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Offenbarung

Offenbarung (John F. Walvoord)


EINFÜHRUNG


Bedeutung


Die Offenbarung des Johannes gewinnt dadurch eine besondere Bedeutung, daß sie als letzter vom Heiligen Geist inspirierter Text der Bibel entstand und daher zu Recht ihren Platz am Schluß der Heiligen Schrift erhielt. Damit spannt sich der Bogen des Neuen Testamentes von den vier Evangelien am Anfang, die sich mit dem ersten Kommen Christi auseinandersetzen, bis zum Buch der Offenbarung mit seinem großen Thema der Wiederkunft Christi. Viele Offenbarungslinien, die sich durch das Alte wie das Neue Testament ziehen, laufen in diesem Text zusammen, und viele Prophezeiungen, deren Erfüllung noch aussteht, werden hier zu Ende geführt.

In der Offenbarung werden die Ereignisse bei der Wiederkunft Christi und in den Jahren unmittelbar vor dieser Wiederkunft detaillierter geschildert als in irgendeiner anderen Schrift der Bibel. So beschreibt das Buch Daniel zwar genau die Zeitspanne von der Zeit Daniels bis zum ersten Kommen Christi, enthält aber nur knappe Andeutungen auf die Zeit der Großen Trübsal und die Herrschaft Christi über die Erde. Im Buch der Offenbarung jedoch werden die großen Endzeitereignisse sehr viel breiter und mit zahlreichen zusätzlichen Details dargestellt. Sie finden ihren Höhepunkt in der Beschreibung des neuen Himmels und der neuen Erde nach dem Tausendjährigen Reich.



Verfasserfrage


Verfasser des Buches ist nach der schlichten Feststellung der Einleitungsverse Johannes. Vom ersten Jahrhundert an bis in die Gegenwart herrschte in der orthodoxen Christenheit nahezu einmütige Übereinstimmung, daß es sich dabei um den Apostel Johannes handelt. Dionysius stellte als erster die johanneische Verfasserschaft in Frage, weil er die in der Schrift vertretene theologische Richtung ablehnte und außerdem viele grammatikalische Ungenauigkeiten im Text fand. In der frühen Kirche wurden diese Einwände von den meisten der bedeutenderen Kirchenväter, wie z. B. Justinus Martyr, Irenäus, Tertullian, Hippolyt, Clemens von Alexandria und Origenes, jedoch nicht zur Kenntnis genommen (zu einer detaillierteren Auseinandersetzung mit diesen Fragen s. John F. Walvoord, The Revelation of Jesus Christ , S.11 - 14). Die Anhänger der Verbalinspiration sehen heute fast alle ebenfalls den Apostel Johannes als Verfasser an. Erasmus, Luther und Zwingli bezweifelten allerdings, daß die Schrift tatsächlich von Johannes stammt, weil sie die Lehre eines Tausendjährigen Reiches Christi auf Erden vertritt.



Datierung


Die meisten Wissenschaftler des fundamentalistischen Lagers setzen die Entstehung des Buches der Offenbarung in der Zeit um 95 oder 96 n. Chr. an. Diese Datierung basiert auf Berichten der frühen Kirchenväter, daß der Apostel Johannes während der Herrschaft Domitians, der im Jahre 96 n. Chr. starb, auf die Insel Patmos ins Exil geschickt wurde. Nach dem Tod des Kaisers wurde ihm gestattet, nach Ephesus zurückzukehren.

Eine Äußerung des Kirchenvaters Papias, derzufolge der Apostel Johannes noch vor dem Jahr 70 n. Chr. den Märtyrertod erlitt, hat dazu geführt, daß die johanneische Verfasserschaft in Frage gestellt wurde. Andererseits stehen diesem Papiaszitat Aussagen des Clemens von Alexandria und des Eusebius entgegen, die ihrerseits versichern, daß das Buch im Jahre 95 oder 96 n. Chr. von Johannes auf Patmos geschrieben wurde.



Inspiration und Kanonizität


Diejenigen, die den Apostel Johannes als den Verfasser der Offenbarung betrachten, erkennen im allgemeinen auch die göttliche Inspiration des Buches und seine Kanonizität an. Da der Stil der Schrift sich von dem anderer neutestamentlicher Bücher abhebt, wurde die Akzeptierung der Offenbarung in der frühen Christenheit durch eine wachsende Opposition gegen den prämilleniaristischen Gedanken - der besagt, daß die Wiederkunft Christi vor dem Tausendjährigen Reich stattfindet - verzögert. Die Lehre von der tausendjährigen Herrschaft Christi wurde von einigen Kirchenführern des 3. und 4. Jahrhunderts abgelehnt. Dagegen gibt es Belege, daß die orthodoxe Theologie das Buch sofort als von Gott inspiriert akzeptierte. Unter den Kirchenvätern, die seine Kanonizität nicht in Zweifel zogen, sind Irenäus, Justinus Martyr, Eusebius, Appollonius und Theophilus, der Bischof von Antiochia. Mit dem Beginn des 3. Jahrhunderts wurde der Text weithin als zur Heiligen Schrift gehörig anerkannt. Dabei fiel auch die Tatsache ins Gewicht, daß er zugleich eine Ergänzung zu anderen Weissagungstexten, wie z. B. zum Buch Daniel, darstellt.



Stil


Wie die alttestamentlichen Bücher Daniel und Hesekiel macht das Buch der Offenbarung ausgiebigen Gebrauch von symbolischen und apokalyptischen Ausdrucksformen. Da Symbole immer gedeutet werden müssen, kam es zu vielen ganz verschiedenen Auslegungen. In den meisten Fällen läßt sich die Bedeutung der Symbolsprache jedoch durch den Vergleich mit früheren prophetischen und apokalyptischen Aussagen im Alten Testament erschließen. Viele Exegeten sind deshalb überzeugt, daß die Offenbarung eine Sammlung realistischer Vorhersagen für die Zukunft enthält. Ihr apoklyptischer und symbolischer Charakter steht in scharfem Kontrast zu ähnlichen Büchern außerhalb des biblischen Kanons, die als "Pseudepigraphen" bezeichnet werden. Während viele dieser nicht in den biblischen Kanon aufgenommenen Bücher nahezu unverständlich sind, stellt die Offenbarung einen Ausblick auf das Kommende dar, der durchaus entschlüsselbar ist und im Einklang mit dem Rest der Heiligen Schrift steht (vgl. Walvoord, Revelation , S. 23 - 30).



Interpretation


Die ungewöhnliche Form des Buches der Offenbarung hat zu einer Vielzahl von Interpretationsansätzen geführt, von denen manche ernste Zweifel an dem tatsächlichen Wert und der Autorität der Schrift als göttliche Offenbarung laut werden lassen.

Der allegorische Ansatz Dieses Interpretationsmuster stammt aus der alexandrinischen Schule des 3. und 4. Jahrhunderts. Es versteht die gesamte Bibel als eine große und umfassende Allegorie, deren Texte dementsprechend nicht wörtlich genommen werden dürfen. Die allegorische Interpretation der Bibel wurde später durch Augustinus (354 - 430 n. Chr.) in erster Linie auf die Prophezeiungen über das Tausendjährige Reich beschränkt. Er sah im Buch der Offenbarung eine Darstellung des geistlichen Konflikts zwischen Gott und Satan im Kirchenzeitalter. Die moderne, liberale Variation dieses Ansatzes betrachtet die Offenbarung einfach als symbolische Ausgestaltung des Gedankens vom endgültigen Sieg Gottes.

Der zeitgeschichtliche Ansatz Mehr Beachtung fand der sogenannte "zeitgeschichtliche Ansatz". Er sieht in der Offenbarung ein Sinnbild der Kämpfe in der Frühzeit der Kirche und leugnet demgemäß in weiten Teilen den Vorhersagecharakter der Schrift. Diese Deutung verbindet in unterschiedlichen Ausprägungen die allegorische und die symbolische Erklärung mit der Vorstellung, daß das Buch der Offenbarung nicht von der Zukunft handelt. Eine andere Variante dieses Ansatzes versteht die Offenbarung als Darstellung der prinzipiellen Handlungsweise Gottes mit den Menschen und bestreitet ebenfalls, daß darin von bestimmten historischen Ereignissen die Rede ist.

Der kirchengeschichtliche Ansatz Weitverbreitet ist auch der aus dem Mittelalter stammende kirchengeschichtliche Ansatz, der die Offenbarung als ein Sinnbild der Geschichte der Kirche zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Christi sieht. Dieser These, die in den letzten Jahrhunderten breite Anerkennung fand, hingen vor allem Luther, Isaac Newton, Elliott und viele Exegeten der postmilleniaristischen Schule an. Das Hauptproblem, mit dem diese Auslegungsweise zu kämpfen hat, ist, daß kaum einmal zwei Exegeten in ihrer Interpretation einer bestimmten Textpassage übereinstimmen, denn jeder neigt dazu, die Erfüllung der betreffenden Stelle in seiner eigenen Zeit anzusiedeln. Viele Theologen haben auch versucht, den kirchengeschichtlichen Ansatz mit Aspekten anderer Deutungsansätze zu verbinden, um auf diese Weise praktische Handlungsanweisungen für den Gläubigen aus dem Buch zu gewinnen. Die bis jetzt genannten Interpretationsansätze wenden sich im allgemeinen nicht nur gegen die Vorstellung, daß das Tausendjährige Reich auf Erden errichtet werden wird, sondern überhaupt gegen den Gedanken, daß die im Buch der Offenbarung geschilderten Ereignisse in der Zukunft liegen.

Der futurische Ansatz Dieser Ansatz wird in erster Linie von konservativen Gelehrten, gewöhnlich Prämilleniaristen, vertreten, die der Ansicht sind, daß die Kapitel 4 - 22 sich mit Geschehnissen befassen, die noch in der Zukunft liegen. Ihrer Auffassung nach beschreibt Offb 4-18 die sieben Jahre, die dem zweiten Kommen Christi vorangehen. Im Mittelpunkt steht dabei die Zeit der Großen Trübsal, also die dreieinhalb Jahre vor der Wiederkunft Christi.

Die Einwände gegen diese Position kommen normalerweise aus den theologischen Lagern, die die Wiederkunft Christi vor dem Tausendjährigen Reich bestreiten. Häufig wird dabei der Vorwurf erhoben, daß die Offenbarung den Christen in der Frühzeit der Kirche keinen Trost geboten hätte, wenn ihre Aussagen in erster Linie futurisch zu verstehen wären. Die Anhänger des futurischen Ansatzes halten demgegenüber jedoch daran fest, daß die zukünftigen Ereignisse, die in der Offenbarung geschildert sind, allen Christen Trost und Gewißheit geben, die im Glauben auf ihren endgültigen Sieg hoffen. Diese Methode stellt allerdings insofern hohe Anforderungen an den Exegeten, als sie von ihm verlangt, die oftmals in symbolüberfrachteten Schilderungen versteckten konkreten Prophezeiungen aus dem Text herauszuschälen.



Zweck


Das Buch der Offenbarung soll die Ereignisse unmittelbar vor, während und nach der Wiederkunft Christi enthüllen. Diesem inhaltlichen Schwerpunkt ist ein Großteil der Kapitel 4 - 18 gewidmet. Die Wiederkunft selbst wird in Kapitel 19 mit größerer Detailtreue als irgendwo sonst in der Bibel geschildert. Ihr folgt eine Darstellung der tausendjährigen Herrschaft Christi in Kapitel 20 . Kapitel 21; 22 schließlich sind der Beschreibung der Ewigkeit gewidmet. Es ist also ganz offensichtlich Anliegen des Buches, jene prophetische Linie zu Ende zu führen, die schon früh in den Prophezeiungen des Alten Testaments (z. B. bei Daniel) begann und dann in den Ankündigungen Christi, besonders in der Endzeitrede auf dem Ölberg ( Mt 24-25 ), fortgesetzt wurde. Neben dem Weissagungscharakter des Buches fallen die bedeutenden Aussagen zu nahezu allen wichtigen theologischen Themenkreisen auf. Darüber hinaus finden sich in vielen Versen praktische Anwendungsmöglichkeiten der prophetischen Wahrheiten im christlichen Leben. Das Wissen und die Antizipation des zukünftigen göttlichen Heilsplanes ist dem Gläubigen ein Ansporn zu einem heiligen Lebenswandel und zur Hingabe an den Dienst Christi.



