsal nicht
miterleben würde. Wenn er hätte sagen wollen,
daß sie
während der Zeit der Trübsal bewahrt oder
mitten
aus dieser Zeit
herausgerissen würde, hätte er ein anderes
Verb und eine andere Präposition gewählt.
Einige Exegeten haben zwar versucht, dieser
Schlußfolgerung auszuweichen, um die These zu
stützen, daß Christus erst
nach dem Tausendjährigen Reich kommen wird,
doch die Verbindung des Verbs "bewahren" (
tErein ) mit der Präposition "vor"
(wörtlich "aus",
ek ) drückt nun einmal nicht die Bewahrung
der Kirche
während der Zeit der Großen Trübsal aus,
denn dann müßte die Präposition
dia lauten. Aus der Formulierung "die Stunde
der Versuchung" (eine bestimmte, abgegrenzte
Zeitspanne) geht klar hervor, daß die Christen
in Philadelphia diese Zeit der Anfechtung nicht
durchmachen müssen. Es ist jedoch andererseits
kaum einzusehen, weshalb Christus dieser einen
Gemeinde eine solche Verheißung hätte in
Aussicht stellen sollen, wenn es Gottes Absicht
war, daß die ganze Kirche die Zeit der Großen
Trübsal miterleben sollte, die über die Welt
kommen wird. Die Glieder der Gemeinde in
Philadelphia würden lange vor der Zeit der
Großen Trübsal sterben und in die Herrlichkeit
eingehen. Wenn aber die in den Sendschreiben
angesprochenen Gemeinden tatsächlich typisch für
den Leib Christi sind, so geht die Verheißung,
die ihnen hier gegeben ist, weit über diese
spezielle Gemeinde hinaus und gilt allen, die
wie die philadelphischen Christen in ihrem
Glauben fest bleiben (vgl. Walvoord,
Revelation , S. 86 - 88).
Doch die Gemeinde erhielt noch weitere
Verheißungen. Christus versprach den Gläubigen:
Ich komme bald - ein Gedanke, der immer
wieder im Buch der Offenbarung auftaucht.
Dahinter steht nicht nur die Vorstellung, daß
der Herr kommt, sondern auch, daß dieses Kommen
sehr plötzlich oder rasch erfolgen wird (vgl.
Offb 1,1;2,16 ). Im Blick auf diese baldige
Wiederkunft wurde jedem Gläubigen ans Herz
gelegt:
Halte, was du hast .
Der Gläubige, der die Welt überwindet, wird
zum Pfeiler in dem Tempel ... Gottes . In
dieser Formulierung wird sinnbildhaft der
ständige Aufenthaltsort der Gläubigen im Himmel,
der hier als Tempel Gottes dargestellt wird,
beschrieben. Das ganze Neue Jerusalem wird der
letzte und ewige Tempel sein (
Offb 21,22 ). Anders als irdische Tempel und
irdische Säulen, die einstürzen und verfallen,
werden die Gläubigen für immer im Tempel sein
und ihren Platz einnehmen. Christus erläuterte
seine Angabe, daß er hier tatsächlich von
der Stadt meines Gottes , vom Neuen
Jerusalem (vgl.
Offb 21,2 ), sprach, noch genauer und
wiederholte seine Verheißung:
Und ich will auf ihn schreiben ... meinen Namen,
den neuen (vgl.
Offb 2,17;14,1;19,12 ). Weil die Gläubigen
durch den Glauben eins mit ihm geworden sind,
wird auch er sich mit ihnen identifizieren.
Der Brief an die Gemeinde in Philadelphia schloß
mit der bekannten Aufforderung:
Höre, was der Geist den Gemeinden sagt . Die
Verheißung, die die Gemeinde empfing, und die
Aufforderung an die Gläubigen, treu in ihrem
Glauben zu beharren, gilt als Wort Gottes seiner
ganzen heutigen Kirche sicherlich im selben
Maße.
G. Der Brief an die Gemeinde in Laodizea
(
3,14 - 22
)
Die reiche Stadt
Laodizea lag an der Straße nach Kolossä,
etwa 60 Kilometer südöstlich von Philadelphia.
Ungefähr 35 Jahre vor der Entstehung dieses
Schreibens war Laodizea durch ein Erdbeben
zerstört worden, doch die Stadt war reich und
rührig genug, ihren vorherigen Glanz
wiederzuerlangen. Der wichtigste Erwerbszweig
war die Tuchweberei. Es wird nirgendwo
berichtet, daß Paulus je nach Laodizea kam, doch
wir wissen, daß er sich der dortigen Gemeinde
tief verbunden fühlte (
Kol 2,1-2;4,16 ).
In der Anrede der Gemeinde bezeichnete Christus
sich selbst als den,
der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge,
der Anfang der Schöpfung Gottes . Das Wort
"Amen", "so geschehe es", bezieht sich auf die
souveräne Macht Gottes, die hinter allem, was
auf Erden geschieht, steht (vgl.
2Kor 1,20; Offb 1,6 ). Indem er sich selbst
als "treuen und wahrhaftigen Zeugen"
bezeichnete, nahm Christus wieder auf, was er
bereits zuvor gesagt hatte (
Offb 1,5;3,7 ). Als "der Anfang der
Schöpfung Gottes" existierte er schon vor Gottes
Schöpfung und herrscht damit über sie (vgl.
Kol 1,15.18; Offb 21,6 ). Diese Beschreibung
weist bereits auf die strenge Zurechtweisung
voraus, die Christus den Gläubigen in Laodizea
zugedacht hatte.
Es gab kein lobendes Wort für die Gemeinde in
Laodizea. Ihre Angehörigen waren Christus ein
Greuel, denn sie waren
weder kalt noch warm . Diese negative
Charakterisierung bezog sich sowohl auf die
Gemeinde als auch auf den Boten oder Hirten der
Gemeinde, der nach Ansicht mancher Exegeten
"Archippus" war (
Kol 4,17 ). Es ist jedoch äußerst
unwahrscheinlich, daß Archippus, wenn er
tatsächlich jemals der Vorsteher der Gemeinde
gewesen wäre, zum Zeitpunkt der Abfassung des
Sendschreibens noch lebte. Die laue Haltung, die
Christus den Gläubigen in Laodizea vorwarf, galt
ihrem gesamten religiösen Leben. Auf den
religiösen Festen und während der Opferungen
tranken die Menschen der Antike üblicherweise
entweder heiße oder kalte Getränke, niemals
lauwarme. Für die christliche Gemeinde in
Laodizea gewann die Zurechtweisung Christi eine
besondere Bedeutung, da das Wasser für die Stadt
aus dem einige Kilometer nördlich gelegenen
Hierapolis kam und im allgemeinen lauwarm bei
ihnen angelangte!
Die geistliche Lauheit dieser Gläubigen zeigte
sich daran, daß sie zufrieden waren,
reich zu sein, und ihrer geistlichen Armut
gar nicht gewahr wurden. Christus aber geißelte
ihr Wesen mit harten Worten: Sie waren
elend, jämmerlich, arm, blind und bloß .
Die laodizeischen Christen wurden aufgefordert,
kein gewöhnliches Gold, sondern Gold,
das im Feuer geläutert ist , zu kaufen -
denn nur dadurch konnten sie Gott verherrlichen
und selbst wahrhaft reich werden. Laodizea war
durch seine Geldwirtschaft reich geworden, der
christlichen Gemeinde der Stadt aber mangelte es
an geistlichem Reichtum. Ihre Glieder trugen
wunderbare Gewänder, doch Christus trug ihnen
auf, stattdessen
weiße Kleider (vgl. V.
4 ) anzulegen - als Symbol einer
Rechtschaffenheit, die allein ihre geistliche
Blöße decken würde. Da Wolle eines der
wichtigsten Erzeugnisse der Region war, war
Laodizea besonders berühmt für bestimmte Mäntel
aus schwarzer Wolle. Die Gläubigen dagegen
hatten reine "weiße Kleidung" nötig.
Christus legte ihnen außerdem nahe,
Augensalbe auf ihre Augen zu tun. An den
Asklepiostempel der Stadt war eine heilkundliche
Unterrichtsstätte angegliedert, bei der man eine
besondere Salbe gegen die im Nahen Osten weit
verbreiteten Augenkrankheiten bekommen konnte.
Was die laodizeischen Christen benötigten, war
allerdings nicht diese Medizin, sondern vielmehr
geistliche Einsicht. Die Gemeinde von Laodizea
ist typisch für eine moderne Gemeinde, in der es
gar kein Bewußtsein mehr für die eigentlichen
geistlichen Bedürfnisse gibt und wo man sich
statt dessen mit einem prächtigen Rahmen und all
den materiellen Dingen, die man für Geld kaufen
kann, begnügt. Das Sendschreiben in der
Offenbarung richtet sich gegen diese
selbstzufriedene Haltung. Auf seine Botschaft
kann es nur eine einzige Antwort geben:
Eifrig sein und
Buße tun. Christus wies die Gemeinde
zurecht, weil er sie liebte, und seine Liebe
schreckte auch vor der Züchtigung nicht zurück.
In höchst anschaulicher Weise schilderte
Christus sich selbst als einen Menschen, der
draußen steht und an die
Tür klopft. Auf den bildlichen Darstellungen
dieser Szene ist die Türklinke im allgemeinen
nicht sichtbar, um die Vorstellung zu erzeugen,
daß die Tür nur von innen geöffnet werden kann.
Das Klopfen gilt also denjenigen, die es hören.
Wenn sie öffnen, so verhieß ihnen Christus, er
werde zu ihnen
hineingehen und das Abendmahl mit ihnen halten
und sie mit ihm. Solange Christus draußen
bleibt, gibt es keine Gemeinschaft unter den
Christen und keinen wahren Reichtum. Doch wenn
Christus eingelassen wird, entsteht eine
wunderbare Verbundenheit und Teilhabe an der
herrlichen Gnade Gottes. Dieser Appell Christi
galt wohl eher Christen als Nichtchristen. Er
wirft die wichtige Frage auf, in welchem Maße
der einzelne Gläubige wirklich mit Christus
verbunden ist. Denjenigen, die ihm antworten,
hat Christus verheißen, daß sie
mit ihm auf seinem Thron ... sitzen und an
seinem Sieg teilhaben werden.
Auf diese Verheißung folgte erneut die
Aufforderung:
Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den
Gemeinden sagt!
Die Sendschreiben an die sieben Gemeinden sind
eine bemerkenswert vollständige Abhandlung der
Probleme, vor denen die christlichen Gemeinden
auch in der heutigen Zeit stehen. Die ständige
Gefahr, die erste Liebe zu vergessen (
Offb 2,4 ) und aus Furcht vor Verfolgungen
das Zeugnis zu vernachlässigen (
Offb 2,10 ), die Verwässerung der Lehre (
Offb 2,14-15 ), der moralische Verfall (
Offb 2,20 ), der geistliche Tod (
Offb 3,1-2 ), die mangelnde Standhaftigkeit
(V.
11 ) und die Lauheit (V.
15 - 16 ) der Gläubigen sind heute genauso
aktuell wie im 1. Jahrhundert. Weil die
einzelnen Schreiben von Christus persönlich
stammen, gewinnen sie eine besondere Bedeutung
als Gottes letztes mahnendes Wort an die Kirche.
Dieser letzte Appell richtet sich an alle, die
bereit sind zu hören. Auch die Menschen in den
modernen Gemeinden täten gut daran, sich dieser
Botschaft nicht zu verschließen.
III. Die Offenbarung des Kommenden: "Was
geschehen soll danach"
(
Offb 4-22
)
In Übereinstimmung mit dem göttlichen Schema,
das in
Offb 1,19 dargestellt ist, führte Gott
Johannes nun in jene künftigen Dinge ein, die
"danach" geschehen sollen.
Damit sind die aufrüttelnden und verwirrenden
Ereignisse vor der Wiederkunft Christi (
Offb 4-18 ), die Wiederkunft selbst (
Offb 19 ), das sich daran anschließende
Tausendjährige Reich (
Offb 20 ) und schließlich das Neue Jerusalem
und der neue Himmel und die neue Erde (
Offb 21-22 ) gemeint.
Wie schon aus dieser Gliederung klar wird, steht
der zweite Advent Christi, von dem in
Kapitel 19 die Rede ist, im Mittelpunkt der
folgenden Enthüllungen, so wie die Menschwerdung
Christi das zentrale Ereignis der vier
Evangelien war.
Es hat viele Auslegungen des Buches der
Offenbarung gegeben. Als wirklich überzeugend
erweist sich jedoch nur eine Betrachtungsweise,
derzufolge das Buch sich von
Kapitel 4 an mit zukünftigen Ereignissen
befaßt.
Jedes andere Interpretationsschema verstrickt
sich zwangsläufig in einem Gewirr
widerstreitender Meinungen.
Die Geschehnisse, die in diesem Abschnitt
dargestellt werden, werden nicht immer in
strikter chronologischer Reihenfolge erzählt,
doch sie alle spielen in der Zukunft.
Sie zeichnen das anschaulichste und deutlichste
Bild dieser Zeit in der ganzen Bibel und bilden
damit einen passenden Höhepunkt aller biblischen
Prophezeiungen, die sich auf die menschliche
Geschichte beziehen und in der Person und im
Werk Jesu Christi ihr Zentrum haben.
Die Offenbarung des Künftigen beginnt mit einer
Vision des Himmels (
Offb 4 und
Offb 5 ). Danach, ab
Kapitel 6 , orientiert sich der
chronologische Ablauf der Großen Trübsal an den
sieben Siegeln und ihrer Öffnung bis hin zum
Kommen Christi.
Im Zusammenhang mit den sieben Posaunen werden
jene Ereignisse genauer enthüllt, die dem
Aufbrechen des siebten Siegels folgen. Parallel
dazu wird in
Kapitel 16 anhand der sieben Schalen des
göttlichen Zornes der Inhalt der siebten Posaune
entfaltet.
Der Aufbau des Berichtes vollzieht sich in Form
einer Steigerung. Je näher das zweite Kommen
Christi rückt, desto rascher und verheerender in
ihrer Wirkung folgen die Ereignisse aufeinander.
Nach den Offenbarungen über das Kommen Christi
enthalten die abschließenden Kapitel in
konzentrierter und geraffter Form das ganze
weite Spektrum der daran anschließenden
Entwicklung.
Kapitel 20 geht auf das Tausendjährige Reich
ein,
Kapitel 21-22 schildern den neuen Himmel und
die neue Erde.
Das Hauptanliegen des Buches der Offenbarung ist
es, die Wiederkunft Christi und die Ereignisse,
die diese Wiederkunft begleiten, darzustellen
und das Gottesvolk wie auch die ganze Welt dafür
empfänglich zu machen, wie wichtig es ist, auf
das kommende Gericht Gottes vorbereitet zu sein.
Johannes hatte die Vision des himmlischen
Thrones, nachdem ihm die sieben Sendschreiben an
die Gemeinden offenbart worden waren. Diese
zeitliche Abfolge wird an dem Ausdruck
danach (
meta tauta ) deutlich.
Er sah
eine Tür, die aufgetan (war) im Himmel , und
hörte eine
Stimme , die ihn einlud:
Steig herauf, ich will dir zeigen, was nach
diesem geschehen soll. Die Worte "was nach
diesem geschehen soll" gleichen der Äußerung in
Offb 1,19 : "was geschehen soll danach".
Während
Offb 1,19 jedoch darauf hindeutet, daß es
sich hier um spätere Ereignisse handelt, die
eintreten
werden , steht in
Offb 4,1 b das griechische Wort
dei , d. h., die betreffenden Ereignisse
müssen eintreten. Das weist nicht allein auf
die Zukunft, sondern auch auf den souveränen
Plan Gottes hin. Die Ähnlichkeit beider
Wendungen bekräftigt die dreifache
chronologische Abfolge von
Offb 1,19 .Sowohl die Offenbarung als auch
ihre Erfüllung schließen sich chronologisch an
die
Kapitel 1-3 an.
Johannes berichtete:
"Alsbald wurde ich vom Geist ergriffen" (vgl.
Offb 1,10;17,3 ). Das heißt, er wurde
innerlich zum Himmel emporgehoben, während sein
Körper auf der Insel Patmos verblieb. Im Himmel
sah er einen großen
Thron , auf dem jemand
saß, der anzusehen war wie der Stein Jaspis und
Sarder . Der Jaspis (vgl.
Offb 21,18 ), von dem hier die Rede ist, ist
ein durchsichtiger Stein, anders als die
undurchsichtigen Halbedelsteine, die wir heute
unter dieser Bezeichnung kennen; seine
Beschaffenheit erinnerte möglicherweise an einen
Diamanten. Der "Sarder" bzw. Karneol oder Rubin
ist rot. "Jaspis" und "Sarder" sind der erste
und der letzte der zwölf Edelsteine, die den
Ornat des Hohenpriesters schmückten (vgl.
2Mo 28,17-21 ). Beide Edelsteine tauchten
auch im Zusammenhang mit dem König von Tyrus auf
(
Hes 28,13 ) und werden zu den Grundsteinen
des neuen Jerusalem gehören (
Offb 21,19-20 ). Der Thron, den Johannes
erblickte, war bunt und wunderschön. Ihn
schmückte
ein Regenbogen, ... anzusehen wie ein Smaragd
.
Um den Hauptthron standen
vierundzwanzig Throne , auf denen
vierundzwanzig Älteste saßen. Sie waren
mit weißen Kleidern angetan und trugen
auf ihren Häuptern goldene Kronen . Diese
Kronen glichen den Siegeskränzen, wie sie den
Siegern bei den sportlichen Wettkämpfen der
Griechen verliehen wurden (
stephanos ; im Gegensatz zu der Krone eines
souveränen Herrschers, dem Diadem,
diadEma ). Daß die Ältesten Kronen
trugen, scheint darauf hinzuweisen, daß sie
bereits gerichtet und belohnt worden waren.
Über die Identität dieser Ältesten ist viel
gerätselt worden. Die Meinungen spalten sich in
zwei Hauptströmungen: (1) Die Ältesten
repräsentieren die vor der Zeit der Großen
Trübsal entrückte und im Himmel belohnte Kirche.
(2) Sie sind Engel, denen wichtige Ämter
übertragen wurden. Die Zahl 24 ist eine
repräsentative Zahl, wie schon an der Tatsache
deutlich wird, daß es im mosaischen Gesetz 24
Vorschriften für die Priesterschaft gab. (Zu
einer weiteren Erörterung der Identität der 24
Ältesten vgl. den Kommentar zu
Offb 5,8-10 .)
Die eindrucksvolle himmlische Szene gewann noch
an Wirkung durch
Blitze, Stimmen und Donner . Das Geräusch
des "Donners" wird insgesamt siebenmal in der
Offenbarung erwähnt (
Offb 4,5;6,1;8,5;11,19;14,2;16,18;19,6 ).
Außerdem sah Johannes
sieben Fackeln mit Feuer brennen. Diese
sieben Fackeln werden als
die sieben Geister Gottes bezeichnet. Das
ist sicherlich dahingehend zu verstehen, daß die
sieben Flammen den Heiligen Geist in seiner
siebenfachen Wesenheit (
Jes 11,2-3; vgl.
Offb 1,4;5,6 ) darstellen und nicht, daß es
sich hier um sieben einzelne Geister oder Engel
handelte. Damit, daß Gott der Vater auf dem
Thron saß und der Heilige Geist in den sieben
Fackeln anwesend war, war alles bereit für die
Offenbarung (
Offb 5 ) Christi als des geschlachteten
Lammes.
Vor dem Thron lag ein
gläsernes Meer, gleich
dem Kristall , in
dem sich die herrlichen
Farben der ganzen
himmlischen Szenerie
brachen (vgl.
Offb 15,2 ).
In der Mitte des
Bildes befanden sich
vier himmlische
Gestalten , die mit
einem
Löwen , einem
Stier , einem
Menschen und einem
fliegenden Adler vergleichbar waren.
Jede der vier Gestalten
hatte sechs Flügel, und
sie waren außen und
innen voller Augen .
Nach den Worten des
schauenden Johannes
priesen diese Wesen Gott
ohne Unterlaß und
sprachen:
Heilig, heilig, heilig
ist Gott der Herr, der
Allmächtige (
pantokratOr
;
vgl.
Offb
1,8;11,17;15,3;16,7.14;19,6.15;21,22
) und Ewige (
der da war und der da
ist und der da kommt ; vgl.
Offb 1,8;11,17 ).
Dies ist die erste von
insgesamt 14 Doxologien
im Buch der Offenbarung
(vgl. dazu die
nachfolgende Tabelle).
Für die "vier
himmlischen Gestalten"
wurden viele Deutungen
vorgelegt. Wie die
sieben Leuchter den
Heiligen Geist
symbolisieren, so sind
die vier Gestalten
vielleicht ein Sinnbild
für die
Wesenseigenschaften
Gottes, unter anderem
für seine Allwissenheit
und Allgegenwart
(verkörpert in den
vielen Augen der
Gestalten). Die vier
Lebewesen, denen sie im
Aussehen gleichen,
stehen dann für weitere
Attribute Gottes: Der
Löwe für seine Majestät
und Allmacht, der Stier
für seine Treue und
Geduld, der Mensch für
die Intelligenz und der
Adler, der größte Vogel,
für seine Herrschaft,
der kein irdischer
Herrscher gleichkommt.
Eine andere mögliche
Deutung wäre, daß die
vier Wesen Christus
repräsentieren, wie er
uns in den vier
Evangelien
entgegentritt: Der Löwe
des Stammes Juda im
Matthäusevangelium, der
Stier als Knecht Jahwes
im Markusevangelium, der
fleischgewordene Mensch
Jesus im Lukasevangelium
und der Adler als Sohn
Gottes im
Johannesevangelium. Eine
dritte Erklärung sieht
die vier Gestalten als
Engel (vgl.
Jes 6,2-3 ), die die
Attribute Gottes
preisen.
Der Anbetung der
vier Gestalten wohnten die
vierundzwanzig Ältesten
bei, die
dem, der auf dem Thron
saß , ebenfalls
huldigten, Gott
Preis und Ehre und Dank
gaben (vgl.
Offb 5,12-13 ) und
ihn als Schöpfer und
Erhalter des Universums
(vgl.
Joh 1,3; Eph 3,9; Kol
1,16-17; Hebr 1,2-3;
Offb 10,6;14,7 )
verehrten. Sie
legten ihre Krone nieder
vor dem Thron und
erkannten Gott als dem
Herrscher alle Ehre zu.
Das ganze
Kapitel 4 ist im
Grunde genommen nur eine
Hinführung auf den
zentralen Punkt von
Kapitel 4; 5 : das
Buch mit den sieben
Siegeln . In diesem
symbolischen Bild ist
von einer Schriftrolle
oder einem aufgerollten
Pergament die Rede, an
dem seitlich sieben
Siegel angebracht sind,
so daß, wenn die Rolle
geöffnet wird, die
Siegel nacheinander
aufgebrochen werden
müssen.
Johannes
sah einen starken Engel
(vgl.
Offb 10,1;18,21 ),
der
mit großer Stimme
fragte: Wer ist würdig,
das Buch aufzutun und
seine Siegel zu brechen?
Dies ist das erste
von insgesamt 20 Malen,
in denen die Wendung
"mit großer Stimme" in
der Offenbarung
gebraucht wird. Das
letzte Mal taucht dieser
Ausdruck in
Offb 21,3 auf. Das
griechische Wort, das in
der Lutherübersetzung
mit "Buch" wiedergegeben
ist, ist
biblion , von dem
auch unser Wort "Bibel"
herkommt. Als
niemand zur Öffnung
des Buches würdig
befunden wurde,
weinte Johannes sehr
(wörtlich "vergoß viele
Tränen").
Einer von den Ältesten
forderte ihn jedoch
auf, sein Weinen zu
unterlassen und wies ihn
darauf hin, daß
der Löwe aus dem Stamm
Juda, die Wurzel Davids
(vgl.
Jes 11,1; Offb 22,16 ),
überwunden , d. h.,
den Sieg bereits
erworben habe und allein
in der Lage sei,
aufzutun das Buch und
seine sieben Siegel .
Auch wenn ihm der
Älteste von Jesus als
einem "Löwen" (V.
5 ) erzählt hatte,
so sah Johannes doch
ein Lamm, das wie
geschlachtet oder
geopfert aussah. Dieses
Lamm stand
mitten zwischen dem
Thron und den vier
Gestalten und mitten
unter den Ältesten und
hatte sieben Hörner und
sieben Augen.
Der Löwe und das Lamm
sind eindeutig Bilder
für Christus, wobei das
Lamm sein erstes Kommen
und seinen Tod
symbolisiert, während
der Löwe für sein
zweites Kommen und sein
souveränes Gericht über
die Welt steht. Nur an
dieser einen Stelle wird
Christus in der
Offenbarung als "Löwe"
bezeichnet, das Wort
"Lamm" (
arnion , "Lämmchen")
dagegen findet sich
27mal in diesem Buch und
sonst nirgendwo im Neuen
Testament. Es gibt
allerdings zwei ähnliche
Wörter im Neuen
Testament für das
Opferlamm:
arEn
, nur in
Lk 10,3 ,und
amnos , das an vier
Stellen vorkommt (
Joh 1,29.36; Apg 8,32;
1Pet 1,19 ).
Hörner sind in der Bibel
immer ein Sinnbild für
"Stärke" (
1Kö 22,11 ). Hier
symbolisieren die
"sieben Hörner" die
Autorität und Stärke des
Herrschers (
Dan 7,24; Offb 13,1 ). Die "sieben Augen",
die als die
sieben Geister Gottes
definiert werden
(vgl.
Sach 3,9; Sach 4,10 ), repräsentieren den
Heiligen Geist (vgl.
Offb 1,4;4,5 ). Weil
Christus allein würdig
ist, nahm das Lamm
das Buch aus der rechten
Hand dessen, der auf dem
Thron saß (vgl.
Dan 7,9.13.14 ).
Als das Lamm
das Buch nahm, ...
fielen ... die
vierundzwanzig Ältesten
nieder vor ihm und
beteten es an. Jeder
Älteste
hatte eine Harfe und
goldene Schalen voll
Räucherwerk , die
als
die Gebete der Heiligen
gedeutet wurden
(vgl.
Ps 141,2 ). Die
Engel brachten zwar die
Gebete dar, aber sie
waren keine Priester
oder Mittler zwischen
Gott und den Menschen.
Die Harfe (Leier) und
die Posaune sind die
einzigen
Musikinstrumente, die in
der Offenbarung im
Zusammenhang mit dem
himmlischen Gottesdienst
erwähnt werden.
Die vier Gestalten und
vierundzwanzig Ältesten
stimmten
ein neues Lied an,
in dem sie dem Lamm die
Vollmacht zusprachen,
das Buch (zu nehmen) und
aufzutun seine Siegel
, denn es war
geschlachtet worden
und hatte
mit seinem Blut Menschen
für Gott erkauft aus
allen Stämmen und
Sprachen und Völkern und
Nationen . Die, die
es mit seinem Blut
(erkauft) hatte, wurden
vor Gott
zu Königen und Priestern
gemacht (vgl.
Offb 1,6 )
, und sie werden
herrschen auf Erden. "Erkauft" kommt von dem
griechischen Verb
agorazO
,
"freikaufen". (Vgl. die
Tabelle
"Neutestamentliche
Begriffe für 'Erlösung'
" bei
Mk 10,45 .)
Durch die Formulierung
des Liedtextes ("du ...
hast ...
Menschen ... erkauft
... und hast sie ...
gemacht ... und sie
werden herrschen")
erfährt die Sichtweise,
daß es sich bei den
vierundzwanzig Ältesten
um Engel handelt, eine
gewisse Stützung, wenn
diese Möglichkeit auch
nicht explizit
angedeutet wird.
Die Exegeten sind sich
über diesen Punkt nicht
einig, doch es hat den
Anschein, daß die
Ältesten keine Engel
sind, sondern daß sie
die Kirche
repräsentieren, denn sie
sitzen auf Thronen und
tragen die Siegeskrone.
Engel sind jedoch zu
diesem Zeitpunkt der
Erfüllung des göttlichen
Heilsplanes noch nicht
gerichtet oder belohnt
worden, stimmen
allerdings kurz darauf
in den Lobgesang der
Gestalten und der
Ältesten für das Lamm
ein (
Offb 5,11-12 ). Die
verschiedenen
Deutungsmöglichkeiten
sollten nicht den Blick
für die Schönheit des
hier geschilderten
Bildes und das Wunder,
das in ihm zum Ausdruck
kommt, verstellen.
Um die Ältesten gruppierten sich die
himmlischen Heerscharen
und priesen Gott
ebenfalls
mit großer Stimme. Sie
sprachen (
legontes , im
Gegensatz zu V.
9 , wo die
vierundzwanzig Ältesten
"sangen",
adousin ): "Gott sei
Kraft und Reichtum und
Weisheit und Stärke und
Ehre und Preis und Lob
."
Und jedes Geschöpf, das
im Himmel ist und auf
Erden und unter der Erde
und auf dem Meer und
alles, was darin ist , schloß sich dem
himmlischen Chor an und
lobte Gott. In diesem
Schlußteil des
allgemeinen Lobes
sprachen
die vier Gestalten ...
Amen , und die
vierundzwanzig
Ältesten fielen nieder
und beteten an .
Mit der himmlischen
Vision in
Kapitel 4; 5 wird
der Leser auf die
folgenden dramatischen
Ereignisse vorbereitet:
die Öffnung der sieben
Siegel. Der Ton dieser
ganzen Offenbarungen
macht deutlich, daß der
Himmel, von dem hier die
Rede ist, real ist und
keineswegs nur in der
Vorstellungswelt des
Apostels existierte.
Diese beiden Kapitel
enthüllen vielmehr die
unbeschreibliche
Herrlichkeit und
unendliche Majestät der
Gottheit im Himmel. In
den folgenden Kapiteln
dann wird die souveräne
Macht Gottes im Gericht
über eine böse Welt
dargestellt, die in nie
dagewesene Tiefen der
Sünde und
Gotteslästerung
abgesunken ist. Auch
wenn wir Gläubigen von
heute nicht das Privileg
besitzen, eine Vision,
wie sie Johannes zuteil
wurde oder wie sie
Paulus sah (
2Kor 12,1-3 ), zu
erleben, so kann doch
jeder Christ sich mit
den Bildern der Schrift
befassen und in ihnen
die Herrlichkeit und die
Wunder des Himmels
spüren, die er eines
Tages mit eigenen Augen
schauen wird.
C. Die Öffnung der
ersten sechs Siegel: die
Zeit des göttlichen
Zornes
(
Offb 6
)
Bevor man die
Ereignisse, die in
Kapitel 6 geschildert werden,
begreifen kann, muß man
sich zunächst fünf
wichtige Fragen stellen.
Erstens:
Spielen die
Geschehnisse, die mit
der Öffnung des ersten
Siegels beginnen, in der
Vergangenheit oder in
der Zukunft? Es
wurde zwar immer wieder
versucht, die Erfüllung
des Geschilderten in der
Vergangenheit zu
beweisen (s. die
Einführung ), doch
wir haben guten Grund,
davon auszugehen, daß
die Offenbarung sich mit
Dingen befaßt, die noch
in der Zukunft liegen.
Von der Vision, die in
Kapitel 4-5 beschrieben ist, wird in
Offb 4,1 gesagt, daß
sie "danach" geschah, d.
h. nach der Offenbarung
der Botschaften an die
sieben Gemeinden, die
laut
Offb 1,19 beschreiben, "was ist".
Da die Schriftrolle in
Offb 5,1 "versiegelt" ist, ist
von vornherein klar, daß
diese Siegel
nacheinander (nach
Kapitel 5 ) geöffnet
werden. Alle Versuche,
die Dinge, die hinter
den Siegeln verborgen
sind, mit Ereignissen in
der Vergangenheit zu
identifizieren,
scheiterten bislang an
der Vielzahl völlig
unterschiedlicher
Deutungen, von denen
sich kaum einmal auch
zwei decken. Es gibt
einfach keine Zeit in
der Geschichte, die sich
wirklich eindeutig mit
diesen Ereignissen in
Einklang bringen ließe,
so daß der Schluß sich
aufdrängt, daß sie noch
in der Zukunft liegen
müssen.
Zweitens:
Wie hängen die Siegel
mit der Entrückung der
Kirche zusammen? In
dem Sendschreiben an die
Gemeinde von Thyatira
wurde die Entrückung als
etwas Zukünftiges
dargestellt (
Offb 2,25.28 ), und
in dem Brief an die
Christen von
Philadelphia wurde sie
ebenfalls angesprochen (
Offb 3,10-11 ). Ab
Kapitel 6 finden
sich jedoch keinerlei
weitere Hinweise auf die
Gemeinden oder ihre
Entrückung, von der auch
in bestimmten bekannten
Passagen der
Paulusbriefe die Rede
ist (z. B.
1Kor 15,51-58; 1Thes
4,13-18 ). Da also
weder die Entrückung
noch die Kirche in
Offb 6-18 eine Rolle
spielen, schließen viele
Exegeten, daß die
Entrückung der Kirche
bereits vor den
Ereignissen, die in
Kapitel 4 beginnen,
stattfinden wird, d. h.,
daß sie der Zeit der
Großen Trübsal vorangeht
(zu einer weiteren
Erörterung dieses Themas
vgl. Charles C. Ryrie,
Revelation ; Charles
C. Ryrie,
The Final Countdown ; John F. Walvoord,
The Rapture Question ).
Drittens:
Welche Beziehung besteht
zwischen den Siegeln und
Dan 9,27 ? Der
göttliche Heilsplan für
Israel, der in der
siebzigsten Woche des
Daniel seinen Abschluß
findet, läßt sich am
besten im Zusammenhang
mit der Szenerie, wie
sie in der Offenbarung
geschildert wird,
begreifen. Die Erfüllung
der in
Dan 9,27 vorhergesagten
Ereignisse versuchten
die Exegeten ebenfalls
immer wieder in der
Vergangenheit
anzusiedeln, doch auch
hier lassen sich keine
wirklichen historischen
Entsprechungen finden.
Es ist deshalb
plausibler, davon
auszugehen, daß die
letzten sieben Jahre,
von denen der Prophet
spricht, mit der Zeit
vor dem zweiten Kommen
Christi gleichzusetzen
sind - also ebenfalls
noch in der Zukunft
liegen.
Daraus ergibt sich die
vierte Frage:
Befaßt sich die
Offenbarung mit der
ganzen Zeitspanne der
sieben Jahre, die in
Dan 9,27
vorhergesehen werden,
oder nur mit den letzten
dreieinhalb Jahren, die
oft als die "Große
Trübsal" oder "die Zeit
der Großen Trübsal"
bezeichnet werden (
Jer 30,7; Dan 12,1; Mt
24,21 )? Da die
Große Trübsal in
Offb 7,14 eigens
erwähnt wird und
dieselbe Zeitspanne auch
als "der große Tag" des
"Zorns" (
Offb 6,17 )
bezeichnet wird, scheint
es eine klare
Entsprechung zwischen
Dan 9,27 und den
Ereignissen im Buch der
Offenbarung zu geben.
Die meisten Ausleger
nehmen daher an, daß die
Geschehnisse ab
Kapitel 6 sich auf
die gesamte
siebenjährige Zeitspanne
beziehen. Andererseits
ist in der Offenbarung
jedoch nie von einem
Siebenjahreszeitraum die
Rede, sondern lediglich
mehrmals von dreieinhalb
Jahren oder 42 Monaten (
Offb 11,2;13,5 ).
Weil die Ereignisse von
Kapitel 6 und danach
eher in die Zeit der
Großen Trübsal als in
die Friedenszeit in der
ersten Hälfte dieser
sieben Jahre zu passen
scheinen (
1Thes 5,3 ), gibt es
gute Gründe für die
Annahme, daß sich diese
Geschehnisse in den
dreieinhalb Jahren vor
der Rückkehr Christi auf
die Erde zusammendrängen
werden. Zumindest die
Ereignisse, die ab dem
vierten Siegel
beschrieben werden (
Offb 6,7-8 ), deuten
auf eine Zeit
niedagewesenen Elendes
hin.
Die fünfte Frage
schließlich lautet:
Welche Beziehung besteht
zwischen den Ereignissen
der Offenbarung und der
Endzeitrede Christi (
Mt 24-25 )? Wie J.
Dwight Pentecost
aufzeigt (
Things to Come , S.