Anwendung


Abgesehen von den bereits erwähnten Passagen, die sich mit der praktischen Umsetzung der prophetischen Wahrheit befassen, sind besonders die Kapitel 2; 3 zu beachten, die Botschaften an sieben konkrete Gemeinden, die gewissermaßen die gesamte damalige Kirche repräsentieren, enthalten. Die besondere christliche Botschaft für jede dieser Gemeinden bildet den Schlußpunkt der neutestamentlichen Briefe, die sich mit dem praktischen Leben der Christen auseinandersetzen. Die Gläubigen werden zu einem heiligen Lebenswandel ermahnt, die Ungläubigen vor dem bevorstehenden Gericht gewarnt - ein ernstzunehmender Hinweis darauf, daß der gerechte Gott am Ende über die menschliche Sünde zu Gericht sitzen und die Rettung derer, die auf Christus vertraut haben, vollenden wird. All jenen, die nicht auf das Kommende vorbereitet sind, wird eine feierliche Warnung auf den Weg gegeben, denn der Tag der Abrechnung, am dem jedes Knie sich beugen wird ( Phil 2,10 ), rückt unausweichlich näher. Wegen seiner Aussagen über die künftigen Geschehniswie auch wegen seiner Mahnung zu einem rechtschaffenen Lebenswandel wird dieses Buch zu einem Segen für all jene, "die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe" ( Offb 1,3 ).


GLIEDERUNG


I. Einführung: "Was du gesehen hast" ( Kap.1 )

     A. Prolog ( 1,1-3 )
     B. Grußwort ( 1,4-8 )
     C. Die Vision des verherrlichten Cristus ( 1,9-18 )
     D. Der Aufftrag an Johannes ( 1,19-20 )

II. Die Sendschreiben an die sieben Gemeinden: "Was jetzt ist" ( Kap.2-3 )

     A. Der Brief an die Gemeinde in Ephesus ( 2,1-7 )
     B. Der Brief an die Gemeinde in Smyrna ( 2,8-11 )
     C. Der Brief an die Gemeinde in Pergamon ( 2,12-17 )
     D. Der Brief an die Gemeinde in Thyatira ( 2,18-29 )
     E. Der Brief an die Gemeinde in Sardes ( 3,1-6 )
     F. Der Brief an die Gemeinde in Philadelphia ( 3,7-13 )
     G. Der Brief an die Gemeinde in Laodizea ( 3,14-22 )

III. Die Offenbarung des Kommenden: "Was geschehen soll danach" ( Kap.4-22 )

     A. Der himmlische Thorn ( Kap.4 )
     B. Das Buch mit den sieben Siegeln ( Kap.5 )
     C. Die Öffnung der ersten sechs Siegel: die Zeit des göttlichen Zornes ( Kap.6 )
     D. Die in der Zeit der Großen Trübsal Bewahrten ( Kap.7 )
     E. Die Öffnung des siebten Siegels und die Einführung der sieben Posaunen ( Kap.8-9 )
     F. Der große Engel mit dem Büchlein ( Kap.10 )
     G. Die beiden Zeugen ( 11,1-14 )
     H. Der Schall der siebenten Posaune ( 11,15-19 )

I. Die sieben Gestalten der Endzeit ( Kap.12-15 )

     J. Die Schalen des göttlichen Zorns ( Kap.16 )
     K. Der Fall Babylons ( Kap.17-18 )
     L. Der Jubel im Himmel ( 19,1-10 )
     M. Die Wiederkunft Christi ( 19,11-21 )
     N. Das Tausendjährige Reich ( 20,1-10 )
     O. Das Gericht vor dem Großen Weißen Thorn ( 20,11-15 )
     P. Der neue Himmel und die neue Erde ( 21,1-22,5 )
     Q. Das Wort des Herrn ( 22,6-21 )


AUSLEGUNG


I. Einführung: "Was du gesehen hast"
( Offb 1 )


A. Prolog
(
1,1-3 )


Offb 1,1


Die einleitenden Worte "die Offenbarung Jesu Christi" deuten bereits an, worum es in der folgenden Schrift geht. Der Begriff "Offenbarung" ist eine Übersetzung des griechischen Wortes apokalypsis , "Entschleierung, Enthüllung" (daher das deutsche Lehnwort "Apokalypse"). Diese besondere Offenbarung wurde Johannes zuteil, damit er sie seinerseits anderen, seinen Knechten , weitergebe. Ihr Inhalt zielt auf das, was in Kürze geschehen soll . Es geht in diesem Text also nicht um Dinge, die in der Vergangenheit liegen, wie es etwa bei den vier Evangelien der Fall ist. Die Zeitangabe "in Kürze" ( en tachei ; vgl. Offb 2,16;22,7.12.20 ) bedeutet, daß das betreffende Geschehen plötzlich eintreten wird, nicht unbedingt, daß es unmittelbar bevorsteht. Wenn die endzeitlichen Ereignisse erst einmal in Gang gebracht sind, werden sie in rascher Folge ihrem Höhepunkt zustreben (vgl. Lk 18,8; Apg 12,7; 22,18; 25,4; Röm 16,20 ). Die Worte "er hat sie ... kundgetan" geben die griechische Verbform esEmanen , "durch Zeichen oder Symbole bekanntmachen", wieder, womit auch eine mündliche Mitteilung gemeint sein kann. Der Engelsbote, der sie überbringt, wird nicht mit Namen genannt. Manche Ausleger sind der Ansicht, daß es sich dabei um Gabriel handelte, der schon Daniel, Maria und Zacharias eine Botschaft Gottes übermittelte (vgl. Dan 8,16;9,21-22; Lk 1,26-31 ). Die Wendung "seinem Knecht" ( doulos , eigentlich "Sklave") taucht in gleicher Form auch bei Paulus, Jakobus, Petrus und Judas auf (vgl. Röm 1,1; Phil 1,1; Tit 1,1; 2Pet 1,1; Jak 1,1; Jud 1,1 ), wenn sie von ihrer Funktion als Diener Gottes sprechen.



Offb 1,2


Johannes schilderte getreulich, was er als das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus Christus (gesehen hat) . Die Offenbarung, die ihm zuteil geworden war, war eine Nachricht von - und über - Jesus Christus.



Offb 1,3


Der Prolog des Buches schließt mit einem Segenswort für jeden, der es liest , und für all jene, die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist . Die Formulierung dieses Segensspruches deutet darauf hin, daß die Botschaft laut vor einer Hörerschaft verlesen werden sollte. Doch der Segen gilt nicht nur dem, der den Text vorliest, und seinen Hörern, sondern auch und vor allem jenen, die in Gehorsam auf das Gehörte antworten.

Der Abschnitt endet mit der Wendung "die Zeit ist nahe" . Der Begriff "Zeit" ( kairos ) bezieht sich auf eine bestimmte Zeitspanne, d. h. in diesem Fall auf die Endzeit ( Dan 8,17;11,35.40;12,4.9; vgl. Offb 11,18 und Offb 12,12 ). In Offb 12,14 steht das Wort "Zeit" für den Zeitraum eines Jahres (vgl. Dan 7,25 ); die Wendung "eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit" bedeutet demnach soviel wie ein Jahr ("Zeit") und zwei Jahre ("Zeiten") und ein halbes Jahr ("eine halbe Zeit"), zusammen also dreieinhalb Jahre - das ist die Dauer der Endzeit.

In Offb 1,3 steht darüber hinaus die erste von insgesamt sieben Seligpreisungen im Buch der Offenbarung ( Offb 1,3;14,13;16,15;19,9;20,6;22,7.14 ).

Der Prolog stellt also in präziser Form die Themen und das Anliegen des Buches vor sowie seine Vermittler, Engel wie Menschen. Dabei ist besonders bemerkenswert, daß der Text in erster Linie als praktischer Anschauungsunterricht für all jene gedacht ist, die ihn lesen und sich seinen Inhalt zu Herzen nehmen.



B. Grußwort
(
1,4 - 8 )


Offb 1,4-6


Das Grußwort macht - ähnlich wie der anfängliche Gruß in den paulinischen Briefen und das Grußwort im 2. Johannesbrief, der ja vom selben Verfasser stammt - genauere Angaben über den Bestimmungsort des Schreibens. Empfänger der hier verkündeten Botschaft waren die sieben Gemeinden in der römischen Provinz Asien in Kleinasien ( Offb 1,4; 2,3 ). Die Worte "Gnade und Friede" bezeichnen den Stand des Christen vor Gott und seine Gotteserfahrung. "Gnade" bezieht sich auf das Verhältnis Gottes gegenüber den Gläubigen; "Friede" auf das Verhältnis der Gläubigen zu Gott und die Erfahrung des göttlichen Friedens, der ihnen geschenkt wird.

 

Ungewöhnlich an der Grußformel ist, daß sie Gott Vater als den beschreibt, der da ist und der da war und der da kommt (vgl. Offb 1,8 ). Mit den sieben Geistern ist wahrscheinlich der Heilige Geist gemeint (vgl. Jes 11,2-3; Offb 4,5;5,6 ), obwohl auch diese Bezeichnung für die dritte Person der Trinität außergewöhnlich ist. An letzter Stelle wird Jesus Christus genannt, möglicherweise, weil er im Buch der Offenbarung eine ganz besondere Rolle spielt. Er ist der treue Zeuge , die Quelle der hier verzeichneten Offenbarung, der Erstgeborene von den Toten (vgl. Kol 1,18 ) - ein Hinweis auf seine Auferstehung. Und er ist der Herr über die Könige auf Erden - ein Zeichen für seine prophetische Rolle nach seiner Wiederkunft ( Offb 19 ).

Die Auferstehung Christi geschah von den Toten . Als der "Erstgeborene" ist er der erste, der mit einem ewigen Leib auferweckt wurde und somit ein Sinnbild für die Schar der Auferweckten, zu denen die Heiligen, die im Zeitalter der Kirche sterben ( Phil 3,11 ), die Märtyrer in der Zeit der Großen Trübsal ( Offb 20,5-6 ) und die bösen Menschen aller Zeiten ( Offb 20,12-13 ) gehören. In seinem Sterben am Kreuz ist Christus, der uns liebt , derjenige, der uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut (in einigen griechischen Handschriften steht an dieser Stelle "gereinigt" statt "erlöst"). Die Gläubigen sind damit zu Königen und Priestern geworden, die Gott jetzt und in Ewigkeit dienen werden. Diese Aussicht veranlaßte Johannes zu einer Doxologie, die in dem Schlußwort "Amen" (wörtlich "so geschehe es") gipfelt.



Offb 1,7-8


Die Leser werden dazu aufgefordert, nach Christus Ausschau zu halten, denn er kommt , wie es für sein zweites Kommen vorhergesagt ist, mit den Wolken (vgl. Apg 1,9-11 ). Es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben. Obwohl die Leute, die Jesus Christus ermordet und verworfen haben, nun schon lange tot sind und erst nach dem Tausendjährigen Reich wiederauferweckt werden, wird der gläubige Rest von Israel Christus "ansehen, den sie durchbohrt haben" ( Sach 12,10 ). Dieser gottesfürchtige Rest repräsentiert das ganze Volk Israel.

Christi Wiederkunft wird sich jedoch nicht nur vor den Augen der Israeliten, sondern vor den Augen der ganzen Welt, auch der Ungläubigen, vollziehen im Gegensatz zu seinem ersten Kommen in der Geburt in Bethlehem und im Gegensatz zu der Entrückung der Kirche, die wahrscheinlich nicht für die ganze Welt sichtbar sein wird. Das Präsens in der Wendung "er kommt" ( Offb 1,7 ) verweist auf die künftige Entrückung der Kirche ( Joh 14,3 ). Wieder fügt Johannes das Wort "Amen" an. Sein Grußwort schließt mit dem Hinweis auf Christus, den Ewigen, das A und das O (der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets; vgl. auch Offb 21,6;22,13 ). Er ist derjenige, der da ist und der da war und der da kommt (vgl. Offb 4,8;11,17 ), der Allmächtige . Das griechische Wort für "Allmächtiger", pantokratOr , kommt zehnmal im Neuen Testament vor, davon neunmal in der Offenbarung ( 2Kor 6,18; Offb 1,8;4,8;11,17;15,3;16,7.14;19,6.15;21,22 ). Schon in diesen ersten Versen wird damit auf die wichtigste Offenbarung des ganzen Buches Bezug genommen.