280 - 282), ähneln sich
die in der Offenbarung
und im
Matthäusevangelium
vorhergesagten
Geschehnisse in
auffallender Weise: (a)
Krieg (
Mt 24,6-7; Offb 6,3-4
), (b) Hungersnot (
Mt 24,7; Offb 6,5-6 ), (c) Tod (
Mt 24,7-9; Offb 6,7-8
), (d) Martyrium (
Mt 24,9-10.16-22; Offb
6,9-11 ), (e) die
Verfinsterung der Sonne
und des Mondes und das
Herabfallen der Sterne
des Himmels (
Mt 24,29; Offb 6,12-14
), (f) das göttliche
Gericht (
Mt 24,31- Mt 25,46; Offb
6,15-17 ). Ganz
offensichtlich sind die
Dinge, die in der
Offenbarung geschildert
werden, also auch
bereits Thema früherer
Prophezeiungen gewesen,
was für die Deutung der
Symbolsprache in der
Offenbarung des Johannes
eine große Hilfe ist.
Alle Belege weisen
darauf hin, daß hier die
Endzeit (und zwar
wahrscheinlich die
letzten dreieinhalb
Jahre) beschrieben ist,
die mit dem Höhepunkt
des zweiten Kommens
Christi und der
Errichtung seines
Reiches ihren Abschluß
findet (weitere
Ausführungen zu diesem
Punkt s. Walvoord,
Revelation , S. 123
- 28; vgl. auch den
Kommentar zu
Mt 24-25 ).
Johannes
sah, wie das erste der
sieben Siegel aufgetan wurde. Er
sah ... ein weißes Pferd
mit einem Reiter,
der einen
Bogen und eine
Krone (
stephanos ) hatte
und auszog,
um zu siegen . Weil
Christus bei seinem
zweiten Kommen auf einem
weißen Pferd reitend
dargestellt wird (
Offb 19,11 ),
beziehen manche Exegeten
diese Stelle (
Offb 6,2 ) ebenfalls
auf Christus, denn das
weiße Pferd ist ein
Symbol des Sieges. So
ritten römische Generäle
nach einer siegreichen
Schlacht auf einem
weißen Pferd in einem
Triumphzug durch die
Stadt, gefolgt von ihren
Kriegsgefangenen. Dieser
These widerspricht
jedoch die Chronologie
der Ereignisse, denn
Christus kehrt nicht zu
Beginn der Großen
Trübsal, sondern erst am
Ende dieser Zeit
sieghaft auf die
Erde zurück. Außerdem
sind die Reiter auf den
anderen Pferden ganz
offensichtlich
Sinnbilder für die
Zerstörung und das
Gericht, die dem zweiten
Kommen Christi um einige
Zeit vorangehen.
Plausibler ist also die
Deutung, daß der
Eroberer, von dem hier
die Rede ist, der
künftige Weltherrscher
ist, der manchmal auch
als Antichrist
bezeichnet wird,
wenngleich dieser
Begriff in der
Offenbarung selbst nicht
auftaucht. Er ist
wahrscheinlich identisch
mit dem Fürsten des
Volkes in
Dan 9,26 . Dieser
Fürst trägt einen Bogen
ohne Pfeil - ein Zeichen
dafür, daß ihm die
Weltherrschaft, die er
errichtet, kampflos
zufällt (vgl. den
Kommentar zu
Offb 13,4 ). Die
künftige Weltherrschaft
beginnt mit einer
Friedenszeit, der bald
darauf eine Zeit der
Zerstörung folgt (
1Thes 5,3 ). Die
Siegel, Posaunen und
Schalen des göttlichen
Zorns, von denen in den
folgenden Kapiteln
erzählt wird, kündigen
das schreckliche Gericht
Gottes über die Welt am
Ende der Zeiten an, das
seinen Höhepunkt in der
Wiederkunft Christi
findet.
Als
das zweite Siegel geöffnet wurde, erschien
ein
zweites Pferd , das
feuerrot war. Sein
Reiter hatte
die Macht, den Frieden
von der Erde zu nehmen
(vgl. den "roten
Drachen" in
Offb 12,3 und das
"scharlachrote Tier" in
Offb 17,3 ). Im
Gegensatz zum ersten
Reiter, der einen Bogen
ohne Pfeil in der Hand
hielt, trug der zweite
Reiter ein
großes Schwert - ein
weiteres Bild für die
politische Macht dieser
Gestalt, die die Welt
beherrschen wird.
Das dritte Siegel brachte
ein schwarzes Pferd zum Vorschein, dessen
Reiter
eine Waage in seiner
Hand (hatte).
Gleichzeitig hörte
Johannes
eine Stimme mitten unter
den vier Gestalten
sagen: Ein Maß Weizen
für einen Silbergroschen
und drei Maß Gerste für
einen Silbergroschen,
aber dem Öl und Wein tu
keinen Schaden! Ein
"Silbergroschen", der
römische Denar, dessen
damaliger Wert heute
etwa 25 Pfennigen
entspricht, war der
übliche Tageslohn eines
Arbeiters. Dieses Bild
weist auf eine
Nahrungsmittelknappheit
hin, die so groß sein
wird, daß ein Arbeiter
für seinen gesamten
Tageslohn gerade noch
ein einziges Maß Weizen
oder aber drei Maß
Gerste kaufen kann. Wenn
nun jemand Weizen kauft,
so reicht das nur noch
aus, sich eine einzige
gute Mahlzeit zu
bereiten; wenn er Gerste
kauft, so kann er sich
drei Mahlzeiten kochen,
doch in keinem Fall kann
er sich Öl oder Wein
leisten. Der Hunger, der
eine unausweichliche
Folge des Krieges ist,
wird auch in der Zeit
der Großen Trübsal eine
Haupttodesursache der
Menschen sein. Die
schwarze Farbe des
dritten Pferdes deutet
auf Hunger und Tod hin.
Das
vierte Siegel zeigte
ein
fahles Pferd . Das
griechische Wort, das
hier mit "fahl"
wiedergegeben ist,
bezeichnet eigentlich
ein blasses Grün (vgl.
dasselbe Wort, das in
Mk 6,39 und
Offb 8,7;9,4 für die
Vegetation gebraucht
ist). Johannes schrieb:
Der
Name des Reiters
war: Der Tod, und die
Hölle folgte ihm nach
. Was hier
geschildert wird, sind
die Folgen von Krieg,
Hunger und Tod. Durch
Krieg und Hunger werden
die Menschen geschwächt
und sind damit eine
leichte Beute für
Seuchen und wilde Tiere.
Das Erschrekkende an
diesem Vers ist, daß dem
Reiter des vierten
Pferdes
Macht gegeben (wurde)
über den vierten Teil
der Erde , das wären
heute schätzungsweise
eine Milliarde Menschen,
die umkämen. Schon diese
gigantische Zahl zeigt,
daß es sich hier nicht
um ein untergeordnetes
Gericht, sondern um ein
wichtiges Ereignis in
der Großen Trübsal
handelt, an dem
erkennbar wird, daß
diese schwere Zeit nun
begonnen hat. Man kann
die ersten vier Siegel
gleichsam als eine
Einheit und damit als
allgemeine Beschreibung
der Zeit der Großen
Trübsal - einer Zeit nie
dagewesenen Leidens
(vgl.
Jer 30,7; Dan 12,1; Mt
24,21-22 ) - sehen.
Das
fünfte Siegel brachte dann wieder eine
Offenbarung des Himmels.
Die Aufmerksamkeit des
Apostels wurde auf die
Seelen gerichtet,
die
unten am Altar waren
- ein Sinnbild für die
Seelen der Menschen,
die umgebracht worden
waren um des Wortes
Gottes und um ihres
Zeugnisses willen .
(Zu der Wendung "unten
am Altar" vgl.
2Mo 29,12; 3Mo 4,7 .) Es waren
offensichtlich die
Seelen der Märtyrer, von
denen in
Offb 7 nochmals die
Rede sein wird. Das ist
ein weiterer Beweis
dafür, daß die Seelen
dieser Menschen in der
Zeit der Großen Trübsal
zwar bewahrt werden, daß
viele von ihnen aber
nichtsdestoweniger den
Märtyrertod erleiden
müssen.
Die Seelen
schrien mit lauter
Stimme zum Herrn und
fragten ihn,
wie lange es noch
dauerte, bis er sie
rächen würde. Daraufhin
erhielt jede von ihnen
ein
weißes Gewand , und
es wurde ihnen gesagt,
daß die Trübsal noch
nicht vorüber sei und
noch andere den
Märtyrertod sterben
müßten, bevor der Herr
bei seinem zweiten
Kommen die Bösen richten
und die Gerechten
erlösen würde. Diese
Passage ist ein Beleg
dafür, daß hier die Zeit
der Großen Trübsal
selbst und nicht etwa
das Ende dieser Zeit
geschildert wird.
Wesen, die nur Geister
sind, können keine
Kleider tragen. Die
Tatsache, daß diese
Seelen weiße Gewänder
anlegen konnten, spricht
dafür, daß die Gläubigen
nach ihrem Tod im Himmel
zunächst "vorläufige"
Leiber erhalten, die
nach der Auferstehung
durch verherrlichte
Leiber ersetzt werden
(vgl.
Offb 20,4 ).
Als nächstes berichtete
Johannes von einem
großen Erdbeben, das
einsetzte, als das
sechste Siegel geöffnet wurde. Noch
schrecklicher als dieses
Erdbeben waren
allerdings die
gleichzeitig
stattfindenden
Veränderungen am Himmel:
Die Sonne wurde finster
wie ein schwarzer Sack,
und der ganze Mond wurde
wie Blut, und die Sterne
des Himmels fielen auf
die Erde, wie ein
Feigenbaum seine Feigen
abwirft, wenn er von
starkem Wind bewegt
wird. Der ganze
Himmel war
wie eine Schriftrolle,
die zusammengerollt wird
. Gleichzeitig
fingen - infolge des
Erdbebens - die Berge
und Inseln an zu
wandern. Auch diese
schrecklichen
Naturkatastrophen
bedeuteten jedoch noch
nicht das Ende der
Weltgeschichte, denn
noch war ein letztes
Siegel aufzubrechen.
Aber die Öffnung des
sechsten Siegels brachte
das bis dahin
schrecklichste Gericht,
das in der Zeit der
Trübsal vor der
Wiederkunft Christi über
die Menschen
hereinbrach.
Das hier Vorhergesagte
wurde zwar von vielen
Exegeten bildlich
verstanden, doch es ist
plausibler, die
Prophezeiung durchaus
wörtlich zu nehmen. Auch
die Posaunen und die
Schalen des Zorns, die
Johannes danach sehen
sollte, bewirken ja
große Veränderungen am
Himmel und auf Erden,
bevor Christus
schließlich auf die Erde
zurückkehren wird.
Eine ganz konkrete Folge
des Gerichtes des
sechsten Siegels war die
Furcht, die die
Ungläubigen ergriff. Sie
flehten zu den
Bergen und Felsen ,
über sie zu fallen und
sie
vor dem Zorn des Lammes
zu verbergen. Ihre
Angst war so groß, daß
sie lieber sterben
wollten, als vor das
Angesicht ... des Lammes
zu treten und Opfer
ihres - das Wort
bezieht sich auf die
dreieinige Gottheit -
Zorns zu werden.
Hier geht es ganz
offensichtlich nicht um
die Schilderung eines
alltäglichen Unglücks,
sondern um Leiden, wie
sie die Menschheit in
ihrer ganzen Geschichte
noch nicht ertragen
mußte.
Aus der Gesamtschau ist
Kapitel 6 eines der
wichtigsten Kapitel des
Buches der Offenbarung.
Es beschreibt die
Ereignisse bei der
Öffnung der ersten sechs
Siegel und führt das
siebte Siegel ein,
dessen Öffnung wiederum
die sieben Posaunen und
die sieben Schalen des
Zorns nach sich zieht (
Offb 8-9,16 ).
Das in
Kapitel 6 Gesagte
sollte die irrige
Vorstellung, daß Gott -
der ja der Gott der
Liebe ist - die böse
Welt nicht richten wird,
ausreichend widerlegt
haben. Nicht umsonst
wirft es in den
Schlußworten von Vers
17 die entscheidende
Frage auf:
Wer kann bestehen? -
Nur die, die sich vor
der Zeit des Gerichts
die Gnade Gottes
erworben haben, werden
verschont werden, wenn
Gott am Ende der Großen
Trübsal über die Erde
urteilen wird. Wer dann
auf Rettung hoffen darf,
erfahren wir im nächsten
Kapitel.
D. Die in der Zeit der
Großen Trübsal Bewahrten
(
Offb 7
)
1. Die
Hundertvierundvierzigtausend,
die versiegelt waren aus
allen Stämmen Israels
(
7,1-8
)
In
Offb 6,17 wurde
gefragt, ob in der Zeit
der Großen Trübsal
überhaupt ein Mensch
bewahrt bleibt. Auf
diese Frage gibt das
vorliegende Kapitel
Antwort. Dabei werden
zwei Gruppen eigens
erwähnt: (1) Die
Israeliten, die auch
leiblich gerettet
werden, und (2) die
Heiden aller Völker,
die, obwohl geistlich
gerettet, den
Märtyrertod sterben
werden.
Vier Engel erhielten
den Auftrag, mit der
Ausführung des Gerichts
über die Erde zu
warten,
bis die Knechte
Gottes versiegelt sind
(V.
3 ).
Das Siegel, das sie an
ihren Stirnen tragen
sollten, ist ein Symbol
für den Schutz Gottes,
dessen Eigentum sie
sind, und
versinnbildlicht
gleichzeitig Gottes
erklärte Absicht, die
zwölf Stämme Israel, die
hier namentlich
aufgeführt werden, zu
bewahren, wie einst Noah
vor der Sintflut, Israel
vor den Plagen in
Ägypten und Rahab und
ihr Haus in Jericho
bewahrt wurden.
Johannes hörte die Namen
der zwölf Stämme, aus
denen jeweils
zwölftausend versiegelt
, d. h. geschützt
wurden. Die zwölf Stämme
Israels sind also
keineswegs "verloren",
wie manchmal behauptet
wird.
Es gab in der Exegese
Ansätze, die zwölf
Stämme mit der Kirche zu
identifizieren, um die
Folgerung zu vermeiden,
daß es sich bei diesen
Versiegelten tatsächlich
um
Israel handelt. Die
Tatsache jedoch, daß die
Stämme namentlich
aufgezählt werden und
zudem aus jedem dieser
Stämme eine konkrete
Zahl genannt wird,
scheint die Aussage von
der symbolischen auf die
Realitätsebene zu
verlagern und eine
wörtliche Deutung zu
rechtfertigen. Wenn Gott
gewollt hätte, daß ganz
deutlich wird, daß mit
diesen Versen Israel
gemeint ist, dann hätte
er es sicherlich auf
genau diese Weise
ausgedrückt. Im übrigen
stehen nirgendwo sonst
in der Bibel die zwölf
Stämme Israel für die
Kirche. Es liegt auf der
Hand, daß Israel die
Zeit der Trübsal
durchlaufen wird, und
wenn die Menschen heute
auch noch nicht wissen,
welcher Stamm
dazugehören wird, so
weiß es doch Gott auf
jeden Fall.
Es ist viel darüber
spekuliert worden, warum
der Stamm Dan an dieser
Stelle ausgelassen
wurde. Josef und der
eine seiner beiden
Söhne, Manasse, sind in
die Liste aufgenommen,
wohingegen Ephraim, der
zweite Sohn Josefs,
nicht erwähnt wird. Wäre
Dan ebenfalls genannt,
so wären es dreizehn
Stämme gewesen. Nach J.
B. Smith enthält die
Heilige Schrift im Alten
und Neuen Testament
zusammen 29 Aufzählungen
der Stämme Israels,
wobei in keiner mehr als
zwölf aufgeführt werden
(
A Revelation of Jesus
Christ , S. 130).
Gewöhnlich wurde der
Stamm Levi, aus dem sich
die Priesterschaft
rekrutierte,
weggelassen. Wenn also
ganz einfach die
Zwölferzahl nicht
überschritten werden
sollte, so ist die
Auslassung des Stammes
Dan ohne Bedeutung.
Möglicherweise wurde der
Stamm jedoch auch nicht
erwähnt, weil er als
einer der ersten dem
Götzendienst verfiel (
Ri 18,30; vgl.
1Kö 12,28-29 ). In
Hes 48,2 gehört der
Stamm Dan allerdings zu
denen, die im
Tausendjährigen Reich
das Land in Besitz
nehmen werden.
Die entscheidende
Lehraussage dieser
ganzen Passage bleibt
auf jeden Fall bestehen:
Gott wird auch in dieser
letzten schrecklichen
Zeit über Israel wachen.
Überlegungen über die
Anzahl oder die Namen
der Stämme, die
lediglich darauf
abzielen, das hier
Gesagte mit der Kirche
in Verbindung zu
bringen, entbehren also
jeglicher biblischen
Grundlage.
Als nächstes sah
Johannes
eine große Schar
Menschen aus allen
Nationen und Stämmen und
Völkern und Sprachen;
die standen vor dem
Thron (d. h. vor
Gott Vater)
und dem Lamm (d. h.
Gott Sohn). Es sind
dieselben, von denen
bereits in
Offb 6,9 die Rede
war, doch hier waren sie
angetan mit weißen
Kleidern und mit
Palmzweigen in ihren
Händen - offenbar
ein Zeichen des
Triumphes ihres
Gerechtseins. Dem Lob
dieser Schar, die Gott
und das Lamm für ihre
Rettung pries, schlossen
sich
alle Engel ... die
Ältesten und ... die
vier Gestalten an
(vgl.
Offb 5,9-12 ).
Einer der Ältesten fing
an und fragte
Johannes, wer die Leute
seien,
die mit den weißen
Kleidern angetan waren. Wenn die
vierundzwanzig Ältesten
die Kirche
repräsentieren, muß
diese Gruppe
offensichtlich eine
andere erlöste Schar
darstellen. Auf die
Entgegnung des Johannes,
daß er es nicht wisse
(V.
14 a), gab der
Älteste selbst die
Antwort:
Diese sind's, die
gekommen sind aus der
großen Trübsal und haben
ihre Kleider gewaschen
und haben ihre Kleider
hell gemacht im Blut des
Lammes.
Es scheint klar, daß
"diese, die gekommen
sind aus der großen
Trübsal", den
Märtyrertod erlitten und
dann Aufnahme im Himmel
fanden. Es wurde ihnen
das besondere Vorrecht
zuteil,
vor dem Thron Gottes zu erscheinen und ihm
Tag und Nacht in seinem
Tempel zu dienen .
Sie stehen nun unter dem
direkten Schutz Gottes
und sollen niemals mehr
hungern noch dürsten noch soll sie
irgendeine Hitze treffen - eine
Ankündigung, die darauf
schließen läßt, daß sie
auf Erden unter diesen
Beschwernissen zu leiden
hatten. Jetzt aber
weidet sie
das Lamm mit
besonderer Fürsorge, und
sie trinken aus
Quellen des lebendigen
Wassers . Die
Passage endet mit der
tröstenden Versicherung,
daß all ihre Tränen
abgewischt werden
sollen.
Die beiden großen
Gruppen, die Johannes
hier erblickte, waren
einmal die
hundertvierundvierzigtausend
Israeliten und zum
anderen eine große Zahl
von Menschen aus allen
Völkern, unter ihnen
auch einige Israeliten,
die nicht "versiegelt"
worden waren und in der
Großen Trübsal den
Märtyrertod erlitten.
Wahrscheinlich
repräsentiert keine
dieser beiden Gruppen
die Kirche, den Leib
Christi im gegenwärtigen
Zeitalter, weil beide
von den vierundzwanzig
Ältesten unterschieden
werden und keine von
ihnen explizit mit der
gegenwärtigen Kirche
identifiziert wird.
Die in diesem und den
nächsten Kapiteln
geschilderten Ereignisse
treiben das Geschehen
nicht voran, sondern
stellen gleichsam ein
retardierendes Moment
dar, um verschiedene
konkrete Punkte der
Offenbarung über ganz
bestimmte Dinge
besonders zu erhellen.
Hier steht zunächst die
Antwort auf die Frage in
Offb 6,17 im
Mittelpunkt: "Wer kann
bestehen?"
Die Kapitel im Buch der
Offenbarung sind zwar
nicht chronologisch
geordnet, doch
Kapitel 7 beschreibt
eindeutig eine Szene im
Himmel, die dem zweiten
Kommen Christi auf die
Erde vorangeht. Von den
Menschen, die hier im
Himmel erscheinen, wird
ausgesagt, daß sie "aus
der großen Trübsal" (V.
14 ) kommen. Es
folgt eine Schilderung
der Segnungen und
Wohltaten, die ihnen im
Himmel nach ihren
irdischen Bedrängnissen
widerfahren. (Die
Hundertvierundvierzigtausend
werden in
Offb 14,1-5 nochmals
auftreten.) Dazu kommt
die Schar der Märtyrer,
die getötet wurden, weil
sie sich weigerten, das
Tier anzubeten. (Sie
werden im Zusammenhang
mit der Auferstehung in
Offb 20,4 ein
zweites Mal erwähnt.)
Daß es sich bei diesen
Menschen nicht um
Heilige des
Tausendjährigen Reiches
handelt, wird schon an
der Tatsache deutlich,
daß sie vor Gottes Thron
im Himmel erscheinen und
auferweckt werden.
E. Die Öffnung des
siebten Siegels und die
Einführung der sieben
Posaunen
(
Offb 8-9
)
Als
das siebente Siegel geöffnet wurde,
entstand eine Stille im
Himmel etwa eine halbe
Stunde lang - ein
Vorzeichen für die
Bedeutung dieses
Siegels. Die sieben
Posaunen, die nun
erschallen sollten,
unterscheiden sich in
dem, was sie ankündigen,
klar von den sieben
Siegeln. W. Graham
Scroggie stellt vielmehr
fest: "Die Posaunen
greifen nicht etwa die
Themen be stimmter oder
gar aller Siegel
nochmals auf, sondern
liegen unter dem
sechsten Siegel
verborgen und gehen von
ihm aus" (
The Great Unveiling , S. 111). Ebenso sind
auch die Schalen des
Zornes Gottes (
Offb 16 ) seiner
Ansicht nach "keine
Wiederholung der Siegel
und der Posaunen" (S.
112).
Das Verhältnis zwischen
den "sieben Siegeln",
"sieben Posaunen" und
den "sieben Schalen des
Zorns"
C. A. Blanchard vertritt
dieselbe Auffassung:
"Die dreifache Reihung
der Siebenzahl gehört
eigentlich in eine
einzige Siebenerabfolge,
d. h., die sieben
Posaunen sind unter dem
siebten Siegel
verborgen, die sieben
Schalen des Zorns aber
unter dem Klang der
siebten Posaune, so daß
wir es im Grunde mit
einer einzigen Abfolge
in drei Schritten zu tun
haben" (
Light on the Last Days
, S. 58). Das siebte
Siegel ist also deshalb
so wichtig, weil es
letztlich alle
Ereignisse von
Offb 8,1-19,10 in
sich einschließt.
2. Die sieben Engel und
die sieben Posaunen
(
8,2
)
Während Johannes das
himmlische Schauspiel
betrachtete, fielen ihm
sieben Engel auf,
denen
sieben Posaunen gegeben
wurden. Die
Tatsache, daß es sich
hier um Engelsposaunen
handelt, unterscheidet
sie von der Posaune des
Herrn (
1Kor 15,52; 1Thes 4,16
) und von anderen
neutestamentlichen
Posaunenerscheinungen (
Hebr 12,19; Offb
1,10;4,1 ).
Dem Schall der Posaunen
ging eine eindrucksvolle
Handlung voraus:
Ein anderer Engel ,
der zu den sieben
hinzukam,
trat an den Altar und
hatte ein goldenes
Räuchergefäß . In
der alttestamentlichen
Stiftshütte wurde ein
kupfernes Räuchergefäß,
das wahrscheinlich
relativ schwer war, dazu
benutzt, Kohlen von dem
vergoldeten Altar vor
der Stiftshütte zum
Räucheraltar zu bringen.
Später im Tempel Salomos
wurden goldene
Räuchergefäße verwendet
(
1Kö 7,50; 2Chr 4,22 ).
Dies ist die einzige
Stelle in der
Offenbarung, wo von
Rauchgefäßen die Rede
ist (bei den "Schalen
voll Räucherwerk" in
Offb 5,8 handelte es
sich wahrscheinlich
nicht um Räuchergefäße).
Wie die goldenen Gefäße
in
Offb 5,8 ist auch
das "goldene
Räuchergefäß" ein Symbol
für die Darbringung von
Gebeten aller Heiligen
.
Damit wird an den
Brauch, Räucherwerk auf
dem Räucheraltar in der
Stiftshütte und im
Tempel darzubringen,
angeknüpft. In einem
Räuchergefäß befanden
sich normalerweise
glühende Kohlen, und ein
zweites Gefäß enhielt
die Räucheressenz, die
dann am Altar über die
Kohlen gegossen wurde.
Der Rauch, der sich
dabei entwickelte, war
ein Sinnbild für das
Gebet, das zu Gott
aufstieg.
Nach der Schilderung von
Vers
5 brachte
der Engel das
Räucherwerk auf den
Kohlen vor Gott dar und
schüttete es dann,
nachdem er es
mit Feuer vom Altar gefüllt hatte,
auf die Erde .
Daraufhin erhoben sich
Donner und Stimmen und
Blitze und Erdbeben - ein unheilvolles
Vorzeichen für das
Kommende.
Als der erste Engel
seine Posaune (blies)
... kam Hagel und Feuer,
mit Blut vermengt, und
fiel auf die Erde ,
so daß
der dritte Teil der Erde
verbrannte ,
einschließlich
der Bäume ... und alles
grüne Gras . Diese
verheerende Strafe
betraf also, wie auch
die Folgen der meisten
anderen Posaunen, ein
Drittel der Erde.
Als die zweite Posaune
erklang,
stürzte etwas wie ein
großer Berg mit Feuer
brennend ins Meer ,
so daß
der dritte Teil des
Meeres ... zu Blut wurde und
der dritte Teil der
lebendigen Geschöpfe im
Meer starb und der
dritte Teil der Schiffe
vernichtet wurde.
Man faßt die hier
geschilderten Ereignisse
am besten wörtlich auf,
wobei die Beschreibung
des in Blut verwandelten
Meeres allerdings
sicherlich eine
bildhafte Redewendung
ist wie auch das Blut,
das dem Hagel und Feuer
der ersten Posaune
folgt. Auch bei den
sieben Plagen, die über
Ägypten kamen (vgl.
2Mo 7,14-22 ), war
das Blut ein Zeichen des
göttlichen Gerichtes.
Die Katastrophen, die
sich aus diesem
Strafgericht ergaben,
sind jedoch eindeutig
als Tatsachen anzusehen.
Die Verwandlung des
Meeres in Blut hat den
Tod eines Drittels der
im Meer lebenden Tiere
zur Folge, und der ins
Meer stürzende brennende
Berg zerstört ein
Drittel der Schiffe. Man
stellt sich diesen Berg
wohl am besten als eine
riesige Masse, die vom
Himmel herabfällt, vor.
Da die Auswirkungen so
realistisch sind, ist es
plausibel, auch ihre
Ursache, das göttliche
Strafgericht, für real
zu halten.
Die Strafe, die auf die
dritte
Posaune folgte,
glich dem Geschehen nach
der zweiten Posaune. Nur
wird hier die Masse, die
vom Himmel stürzt, als
ein großer Stern ...,
der ... wie eine Fackel
(brannte) ,
identifiziert. Dieser
Stern
fiel auf den dritten
Teil der Wasserströme
und auf die
Wasserquellen , also
auf nichtozeanische
Wasserreservoire.
Der Name des Sterns war
Wermut . "Wermut"
ist eine bittere
Pflanze, die in der
Wüste wächst und nur an
dieser Stelle im Neuen
Testament erwähnt wird,
während sie im Alten
Testament siebenmal als
Sinnbild des Leides und
der schweren Bestrafung
vorkommt (
5Mo 29,17; Spr 5,4; Jer
9,14;23,15; Kl 3,15.19;
Am 5,7 ).
Viele Exegeten haben
versucht, das Geschehen
beim Schall der dritten
Posaune symbolisch zu
deuten. Doch es liegt
wohl näher, den Stern,
von dem hier die Rede
ist, mit einem großen
Meteoriten oder Kometen
gleichzusetzen, der auf
die Erde stürzt und das
Wasser wie beschrieben
bitter macht, so daß die
Menschen, die davon
trinken, sterben. Das
Gegenteil zu diesem
Vorgang, das im Kreuz
Christi zu finden ist,
ist symbolisch im
Süß-Werden des Wassers
von Mara (
2Mo 15,23-25 ) und
in der Verwandlung der
Strafe im Gericht in
Gnade, Leben und
Hoffnung vorweggenommen.
Auch die furchtbaren
Folgen der dritten
Posaune bringen den Tod
über viele Lebewesen.
Bei dem Klang der
vierten Posaune
verdunkelte sich
der dritte Teil des
Himmels. Ohne den
dritten Teil der Sonne
war es ein Drittel
des Tages dunkel, und
ohne das Licht des
Mondes und der
Sterne war auch die
Nacht stockfinster. Auch
hier ist wieder die
wörtliche Deutung die
plausibelste. So wie die
ersten drei Posaunen ein
Drittel der Erde
verwüsteten, zerstörte
die vierte Posaune ein
Drittel des Himmels.
Es erfolgte eine
Warnung, daß die
nächsten drei
Posaunenstöße noch
wesentlich verheerendere
Folgen haben würden als
die vorangegangenen. Das
dreifache
Weh , das ein
Adler (vgl.
Offb 4,7;12,14 )
ausstieß, kündigte das
kommende Gericht an.
Die Geschehnisse nach
dem Klang der fünften
Posaune werden
ausführlich erklärt, was
darauf hinweist, daß sie
einen wichtigen Schritt
in Gottes
fortschreitendem und
sich immer weiter
steigernden Gericht über
die Erde darstellen. Der
Stern, der auf die Erde
fiel, war wohl eine
Person und kein
Meteorit; darauf deuten
jedenfalls das Pronomen
er in Vers
2 sowie der Begriff
"König" in Vers
11 (vgl.
Jes 14,12-17; Lk 10,18
). Dieser Stern, der
wahrscheinlich den zu
Beginn der Großen
Trübsal aus dem Himmel
geworfenen Satan
darstellt (
Offb 12,9 ), erhielt
den
Schlüssel zum Brunnen
des Abgrunds ,
(abyssos), des Wohnorts
der Dämonen (vgl.
Lk 8,31; Offb
9,11;11,7;17,8;20,1.3;
in
Röm 10,7 ist
dasselbe Wort mit
"Tiefe" übersetzt).
Satan wird für tausend
Jahre - während der
Herrschaft Christi auf
Erden - im Abgrund
gefangen sein (
Offb 20,1-3 ).
Nach dem Erklingen der
fünften Posaune
gebrauchte der Stern
(Satan) seinen Schlüssel
dazu, die Dämonen aus
dem Abgrund zu befreien
und als Peiniger auf die
Erde zu schicken. Für
das Auge wurde dieses
Ereignis als ein großer
Rauch sichtbar, der
die Sonne und die Luft
verdunkelte.
Aus dem Rauch kamen
Heuschrecken , die
wie
Skorpione einen
tödlichen Stachel
hatten. Für die
Vegetation waren sie
unschädlich, aber sie
stachen die
Menschen, die nicht das
Siegel Gottes ... an
ihren Stirnen trugen.
Nach dem Bericht von
Kapitel 7 wurden
hundertvierundvierzigtausend
Israeliten versiegelt,
und alle, die in jener
Zeit den Herrn kannten,
wurden vor der Plage
beschützt (vgl.
Eph 1,13-14; 2Tim 2,19
). Zur Zeit des
Alten Testamentes waren
die Heuschrecken eine
schreckliche Plage, denn
sie fraßen unter
Umständen die gesamte
Ernte und konnten das
Land dadurch in eine
Hungersnot stürzen (
2Mo 10,12-20; Joe 1,4-7
). Die Heuschrecken,
um die es hier geht,
ernährten sich jedoch
nicht von Blättern; sie
hatten die Macht, die
Menschen
fünf Monate lang zu
quälen (vgl.
Offb 9,10 ). Es
waren wahrscheinlich
Dämonen, die in der
Gestalt von Heuschrecken
auftraten. Das wird auch
dadurch bestätigt, daß
sie aus dem "Brunnen des
Abgrunds", der
Heimstätte der Dämonen,
ausgeschwärmt waren (
Lk 8,31 ). Ihre
dämonische Macht über
die Menschen äußerte
sich darin, daß ihre
Opfer zwar wünschten zu
sterben, sich aber nicht
das Leben nehmen
konnten.
Das Aussehen der
Heuschrecken, die
Rossen, die zum Krieg
gerüstet sind ,
glichen, war
schrecklich: Sie trugen
goldene Kronen, ihr
Antlitz glich der
Menschen Antlitz ... sie
hatten Haar wie
Frauenhaar und Zähne wie
Löwenzähne . Dazu
trugen sie eisenartige
Panzer und besaßen
Flügel , deren
Schlagen klang
wie das Rasseln der
Wagen vieler Rosse, die
in den Krieg laufen .
Johannes beschrieb hier
offensichtlich einfach,
was er erblickte, ohne
die einzelnen Details
genauer zu deuten. Das
Ergebnis ist ein Bild
der furchtbaren
übernatürlichen Macht
Satans und der Welt der
Dämonen, die ganz
besonders die
Ungläubigen bedroht.
Anders als die
vorhergehenden Strafen,
die offensichtlich nur
kurze Zeit andauerten,
erstreckte sich diese
Plage über fünf Monate
(V.
10 ; vgl. V.
5 ). Diese Tatsache
ist insofern wichtig,
als sie die Vorstellung
widerlegt, daß all dies
sich in einer sehr
kurzen Zeitspanne
unmittelbar vor der
Wiederkunft Christi
abspielen wird.
Die Heuschrecken-Dämonen
hatten einen Herrscher
über sich , dessen
Name
hebräisch Abaddon,
griechisch ... Apollyon
, lautete. Beide
Wörter bedeuten
"Zerstörer". Obwohl
Satan manchmal als Engel
des Lichtes (
2Kor 11,14 )
dargestellt wird, tritt
an dieser Stelle zutage,
was er und seine Dämonen
wirklich sind: die
"Zerstörer" der
Menschheit. Die Strafe
nach der fünften Posaune
bestätigt, was schon die
vorhergehenden Strafen
haben ahnen lassen: daß
die Zeit der Großen
Trübsal, wie Christus
sie nennt, eine Zeit
großer "Bedrängis sein
(wird), wie sie nicht
gewesen ist vom Anfang
bis jetzt und auch nicht
wieder werden wird" (
Mt 24,21 ). 10. Die
sechste Posaune (
Offb 9,12-21 )
Die sechste Posaune
scheint mit dem letzten
militärischen Gefecht,
von dem in
Offb 16,12-16 die
Rede ist (vgl.
Dan 11,40-45 ), in
Zusammenhang zu stehen.
Bei ihrem Klang hörte
Johannes
eine Stimme aus den vier
Ecken des goldenen
Altars vor Gott .
Sie befahl
dem sechsten Engel, ...
die vier Engel , die
am
Euphrat (gebunden sind)
, loszulassen. Bei
diesen
vier Engeln handelte
es sich wohl um Dämonen,
denn heilige Engel sind
nicht "gefesselt". Die
Freilassung dieser vier
Kräfte war auf
die Stunde und den Tag
und den Monat und das
Jahr genau
festgesetzt und führte
abermals zum Tode des
dritten Teils der
Weltbevölkerung.
Nach der Öffnung des
vierten Siegels (
Offb 6,7-8 ) war
bereits ein Viertel der
Menschen auf der Welt
umgebracht worden. An
dieser Stelle nun kam
wieder ein Drittel der
verbleibenden
Bevölkerung ums Leben.
Allein diese beiden
Strafen hatten also
unabhängig von allen
dazwischenliegenden
Plagen den Tod der
Hälfte der
Weltbevölkerung zur
Folge. Man sollte diese
Angaben wörtlich nehmen,
denn sie bestätigen die
Aussage von Daniel (
Dan 12,1 ) und die
Worte Christi (
Mt 24,21 ), daß die
Große Trübsal schlimmer
als alles je Dagewesene
sein wird und mit dem
Tod aller Menschen enden
müßte, wenn diesen
Schrecken nicht durch
das zweite Kommen
Christi Einhalt geboten
würde (
Mt 24,22 ).