 

C. Die Vision des verherrlichten Christus
(
1,9 - 18 )


Der Ort, an dem Johannes die dramatische Vision Christi, die er in diesem Buch wiedergibt, hatte, war die Insel Patmos, ein kleines Eiland im Ägäischen Meer, südwestlich von Ephesus, zwischen Kleinasien und Griechenland. Nach dem Bericht mehrerer früher Kirchenväter (Irenäus, Clemens von Alexandria und Eusebius) wurde Johannes wegen seiner engagierten Seelsorgetätigkeit in Ephesus als Gefangener auf diese Insel verbannt. Victorinus, der erste Ausleger des Buches der Offenbarung, notierte, daß Johannes Zwangsarbeit in den Bergwerken auf der kleinen Insel verrichten mußte. Als Kaiser Domitian im Jahre 96 n. Chr. starb, gestattete sein Nachfolger Nerva ihm die Rückkehr nach Ephesus. In dieser schlimmen Zeit auf Patmos ließ Gott dem Apostel die ungeheure Offenbarung zuteil werden, die in diesem letzten Buch der Bibel aufgezeichnet ist.



Offb 1,9-11


Der Abschnitt beginnt mit den einleitenden Worten: Ich, Johannes . Das ist der dritte Hinweis auf Johannes als den menschlichen Verfasser des Buches der Offenbarung in diesem Kapitel und die erste von insgesamt drei Gelegenheiten, bei denen er von sich in der Ich-Form spricht (vgl. Offb 21,2;22,8 ). Das steht im Gegensatz zu seinem Selbstzeugnis in 2Joh 1,1 und 3Joh 1,1 als "Ältester" und dem Hinweis in Joh 21,24 ,daß er ein "Jünger" sei.

In den ersten Kapiteln, die an die sieben Gemeinden in Asien gerichtet sind, bezeichnet Johannes sich selbst als Bruder und Mitgenosse(n) an der Bedrängnis . In diese Bedrängnis hatte ihn seine unerschrockene Verkündigung und sein Glaube an das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus gebracht. (Manche griechischen Texte fügen an dieser Stelle nach "Jesus" noch den Titel "Christus" ein.) "Das Zeugnis von Jesus" bezieht sich auf das Zeugnis des Johannes für und von Jesus, nicht etwa auf ein Zeugnis durch Jesus. Wie viele andere berühmte Männer, die an der Heiligen Schrift mitwirkten (Mose, David, Jesaja, Hesekiel, Jeremia und Petrus), schrieb Johannes sein Buch auf dem Hintergrund der Leiden, die ihm sein Engagement für den wahren Gott zugezogen hatte.

Die Offenbarung erreichte ihn am Tag des Herrn, als er vom Geist ergriffen war. Manche Exegeten sind der Ansicht, daß der "Tag des Herrn" hier eine Bezeichnung für den ersten Tag der Woche ist. Der Genitiv "des Herrn" ist im griechischen Text jedoch ein Adjektiv, und in dieser Form wird in der Bibel an keiner Stelle vom ersten Tag der Woche gesprochen. Johannes bezieht sich an dieser Stelle also wahrscheinlich auf jenen "Tag des Herrn", von dem sowohl im Alten wie im Neuen Testament immer wieder die Rede ist (vgl. Jes 2,12; 13,6.9; 34,8 ; Joe 1,15; 2,1.11; 3,4; 4,14 ; Am 5,18.20; Zeph 1,7-8.14.18; 2,3; Sach 14,1; Mal 3,23; 1Thes 5,2; 2Pet 3,10 ). "Vom Geist ergriffen" könnte auch mit "in meinem Geist" (vgl. Offb 4,2;17,3 ) übersetzt werden. Johannes wurde also in einer Vision - nicht leiblich - in jenen zukünftigen "Tag des Herrn" versetzt, an dem Gott über die Erde zu Gericht sitzen wird.

Die aufrüttelnden Ereignisse, die ab Kapitel 4 beschrieben werden, leiten den "Tag des Herrn" und das Gericht, das er bringen wird, ein. Es ist unwahrscheinlich, daß Johannes die gesamte Vision, die im Buch der Offenbarung festgehalten ist, an einem einzigen Tag schaute - vor allem, weil er sie ja noch niederschreiben mußte. Wahrscheinlich notierte er das Erlebte erst anschließend, nachdem er auf prophetische Weise den künftigen "Tag des Herrn" gesehen hatte.

Johannes hörte hinter sich eine große Stimme wie von einer Posaune , die ihn anwies, alles, was er sah und hörte, auf eine Rolle zu schreiben und diese an die sieben Gemeinden in Kleinasien zu schicken. Das ist die erste der zwölf Aufforderungen an Johannes, das Geschaute niederzuschreiben. Sie geht mit einer Ausnahme ( Offb 10,4 ), die nicht festgehalten werden soll, den einzelnen Visionen voran (vgl. Offb 1,19; 2,1.8.12.18; 3,1.7.14; 14,13; 19,9; 21,5 ).

Die sieben angesprochenen Gemeinden befanden sich jeweils an ganz konkreten Orten. Geographisch gesehen bilden sie in der Reihenfolge ihrer Erwähnung einen Halbkreis, der bei Ephesus an der Küste beginnt, über Smyrna und Pergamon nach Norden führt und dann über Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea nach Osten und Süden einschwenkt. (Zu weiteren Informationen über diese sieben Gemeinden vgl. den Kommentar zu Kapitel 2; 3 .)



Offb 1,12-16


Johannes wandte sich um, zu sehen nach der Stimme, und erblickte sieben goldene Leuchter . Dabei handelte es sich offensichtlich um sieben einzelne Lampen, nicht um den siebenarmigen Leuchter, wie wir ihn aus dem Tabernakel und dem Tempel kennen.

Mitten unter den Leuchtern sah er einen, der war einem Menschensohn gleich - eine Formulierung, wie sie in Dan 7,13 für Christus verwendet wird. Er war wie ein Priester angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel . Sein weißes Haar erinnert an den "Uralten" in Dan 7,9 , ist also ein Hinweis auf Gott Vater. Gott Sohn, dessen Haupt und Haar ebenfalls weiß sind, besitzt dieselbe Reinheit und Ewigkeit wie Gott Vater. Seine Augen, die wie eine Feuerflamme leuchten, sind ein Bild für das Gericht über die Sünde, das er bringt (vgl. Offb 2,18 ).

Diese Vorstellung wird weiter ausgeschmückt in der Beschreibung seiner Füße, die wie Golderz sind, das im Ofen glüht (vgl. Offb 2,18 ). (Dahinter steht eine Anspielung auf den Bronzealtar im Tempel in Jerusalem, der für die Sühnopfer bestimmt war.) Seine Stimme wird mit einem Wasserrauschen verglichen. Sein Angesicht leuchtete mit einem Glanz, wie die Sonne scheint in ihrer Macht . Johannes bemerkte, daß er sieben Sterne in seiner rechten Hand hielt, die in Vers 20 als die Engel oder Boten der sieben Gemeinden spezifiziert werden. Daß Christus diese Sterne in der Rechten hielt, ist ein Zeichen für seinen souveränen Besitzanspruch. Im Blick auf Christi Rolle als Richter sah Johannes aus seinem Munde ... ein scharfes, zweischneidiges Schwert kommen. Dieser besondere Schwerttyp ( rhomphaia ; vgl. Offb 2,12.16;6,8;19,15.21 ) wurde von den Römern als Stichwaffe benutzt. Jesus Christus ist nicht länger das Kind in Bethlehem oder der leidende Gottesknecht mit der Dornenkrone; er ist nun der Herr der Herrlichkeit.



Offb 1,17-18


Johannes berichtete: Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot. In ganz ähnlicher Weise stürzte Paulus zu Boden, als ihm Christus in seiner Herrlichkeit erschien ( Apg 9,4 ). Früher einmal hatte Johannes sein Haupt an Jesu Brust gelegt (vgl. Joh 13,25 ), doch mit diesem neuen herrlichen Christus konnte er nicht mehr so vertraulich umgehen. Mit den Worten "fürchte dich nicht" richtete ihn Christus auf und bestätigte, daß er der Ewige, der Erste und der Letzte (vgl. Offb 1,8;2,8;21,6;22,13 ) und der Auferstandene, der Lebendige ist, der einmal tot war und nun von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt. An dieser Stelle bekräftigt Christus, daß er allein die Schlüssel des Todes und der Hölle , d. h. die Macht über den Tod und den Ort der Toten hat (vgl. Joh 5,21-26; 1Kor 15,54-57; Hebr 2,14; Offb 20,12-14 ). Auch wenn dem verherrlichten Christus alle Ehre erwiesen werden muß, können treue Gläubige wie Johannes doch sicher sein, daß sie vom Sohn Gottes angenommen werden. Der Tod und die Auferstehung der Christen liegen in seiner Hand. Das hier entworfene Bild des verherrlichten Christus steht in starkem Kontrast zu der Zeichnung des Menschen Christus in den vier Evangelien (vgl. Phil 2,6-8 ) mit Ausnahme seiner Verklärung ( Mt 17,2; Mk 9,2 ).



D. Der Auftrag an Johannes
(
1,19 - 20 )


Offb 1,19-20


Nach der Offenbarung der Herrlichkeit Christi wurde Johannes erneut aufgefordert: Schreibe . Er sollte aufschreiben, (a) was in der Vergangenheit geschah ( was du gesehen hast ), (b) was in der Gegenwart ist (was ist) und (c) was in der Zukunft geschehen wird ( was geschehen soll danach ). Damit ist offenbar das göttliche Schema der Offenbarung aufgezeigt. Zuerst sollte Johannes von seiner eigenen Erfahrung berichten ( Offb 1 ), die bereits zurücklag. Dann sollte er die der Gegenwart geltende Botschaft Christi an die sieben Gemeinden niederschreiben ( Offb 2-3 ) und schließlich - dem prophetischen Charakter des Buches entsprechend - von den Ereignissen erzählen, die dem zweiten Kommen Christi vorangehen, darin ihren Höhepunkt finden und darauf folgen ( Offb 4-22 ).

Diese chronologische Unterteilung des Buches der Offenbarung ist vielen anderen Gliederungsversuchen überlegen, in denen die Exegeten sich häufig von bestimmten Wendungen ablenken lassen oder das Buch ihrem eigenen Auslegungsschema anpassen. Die hier vorgeschlagene Gliederung harmoniert dagegen hervorragend mit der Grundvorstellung, daß der größte Teil der Offenbarung (von Offb 4 an) futurisch und nicht historisch oder bloß symbolisch konzipiert ist oder einfach nur prinzipielle Aussagen enthält. Es muß betont werden, daß nur eine futurische Deutung von Offb 4-22 die Schrift als geschlossenes Ganzes erscheinen läßt. Immerhin stimmen diejenigen Exegeten, die vom allegorischen Interpretationsansatz ausgehen, selten in ihren Ansichten überein, und dasselbe gilt auch für die Vertreter des symbolischen und des historischen Ansatzes.

 

Häufig wird in der Offenbarung zunächst das visionäre Symbol dargestellt und im Anschluß erläutert. So werden z. B. an dieser Stelle die sieben Sterne als Engel oder Boten der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter als Sinnbilder der sieben Gemeinden erklärt. Das Buch der Offenbarung ist also alles andere als ein hoffnungslos undurchsichtiger Wirrwar von symbolischen Visionen; es ist vielmehr eine sorgfältige und genaue Aufzeichnung all dessen, was Johannes sah und hörte, mit immer wieder eingestreuten Erklärungen der theologischen und praktischen Bedeutung des Geschauten.

Auf dem Hintergrund anderer symbolischer Bücher wie etwa des Buches Daniel und Hesekiel sollte die Offenbarung Johannes für jeden verstehbar sein, der sich sorgsam und engagiert mit dem Wort Gottes auseinandersetzt. Ähnlich wie im Buch Daniel wird ihre Bedeutung immer klarer, je weiter die Geschichte voranschreitet. Obwohl das Buch der Offenbarung in seinem Gehalt und seiner praktischen Anwendbarkeit zeitlos ist, gewährt es doch in besonderem Maße jenen Trost, die in der Zeit vor dem zweiten Kommen Christi der Führung bedürfen.

Bevor die grandiose prophetische Szenerie der Kapitel 4 - 22 entfaltet wird, richtete Christus noch eine persönliche Botschaft an die sieben Gemeinden, die ihre Geltung auch für die heutige Kirche keineswegs verloren hat.