Das Losbinden der vier
Engel (die nicht mit den
vier Engeln in
Offb 7,1 verwechselt
werden dürfen) führte
zur Entsendung eines
reitenden Heeres von
vieltausendmal tausend
Männern. Nach
Aussage mancher Exegeten
ist damit eine riesige
dämonische Heeresmacht
gemeint, doch Dämonen
treten normalerweise
nicht in geordneten
Schlachtreihen auf. Die
Tatsache, daß Johannes
ihre Zahl (hörte) ,
da er das riesige
Aufgebot offensichtlich
gar nicht überblicken
konnte, macht die
Annahme glaubhaft, daß
es sich hier um eine
konkrete Angabe handelt,
derzufolge ein Heer von
Osten den
ausgetrockneten Euphrat
überschreiten wird (
Offb 16,12 ). Der
Euphrat wurde in neuerer
Zeit durch große Dämme
umgeleitet, um Wasser
zur Bewässerung
abzuzweigen, so daß das
eigentliche Flußbett
zeitweise ganz trocken
oder zumindest beinahe
trocken ist. Schon in
Dan 11,44 wird eine
große Invasion vom Osten
und Norden in der
Endzeit vorhergesagt.
Die Rosse und die darauf
saßen ... hatten
feuerrote und blaue und
schwefelgelbe Panzer . Daß die
Häupter der Rosse löwenartig aussahen,
deutet darauf hin, daß
es sich hier nicht um
normale Pferde handeln
kann, zumal Johannes
schilderte, daß
aus ihren Mäulern ...
Feuer und Rauch und
Schwefel strömte.
Manche Ausleger haben
dieses Bild auf die
moderne Kriegstechnik
mit ihren bewaffneten
Fahrzeugen - etwa
Panzern - übertragen.
Doch unabhängig davon,
ob das hier Beschriebene
nun symbolisch oder
faktisch aufzufassen
ist, auf jeden Fall ist
von einer schrecklichen
Zerstörung und einer
furchtbaren vorrückenden
Macht die Rede. Die
Verheerungen, die sie
anrichtet, werden
zweimal konstatiert und
schließen unter anderem
abermals den Tod eines
Drittels der Menschheit
ein (V.
15.18 ).
Trotz dieses
grauenhaften Gerichtes,
das ganz eindeutig von
Gott gesandt war,
bereuten die Menschen
nicht, sondern fuhren
fort,
die bösen Geister und
ihre Sinnbilder, die ...
Götzen , zu
verehren. Sie hörten
nicht auf zu morden,
befaßten sich weiterhin
mit dem Okkulten (
Zauberei ,
pharmakeiOn
; ein
Wort, von dem unser
heutiger Begriff
"Pharmazie" abgeleitet
ist; vgl.
Gal 5,20; Offb
18,23;21,8;22,15 )
und ergaben sich in
schamloser Weise
ihrer Unzucht und ihrer
Dieberei .
Die Strafen, die auf den
Klang der Posaunen
folgten, steigerten sich
mehr und mehr und hatten
immer schlimmere und
grausigere Auswirkungen.
Doch trotz des klaren
Erweises der göttlichen
Richtermacht über die
Welt sah Johannes
keinerlei Anzeichen
dafür, daß die große
Masse der Menschen sich
in irgendeiner Weise
innerlich wandelte. Die
sechste Strafe brachte
zwar Furcht in ihren
Herzen hervor, aber
keine Reue.
1. Die Gestalt des
Engels mit dem Büchlein
(
10,1-4
)
In
Kapitel 7 war
bereits von den
Hundertvierundvierzigtausend
und den vielen Märtyrern
die Rede, ohne daß die
Geschehnisse in der
Großen Trübsal in
chronologischer
Reihenfolge dargestellt
wurden. In ganz
ähnlicher Weise liefert
auch die Passage von
Offb 10,1-11,14 Hintergrundinformationen
zu den Ereignissen um
die Siegel, Posaunen und
Schalen des Zorns.
Ein weiterer Engel trat
auf, der offenbar nicht
zur Schar der Sieben
gehörte, die in die
Posaune stießen. Manche
Ausleger setzen diesen
Engel mit Christus
gleich, indem sie auf
den Engel in
Offb 8,3 verweisen,
der in ihren Augen
ebenfalls ein Sinnbild
Christi, und zwar in der
Funktion eines
Priesters, ist.
Tatsächlich erschien
Christus im Alten
Testament häufig als
"Engel des Herrn" (z. B.
1Mo 16,7; 1Mo 24,7; 1Mo
31,11.13; Ri 6,22 ).
Es gibt jedoch keinerlei
Belege dafür, daß die
hier genannte Person
etwas anderes war als
ein großer Engel (vgl.
Offb 5,2 ),
möglicherweise der
Erzengel Michael.
Dieser
Engel wird in
eindrucksvoller Weise
als
mit einer Wolke
bekleidet und einem
Regenbogen auf seinem
Haupt , einem
Antlitz wie die Sonne
und Füßen
wie Feuersäulen dargestellt. Johannes
fügte hinzu, daß er
ein Büchlein (in seiner
Hand) trug und mit
seinem
rechten Fuß auf dem Meer
und dem
linken auf der Erde stand. Dabei
schrie (er) ..., wie ein
Löwe brüllt . Bei
diesem
ehrfurchtgebietenden
Anblick und beim Ruf des
Engels
erhoben die sieben
Donner ihre Stimme .
Das Buch der Offenbarung
ist zwar in erster Linie
darauf angelegt, Gottes
Plan und die kommenden
Ereignisse zu enthüllen
und nicht zu
verschleiern, doch
bestimmte Dinge werden
auch hier noch
zurückgehalten, wie
Gottes Verbot gegenüber
Johannes -
niederzuschreiben, was
"die Stimmen" der sieben
Donner sagten - zeigt.
Im Gegensatz zu der
Schriftrolle (
biblion ) mit den
sieben Siegeln, die das
Lamm trug (
Offb 5,1 ), hielt
der Engel eine kleinere
Rolle (
biblaridion ; vgl.
auch
Offb 10,9-10 ) in
der Hand. Sie enthielt
offensichtlich in
schriftlicher Form den
Auftrag, den zu erfüllen
er im Begriff stand.
2. Die Ankündigung des
bevorstehenden Endes
(
10,5 - 7
)
Die großartige
Schilderung der Gestalt
des Engels (V.
1-4 ) war die
Vorbereitung auf die
Verkündigung, die sich
daran anschließt (V.
5 - 7 ). Indem er
feierlich bei Gott, dem
ewigen Schöpfer, schwor,
erklärte der Engel:
Es soll hinfort keine
Zeit mehr sein .
Diese Wiedergabe des
griechischen Textes
wurde häufig dahingehend
mißverstanden, daß es
hier um die Ablösung der
gegenwärtigen
Zeitdimension mit ihren
sequentiell
aufeinanderfolgenden
Ereignissen gehe. Das
ist jedoch nicht der
Grundgedanke dieser
Passage. Der klare
Hinweis auf Gott als den
Schöpfer (vgl.
Offb 4,11;14,7 )
tritt vielmehr jeglichen
evolutionären
Spekulationen über den
Ursprung der Erde
entgegen und bekräftigt
die Allmacht Gottes in
seinem Umgang mit der
Welt im Gericht am Ende
der Zeit.
Der Engel kündigte an,
daß die siebte
Posaune das Geheimnis
Gottes zur
Vollendung bringen
würde. Dieses Geheimnis
war zuvor Gottes
Propheten mitgeteilt
worden. Es geht hier
also nicht um eine
verborgene Wahrheit,
sondern um die
endgültige Erfüllung
vieler
alttestamentlicher
Passagen, die sich auf
die herrliche
Wiederkunft des
Gottessohnes und die
Errichtung seines
gerechten
Friedensreiches auf
Erden beziehen. In dem,
was heute geschieht,
enthüllt sich Gottes
Plan nicht unbedingt,
denn noch hat der Satan
Macht und kann in
Erscheinung treten. Doch
es wird eine Zeit
kommen, in der er
endgültig entmachtet ist
und die Weissagungen der
alttestamentlichen
Propheten sich erfüllen.
Dann werden alle
Menschen den Herrn
kennen und alles über
ihn wissen (
Jer 31,34 ). An
dieser Stelle findet
sich abermals ein
Hinweis darauf, daß die
siebte Posaune das
Gericht der sieben
Schalen des göttlichen
Zorns, von denen in
Offb 16 die Rede
ist, eröffnet. (
Offb 10,8-11 )
Johannes gehorchte der
Anweisung des Engels,
die Schriftrolle zu
verspeisen, die ihm zwar
süß ... wie Honig im
Munde war, in seinem
Magen jedoch bitter wurde. Danach teilte ihm
der Engel mit, daß er
abermals weissagen müsse.
Was bedeutet dieser
kleine Zwischenfall?
Auch wenn Johannes keine
nähere Erklärung
erhielt, so liegt doch
auf der Hand, daß er
sich dadurch, daß er
sich das Buch
einverleibte, auch
dessen Inhalt aneignete
(vgl.
Jer 15,16 ). Die
kleine Schriftrolle
scheint das Wort Gottes
und ganz allgemein die
göttliche Offenbarung zu
symbolisieren, denn es
wurde Johannes geboten,
das Wort getreulich
weiterzugeben.
Für Johannes war das
Wort Gottes mit seiner
Offenbarung der
göttlichen Gnade und den
vielen herrlichen
Verheißungen, die den
Gläubigen darin zugesagt
werden, in der Tat süß.
Es stand somit in
scharfem Kontrast zu der
äußeren Situation des
Apostels auf der Insel
Patmos. David sang: "Die
Rechte des Herrn sind
Wahrheit, allesamt
gerecht. Sie sind
köstlicher als Gold und
viel feines Gold. Sie
sind süßer als Honig und
Honigseim" (
Ps 19,10 b-
11 ). Obwohl das
Wort für die Gläubigen
süß ist, wird es doch
für die Ungläubigen
bitter sein, wenn es das
göttliche Gericht über
sie bringt.
Es ist zwar klar, daß
Offb 11,1-14 die
eingeschobene Passage,
die mit
Offb 10,1 begann,
fortführt, doch wurde
gerade für diese
Schriftpassage eine
erstaunliche Vielzahl
von Deutungsvorschlägen
vorgelegt. Alford
bezeichnet dieses
Kapitel denn auch als
"eines der schwierigsten
in der ganzen
Apokalypse" (
The Greek Testament , 4,655).
Die beste Richtschnur
für die Auslegung dieses
Abschnittes ist auch
hier wieder, alle darin
erwähnten Tatsachen
wörtlich zu nehmen. Wenn
man von diesem
Grundprinzip ausgeht, so
wird es in der Zeit der
Großen Trübsal
tatsächlich einen Tempel
geben, und die Stadt,
von der hier die Rede
ist, ist das wirkliche
Jerusalem, wie es
Offb 11,8 identifiziert wird. Die
Zeitspannen von 42
Monaten (V.
2 ) und drei und
einem halben Tag (V.
9.11 ) sollten
ebenfalls wörtlich
genommen werden. Bei dem
Erdbeben werden wirklich
siebentausend Menschen
umkommen, und die beiden
Zeugen sind zwei
konkrete Menschen.
Johannes bekam ein
Rohr in die Hand,
das er offenbar als
Meßinstrument benützen
sollte, denn er wurde
angewiesen,
den Tempel ... und den
Altar , nicht aber
den äußeren Vorhof zu messen, d. h, er
sollte das Heiligtum und
das Allerheiligste
ausmessen. Den äußeren
Tempelvorhof durften
auch Laien betreten,
doch diese beiden Räume
im Tempel waren allein
den Priestern
vorbehalten. Dabei wurde
ihm erklärt, daß dieser
äußere Vorhof nun
den Heiden gegeben sei,
die die heilige Stadt
... zweiundvierzig
Monate lang (zertreten)
würden.
Warum sollte Johannes
den Tempel ausmessen? Im
allgemeinen mißt man
Dinge, die einem
gehören. Der Tempel aber
gehörte Gott. In
gleicher Weise werden
auch der Tempel in
Hes 40 und das Neue
Jerusalem (
Offb 21,15-17 )
vermessen. Der Tempel,
um den es hier geht,
wird erbaut werden,
damit die orthodoxen
Juden in der ersten
Hälfte der
siebenjährigen
Zeitspanne, die als
Daniels siebzigste Woche
bezeichnet wird, nach
dem mosaischen Gesetz
darin Opfer darbringen
können. Zu Beginn der
zweiundvierzig Monate
währenden Großen Trübsal
jedoch werden die Opfer
aufhören, der Tempel
wird entweiht werden und
zum Heiligtum für den
Weltherrscher in dieser
Zeit umfunktioniert, der
ein Götzenbild im Tempel
aufstellen und sich
selbst als Gott
proklamieren wird (vgl.
Dan 9,27;12,11; 2Thes
2,4; Offb 13,14-15 ). Johannes wurde
darüber hinaus
angewiesen, die
Anbetenden zu zählen,
die zum Tempel kamen.
Dahinter scheint der
Gedanke zu stehen, daß
Gott beide abschätzen
will, den Tempel und
diejenigen, die in ihm
sind.
Manche Ausleger
tendieren dazu, die
zweiundvierzigmonatige
Dauer der Großen Trübsal
in einem geistlichen
Sinne zu verstehen, doch
man sollte diesen
Zeitraum als eine
tatsächliche Zeitspanne
auffassen, wie durch die
Zeitangabe von
eintausendzweihundertsechzig
Tagen in
Offb 11,3 bestätigt
wird, die genau einem
Zeitraum von
zweiundvierzig Monaten
mit jeweils 30 Tagen
entspricht. Von daher
wird auch klar, daß "die
Zeiten der Heiden" (
Lk 21,24 ) erst mit
dem zweiten Kommen
Christi auf die Erde und
der Errichtung seines
Reiches enden werden.
Die Juden mögen
Jerusalem zwar zeitweise
in ihrem Besitz haben,
wie z. B. in unserem
Jahrhundert, doch in der
Großen Trübsal werden
sie die Stadt an
Fremdherren verlieren.
Nach Ansicht einiger
Exegeten beziehen sich
die zweiundvierzig
Monate auf die
erste Hälfte der
siebzigsten Woche des
Daniel (
Dan 9,27 ). Das läßt
sich nicht mit letzter
Sicherheit ausschließen,
doch die Belege aus dem
Kontext, in dem diese
Passage im Buch der
Offenbarung steht,
scheinen eher darauf
hinzudeuten, daß hier
die
letzten dreieinhalb
Jahre der Endzeit
gemeint sind. Dafür
spricht unter anderem
die Tatsache, daß in der
ersten Hälfte der
letzten sieben Jahre die
Juden die Stadt
Jerusalem besitzen und
in ihrem Tempel
Gottesdienst halten
werden, während der
vorliegende Kontext
recht eindeutig darauf
hinweist, daß hier von
jener Zeit die Rede ist,
in der die Heiden die
heilige Stadt zertreten,
indem sie ihre
eigentlichen Bewohner,
die Juden, schlecht
behandeln und den Tempel
entweihen.
Es wurde Johannes
offenbart, daß die
zwei Zeugen von Gott
dazu bevollmächtigt
waren,
eintausendzweihundertsechzig
Tage oder zweiundvierzig
Monate als Propheten
aufzutreten. Sie sollten
mit Trauerkleidern
(angetan) sein und
als
die zwei Ölbäume und die
zwei Leuchter bezeichnet werden.
Es hat viele ganz
verschiedene
Deutungsversuche dieser
zwei Zeugen gegeben.
Manche Exegeten
bestritten, daß sie
wirkliche Menschen
seien, doch die
Tatsache, daß sie
sterben und
wiederauferweckt werden,
spricht sehr dafür, daß
es Menschen von Fleisch
und Blut sind.
Ein weiteres Problem ist
ihre Identifikation.
Normalerweise sehen die
Forscher Mose und Elia
in ihnen, weil die
Strafen, die diese
beiden Männer im Alten
Testament über das Volk
herabbeschworen, denen
ähneln, die die beiden
Zeugen verhängen (
Offb 11,5-6 ). Auch
die Prophezeiung von
Mal 3,23 unterstützt
diese These. Maleachi
weissagt, daß Elia auf
die Erde gesandt wird,
"ehe der große und
schreckliche Tag des
Herrn kommt". Christus
hatte darauf
hingewiesen, daß diese
Prophezeiung zum Teil
bereits erfüllt wurde,
als er auf Erden lebte (
Mt 17,10-13; Mk 9,11-13;
vgl.
Lk 1,17 ). Darüber
hinaus waren beide, Mose
und Elia, bei der
Verklärung Jesu (
Mt 17,3 ), die quasi
die Wiederkunft Jesu
vorwegnahm, zugegen.
Diese Identifizierung
der beiden Zeugen birgt
allerdings das Problem,
daß Mose gestorben war.
Manche halten die beiden
Zeugen deshalb für
Henoch und Elia, die
nicht starben, sondern
von der Erde
hinweggenommen wurden
(vgl.
Hebr 9,27 ).
Trotzdem diese
verschiedenen Thesen
durchaus erwähnenswert
sind, bleibt doch die
Tatsache bestehen, daß
die Offenbarung selbst
nichts über die
Identität der beiden
Zeugen aussagt, so daß
immer auch die
Möglichkeit bleibt, daß
sie in der Geschichte
bis jetzt noch nicht
aufgetreten sind.
Die Beschreibung der
beiden Zeugen als
"Ölbäume" und "Leuchter"
hat allerdings sehr wohl
einen alttestamentlichen
Hintergrund (
Sach 4,2-14 ). Die
beiden Zeugen, von denen
Sacharja spricht, waren
der Hohepriester Josua
und der Statthalter
Serubbabel. Ihre
Verbindung zu den
Leuchtern bestand darin,
daß sie vom Heiligen
Geist - symbolisiert
durch das Öl -
inspiriert wurden. Auf
ganz ähnliche Weise
werden auch die beiden
Zeugen, von denen in der
Offenbarung die Rede
ist, ihre Macht vom
Heiligen Geist erhalten.
Wie die
alttestamentlichen
Propheten werden sie
fähig sein, Wunder zu
vollbringen und
diejenigen, die sie
bedrohen, durch Feuer
vernichten (
Offb 11,5 ). Wie
Elia werden sie die
Macht haben, dem Regen
Einhalt zu gebieten, so
daß eine Trockenheit
über die Erde kommt, und
wie Mose werden sie
Wasser in Blut
verwandeln und die
Menschen mit Seuchen
plagen (V.
6 ). Inmitten von
Unglauben, Abfall und
dem Wirken der
dämonischen Mächte,
deren große Stunde in
der Trübsal gekommen
sein wird, werden diese
beiden Männer
eintausendzweihundertundsechzig
Tage lang für die ganze
böse Welt eine große
Gefahr darstellen.
Als die beiden Zeugen
ihre Aufgabe erfüllt
hatten, gestattete Gott
dem
Tier, das aus dem
Abgrund aufsteigt (vgl.
Offb
9,1-2.11;17,8;20,1.3 ), sie zu besiegen. Das
Tier, d. h. der
Antichrist, wird neunmal
in der Offenbarung
erwähnt (
Offb
13,1;14,9.11;15,2;16,2;17,3.13;19,20;20,10
). Die Leichen der
zwei Zeugen ließ man
unbestattet in
Jerusalem, das hier
wegen des Abfalls seiner
Bewohner von Gott
sinnbildhaft als
Sodom und Ägypten bezeichnet wird, liegen.
Drei Tage und einen
halben war die ganze
Welt voller
Schadenfreude über den
Tod der beiden Männer.
Diese Aussage deutet auf
eine weltweite
Verbreitung der
Nachricht von ihrem Tod
hin, die heute
beispielsweise durch das
Fernsehen möglich wäre.
Ihr Tod galt als ein
großer Sieg für den
Herrscher der Welt,
Satan, und wurde von den
Menschen gefeiert, indem
sie
einander Geschenke sandten.
4. Die Auferstehung der
zwei Zeugen
(
11,11 - 12
)
Nachdem ihre toten
Leiber drei Tage lang
auf der Straße gelegen
hatten, wurden die zwei
Zeugen jedoch völlig
unvermutet auferweckt
und ... stellten sich
auf ihre Füße . Sie
folgten der Einladung
einer großen
Stimme vom Himmel ,
die sie aufforderte:
Steigt herauf! , und
entschwanden in einer
Wolke. Dabei sahen ihre
Feinde sie und wurden
von großer
Furcht befallen.
5. Das Strafgericht
Gottes über Jerusalem
(
11,13 - 14
)
Zu derselben Stunde
geschah ein großes
Erdbeben in
Jerusalem,
und der zehnte Teil der
Stadt stürzte ein; und
es wurden getötet in dem
Erdbeben siebentausend
Menschen . Im
Gegensatz zu den
früheren Strafen, nach
denen die Menschen nicht
von ihren Sünden
abließen,
erschraken sie
diesmal
und gaben dem Gott des
Himmels die Ehre .
So endete
das zweite Wehe .
Nun stand nur noch die
siebte Posaune,
das dritte Wehe ,
aus.
H. Der Schall der
siebenten Posaune
(
11,15 - 19
)
Obwohl die Folgen des
Klangs der siebten
Posaune in dieser
Passage erst
angeschnitten und noch
nicht weiter ausgeführt
werden (das wird erst in
Offb 16 der Fall
sein), gestaltet sich
schon diese Einleitung
als dramatisches
Ereignis. Als die siebte
Posaune erklang, hörte
man Stimmen im Himmel:
Es sind die Reiche der
Welt unseres Herrn und
seines Christus
geworden, und er wird
regieren von Ewigkeit zu
Ewigkeit. (Zu
weiteren Ankündigen über
das irdische Reich
Christi vgl.
Hes 21,26-27; Dan
2,35.44;3,33;6,27;7,14.26-27;
Sach 14,9 .) Die
Tatsache, daß dieses
Reich beim zweiten
Kommen Christi errichtet
werden wird, macht
deutlich, daß die
Zeitspanne nach dem
Erklingen der siebten
Posaune bis zu seiner
Wiederkunft reichen
wird. Die siebte Posaune
leitete also die
Ausgießung der sieben
Schalen des Zornes
Gottes (
Offb 16 ) ein und
beschließt sie auch. Im
Gegensatz zu den
früheren Posaunen, bei
deren Klang man nur eine
einzige Stimme hörte,
stimmte hier ein
mächtiger Chor vom
Himmel in die
Verkündigung ein.
Nach dieser Ankündigung
sah Johannes, wie
die vierundzwanzig
Ältesten , von denen
in der Offenbarung
häufig die Rede ist (
Offb 4,4.10;
5,5-6.8.11.14; 7,11.13;
11,16; 14,3; 19,4 )
und
die vor Gott auf ihren
Thronen saßen, nieder
auf ihr Angesicht
(fielen) und ... Gott
an(beteten) . Ihr
Lobgesang deutet an, daß
nun offenbar die Zeit
des göttlichen
Strafgerichts über die
Völker gekommen war,
in dem die
Toten gerichtet
werden und die Knechte
Gottes ihren Lohn
erhalten.
Gott wird angesprochen
als
allmächtiger Gott (
pantokratOr
;
vgl. auch
Offb
1,8;4,8;15,3;16,7.14;19,6.15;21,22
), als Ewiger (
der du bist und der du
warst ; vgl.
Offb 1,8;4,8 ), der
große Macht (
dynamin ) hat (
Offb 11,17 ). Der
Lobpreis der
vierundzwanzig Ältesten
nimmt das zweite Kommen
Christi und die
Errichtung seines
irdischen Reiches
vorweg.
Das Kapitel schließt mit
einem weiteren
dramatischen
Zwischenfall. Johannes
schrieb:
Und der Tempel Gottes im
Himmel wurde aufgetan.
Johannes konnte
in den
Tempel hineinsehen
und erblickte
die Lade seines Bundes
. Damit ist wohl
eher der himmlische als
ein irdischer Tempel
gemeint. Auf Erden
begleiteten
Blitze und Stimmen und
Donner und Erdbeben und
ein großer Hagel dieses Geschehen (vgl.
Offb 8,5 ).
Die beeindruckende
Einleitung in die
Geschehnisse, die mit
der siebten Posaune
eintreten werden, ist
damit abgeschlossen. Die
schrecklichen Folgen
dieses letzten
Posaunenschalls werden
erst in Kapitel
16 genauer
geschildert.
Chronologisch gesehen,
befinden wir uns nun
kurz vor der Wiederkunft
Christi.
I. Die sieben Gestalten
der Endzeit
(
Offb 12-15
)
Vom Klang der siebten
Posaune ist zwar schon
in
Offb 11,15 die Rede,
doch die konkreten
Auswirkungen, die ihr
Ertönen hat, werden erst
in
Kapitel 16 angesprochen. Die
Kapitel 12 - 15 beleuchten dagegen die
Prophezeiungen über die
Endzeit nochmals aus
einem anderen
Blickwinkel und führen
dabei auch die sieben
endzeitlichen Gestalten
ein, die in der zweiten
Hälfte der sieben Jahre
eine wichtige Rolle
spielen.
In vielen Auslegungen
wird darauf hingewiesen,
daß in den
Kap. 12; 13 insgesamt sieben
Gestalten auftreten: (1)
"eine Frau, mit der
Sonne bekleidet", ein
Symbol für Israel (
Offb 12,1-2 ); (2)
der rote Drache mit den
sieben Köpfen und zehn
Hörnern, der Satan
verkörpert (
Offb 12,3-4 ); (3)
der Knabe, Christus (
Offb 12,5-6 ); (4)
der Erzengel Michael,
der Satan aus dem Himmel
vertreibt (
Offb 12,7-12 ); (5)
der Sohn der Frau, die
der Drache verfolgt
2Offb(12, 13 - 17); (6)
das "Tier aus dem Meer",
der künftige
Weltherrscher (
Offb 13,2-10 ); (7)
das Tier aus der Erde,
der falsche Prophet (
Offb 13,11-18 ). Das
Vorgehen in diesen
Kapiteln ist nicht
streng chronologisch,
sondern es werden in
loser Reihenfolge
Ereignisse berichtet,
die mit dem Ertönen der
sieben Posaunen
einhergehen. Der
chronologische Ablauf
der Geschehnisse wird
erst in
Kapitel 16 wiederaufgenommen.
1. Die erste Gestalt:
Eine Frau, bekleidet mit
der Sonne
(
12,1-2
)
Die erste wichtige
Gestalt, die im
Endzeitdrama auftritt,
ist
eine Frau, mit der Sonne
bekleidet, und der Mond
unter ihren Füßen und
auf ihrem Haupt eine
Krone von zwölf Sternen
. Ihr Erscheinen war
ein großes Zeichen (
sEmeion mega
;
vgl.
Offb 13,13 ). Dies
ist das erste von einer
ganzen Reihe von
Ereignissen, die als
"Zeichen" oder "Wunder"
bezeichnet werden (
Offb
12,3;13,13-14;15,1;16,14;19,20
). In ihrer Funktion
als Zeichen waren sie
Symbole für etwas, was
Gott in Kürze enthüllen
wollte, und enthielten
fast durchgehend ein
Element prophetischer
Warnung. Auch wenn
dieses Zeichen zunächst
am Himmel gesehen wurde,
so spielten sich doch
die Ereignisse, die
seinem Erscheinen
folgten, offenbar auf
der Erde ab.
Die Frau ist ein
Sinnbild für Israel, wie
aus
1Mo 37,9-11 hervorgeht, wo die Sonne
und der Mond Symbole für
Jakob und Rachel, die
Eltern Josefs, sind. Die
Sterne in der Krone der
Frau versinnbildlichen
ganz eindeutig die zwölf
Söhne Jakobs. Die Frau
ist damit die
Verkörperung Israels,
das den abrahamitischen
Bund erfüllte. J. B.
Smith zitiert
Jes 60,1-3.20 als
Beleg dafür, daß die
Sonne ein Sinnbild für
die künftige
Herrlichkeit Israels
sein muß (
A Revelation of Jesus
Christ , S. 182).
In vielen Auslegungen
sind die Kommentatoren
so sehr darauf bedacht,
Israel mit der Kirche
gleichzusetzen, daß sie
alle Hinweise darauf,
daß die Frau für Israel
steht, übersehen. Nach
den Worten von Robert H.
Mounce z. B. ist sie
"die messianische
Gemeinschaft, das ideale
Israel ... die Kirche (
Offb 12,17 ). Das
Gottesvolk ist in der
ganzen
Erlösungsgeschichte
immer eines" (
The Book of Revelation
, S.236). Die hier
beschworene Einheit des
Gottesvolkes hebt jedoch
nicht alle religiösen
und rassischen
Unterschiede auf.
Die Symbolsprache dieser
Passage nimmt zwar nicht
konkret Bezug auf Maria,
die Mutter Christi,
weist aber auf das Volk
Israel hin, aus dem
Jesus hervorgegangen
ist. Hier ist also
keineswegs von der
Kirche die Rede. An
verschiedenen Stellen
der Bibel werden
verdorbene Frauen als
Sinnbilder falscher
Religionen hingestellt,
wie etwa im Fall Isebels
(
Offb 2,20 ), bei der
abtrünnigen Kirche der
Endzeit in Gestalt einer
Prostituierten (
Offb 17,1-7.15.18 )
und bei Israel, das
Jahwe untreu wurde (
Hos 2,2-13 ). Die
Kirche dagegen ist immer
die "jungfräuliche
Braut" (
2Kor 11,2 ), die
"Braut des Lammes" (
Offb 19,7 ).
Die Frau war offenbar
schwanger und stand
unmittelbar vor
der Geburt (
Offb 12,2 ). Dieser
Vorgang wurde zwar in
gewisser Weise auch in
der Geburt Christi durch
die Jungfrau Maria
Realität, doch der
Kontext verweist an
dieser Stelle auf das
Hervorgehen Israels aus
seiner Leidenszeit vor
dem zweiten Kommen
Christi. Diese
Sichtweise wird durch
die folgenden Verse noch
gestützt.
2. Die zweite Gestalt:
Der rote Drache mit den
sieben Häuptern und den
zehn Hörnern
(
12,3-4
)
Das zweite Zeichen (
sEmeion
; vgl. V.
1 )
erschien ebenfalls
am Himmel , obwohl
es sich eigentlich um
ein Geschehen auf der
Erde handelte. Es war
ein großer
roter Drache, der hatte
sieben Häupter und zehn
Hörner und auf seinen
Häuptern sieben Kronen
. Aus ähnlichen
Darstellungen in
Dan 7,7-8.24 und
Offb 13,1 wissen
wir, daß dieses
Ungeheuer ein Sinnbild
für die Macht Satans
über die Reiche der Welt
in der Großen Trübsal
ist.
Offb 12,9 identifiziert den
Drachen denn auch
eindeutig als Satan. Die
Farbe rot ist vielleicht
ein Hinweis auf das
Blutvergießen, das in
dieser Zeit stattfinden
wird. Die zehn Hörner
stellen symbolisch die
zehn Könige (vgl.
Dan 7,24 ), die beim
Kommen des
Weltherrschers regieren,
dar (vgl.
Dan 7,7 und
Offb 13,1 ).
Daß dieser Drache mit
seinem Schwanz
den dritten Teil der
Sterne des Himmels
(hinwegfegte) , war
ein Zeichen der
satanischen Macht, die
sich auf Himmel und Erde
erstreckte. Darin wurde
sichtbar, wie Satan
seine Gewalt über
diejenigen, die sich ihm
in geistlicher oder
politischer Hinsicht
Hinsicht widersetzten,
ausdehnte. Der Versuch
des Drachen, das
neugeborene
Kind zu fressen (
Offb 12,4 ),
erinnert an den Versuch
Satans, das Kind Jesus
umzubringen. Die
satanische Opposition
gegen Israel,
insbesondere gegen das
Geschlecht, aus dem der
Messias hervorgehen
sollte, tritt im Alten
wie im Neuen Testament
immer wieder deutlich
zutage.
3. Die dritte Gestalt:
Der Sohn, Christus
(
12,5-6
)
Nachdem die Frau das
Kind -
den Sohn, einen Knaben,
der alle Völker weiden
sollte mit eisernem
Stabe - zur Welt
gebracht hatte, wurde es
zu Gott und seinem Thron
(entrückt) . Bei
diesem Kind handelte es
sich offensichtlich um
Jesus Christus (
Ps 2,9; Offb 19,15 ). Alford hält denn auch
fest, daß "der Knabe der
Herr Jesus Christus ist,
und kein anderer " (
The Greek Testament , 4,668). Die Entrückung
des Kindes bezieht sich
auf die Himmelfahrt
Christi, nicht auf die
später erfolgende
Entrückung der Kirche,
auch wenn in beiden
Fällen dasselbe Wort
gebraucht ist (
1Thes 4,17; vgl.
Apg 8,39; 2Kor 12,2-4
), denn die
Entrückung der Kirche
würde nicht zur
Befreiung des Knaben aus
der Gewalt des Satans
führen.
Zu dieser Befreiung kam
es, als die Frau
in die Wüste (entfloh),
wo sie einen Ort hatte,
bereitet von Gott .
Sie wurde dort
tausendzweihundertundsechzig
Tage , das sind
zweiundvierzig Monate zu
je 30 Tagen oder
dreieinhalb Jahre,
bewahrt. Matthäus (
Mt 24,16 ) spricht
von der Flucht Israels
zu Beginn der Zeit der
Großen Trübsal (vgl.
Mk 13,14 ). Daß hier
von der Wüste, bei
Matthäus von Bergen die
Rede ist, ist kein
Widerspruch, denn in
beiden Fällen handelt es
sich um wilde, öde
Landstriche. In ihrem
Wüstenversteck wurde
Israel vielleicht auf
dieselbe wunderbare
Weise wie einst das Volk
Israel auf seiner
Wüstenwanderung von
Ägypten in das
verheißene Land
versorgt.
Die Zeitspanne ihres
Verborgenseins
erstreckte sich über
eintausendzweihundertundsechzig
Tage, später als "eine
Zeit und zwei Zeiten und
eine halbe Zeit"
angegeben (vgl. den
Kommentar zu
Offb 12,14 ). Dieses
Geschehen (V.
5-6 ) folgte auf den
"Kampf im Himmel" (V.
7 ).
4. Die vierte Gestalt:
Satan wird aus dem
Himmel vertrieben
(
12,7 - 12
)
Der Erzengel
Michael (vgl.
Jud 1,9 )
und seine Engel kämpften gegen Satan
und seine Engel ,
die Dämonen. Wann dieser
Kampf im Himmel stattfinden wird, wurde
nicht deutlicher gesagt,
doch dem Kontext nach
vollzieht er sich in der
Endzeit. Manche Ausleger
haben sich bemüht,
dieses Ereignis mit dem
ersten Kommen Christi zu
verbinden, indem sie
sich auf
Lk 10,18 bezogen,
doch diese Position läßt
sich aus
Offb 12 nicht
rechtfertigen. Außerdem
ist Satan während des
Kirchenzeitalters ganz
offensichtlich nach wie
vor aktiv (vgl.
Apg 5,3; 1Kor 5,5; 1Kor
7,5; 2Kor
2,11;11,4;12,7; 1Tim
1,20; 1Pet 5,8 ).
Die irrige Vorstellung,
daß Satan in der
heutigen Zeit untätig
sei, beruht auf dem
Versuch, das Binden
Satans mit dem ersten
Kommen Christi
gleichzusetzen (
Offb 20,1-3 ). Die
Gefangensetzung Satans
liegt jedoch noch in der
Zukunft und wird erst im
Tausendjährigen Reich
vollzogen werden.
Der Kampf endete damit,
daß
Satan ... auf die Erde
geworfen (wurde) .
Sein Wesen wird in den
verschiedenen Beinamen,
mit denen er belegt
wird, deutlich:
Der große Drache, die
alte Schlange ... Teufel
und Satan . Mit ihm
wurden die gefallenen
Engel, die Dämonen, aus
dem Himmel vertrieben.
Es ist schwer zu
begreifen, daß Satan im
Himmel sein soll, doch
daß er dort als Ankläger
fungiert, liegt auf der
Hand (vgl.
Hi 1,6; Offb 12,10 ). Er wurde zwar beim
ersten Kommen Christi
besiegt (
Joh 16,11 ), seine
endgültige Vernichtung
steht jedoch noch aus.
Nach
Offb 12,8-9 wird er
mitten in der Großen
Trübsal aus dem Himmel
verbannt. Während des
Tausendjährigen Reiches
wird er dann gebunden (
Offb 20,1-3 ) und am
Ende in den Feuersee
geworfen (
Offb 20,10 ), in den
auch der Herrscher der
Welt (der Antichrist)
und der falsche Prophet
tausend Jahre zuvor
gestürzt wurden.
Satan widersetzte sich
mit seinen Taten im
Himmel und auf Erden
Christus, dem
himmlischen
Hohenpriester, dem König
bei der Weltherrschaft
Satans in der Zeit der
Großen Trübsal und
wahren Propheten, indem
er das Tier, den
falschen Propheten (
Offb 20,10 ), aus
der Erde hervorgehen
ließ. Satan wird hier
als "die alte Schlange",
der "Teufel oder Satan"
bezeichnet, der die
ganze Welt in die Irre
führt. Wenn er auf die
Erde geworfen wird,
werden alle gefallenen
Engel oder Dämonen mit
ihm herabstürzen.