II. Die Sendschreiben an die sieben Gemeinden: "Was jetzt ist"
( Offb 2-3 )


Wie bereits in Offb 1,11 angekündigt, sandte Christus eine Botschaft an jede der sieben Ortsgemeinden in Kleinasien. Die Reihenfolge, in der sie genannt werden, orientiert sich an ihrer geographischen Lage. So würde ein Bote selbstverständlich die praktischste Reiseroute vom Seehafen Ephesus etwa 50 Kilometer nach Norden zur nächsten Hafenstadt Smyrna wählen, von dort zunächst weiter nach Nordosten, nach Pergamon, reisen, und dann weiter nach Osten und Süden ziehen, um die vier übrigen Städte aufzusuchen ( Offb 1,11 ).

Es ist viel darüber gesprochen worden, was die Sendschreiben heute zu sagen haben. Offensichtlich wurden gerade diese Gemeinden mit Vorbedacht ausgewählt und in eine bestimmte Reihenfolge gebracht, um in ihnen verschiedene charakteristische Situationen anzusprechen, mit denen die Kirche im Laufe ihrer Geschichte konfrontiert war. Wie auch die paulinischen Briefe, obwohl sie an bestimmte Gemeinden adressiert waren, sich gleichzeitig an die ganze damalige Kirche richteten, so gelten diese sieben Botschaften der ganzen heutigen Kirche. Es gab damals noch zahlreiche andere Gemeinden, etwa in Kolossä, Magnesia und Tralles, von denen einige sogar größer gewesen wären als die sieben genannten Gemeinden in Kleinasien, doch sie werden nicht angesprochen.

Wenn man den Inhalt der Sendschreiben untersucht, so wird als erstes deutlich, daß sie Botschaften für die betreffenden historischen Ortsgemeinden des 1. Jahrhunderts sind. Zum Zweiten enthalten sie jedoch eine Botschaft an Gemeinden von heute, die in derselben Situation wie diese historischen Gemeinden sind. Die individuellen Ermahnungen von Einzelpersonen oder bestimmten Gruppen innerhalb der Gemeinden machen drittens klar, daß der Inhalt der Sendschreiben genauso auch für den einzelnen Christen von heute bestimmt ist. Manche Exegeten sind außerdem der Ansicht, daß die Reihenfolge der sieben Gemeinden sich an der Abfolge verschiedener kirchengeschichtlicher Epochen vom 1. Jahrhundert bis in die Gegenwart orientiert.

In der Tat gibt es bemerkenswerte Parallelen zwischen den sieben Sendschreiben und der Entwicklung der Kirchengeschichte seit der Frühzeit der Kirche. Ephesus z. B. scheint ein Sinnbild für die apostolische Kirche zu sein, während Smyrna die Kirche zur Zeit der ersten Christenverfolgungen symbolisiert. Doch die Schrift gibt uns nichts Eindeutiges für eine derartige Auslegung an die Hand. Deshalb sollte man dieser Interpretation lediglich an den Stellen folgen, wo sie sich gleichsam als naturgegeben aufdrängt. Schließlich existierten die genannten Gemeinden alle zur gleichen Zeit im 1. Jahrhundert.

Jede der Botschaften lautet zwar etwas anders, doch es gibt auch Berührungspunkte zwischen den einzelnen Sendschreiben. So macht Christus immer wieder deutlich, daß ihm die Werke der Gemeinde bekannt sind. Jedes Sendschreiben enthält darüber hinaus eine Verheißung für all jene, die standhaft bleiben, ermahnt diejenigen, die die Botschaft hören, und enthält schließlich eine bestimmte Charakterisierung Christi, die mit der anschließenden Botschaft in Zusammenhang steht. Daneben folgen alle Sendschreiben einem bestimmten Schema: Es wird jeweils ein Lob (außer dem Schreiben an die Gemeinde in Laodizea), ein Tadel (außer in den Schreiben an die Gemeinden in Smyrna und Philadelphia), eine Ermahnung und eine ermutigende Verheißung für alle, die sich die Botschaft zu Herzen nehmen, ausgesprochen. Letzlich geht es in den Briefen an die sieben Gemeinden um Probleme, wie sie sich Gemeinden in der ganzen Kirchengeschichte stellten, und zugleich wird in ihnen in prägnanter und umfassender Weise enthüllt, wie Christus solche Gemeinden beurteilt.

Seltsamerweise wurde dieser Teil der Heiligen Schrift immer vernachlässigt. Viele beschäftigen sich mit den Paulusbriefen und anderen Passagen aus dem Neuen Testament, um etwas über die Kirche zu erfahren, aber die Sendschreiben an die sieben Gemeinden, die doch von Christus selbst stammen und ihrem ganzen Wesen nach einen besonderen Höhepunkt der Schrift darstellen, werden vollkommen übergangen. Diese Unterlassungssünde hat nicht zuletzt dazu beigetragen, daß viele Gemeinden von heute nicht nach dem vollkommenen Willen Gottes gestaltet sind.



A. Der Brief an die Gemeinde in Ephesus
(
2,1-7 )


1. Bestimmungsort
(
2,1 )


Offb 2,1


Zu der Zeit, in der dieser Brief entstand, war Ephesus ein bedeutender kleinasiatischer Seehafen und außerdem der Standort des großen Artemistempels (vgl. Apg 19,24.27-28.34.35 ), eines der sieben Weltwunder der Antike. Etwa 43 Jahre vor der Abfassung des Sendschreibens an die Gemeinde in Ephesus im Buch der Offenbarung hatte der Apostel Paulus die Stadt besucht (um das Jahr 53 n. Chr.). Er war mehrere Jahre in Ephesus geblieben und hatte das Evangelium mit solcher Vollmacht verkündigt, "daß alle, die in der Provinz Asien wohnten, das Wort des Herrn hörten, Juden und Griechen" ( Apg 19,10 ). Die Botschaft des Apostels setzte sich so stark in dieser antiken Großstadt durch ( Apg 19,11-40 ), daß schließlich die Silberschmiede einen Aufruhr anzettelten, weil sie um ihr Geschäft, die Herstellung von Statuen der Göttin, fürchteten.

Entsprechend alt und berühmt in der ganzen Umgegend war die dortige Gemeinde . Der Hirte oder Bote dieser Gemeinde wird im Sendschreiben als Engel ( angelos ) angeredet. Dieses Wort wird sonst in der Bibel vor allem für die Engel im Himmel verwendet, doch es taucht auch im Zusammenhang mit menschlichen Boten auf (vgl. Mt 11,10; Mk 1,2; Lk 7,24.27; 9,52 ).

Christus hielt sieben Sterne in seiner Rechten und wandelte mitten unter den sieben goldenen Leuchtern . Die "Sterne" verkörpern die Boten oder Engel der Gemeinden, die "Leuchter" die sieben Gemeiden selbst ( Offb 1,20 ).



2. Lob
(
2,2-3 )


Offb 2,2-3


Christus lobte die Glieder der Gemeinde in Ephesus für ihre Werke und ... Mühsal und ... Geduld sowie dafür, daß sie die Bösen verurteilt und jene, die sich fälschlich als Apostel ausgaben, als Lügner gebrandmarkt hatten. (In den ersten vier Gemeinden, an die die sieben Sendschreiben gerichtet sind, waren durchweg solche falschen Lehrer aufgetreten; vgl. V. 2.6.9.14.15.20 Aber die Gemeindeglieder wurden auch dafür gelobt, daß sie die Last getragen haben und ... nicht müde geworden sind in ihrem Dienst für Gott. Die Gemeinde in Ephesus hatte also mehr als 40 Jahre getreulich an ihrem Dienst für Gott festgehalten.


3. Tadel
(
2,4 )


Offb 2,4


Trotz des lobenswerten Betragens der Gemeinde auf vielen Gebieten mußte die Kirche in Ephesus doch eine herbe Zurechtweisung hinnehmen: Aber ich habe gegen dich, daß du die erste Liebe verläßt. Die Wortordnung im Griechischen läßt von der Betonung her auch die Übersetzung zu: "Du hast deine erste Liebe verlassen." Christus gebrauchte hier das Wort agapEn für die tiefe Liebe, die Gott den Menschen entgegenbringt. Diese tadelnden Worte klingen ganz anders als das, was Paulus 35 Jahre zuvor an die Epheser geschrieben hatte, nämlich daß er nie aufhöre, für sie zu danken wegen ihres Glaubens an Christus und ihrer Liebe, agapEn , zu den Heiligen ( Eph 1,15-16 ). Die meisten Gemeindeglieder der Kirche in Ephesus waren nun schon in der zweiten Generation Christen und hatten sich zwar die Reinheit der Lehre und des Lebens bewahrt und eine hohe Stufe des Dienstes für Gott und den Nächsten erreicht, doch es fehlte ihnen die wahre Hingabe an Christus. Die gleiche Warnung, daß Orthodoxie und Dienst allein nicht ausreichend sind, könnte man der modernen Kirche entgegenhalten. Christus liegt genausoviel an den Herzen der Gläubigen wie an ihren Gedanken und ihrem Tun.



4. Ermahnung
(
2,5-6 )


Offb 2,5-6


Zunächst wurde den Ephesern vor Augen geführt, wovon sie abgefallen waren. Sie sollten Buße tun und zu der Liebe zurückkehren, die sie verlassen hatten. Ganz ähnlich lautende Mahnungen, in denen eine wahre und tiefe Liebe zu Gott gefordert wird, finden sich an vielen Stellen im Neuen Testament ( Mt 22,37; Mk 12,30; Lk 10,27; Joh 14,15.21.23; Joh 21,15-16; 1Pet 1,8; Jak 2,5 ). Nach den Worten Christi muß die Liebe des Christen zu Gott größer sein als seine Liebe zu seinen nächsten Verwandten wie Vater, Mutter, Sohn oder Tochter ( Mt 10,37 ), und Paulus fügte hinzu, daß die Liebe zu Gott sogar die Liebe zum eigenen Ehepartner übersteigen sollte ( 1Kor 7,32-35 ). Indem Christus die Gläubigen von Ephesus zur Buße rief, forderte er sie zu einem Wandel in ihrer Haltung und ihrer Zuneigung auf. Sie sollten den christlichen Dienst nicht einfach nur weiterführen, weil das richtig war, sondern weil sie ihren Herrn liebten. Er warnte sie auch davor, daß das Licht ihres Zeugnisses verlöschen würde, wenn sie seinem Ruf nicht folgten: Wenn aber nicht, werde ich ... deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte . Die Gemeinde von Ephesus bestand nach dem 1. Jahrhundert noch weiter und war später Schauplatz eines bedeutenden Konzils. Nach dem 5. Jahrhundert verschwanden jedoch sowohl die Gemeinde als auch die Stadt. Seit dem 14. Jahrhundert ist die unmittelbare Umgebung dieser wichtigen historischen Stätte völlig unbewohnt.

Trotz dieser ernsten Warnung findet sich in Vers 6 noch einmal ein lobendes Wort für die Gemeinde. Es wird den Ephesern zugute gehalten, daß sie die Werke der Nikolaten haßten. Über die Identität dieser Gruppe ist viel spekuliert worden, doch die Schrift macht keine näheren Angaben darüber, wer sie waren. Auf jeden Fall handelte es sich wohl um eine Sekte, die in ihren Praktiken und in ihrer Lehre Irrwege ging (genauere Angaben finden sich bei Henry Alford, The Greek Testament , 4,563 - 65; Merrill C. Tenney, Interpreting Revelation , S. 60 - 61; Walvoord, Revelation , S. 58).



5. Verheißung
(
2,7 )


Offb 2,7


Wie in den anderen Sendschreiben gab Christus auch der ephesischen Gemeinde eine Verheißung für all jene auf den Weg, die sich seine Worte zu Herzen nehmen würden: Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist. Der "Baum des Lebens", der zum ersten Mal in 1Mo 2,9 erwähnt wird, stand im Garten Eden. Später taucht er im Zusammenhang mit dem Neuen Jerusalem auf, wo er überreichlich Früchte trägt ( Offb 22,2 ). Wer von seinen Früchten ißt, wird niemals sterben ( 1Mo 3,22 ). Mit dieser Verheißung ist sicherlich nicht eine besondere Belohnung für eine bestimmte Gruppe von Christen gemeint, sie gilt vielmehr für alle Gläubigen. Das "Paradies Gottes" ist wahrscheinlich eine andere Bezeichnung für den Himmel (vgl. Lk 23,43; 2Kor 12,4; die beiden einzigen anderen neutestamentlichen Verweise auf das Paradies) und damit für das Neue Jerusalem in der Ewigkeit, von dem später die Rede sein wird.

Diese Ermutigung zu wahrer Gottesliebe sollte die Gläubigen an Gottes gnädigen Heilsplan in Zeit und Ewigkeit erinnern. Die Liebe zu Gott drückt sich nicht darin aus, daß man ängstlich an Gesetzesvorschriften festhält, sondern in der Antwort auf die Erkenntnis und Freude über die Liebe Gottes.

 

B. Der Brief an die Gemeinde in Smyrna
(
2,8 - 11 )


1. Bestimmungsort
(
2,8 )


Offb 2,8


Das zweite Sendschreiben richtet sich an die Gemeinde in Smyrna , einer großen und reichen Stadt ungefähr 50 Kilometer nördlich von Ephesus. Wie Ephesus war auch Smyrna eine Hafenstadt, die allerdings noch heute ein großer Seehafen mit etwa 200 000 Einwohnern ist. In seiner Botschaft an Smyrna beschrieb sich Christus selbst als der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden . Er ist der Ewige (vgl. Offb 1,8.17;21,6;22,13 ), der von den Händen seiner Verfolger den Tod erlitt und aus dem Grab auferweckt wurde (vgl. Offb 1,5 ). Diese Attribute Christi waren für die Gläubigen in Smyrna besonders relevant, denn auch sie waren schweren Verfolgungen ausgesetzt.

Der Name der Stadt Smyrna bedeutet soviel wie "Myrrhe", eine in der damaligen Zeit weitverbreitete wohlriechende Essenz. Sie fand unter anderem auch Verwendung in der Zubereitung des Salböls für die Stiftshütte und bei der Einbalsamierung von Toten (vgl. 2Mo 30,23; Ps 45,9; Hl 3,6; Mt 2,11; Mk 15,23; Joh 19,39 ). Während die Christen der Gemeinde von Smyrna die Bitterkeit des Leidens zu schmecken bekamen, war ihr treues Zeugnis für Gott wie der Duft von Myrrhe oder einer anderen aromatischen Substanz.



2. Lob
(
2,9 )


Offb 2,9


Es muß für die Christen in Smyrna ein großer Trost gewesen sein, daß Christus all ihre Leiden kannte: Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut - du aber bist reich ! Neben den Verfolgungen, die sie zu ertragen hatten, litten die Gemeindeglieder auch noch unter drückender Armut ( ptOcheian , im Gegensatz zu penia , dem gebräuchlichen Wort für "Armut"). Dennoch waren sie reich durch die wunderbaren Verheißungen, die Christus ihnen gegeben hatte (vgl. 2Kor 6,10; Jak 2,5 ). Sie wurden nicht nur von den Heiden, sondern auch von feindseligen Juden, ja von Satan selbst verfolgt - die jüdische Synagoge in Smyrna galt offensichtlich als Synagoge des Satans (vgl. Offb 3,9 ). (Satan wird in vier der sieben Sendschreiben erwähnt: Offb 2,9.13.24;3,9 .) In der Geschichte der Kirche kamen die schwersten Verfolgungen in der Tat meistens aus der Ecke religiöser Fanatiker.



3. Tadel


Es fällt auf, daß die gläubigen, bedrängten Christen in Smyrna nicht getadelt werden. Dieser Befund steht in schroffem Kontrast zu der Beurteilung von fünf der sechs anderen Gemeinden, die Christus streng zurechtwies. Ihre leidvollen Erfahrungen hatten die Gläubigen in Smyrna trotz allem darin bestärkt, sich in ihrem Glauben und ihrem Lebenswandel rein zu erhalten.



4. Ermahnung
(
2,10 a)


Offb 2,10 a


Die Ermahnung, die Christus den Bedrängten zukommen ließ, war zugleich eine Ermutigung: Fürchte dich nicht (wörtlich "höre auf, dich zu fürchten") vor dem, was du leiden wirst! Die schweren Drangsale, denen sie sich ausgesetzt sahen, würden fortdauern, ja, sie würden weiter verfolgt und ins Gefängnis geworfen werden und zehn Tage zusätzliche Bedrängnis zu erdulden haben. Manche Exegeten haben die Zeitangabe "zehn Tage" als symbolischen Ausdruck für alle Kirchenverfolgungen verstanden. Andere halten sie für eine Anspielung auf zehn Christenverfolgungen, die unter den römischen Kaisern stattfanden. Am wahrscheinlichsten ist jedoch, daß in dieser Wendung eine begrenzte Zeit des Leidens vorweggenommen ist (vgl. Walvoord, Revelation , S.61-62), eine These, für die Scott in der Schrift mehrere Belege fand (Walter Scott, Exposition of the Revelation of Jesus Christ , S.69). Er zitiert in diesem Zusammenhang 1Mo 24,55; Neh 5,18; Jer 42,7; Dan 1,12 und Apg 25,6 .Dieselbe Position vertritt auch Alford, der als Beispiele 4Mo 11,19; 4Mo 14,22; 1Sam 1,8 und Hi 19,3 anführt ( The Greek Testament , 4:567).

Das Problem des menschlichen Leidens hat die gläubigen Christen zu allen Zeiten beschäftigt und ihre Überzeugung auf eine harte Probe gestellt. Wenn nur die Gottlosen leiden müßten, so wäre das ja nicht weiter verwunderlich, doch warum geht es den Gottesfürchtigen nicht besser? Die Schrift gibt auf diese Frage eine ganze Reihe von Antworten. So kann das Leiden (1) disziplinierenden ( 1Kor 11,30-32; Hebr 12,3-13 ) oder (2) vorbeugenden Charakter haben (wie der "Stachel im Fleisch" des Paulus; 2Kor 12,7 ), es kann (3) die Menschen Gehorsam lehren (wie das Leiden Christi; Hebr 5,8; vgl. Röm 5,3-5 ) oder (4) ein eindrucksvolleres Zeugnis für Christus bewirken (wie in Apg 9,16 ).



5. Verheißung
(
2,10 b - 11 )


Offb 2,10-11 (Offb 2,10b-11)


Die bedrängte Schar der Gläubigen in Smyrna wurde ermahnt: Sei getreu bis an den Tod . Ihre Verfolger konnten den smyrnischen Christen zwar ihr irdisches Leben nehmen, doch in diesem Fall würden sie nur ein wenig früher die Krone des Lebens empfangen. Offensichtlich war bis zu diesem Zeitpunkt noch niemand aus der Gemeinde bei Verfolgungen umgekommen, doch es stand zu befürchten, daß das bald geschehen würde. In der Tat starb Polykarp den Märtyrertod, nachdem er Bischof der Gemeinde in Smyrna geworden war - ein Schicksal, das zweifellos noch viele andere nach ihm erlitten (vgl. Robert Jamieson, A. R. Fausset und David Brown, A Commentary Critical, Experimental and Practical on the Old and New Testaments . Grand Rapids 1945, 6,662). "Die Krone des Lebens" ist eine von mehreren "Kronen" oder Belohnungen, die den Christen verheißen sind (vgl. 1Kor 9,25; 1Thes 2,19; 2Tim 4,6-8; 1Pet 5,4; Offb 4,4; vgl. auch Jak 1,12 ). Die Gläubigen werden also zu einem standhaften Leben im Gehorsam gegenüber Gott ermutigt; sie sollen ihren Blick auf das richten, was sie nach dem Tod erwartet: das ewige Leben.

Wie in den übrigen Sendschreiben wurden auch hier diejenigen, die bereit waren zu hören, ermahnt. Die Verheißung galt denen, die standhaft bleiben - letztlich also allen Gläubigen - und schenkte ihnen die Gewißheit, daß ihnen kein Leid ... von dem zweiten Tode geschehen würde (vgl. Offb 20,15 ). Dieses ermutigende Wort Christi an die bedrängten Christen in Smyrna gilt zugleich allen leidenden und verfolgten Gläubigen. Wie es in Hebräer 12,11 heißt: "Jede Züchtigung aber, wenn sie da ist, scheint uns nicht Freude, sondern Leid zu sein; danach aber bringt sie als Frucht denen, die dadurch geübt sind, Frieden und Gerechtigkeit."



C. Der Brief an die Gemeinde in Pergamon
(
2,12 - 17 )


1. Bestimmungsort
(
2,12 )


Offb 2,12


Die dritte Gemeinde befand sich in Pergamon , etwa 30 Kilometer landeinwärts von Smyrna. Wie Ephesus und Smyrna war auch Pergamon eine reiche, wenngleich völlig verdorbene Stadt. Ihre Einwohner verehrten die heidnischen Götter Athene, Asklepios, Dionysos und Zeus. Die Stadt war außerdem berühmt für ihre Universität mit einer Bibliothek von ungefähr 200 000 Bänden und für die Herstellung von Pergament - ein papierartiges Material, das als pergamena bezeichnet wurde. Das ganze geistige Klima der Stadt war für jede Form wahrhaft christlichen Lebens und Zeugnisses denkbar ungeeignet.

In Vorwegnahme des Tadels Christi für die laxe Haltung der dortigen Gläubigen gegenüber dem Bösen und Unmoralischen führte Johannes Christus als den ein, der da hat das scharfe, zweischneidige Schwert (vgl. auch Offb 1,16; 2,16; 19,15.21 ). Das Schwert ist ein Sinnbild der zweifachen Fähigkeit des Gotteswortes, die Gläubigen von der Welt zu scheiden und die Welt für ihre Sünden zu verdammen. Es ist das Schwert des Heils und zugleich das Schwert des Todes.


2. Lob
(
2,13 )


Offb 2,13


In Einhaltung derselben Reihenfolge wie in den beiden vorhergegangenen Sendschreiben wurde der Gemeinde auch hier zunächst ein Lob ausgesprochen. Christus kannte ihre schwierige Situation. Die Gläubigen mußten immerhin leben, wo der Thron des Satans ist . Diese Wendung bezieht sich möglicherweise auf den großen Tempel des Asklepios, des heidnischen Gottes der Heilkunst, der in der Gestalt einer Schlange dargestellt wurde. Am Ende des Verses wird Satan ein weiteres Mal genannt: Pergamon lag da, wo der Satan wohnt . Die Heiligen wurden deshalb gelobt, daß sie bei ihrem Glauben beharrt hatten, auch ... als Antipas (der Name bedeutet soviel wie "gegen alles") den Märtyrertod starb. Wir wissen nichts Genaueres über diesen Vorfall. Offenbar waren die Christen von Pergamon Gott auch unter schwersten Prüfungen treu geblieben, hatten ihr Bekenntnis aber auf andere Weise aufs Spiel gesetzt, wie aus den beiden folgenden Versen deutlich wird.



3. Tadel
(
2,14 - 15 )


Offb 2,14-15


Sie hatten sich des schwersten Verrates schuldig gemacht, denn es gab Leute unter ihnen, die sich an die Lehre Bileams und an die Lehre der Nikolaten hielten. Der Seher Bileam hatte einst Schuld auf sich geladen, weil er König Balak riet, Israel zur Sünde zu verführen , und zwar zu Mischehen mit heidnischen Frauen, die häufig ihren Götzendienst mit in die Ehe brachten (vgl. 4Mo 22-25; 4Mo 31,15-16 ). Die Ehe mit Heidinnen war in Pergamon, wo jeder soziale Kontakt mit der Umwelt immer auch Formen des Götzendienstes miteinschloß, ein besonderes Problem. So war das Fleisch, das auf dem Fleischmarkt angeboten wurde, in der Regel zuvor Götzen dargebracht worden (vgl. 1Kor 8 ). Doch die Gläubigen in Pergamon wurden auch dafür verurteilt, daß sie den Lehren der Nikolaten folgten. Zuvor war die Gemeinde von Ephesus dafür gelobt worden, daß sie diesen Lehren widerstanden hatte, die offenbar auf einen moralischen Irrweg hinausliefen (vgl. Offb 2,6 ). Manche griechischen Handschriften fügen an dieser Stelle an, daß Gott die Lehre der Nikolaten haßt, wie es schon in Vers 6 heißt. Der Kompromiß mit der weltlichen Moral und der heidnischen Lehre war in der Kirche vor allem im 3. Jahrhundert, als das Christentum populär zu werden begann, weit verbreitet. Dieses Sich-Einlassen auf heidnische Religionen und die Abkehr vom reinen biblischen Glauben korrumpierte die Kirche offenbar schon zu einem frühen Zeitpunkt.