Danach vernahm Johannes
von einer lauten
Stimme ... im Himmel eine Lobeshymne. Sie
kündigte an, daß das
göttliche Heil und die
Kraft in Kürze mit dem
Kommen des
Tausendjährigen Reiches
offenbar werden würden.
Satan wurde dabei als
der
Verkläger bezeichnet, der die
Gläubigen
Tag und Nacht vor ...
Gott anklagt. Die
göttliche Instanz, durch
die er überwunden und
aus dem Himmel verbannt
wurde, war
des Lammes Blut und ...
das Wort des Zeugnisses
der Gläubigen. Alle
Märtyrer hatten also
teil am Sieg Christi
über den Teufel. Die
Bewohner des Himmels
wurden aufgefordert,
sich über die Niederlage
Satans zu freuen, die
Erde aber wurde vor
seinem
Zorn gewarnt, der
nun um so schrecklicher
war, weil er wußte, daß
er nur noch
wenig Zeit hatte.
Der Teufel wußte, daß
seine Zeit auf
eintausendzweihundertsechzig
Tage, die Zeit der
Großen Trübsal, begrenzt
war. Keine noch so
flexible
Vorstellungkraft kann
diese Prophezeiung mit
der Interimszeit bis zum
zweiten Kommen Christi
gleichsetzen, wie es
einige Ausleger
versuchen.
5. Die fünfte Gestalt:
Der Sohn der Frau, die
der Drache verfolgt
(
12,13 - 17
)
Die Frau, von der in Vers
1 die Rede war, war in besonderer Weise der Verfolgung Satans ausgesetzt. Sie erhielt bei ihrer Flucht jedoch übernatürliche Hilfe, symbolisiert in den zwei Flügeln des großen Adlers , die es ihr ermöglichten, in die Wüste an ihren Ort zu entkommen.
Das Versteck, das dort für sie bereitet war, wird nicht näher bezeichnet. Nach Ansicht mancher Exegeten könnte damit Petra, die Festung der Nabatäer in Edom südlich des Toten Meeres gemeint sein. Die Stadt hatte einen sehr engen Zugang, der leicht versperrt werden konnte, hinter dem sich jedoch ein weites Tal öffnet, in dem viele Tausende Zuflucht und Nahrung finden konnten. Die Schrift gibt zwar keine genaueren Auskünfte, doch manche Theologen nehmen an, daß die Hundertvierundvierzigtausend aus
Kapitel 7 hier bewahrt werden sollen. In der Bibel wird nur von Gottes schützendem Siegel, das ihnen aufgeprägt ist, gesprochen.
Die beiden Flügel sind sicherlich nicht mit den Flügeln eines Flugzeugs gleichzusetzen, sondern ein Sinnbild für die befreiende Macht Gottes - eine Redefigur, wie sie schon aus alttestamentlichen Passagen, etwa 2Mo 19,4 und 5Mo 32,11-12 ,bekannt ist. Die Flucht Israels an einen sicheren Ort wurde bereits in Mt 24,16; Mk 13,14 und Lk 21,21 erwähnt.
Offb 12,6.14 spricht zwar von einem Zufluchtsort in der Wüste, während die Passagen in den synoptischen Evangelien auf Berge Bezug nehmen, doch das muß kein Widerspruch sein, denn Wüste und Gebirgsregionen sind gleichermaßen öde Gegenden. Die Dauer der Bewahrung betrug eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit . Das bezieht sich auf die dreieinhalb Jahre der Großen Trübsal, wobei "eine Zeit" einem Jahr entspricht, "zwei Zeiten" zwei Jahren und "eine halbe Zeit" sechs Monaten (vgl. Dan 7,25;12,7 mit den zweiundvierzig Monaten, von denen in Offb 11,2;13,5 die Rede ist). Die Verweise auf diese Zeiträume zeigen, daß die Große Trübsal auf keinen Fall mit dem gegenwärtigen Zeitalter gleichgesetzt werden kann, sondern auf die dreieinhalb Jahre vor dem zweiten Kommen Christi beschränkt ist.
Bei seiner Verfolgung der Frau verursachte der Teufel, die Schlange , eine große Flut, um sie zu ersäufen , doch die Erde saugte das Wasser auf. Manche Exegeten gehen davon aus, daß es sich dabei um eine tatsächliche Überschwemmung handelt, doch da Israel in alle Richtungen fliehen konnte, bietet sich die geographische Beschaffenheit des Heiligen Landes selbst nicht für eine solche Flut an. Vielleicht versinnbildlicht die Flut auch nur die Bemühungen Satans, Israel zu vernichten. Das wird durch das unebene Terrain, das zahlreiche Schlupfwinkel bietet, vereitelt. In gewisser Weise hilft Gott den Israeliten, so daß sie nicht vollkommen aufgerieben werden, auch wenn nach Sacharja 13,8 "zwei Teile darin ausgerottet werden sollen und untergehen".
Obwohl also nur ein Drittel Israels im Lande bewahrt wird (die Hundertvierundvierzigtausend aus Offb 7 gehören dazu), kämpft der Drache Satan weiter gegen die Überlebenden.
Offb 12 führt vier wichtige Gestalten und eine Gruppe von Menschen, die in der Endzeit leben, ein: Israel, Satan, Christus, den Erzengel und den gläubigen Rest der Israeliten. In Offb 13 erscheinen zwei weitere bedeutende Personen auf der Bühne des Geschehens.
6. Die sechste Gestalt: Das Tier aus dem Meer
(13,1 - 10 )
Kapitel 13 stellt eine der wichtigsten endzeitlichen Gestalten vor: ein Tier aus dem Meer. Seine zehn Hörner und sieben Häupter und die zehn Kronen (auf seinen Hörnern) versinnbildlichen das wiedererstarkte Römische Reich, das schon bei Daniel - in dem vierten Tier, das ebenfalls zehn Hörner hatte - dargestellt war ( Dan 7,7-8; vgl. Offb 13,3;17,3.7 ). In Offb 13 und Offb 17 ist dieses Tier der Herrscher der Welt, während in Dan 7 das kleine Horn auf dem Tier den Weltherrscher symbolisiert.
Die Tatsache, daß das Tier aus dem Meer kommt, zeigt, daß es sich um einen Heiden handelt, dessen Ursprungsort das Meer der Menschheit ist (vgl. Offb 17,15 ).
Viele Ausleger haben dieses Tier mit einer Gestalt der Geschichte in Verbindung zu bringen gesucht, doch der Text bezieht sich eindeutig auf die letzten dreieinhalb Jahre vor der Wiederkunft Christi. In der Zeit der Großen Trübsal werden zehn Völker im Nahen Osten unter der Oberherrschaft dieses Diktators stehen (vgl. Dan 7,24 ,"Die zehn Hörner bedeuten zehn Könige"). (Eine Auseinandersetzung mit weiteren Deutungsansätzen zu dieser Stelle findet sich in Walvoord, Revelation , S. 198 - 199.)
In Offb 13,2 vereinigt das Tier die Symbolgestalten der drei vorangegangenen Großmächte dieser Region in sich - Griechenland ( Panther ; vgl. Dan 7,6 ), Medien und Persien ( Bär ; vgl. Dan 7,5 ) und Babylon (Löwe ; vgl. Dan 7,4 ). Die Macht des Tieres stammte von Satan selbst: Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und große Macht. Das stimmt mit einer Äußerung des Apostels Paulus überein ( 2Thes 2,9 ), der von "dem Bösen" (d. i. der Antichrist, das erste Tier in Offb 13 ) sagte, er werde "in der Macht des Satans ... mit großer Kraft ( dynamei ) und lügenhaften Zeichen ( sEmeiois ) und Wundern ( terasin )" auftreten.
Die sieben Häupter des Tieres scheinen für bedeutende Herrscher zu stehen. Eines von ihnen, wahrscheinlich das siebte, erlitt durch einen Schwerthieb eine tödliche Wunde (V.
14 ), die jedoch zum Erstaunen der ganzen Welt wieder heil (wurde) .
Viele Forscher haben versucht, dieses Tier als eine historische Figur aus der Vergangenheit oder der Gegenwart zu identifizieren, die der letzte Weltherrscher sein wird. Vorgeschlagen wurden unter anderen Nero, Judas Iskariot, Mussolini, Hitler, Stalin, Kissinger, doch sie alle erfüllen die Anforderungen, die an diesen zukünftigen Herrscher gestellt werden, nicht.
Was bedeutet die tödliche Wunde, die wieder heilt? Es gibt dafür zwei mögliche Erklärungen. Alford z. B. sieht darin die Ablösung des "heidnischen römischen Reiches" durch das "christliche römische Reich" und faßt den Sachverhalt damit in historische und nicht in prophetische Termini ( The Greek Testament , 4,675). In diesem Fall wäre das Wiedererstarken des Römischen Reiches mit der wunderbaren Heilung der Wunde gleichzusetzen. Eine andere plausible Deutung ist, daß der letzte Weltherrscher eine Verletzung empfängt, die normalerweise tödlich wäre, jedoch vom Satan geheilt wird. Die Auferweckung eines Gestorbenen scheint außerhalb des satanischen Machtbereiches zu liegen, nicht jedoch die Heilung einer Wunde. Entscheidend ist in jedem Fall, daß der letzte Weltherrscher offensichtlich durch die übernatürliche Einwirkung Satans selbst an die Macht gelangt.
c. Die Anbetung Satans und des Tieres ( Offb 13,4-6 )
Die übernatürlichen Kräfte des Tieres machten es neben Satan, dem Ursprung seiner Macht, zum Gegenstand der Anbetung der Menschen. Es war schon immer das Ziel Satans gewesen, in den Genuß religiöser Verehrung zu kommen, die Gott allein zusteht. So finden sich schon bei Jesaja die Worte: "Ich will auffahren über die hohen Wolken und gleich sein dem Allerhöchsten" ( Offb 14,14 ). Das ist der Höhepunkt der satanischen Nachäffung der Religion, auf dem Satan sich selbst auf den Platz Gottes des Vaters setzt und das Tier oder der Weltherrscher die Rolle des Königs der Könige spielt und damit an die Stelle Christi tritt. Diese Situation wird wahrscheinlich zu Beginn der letzten dreieinhalb Jahre, d. h. zu Beginn der Großen Trübsal, eintreten.
Angesichts der übernatürlichen Kräfte Satans und des Herrschers erhebt sich die Frage: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm kämpfen ( Offb 13,4 )? Aus dieser Frage wird auch deutlich, wie das Tier ohne Kampf zum Beherrscher der Welt werden konnte. Zweiundvierzig Monate lang maßte es sich die Rolle Gottes an und lästerte in dieser Zeit Gott, den Himmel und die im Himmel wohnen .
d. Die weltumspannende Macht des Tieres ( Offb 13,7-8 )
Das Tier wird zum Herrscher der ganzen Welt, denn seine Macht erstreckt sich über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen . Wie in Dan 7,23 vorausgesagt wurde, wird es "alle Länder fressen, zertreten und zermalmen".
Zusätzlich zu seiner politischen Oberherrschaft über die Welt schafft es auch alle Religionen ab und läßt sich selbst von den Menschen als Gott verehren (vgl. 2Thes 2,4 ). Alle, die auf Erden wohnen, beten es an , bis auf die, deren Namen in dem Lebensbuch verzeichnet sind. Nach den Worten des Apostels Paulus sind diese Menschen bereits vom Anfang der Welt an , d. h. schon vor der Schöpfung ("ehe der Welt Grund gelegt war"; Eph 1,4 ), "erwählt".
Manche Exegeten vertreten die Auffassung, daß das Buch des Lebens ursprünglich die Namen aller Menschen, die auf die Welt kommen sollten, enthielt und daß die Namen der Unerlösten daraus gelöscht werden, wenn sie sterben. Diese Deutung knüpft an Offb 3,5 , wo Christus den Gläubigen in Sardes verheißt, daß ihre Namen nicht aus dem Buch des Lebens getilgt werden, sowie an Offb 22,19 an, wo jeder, der die Botschaft des Buches der Offenbarung ablehnt, davor gewarnt wird, daß "Gott ihm seinen Anteil ... am Baum des Lebens" wegnehmen wird (vgl. den "Baum des Lebens" in Offb 2,7 und Offb 22,2.14 ,und das "Buch des Lebens" in Offb 3,5;17,8;20,12.15;21,27 ). In Offb 13,8 geht es jedoch wahrscheinlich nur um die Tatsache, daß die Namen derjenigen, die erlöst sind, schon von Ewigkeit her in Vorwegnahme des Kreuzestodes Christi für ihre Sünden im Buch des Lebens eingeschrieben sind und auch niemals daraus getilgt werden.
Wenn man Vers
7.8 zusammennimmt, wird das weltumspannende Ausmaß der politischen Herrschaft des Tieres wie auch die endgültige Form, die die satanische Religion in der Zeit der Großen Trübsal annimmt, deutlich. Nur diejenigen, die zu Christus kommen, werden von der Verdammung, die dann erfolgt, freigesprochen.
In ähnlicher Form wie wir sie schon aus den Sendschreiben an die sieben Gemeinden in Kleinasien kennen ( Offb 2-3 ), werden die Leser des Buches der Offenbarung an dieser Stelle aufgefordert, auf die Botschaft zu hören, die es verkündet. Der Traum vieler moderner Menschen von einer universalen Kirche und einer universalen Religion wird in der Endzeit Wirklichkeit werden, doch es wird eine teuflische und gotteslästerliche Religion sein, die nichts mit der Anbetung des wahren Gottes zu tun hat. In einer solchen Lage kann nur noch an den einzelnen appelliert werden, sich von der allgemeinen Irrlehre ab- und Gott zuzuwenden. Gott spricht zu allen Zeiten zu denen, die bereit sind, auf sein Wort zu hören - ein Gedanke, der in den Evangelien immer wieder auftaucht ( Mt 11,15; Mt 13,9.43; Mk 4,9.23; Lk 8,8;14,35 ).
Im Gegensatz zu der Mahnung an die sieben Gemeinden, die jeweils konkret an einen bestimmten Adressatenkreis gerichtet war ("der Gemeinde in"), fehlt an dieser Stelle jeder Hinweis auf irgendwelche Gemeinden. Das ist ein weiteres Zeichen dafür, daß die Kirche schon vor dem Eintreten dieser Ereignisse entrückt wird. Man sollte die Offenbarung nicht als ein Buch verstehen, das lediglich an die Christen der ersten Generation, die sich Verfolgungen ausgesetzt sahen, gerichtet ist, sondern als eine Mahnung an die Gläubigen aller Zeiten, besonders aber an diejenigen, die in der Endzeit leben werden. Wer bereit ist zu hören, wird zugleich daran erinnert, daß sein Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes ihn ins Gefängnis bringen oder gar seinen Märtyrertod zur Folge haben kann ( Offb 13,10 ). Daher schließt die Ermahnung mit den Worten: Hier ist Geduld ( hypomonE , "Standhaftigkeit"; vgl. Offb 14,12 ) und Glaube der Heiligen .
7. Die siebte Gestalt: Das Tier aus der Erde
(13,11 - 18 )
a. Die Gestalt des Tieres aus der Erde
(13,11 - 12 )
Im Gegensatz zu dem ersten Tier, das "aus dem Meer" (V.
1 ) kam, kam das zweite Tier aus der Erde . Äußerlich glich es dem ersten (beide werden als thErion , "Tier", bezeichnet). Doch während das erste Tier ein Heide war, weil es aus der ganzen Menschheit, symbolisiert durch das "Meer", stammte (V.
1 ), war das zweite ein Geschöpf der Erde. Das wurde manchmal als ein Hinweis auf das verheißene Land gedeutet, weshalb manche Exegeten hinter dem Tier einen Juden vermuteten. Diese These läßt sich jedoch aus dem Kontext nicht belegen, denn das hier für "Erde" gebrauchte Wort wird allgemein für die ganze "Welt" ( gE ) benutzt. Die nationale und geographische Herkunft dieser Gestalt wird also nicht näher angegeben, sie ist jedoch offensichtlich mit jener Person gleichzusetzen, die in Offb 19,20 und Offb 20,10 als "der falsche Prophet" bezeichnet wird. (Zu einer umfassenden Erörterung der beiden Tiere vgl. Alford, The Greek New Testament , 4,678 - 679.)
Das zweite Tier hatte zwei Hörner wie ein Lamm, doch es redete wie ein Drache , d. h. wie Satan. Daraus läßt sich schließen, daß es sich um eine religiöse Gestalt handelte, der die Aufgabe zufiel, den politischen Herrscher, die Macht des ersten Tieres , zu stützen. Es besaß große Macht, die offensichtlich ebenfalls von Satan, aber auch von dem ersten Tier stammte, und es macht, daß die Erde und die darauf wohnen, das erste Tier anbeten, dessen tödliche Wunde heil geworden war .
Das falsche religiöse System, das hier unterstützt wurde, äffte also die göttliche Dreieinigkeit nach. Satan versuchte, sich an die Stelle Gott Vaters zu setzen, das erste Tier maßte sich den Rang Jesu Christi an, des Sohnes und Königs der Könige, und das zweite Tier, der falsche Prophet, fungierte in ähnlicher Weise wie der Heilige Geist, der die Christen dazu bringt, Gott anzubeten. Dies ist Satans letzter Versuch, eine falsche Religion anstelle des wahren Glaubens an Christus zu etablieren.
Um die Menschen dazu zu bringen, das erste Tier anzubeten, vollbrachte das zweite Tier große Zeichen ( sEmeia megala ; vgl. "ein großes Zeichen" in Offb 12,1 ), bei denen unter anderem Feuer vom Himmel regnete. Die Menschen übersehen manchmal die Tatsache, daß auch Satan innerhalb gewisser Grenzen Wunder tun kann. Diese Macht nützte er hier bis zum letzten aus, um die Menschheit dazu zu bewegen, seinen Stellvertreter für Christus religiös zu verehren. Das zweite Tier verführt also die auf Erden wohnen durch seine Wundertaten.
Es ließ nicht nur Feuer vom Himmel regnen, sondern richtete auch ein Bild des ersten Tieres auf. Wahrscheinlich wurde dieses Bild im Tempel in Jerusalem aufgestellt, der den Juden genommen worden war. Nach den Worten des Apostels Paulus ( 2Thes 2,4 ) saß das erste Tier selbst zeitweise in Gottes Tempel und wurde verehrt, wie es eigentlich nur Gott zukommt. Vielleicht wurde zusätzlich ein Abbild des Tieres in den Tempel gebracht, damit es auch dann angebetet werden konnte, wenn es sich nicht im Tempel aufhielt.
Dieses Abbild wird in der Offenbarung immer wieder erwähnt ( Offb 13,14-15;14,9.11;15,2;16,2;19,20;20,4 ). Ob es dem Herrscher der Welt, dem ersten Tier, nachgebildet war oder ob es sich dabei einfach um einen als heilig ausgegebenen Gegenstand handelte, ist nicht klar, doch auf jeden Fall verkörperte es die Macht des ersten Tieres.
Die Tatsache, daß dem zweiten Tier Macht gegeben war, Geist zu verleihen dem Bild des Tieres , so daß es sogar reden konnte, hat die Exegeten vor Probleme gestellt, denn es läßt sich nirgendwo aus der Bibel ableiten, daß Satan Leben spenden oder einem Gegenstand Leben einhauchen kann. Gott allein ist der Schöpfer allen Lebens. Es ist daher anzunehmen, daß das Bild des Tieres nur den Eindruck erweckte, daß es atme, und lediglich auf mechanische Weise sprach, wie es sprechende Roboter von heute tun. Es handelt sich dabei vielleicht um eine Kombination von natürlichen und übernatürlichen Kräften, die das Tier aus der Erde zu dieser Darbietung befähigt. Offensichtlich überzeugte die Erscheinung die Menschen und veranlaßte sie, das Bild anzubeten.
Der Befehl, das Bild und das erste Tier anzubeten, wurde noch durch die Androhung der Todesstrafe für alle, die sich weigerten, ihn zu befolgen, verschärft. Das bedeutete jedoch nicht, daß dieses Gesetz ab sofort überall auf der Welt zur Anwendung kam. Es dauerte auf jeden Fall eine gewisse Zeit, alle Menschen auf der ganzen Welt aufzuspüren, die dem Tier nicht huldigten. Auch Hitler brauchte viele Monate für seinen Versuch, die Juden auszurotten, und erreichte auch dann sein vorgesetztes Ziel nicht ganz. Immerhin ist in
Kapitel 7,9 - 17 von einer großen Schar von Märtyrern die Rede.
Um seine Kontrolle über die Menschen zu verstärken und die Religion des Tieres aus dem Meer durchzusetzen, forderte das zweite Tier, daß sie allesamt ... ein Zeichen machen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn . Ohne diesen Beweis, daß der Betreffende zu den Anhängern des Tieres gehörte, konnte niemand kaufen oder verkaufen . Die Notwendigkeit, Dinge wie Nahrung und Kleidung zu kaufen, würde alle Leute auf der Welt dazu zwingen, sich zu entscheiden, ob sie das Tier anbeten oder die Strafe auf sich nehmen wollten. Offensichtlich entschloß sich die Mehrheit zur Anbetung des Tieres.
Es ist viel darüber spekuliert worden, was man sich unter den Insignien oder dem "Zeichen" des Tieres vorzustellen hat, doch es kann sich dabei um ganz verschiedene Formen der Identifizierung handeln. Die Zahl sechshundertsechsundsechzig wurde auf verschiedenste Weise gedeutet. Die meisten Ausleger versuchten, sie als eine Art Zahlencode des hebräischen, griechischen oder eines anderen Alphabets zu lesen. Angesichts der unübersehbaren Vielzahl von Erklärungen, die bis auf den heutigen Tag vorgelegt wurden, liegt jedoch der Schluß nahe, daß sich die Zahl, falls sie sich tatsächlich auf eine bestimmte Person beziehen sollte, nicht eindeutig zuordnen läßt.
Die beste Deutung ist wahrscheinlich, daß die Zahl sechs um eines weniger ist als die vollkommene Zahl sieben. Die dreifache Wiederholung der sechs wäre damit ein Zeichen dafür, daß Satan und die beiden Tiere, trotzdem sie sich den Status der Gottheit anmaßten, lediglich Geschöpfe und nicht der Schöpfer selbst sind. Daß sechs die Zahl eines Menschen ist, wird an vielen Stellen in der Bibel anschaulich, unter anderem an der Tatsache, daß der Mensch sechs Tage arbeiten und am siebten ruhen soll. (Zu einer weiteren Erörterung der vielen verschiedenen Deutungen vgl. Mounce, The Book of Revelation , S. 263 - 265; Smith, A Revelation of Jesus Christ , S. 206 - 207; und Walvoord, Revelation , S. 209 - 212.)
Der Versuch, in den Zahlen der Heiligen Schrift verborgene Deutungen aufzuspüren, war vor allem in der Antike sehr beliebt. Mag sein, daß Johannes hier an eine bestimmte Person dachte, die seine engsten Mitarbeiter identifizieren konnten. Doch schon in der Literatur der frühen Kirchenväter findet sich dieselbe Verwirrung und Vielfalt von Deutungen, die auch heute herrscht. Daher ist es wohl am besten, dieses Rätsel ungelöst zu lassen. Die am besten begründete Schlußfolgerung formuliert wahrscheinlich Thomas F. Torrance: "Diese böse Dreizahl, die 666, versucht, die Heilige Trinität, die in der Zahl 777 steckt, nachzuahmen, was ihr jedoch nie gelingt" ( The Apocalypse Today , S.86).
Kapitel 13 ist so wichtig, weil darin zwei der Hauptgestalten der Offenbarung eingeführt werden: Das Tier aus dem Meer, der Herrscher der Welt und das Tier aus der Erde, der falsche Prophet, das Werkzeug des politischen Herrschers. Es gibt keinerlei Hinweis, daß eines der beiden Wesen Jude ist, wenngleich die Forschung - aufgrund der Wendung "die Götter seiner Väter wird er nicht achten" ( Dan 11,37 ) - das eine oder andere manchmal mit einem vom jüdischen Glauben abgefallenen Israeliten in Verbindung gebracht hat. Das hebräische Wort ?MlOhIm ist jedoch der allgemeine Begriff für Gott, im Gegensatz zu Jahwe , und wir haben keinen Beleg dafür, daß in Dan 11,37 von dem Gott Israels die Rede ist. Daher steht auch in den neueren Übersetzungen der Plural, "Götter". Der erste oder auch der zweite Herrscher aus Offb 13 wird also zwar oft als abtrünniger Jude gesehen, doch fehlt für eine solche Deutung jeder Beweis. Beide Tiere können durchaus auch Heiden sein, um so mehr, als es in dieser Schrift um die letzten Tage der Heiden geht, die die Stadt Jerusalem zertreten werden ( Lk 21,24 ). Beide werden nicht nur die Juden, sondern auch die gläubigen Heiden verfolgen.
Davon abgesehen gewährt uns das dreizehnte Kapitel des Buches der Offenbarung jedoch tiefe Einblicke in die Zeit der Großen Trübsal. In dieser Zeit wird es einen einzigen Herrscher über die ganze Welt und eine Weltreligion sowie ein auf der ganzen Welt herrschendes einheitliches ökonomisches System geben. Diejenigen, die sich diesem Herrscher widersetzen und sich weigern, ihm göttliche Ehren zuzuerkennen, werden verfolgt werden und die Zahl derer, die den Märtyrertod sterben, wird die der überlebenden Gläubigen bei weitem übertreffen. Satan wird ein letztes Mal versuchen, die Welt dazu zu bringen, ihn anzubeten und zum Abfall vom wahren Gott und dem Retter Jesus Christus zu verführen.
Das vorliegende Kapitel macht darüber hinaus deutlich, daß der postmilleniaristische Traum von einer Welt, die durch die christliche Mission besser und besser wird, in der Bibel keinerlei Anhaltspunkt hat. Die letzte Religion, der die Menschen anhängen werden, wird vielmehr eine teuflische und gotteslästerliche Irrlehre sein. Wir finden heute viele Hinweise darauf, daß die Menschheit sich genau in diese Richtung fortbewegt, und dürfen daraus den Schluß ziehen, daß der Tag des Herrn nahe ist.
8. Die Folgen im Himmel und auf der Erde ( Offb 14-15 )
a. Die Hundertvierundvierzigtausend auf dem Berg Zion
(14,1-5 )
In
Kapitel 14; 15 werden weitere Einzelheiten der Geschehnisse angedeutet, die sich in der Vorbereitung auf das Ausgießen der letzten Schalen des Zorns, von denen in
Kapitel 16 die Rede sein wird, und auf das Endgericht, das dann in
Kapitel 17 erfolgt, im Himmel und auf Erden abspielen.
Zunächst richtet sich der Blick noch einmal auf die Hundertvierundvierzigtausend, die mit dem Lamm ... auf dem Berg Zion stehen. Die Schlußfolgerung, daß es sich hier um dieselbe Gruppe handelt, von der in Offb 7,4-8 die Rede war, ist durchaus berechtigt. Chronologisch gesehen nimmt diese Vision den Triumph der "Hundertvierundvierzigtausend", die bewahrt werden, bis Jesus auf die Erde zurückkehren wird, vorweg. Im Gegensatz zu den vielen Menschen, die den Märtyrertod sterben werden, bleiben sie während der ganzen Zeit der Trübsal am Leben. Doch sie sind nicht die einzigen, die diese schreckliche Zeit überleben, denn vielen Heiden und Juden, die sich am Ende der Zeiten zu Christus bekehren, wird es gelingen, dem Tod zu entrinnen. Auch sie werden bei der Wiederkunft Christi geehrt werden.
Abermals spielte sich im Himmel eine dramatische Szene ab. Johannes hörte eine laute Stimme, die wie die Stimme eines großen Wassers und wie die Stimme eines großen Donners, und ... wie von Harfenspielern klang (vgl. "Donner" in Offb 4,5;6,1;8,5;11,19;16,18;19,6 ).
Er notierte: Und sie sangen ein neues Lied vor dem Thron und vor den vier Gestalten und vor den Ältesten. Diese Sänger bildeten offensichtlich einen himmlischen Chor. Es könnte sich dabei um die große Schar in weißen Kleidern handeln, von der in Offb 7,9-17 die Rede war. Der Text enthält allerdings keinen Beleg dafür, den Berg Zion als Bild für den Himmel zu verstehen. Plausibler ist es, in diesem Chor die Hundertvierundvierzigtausend zu sehen (vgl. Offb 14,1 ), die noch nicht gestorben sind und sich auf Erden, auf dem Berg Zion, aufhalten.
Die Reinheit der Hundertvierundvierzigtausend könnte ein Hinweis darauf sein, daß es ihnen während der Zeit der Großen Trübsal nicht möglich war zu heiraten. Oder sie bezieht sich auf ihre geistliche Reinheit, die in der Bibel häufig als Jungfräulichkeit dargestellt wird (vgl. 2Kö 19,21; Jes 37,22; Jer 18,13; 31,4.21; Kl 2,13; Am 5,2 ). In 2Kor 11,2 wird der Gedanke der Jungfräulichkeit auf die gesamte Kirche ausgedehnt und gilt für beide Geschlechter.
Manche Menschen glauben, daß die Hundertvierundvierzigtausend Evangelisten in der Zeit der Großen Trübsal seien. Doch auch dafür gibt es keine Textbelege; ihr Zeugnis gründet sich lediglich auf ihre moralische Unbescholtenheit und auf die Tatsache, daß sie nicht wie viele andere den Märtyrertod starben. Sie folgen dem Lamm nach, wohin es geht . Johannes fügt hinzu: Diese sind erkauft aus den Menschen als Erstlinge für Gott und das Lamm. Der Ausdruck "Erstling" legt die Vermutung nahe, daß diese bekehrten Israeliten den vielen anderen, die sich beim zweiten Kommen des Herrn zu Christus bekehren werden, vorausgehen ( Sach 12,10; Röm 11,15.26-27 ). Sie waren untadelig ( amOmoi , ein Begriff, der für Opfertiere verwendet wurde), und in ihrem Mund wurde , obwohl sie in einer Zeit teuflischer Lügen und Irrlehren lebten, kein Falsch gefunden . Dieser Abschnitt als ganzer ist eine prophetische Weissagung des Triumphes, den die Hundertvierundvierzigtausend bei der Wiederkunft Christi erleben werden.
Als nächstes sah Johannes einen Engel, der eine Botschaft - ein ewiges Evangelium - verkündigte. Der Engel hatte den Auftrag, diese Nachricht allen Menschen, die auf Erden wohnen , zu überbringen. Der Begriff "Evangelium", der an dieser Stelle verwendet wird, hat manche Forscher zu der Annahme verleitet, daß es sich dabei um eine Heilsbotschaft oder um die gute Nachricht des kommenden Gottesreiches handelte. Der Kontext scheint jedoch etwas anderes anzudeuten, denn die Botschaft betrifft das göttliche Strafgericht. Der Engel sprach: Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen! Bei der "ewigen" Botschaft scheint es sich also um die Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes und seines Gerichts und nicht um eine Heilsbotschaft zu handeln.
Dem ersten Engel (folgte) ein zweiter , der verkündigte, daß Babylon, die große Stadt , gefallen war und dabei andere, die sie mit ihrer Hurerei angesteckt hatte, mit sich ins Verderben gerissen hatte. Diese Kurzdarstellung ist offensichtlich eine Vorwegnahme der eingehenden Beschreibung des Falls von Babylon in
Kapitel 18 .
Und ein dritter Engel folgte ihnen . Er verkündigte, daß diejenigen, die das Tier ... und sein Bild anbeteten und das Zeichen an ihrer Stirn oder an ihrer Hand trugen, den Zorn Gottes zu schmecken bekommen und zusammen mit Satan, der Dämonenwelt und den Unerlösten der ewigen Qual anheimgegeben werden. Die bleibende Kraft dieses Urteilsspruches wird in Vers
11 lapidar zusammengefaßt: Und der Rauch von ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht . Diejenigen, die die Gebote Gottes halten und ihm treu bleiben, werden die Geduld der Heiligen benötigen (V.
12 ; vgl. Offb 13,10 ). Der Gedanke einer ewigen Strafe ist unter liberalen Forschern zwar nicht sehr beliebt, wird jedoch in der Bibel ganz zweifelsfrei gelehrt, und zwar insbesondere durch Jesus und den Apostel Johannes.
Nach der feierlichen Verkündigung des dritten Engels hörte Johannes eine Stimme vom Himmel , die ihn aufforderte: Schreibe: Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Und der Heilige Geist fügte die Verheißung hinzu: Sie sollen ruhen von ihrer Mühsal; denn ihre Werke folgen ihnen nach.
Dieser Abschnitt wird häufig in Zusammenhang mit den allgemeinen Segnungen Gottes für die Christen zitiert, doch der Textzusammenhang weist eher darauf hin, daß er in besonderer Weise denjenigen gilt, die in der Zeit der Großen Trübsal gestorben sind. Ihnen wird die Erlösung aus der Verfolgung, der Qual und den Bedrängnissen und das Eingehen in die herrliche Gegenwart Gottes verheißen.
d. Die Botschaften der zweiten Gruppe der drei Engel ( Offb 14,14-20 )
In seiner nächsten Vision sah Johannes eine weiße Wolke , auf der einer (saß), der gleich war einem Menschensohn. Er trug eine goldene Krone und hielt eine scharfe Sichel in der Hand. Obwohl dieser "Menschensohn" häufig als Engel identifiziert wurde, war es wahrscheinlich Christus selbst, der ja den Titel "Menschensohn" trägt (vgl. Offb 1,13; vgl. auch Mt, wo er ihm fünfundzwanzigmal zugeschrieben wird: Mt 8,20;9,6;11,19;12,8.32;13,41 usw.). Die Sichel in seiner Hand ist ein Sinnbild für das Gericht. Dafür spricht auch der Inhalt der Botschaften der drei Engel ( Offb 14,15-20 ).
Einer der Engel ... rief Christus zu, daß die Zeit zu ernten ... gekommen sei, denn die Ernte der Erde ist reif geworden . Das griechische Wort für "Reifsein" ( exEranthE ) an dieser Stelle steht für ein Überreifsein der Frucht bis hin zum Fäulnisprozeß. Auf die Ernte folgt das Gericht, in dem die Sichel an die Erde gesetzt wird. Alford vertritt die These, daß Vers
14 sich auf die Ernte der Heiligen bezieht und daß die Verse
15-16 das Gericht über die Bösen beschreiben ( The Greek Testament , 4,691). Es ist jedoch schwierig, sich die Ernte der Heiligen als ein Überreif- oder Verwelktsein vorzustellen.
Ein zweiter Engel trat auf, der hatte ein scharfes Winzermesser . Er erhielt von einem weiteren Engel den Befehl: Setze dein scharfes Winzermesser an und schneide die Trauben am Weinstock der Erde, denn seine Beeren sind reif! Für die Reife der Trauben benutzt Johannes ein anderes Wort, Ekmasan , das "voll erblüht" oder "in erstklassigem Zustand" bedeutet. Die Trauben waren voller Saft und bereit zur Ernte. Gehorsam (setzte) der Engel ... sein Winzermesser an die Erde und schnitt die Trauben am Weinstock der Erde und warf sie in die große Kelter des Zornes Gottes. Und die Kelter wurde draußen vor der Stadt (wahrscheinlich Jerusalem; vgl. "die große Stadt" in Offb 11,8 ) getreten .
In der damaligen Zeit wurden Trauben gekeltert, indem man sie mit den Füßen in einer Weinpresse trat. Hier geschah daraufhin jedoch etwas anderes. Und das Blut ging von der Kelter bis an die Zäume der Pferde, tausendsechshundert Stadien (etwa 270 Kilometer) weit. Während diese Entfernung durchaus wörtlich verstanden werden und vielleicht die Ausdehnung des Strafgerichts um die Stadt Jerusalem herum bezeichnen kann, ist es selbstverständlich unmöglich, daß eine Flüssigkeit wie Blut bis an die Zügel von Pferden steigt. Es handelt sich also wohl nur um ein Bild für das schreckliche Blutvergießen in dieser Zeit ( Jes 63,1-3 ), bei dem das Blut so hoch spritzen wird, daß es die Zügel der Pferde befleckt. Auch andere Schriftstellen (z. B. Offb 16,14; Dan 11,40-45 ) machen deutlich, daß zur Zeit des zweiten Kommens Christi ein Krieg nie dagewesenen Ausmaßes die Welt überziehen wird, in dem sich die Prophezeiungen, von denen hier die Rede ist, zum Teil erfüllen werden.