4. Ermahnung
(
2,16 )


Offb 2,16


Christus tadelte die Gemeinde mit dem schroffen Befehl: Tue Buße! Die Gemeindeglieder wurden gewarnt: Wenn aber nicht, so werde ich bald über dich kommen und gegen sie streiten mit dem Schwert meines Mundes. Christus kündigte ihnen also an, daß das Gericht "bald" - tachys , ein Wort, das auch "plötzlich" bedeutet (vgl. Offb 1,1;22,7.12.20 ) - kommen würde. Er würde mit den abtrünnigen Gemeindegliedern kämpfen und dabei das Schwert seines Mundes einsetzen (vgl. Offb 1,16;2,12;19,15.21 ). Auch hier ist wieder das Wort Gottes gemeint, das alle faulen Kompromisse und Sünden mit seiner Schärfe richtet.



5. Verheißung
(
2,17 )


Offb 2,17


Die abschließende Ermahnung der einzelnen Gemeindeglieder richtete sich wie in den Botschaften an die anderen Gemeinden wiederum an jene, die bereit waren zu hören. Denen, die überwinden, wurde von dem verborgenen Manna versprochen. Sie sollten einen weißen Stein erhalten, auf dem ein neuer Name geschrieben stand. Das "verborgene Manna" bezieht sich vielleicht auf Christus als das "Brot vom Himmel", die unsichtbare geistliche Quelle der Nahrung und Stärkung für die Gläubigen. So wie Israel einst auf der Wüstenwanderung physische Nahrung, Manna, erhielt, so erhält die Kirche nun geistliche Nahrung ( Joh 6,48-51 ). Über die Bedeutung des "weißen Steines" sind sich die Gelehrten nicht einig. Alford hat wahrscheinlich recht, wenn er sagt, daß das Entscheidende an diesem Bild die Inschrift auf dem Stein ist, die dem Gläubigen "einen neuen Namen" zuteilt, ein Zeichen der Annahme durch Gott und ein Ehrentitel ( The Greek Testament , 4,572). Möglicherweise steckt darin eine Anspielung auf die alttestamentliche Praxis, daß der Hohepriester zwölf Steine, in die die Namen der zwölf Stämme Israel geritzt waren, auf seinem Ornat trug. Auch wenn die Gläubigen in Pergamon wohl keine kostbaren Steine oder Schätze besaßen, so hatten sie doch etwas sehr viel Wichtigeres: Sie waren von Christus selbst angenommen und wußten, daß sie nie endenden Segnungen entgegengingen. Insgesamt betrachtet ist die Botschaft an die Gemeinde in Pergamon eine Warnung vor falschen Kompromissen in Moral und Lehre und vor der Abweichung von der Reinheit der Lehre, die von den Christen verlangt wird.



D. Der Brief an die Gemeinde in Thyatira
(
2,18 - 29 )


1. Bestimmungsort
(
2,18 )


Offb 2,18


Thyatira , 60 Kilometer südöstlich von Pergamon, war eine sehr viel kleinere Stadt. Sie lag in einer Region, die berühmt war für ihre Fruchtbarkeit und für die Herstellung von Purpurfarbe. Die dortige Gemeinde war ebenfalls klein, und doch wurde gerade sie zum Gegenstand einer so eindringlichen und herben Zurechtweisung.

Passend zu dem, was auf diese Einleitung folgt, wird Christus als der Sohn Gottes, der Augen hat wie Feuerflammen und ... Füße ... wie Golderz eingeführt. Diese Beschreibung ähnelt der Darstellung in Offb 1,13-15 ,nur daß Christus hier als "der Sohn Gottes" und nicht als der "Menschensohn" bezeichnet wird. Die Situation in Thyatira erforderte eine Bekräftigung seiner Gottheit wie auch seiner gerechten Empörung über die Sünden der dortigen Gemeinde. Der Begriff "Golderz", mit dem die Füße des Gottessohnes verglichen werden, gibt das äußerst seltene griechische Wort chalkolibanO wieder, das auch in Offb 1,15 gebraucht ist. Es scheint sich dabei um eine Legierung von mehreren Metallen gehandelt zu haben, die sich durch besonderen Glanz auszeichnete, wenn sie poliert wurde. Der Hinweis auf die Augen Christi, die sind wie "Feuerflammen", und den leuchtenden Glanz seiner Füße unterstreichen die Vorstellung des Zornes und des gerechten Richtens Christi.



2. Lob
(
2,19 )


Offb 2,19


Obwohl vieles in der Gemeinde in Thyatira im Argen lag, wurden die Gläubigen doch für ihre Liebe , ihren Glauben , ihren Dienst und ihre Geduld gelobt (vgl. Offb 2,2 ). Ja, die Christen aus Thyatira taten sogar mit der Zeit immer mehr (im Gegensatz zur ephesischen Gemeinde, die in ihrem Dienst nachließ). Doch trotz dieser Beweise eines christlichen Lebenswandels und ihres christlichen Zeugnisses steckte die Gemeinde in Thyatira in einer tiefen Krise.



3. Tadel
(
2,20 - 23 )


Offb 2,20-23


Jesu schärfstes Verdammungsurteil richtete sich gegen Isebel ..., diese Frau , die von sich behauptete, eine Prophetin zu sein und die Gläubigen lehrte, Hurerei zu treiben - ein Kennzeichen vieler heidnischer Religionen - und Götzenopfer zu essen . Was in der heidnischen Gesellschaft Thyatiras durchaus akzeptiert war und zum Alltag gehörte, war Christus ein Greuel. Der moralische Verfall der Gemeinde hatte bereits vor einiger Zeit eingesetzt (V. 21 ). Vielleicht hatten die Menschen in Thyatira das Evangelium zuerst durch die Purpurkrämerin Lydia gehört, die von Paulus bekehrt worden war ( Apg 16,14-15 ). Interessanterweise war es auch jetzt eine Frau, eine selbsternannte "Prophetin", die so großen - diesmal verderblichen Einfluß auf die Gemeinde hatte. Ihr Name "Isebel" erinnert an Ahabs Frau Isebel, die einst Israel ins Unglück stürzte ( 1Kö 16,31-33 ). Christus verhieß ihr jedoch ein plötzliches und unmittelbar bevorstehendes Gericht. Er bezeichnete ihre Sünde ungeschminkt als "Hurerei" und kündigte an, daß alle, die der Verderberin folgten, in große Trübsal geraten würden. Auch ihre Kinder sollten mit dem Tode bestraft werden - ihre Anhänger würden also ebenfalls nicht ungeschoren davonkommen. Die Strafe über die Abgefallenen in Thyatira sollte so drastisch sein, daß alle Gemeinden ... erkennen würden, daß Christus derjenige ist, der die Nieren und Herzen erforscht .

 

4. Ermahnung
(
2,24 - 25 )


Offb 2,24-25


Nach diesem scharfen Verdammungsurteil richtete Christus ein mahnendes Wort an den gottesfürchtigen Rest der Gemeinde, wobei er offensichtlich davon ausging, daß alle übrigen Gemeindeglieder vom Glauben abgewichen waren. Er nannte diese wenigen Getreuen die "andern in Thyatira, die solche Lehre nicht haben und nicht erkannt haben die Tiefen des Satans" . Dieser kleinen gottesfürchtigen Schar erteilte er eine einzige, sehr einfache Anweisung: Was ihr habt, das haltet fest, bis ich komme. Er befahl ihnen also nicht etwa, die Gemeinde zu verlassen - vielleicht, weil sie so klein war -, sondern in ihr als ein Zeugnis für Gott auszuharren. Das Gericht über Isebel und ihre Anhänger würde in Kürze hereinbrechen und die Gemeinde reinigen. Heute können Christen, die in abtrünnigen Gemeinden leben, die Gemeinschaft im allgemeinen problemlos verlassen und sich einer anderen Gruppe anschließen; damals in Thyatira war ein solches Vorgehen jedoch nicht praktikabel.

Die Parallelen zwischen Thyatira und anderen von Christus abgefallenen Gemeinden in der Kirchengeschichte sind deutlich. Manche Ausleger vergleichen Thyatira mit den Gläubigen im Mittelalter, als sich der Protestantismus vom römischen Katholizismus abspaltete und zur Reinheit in Lehre und Lebensführung zurückzukehren versuchte. Die herausragende Rolle der Isebel, die in der Gemeinde von Thyatira irrtümlicherweise als weibliche Prophetin akzeptiert und verehrt wurde, wird manchmal mit der Erhöhung von Maria, die sich ebenfalls nicht aus der Schrift ableiten läßt, in Verbindung gebracht. Die Teilnahme an Götzenopfermählern kann als Sinnbild für die falsche Lehre der katholischen Kirche, die im Abendmahl die Wiederholung des Opfers Christi am Kreuz sieht, verstanden werden. Ungeachtet der Apostasie in der Kirche des Mittelalters gab es jedoch auch damals Gemeinden, die wie die Gemeinde in Thyatira immer noch Gläubige zu ihren Mitgliedern zählten, deren Frömmigkeit und Rechtgläubigkeit in der Lehre und im Leben vorbildhaft waren.



5. Verheißung
(
2,26 - 29 )


Offb 2,26-27


Christus hat den Gläubigen, die standhaft bleiben, verheißen, daß sie mit ihm zusammen in seinem Tausendjährigen Reich herrschen werden ( Ps 2,8-9; 2Tim 2,12; Offb 20,4-6 ). Das in Vers 27 verwendete Wort weiden ( poimanei ) bedeutet jedoch, daß Christus - gemeinsam mit seinen Anhängern - nicht nur Gerechtigkeit üben wird, sondern daß er die ihm Anvertrauten wie ein Hirte seine Herde sowohl zur Ordnung rufen als auch schützen wird. Johannes bezieht die Herrschaft Christi , von der in Ps 27 die Rede ist, an dieser Stelle auf die Gläubigen, die standhaft bleiben: Sie werden dieselbe Autorität wie Christus besitzen ( 1Kor 6,2-3; 2Tim 2,12; Offb 3,21;20,4.6 ), dessen Macht wiederum von seinem Vater stammt (vgl. Joh 5,22 ).



Offb 2,28


Außerdem wird der gläubige Rest den Morgenstern empfangen, der kurz vor Tagesanbruch sichtbar wird. In der Schrift ist dieses Bild nicht erklärt, doch es bezieht sich wahrscheinlich auf die Entrückung der Kirche vor den dunklen Stunden, die der Morgenröte des Tausendjährigen Reiches vorausgehen.



Offb 2,29


Der Brief an die Gemeinde von Thyatira schließt mit der bereits vertrauten Ermahnung zu hören, was der Geist den Gemeinden sagt . Im Gegensatz zu den früheren Sendschreiben folgt diese Ermahnung jedoch auf die Verheißung, statt ihr voranzugehen - eine Anordnung, die in den drei letzten Briefen beibehalten wird.


E. Der Brief an die Gemeinde in Sardes
(
3,1-6 )


1. Bestimmungsort
(
3,1 a)


Offb 3,1 a


Die bedeutende Handelsstadt Sardes lag etwa 50 Kilometer südöstlich von Thyatira an einer wichtigen Verkehrsader, die das Königreich Lydien von Osten nach Westen durchzog. Große Gewerbezweige wie Schmuck-, Farb- und Textilgewerbe hatten die Stadt reich gemacht. Vom religiösen Standpunkt aus war sie jedoch ein Zentrum heidnischer Religionen und beherbergte unter anderem einen großen Artemistempel (zu einem anderen Artemistempel vgl. den Kommentar zu Offb 2,1 ). Von dieser einst so bedeutenden Stadt ist nur noch ein kleines Dorf übriggeblieben. Neben den noch heute sichtbaren Resten des Tempels haben die Archäologen die Ruinen einer christlichen Kirche freigelegt. Christus bezeichnete sich in seiner Botschaft an die damalige Gemeinde als den, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne , eine Beschreibung, die der von Offb 1,4 ähnelt. Hier liegt die Betonung jedoch auf der Tatsache, daß er die Geister hat - ein Hinweis auf die enge Verbindung zwischen ihm selbst und dem Heiligen Geist ( Jes 11,2-5; vgl. Offb 5,6 ). Auch in Offb 1,20 hielt Christus die sieben Sterne, die die sieben Gemeindehirten darstellen, in der Hand (vgl. Offb 2,1 ).