Offb 14 schildert die Bewahrung der Hundertvierundvierzigtausend in der Zeit der Großen Trübsal. Dieser Bewahrung werden einige der schrecklichen Strafen gegenübergestellt, die die Menschen ereilen, die Christus ablehnen und statt dessen Satan folgen. William Kelly sieht in diesem Kapitel eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse am Ende der Zeit: (1) Das Auftreten des gottesfürchtigen Rests Israels; (2) das Zeugnis für die Heiden; (3) der Fall Babylons; (4) das Schicksal derer, die das Tier anbeten; (5) der Segen, der die Heiligen, die den Märtyrertod gestorben sind, erwartet; (6) die Ernte; (7) der Zorn Gottes über die Welt ( Lectures on the Book of Revelation , S.330).
Auf dem Hintergrund der Szenerie im Himmel, die in
Kapitel 14 beschrieben ist, ging Johannes nun auf die Einzelheiten des göttlichen Gerichts ein. Er berichtete, daß er noch ein andres Zeichen am Himmel (sah). Sieben Engel , die die letzten sieben Plagen in der Hand hatten, leiteten die Schlußphase ein, in der sich der Zorn Gottes über die Welt vollendet . Dieses letzte "Zeichen" bezieht sich auf die vorhergehenden großen Zeichen der Frau in Offb 12,1 und des roten Drachens in Offb 12,3 .Die sieben Engel sollten jedoch nicht mit den beiden Gruppen von jeweils drei Engeln in
Kapitel 14,6 - 20 oder mit irgendwelchen anderen Engeln, von denen davor die Rede war, verwechselt werden.
Außer diesen Engeln sah Johannes etwas, das war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt . Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um dasselbe Meer wie in Offb 4,6 .Neben diesem gläsernen Meer standen die Märtyrer von Offb 7,9-17 ,die Gottes Harfen trugen .
Die siegreichen Heiligen sangen das Lied des Mose ... und das Lied des Lammes . Dabei handelte es sich wahrscheinlich um zwei verschiedene Lieder; das erste sprach wohl von der Treue Gottes zu Israel und das zweite von der gegenwärtigen Situation der Heiligen in der Zeit der Großen Trübsal. Manche Forscher, wie z. B. Walter Scott, beziehen "das Lied des Mose" auf 2Mo 15 ,wo Israel über die Ägypter triumphiert ( Exposition of Revelation , S. 315). Andere, wie etwa J.B. Smith, sehen darin das Lied aus 5Mo 32 ,in dem die Treue Gottes gegenüber Israel verherrlicht wird ( A Revelation of Jesus Christ , S. 224 - 225). In dem Lied in Offb 15,3-4 wird Gott für seine großen Werke, seine Gerechtigkeit, Wahrheit (vgl. Offb 16,7 ), Herrlichkeit und Heiligkeit gepriesen (zu einem Vergleich der vierzehn Doxologien in der Offenbarung siehe die Tabelle bei Offb 4,8 ). Danach erfolgt die Weissagung, daß alle Völker Gott anbeten ... (werden) .
Das Gotteslob, das hier dargebracht wird, und die Weissagung des universalen Gottesdienstes haben viele Entsprechungen in anderen Schriftstellen. Diese Worte gelten ganz eindeutig dem zweiten Kommen Christi und der Anbetung Gottes durch die ganze Welt im Tausendjährigen Reich ( Ps 2,8-9; Ps 24,1-10; Ps 66,1-4; Ps 72,8-11; Ps 86,9; Jes 2,2-4; Jes 9,5-6; Jes 66,18-23; Jer 10,7; Dan 7,14; Zeph 2,11; Sach 14,9 ). Der schrecklichen Stunde der Bosheit und Gotteslästerung, die die Zeitspanne vor dem zweiten Kommen Christi kennzeichnet, wird das volle Maß der Strafe Gottes und danach die Wiederherstellung der Heiligkeit folgen.
Als nächstes sah Johannes, wie der Tempel, die Stiftshütte ..., aufgetan wurde. Dieser Tempel im Himmel scheint das himmlische Gegenstück zum irdischen Tempel zu sein. Als er geöffnet wurde, kamen die sieben Engel, die die sieben Plagen hatten, (aus) ihm hervor. Sie waren angetan mit reinem, hellem Leinen - ein Bild für ihre Reinheit - und gegürtet um die Brust mit goldenen Gürteln , die die Herrlichkeit Gottes symbolisieren.
Johannes sah, wie eine der vier Gestalten ... den sieben Engeln sieben goldenen Schalen voll vom Zorn Gottes (gab) . Danach füllte sich der Tempel mit Rauch, so daß niemand mehr hineingehen konnte, bis die sieben Plagen der sieben Engel vollendet waren (vgl. 2Mo 40,34-35 ). Als Ganzes genommen entwirft Offb 15,5-8 ein schreckliches Bild des drohenden göttlichen Gerichts über die böse Welt. Die Strafen, die über sie ausgegossen werden ( Offb 16 ), werden dieser geheimnisvollen Einführung voll und ganz gerecht.
Chronologisch gesehen schildert dieses Kapitel die Ereignisse unmittelbar vor dem zweiten Kommen Christi. Die Strafen, die darin beschrieben werden, folgen rasch aufeinander. Alford schreibt: "Es besteht kein Zweifel, daß diese Ereignisse zum Ende der Zeit führen, ja, daß sie unmittelbar vor diesem Ende stattfinden" ( The Greek Testament , 4,696). Schon der Prophet Daniel wies darauf hin, daß die letzten Tage der Großen Trübsal eine Zeit des weltweiten Krieges sein würden ( Dan 11,36-45 ). In der Schilderung des Johannes mündet dieses sich immer mehr steigernde Geschehen rasch in seinen Höhepunkt.
Er hörte eine große Stimme aus dem Tempel, die zu den sieben Engeln (sprach): Geht hin und gießt aus die sieben Schalen des Zornes Gottes auf die Erde! Diese Stimme war zweifellos die Stimme Gottes, die aus dem himmlischen Tempel erklang. Das griechische Adjektiv megalEs , das hier mit "groß" wiedergegeben wird, taucht in diesem Kapitel mehrfach auf (vgl. V.
17 , wo es sich ebenfalls auf die Stimme bezieht). Dasselbe Adjektiv bezeichnet auch die "große Hitze" (V.
9 ), den "großen Strom Euphrat" (V.
12 ), den "großen Tag Gottes" (V.
14 ), "ein großes Erdbeben" (V.
18 ), die "große Stadt" (V.
19 ), "große Hagelstürme" (V.
21 ) und eine "sehr große Plage" (V.
21 ). Als der erste Engel seine Schale aus(goß) auf die Erde, entstand ein böses und schlimmes Geschwür an den Menschen, die das Zeichen des Tieres hatten und die sein Bild anbeteten .
In diesem Zusammenhang ist die Frage erhoben worden, ob die Schalen des Zornes Gottes chronologisch auf die sieben Posaunen folgen oder ob sie mit ihnen identisch sind. Beide Strafgerichte weisen große Ähnlichkeit auf. Sie betreffen beide (a) die Erde ( Offb 8,7; vgl. Offb 16,2 ), (b) das Meer ( Offb 8,8; vgl. Offb 16,3 ), (c) die Wasserströme und Wasserquellen ( Offb 8,10; vgl. Offb 16,4 ) und (d) die Sonne, den Mond und die Sterne ( Offb 8,12; in Offb 16,8-9 ist allerdings nur von der Sonne die Rede). Beim Klang der fünften Posaune hatten die Dämonen von der Sonne Besitz ergriffen und der Himmel verdunkelte sich ( Offb 9,1-3 ); dieses Geschehen ähnelt den Folgen des Ausgießens der fünften Schale, nach dem Dunkelheit die Erde bedeckt und die Menschen sich vor Schmerzen die Zunge zerbeißen ( Offb 16,10-11 ). Die sechste Posaune betraf den Strom Euphrat ( Offb 9,13-14 ), der nach dem Ausgießen der sechste Schale austrocknen wird ( Offb 16,12 ). Die siebte Posaune war das Zeichen, daß die Zeit der Großen Trübsal sich ihrem Ende näherte (11, 15 - 19 ), und nach dem Ausgießen der siebten Schale des Zorns Gottes war eine Stimme vom Himmel zu hören, die sagte: "Es ist geschehen!" ( Offb 16,17 ). Danach kam es zu Erdbeben und Hagel wie auch bei der siebten Posaune ( Offb 11,18-19 ).
Diese Parallelen sind jedoch noch kein Beweis für die Identität dieser Ereignisse, und ein Vergleich der sieben Posaunen mit den sieben Schalen des Zornes Gottes enthüllt denn auch gravierende Unterschiede zwischen diesen beiden Strafgerichten, obwohl die Abfolge des Geschehens in beiden dieselbe ist. Von dem Gericht, das die Posaunen über die Welt bringen, ist ganz allgemein ein Drittel der Erde und des Himmels betroffen, wohingegen die Folgen der Schalen des Zorns jeweils die ganze Welt in Mitleidenschaft ziehen. Sie sind außerdem sehr viel schwerwiegender und führen tatsächlich das Weltende herbei. Daher scheint es am plausibelsten, bei jener Deutung zu bleiben, die lange Zeit auch von der Kirche akzeptiert war und derzufolge die sieben Schalen des Zorns beim Schall der siebten Posaune ausgegossen werden, so wie die sieben Posaunen unter die Öffnung des siebten Siegels fielen. Die Strafen steigern sich immer mehr und werden intensiver und umfassender, je näher das zweite Kommen Christi rückt. Alles deutet darauf hin, daß die Schalen des Zorns mit rasender Schnelligkeit über eine Welt hereinbrechen, die noch unter den Schlägen der vorhergehenden Strafen und den Auswirkungen eines gigantischen Weltkrieges taumelt. Manche der Schalen gelten ausschließlich den schlechten Menschen ( Offb 16,2.8-11 ), andere betreffen die gesamte Natur (Ströme, Flüsse, Sonne usw.).
Nach dem Ausgießen der ersten Schale entwickelten die Menschen, die dem Antichristen folgten, qualvolle Geschwüre. Auch die fünfte Schale wird nochmals solche Geschwüre über die Menschheit bringen (V.
10-11 ).
Nach dem zweiten Posaunenstoß wurde "der dritte Teil des Meeres zu Blut", "der dritte Teil der lebendigen Geschöpfe" starb und "der dritte Teil der Schiffe wurde vernichtet" ( Offb 8,8-9 ). Beim Ausschütten der zweiten Schale jedoch (starben) alle lebendigen Wesen im Meer ( Offb 16,3 ). Es ist anzunehmen, daß die Ozeane sich nicht tatsächlich von ihrer chemischen Zusammensetzung her in Menschenblut verwandelten, sondern daß sie nur aussahen, als bestünden sie aus Blut, die Lebewesen in ihnen aber tatsächlich starben. Wie bei der zweiten Posaune erinnert das Blut auch an dieser Stelle an die erste Plage in Ägypten ( 2Mo 7,20-25 ). Da der größte Teil der Erdoberfläche von den Weltmeeren bedeckt ist, hat diese Strafe weltweite katastrophale Auswirkungen.
So wie die dritte Posaune "den dritten Teil der Wasser" bitter machte, erstreckte sich die Strafe der zweiten Schale über das Meer und schließlich mit dem Ausgießen der dritten Schale auch auf die Wasserströme und ... Wasserquellen; und sie wurden zu Blut ( Offb 16,4 ). Johannes hörte den Engel, der für die Wasser verantwortlich war, sagen, daß Gott, der Heilige, gerecht ist in seinem Urteil (V.
5 ). Denn die Verwandlung des Wassers in Blut war Gottes Antwort auf das Blut der Heiligen und der Propheten, das vergossen wurde (V.
6 ). Diese Aussage wurde vom Altar her bestätigt (V.
7 ; vgl. Offb 9,13 ).
Bei dieser Strafe verwandelte die Sonne ihre Hitze , so daß sie unerträglich wurde. Auch daraufhin lästerten die Menschen den Namen Gottes und bekehrten sich nicht (vgl. V.
11 ). Im Gegensatz dazu verdunkelte die vierte Posaune ( Offb 8,12 ) ein Drittel des Himmels, ohne daß dabei von einer Erwärmung der Atmosphäre die Rede gewesen wäre. Aus dieser und anderen Weissagungen läßt sich ableiten, daß es in der Großen Trübsal zu dramatischen Klimaveränderungen kommen wird.
Diese Strafe richtete sich gegen den Thron des Tieres . Sie brachte Finsternis über die Erde und schmerzhafte Geschwüre (vgl. V.
2 ) über die Menschen. Auch hier lästerten sie wieder Gott ... und bekehrten sich nicht von ihren Werken . Das ist das letzte Mal in der Offenbarung, daß von der offenen Unbußfertigkeit der Menschen berichtet wird (vgl. Offb 2,21;9,21;16,9; vgl. jedoch Offb 16,21 ). Die fünfte Schale gleicht der fünften Posaune ( Offb 9,1-11 ), da beide Finsternis bringen, doch die fünfte Posaune handelte eher von dämonischer Besessenheit als von physischen Schmerzen.
Nach den Worten des Johannes (goß) der sechste Engel ... seine Schale auf den großen Strom Euphrat , der daraufhin austrocknete, damit der Weg bereitet würde den Königen vom Aufgang der Sonne . Über diese "Könige vom Aufgang der Sonne" ist viel gerätselt worden, wobei die Ausleger teilweise wieder dazu tendierten, sie mit irgendwelchen zeitgenössischen Führungspersönlichkeiten zu identifizieren. Bei einem Überblick über hundert Kommentare zum Buch der Offenbarung finden sich mindestens fünfzig verschiedene Deutungen der Identität dieser Könige. Die einfachste und beste Erklärung ist jedoch, daß es sich bei ihnen um Könige oder Herrscher aus dem Orient oder Osten handelt, die am letzten Weltkrieg teilnehmen werden. Auf dem Hintergrund dieser Passage, die auf das nahe Bevorstehen der Wiederkunft Christi weist, und der gegenwärtigen Weltlage, nach der der Osten, ausgestattet mit enormem militärischem Potential, einen Großteil der Weltbevölkerung stellt, ist keine andere als die wörtliche Deutung möglich. Alford konstatiert denn auch: "Dies ist das einzige Verständis dieser Worte, das dem Kontext und den Bedingungen dieser verschiedenen Prophezeiungen gerecht wird" ( The Greek Testament , 4,700).
Dieses Geschehen steht im Zusammenhang mit dem großen Strom Euphrat , der Wassergrenze zwischen dem Heiligen Land und dem Osten (vgl. den Kommentar zu Offb 9,12-16 ). Vom Text her erscheint es so, als sei das Austrocknen des Wassers ein Akt Gottes, doch in der Realität wurde der Euphrat in diesem Jahrhundert durch Dämme und Gräben in seinem Lauf verändert, um Wasser für Bewässerungsanlagen zu gewinnen, so daß der Fluß manchmal tatsächlich nur wenig oder gar kein Wasser führt. Vom Euphrat ist sehr oft in der Heiligen Schrift die Rede (z. B. 1Mo 15,18; 5Mo 1,7;11,24; Jos 1,4 ). Das Austrocknen des Flusses wird auch in Jes 11,15 vorhergesagt.
Danach wurde Johannes eine symbolische und umfassende Schau der Vorbereitung für die letzte Schale des göttlichen Zornes zuteil. Er sah ... drei unreine Geister ... gleich Fröschen , die aus den Mündern des Satans ( des Drachen ) und der zwei Tiere (des Antichristen, Offb 13,1-10 ,und des falschen Propheten, Offb 13,11-18 ) hervorkamen. Die Identität der drei Frösche wird in Vers
14 aufgeschlüsselt: Es sind Geister von Teufeln, die tun Zeichen . Diese Dämonen verteilen sich über die ganze Welt und bringen die Könige dazu, sich zum Kampf am großen Tag Gottes, des Allmächtigen ( pantokratOr ; das Wort taucht auch in Offb 1,8;4,8;11,17;15,3;16,7;19,6.15;21,22 auf), zu versammeln.
Die Bedeutung dieser symbolischen Erscheinung ist also klar, doch bleibt zu erhellen, was die Dämonen genau tun. Die künftige Weltherrschaft in der Großen Trübsal wird durch die Macht Satans errichtet werden ( Offb 13,2 ). An dieser Stelle aber vereinen sich Satan, der Weltherrscher und der falsche Prophet in der Anstiftung der Völker zum letzten Weltkrieg. Dieser Krieg ist eigentlich eine Auflehnung gegen den Weltherrscher. Warum aber sollten satanische Mächte freigesetzt werden, um das Weltreich, das soeben erst geschaffen wurde, wieder zu zerstören?
Die Antwort auf diese Frage scheint in den folgenden Ereignissen zu liegen. Satan, der weiß, daß die Wiederkunft Christi nahe ist, wird die ganze militärische Macht der Welt im Heiligen Land konzentrieren, um sich dem Kommen des Menschensohnes, der auf dem Ölberg erscheinen wird, zu widersetzen ( Sach 14,4 ). Die Nationen werden zwar über das eigentliche Ziel des Krieges getäuscht werden, indem sie sich von dem Krieg einen Zuwachs an politischer Macht versprechen, denn das Ziel des Teufels ist es, die himmlischen Heerscharen (von denen in Offb 19 die Rede ist) beim zweiten Kommen Christi zu bekämpfen.
Dieser Krieg soll bis zum Tag der Wiederkunft dauern und schließt Straßenkämpfe in Jerusalem am Tag des Kommens des Herrn mit ein ( Sach 14,1-3 ). Der Verweis auf "den Kampf" ( ton polemon ; Offb 16,14 ) wird wohl besser mit "der Krieg" wiedergegeben. Man sollte also eher vom "Krieg von Harmagedon" (vgl. V.
16 ) als von "der Schlacht bei Harmagedon" reden. Dieser Krieg wird eine Zeitlang dauern und seinen Höhepunkt beim Kommen Christi erreichen. "Harmagedon" kommt von dem griechischen H armagedOn , einer Transliteration der hebräischen Worte für den "Berg" ( har ) von Megiddo. Dieser Berg liegt neben der Stadt Megiddo und der Ebene von Esdrelon, die auch Schauplatz vieler alttestamentlicher Schlachten war.
Johannes hörte von Christus selbst die Warnung: Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig ist, der da wacht und seine Kleider bewahrt, damit er nicht nackt gehe und man seine Blöße sehe.
Die Wiederkunft Christi wird oft mit dem Kommen eines Diebes verglichen - ein Bild für die Plötzlichkeit und die Unvorbereitetheit, mit der sie die Ungläubigen trifft. Wie die Gläubigen nicht von der Entrückung der Kirche überrascht werden sollten ( 1Thes 5,4 ), werden sie auch die Wiederkunft Christi vorauswissen. Dabei wird demjenigen Segen verheißen, der für das Kommen des Herrn gerüstet ist, indem er sich in Gerechtigkeit, das Gewand, das Gott selbst ihm gibt, hüllt.
Insgesamt bereitet das Geschehen bei der Ausgießung der sechsten Schale des göttlichen Zornes die Menschen auf den letzten Akt des Gerichts vor dem zweiten Kommen Christi vor. Die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Euphrat, die schon zuvor vorhergesehen wurde ( Offb 9,14 ), hat nun ein späteres Stadium erreicht, wobei der Zeitfaktor zwischen der sechsten Posaune und der sechsten Schale vergleichsweise kurz ist.
Dann (goß) der siebente Engel ... seine Schale in die Luft . Johannes hörte eine große Stimme aus dem Tempel, die sprach: Es ist geschehen! Eine ganz ähnliche Äußerung war auch der siebten Posaune gefolgt ( Offb 11,15-19 ). Auch hier sah Johannes Blitze und hörte Donner . Diesen Phänomenen schloß sich ein großes Erdbeben an ( Offb 16,18 ). Johannes wurde mitgeteilt, daß dies das schwerste Erdbeben aller Zeiten sei (weitere Erdbeben werden in Offb 8,5 und Offb 11,19 erwähnt). Die Schilderung der Verwüstungen, die es anrichtete, lassen darauf schließen, daß es die ganze Erde in Mitleidenschaft zog, vielleicht mit Ausnahme des Landes Israel. Die große Stadt, die in drei Teile zerfiel, war Babylon . Das wichtigste Ereignis war jedoch, daß die Städte der Heiden einstürzten. Das schwere Erdbeben legte sämtliche Städte der Völker (Heiden) in Schutt. Damit war der Schauplatz bereit für die Wiederkunft Christi. Der Einsturz der Städte wird auf jeden Fall mit riesigen Opfern an Menschenleben und ungeheuren Zerstörungen dessen, was noch vom Weltreich übrig ist, einhergehen.
In Offb 11,8 ist zwar von Jerusalem als "der großen Stadt, die geistlich Sodom und Ägypten heißt, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde", die Rede, doch die "große Stadt" an dieser Stelle ist eindeutig Babylon, wie aus Offb 16,19 hervorgeht. Gott wird Babylon den Kelch mit dem Wein seines grimmigen Zorns reichen, d. h., die Stadt wird in schrecklicher Weise die Ausgießung seines Gerichts erfahren. Von einigen Exegeten wurde Rom, das wegen seiner geistlichen Verdorbenheit ebenfalls an manchen Stellen "Babylon" genannt wird, als Pendant der Stadt, von der hier die Rede ist, vorgeschlagen. Diese These wurde zwar von den Gelehrten ausführlich erörtert (vgl. J. A. Seiss, The Apocalypse , S. 381-382.397 - 420), man geht jedoch wohl besser davon aus, daß es sich bei diesem "Babylon" in der Tat um die wiedererrichtete Stadt Babylon am Euphrat handelt, die die Hauptstadt des endzeitlichen Weltreiches sein wird (vgl. Walvoord, Revelaton , S. 240 - 241).
Zusätzlich zu dem schrecklichen Erdbeben, möglicherweise als eine Folge davon, beobachtete Johannes, daß alle Inseln verschwanden und die Berge ... nicht mehr gefunden wurden. Diese Verse (V.
18 - 20 ) deuten, wenn man sie wörtlich versteht, auf topographische Veränderungen der Erdoberfläche, die schließlich als Vorbereitung auf das Tausendjährige Reich Christi auch zu großen Veränderungen im Heiligen Land führen.
Außerdem fiel ein großer Hagel wie Zentnergewichte auf die Erde. Solche Eismassen von übernatürlicher Größe würden alles zerstören, was nach dem Erdbeben noch übriggeblieben war, und Menschen, die davon getroffen würden, zweifellos töten oder schwer verletzen. Trotz der Schwere der Strafe und ihrer verheerenden Auswirkungen spricht aus dem letzten Satz des Abschnitts wieder die Verhärtung der menschlichen Herzen: Und die Menschen lästerten Gott wegen der Plage des Hagels; denn diese Plage ist sehr groß.
Manchmal wird gefragt, warum die ewige Strafe auch wirklich ewig währt. Die Antwort auf diese Frage ist, daß die Menschen in ihrer Verstocktheit sich nicht ändern werden; sie verdienen ewige Strafe, weil sie ewig unbußfertig bleiben. Mit der endgültigen Zerstörung, die dem Ausgießen der siebten Schale des göttlichen Zornes folgt, wird die Bühne endgültig frei für die dramatisch sich steigernde Wiederkunft Christi, von der in
Kapitel 19 berichtet wird. Zunächst wird jedoch in
Kapitel 17 - 18 der Fall Babylons im Detail beschrieben.
Babylon - der Ursprungsort so vieler heidnischer Religionen, die dem Glauben Israels und dem Glauben der Kirche entgegenstanden - wird in diesen Kapiteln endgültig gerichtet. Die Abfolge fügt sich nicht chronologisch in das Schema der Siegel, Posaunen und Schalen des göttlichen Zornes, weshalb es den Auslegern schwer wurde, die hier offenbarten Ereignisse einzuordnen.
Von einer allgemeinen Warte betrachtet vermittelt
Kapitel 17 ein Bild des religiösen Charakters von Babylon. Höhepunkt ist dabei die Schaffung einer Weltreligion, die in die erste Hälfte der letzen sieben Jahre vor der Wiederkunft Christi zu gehören scheint. Daneben berichtet das Kapitel von der Zerstörung Babylons durch die zehn Könige (V.
16 ).
Kapitel 18 dagegen befaßt sich mit Babylon als politischer Macht und Großstadt und als Machtzentrale des großen Weltreiches, das die zweite Hälfte der letzten Jahre vor Christi Wiederkunft bestimmen wird. Gelegentlich wird Babylon (der Name wird etwa dreihundertmal in der Bibel erwähnt) auch als Repräsentant eines satanischen religiösen Systems verstanden, das der wahren Religion Gottes entgegensteht, doch in erster Linie verkörpert es eine politische Großmacht mit einer großen Hauptstadt. Die Endzeit führt diese beiden Überlieferungslinien zusammen und zeigt Gottes letztes Gericht über Babylon.
1. Die Vernichtung des religiösen Babylon ( Offb 17 )
Einer von den sieben Engeln (in Offb 16 ), die die sieben Schalen hatten , forderte Johannes auf, das Gericht über die große Hure, die an vielen Wassern sitzt , zu bezeugen. Diese schlechte Frau symbolisiert das religiöse System Babylons, während die Wasser ein Sinnbild der "Völker und Scharen und Nationen und Sprachen" sind (V.
15 ). Der Engel teilte Johannes mit, daß die Könige auf Erden mit der Frau Hurerei getrieben hatten, mit andern Worten, sie waren ein Teil des religiösen Systems, für das sie stand, geworden (vgl. Offb 14,8 ).
Dann wurde Johannes im Geist (d. h. in einer Vision, nicht leiblich; vgl. Offb 1,10; 4,2 ) in die Wüste versetzt, wo er die Frau selbst erblickte. Sie saß auf einem scharlachroten Tier, das ... voll lästerlicher Namen war und sieben Häupter und zehn Hörner (hatte) . Das ist ganz eindeutig ein Hinweis auf die Weltherrschaft ( Offb 13,1 ). Die zehn Hörner werden später ( Offb 17,12 ) als zehn Könige bezeichnet, "die ihr Reich noch nicht empfangen haben". Die sieben Häupter scheinen sich auf führende Persönlichkeiten des noch in der Zukunft liegenden wiedererstarkten Römischen Reiches zu beziehen.
Die Frau war bekleidet mit Purpur und Scharlach und geschmückt mit Gold und Edelsteinen und Perlen . Ihr Schmuck ähnelte also dem religiösen Putz, den man heute in bestimmten Kirchen finden kann. Purpur, Scharlach, Gold, Edelsteine und Perlen können ein Sinnbild der Schönheit und Herrlichkeit sein, wenn es um den wahren Glauben geht. An dieser Stelle aber stehen sie für eine falsche Religion, die die Wahrheit prostituiert.
In der Hand hielt die Frau einen goldenen Becher ..., voll von Greuel und Unreinheit ihrer Hurerei (vgl. "der Wein ihrer Hurerei" in V.
2 ). Das bestätigt die früheren Hinweise darauf, daß ihr Wesen und ihre Lebensführung ein Symbol für die falsche Religion schlechthin sind: Und auf ihrer Stirn war geschrieben ein Name, ein Geheimnis: Das große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden.
Die Bibel steckt voller Informationen über Babylon als Ursprungsort der falschen Religion, angefangen mit dem Turmbau zu Babel ( 1Mo 10-11 ). Der Name "Babel" bedeutet soviel wie "Verwirrung" ( 1Mo 11,9 ). Später wurde dieser Name auf die Stadt Babylon übertragen, deren Geschichte schon dreitausend Jahre vor Christi Geburt einsetzt. Einer der berühmten Herrscher von Babylon war Hammurabi (1728 - 1686 v. Chr.). Nach einer Zeit des Verfalls erlebte Babylon unter Nebukadnezar etwa 600 Jahre v. Chr. einen erneuten großen Aufschwung. Die Herrschaft Nebukadnezars (605 - 562 v. Chr.) und die darauffolgende Geschichte der Stadt bilden den Hintergrund für das Buch Daniel.
Doch Babylon hatte nicht nur politische, sondern auch religiöse Bedeutung. Nach außerbiblischen Überlieferungen begründete Semiramis, die Ehefrau Nimrods, des Erbauers von Babylon ( 1Mo 10,8-10 ), die geheimen religiösen Riten der babylonischen Mysterienreligionen. Semiramis hatte einen Sohn, den sie angeblich auf übernatürliche Weise empfangen hatte und der den Namen Tammus erhielt. Er war gleichsam das negative Gegenstück zur Erfüllung der Verheißung an die Nachkommenschaft Evas ( 1Mo 3,15 ).
Im Zusammenhang mit der babylonischen Irr-Religion kam man verschiedenen religiösen Bräuchen auf die Spur. Unter anderem gehörte dazu auch die Anbetung der Mutter und des Kindes als göttliche Wesen und die Stiftung eines Jungfrauenordens, dessen Angehörige als eine Art Tempeldirnen fungierten. Nach der Überlieferung wurde Tammus von einem wilden Tier getötet und dann wieder zum Leben erweckt - die satanische Vorwegnahme und das teuflische Gegenbild der Auferweckung Christi. Immer wieder wird deshalb diese falsche Religion in der Schrift verdammt ( Jer 7,18;44,17-19.25; Hes 8,14 ). Auch der Baalskult steht mit der Anbetung des Tammus in Zusammenhang.
Nachdem die Perser Babylon 539 v. Chr. erobert hatten, unterbanden sie die Ausübung der Mysterienreligionen. Deren Anhänger wanderten daraufhin nach Pergamon ab. Pergamon war auch der Standort einer der sieben im Buch der Offenbarung angesprochenen kleinasiatischen christlichen Gemeinden ( Offb 2,12-17 ). Die Hohenpriester der babylonischen Kulte trugen Diademe in Form eines Fischkopfes, um den Fischgott zu verehren. In diesen Kopfputz waren die Worte "Bewahrer der Brücke" - ein Symbol für die Brücke zwischen den Menschen und Satan - eingraviert. Dieser Brauch wurde von den römischen Kaisern übernommen, die den lateinischen Titel Pontifex Maximus , "Höchster Bewahrer der Brücke", trugen. Derselbe Titel wurde später auch vom Bischof von Rom benutzt. Auch heute noch wird der Papst als "Pontifex" bezeichnet. Als die Lehrer der babylonischen Mysterienreligionen später von Pergamon nach Rom kamen, gewannen sie großen Einfluß auf das Christentum, das sie mit heidnischen Elementen vermengten. Auf diese Weise entstanden viele pseudochristliche Riten, die in die Gemeinden Eingang fanden. Babylon ist deshalb das Symbol der Apostasie und der blasphemischen Ersetzung des christlichen Gottesdienstes durch den Götzendienst. In der folgenden Passage erlebt Babylon seine endgültige Verurteilung.
Die Frau, das Symbol der abtrünnigen Religion, war betrunken von dem Blut der Heiligen . Das zeigt, daß es in dem falschen religiösen System der ersten Hälfte der letzten sieben Jahre vor der Wiederkunft Christi keinen einzigen wahren Christen mehr geben wird. Die abtrünnige Kirche wird vielmehr darauf bedacht sein, alle zu töten, die dem wahren Glauben anhängen. Johannes gab seinem Erstaunen über diese Offenbarung Ausdruck.
Der Engel erklärte ihm die Bedeutung der Frau und des Tieres , auf dem sie saß. Das Tier ... wird wieder aufsteigen aus dem Abgrund , dem Wohnort Satans ( Offb 11,7 ), und dem Ort, von dem die Dämonen kommen ( Offb 9,1-2.11 ). Das macht deutlich, daß die Macht, die hinter dem Herrscher steht, eine satanische ist (vgl. Offb 13,4 ) und daß Satan und der Mann, über den er Macht hat, eng miteinander verbunden sind. Sie sind eins. Die Tatsache, daß das Tier gewesen (ist) und ist jetzt nicht und wird wieder aufsteigen , weist ebenfalls auf das in Offb 13,3 Gesagte. Das wunderbare Überleben und Wiedererstarken des Weltherrschers und seines Reiches wird der Welt wie ein übernatürliches Geschehen erscheinen und die Menschen dazu veranlassen, dem Tier und Satan gottesdienstliche Ehren zu erweisen. (Zum Buch des Lebens vgl. den Kommentar zu Offb 3,5;13,8 .Vgl. auch Offb 20,12.15;21,27 .)
Der Engel sagte zu Johannes: Hier ist Sinn, zu dem Weisheit gehört (vgl. Offb 13,18 ). Die Wahrheit, die hier in symbolischen Bildern dargestellt ist, muß mit geistlicher Einsicht erfaßt werden, und die Schwierigkeit, sie recht zu begreifen und zu deuten, zeigt sich denn auch in den ganz verschiedenen Auslegungsansätzen im Laufe der Geschichte der Kirche.
Johannes erfuhr durch den Engel, daß die sieben Häupter des Tieres sieben Berge seien, auf denen die Frau sitzt . Viele Schriftsteller der Antike wie etwa Victorinus, der einen der ersten Kommentare zum Buch der Offenbarung verfaßte, identifizierten die sieben Berge mit Rom, das oft als die "Stadt auf den sieben Hügeln" bezeichnet wird. Das hat zu der Folgerung geführt, diese Passage lehre, daß Rom die Hauptstadt des kommenden Weltreiches sein werde. Ursprünglich erstreckte sich Rom über sieben sanfte Erhebungen am Tiber, die die Namen Palatin, Arentin, Caelius, Esquilin, Viminal, Quirinal und Capitol trugen. Später kamen noch der Janiculus und der Pincius im Norden hinzu. Rom wird zwar immer wieder mit sieben Hügeln in Verbindung gebracht, doch die verschiedenen Autoren nennen dabei nicht unbedingt dieselben sieben Namen.
Eine genauere Betrachtung des ganzen Abschnittes widerlegt allerdings den Schluß, daß hier die Stadt Rom gemeint sein könnte. Seiss z. B. bringt umfangreiches Belegmaterial dafür vor, daß der Hinweis auf die sieben Berge sich eher auf verschiedene Herrscher als auf tatsächliche Hügel bezieht ( The Apocalypse , S. 391-394). Das wird auch durch den Text gestützt, der fortfährt: Es sind sieben Könige (wörtlich: "die sieben Häupter sind sieben Könige"). Wenn aber die Berge Könige verkörpern, kann es sich nicht um tatsächliche Berge handeln und die Bezeichnung kann sich demzufolge nicht auf Rom beziehen, sondern meint bestimmte Personen.
Diese Sichtweise paßt auch zu Vers
10 : Fünf sind gefallen, einer ist da, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muß er eine kleine Zeit bleiben. Johannes schrieb diese Sätze aus seiner historischen Perspektive, nachdem fünf berühmte Könige des Reiches geherrscht hatten und wieder verschwunden waren und einer auf dem Thron saß (wahrscheinlich Domitian, der die Verfolgungen veranlaßte, in deren Zusammenhang Johannes auf die Insel Patmos verbannt wurde). Die Identität des siebten Königs, der nach der Zeit des Johannes kommen sollte, bleibt unbekannt.
Vers
11 setzt hinzu, daß das Weltreich der Endzeit unter der Herrschaft eines Königs stehen werde, der der achte ist. Das Tier, das gewesen ist und jetzt nicht ist ... ist einer von den sieben und fährt in die Verdammnis. Der achte König ist offenbar mit dem letzten Herrscher der Welt identisch, dem Mann, der der Führer des letzten Weltreiches ist, das Christus bei seinem zweiten Kommen vernichten wird.
Eine mögliche Erklärung für den Unterschied zwischen dem siebten und achten Tier ist, daß das siebte Tier selbst das Römische Reich verkörpert, das in der Endzeit auf wunderbare Weise wiedererstarkt, und daß das achte Tier sein letzter Herrscher ist. Die Verse zeigen, daß in der Endzeit, insbesondere in der ersten Hälfte der letzten sieben Jahre, eine Allianz zwischen dem nahöstlichen Herrscher (dem Antichristen) und der abtrünnigen Weltkirche dieser Zeit bestehen wird. Diese Allianz wird um die Mitte der sieben Jahre, wenn die politische Macht des Antichristen sich über die ganze Welt erstrecken wird, ihren Höhepunkt erreichen.