2. Lob
(
3,1 b)


Offb 3,1 b


Das einzige Wort der Billigung, das dieser Gemeinde gewährt wurde, war im Grunde genommen wiederum ein Tadel. Christus sagte, daß sie in dem Ruf stehe, "lebendig" zu sein. Die Gemeinde von Sardes galt also offensichtlich unter den Zeitgenossen als Musterbeispiel einer Kirche.



3. Tadel
(
3,1 c. 2 b)


Offb 3,1.2 (Offb 3,1c.2b)


Diesen Eindruck entlarvte Christus jedoch sehr rasch als Täuschung: und bist tot . Wie bei den Pharisäern war auch ihre äußere Erscheinung nur eine Fassade, die ihr innerliches Abgestorbensein verbarg (vgl. Mt 23,27-28 ). Christus fügte hinzu: Denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott . Die Mitglieder der Gemeinde in Sardes waren weit davon entfernt, ihre Verpflichtungen als gläubige Christen zu erfüllen.

 

4. Ermahnung
(
3,2 a. 3 )


Offb 3,2.3 (Offb 3,2a.3)


Sardes sollte aus seinem geistlichen Schlummer erwachen und die wenigen Lebensimpulse, die die Gemeinde noch zeigte, stärken. Christus ermahnte die Gläubigen, sich an ihre Anfänge im Glauben zu erinnern, daran festzuhalten und Buße zu tun, andernfalls würde das Gericht so plötzlich und unerwartet über sie kommen wie ein Dieb .

 

5. Verheißung
(
3,4 - 6 )


Offb 3,4-6


Während die Gemeinde als ganze tot war oder zumindest im Sterben lag, kannte Christus doch einen kleinen Rest in Sardes , dessen Kleider nicht besudelt waren. Er hatte verheißen, daß die wahren Gläubigen in weißen Kleidern einhergehen werden (vgl. V. 18 ) - ein Symbol der Gerechtigkeit Gottes -, daß ihre Namen nicht ... aus dem Buch des Lebens ausgetilgt werden und daß er sie vor seinem Vater und vor seinen Engeln als sein Eigentum anerkennen wird.

Die Aussage, daß ihre "Namen nicht aus dem Buch des Lebens" getilgt werden, ist für manche Exegeten ein Problem. Doch ein Mensch, der wahrhaftig wiedergeboren ist, bleibt auch in diesem Stand, wie Johannes schon an anderer Stelle sagte ( Joh 5,24; Joh 6,35-37.39; Joh 10,28-29 ). Während aus dieser kurzen Passage eigentlich zu schließen ist, daß auch Namen aus dem "Buch des Lebens" gestrichen werden, haben wir nur die umgekehrte Versicherung, daß die Namen der Gläubigen bleiben (vgl. Walvoord, Revelation , S. 82.338). Johannes nahm an sechs Stellen Bezug auf dieses "Buch des Lebens" ( Offb 3,5;13,8 [vgl. den dortigen Kommentar]; Offb 17,8;20,12.15;21,27 ).

Auch dieser Brief schließt mit der Mahnung, auf das zu hören, was der Geist den Gemeinden sagt . Das Sendschreiben an die Gemeinde in Sardes ist eine eindringliche Mahnung für diejenigen Gemeinden von heute, die überströmen von Aktivitäten und prächtige Kirchen haben, denen aber nur allzu oft die Früchte des ewigen Lebens fehlen. Christi mahnende Worte "denkt daran, haltet fest und tut Buße" gelten heute noch genauso wie damals für die Gemeinde in Sardes.


F. Der Brief an die Gemeinde in Philadelphia
(
3,7 - 13 )


1. Bestimmungsort
(
3,7 )


Offb 3,7


Die Stadt Philadelphia lag etwa 45 Kilometer südöstlich von Sardes in einer Region, deren landwirtschaftliche Produkte berühmt waren. Das ganze Gebiet wurde immer wieder von Erdbeben heimgesucht, die auch in der Stadt mehrmals verheerende Verwüstungen anrichteten, zuletzt im Jahr 37 n. Chr. Der Name "Philadelphia" stammte von dem Erbauer der Stadt, einem König von Pergamon namens Attalus Philadelphus. "Philadelphus" ähnelt dem griechischen Wort philadelphia , "brüderliche Liebe", das siebenmal in der Bibel vorkommt ( Röm 12,10; 1Thes 4,9; 1Pet 1,22; 2Pet 1,7 [zweimal]; Hebr 13,1; Offb 3,7 ). Nur in der Offenbarung bezieht sich der Begriff auf die gleichnamige Stadt, in der es noch heute eine christliche Gemeinde gibt.

Nach den einleitenden Worten des Sendschreibens an die Stadt ist Christus der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids und damit ein Tor zu öffnen oder zu schließen vermag, das sonst niemand bewegen kann. Die Heiligkeit Christi ist eine immer wiederkehrende wichtige Aussage der Schrift ( 1Pet 1,15 ). Nur weil er heilig ist, steht es ihm zu, das geistliche Leben der philadelphischen Gemeinde zu beurteilen. "Der Schlüssel Davids" scheint auf Jes 22,22 anzuspielen, wo der Schlüssel des Hauses David an Eljakim ging, der damit Zugang zu den Schätzen des Königs hatte. Schon zuvor war Christus als der beschrieben worden, der "die Schlüssel des Todes und der Hölle" hat ( Offb 1,18 ). An dieser Stelle ist jedoch wahrscheinlich der Zugang zu geistlichen Reichtümern gemeint.



2. Lob
(
3,8 - 9 )


Offb 3,8


Wie in den Sendschreiben an die anderen Gemeinden hielt Christus auch hier zunächst fest: Ich kenne deine Werke . Er, der die Macht hat, Türen zu öffnen und zu schließen, erklärte: Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen. Christus fügte dieser Aussage kein tadelndes Wort hinzu, sondern fuhr lediglich fort: Du hast eine kleine Kraft. Die geringe Kraft der philadelphischen Christen war jedoch kein Anlaß zum Tadel, sondern bildete im Gegenteil die Grundlage für das nachfolgende Lob: Du ... hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.

 

Offb 3,9


Von den Gegnern der Gemeinde sprach Christus als der Synagoge des Satans (vgl. Offb 2,9 ). Es handelte sich dabei um Juden, die gegen das christliche Zeugnis der Gläubigen opponierten. Die falsche Religionszugehörigkeit hat sich immer als eine starke Gegenkraft gegen den wahren christlichen Glauben erwiesen, doch der Tag wird kommen, an dem alle Feinde des Glaubens seine Wahrheit anerkennen müssen (vgl. Jes 45,23; Röm 14,11; Phil 2,10-11 ). Dann wird eintreten, was Christus der Gemeinde in Philadelphia verhieß: Siehe, ich will sie dazu bringen, daß sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, daß ich dich geliebt habe.

 

3. Verheißung
(
3,10-12 )


Offb 3,10


Die Gemeinde in Philadelphia wurde nicht zurechtgewiesen. Es wurde ihr vielmehr eine Verheißung für ihre Standhaftigkeit und Geduld zuteil: Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen. Damit ist explizit ausgesprochen, daß die philadelphische Gemeinde von der ab Kapitel 6 beschriebenen Stunde der Versuchung ausgenommen ist. Christus kündigte hier in eindeutiger Form an, daß sie die künftige Zeit der Großen Trübsal nicht miterleben würde. Wenn er hätte sagen wollen, daß sie während der Zeit der Trübsal bewahrt oder mitten aus dieser Zeit herausgerissen würde, hätte er ein anderes Verb und eine andere Präposition gewählt.

Einige Exegeten haben zwar versucht, dieser Schlußfolgerung auszuweichen, um die These zu stützen, daß Christus erst nach dem Tausendjährigen Reich kommen wird, doch die Verbindung des Verbs "bewahren" ( tErein ) mit der Präposition "vor" (wörtlich "aus", ek ) drückt nun einmal nicht die Bewahrung der Kirche während der Zeit der Großen Trübsal aus, denn dann müßte die Präposition dia lauten. Aus der Formulierung "die Stunde der Versuchung" (eine bestimmte, abgegrenzte Zeitspanne) geht klar hervor, daß die Christen in Philadelphia diese Zeit der Anfechtung nicht durchmachen müssen. Es ist jedoch andererseits kaum einzusehen, weshalb Christus dieser einen Gemeinde eine solche Verheißung hätte in Aussicht stellen sollen, wenn es Gottes Absicht war, daß die ganze Kirche die Zeit der Großen Trübsal miterleben sollte, die über die Welt kommen wird. Die Glieder der Gemeinde in Philadelphia würden lange vor der Zeit der Großen Trübsal sterben und in die Herrlichkeit eingehen. Wenn aber die in den Sendschreiben angesprochenen Gemeinden tatsächlich typisch für den Leib Christi sind, so geht die Verheißung, die ihnen hier gegeben ist, weit über diese spezielle Gemeinde hinaus und gilt allen, die wie die philadelphischen Christen in ihrem Glauben fest bleiben (vgl. Walvoord, Revelation , S. 86 - 88).


Offb 3,11


Doch die Gemeinde erhielt noch weitere Verheißungen. Christus versprach den Gläubigen: Ich komme bald - ein Gedanke, der immer wieder im Buch der Offenbarung auftaucht. Dahinter steht nicht nur die Vorstellung, daß der Herr kommt, sondern auch, daß dieses Kommen sehr plötzlich oder rasch erfolgen wird (vgl. Offb 1,1;2,16 ). Im Blick auf diese baldige Wiederkunft wurde jedem Gläubigen ans Herz gelegt: Halte, was du hast .



Offb 3,12


Der Gläubige, der die Welt überwindet, wird zum Pfeiler in dem Tempel ... Gottes . In dieser Formulierung wird sinnbildhaft der ständige Aufenthaltsort der Gläubigen im Himmel, der hier als Tempel Gottes dargestellt wird, beschrieben. Das ganze Neue Jerusalem wird der letzte und ewige Tempel sein ( Offb 21,22 ). Anders als irdische Tempel und irdische Säulen, die einstürzen und verfallen, werden die Gläubigen für immer im Tempel sein und ihren Platz einnehmen. Christus erläuterte seine Angabe, daß er hier tatsächlich von der Stadt meines Gottes , vom Neuen Jerusalem (vgl. Offb 21,2 ), sprach, noch genauer und wiederholte seine Verheißung: Und ich will auf ihn schreiben ... meinen Namen, den neuen (vgl. Offb 2,17;14,1;19,12 ). Weil die Gläubigen durch den Glauben eins mit ihm geworden sind, wird auch er sich mit ihnen identifizieren.



4. Ermahnung
(
3,13 )


Offb 3,13


Der Brief an die Gemeinde in Philadelphia schloß mit der bekannten Aufforderung: Höre, was der Geist den Gemeinden sagt . Die Verheißung, die die Gemeinde empfing, und die Aufforderung an die Gläubigen, treu in ihrem Glauben zu beharren, gilt als Wort Gottes seiner ganzen heutigen Kirche sicherlich im selben Maße.



G. Der Brief an die Gemeinde in Laodizea
(
3,14 - 22 )


1. Bestimmungsort
(
3,14 )


Offb 3,14


Die reiche Stadt Laodizea lag an der Straße nach Kolossä, etwa 60 Kilometer südöstlich von Philadelphia. Ungefähr 35 Jahre vor der Entstehung dieses Schreibens war Laodizea durch ein Erdbeben zerstört worden, doch die Stadt war reich und rührig genug, ihren vorherigen Glanz wiederzuerlangen. Der wichtigste Erwerbszweig war die Tuchweberei. Es wird nirgendwo berichtet, daß Paulus je nach Laodizea kam, doch wir wissen, daß er sich der dortigen Gemeinde tief verbunden fühlte ( Kol 2,1-2;4,16 ).

In der Anrede der Gemeinde bezeichnete Christus sich selbst als den, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes . Das Wort "Amen", "so geschehe es", bezieht sich auf die souveräne Macht Gottes, die hinter allem, was auf Erden geschieht, steht (vgl. 2Kor 1,20; Offb 1,6 ). Indem er sich selbst als "treuen und wahrhaftigen Zeugen" bezeichnete, nahm Christus wieder auf, was er bereits zuvor gesagt hatte ( Offb 1,5;3,7 ). Als "der Anfang der Schöpfung Gottes" existierte er schon vor Gottes Schöpfung und herrscht damit über sie (vgl. Kol 1,15.18; Offb 21,6 ). Diese Beschreibung weist bereits auf die strenge Zurechtweisung voraus, die Christus den Gläubigen in Laodizea zugedacht hatte.