Vers
12 erklärt, daß die zehn Hörner ... zehn Könige (sind) . Viele Ausleger haben versucht, diese Zehnerzahl mit zehn aufeinanderfolgenden Herrschergestalten der Vergangenheit gleichzusetzen, doch der Text selbst deutet eher darauf hin, daß es sich um Könige handelt, die zur gleichen Zeit an der Macht sind und über die Länder herrschen, die die eigentliche Allianz im Nahen Osten bilden werden, die den künftigen Weltherrscher unterstützt. Sie werden für eine Stunde Macht erhalten und zusammen mit dem Tier herrschen. Währen die sieben Häupter möglicherweise chronologisch nacheinander auftretende römische Kaiser bezeichnen, die als besonders bedeutend angesehen wurden, verkörpern die zehn Hörner die gleichzeitige Herrschaft der zehn Könige, die, wie der Text andeutet, für kurze Zeit große politische Macht haben werden.
Die zehn Könige werden ihre Macht vereinen, um dem Tier (V.
13 ), dem nahöstlichen Herrscher, der in der Endzeit auftreten und sieben Jahre vor dem Kommen Christi einen Bund mit Israel schließen wird, zu helfen. Ihr antichristlicher Einfluß wird die ganzen sieben Jahre hindurch wirksam sein, und wenn Christus erscheint, werden die zehn Könige gegen ihn kämpfen , doch sie werden unterliegen (V.
14 ). Bezeichnenderweise wird Christus, das Lamm , an dieser Stelle zugleich auch als der Herr aller Herren und der König aller Könige bezeichnet (vgl. 1Tim 6,15; Offb 19,16 ).
In Vers
1 wurde gesagt, daß die Frau "an vielen Wassern sitzt". Diese Wasser werden nun gedeutet als Völker und Scharen und Nationen und Sprachen . Das weist darauf hin, daß es in dieser Zeit eine einzige ökumenische Weltreligion geben wird, die alle Völker und Sprachfamilien umfaßt.
Das Kapitel schließt mit dem dramatischen Ende der Frau. Das Tier (der Weltherrscher, der Antichrist) und die zehn Hörner (die zehn Könige) werden die Hure hassen und werden sie ausplündern . Der Text liefert keine Hinweise auf den genauen Zeitpunkt dieses Geschehens, doch es hat den Anschein, daß die Vernichtung der Frau etwa in der Mitte der endzeitlichen Siebenjahresspanne erfolgen wird, wenn das Tier sich selbst zum Weltherrscher ausrufen wird ( Dan 9,27; Mt 24,15 ).
Wenn der nahöstliche Herrscher die Macht an sich reißen wird, wird er sich zugleich an die Stelle Gottes setzen und von seinen Untertanen bei Androhung der Todesstrafe verlangen, daß sie ihn anbeten (vgl. Dan 11,36-38; 2Thes 2,4; Offb 13,8.15 ). Die Weltkirchenbewegung, die der ersten Hälfte der sieben Jahre vor dem Kommen des Herrn ihr Gepräge gibt, nimmt damit ein abruptes Ende. Sie wird durch eine letzte Form von Weltreligion ersetzt werden, nämlich die Anbetung des Weltherrschers, Satans Platzhalter Christi.
Dieses ganze Geschehen ist Teil von Gottes souveränem Plan, über die schlechten Herrscher Gericht zu halten. Denn Gott hat's ihnen in ihr Herz gegeben, nach seinem Sinn zu handeln und eines Sinnes zu werden und ihr Reich dem Tier zu geben, bis vollendet werden die Worte Gottes.
Zum letzten Mal wird die Frau in Offb 17,18 erwähnt: Die Frau, die du gesehen hast, ist die große Stadt, die die Herrschaft hat über die Könige auf Erden. Das ist abermals ein Hinweis auf das antike Babylon, das in der damaligen Zeit als religiöses Zentrum für alle Arten von Irrlehren galt. Die abtrünnige Kirche, die in der Frau verkörpert ist, war eine Verbindung aus religiöser und politischer Macht. Wie in Vers
5 festgehalten ist, sind die Stadt und die Frau ein "Geheimnis", also ein Symbol. Vers
18 dagegen, die Überleitung zum nächsten Kapitel, scheint Babylon eher als reale Stadt denn als religiöse Einheit zu verstehen.
2. Die Vernichtung des politischen Babylon ( Offb 18 )
Durch einen andern Engel ... vom Himmel wurde Johannes weitere Offenbarung über die Vernichtung Babylons zuteil. Das Auftreten eines weiteren Engels steht im Gegensatz zu der Aussage "einer von den sieben Engeln" in Offb 17,1 .Die Gestalt sollte auf keinen Fall mit Christus verwechselt werden. Engel haben große Macht und machen im Buch der Offenbarung viele entscheidende Aussagen. Die Macht und Herrlichkeit dieses Engels war so groß, daß die Erde ... von seinem Glanz (erleuchtet) wurde ( Offb 18,1 ).
Die Botschaft des Engels lautete: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große . Es ist gefragt worden, ob hier nochmals aus einer anderen Perspektive von der Vernichtung die Rede ist, die in Offb 17,16-17 berichtet wurde. Ein Vergleich zwischen den
Kap. 17; 18 macht jedoch deutlich, daß es sich um zwei verschiedene Ereignisse handelt. Die Frau in
Kapitel 17 stand zwar in Verbindung mit der politischen Macht, doch sie war nicht selbst diese Macht, und ihre Vernichtung löste auf der Erde offenbar keine Trauer aus. Die Zerstörung Babylons in
Kapitel 18 dagegen wird von denen, die politisch und wirtschaftlich Nutzen aus dem System zogen, laut beklagt. Die Zerstörung geht hier nicht von den zehn Königen aus, sondern erfolgt offenbar durch ein Erdbeben, so daß anzunehmen ist, daß an dieser Stelle ausführlicher erklärt wird, was bereits in Offb 16,19-21 angesprochen wurde.
Es geht um eine große und reiche Stadt, die das Zentrum des politischen und wirtschaftlichen Lebens ist. Das Gericht Gottes macht sie nun zur Behausung der Teufel, zum Gefängnis aller unreinen Geister und aller unreinen Vögel und ... aller unreinen und verhaßten Tiere. Denn von dem Zorneswein ihrer Hurerei haben alle Völker getrunken . Die falsche Religion Babylons ist wie eine Droge, die die Menschen in den Wahnsinn treibt. Sie hat die Kaufleute auf Erden reich gemacht und ist nun dem Untergang geweiht.
Nach der Ankündigung des Engels wies eine andere Stimme vom Himmel das Volk Gottes an, die Stadt zu verlassen, damit es dem Gericht, das ihr bevorstand, entrönne (V.
4-5 ). Babylon wird genausoviel Qual und Leid erfahren, wie es zuvor Herrlichkeit und Üppigkeit genoß und sich als Königin brüstete (V.
7 ). Tod, Leid und Hunger werden an einem Tag (V.
8 ) über die Stadt hereinbrechen, und sie wird von Feuer verzehrt werden.
Wenn die Könige die Zerstörung der Stadt sehen, werden sie jammern und klagen: Weh, weh, du große Stadt Babylon, du starke Stadt (V.
10 ). Auch die Kaufleute werden den Sturz der Stadt betrauern, weil sie nun keinen Handel mehr mit ihr treiben können. Die Schilderung von Vers
12.13 zeigt den ungeheuren Reichtum und Luxus, der in Babylon herrschte. Hier geht es ganz offensichtlich um die ökonomische und politische Stellung der Stadt und nicht um ihre religiöse Situation. Der Jammerruf der Kaufleute tönt wie der der Könige: Weh, weh, du große Stadt (V.
16 ).
Schiffsherren und ... Steuerleute und alle, die mit der Seefahrt zu tun haben, werden ebenfalls klagen: Weh, weh, du große Stadt (V.
19 ). Alle drei Gruppen - die Könige, die Kaufleute und die Seeleute - sprechen von der Plötzlichkeit der Vernichtung: in einer Stunde (V.
10.17.19 ). Während die Welt über die Verwüstung Babylons klagt, werden die Heiligen aufgefordert, sich darüber zu freuen, denn Gott hat sie gerichtet um euretwillen (V.
20 ).
Die endgültige gewaltsame Zerstörung der Stadt wird mit dem Vorgang verglichen, wenn ein großer Mühlstein ... ins Meer geworfen wird (V.
21 ). Es folgt die Klage, daß all diejenigen, die einst das Bild der Stadt prägten - Sänger und Saitenspieler, Flötenspieler und Posaunenbläser und schließlich Handwerker jedweden Handwerks - aus ihr verschwunden sind (V.
22 ). Es wird dort kein Licht mehr geben und keine Hochzeitsfreude (V.
23 ). Der Grund für das Gericht über die Stadt ist, daß durch ihre Zauberei ( pharmakeia ; vgl. Offb 9,21 ) alle Völker (verführt) und vom Glauben an Gott abgebracht wurden ( Offb 18,23; vgl. Offb 17,2 ) und daß sie sich des Mordes an den Propheten und ... Heiligen schuldig gemacht hat ( Offb 18,24; vgl. Offb 17,6 ).
Die Frage bleibt, welche Stadt hier gemeint ist. Einer weit verbreiteten Deutung zufolge bezieht sich das Gesagte auf Rom, das als Sitz des Hauptes der Römisch-Katholischen Kirche und als Hauptstadt des römischen Weltreiches der Antike eine besondere Stellung in der Geschichte einnimmt. Manche Exegeten finden diese Sichtweise in der Beobachtung bestätigt, daß die Kaufleute und Seefahrer den Rauch der brennenden Stadt sehen werden ( Offb 18,9.18 ).
Andere Belege scheinen auf Babylon selbst zu deuten, die Stadt am Euphrat, der in der Endzeit möglicherweise zu einem schiffbaren Fluß wird. Wenn man alle Hinweise zusammenträgt und prüft, kommt man in der Tat zu dem Schluß, daß wohl eher das wiedererbaute Babylon als Rom die Hauptstadt des endzeitlichen Weltreiches sein wird. Die Exegeten streiten allerdings nach wie vor über diesen Punkt.
Die Ereignisse in
Kapitel 17 werden in der Mitte der sieben Jahre erfüllt sein, während das in
Kapitel 18 Geschilderte erst am Ende dieser Zeitspanne, unmittelbar vor dem Kommen Christi, eintreten wird. Die Verwüstung Babylons ist der letzte vernichtende Schlag gegen die Heiden, deren Herrschaftszeit mit dem Angriff des babylonischen Heeres auf Jerusalem im Jahre 605 v. Chr. begann (vgl. Lk 21,24 ).
Durch die zusätzlichen Erkenntnisse und Informationen über die großen, weltweiten religiösen und politischen Strömungen während der letzten sieben Jahre, die der Leser in
Kapitel 17; 18 erhält, ist nun alles bereit für den Höhepunkt des Buches der Offenbarung, den zweiten Advent Christi ( Offb 19 ).
1. Das Halleluja der großen Schar im Himmel
(19,1-3 )
Offb 4-18 befaßte sich in erster Linie mit den Ereignissen in der Zeit der Großen Trübsal. Von
Kapitel 19 an ändert sich der Inhalt der Schrift vollkommen. Die Große Trübsal geht nun zu Ende und das zweite Kommen Christi rückt in den Blick. Für die Heiligen und Engel beginnt damit eine Zeit der Freude und des Sieges Christi.
In
Kapitel 19 begann Johannes mit der Schilderung einer chronologischen Abfolge von Ereignissen, wie das Wörtchen danach ( meta tauta , wörtlich "nach diesen Dingen", d. h., nach den Ereignissen von
Kapitel 18 ) deutlich macht. Der Apostel hörte ... etwas wie eine große Stimme vieler Menschen im Himmel , die Gott - offensichtlich für sein Gericht über Babylon - priesen. Die Exegeten haben sich von der Reihenfolge der Geschehnisse in
Kapitel 19 - 20 häufig verwirren lassen, daher ist es wichtig festzuhalten, daß das Lob in Offb 19,1 sich auf die Zerstörung Babylons in
Kapitel 18 bezieht.
Der Begriff "Stimme" ( phOnEn , wörtlich "Klang") ist durch das Adjektiv "groß" ( megalEn ) näher spezifiziert. Dieser laute Klang stammt von einer großen Schar ; dieselbe Wendung bezeichnet in Offb 7,9 die Anzahl der in der Großen Trübsal umgekommenen Märtyrer. Gerade für sie ist das Gericht über Babylon ein großer Triumph. Das griechische Wort für Halleluja ist hallElouia , manchmal auch mit "Allelujah" wiedergegeben. Es stammt von dem gleichlautenden hebräischen Wort aus dem Alten Testament und steht im Neuen Testament nur viermal, ausschließlich in Offb 19 (V.
1.3-4.6 ).
Die himmlische Schar lobt die Herrlichkeit und Macht Gottes, die Folge und Ursache seines rettenden Werkes ist, und preist seine Gerichte als wahrhaftig und gerecht . Daß er die große Hure vernichtet hat (vgl. Offb 17,1.4 ), ist die gerechte Rache für den Märtyrertod seiner Knechte ( Offb 17,6 ). Die Strafe, die sie erlitt, ist jedoch nur der Beginn der ewigen Strafe, die die schlechten Menschen erwartet: Und ihr Rauch steigt auf in Ewigkeit.
2. Das Halleluja der vierundzwanzig Ältesten
(19,4-5 )
Auch die vierundzwanzig Ältesten und die vier Gestalten stimmen in den himmlischen Chor mit ein. Das ist ein weiterer Beleg dafür, daß die vierundzwanzig Ältesten, die ja die Kirche des gegenwärtigen Zeitalters repräsentieren, nicht mit den Heiligen aus der Zeit der Großen Trübsal, die in Vers
1 als "große Schar" eingeführt werden, identisch sind. Die vier Gestalten, von denen schon in Offb 4,6-8 die Rede war, scheinen Engelwesen zu sein, die Gott ebenfalls loben. Doch noch eine andere Stimme, offenbar ebenfalls die Stimme eines Engels, pries Gott und forderte alle ... Knechte Gottes ( Offb 19,5 ) auf, in den allgemeinen Lobgesang einzustimmen.
3. Die Weissagung über die Hochzeit des Lammes
(19,6 - 9 )
Das vierte und letzte Halleluja stammt nach den Worten des Johannes ebenfalls wieder von einer großen Schar , deren Stimme wie eine Stimme großer Wasser und wie eine Stimme starker Donner klang. Ihre Freude gilt allerdings eher den zukünftigen Ereignissen als dem soeben erfolgten Gericht.
In den Worten "denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige ( pantokratOr ; vgl. auch Offb 1,8;4,8;11,17;15,3;16,7.14;19,15;21,22 ) hat das Reich eingenommen" wird das zweite Kommen Christi antizipiert. Gleichzeitig mit der Aufforderung "laßt uns freuen" ergeht die Ankündigung, daß die Hochzeit des Lammes ... gekommen (ist) und daß seine Braut ... sich bereitet (hat) .
Die Ehe wird in der Heiligen Schrift häufig als Bild für die Beziehung der Gläubigen zu Gott gebraucht. Im Alten Testament wird Israel, wie etwa im Buch Hosea, als untreue Frau Jahwes dargestellt, deren Status im künftigen Königreich wiederhergestellt werden muß. Im Neuen Testament ist die Ehe oft auch ein Bild für die Gemeinschaft zwischen Christus und der Kirche. Die Vorstellung ist hier jedoch, daß die Kirche im Gegensatz zum alttestamentlichen Israel eine jungfräuliche Braut ist, die auf das Kommen ihres himmlischen Bräutigams wartet ( 2Kor 11,2 ).
Mit dem reinen Leinen , mit dem die Braut sich schmücken soll, ist die Gerechtigkeit der Heiligen gemeint ( Offb 19,8 ). (Im Alten Testament bestand das Gewand des Hohenpriesters unter anderem aus Leinen: 2Mo 28,42; 3Mo 6,3; 3Mo 16,4.23.32 .) "Die Gerechtigkeit der Heiligen", auf die hier Bezug genommen wird, erwächst zwar aus der Gnade Gottes, doch scheint es an dieser Stelle stärker um die Werke der "Braut" zu gehen als um ihren Stand als durch den Glauben Gerechtfertigte.
Dies ist die letzte von insgesamt vierzehn Stellen im Buch der Offenbarung, an denen Ausrufe des Gotteslobes von seiten der Heiligen, Engel, der 24 Ältesten und/oder von den vier Gestalten laut werden. Hymnen und Lobrufe finden sich in Offb 4,8.11;5,9-10.12-13;7,10.12;11,16-18;15,3-4;16,5-7;19,1-4.6-8 (vgl. die Tabelle bei Offb 4,8 ).
Der Engel, der Johannes befahl, das Gesehene aufzuschreiben ( Offb 14,13 ), wies ihn erneut an, die Botschaft weiterzugeben: Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind.
Eine der falschen Deutungen, unter denen die christliche Kirche zu leiden hatte, ist die Vorstellung, daß Gott alle Gläubigen genau gleich behandelt. Eine wörtliche Auslegung der Bibel unterscheidet dagegen zwischen verschiedenen Gruppen von Heiligen - wie an dieser Stelle die Braut von denen, die zum Hochzeitsmahl geladen sind, unterschieden ist. Statt mit allen genau gleich zu verfahren, hat Gott für Israel als Volk und für jene in Israel, die gerettet sind, einen ganz bestimmten Plan. Daneben verfolgt er ein konkretes Ziel mit den Heiden im Alten Testament, die zum Glauben an Gott kommen. Im Neuen Testament entfaltet er wiederum einen Heilsplan für die Kirche als eine weitere Gruppe von Heiligen. In der Offenbarung werden die Heiligen aus der Zeit der Großen Trübsal von anderen, früheren Gruppierungen abgehoben. Es geht bei dieser Unterscheidung nicht so sehr um verschiedene Formen der Segnung als vielmehr darum, daß Gott für jede dieser Gruppen einen ganz eigenen Plan hat, der in Beziehung zu ihrer speziellen Stellung innerhalb seines großen Heilsplanes steht. An dieser Stelle wird der Kirche - der Braut - von den Engeln und den Heiligen, die nicht mit ihr identisch sind, aufgewartet.
Die Ausleger haben sich darüber gestritten, ob die Hochzeit zwischen Jesus und der Kirche im Himmel oder auf Erden stattfinden wird. Diese Frage ist im Grunde nicht so wichtig, doch das interpretative Problem in diesem Zusammenhang läßt sich lösen, wenn man die hier beschriebene Feier mit den Hochzeitsfesten im 1. Jahrhundert vergleicht. Normalerweise umfaßte eine Hochzeit damals die folgenden Schritte: (1) die gesetzliche Schließung der Ehe durch die Eltern der Braut und des Bräutigams mit der Bezahlung der Mitgift; (2) das Kommen des Bräutigams, der die Braut für sich beanspruchte (wie es in Mt 25,1-13 in dem bekannten Gleichnis von den zehn Jungfrauen geschildert wird); (3) das Hochzeitsmahl (wie es in Joh 2,1-11 dargestellt wird), das sich als mehrtägiges Fest an die vorangehenden Formalia anschloß.
Das "Hochzeitsmahl" in Offb 19,9 stellt also den dritten Schritt der festlichen Abfolge dar. Die Ankündigung dieses Festes fällt mit dem zweiten Kommen Christi zusammen. Es hat daher den Anschein, als ob das Mahl selbst noch nicht begonnen hat. Die erste Stufe der Erfüllung dieses Bildes liegt also in der Rettung der Gläubigen im Kirchenzeitalter. Die zweite Stufe wird bei der Entrückung der Kirche erreicht, wenn Christus seine Braut in den Himmel, das Haus seines Vaters, bringt ( Joh 14,1-3 ). Mit dem Beginn des Tausendjährigen Reiches erfüllt sich dementsprechend die letzte Stufe, das Symbol des Hochzeitsmahls ( gamos ). Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß der Gebrauch des Wortes "Braut" in Offb 19,7 ( gynE , wörtlich "Frau") den Abschluß des zweiten Schrittes der Hochzeit voraussetzt und damit nur noch das Festmahl aussteht. (Das sonst für "Braut" gebrauchte Wort ist nymphE ; vgl. Joh 3,29; Offb 18,23;21,2.9;22,17 .)
All das deutet darauf hin, daß das Hochzeitsfest, um das es hier geht, ein irdisches Fest ist - was auch mit den Darstellungen von Hochzeitsfeiern in der Bibel übereinstimmt ( Mt 22,1-14; Mt 25,1-13 ) - und mit dem Beginn des Tausendjährigen Reiches auf Erden zusammenfällt. Die Bedeutung der Ankündigung und der Einladung zum Hochzeitsmahl, die in Offb 22,17 nocheinmal wiederholt wird, erhält zusätzliches Gewicht durch die Worte des Engels: Dies sind wahrhaftige Worte Gottes.
Die himmlische Szenerie mit den vier großen Hallelujas und der Ankündigung des Hochzeitsfestes war so überwältigend, daß Johannes abermals niederfiel, um den Engel anzubeten (vgl. Offb 1,17 ). Bei seinem ersten Niederfallen galt seine Anbetung allerdings Christus und war daher gerechtfertigt. Hier jedoch tadelte ihn der Engel und forderte ihn auf, Gott allein und nicht ihn zu ehren, da er nur ein Mitknecht des Apostels sei. Er f¨gte hinzu: Das Zeugnis Jesu aber ist der Geist der Weissagung , d. h., das Wesen oder das Ziel der Weissagung ist es, Jesus Christus zu bezeugen und ihn allein zu verherrlichen. In unserer Zeit ist es eine der besonderen Aufgaben des Heiligen Geistes, Christus zu verherrlichen und den Gläubigen zu zeigen, "was zukünftig ist" ( Joh 16,13 ). Die ungeheuerliche Offenbarung in den ersten zehn Versen von Offb 19 führt in angemessener Weise in das ein, was nun enthüllt werden soll: das zweite Kommen Jesu Christi, den eigentlichen Gegenstand des ganzen Buches ( Offb 1,1 ).
Die konservativen Exegeten sind nahezu einhellig der Ansicht, daß dieses Ereignis noch in der Zukunft liegt, wie die orthodoxen Glaubensbekenntnisse im Laufe der Kirchengeschichte zeigen. Wie das erste Kommen Christi wörtlich zu verstehen war und in der Geschichte erfüllt wurde, so wird auch das zweite Kommen Christi, das in der Zukunft liegt, Realität werden.
Gleichzeitig entstand allerdings unter den konservativen Gelehrten die Frage, ob die Entrückung der Kirche, von der so wichtige Passagen wie 1Thes 4,13-18 und 1Kor 15,51-58 sprechen, bei der Wiederkunft Christi auf die Erde oder, wie diejenigen sagen, die die These vertreten, daß die Kirche vor der Zeit der Großen Trübsal entrückt wird, bereits sieben Jahre vor dieser Wiederkunft stattfinden wird.
Dabei muß festgehalten werden, daß keine der Einzelheiten, die in Offb 19,11-21 erwähnt werden, sich auf die Entrückung der Kirche beziehen kann. Wie die Offenbarung bestätigt, kehrt Christus zwar zurück, doch in den Passagen über die Entrückung ist nirgendwo die Rede davon, daß er dabei die Erde berühren wird, denn die Gläubigen werden ihm entgegen in die Wolken gehoben ( 1Thes 4,17 ).
Man darf außerdem nicht übersehen, daß in Offb 19-20 völliges Stillschweigen über die Entrückung der dann noch lebenden Heiligen bewahrt wird. Die Stelle läßt vielmehr nur den Schluß zu, daß die Christen, die bei der Wiederkunft Christi auf Erden leben, dort bleiben und in ihren irdischen Leibern in das Tausendjährige Reich eingehen werden. Wenn die Entrückung der Kirche tatsächlich Teil der Wiederkunft Christi wäre, so könnte man doch erwarten, daß ein so wichtiges Ereignis in Offb 19 erwähnt würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Aus diesen und vielen anderen Gründen bestätigt also
Kapitel 19 die Lehrauffassung, daß die Entrückung der Kirche ein eigenes, bereits früher stattfindendes Ereignis ist und daß die Christen, die zur Zeit der Wiederkunft Christi noch leben werden, nicht entrückt werden. (Weitere Erörterungen zu diesem Thema s. John F. Walvoord, The Rapture Question .)
1. Die Offenbarung des Reiters auf dem weißen Pferd
(19,11 - 13 )
Als Johannes in den Himmel hineinsah, erblickte er Christus, der ein weißes Pferd ritt. Der Reiter des weißen Pferdes wird zwar manchmal mit dem Reiter in Offb 6,2 gleichgesetzt, doch der Kontext ist hier ein völlig anderer. Der Reiter in Offb 6,2 ist der Weltherrscher in der Zeit der Großen Trübsal, der Reiter in
Kapitel 19 kommt offensichtlich aus dem Himmel selbst. Das weiße Pferd ist ein Bild für seinen bevorstehenden Triumph. Auch die siegreichen römischen Generäle nahmen auf weißen Pferden an der Siegesparade teil, die durch die Via Sacra, eine Hauptverkehrsstraße Roms, zog. Ihnen folgten die Beweise ihres Sieges in Gestalt der Beuteschätze und der Kriegsgefangenen (vgl. 2Kor 2,14 ). Das weiße Pferd an dieser Stelle ist also ein Sinnbild für den Triumph Christi über die bösen Mächte der Welt. Dieser Triumph wird im folgenden in seinen Einzelheiten beschrieben. Der Reiter des Pferdes hieß: Treu und Wahrhaftig, denn er richtet und kämpft mit Gerechtigkeit . Wie schonungslos dieses Gericht über die Sünde sein wird, kommt in den Worten "seine Augen sind wie eine Feuerflamme" (vgl. Offb 1,14 ) zum Ausdruck, und die Rechtmäßigkeit der Herrschaft Christi bestätigen die vielen Kronen. Er trug einen Namen geschrieben, den niemand kannte als er selbst - ein Bild dafür, daß Christus der Unvergleichliche, Unbeschreibbare ist. Dennoch führt er bestimmte Titel. Offb 19,13 nennt einen davon: Und sein Name ist: Das Wort Gottes (vgl. Joh 1,1.14; 1Joh 1,1 ), und in Offb 19,16 wird berichtet, daß auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte die Wendung "König der Könige und Herr aller Herren" geschrieben steht (vgl. 1Tim 6,15; Offb 17,14 ). Der Reiter ist also ganz eindeutig Jesus Christus, der in Herrlichkeit auf die Erde zurückkehrt. Daß er als Richter kommt, zeigt sein Gewand, das mit Blut getränkt war ( Offb 19,13; vgl. Jes 63,2-3; Offb 14,20 ).
2. Das Kommen des Königs und seiner himmlischen Heerscharen
(19,14 - 16 )
Die Szenerie gewinnt noch an dramatischer Ausdruckskraft durch das Heer des Himmels, das auf weißen Pferden reitet und angetan ist mit weißem, reinem Leinen (vgl. V.
8 ). Aus dem Munde Christi ging ein scharfes Schwert (vgl. Offb 1,16;2,12.16;19,21 ), daß er damit die Völker schlage . Das hier gebrauchte Wort für "Schwert" ( rhomphaia ) bezeichnet ein ungewöhnlich langes Schwert, das manchmal auch als Speer benutzt wurde - ein Instrument, das die Menschen "durchbohrt". Außer mit dem Schwert wird er die Völker ... regieren mit eisernem Stabe (vgl. Ps 2,9; Offb 2,27 ). Von Christus wird auch gesagt: Er tritt die Kelter, voll vom Wein des grimmigen Zorns Gottes, des Allmächtigen (vgl. Offb 14,19-20; vgl. auch "der Allmächtige" in Offb 1,8;4,8;11,17;15,3;16,7.14;19,6;21,22 ). Diese Szene ist ein eindrucksvolles Bild für die Schrecken des kommenden Gerichts, dessen Zeugen die Menschen sein werden ( Mt 24,30 ).
Dieses Geschehen im Himmel ist der letzte Schritt des großen Weltkriegs, der viele Wochen dauern wird. Den Kämpfen im ganzen Heiligen Land wird am Tag der Wiederkunft Christi eine Straßenschlacht in Jerusalem folgen ( Sach 14,2 ). Die Menschen werden durch Dämonen, die Satan schickt, auf die Schlachtfelder gelockt werden, um sich den irdischen Heeren, die mit den himmlischen Heerscharen kämpfen, anzuschließen (vgl. Offb 16,12-16 ).
Die irdischen Heere sind jedoch kein Gegner für die himmlischen Heerscharen. Das scharfe Schwert aus dem Munde Christi (V.
15 ) ist ein Symbol für die Vollmacht seines Befehls, dessen göttliche Kraft alles, was sich ihm widersetzt, vernichten wird. Tausende von Menschen und Pferden werden hier in einem Augenblick sterben. So berichtete Johannes, daß er einen Engel in der Sonne stehen (sah), und er rief mit großer Stimme allen Vögeln zu, die hoch am Himmel fliegen: Kommt, versammelt euch zu dem großen Mahl Gottes und eßt das Fleisch der Könige und der Hauptleute und das Fleisch der Starken und der Pferde und derer, die darauf sitzen und aller anderen, die von Christus getötet wurden.
Das Tier und seine Heere werden sich versammeln, um gegen Christus und seine Heerscharen zu kämpfen. Der Ausgang dieser Schlacht - in Offb 16,14 als "Kampf am großen Tag Gottes, des Allmächtigen" bezeichnet - wird in Offb 19,19-21 beschrieben. Die Weltherrscher - das Tier ... und ... der falsche Prophet - werden ergriffen . Ihre übernatürliche dämonische Macht wird ihnen nichts mehr nützen, beide werden lebendig ... in den feurigen Pfuhl geworfen .
Die schlechten Menschen aller Zeiten, die gestorben sind, befinden sich im Hades ( Lk 16,23 ), während der Feuerpfuhl, der nicht mit dem Hades identisch ist, zunächst dem Teufel und seinen Engeln vorbehalten bleibt ( Mt 25,41 ). Erst zu einem späteren Zeitpunkt werden auch die verdorbenen Menschen in diesen Pfuhl geworfen werden ( Offb 20,14-15 ).
Die versammelte Streitmacht Satans wird durch das Schwert Christi fallen ( Offb 19,21; vgl. Offb 1,16;2,12.16;19,15 ). Die Zahl der Toten wird so groß sein, daß sie den Geiern ein überreiches Mahl bieten, mehr, als diese fressen können. Damit wird die Niederlage der schlechten Menschen auf Erden endgültig besiegelt sein. In dem späteren Gericht werden dann noch die Unerlösten in den anderen Erdteilen ausfindig gemacht und in den Feuerpfuhl geworfen (vgl. Mt 25,31-45 ).
Dasselbe inspirierte Gotteswort, das die Gnade Gottes und die Rettung, die allen, die glauben, zugänglich ist, so herrlich beschreibt, läßt keinen Zweifel an dem Gericht, das über alle verhängt ist, die die Gnade Gottes ablehnen. Die Tendenzen der liberalen Theologie, diejenigen biblischen Passagen, die von der Liebe Gottes handeln, hervorzuheben und die, die sich mit seinem gerechten Gericht befassen, zu vernachlässigen, sind biblisch gesehen völlig haltlos. Die Aussagen über das Gericht stammen ebenso von Gott selbst und sind ebenso gewiß wie diejenigen, die die Gnade und Rettung lehren. Die Bibel läßt keinen Zweifel daran, daß auf die Bösen das Gericht wartet. Das zweite Kommen Christi wird der Tag einer Bestrafung der Welt sein, wie sie seit den Tagen Noahs, der Sintflut, nicht mehr gesehen wurde.
Dieses Kapitel bestätigt, daß Christus selbst tausend Jahre lang auf Erden herrschen wird. Wenn man es wörtlich versteht, bietet seine Deutung keinerlei Schwierigkeiten. Da viele Bibelexegeten jedoch die Vorstellung ablehnen, daß Christus nach seinem zweiten Kommen für tausend Jahre auf der Erde herrschen wird, zielen ungewöhnlich viele Auslegungen der folgenden Passage auf eine Leugnung des Tausendjährigen Reiches ab. Dabei gibt es drei Hauptthesen, die dann jeweils noch variiert werden können. Die neueste These ist - vor allem in den USA - unter dem Begriff "Postmilleniarismus" bekannt. Nach Ansicht ihrer Verfechter beziehen sich die tausend Jahre, von denen in
Kapitel 20 die Rede ist, auf den Triumph des Evangeliums in der Zeit bis zum zweiten Kommen Christi, die Wiederkunft Christi folgt also erst auf das Tausendjährige Reich. Ausgehend von Daniel Whitby, einem umstrittenen Schriftsteller des 17. Jahrhunderts, wurde diese These in der Kirchengeschichte durch Autoren wie Charles Hodge, A. H. Strong, David Brown bis hin zu Loraine Boettner weitergeführt. Ihre optimistische Grundhaltung besagt, daß Christus durch das Werk der Kirche und die Predigt des Evangeliums schon jetzt geistlich auf Erden herrscht. Diese Ansicht ist jedoch im 20. Jahrhundert aufgrund des Aufkommens vieler antichristlicher Tendenzen und der Erkenntnis, daß die Welt in geistlicher Hinsicht keinerlei Fortschritte macht, revidiert worden.
Eine zweite wichtige Richtung ist der "Amilleniarismus", der ein Tausendjähriges Reich oder eine Herrschaft Christi auf Erden überhaupt leugnet. Das Tausendjährige Reich Christi wird auf die geistliche Herrschaft in den Herzen der Gläubigen reduziert. Seine Herrschaft besteht entweder über die Menschen auf Erden, die an ihn glauben, oder im Himmel. Weder die amilleniaristische noch die postmilleniaristische These erlauben es, Offb 20 wörtlich zu verstehen. Gerade die Amilleniaristen bieten eine Vielzahl von Deutungen der entsprechenden Passagen der Offenbarung an. Ihr Ansatz läßt sich mit einiger Sicherheit nur bis in das 4. oder 5. Jahrhundert, auf Augustinus, zurückverfolgen, nicht weiter. Zu den modernen Anhängern dieser Theorie gehören so angesehene Theologen des 20. Jahrhunderts wie Oswald Allis, Louis Berkhof, William Hendriksen, Abraham Kuyper, R.C.H. Lenski und Gerhardus Vos.
Eine dritte Deutung ist die prämilleniaristische, die von der Annahme ausgeht, daß das Tausendjährige Reich auf das zweite Kommen Christi folgt. Weil die Wiederkunft Christi dieser These nach vor dem dem Tausendjährigen Reich stattfindet, kann man von einer prämilleniaristischen Abfolge sprechen. Zu ihren Verfechtern gehören im 20. Jahrhundert Lewis Sperry Chafer, Charles L. Feinberg, A. C. Gaebelein, H. A. Ironside, Alva McClain, William Pettingill, Charles C. Ryrie, C. I. Scofield, Wilbur Smith und Merrill F. Unger. Die These selbst läßt sich bis ins 1. Jahrhundert zurückverfolgen, bis zu Männern wie Papias, Justinus Martyr und vielen anderen frühen Kirchenvätern. Die Argumente, die sie stützen, basieren darauf, daß die Ereignisse von
Kapitel 20 auf
Kapitel 19 folgen und nach dem zweiten Kommen Christi eintreten. Viele Passagen der Schrift sprechen vom zweiten Kommen Christi, dem sich eine gerechte Herrschaft auf Erden anschließt ( Ps 2; 24; 72; 96; Jes 2;9,5-6; 11-12;63,1-6; 65-66; Jer 23,5-6; 30,8-11; Dan 2,44; 7,13-14; Hos 3,4-5; Am 9,11-15; Mi 4,1-8; Zeph 3,14-20; Sach 8,1-8; Sach 14,1-9; Mt 19,28; Mt 25,31-46; Apg 15,16-18; Röm 11,25-27; Jud 1,14-15; Offb 2,25-28;19,11-20,6 ).
Aus dem Gesagten sollte klar geworden sein, daß der Entscheidung, welcher Deutung von Offb 20 man den Vorzug gibt, große Bedeutung zukommt, da von hier aus unsere Haltung zu den prophetischen Passagen der Schrift überhaupt bestimmt wird. Wir vertreten die Auffassung, daß die Ereignisse in
Kapitel 20 auf
Kapitel 19 folgen. Viele Exegeten gehen außerdem davon aus, daß die
Kapitel 21-22 ein chronologisches Geschehen beschreiben (zu weiteren Erörterungen der unterschiedlichen Deutungen s. Walvoord, Revelation , S. 282 - 290, und The Millenial Kingdom , Grand Rapids 1959, S. 263 - 275).
Kapitel 20 beginnt mit der vertrauten Wendung "und ich sah einen Engel" (vgl. Offb 7,2;8,2;10,1;14,6;18,1;19,17 ). Das "und", mit dem dieses Kapitel einsetzt, deutet darauf hin, daß das Folgende die Fortsetzung von
Kapitel 19 , das seinerseits mit "danach" begann, darstellt. Im griechischen Text werden 18 Verse von
Kapitel 19 mit "und" eröffnet. Diese Konjunktion ( kai ) weist in der Schrift häufig auf eine Handlung hin, die in logischer und/oder chronologischer Hinsicht auf die zuvor beschriebene folgt. Dementsprechend kann
Kapitel 20 also durchaus Ereignisse schildern, die an
Kapitel 19 anknüpfen, denn auch hier wird das "und" ( kai ) immer wieder aufgenommen (bis auf V.
5.6 ). Weder linguistisch noch grammatisch gesehen ist es daher unmöglich, daß diese Geschehnisse auf das zweite Kommen Christi folgen und nacheinander ablaufen.
Neben dieser grammatikalischen Verbindung besteht aber auch ein kausaler Zusammenhalt zwischen den Ereignissen, die der Wiederkunft Christi folgen. Laut
Kapitel 19 gehört dazu das Ende des Tieres und des falschen Propheten und die Vernichtung ihrer Heere. Es liegt auf der Hand, daß Christus sich, nachdem er den Weltherrscher, den falschen Propheten und ihre Anhänger bestraft hat, Satan selbst zuwendet, wie es in
Kapitel 20 geschieht.
Johannes sah einen Engel vom Himmel herabfahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in seiner Hand. Er ergriff Satan, den Drachen (vgl. Offb 12,3-4.7.9.13.16-17;13,2.4.11;16,13 ), die alte Schlange (
12, 9.14 - 15 ), und fesselte ihn für tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund und verschloß ihn ..., damit er die Völker nicht mehr verführen sollte, bis vollendet würden die tausend Jahre .
Hier stellt sich eine wichtige Frage: Wurde Satan beim ersten Kommen Christi gebunden, wie die Anhänger der These, daß es gar kein Tausendjähriges Reich geben wird, annehmen, oder wird er erst bei seinem zweiten Kommen gebunden werden, wie die Anhänger der These, daß Christus vor der Errichtung des Tausendjährigen Reiches auf die Erde zurückkehren wird, glauben? Offb 20,1-3 widerspricht ganz eindeutig den Gegnern der These des Tausendjährigen Reiches und deren Deutung, daß Satan beim ersten Kommen Christi gebunden wurde. In der ganzen Schrift ist die Rede von der großen Macht, die der Teufel nicht nur über die Welt, sondern auch über die Christen hat ( Apg 5,3; 1Kor 5,5; 1Kor 7,5; 2Kor 2,11;11,14;12,7; 1Tim 1,20 ). Die letzten Zweifel an der Realität dieser Bedrohung müßten angesichts der Ermahnung von 1Pet 5,8 weichen: "Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge."
Die Anhänger der These, daß es kein Tausendjähriges Reich geben wird, wenden dagegen ein, daß die Macht Satans durch die Macht Gottes beschränkt wird. Doch das galt für alle Zeiten, wie das Buch Hiob und auch andere Schriften zeigen. Die Behauptung aber, daß Satan in unserer Zeit im Abgrund gefangen ist und die Menschen tausend Jahre lang nicht versuchen darf, entspricht einfach nicht den Tatsachen und erfordert eine rein "allegorische" Deutung dieser und anderer nicht minder eindeutiger neutestamentlicher Passagen, die vor den Aktivitäten Satans und seiner Macht warnen. Die Macht, die der Teufel noch immer hat, zeigt sich auch in der Zeit der Großen Trübsal, wenn er den Herrscher der Welt einsetzt ( Offb 13,4 ). Satan wird zu Beginn der Großen Trübsal aus dem Himmel auf die Erde geworfen werden und dann wirkungsvoller denn je sein Unwesen treiben ( Offb 12,9.13.15.17 ).
Wenn Satan die modernen Menschen tatsächlich täuscht, wie die Schrift sagt und die historischen Tatsachen beweisen, dann liegt er nicht gefesselt im Abgrund, und die Errichtung des Tausendjährigen Reiches steht noch aus. Diese Deutung wird auch durch die Aussage gestützt, daß der Teufel nach dem Tausendjährigen Reich eine kleine Zeit (losgelassen) wird ( Offb 20,3 ). Auch diese Stelle ergibt nur einen Sinn, wenn man sie wörtlich versteht. Es wird also am Ende des Tausendjährigen Reiches nochmals zu einem letzten Aufflackern der Macht Satans kommen.
2. Die Auferweckung und Belohnung der Märtyrer
(20,4 - 6 )
Als nächstes berichtete Johannes, daß er Throne (sah) , auf denen die saßen, denen das Gericht übergeben worden war. Er sah die Seelen derer, die enthauptet waren , weil sie dem Herrn und seinem Wort in der Großen Trübsal treu geblieben waren. Die Tatsache, daß Johannes all das sehen konnte, impliziert, daß die Gläubigen im Himmel eine Art "Interimsleib" erhalten hatten und ihre Auferstehung erwarteten.
Man muß allerdings stets unterscheiden zwischen dem, was Johannes erblickte, und was er als Offenbarung empfing. Er sah die Seelen und erfuhr , daß ihre Besitzer enthauptet worden waren, weil sie sich geweigert hatten, das Tier und sein Bild anzubeten und sein Zeichen zu tragen. Er sah also nicht alle Seelen im Himmel, sondern nur eine bestimmte Generation von Märtyrern, die zur Zeit des Weltherrschers, des Tieres aus dem Meer ( Offb 13,1 ), gelebt hatten. Wenn die Kirche vor der Trübsal entrückt wurde, wie die prämilleniaristische These besagt, ist eine Aussonderung dieser verstorbenen Märtyrer zur Auferstehung sinnvoll. Hätte eine solche Entrückung jedoch nicht stattgefunden, so wäre es höchst ungewöhnlich, daß alle Märtyrer früherer Generationen, ja die Kirche als ganze einfach ignoriert und nur diese relativ kleine Gruppe genauer benannt wird.
Offensichtlich erfuhr Johannes nicht, wer die Personen auf den Thronen waren. Anscheinend handelte es sich bei ihnen nicht um die toten Märtyrer selbst. Christus hatte einst vorhergesagt ( Lk 22,29-30 ), daß die zwölf Jünger "essen und trinken" sollten "an meinem Tisch in meinem Reich und sitzen auf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels". Da die Jünger zugleich auch der Kirche, dem Leib Christi, angehören, wäre es äußerst plausibel, daß sie es waren, die auf den Thronen saßen.
Nach den Worten der Schrift ist die Wiederkunft Christi mit einer ganzen Reihe von Strafgerichten verknüpft. Das Tier und der falsche Prophet werden in den Feuersee geworfen ( Offb 19,20 ), Satan in den Abgrund ( Offb 20,1-3 ), und schließlich werden die Märtyrer aus der Zeit der Großen Trübsal gerichtet und belohnt (V.
4 ). Auch Israel ( Hes 20,33-38 ) und die Heiden ( Mt 25,31-46 ) werden gerichtet. Diese verschiedenen Aburteilungen gehen dem Tausendjährigen Reich voran und bereiten ihm den Weg.
Johannes schrieb, daß die verstorbenen Märtyrer lebendig (wurden) und regierten mit Christus tausend Jahre . Das beinhaltet, daß auch ihre Leiber auferweckt wurden. Neben der visuellen Offenbarung, die Johannes zuteil wurde, wurden ihm die Bedeutung und das Wesen des Gerichtes, das hier stattfand, noch verbal erläutert.
Außerdem wurde ihm mitgeteilt, daß die andern Toten ... nicht wieder lebendig (wurden), bis die tausend Jahre vollendet wurden . Das bezieht sich auf die Auferstehung der schlechten Menschen, die später genauer beschrieben wird (V.
11 - 15 ).
Nach den Worten des Johannes war das, was er sah, die erste Auferstehung . Die Anhänger der These, daß die Kirche erst nach der Zeit der Großen Trübsal entrückt wird, sehen in dieser Stelle einen Beleg für ihre Auffassung und dafür, daß es vor diesem Zeitpunkt, in Übereinstimmung mit dem durch die Propheten verkündeten Plan Gottes, keine Auferstehung geben wird. Es sollte allerdings jedem klar sein, daß es sich hier auf keinen Fall um die chronologisch erste Auferstehung handeln kann, da historisch ja Christus der erste Mensch war, der mit einem verwandelten Leib von den Toten auferstand. Daneben gab es noch die Auferstehung der "vielen Leiber" ( Mt 27,52-53 ) beim Tod Jesu. Wie kann aber auf diesem Hintergrund die Auferstehung, von der in Offb 20,5 berichtet wird, die "erste" sein?
Der Kontext zeigt, daß "die erste Auferstehung" (V.
5-6 ) im Gegensatz zur "zweiten Auferstehung" steht (V.
12 - 13 ), der der "zweite Tod" folgt (V.
6.14 ). Sie ist die "erste" also in dem Sinn, daß danach eine weitere folgt. Alle Gerechten werden, ganz gleich zu welchem Zeitpunkt, vor der Auferweckung der schlechten Menschen am Ende des Tausendjährigen Reiches auferstehen. Diese Aussage ist ein Beleg dafür, daß die Auferstehung der Gerechten in verschiedenen Stufen erfolgt. Christus war "der Erstling" ( 1Kor 15,23 ), dem die zeichenhafte Auferstehung einer Anzahl von Heiligen voranging ( Mt 27,52-53 ). Danach wird die Kirche entrückt werden, ein Ereignis, bei dem die verstorbenen Gläubigen auferweckt und die lebenden verwandelt werden ( 1Thes 4,13-18 ). Die Auferstehung der zwei Zeugen wird in der Zeit der Großen Trübsal erfolgen ( Offb 11,3.11 ). Dann, kurz nach der Wiederkunft Christi auf die Erde, werden die Märtyrer aus der Großen Trübsal auferstehen ( Offb 20,4-5 ). Dieser Gruppe sind möglicherweise auch die alttestamentlichen Heiligen zuzurechnen, deren Auferweckung offenbar um dieselbe Zeit stattfinden wird, auch wenn an dieser Stelle nicht davon die Rede ist (vgl. Jes 26,19-21; Hes 37,12-14; Dan 12,2-3 ).
Alle, die an der Auferstehung der Gerechten teilnehmen, sind selig ... und heilig, und der zweite Tod hat keine Macht über sie, sondern sie werden Priester Gottes und Christi sein und mit ihm regieren tausend Jahre . Bei der Auferweckung der Gerechten vor der Errichtung des Tausendjährigen Reiches werden die einzelnen Personen ihre Identität und Gruppenzugehörigkeit wiedererhalten, wie etwa die an Gott gläubigen Heiden und die gläubigen Israeliten aus der Zeit des Alten Testaments, die Kirche des Neuen Testamentes und die Heiligen aus der Zeit der Großen Trübsal.
Es fällt auf, daß die Zeitangabe "tausend Jahre" in
Kapitel 20 sechsmal vorkommt. Diese Zeitspanne konnte nicht visuell deutlich gemacht werden, sondern Johannes muß über sie in Kenntnis gesetzt worden sein, d. h., seine Vision muß so beschaffen gewesen sein, daß sie sich auf einen Zeitraum von tausend Jahren beziehen konnte. Während die Amilleniaristen und andere dazu neigten, diese Zeitangabe nicht wörtlich zu verstehen, gibt es andererseits keine klaren Belege, die für eine symbolische Auslegung sprächen. Immerhin ist
Kapitel 20 das einzige Kapitel in der Offenbarung, in dem eine Zeit von tausend Jahren erwähnt wird, und die Tatsache, daß die Angabe sechsmal wiederholt und eindeutig als Zeitraum veranschaulicht wird, vor dem und nach dem sich bestimmte Ereignisse abspielen, legt den Schluß nahe, daß hier durchaus tatsächlich tausend Jahre gemeint sein dürften.
Immerhin sind auch andere Zeitangaben in der Offenbarung wörtlich zu nehmen (z. B. "zweiundvierzig Monate", Offb 11,2;13,5; "eintausendzweihundertsechzig Tage", Offb 11,3;12,6 ), weshalb dasselbe sicherlich auch für "tausend Jahre" gilt. Wenn diese Angabe einen nicht näher spezifizierten, längeren Zeitraum - etwa das gegenwärtige Zeitalter zwischen Christi erstem und zweitem Kommen - bezeichnen würde, wie die Amilleniaristen meinen, dann hätte Johannes einfach nur gesagt, daß Christus "eine lange Zeit" herrschen würde, im Gegensatz zu der "kleinen Zeit" der Freilassung Satans ( Offb 20,3 ).
Folgende Ereignisse gehen dem Tausendjährigen Reich voraus: (1) das zweite Kommen Christi, (2) die Vernichtung des Tieres, das der falsche Prophet ist, und (3) der irdischen Heere, (4) das Binden Satans und seine Gefangensetzung im Abgrund, (5) die Einführung der Throne des Gerichts und (6) die Auferweckung der Märtyrer der Großen Trübsal. Wenn man sie alle in der richtigen Reihenfolge betrachtet, wird deutlich, daß sie den tausend Jahren und auch dem zweiten Kommen Christi vorangehen. Die Schlußfolgerung, daß Christus vor der Errichtung des Tausendjährigen Reiches auf die Erde zurückkehrt, wird also durch die schlichte, wörtliche Auslegung dieser Passage bestätigt.
Abgesehen davon, daß so oft von der Zeitspanne der tausend Jahre die Rede ist, erfahren wir keine Einzelheiten über die Herrschaft Christi auf Erden. Wir wissen lediglich, daß es eine Zeit großer Segnungen sein wird. Nur bestimmte alttestamentliche Passagen geben uns weiteren Aufschluß. In der Offenbarung geht es in erster Linie darum, daß das Tausendjährige Reich auf das zweite Kommen Christi folgt.
Johannes erfuhr aber auch, was am Ende der tausend Jahre geschehen sollte: Der Satan wird losgelassen werden aus seinem Gefängnis , dem Abgrund, und einen allerletzten Versuch unternehmen, die Völker - hier als Gog und Magog - bezeichnet - zum Kampf gegen Christus aufzustacheln. Seine Freilassung wird einen weltweiten Aufstand gegen das Tausendjährige Reich Christi heraufbeschwören. Die Heere, die sich gegen Christus versammeln, werden so riesig sein, daß Johannes schrieb: Ihre Zahl ist wie der Sand am Meer.
Wer sind diese Menschen, die Satan zu diesem Zeitpunkt noch folgen werden? Diejenigen, die die Zeit der Großen Trübsal überleben, werden in ihrem irdischen Leib in das Tausendjährige Reich eingehen. Sie werden Kinder bekommen und die Erde wieder bevölkern ( Jes 65,18-25 ). Doch auch unter den dann herrschenden idealen Umständen, wenn alle Menschen auf der Welt Jesus Christus kennen (vgl. Jer 31,33-34 ), werden manche nur ein Lippenbekenntnis zu ihm ablegen und nicht wirklich glauben, daß sie ihre Rettung ihm verdanken. Wenn dann Satan freigelassen wird, wird offenbar werden, daß sie nicht wirklich zu Christus gehören. Die Heerscharen, die Satan in dem Kampf gegen Christus folgen, werden also diejenigen Menschen sein, die im Tausendjährigen Reich nicht wiedergeboren werden.
Es ist die Frage gestellt worden, ob der hier beschriebene Krieg eine Entsprechung zu Hes 38-39 darstellt, wo ebenfalls von Gog und Magog die Rede ist ( Hes 38,2 ). Es handelt sich jedoch offensichtlich um zwei verschiedene Schlachten, denn die Heere, die an dem Krieg in Hes 38-39 teilnehmen, kommen vor allem aus dem Norden; zu ihnen gehören also nur wenige Völker. In der Schlacht in Offb 20,7-9 dagegen werden alle Völker der Erde mitkämpfen, und die Heere werden aus allen Himmelsrichtungen kommen.
Auch die Einzelheiten der beiden Kriege sind völlig verschieden. In der Schlacht in Hes 38-39 ist z. B. weder von Satan noch vom Tausendjährigen Reich die Rede. Aus dem Kontext von Offb 20,7 wiederum geht eindeutig hervor, daß diese Schlacht am Ende des Tausendjährigen Reiches stattfindet, wohingegen die Schlacht, von der Hesekiel berichtet, in die Ereignisse der Endzeit vor dem zweiten Kommen Christ gehört.
Warum gebrauchte Johannes dann die Begriffe "Gog und Magog"? In der Schrift wird dieser Ausdruck nicht erklärt. Er kann auch hier gestrichen werden, ohne daß sich die Bedeutung des Satzes verändert. In Hes 38 war Gog der Herrscher und Magog das Volk. Beide waren Feinde Israels und hatten sich gegen Gott aufgelehnt. Es wäre denkbar, daß die beiden Namen im Laufe der Zeit eine symbolische Bedeutung angenommen haben, so wie man z. B. vom "Waterloo" einer Person spricht und mit dem Ort der endgültigen Niederlage Napoleons nur noch die persönliche Niederlage dieses einen Menschen meint. Auf jeden Fall befanden sich auch die Heere, von denen an dieser Stelle die Rede ist, in jenem Zustand der Auflehnung gegen Gott, derer sich die Menschen in Hes 38 schuldig gemacht hatten.
Die Heere werden das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt umzingeln. Damit kann nur Jerusalem gemeint sein, das die Hauptstadt des Tausendjährigen Reiches sein wird (vgl. Jes 2,1-5 ). Auf diese militärische Aktion folgt das sofortige Gericht. Feuer wird vom Himmel fallen und sie verzehren.
Nach der Vernichtung der Gefolgschaft Satans wird er selbst in den Pfuhl von Feuer und Schwefel geworfen werden. Diese Strafe, die ihm und seinen Dämonen widerfährt, ist das letzte Gericht über Satan (vgl. Mt 25,41 ). Für die Lehre von der ewigen Bestrafung ist vor allem der abschließende Satz relevant: Sie werden gequält werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit . Das Pronomen "sie" schließt den Teufel, das Tier und den falschen Propheten ein. Der "Pfuhl von Feuer und Schwefel" ist nicht gleichbedeutend mit einer völligen Vernichtung, denn das Tier und der falsche Prophet sind noch tausend Jahre nach ihrer endgültigen Verurteilung dort ( Offb 19,20 ).
O. Das Gericht vor dem Großen Weißen Thron
(20,11 - 15 )
1. Die Auferstehung und das Gericht über die schlechten Menschen
(20,11 - 13 )
Die letzten fünf Verse von
Kapitel 20 handeln vom Gericht am Ende der menschlichen Geschichte und am Anfang der Ewigkeit. Johannes notierte: Ich sah einen großen weißen Thron . Die Ereignisse, die hier geschildert werden, geschehen eindeutig nach den tausend Jahren, von denen in Vers
1-6 die Rede war. Der Große Weiße Thron ist offenbar nicht mit jenem Thron gleichzusetzen, der über dreißigmal in der Offenbarung erwähnt wird (zum erstenmal in Offb 4,2 ). Er befindet sich anscheinend weder im Himmel noch auf der Erde, sondern im Raum, wie die Aussage vor seinem Angesicht flohen die Erde und der Himmel, und es wurde keine Stätte für sie gefunden vermuten läßt. Wer auf diesem Thron sitzt, wird nicht gesagt, doch wahrscheinlich ist es wie in Offb 3,21 Christus selbst (vgl. Mt 19,28;25,31; Joh 5,22; 2Kor 5,10; der Thron, von dem in diesen Passagen gesprochen wird, ist allerdings nicht unbedingt identisch mit dem Großen Weißen Thron in Offb 20,11 ). Während er nach seiner Himmelfahrt auf einem Thron im Himmel sitzt und später, im Tausendjährigen Reich, auf dem Thron Davids auf Erden sitzen wird ( Mt 25,31 ), stellt dieses Gericht vor dem Großen Weißen Thron eine ganz besondere, einmalige Situation dar.
Die Menschen haben sich immer wieder die Frage gestellt, ob die Erde und der Sternenhimmel, wie wir sie heute erblicken, zu diesem Zeitpunkt in der Zukunft zerstört oder einfach in einen neuen, reinen Zustand versetzt werden. Viele Stellen in der Bibel legen den Schluß nahe, daß die Erde und der Himmel, die wir kennen, vernichtet werden (vgl. Mt 24,35; Mk 13,31; Lk 16,17; Lk 21,33; 2Pet 3,10-13 ). Diese Sichtweise findet zusätzliche Bestätigung in der einleitenden Aussage von Offb 21 : Der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.
Das gegenwärtige Universum ist wie eine gigantische Uhr, die abläuft und, wenn sie sich selbst überlassen wird, schließlich in einen Zustand des völligen Stillstands übergeht. Nachdem Gott das Universum geschaffen und in Bewegung versetzt hat, um darin das Drama von Sünde und Erlösung aufzuführen, scheint es nur angemessen, den Neubeginn in einem neuen Himmel und mit einer neuen Erde, die auf seinen ewigen Plan zugeschnitten sind und auf einem anderen Prinzip basieren, zu wagen. Der neue Himmel und die neue Erde, von denen in
Kapitel 21 erzählt wird, haben denn auch keinerlei Ähnlichkeit mit der gegenwärtigen Erde und dem gegenwärtigen Himmel.
Der Große Weiße Thron, den Johannes erblickte, wurde errichtet, um die Toten zu richten. Der Apostel beobachtete, daß die Toten, groß und klein ... vor dem Thron standen. Aus anderen Schriftstellen gewinnt man den Eindruck, daß die gerechtfertigten Toten, einschließlich der Heiligen des Alten Testamentes, der Toten aus der Zeit der Großen Trübsal und der Gläubigen der Kirche, des Leibes Christi, zu diesem Zeitpunkt bereits auferstanden sind (vgl. den Kommentar zu V.
5 ). Es ist deshalb anzunehmen, daß die Verse
11 - 15 sich auf das Gericht über die schlechten Menschen beziehen, die laut Vers
5 erst nach dem Tausendjährigen Reich auferweckt werden und keinen Teil an der sogenannten "ersten Auferstehung" haben.
Bei diesem Gericht sah Johannes Bücher, die aufgetan wurden, einschließlich eines besonderen Buches, das als das Buch des Lebens bezeichnet wurde. Der Text sagt nichts Genaueres darüber, um was für Bücher es sich dabei handelte, doch die ersten Bücher, die aufgeschlagen wurden, nahmen möglicherweise auf die Werke der Menschen bezug, während das "Buch des Lebens" die Namen all derer enthält, die gerettet sind (vgl. Offb 3,5;13,8;17,8;20,15;21,27 ). Die Tatsache, daß diese Toten zuvor nicht auferweckt wurden, beweist, daß sie des ewigen Lebens nicht teilhaftig werden und daß das Urteil über sie sich nach ihren Werken richtet.
Das ganze letzte Gericht befaßt sich mit menschlichen Werken: mit den Werken der Christen, die vor dem Richterstuhl Christi belohnt werden, aber auch mit den Werken der Unerlösten, um die es an dieser Stelle geht. Die Frage, wer gerettet wird, entscheidet sich letztlich nicht im Himmel, sondern im Leben auf der Erde. Was hier enthüllt wird, ist die Bestätigung des Schicksals des einzelnen durch das, was bei Gott aufgeschrieben steht.
Manche Theologen sind der Ansicht, daß im "Buch des Lebens" die Namen aller Menschen verzeichnet sind und die Namen der Unerlösten darin gelöscht werden, wenn sie sterben. Es ist jedoch besser, davon auszugehen, daß dieses Buch eine Liste der Geretteten enthält, deren Namen "geschrieben stehen im Buch des Lebens vom Anfang der Welt an" ( Offb 17,8 ). Doch gleichgültig, welcher These man den Vorzug gibt, zum Zeitpunkt des Gerichts vor dem Weißen Thron stehen auf jeden Fall nur noch die Geretteten im Buch des Lebens.
Damit die schlechten Menschen gerichtet werden können, (gab) das Meer die Toten heraus, die darin waren, und der Tod und sein Reich gaben die Toten heraus . Diejenigen, die zum Zeitpunkt ihres Todes unerlöst sind, kommen unverzüglich, bei vollem Bewußtsein, an einen Ort, an dem sie bestraft werden und der im Alten Testament als "Scheol" und im Neuen Testament als "Hades" bezeichnet wird. Weder Scheol noch Hades sind ewig und dürfen daher nicht mit der Hölle gleichgesetzt werden, dem Ort der ewigen Strafe. Der Feuersee (V.
14 - 15 ) dagegen, der "Pfuhl von Feuer und Schwefel" ( Offb 19,20 ), ist identisch mit der Hölle (vgl. Mt 5,22.29-30; Mt 10,28; Mt 18,9; Mt 23,15.33; Mk 9,43.45.47; Lk 12,5; Jak 3,6 ). Diese "Gehenna", wie es im Urtext heißt, war ursprünglich eine brennende Müllhalde im Hinnomtal, südlich von Jerusalem. Der Bedeutungshorizont des Begriffes geht jedoch weit über die geographische Bezeichnung hinaus und bezieht sich in der Bibel auf die ewige Strafe.
Die Aussage "der Tod und sein Reich gaben die Toten heraus" bedeutet, daß die Leiber der Unerlösten wieder mit ihrem Geist, der im Hades weilte, vereinigt wurden. Daß auch "das Meer" seine Toten herausgab macht deutlich, daß jeder Leib, gleichgültig, wie verwest er ist, zum Gericht auferweckt wird.
Nach dem Gericht vor dem Großen Weißen Thron wurden der Tod und sein Reich ... geworfen in den feurigen Pfuhl. Das ist der zweite Tod: der feurige Pfuhl , dem letzten Aufenthaltsort der bösen Menschen. Die Lehre von der ewigen Strafe war für die Christen, die sich der Gnade Gottes und der Erlösung in Christus erfreuen, immer ein Problem. Die Bibel geht jedoch eindeutig davon aus, daß die Bestrafung der schlechten Menschen von ewiger Dauer ist. Das wird in Vers
10 bekräftigt: Das Tier und der falsche Prophet befinden sich noch immer, auch nach den tausend Jahren der Herrschaft Christi auf Erden, im Feuersee. Zwar werden auch die schlechten Menschen auferstandene Leiber erhalten, doch diese Leiber werden ganz anders beschaffen sein als die der Heiligen. Ihre Besitzer werden weiter sündigen, doch sie werden dabei unverletzbar und unsterblich sein und auf ewig im Feuersee vegetieren.
Obwohl viele Theologen versucht haben, aus der Schrift abzuleiten, daß die Lehre von der ewigen Strafe nicht richtig ist, gibt es, was die biblische Offenbarung betrifft, nur zwei Wege für die Seelen der Menschen: Der eine führt zur Gemeinschaft mit dem Herrn und der andere in die ewige Geschiedenheit von Gott im Feuersee. Diese ernste Tatsache ist Grund genug, das Evangelium um jeden Preis bis ans Ende der Welt zu tragen und alles nur Denkbare zu tun, um die Menschen mit der guten Nachricht bekannt zu machen und sie zu Christus zu bekehren, bevor es zu spät ist.
Die Einleitungsverse von
Kapitel 21 handeln von der Erschaffung des neuen Himmels und der neuen Erde, die chronologisch auf das Tausendjährige Reich Christi, von dem in
Kapitel 20 die Rede war, folgt.
Kapitel 21 beginnt wieder mit der vertrauten Wendung "und ich sah" , die in Vers
2 nochmals wiederholt wird (vgl. V.
22 , "und ich sah keinen"). Bei dieser neuen Schöpfung handelt es sich um einen neuen Himmel und eine neue Erde . Daß dabei wirklich ein neuer Himmel und eine neue Erde entsteht und nicht etwa eine Erneuerung der gegenwärtigen Erde und des gegenwärtigen Himmels vorgenommen wird, macht der Zusatz deutlich: Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen (vgl. auch den Kommentar zu Offb 20,11 ). Es wird erstaunlich wenig über diesen neuen Himmel und die neue Erde ausgesagt, doch eine wichtige Tatsache wird in diesem Vers noch festgehalten: Und das Meer ist nicht mehr.
Im Gegensatz zur gegenwärtigen Erde, die zum größten Teil von Wasser bedeckt ist, wird es auf der neuen Erde keine großen Gewässer mehr geben. Über die Beschaffenheit des neuen Himmels schweigt die Bibel ebenfalls bis auf die Anmerkung, daß es keine Sonne und keinen Mond und damit vermutlich auch keine Sterne mehr geben wird ( Offb 21,23 ). Die Bezeichnung "neuer Himmel" bezieht sich dabei nicht auf den Aufenthaltsort Gottes, sondern auf die Erdatmosphäre und den Weltraum.
Wir erfahren nichts über die Grenzen dieser neuen Erde und nichts über ihr Aussehen, ihre Vegetation, Farbe oder Gestalt. Implizit läßt sich jedoch ableiten, daß sie rund ist und daß die Erlösten auf ihr wohnen. Einige andere Hinweise in bezug auf die neue Erde finden sich z. B. bei Jesaja ( Jes 65,17; 66,22 ) und im 2. Petrusbrief ( 2Pet 3,10-13 ).
Weil es in einigen dieser Passagen zugleich auch um das Tausendjährige Reich geht, haben die Ausleger häufig die Ewigkeit mit dem Tausendjährigen Reich verwechselt. Es kommt jedoch sehr oft in der Schrift vor, daß weit auseinanderliegende Ereignisse zusammengesehen werden. Ein Beispiel dafür ist Jes 61,1-2 (vgl. Lk 4,17-19 ), wo vom ersten und zweiten Kommen Christi in einem Atemzug die Rede ist, und Dan 12,2 , wo die Auferstehung der Gerechten und die der schlechten Menschen gemeinsam erwähnt wird, obwohl sie nach Offb 20,5 tausend Jahre auseinanderliegen. Manchmal wird auch die chronologische Abfolge umgekehrt, wie in Jes 65,17-25 (V.
17 - 19 beziehen sich auf den neuen Himmel und die neue Erde, während V.
20 - 25 eindeutig vom Tausendjährigen Reich handeln). Auch in 2Pet 3,10-13 werden die Geschehnisse der Endzeit stark aneinander angenähert und der Beginn und das Ende des Tages des Herrn im selben Abschnitt zusammengefaßt.
Obwohl die Exegeten sich über diesen Punkt uneins waren, stützt das Auslegungsprinzip, daß klare Passagen zur Erhellung dunkler Passagen benutzt werden sollten, die Schlußfolgerung, daß dem zweiten Kommen Christi eine tausendjährige Herrschaft auf der Erde folgt, der sich wiederum die Erschaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, des Wohnorts der Heiligen in Ewigkeit, anschließt. Da es außer der Tatsache, daß es kein Meer mehr geben wird, keinerlei geographische Hinweise auf die Beschaffenheit der neuen Erde gibt, wird sie offensichtlich vollkommen anders aussehen als die gegenwärtige Erde. Im Zusammenhang mit dem Tausendjährigen Reich dagegen ist sehr oft die Rede vom Meer (z. B. Ps 72,8; Jes 11,9.11; Hes 47,8-20; Hes 48,28; Sach 9,10; Sach 14,8 ). Daraus ist eindeutig zu schließen, daß der neue Himmel und die neue Erde nichts mit dem Tausendjährigen Reich zu tun haben und deshalb auf keinen Fall damit verwechselt werden dürfen.
Johannes' Aufmerksamkeit wurde auf eine Besonderheit des neuen Himmels und der neuen Erde gelenkt, auf die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herab auf die Erde gesenkt, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann . Das neue Jerusalem ist "die heilige Stadt", im Gegensatz zum irdischen Jerusalem (das seiner geistlichen Verfassung nach in Offb 11,8 mit Sodom verglichen wird). Schon in Offb 3,12 wurde das Neue Jerusalem als die "Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott", beschrieben. Die Tatsache, daß das Neue Jerusalem "vom Himmel herniederkommt", also nicht geschaffen wird, hat zu der Frage Anlaß gegeben, ob es die Stadt bereits im Tausendjährigen Reich gab (vgl. dazu den Kommentar zu Offb 21,9 ).
Nach Ansicht mancher Exegeten bezieht sich Joh 14,2 ,"ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten", auf diese Stadt. Es ist die These aufgestellt worden, daß das Neue Jerusalem, wenn es bereits während der tausendjährigen Herrschaft Christi existiert, möglicherweise im Himmel liegt und als Wohnort der Auferstandenen und verklärten Heiligen dient, die dennoch leichten Zugang zur Erde haben und dort ihre Aufgaben im Rahmen der Herrschaft Christi wahrnehmen können. J. Dwight Pentecost z. B. zitiert F. C. Jennings, William Kelly und Walter Scott, die diese Vorstellung vom Neuen Jerusalem als einer Art "Satellitenstadt" im Tausendjährigen Reich vertreten ( Things to Come , Grand Rapids 1958, S. 577 - 579). Auf jeden Fall befindet sich das Neue Jerusalem im Tausendjährigen Reich noch nicht auf der Erde, denn in dieser Zeit gibt es noch ein irdisches Jerusalem und einen irdischen Tempel ( Hes 40-48 ).
Wenn die Erde am Ende des Tausendjährigen Reiches zerstört wird, wird das Neue Jerusalem offensichtlich aus ihrem Einzugsbereich gerückt und erscheint dann, nach der Erschaffung der neuen Erde, wieder. Die meisten Exegeten haben die Möglichkeit einer "Satellitenstadt" gar nicht zur Kenntnis genommen, und der Gedanke ist sicherlich auch eher als eine Folgerung und nicht als direkte biblische Offenbarung zu betrachten. Dennoch löst diese Vorstellung verschiedene Probleme des Verhältnisses zwischen auferstandenen und verklärten Heiligen und denjenigen Menschen, die während des Tausendjährigen Reiches noch irdische Leiber besitzen - Probleme, für die es andernfalls keine Erklärung geben würde.
An der vorliegenden Stelle jedoch wird das Neue Jerusalem so geschildert, wie es in der Ewigkeit sein wird, als "eine für ihren Mann geschmückte Braut". Weil die Kirche in der Heiligen Schrift immer wieder als eine Braut dargestellt wird ( 2Kor 11,2 ), haben manche Ausleger die Einwohner des Neuen Jerusalem insbesondere mit den Gläubigen der Kirche gleichzusetzen versucht und die Gläubigen anderer religiöser Richtungen dabei ausgeschlossen. Das Bild der Ehe ist in der Schrift jedoch allgemein gebräuchlich, nicht nur für das Verhältnis Christi zur Kirche, sondern auch für die Beziehung Jahwes zu Israel. Die Stadt wird hier zwar mit einer schön geschmückten Braut verglichen, doch sie bleibt in Wirklichkeit eine Stadt und steht nicht für eine bestimmte Person oder Personengruppe.
Johannes fuhr fort: Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her . Das ist das letzte Mal von insgesamt zwanzig Erwähnungen der "großen Stimme" im Buch der Offenbarung (das erste Mal in Offb 5,2 ).
Die letzte Offenbarung vom Himmel machte deutlich, daß Gott bei den Menschen wohnen wird, daß die Gläubigen sein Volk bilden werden und er ihr Gott sein wird. Die Christen werden sich für alle Ewigkeit einer neuen, engen Beziehung zu Gott erfreuen, wie sie in einer Welt, in der es noch Sünde und Tod gibt, unmöglich ist. In der neuen Welt wird es kein Leid mehr geben: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen . Tod und Trauer, Schmerz und Weinen werden die Menschen nicht mehr beschweren, denn das Erste ist vergangen .
Manche Menschen haben sich gefragt, ob es im Himmel vielleicht eine Zeitlang Leid und Sorgen geben wird und sie dann, mit der Erschaffung der neuen Welt, abgetan werden. Plausibler ist jedoch die Deutung, daß der Himmel überhaupt nichts mit der gegenwärtigen Erde zu tun hat.
Die dramatische Veränderung, die in dieser neuen Ordnung liegt, wird in den Worten deutlich: Siehe, ich mache alles neu! Diese Offenbarung ist wahrhaftig und gewiß , und Johannes erhielt die ausdrückliche Anweisung, sie niederzuschreiben. Derjenige, der diese Veränderung herbeiführt, wird Christus sein, der von sich selbst sagt: Ich bin das A und das O (vgl. Offb 1,8;22,13 ). Alpha und Omega sind der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets und stehen hier für Anfang und Ende .
Den Durstigen wird verheißen, daß sie (umsonst) von der Quelle des lebendigen Wassers trinken dürfen. Hier ist nicht von physischem Durst die Rede, sondern von dem tiefen Wunsch nach geistlichem Segen.
Christus erklärte: Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein. In diesen Worten drückt sich die enge Verbundenheit zwischen den Gläubigen und Gott in der Ewigkeit aus.
Im Gegensatz dazu werden diejenigen, die die Sünden der ungläubigen Welt begehen, aus dem Neuen Jerusalem ausgeschlossen sein; ihre Bestimmung ist der Pfuhl ... mit Feuer und Schwefel . Dieses Gericht ist eine gerechte Strafe für ihre Sünden, von denen acht hier näher bezeichnet werden. Und Christus fügte hinzu: Das ist der zweite Tod.
Es sollte jedem klar sein, daß diese Passage nicht im Sinne einer "Werkgerechtigkeit" mißverstanden werden darf, sondern daß die Werke hier eher als ein Zeichen dafür angesehen werden, ob ein Mensch erlöst ist oder nicht. Offensichtlich werden viele Menschen im Himmel sein, die sich vor ihrer Bekehrung der hier genannten Sünden schuldig gemacht haben, sich dann jedoch am Tag der Gnade von ihnen abgewandt und Christus als ihren Heiland angenommen haben. Die Werke bzw. ihr Fehlen sind zwar ein Beweis für die Erlöstheit des Betreffenden, niemals jedoch ihre Ursache. Ähnliche Auflistungen verschiedener Sünden wie an dieser Stelle finden sich in Offb 21,27 und Offb 22,15 .
Einer der Engel aus
Kapitel 16 , der eine der Schalen des göttlichen Zorns auf die Erde gegossen hatte, lud Johannes ein, das Neue Jerusalem, die Braut, zu sehen: Komm, ich will dir die Frau zeigen, die Braut des Lammes. Nachdem er im Geist auf einen ... hohen Berg versetzt worden war, erblickte der Apostel das Neue Jerusalem herniederkommen aus dem Himmel von Gott , strahlend von der Herrlichkeit Gottes .
Die Ausleger sahen sich durch die zusätzlichen Offenbarungen über das Neue Jerusalem von Vers
9 vor Probleme gestellt. Manche sind der Ansicht, daß dieser Abschnitt bereits Gesagtes rekapituliert und das Neue Jerusalem in seiner schwebenden Position über der Erde während des Tausendjährigen Reiches Christi darstellt. Dem ist jedoch die Auffassung vorzuziehen, daß es sich hier um eine Fortsetzung der Schilderung des Neuen Jerusalem, wie es in der Ewigkeit sein wird, handelt. Die Stadt gleicht sich offenbar in beiden Fällen von ihrem Aussehen her, doch es gibt verschiedene Hinweise darauf, daß hier ihr ewiger Zustand gemeint ist und nicht das Tausendjährige Reich.
Der Gesamteindruck der Stadt läßt sie wie den gigantischsten, funkelndsten, alleredelsten Stein erscheinen, vergleichbar mit einem Jaspis, klar wie Kristall - ein Bild für ihre alles überstrahlende Schönheit. Johannes versuchte offensichtlich Worte für das zu finden, was er sah, und das Geschaute mit Dingen zu verknüpfen, die seinen Lesern vertraut waren. Trotzdem wird deutlich, daß das, was ihm offenbart wurde, die menschliche Vorstellungskraft und Ausdrucksfähigkeit bei weitem übersteigt.
Der Stein, den wir heute als Jaspis kennen, ist ein undurchsichtiger Edelstein (vgl. Offb 4,3 ), der in mehreren Farben vorkommt. Johannes bezog sich hier wohl eher auf die allgemeine Schönheit als auf eine spezielle Eigenschaft dieses Steins. Heute würde man die Stadt wahrscheinlich als schön geschliffenen Diamanten darstellen, ein Edelstein, der im 1. Jahrhundert noch nicht bekannt war.
Wie in den früheren Hinweisen auf Jerusalem als Braut ist auch hier eine tatsächliche Stadt und nicht eine Person oder Personengruppe gemeint. Das wird noch unterstrichen durch die anschließende Schilderung der Stadt.
Johannes sah vor sich eine gigantische, "viereckig" (V.
16 ) angelegte Stadt, die eine große und hohe Mauer und ... zwölf Tore (hatte) . Die Tore trugen die Namen der zwölf Stämme der Israeliten . Die Zahl zwölf herrscht vor: Die Stadt hat zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel (V.
12 ), es sind zwölf Stämme Israel (V.
12 ), sie ist auf "zwölf Grundsteinen" erbaut (V.
14 ), die "die Namen der Zwölf Apostel" tragen (V.
14 ), die Tore sind "zwölf Perlen" (V.
21 ), die Bäume in der Stadt tragen "zwölfmal Früchte" ( Offb 22,2 ), die Stadtmauer mißt "hundertvierundvierzig Ellen" - zwölf mal zwölf (V.
17 ) - und der Umfang der Stadt ("die Länge und die Breite und die Höhe") beträgt "zwölftausend Stadien", etwa 2 100 Kilometer (V.
16 ). Sie ist in allen vier Himmelsrichtungen mit Mauern umfriedet, die jeweils drei Tore aufweisen (V.
13 ). Auf jedem Tor wacht ein Engel (V.
12 ).
Dieses Jerusalem unterscheidet sich beträchtlich von dem irdischen Jerusalem zur Zeit des Tausendjährigen Reiches. Falls die Namen der Tore jedoch mit denen des Tausendjährigen Jerusalem, wie es in Hes 48,31-34 beschrieben wird, übereinstimmen, so tragen die Tore im Norden von Osten nach Westen die Namen Levi, Juda und Ruben, im Westen von Norden nach Süden die Namen Naftali, Asser und Gad, im Süden von Osten nach Westen Simeon, Issaschar und Sebulon und im Osten von Norden nach Süden Josef, Benjamin und Dan. Im Gegensatz zu Offb 7,5-8 , wo Dan ausgelassen und statt dessen Josef und Manasse aufgenommen sind, erwähnt Hesekiel Dan und übergeht Manasse.
Die zwölf Grundsteine in der Mauer der Stadt , die Johannes sah, trugen die Namen der zwölf Apostel des Lammes . Die Apostel waren Teil der Kirche, des Leibes Christi. Die Kirche wird also ebenso wie Israel ihren Platz in der Stadt haben und ist in den Namen der Apostel auf den Grundsteinen repräsentiert (V.
14 ), wie Israel in den Namen der zwölf israelitischen Stämme auf den Toren (V.
12 ). Die Unterscheidung zwischen Israel und der Kirche bleibt damit erhalten. Ein Engel vermaß die Stadt mit einem Meßstab aus Gold, der etwa drei Meter lang war. Die Stadt maß zwölftausend Stadien - das sind jeweils etwa zweitausend Kilometer - und war in ihrer Länge und ... Breite ... gleich . Diesem riesigen Umfang entspricht überraschenderweise auch die Höhe der Stadt: sie ist zweitausend Kilometer hoch.
Die Exegeten sind sich nicht einig darüber, ob man sich die Stadt dieser Beschreibung nach als einen Kubus oder als Pyramide vorzustellen hat. Die Schilderung deutet allerdings eher auf eine Pyramidenform.
Um diese riesenhafte Stadt herum verlief eine Mauer, die hundertvierundvierzig Ellen oder 65 Meter dick war. Der Hinweis auf das Menschenmaß soll einfach verdeutlichen, daß die Maßangaben nach menschlichen Dimensionen erfolgen, auch wenn es ein Engel ist, der den Meßstab handhabt.
Als Johannes das Mauerwerk genauer betrachtete, sah er, daß es aus Jaspis bestand und daß die Stadt aus reinem Gold, gleich reinem Glas , erbaut war. Johannes sprach hier in Bildern, denn ganz offensichtlich unterscheiden sich der Jaspis und das Gold, von denen hier die Rede ist, in ihrer Beschaffenheit von den Eigenschaften dieser Stoffe, wie wir sie heute kennen. So ist der Jaspis in Vers
11 durchsichtig und in Vers
18.21 gleicht das Gold gar durchscheinendem Glas.
Der Schmuck der Grundsteine (die die Namen der Apostel als Inschrift trugen) bestand aus zwölf verschiedenen Edelsteinen von jeweils anderer Farbe. Die Farbe des Jaspis ist nicht angegeben, der Saphir war wahrscheinlich blau. Der Chalzedon kam aus Chalzedon in der Türkei und war blau mit Einschlägen von anderen Farben. Der Smaragd ist von einem leuchtenden Grün, der Sardonyx rot und weiß und der Sarder ist gewöhnlich rubinrot, hat manchmal aber auch eine Farbe wie Bernstein oder Honig. In Offb 4,3 waren Jaspis und Sarder ein Sinnbild der Herrlichkeit Gottes. Der Chrysolith scheint von goldener Farbe gewesen zu sein, er sah wahrscheinlich anders aus als der blaßgrüne Chrysolith, den wir heute kennen. Der Beryll ist meergrün, der Topas von einem hellen Gelbgrün. Auch der Chrysopras ist grün, während der Hyazinth eine violette, der Amethyst eine Purpurfärbung hat. Die verschiedenen Edelsteine zusammen ergaben einen funkelnden Kranz wunderschöner Farben. Die Tore wiederum ähnelten riesigen einzelnen Perlen , und der Marktplatz der Stadt war aus reinem Gold wie durchscheinendes Glas ( Offb 21,18 ).
Die Schönheit der Stadt mag zwar irgendeine symbolische Bedeutung haben, doch es wird keinerlei Hinweis gegeben, wie diese Dinge im einzelnen zu deuten sind. Da anzunehmen ist, daß die Heiligen in der Stadt leben werden, ist es wohl am plausibelsten, die Stadt als den tatsächlichen künftigen Wohnort der Heiligen und Engel anzusehen.
Nach den Worten des Johannes sah er keinen Tempel darin, denn Gott, der Vater, ist ihr Tempel, er und das Lamm.
Da die Völker (die Heiden) ebenso in der Stadt sein werden (V.
24 - 26 ) wie Israel und die Kirche, liegt es auf der Hand, daß die Stadt der Aufenthaltsort der Heiligen aller Zeiten, der Engel und schließlich Gottes selbst ist. Die Schilderung des himmlischen Jerusalem in Hebr 12,22-24 nennt alle auch hier genannten Gruppen und fügt noch die "Geister der vollendeten Gerechten" hinzu - womit die anderen, an dieser Stelle nicht einzeln aufgeführten Heiligen gemeint sind.
Johannes erfuhr, daß die Tore der Stadt nie verschlossen werden und daß es, weil Gottes Herrlichkeit immer in ihr anwesend ist, keine Nacht darin geben wird. Die Pracht und der Reichtum der Völker wird in der Stadt sein, doch nichts Unreines ... und keiner, der Greuel tut und Lüge (wird hineinkommen) (vgl. Offb 21,8;22,15 ). Es werden nur die in der Stadt wohnen, die geschrieben stehen in dem Lebensbuch des Lammes . Interessanterweise wird das "Buch des Lebens" in den sechs Malen, in denen in der Offenbarung davon die Rede ist, nur dieses eine Mal mit dem Zusatz "des Lammes" bezeichnet (vgl. Offb 3,5;13,8;17,8;20,12.15 ).
Obwohl die Beschreibung der Stadt nicht alle Fragen über ihr künftiges Aussehen beantwortet, entwirft sie doch das Bild einer über alle Maßen schönen und herrlichen Zukunft für all jene, die ihr Vertrauen auf den lebendigen Gott setzen.
Aus den ersten Versen von
Kapitel 22 erfahren wir noch einige weitere Einzelheiten über das Neue Jerusalem. So zeigte der Engel Johannes einen Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron des Gottes und des Lammes . Es mag sich dabei durchaus um einen wirklichen Fluß gehandelt haben, daneben wird jedoch auch der Symbolgehalt der Erscheinung deutlich: Vom Thron Gottes wird reines Wasser, das Sinnbild der Heiligkeit und Reinheit Gottes und des Neuen Jerusalem, ausströmen. Daß hier von einem Strom die Rede ist, sollte allerdings nicht zu Verwechslungen mit Szenen aus dem Tausendjährigen Reich, wie sie etwa in Hes 47,1.12 und Sach 14,8 beschrieben sind, führen. Dort sind reale Flüsse gemeint, die aus dem Tempel und Jerusalem fließen; sie gehören jedoch in die tausend Jahre der Herrschaft Christi auf Erden. Der Strom in Offb 22,1 dagegen fließt mitten auf dem Platz des Neuen Jerusalem auf der neuen Erde. Offenbar verläuft eine schmale Wasserrinne in der Mitte einer der vom Thron Gottes ausgehenden Hauptstraßen der heiligen Stadt.
Es ist bedeutsam, daß das Lamm ebenfalls auf dem Thron sitzend dargestellt wird (vgl. auch V.
3 ). Die Worte des Apostels Paulus in 1Kor 15,24 ,daß Christus "das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat", sind also nicht dahingehend zu verstehen, daß Christi Herrschaft damit beendet ist, sondern daß sie eine andere Form annehmen wird. Christus ist für alle Ewigkeit der König der Könige und der Herr der Herren (vgl. Offb 17,14;19,16 ).
Als Johannes die himmlische Stadt betrachtete, erblickte er Bäume des Lebens , die tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht. Die Tatsache, daß diese Bäume auf beiden Seiten des Stromes stehen, hat Anlaß zu Verwirrung gegeben. Manche Exegeten - wie offensichtlich auch Luther, der von "Bäumen" schreibt - sehen einfach mehrere Bäume darin, andere sind der Ansicht, daß der schmale Strom des Lebens sich vor dem Baum des Lebens teilt und ihn auf beiden Seiten umfließt. Der Baum des Lebens wird auch als "Garten Eden" bezeichnet ( 1Mo 3,22.24 ), in dem der Mensch sich unmittelbar nach seiner Erschaffung, als er noch das ewige Leben besaß, aufhielt. Adam und Eva war es verboten, von den Früchten dieses Baumes zu essen. Den Gläubigen aber wird an einer früheren Stelle der Offenbarung ( Offb 2,7 ) verheißen, daß sie "von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist", essen werden.
Da sich in diesem Baum die wörtliche und die symbolische Bedeutung zu treffen scheinen, gibt es keinen Grund, warum es sich nicht um einen wirklichen Baum mit wirklichen Früchten handeln soll, die, wenn man von ihnen ißt, das ewige Leben schenken. Es ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, daß man die Früchte essen kann, doch vom Text her ist es anzunehmen.
Die Blätter des Baumes dienen zur Heilung der Völker . Diese Aussage haben manche Exegeten zum Anlaß genommen, das ganze Bild auf die Zeit des Tausendjährigen Reiches zurückzubeziehen, in der es noch Krankheiten und Heilung gibt. Hier scheint jedoch etwas anderes gemeint zu sein. Das Wort "Heilung" ( therapeian , daher das Wort "Therapie") kann auch mit "Gesundheit schenken" wiedergegeben werden. Obwohl es in der Ewigkeit keine Krankheit mehr gibt, scheinen die Früchte und Blätter des Lebensbaumes doch zum physischen Wohlbefinden der Menschen in der Ewigkeit beizutragen.
Als ob er die Leser daran erinnern wollte, daß in der Ewigkeit keine Heilung mehr nötig ist, setzte Johannes hinzu: Und es wird nichts Verfluchtes mehr sein. Der Fluch der Sünde Adams brachte Krankheit - die der Heilung bedurfte - und Tod hervor, doch in der Ewigkeit gibt es keinen Fluch mehr und daher werden die Menschen auch nicht mehr der Heilung bedürfen.
Wie bereits erwähnt, werden Gott und das Lamm in der neuen Stadt sein ( Offb 21,22-23;22,1 ). Das Neue Jerusalem wird der Tempel Gottes sein ( Offb 21,22 ), und auch der Thron Gottes wird sich dort befinden. Nach Johannes' Worten werden seine Knechte ... ihm dienen . Die höchste Freude und das höchste Privileg der Heiligen in der Ewigkeit wird es sein, ihrem Herrn zu dienen, wenn auch zugleich gilt, daß sie mit ihm herrschen ( 2Tim 2,12; Offb 5,10;20,4-6 ). Sie werden einen bevorzugten Platz vor dem Thron haben, denn sie werden sein Angesicht sehen . Dahinter steht die Vorstellung, daß diese Heiligen die besondere Gunst des Herrn genießen und zu seinem "engsten Kreis" gehören. Ihre Nähe zu Gott wird auch daran deutlich, daß sein Name ... an ihren Stirnen sein wird (vgl. Offb 2,17;3,12;7,3;14,1 ). Daß sie sich ohne weiteres in der Gegenwart Gottes aufhalten können, zeigt, daß sie dann ihre verherrlichten Leiber haben werden (vgl. 1Joh 3,2 ).
Noch einmal betonte Johannes, daß die Herrlichkeit und das Licht des Neuen Jerusalem einzig und allein in der Gegenwart Gottes bestehen werden, ohne irgendwelche zusätzliche künstliche Beleuchtung (vgl. Offb 21,23-24 ). Und noch einmal wird festgehalten, daß die Diener Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit mit Christus regieren werden (vgl. Offb 20,6 b).
Indem er sowohl den Inhalt der vorangegangenen Prophezeiungen als auch ihre Begreifbarkeit für den Menschen bestätigte, äußerte der Engel Johannes gegenüber, daß die Worte dieses Buches gewiß und wahrhaftig sind. Sie sollen die Menschen nicht verstören und verwirren, sondern ihnen viel von dem offenbaren, was bald geschehen muß .
Das steht in direktem Gegensatz zu der Ansicht vieler Theologen, daß das Buch der Offenbarung ein unlösbares Rätsel sei, zu dem wir heute keinen Zugang mehr haben. Dieses Buch ist das Wort Gottes und gibt nicht einfach irgendwelche vage Phantasien des Apostels Johannes wieder. Es soll künftige Ereignisse beschreiben und wird dieser Aufgabe, wenn man es wörtlich versteht, auch völlig gerecht, trotzdem viele Aussagen des Textes in symbolische Form gekleidet sind. Das Wort Gottes wurde den Menschen nicht als etwas Verhülltes zuteil, sondern so, daß es von denen, die vom Heiligen Geist gelehrt sind, verstanden werden kann.
In Vers
7 wird noch einmal das Grundthema der Offenbarung zusammengefaßt: Siehe, ich komme bald (vgl. Offb 1,7;22,12.20 ). Das griechische Wort tachy kann sowohl "bald" als auch "plötzlich" heißen. Aus göttlicher Sicht gilt für die Wiederkunft Christi beides. In der Vorausschau der Gläubigen findet das Kommen Christi immer "bald" statt, und wenn es eintrifft, so wird es "plötzlich" geschehen. Deshalb wird auch denen, die den Weissagungen dieses Buches glauben und sich daran halten, ein besonderer Segen verheißen. Dieses letzte Buch der Bibel, das von der Kirche so häufig stiefmütterlich behandelt wurde und über dessen Auslegung so viele Exegeten sich streiten, enthält, wie bereits gesagt, mehr Segensverheißungen als jedes andere Buch der Schrift. Dieser Hinweis auf den Segen ist die sechste Seligpreisung im Text ( Offb 22,7; die siebte findet sich in V.
14 ); sie gleicht der ersten Seligpreisung in Offb 1,3 .
Nachdem Johannes diese großartige Offenbarung empfangen hatte, fiel er wieder zu den Füßen des Engels (um anzubeten) . Doch er wurde abermals zurechtgewiesen und daran erinnert, daß Engel nicht angebetet werden dürfen, weil sie wie die Gläubigen auch nur Knechte Gottes sind. Statt dessen sollte er dem Herrn die Ehre geben (vgl. Offb 19,10 ).
3. Das Gebot, die Weissagungen dieses Buches zu verkündigen
(22,10-11 )
Daniel wurde gesagt, daß seine Weissagungen "bis auf die letzte Zeit versiegelt" bleiben würden ( Dan 12,9 ). Johannes dagegen sollte die Worte der Weissagung in diesem Buch gerade nicht versiegeln. Das unterstreicht erneut, daß die Ansicht mancher Theologen, das Buch der Offenbarung sei ein undurchdringbares Geheimnis, im Gegensatz zu den Aussagen des Textes selbst steht. Die Offenbarung ist sowohl von ihren konkreten Aussagen als auch von ihren Symbolen her dafür gedacht, Dinge und Ereignisse zu enthüllen, die mit dem zweiten Kommen Christi zu tun haben.
Die anschließende Ermahnung hat manche Exegeten verwirrt: Da werden diejenigen, die Böses tun, und die, die unrein sind, ermutigt, weiterhin bei ihrem Tun zu bleiben, und diejenigen, die gerecht und heilig sind, sollen ebenfalls in ihrer Lebensweise fortfahren ( Offb 22,11 ). Hier geht es jedoch nicht darum, das Böse zu entschuldigen, sondern deutlich zu machen, daß die Menschen, wenn sie sich die Weissagungen der Offenbarung nicht zu Herzen nehmen, in ihrer Schlechtigkeit verharren werden.
Umgekehrt werden alle, die die Prophezeiungen ernst nehmen, weiterhin das Rechte tun. Relativ gesehen ist der "Tag des Herrn" nahe, daher sind keine größeren Veränderungen im Lebenswandel der Menschen zu erwarten.
4. Das künftige Gericht und die künftige Belohnung
(22,12 )
Dieser Vers beginnt mit denselben Worten wie Vers
7 : Siehe, ich komme bald . Im Zusammenhang mit Christi Wiederkunft, die "bald" geschehen wird (vgl. V.
7.20 ), wird den Gläubigen für die Werke , die sie für Christus vollbracht haben, Lohn versprochen. Das ist ein Hinweis auf den Richterstuhl Christi ( 2Kor 5,10-11 ). Das Gericht über die Bösen und über die Gerechten wird ein Gericht nach den Werken sein. Darauf richtet sich denn auch die freudige Erwartung all derer, die standhaft in ihrem Glauben bleiben, und die Befürchtung derer, die nicht treu waren.
Wieder wird Christus als das A und das O (der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets), der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende bezeichnet. Christus war vor der ganzen Schöpfung, und er wird nach der Zerstörung der gegenwärtigen Schöpfung weiterexistieren. Er ist der Ewige (vgl. Offb 1,4.8.17;2,8;21,6 ).
6. Der künftige Segen und das künftige Gericht
(22,14 - 15 )
Die letzte der sieben Seligpreisungen im Buch der Offenbarung gilt den Heiligen, die ihre Kleider waschen , d. h. den Gerechten. Sie haben Zugang zum Neuen Jerusalem und dem Baum des Lebens (vgl. V.
19 ). (Die übrigen sechs Seligpreisungen finden sich in Offb 1,3;14,13;16,15;19,9;20,6;22,7 .)
Im Gegensatz dazu werden die Unerlösten ( Hunde bezieht sich hier auf Menschen; vgl. Phil 3,2 ) - die Zauberer (vgl. Offb 9,21;18,23;21,8 ), und die Unzüchtigen und die Mörder und die Götzendiener und alle, die die Lüge lieben und tun - dem Gericht überantwortet. Wie in der vergleichbaren Beschreibung der Unerlösten in Offb 21,8.27 werden auch hier die schlechten Taten, die diese Menschen kennzeichnen, aufgeführt. Obwohl manche Gläubige sich dieser Verfehlungen ebenfalls schuldig gemacht haben, sind sie im Blut des Lammes rein gewaschen und haben deshalb Zugang zu Gott. Diejenigen aber, die sich weigern, zum Herrn zu kommen, erhalten den gerechten Lohn für ihre Sünden. Gott entgeht auch nicht die kleinste Bosheit auf der Welt, und er wird jede Sünde unerbittlich richten. Wenn das geschieht, ist die Zeit der Wiederkunft Christi nahe.
7. Die Einladung des Geistes und der Braut
(22,16 - 17 )
Christus hat den Gemeinden das ganze Buch der Offenbarung durch seinen Engel übermittelt. Er bezeichnete sich darin als die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern . Historisch gesehen stammt Christus aus dem Geschlecht Davids ( Mt 1,1; vgl. Jes 11,1; Offb 5,5 ). In den Bildern der Propheten wird sein Kommen mit dem Morgenstern, dem Beginn eines hellen, neuen Tages verglichen. Der Heilige Geist vereinte sich mit der Braut , der Kirche, in einer Einladung an alle, die bereit sind, auf ihr Wort zu hören. Sie werden ermutigt, auf die Einladung zu antworten und sie auch an andere weiterzugeben. Ihnen allen wird das herrliche Versprechen gegeben, daß jeder, den es dürstet , kommen kann und das Wasser des Lebens von Gott erhält.
Diese wunderbare Einladung gilt jeder Generation bis zum Kommen Christi. Diejenigen, die ihre Bedürftigkeit erkennen und spüren, daß Christus der Bringer des Heils ist, werden ermahnt zu kommen, solange noch Zeit ist. Wie die ganze Heilige Schrift zeigt, ist die Gabe des ewigen Lebens (hier das "Wasser des Lebens"; vgl. Offb 22,1; Joh 7,37-39 ) ein Geschenk. Christus hat mit seinem Kreuzestod dafür bezahlt und es steht allen offen, die diese Gabe in schlichtem Glauben annehmen.
Neben der Einladung an all diejenigen, die bereit sind zu hören, wird auch ein Wort der Warnung für jene ausgesprochen, die die Offenbarung des Buchs dieser Weissagung zurückstoßen. Es wird davor gewarnt, dem Buch etwas hinzuzufügen oder etwas darin zu streichen (vgl. 5Mo 4,2;13,1; Spr 30,6 ). Die Strafe für diejenigen, die es verachten und als mystische Erlebnisse eines alten Mannes abtun, womit sie leugnen, daß es das inspirierte Wort Gottes ist, wird schrecklich sein. Wer das Wort Gottes ablehnt, lehnt Gott selbst ab, und alle, die seinen verheißenen Segen leugnen und von seinen Wahrheiten Abstriche machen, werden unter sein Gericht fallen und keinen Teil am Baum des Lebens oder an der heiligen Stadt haben (vgl. Offb 22,14 ).
9. Das letzte Gebet und die Verheißung
(22,20 - 21 )
Es folgt ein weiteres Zeugnis: Ja, ich komme bald (vgl. V.
7.12 ). Darauf antwortete Johannes in einem kurzen Gebet: Amen, ja, komm, Herr Jesus!
Am Schluß der ungeheuerlichen Offenbarungen, die in diesem Buch enthalten sind, wird eine letzte Segensformel ausgesprochen: Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen! Diese Formel, die auch in vielen anderen neutestamentlichen Schriften zu finden ist, beendet das letzte Buch des Gotteswortes. Für alle, die glauben, daß Christus bei seinem ersten Kommen das Heil gebracht hat, besteht nun die wunderbare Verheißung, daß er wiederkommen und dann die vollständige und endgültige Erlösung bringen wird. Das Buch der Offenbarung kehrt damit zu seinem Ausgangspunkt zurück: dem Gedanken an die Wiederkunft Christi.
In keinem anderen Text der Heiligen Schrift wird der Gegensatz zwischen der gesegneten Schar der Gläubigen und dem schrecklichen Schicksal der Verlorenen wohl so deutlich. Kein anderes Buch der Bibel schildert das Gericht auf der einen und die ewige Seligkeit der Gläubigen auf der anderen Seite so detailliert. Um so tragischer ist es daher, daß so viele Menschen an der Offenbarung des Johannes vorbeigehen und nicht in die wunderbaren Aussagen des Textes eindringen. Sie machen sich damit in ihrer Gotteserkenntnis und in ihrer Hoffnung auf Christus Jesus selbst ärmer. Das Volk Gottes aber, das die herrlichen Verheißungen dieses Buches begreift und wert hält, kann mit Johannes beten: "Amen, ja, komm, Herr Jesus."
BIBLIOGRAPHIE ZU DEN SIEBEN GEMEINDEN IN OFFENBARUNG 2-3
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Havner V (1958) Repent or Else! New York
Loane M L (1981) They Overcame: An Exposition of the First Three Chapters of Revelation . Grand Rapids
Morgan G C (1902) A First Century Message to Twentieth Century Christians . Westwood, N.J.
Ramsay W M 1904) The Letters to the Seven Churches of Asia . 4. Auflage, New York. Nachdruck 1979. Grand Rapids
Seiss J A (1889) Letters to the Seven Churches . Nachdruck 1956. Grand Rapids
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Trench R C (1867) Commentary on the Epistles to the Seven Churches in Asia . London. Nachdruck 1978. Minneapolis
Yamauchi E M (1980) The Archaeology of New Testament Cities in Western Asia Minor . Grand Rapids. (Enthält Kapitel über Ephesus, Pergamon, Sardes und Laodizea.)
Die
forschreitende
Offenbarung
Gottes
in
der
Heilsgeschichte:
Zum
Verständnis
des
Dispensationalismus
Ein
heilsgeschichtliches
Bibelverständnis
ist
eine
große
Hilfe
für
jeden,
der
sich
mit
dem
Wort
Gottes
beschäftigt.
Warum?
Erstens
lenkt
ein
heilsgeschichtliches
Bibelvertändnis
unseren
Blickdarauf,
daß
Gott
sich
in
der
Geschichte
offenbart
hat.
Was
in
der
Bibel
von
Gottes
Reden
und
Handeln,
von
seinen
Erwählungen
und
Wundern,
seinen
Geboten
und
Prophezeihungen
berichtet
ist,
ist
kein
frommer
Roman
oder
ein
von
Menschen
ausgedachtes
Gedankensystem,
sondern
Niederschlag
dessen,
was
Gott
ganz
real
im
Raum
der
Geschichte
getan
und
zu
seinem
Volk
gesprochen
hat.
Zweitens
lehrt
heilsgeschichtliches
Bibelverständniss,
die
großen
Zusammenhänge
in
der
Offenbarungsgeschichte
zu
sehen.
Es
erschließt
uns
daher
die
Einheit
der
Offenbarung
Gottes
von
der
Schöpfung
bis
zur
Vollendung.
Nichts
in
der
Bibel
muß
hier
beiseitegelassen
werden;
alles
hat
seinensinnvollen
Platz.
Drittens
bewahrt
ein
heilsgeschichtliches
Bibelverständniss
zugleich
aber
auch
davor,
in
der
Bibel
alles
als
Einerlei
und
auf
einer
Ebene
liegend
anzusehen.
Es
hilft
Anfänge,
Fortgänge
und
Endpunkte
in
bestimmten
Linien
der
Offenbarung
zu
sehen;
es
ermöglicht,
von
einer
Mitte
der
Offenbarung
Gottes
in
Jesus
Christus
zu
sprechen,
ohne
anderes
abwertend
an
den
Rand
zu
drängen;
es
öffnet
die
Augen
für
Neueinsätze
in
der
Offenbarungsgeschichte
und
für
gleichbleibendes
und
unterschiedliches
Handeln
Gottes
mit
seinem
Volk
im
Alten
und
Neuen
Bund.
Der
vorliegende
Kommentar
hat
den
großen
Vorteil,
daß
er
die
Bibel
konsequent
heilsgeschichtlich
auslegt.
Das
besondere
Verständnis
von
Heilsgeschichte,
das
alle
Bände
dieser
Auslegung
zugrunde
liegt,
nennt
man
im
englischsprachigen
Raum
"Dispensationalismus"
bzw.
Heilszeiten-Theologie.
Schon
in
der
Alten
Kirche
hat
man
zwischen
verschiedenen
Heilsepochen
unterschieden.
"Vor
dem
Gesetz"/"Unter
dem
Gesetz"/"Unter
der
Gnade"
war
eine
beliebte
Dreiteilung
der
Heilsgeschichte.
Andere
haben
die
Heilsgeschichte
in
vier,
fünf,
sechs
oder
sieben
große
Epochen
eingeteilt.
Auf
reformierter
Seite
betont
man
besonders
die
verschiedenen
Bundesschlüsse
Gottes
("Werkbund"/"verschiedene
Entfaltungsstufen
des
"Gnadenbundes").
In
der
sogenannten
Föderaltheologie
(Hermann
Witsius)
und
der
Prophetischen
Theologie
(Clampegius
Vitringa)
im
17.
und
18.
Jahrhundert
begann
man
davon
zu
sprechen,
daß
sich
der
Gnadenbund
Gottes
in
verschiedenen
"Ökonomien"
entfaltet.
Diesen
theologischen
Grundsatz
hat
im
19.
Jahrhundert
John
Nelson
Darby
weiterentwickelt.
Schon
Paulus
spricht
von
"Ökonomien".
Das
Wort
"Ökonomie"
(griech.
'eukonomia',
wörtl.
"Haushalt","Haushalterschaft")
übersetzt
man
je
nachdem
am
besten
mit
"Heilsplan",
"Heilsordnung"
oder
"Heilszeit".
Dem
Apostel
ist
die
Verkündigung
des
Heilsplans
Gottes
anvertraut,
der
mit
der
"Heilsordnung
der
Fülle
der
Zeiten"
und
der
"Heilsordnung
der
Gnade"
zu
tun
hat
(
Eph
1,10;
3,2.9;
Kol
1,25
).
Die
Heilszeiten-Theologie
geht
entsprechend
davon
aus,
daß
es
im
Zuge
der
fortschreitenden
Offenbarung
von
der
Schöpfung
bis
zur
Vollendung
mehrere
deutlich
unterschiedene
Epochen
der
Offenbarungsgeschichte
gibt.
In
all
diesen
Epochen
offenbart
sich
der
gleiche
heilige
und
liebende
Gott;
nie
wird
der
Mensch
anders
als
allein
aufgrund
der
Gnade
Gottes
errettet;
und
immer
geht
es
letztlich
um
Gottes
Ehre.
Aber
es
gibt
nicht
nur
durchgehende
Linien.
Indem
der
Dispensationalismus
die
Bibel
streng
nach
dem
Literalprinzip
auslegt,
kommt
er
aber
zu
dem
Ergebnis,
daß
es
auch
unterschiede
in
der
Heilsgeschichte
gibt:
So
gelten
für
Israel
unter
dem
Gesetz
manche
Ordnungen,
die
es
vorher
nicht
gab
und
die
auch
nachher
für
die
Gemeinde
des
Neuen
Bundes
nicht
verordnet
sind;
überhaupt
sind
Israel
und
die
Gemeinde
zu
unterscheiden.
Das
Prinzip
der
Auslegung
nach
dem
Literalprinzip
führt
auch
dazu,
daß
mit
einer
konkreten
Erfüllung
der
biblischen
Prophetien
gerechnet
wird:
Was
sich
noch
nicht
erfüllt
hat,
wird
sich
für
die
Gemeinde
oder
Für
Israel
noch
wörtlich
erfüllen.
Das
gilt
auch
für
die
Gerichte
der
Endzeit,
für
das
Wiederkommen
Jesu
und
die
sichtbare
Aufrichtung
seines
Reiches
auf
Erden
von
dem
Anbruch
der
Neuschöpfung.
Wann
fängt
eine
neue
Epoche
der
Heilsgeschichte
an?
Wenn
von
Gottes
Seite
aus
in
einer
neuen
Offenbarung
dreierlei
geschieht:
erstens
werden
einzelne,
bisher
gültige
Ordnungen
Beibehalten:
zweitens
werden
zugleich
einzelne,
bisher
gültige
Ordnungen
aufgehoben;
und
drittens
werden
neue,
bisher
nicht
in
Geltung
stehende
Ordnungen
eingesetzt.
Mit
dieser
hilfreichen
Unterscheidung
wird
klar,
daß
der
Christ
heute
nicht
alles
halten
muß,
was
dem
Israeliten
unter
dem
Gesetz
geboten
wurde.
Andererseits
kann
der
Christ
sich
nicht
einfach
aussuchen,
was
ihm
gerade
paßt.
Vielmehr
hält
er
sich
an
die
Ordnungen
und
Maßstäbe,
die
Gott
für
die
neutestamentliche
Gemeinde
verfügt
hat.
Er
weiß
sich
mit
den
Glaubensvätern
und
dem
Gottesvolk
des
Alten
Bundes
verbunden,
und
weiß
doch,
daß
für
ihn
in
Christus
ein
Neues
begonnen
hat.
Zugleich
schaut
er
hoffnungsvoll
auf
die
noch
ausstehende
Erfüllung
der
Verheißungen
und
erwartet
das,
was
Gott
für
die
Zukunft
zugesagt
hat.
Mit
diesem
Verständnis
der
Heilsgeschichte
gibt
der
vorliegende
Kommentar
eine
hervorragende
Hilfe
zu
einem
wörtlichen
Verständnis
der
ganzen
Bibelin
ihrer
Einheit
und
Vielfalt.
Kein
Teil
der
Bibel
wird
da
sachkritisch
abgewertet.
Veilmehr
wird
jeder
Vers
der
Heiligen
Schrift
aus
seiner
heilsgeschichtlichen
Situation
heraus
verstanden
und
als
Gottes
Wort
geehrt.
Es
ist
lohnend
sich
von
diesem
Kommentar
in
ein
heilsgeschichtliches
Verständniss
der
Bibel
einführen
zu
lassen.