2. Tadel
(
3,15 - 17 )


Offb 3,15-16


Es gab kein lobendes Wort für die Gemeinde in Laodizea. Ihre Angehörigen waren Christus ein Greuel, denn sie waren weder kalt noch warm . Diese negative Charakterisierung bezog sich sowohl auf die Gemeinde als auch auf den Boten oder Hirten der Gemeinde, der nach Ansicht mancher Exegeten "Archippus" war ( Kol 4,17 ). Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, daß Archippus, wenn er tatsächlich jemals der Vorsteher der Gemeinde gewesen wäre, zum Zeitpunkt der Abfassung des Sendschreibens noch lebte. Die laue Haltung, die Christus den Gläubigen in Laodizea vorwarf, galt ihrem gesamten religiösen Leben. Auf den religiösen Festen und während der Opferungen tranken die Menschen der Antike üblicherweise entweder heiße oder kalte Getränke, niemals lauwarme. Für die christliche Gemeinde in Laodizea gewann die Zurechtweisung Christi eine besondere Bedeutung, da das Wasser für die Stadt aus dem einige Kilometer nördlich gelegenen Hierapolis kam und im allgemeinen lauwarm bei ihnen angelangte!

 

Offb 3,17


Die geistliche Lauheit dieser Gläubigen zeigte sich daran, daß sie zufrieden waren, reich zu sein, und ihrer geistlichen Armut gar nicht gewahr wurden. Christus aber geißelte ihr Wesen mit harten Worten: Sie waren elend, jämmerlich, arm, blind und bloß .

 

3. Ermahnung
(
3,18 - 19 )


Offb 3,18-19


Die laodizeischen Christen wurden aufgefordert, kein gewöhnliches Gold, sondern Gold, das im Feuer geläutert ist , zu kaufen - denn nur dadurch konnten sie Gott verherrlichen und selbst wahrhaft reich werden. Laodizea war durch seine Geldwirtschaft reich geworden, der christlichen Gemeinde der Stadt aber mangelte es an geistlichem Reichtum. Ihre Glieder trugen wunderbare Gewänder, doch Christus trug ihnen auf, stattdessen weiße Kleider (vgl. V. 4 ) anzulegen - als Symbol einer Rechtschaffenheit, die allein ihre geistliche Blöße decken würde. Da Wolle eines der wichtigsten Erzeugnisse der Region war, war Laodizea besonders berühmt für bestimmte Mäntel aus schwarzer Wolle. Die Gläubigen dagegen hatten reine "weiße Kleidung" nötig.

Christus legte ihnen außerdem nahe, Augensalbe auf ihre Augen zu tun. An den Asklepiostempel der Stadt war eine heilkundliche Unterrichtsstätte angegliedert, bei der man eine besondere Salbe gegen die im Nahen Osten weit verbreiteten Augenkrankheiten bekommen konnte. Was die laodizeischen Christen benötigten, war allerdings nicht diese Medizin, sondern vielmehr geistliche Einsicht. Die Gemeinde von Laodizea ist typisch für eine moderne Gemeinde, in der es gar kein Bewußtsein mehr für die eigentlichen geistlichen Bedürfnisse gibt und wo man sich statt dessen mit einem prächtigen Rahmen und all den materiellen Dingen, die man für Geld kaufen kann, begnügt. Das Sendschreiben in der Offenbarung richtet sich gegen diese selbstzufriedene Haltung. Auf seine Botschaft kann es nur eine einzige Antwort geben: Eifrig sein und Buße tun. Christus wies die Gemeinde zurecht, weil er sie liebte, und seine Liebe schreckte auch vor der Züchtigung nicht zurück.


4. Verheißung
(
3,20 - 22 )


Offb 3,20-21


In höchst anschaulicher Weise schilderte Christus sich selbst als einen Menschen, der draußen steht und an die Tür klopft. Auf den bildlichen Darstellungen dieser Szene ist die Türklinke im allgemeinen nicht sichtbar, um die Vorstellung zu erzeugen, daß die Tür nur von innen geöffnet werden kann. Das Klopfen gilt also denjenigen, die es hören. Wenn sie öffnen, so verhieß ihnen Christus, er werde zu ihnen hineingehen und das Abendmahl mit ihnen halten und sie mit ihm. Solange Christus draußen bleibt, gibt es keine Gemeinschaft unter den Christen und keinen wahren Reichtum. Doch wenn Christus eingelassen wird, entsteht eine wunderbare Verbundenheit und Teilhabe an der herrlichen Gnade Gottes. Dieser Appell Christi galt wohl eher Christen als Nichtchristen. Er wirft die wichtige Frage auf, in welchem Maße der einzelne Gläubige wirklich mit Christus verbunden ist. Denjenigen, die ihm antworten, hat Christus verheißen, daß sie mit ihm auf seinem Thron ... sitzen und an seinem Sieg teilhaben werden.



Offb 3,22


Auf diese Verheißung folgte erneut die Aufforderung: Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Die Sendschreiben an die sieben Gemeinden sind eine bemerkenswert vollständige Abhandlung der Probleme, vor denen die christlichen Gemeinden auch in der heutigen Zeit stehen. Die ständige Gefahr, die erste Liebe zu vergessen ( Offb 2,4 ) und aus Furcht vor Verfolgungen das Zeugnis zu vernachlässigen ( Offb 2,10 ), die Verwässerung der Lehre ( Offb 2,14-15 ), der moralische Verfall ( Offb 2,20 ), der geistliche Tod ( Offb 3,1-2 ), die mangelnde Standhaftigkeit (V. 11 ) und die Lauheit (V. 15 - 16 ) der Gläubigen sind heute genauso aktuell wie im 1. Jahrhundert. Weil die einzelnen Schreiben von Christus persönlich stammen, gewinnen sie eine besondere Bedeutung als Gottes letztes mahnendes Wort an die Kirche. Dieser letzte Appell richtet sich an alle, die bereit sind zu hören. Auch die Menschen in den modernen Gemeinden täten gut daran, sich dieser Botschaft nicht zu verschließen.



III. Die Offenbarung des Kommenden: "Was geschehen soll danach"
( Offb 4-22 )


In Übereinstimmung mit dem göttlichen Schema, das in Offb 1,19 dargestellt ist, führte Gott Johannes nun in jene künftigen Dinge ein, die "danach" geschehen sollen.

Damit sind die aufrüttelnden und verwirrenden Ereignisse vor der Wiederkunft Christi ( Offb 4-18 ), die Wiederkunft selbst ( Offb 19 ), das sich daran anschließende Tausendjährige Reich ( Offb 20 ) und schließlich das Neue Jerusalem und der neue Himmel und die neue Erde ( Offb 21-22 ) gemeint.

 

Wie schon aus dieser Gliederung klar wird, steht der zweite Advent Christi, von dem in Kapitel 19 die Rede ist, im Mittelpunkt der folgenden Enthüllungen, so wie die Menschwerdung Christi das zentrale Ereignis der vier Evangelien war.

Es hat viele Auslegungen des Buches der Offenbarung gegeben. Als wirklich überzeugend erweist sich jedoch nur eine Betrachtungsweise, derzufolge das Buch sich von Kapitel 4 an mit zukünftigen Ereignissen befaßt.

Jedes andere Interpretationsschema verstrickt sich zwangsläufig in einem Gewirr widerstreitender Meinungen.

Die Geschehnisse, die in diesem Abschnitt dargestellt werden, werden nicht immer in strikter chronologischer Reihenfolge erzählt, doch sie alle spielen in der Zukunft.

Sie zeichnen das anschaulichste und deutlichste Bild dieser Zeit in der ganzen Bibel und bilden damit einen passenden Höhepunkt aller biblischen Prophezeiungen, die sich auf die menschliche Geschichte beziehen und in der Person und im Werk Jesu Christi ihr Zentrum haben.

Die Offenbarung des Künftigen beginnt mit einer Vision des Himmels ( Offb 4 und Offb 5 ). Danach, ab Kapitel 6 , orientiert sich der chronologische Ablauf der Großen Trübsal an den sieben Siegeln und ihrer Öffnung bis hin zum Kommen Christi.

Im Zusammenhang mit den sieben Posaunen werden jene Ereignisse genauer enthüllt, die dem Aufbrechen des siebten Siegels folgen. Parallel dazu wird in Kapitel 16 anhand der sieben Schalen des göttlichen Zornes der Inhalt der siebten Posaune entfaltet.

Der Aufbau des Berichtes vollzieht sich in Form einer Steigerung. Je näher das zweite Kommen Christi rückt, desto rascher und verheerender in ihrer Wirkung folgen die Ereignisse aufeinander. Nach den Offenbarungen über das Kommen Christi enthalten die abschließenden Kapitel in konzentrierter und geraffter Form das ganze weite Spektrum der daran anschließenden Entwicklung.

Kapitel 20 geht auf das Tausendjährige Reich ein, Kapitel 21-22 schildern den neuen Himmel und die neue Erde.

Das Hauptanliegen des Buches der Offenbarung ist es, die Wiederkunft Christi und die Ereignisse, die diese Wiederkunft begleiten, darzustellen und das Gottesvolk wie auch die ganze Welt dafür empfänglich zu machen, wie wichtig es ist, auf das kommende Gericht Gottes vorbereitet zu sein.



A. Der himmlische Thron
( Offb 4 )


1. Die Einladung
(
4,1 )


Offb 4,1


Johannes hatte die Vision des himmlischen Thrones, nachdem ihm die sieben Sendschreiben an die Gemeinden offenbart worden waren. Diese zeitliche Abfolge wird an dem Ausdruck danach ( meta tauta ) deutlich.

Er sah eine Tür, die aufgetan (war) im Himmel , und hörte eine Stimme , die ihn einlud: Steig herauf, ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen soll. Die Worte "was nach diesem geschehen soll" gleichen der Äußerung in Offb 1,19 : "was geschehen soll danach". Während Offb 1,19 jedoch darauf hindeutet, daß es sich hier um spätere Ereignisse handelt, die eintreten werden , steht in Offb 4,1 b das griechische Wort dei , d. h., die betreffenden Ereignisse müssen eintreten. Das weist nicht allein auf die Zukunft, sondern auch auf den souveränen Plan Gottes hin. Die Ähnlichkeit beider Wendungen bekräftigt die dreifache chronologische Abfolge von Offb 1,19 .Sowohl die Offenbarung als auch ihre Erfüllung schließen sich chronologisch an die Kapitel 1-3 an.



2. Der himmlische Thron
(
4,2-3 )


Offb 4,2-3


Johannes berichtete: "Alsbald wurde ich vom Geist ergriffen" (vgl. Offb 1,10;17,3 ). Das heißt, er wurde innerlich zum Himmel emporgehoben, während sein Körper auf der Insel Patmos verblieb. Im Himmel sah er einen großen Thron , auf dem jemand saß, der anzusehen war wie der Stein Jaspis und Sarder . Der Jaspis (vgl. Offb 21,18 ), von dem hier die Rede ist, ist ein durchsichtiger Stein, anders als die undurchsichtigen Halbedelsteine, die wir heute unter dieser Bezeichnung kennen; seine Beschaffenheit erinnerte möglicherweise an einen Diamanten. Der "Sarder" bzw. Karneol oder Rubin ist rot. "Jaspis" und "Sarder" sind der erste und der letzte der zwölf Edelsteine, die den Ornat des Hohenpriesters schmückten (vgl. 2Mo 28,17-21 ). Beide Edelsteine tauchten auch im Zusammenhang mit dem König von Tyrus auf ( Hes 28,13 ) und werden zu den Grundsteinen des neuen Jerusalem gehören ( Offb 21,19-20 ). Der Thron, den Johannes erblickte, war bunt und wunderschön. Ihn schmückte ein Regenbogen, ... anzusehen wie ein Smaragd .



3. Die vierundzwanzig Ältesten
(
4,4 )


Offb 4,4


Um den Hauptthron standen vierundzwanzig Throne , auf denen vierundzwanzig Älteste saßen. Sie waren mit weißen Kleidern angetan und trugen auf ihren Häuptern goldene Kronen . Diese Kronen glichen den Siegeskränzen, wie sie den Siegern bei den sportlichen Wettkämpfen der Griechen verliehen wurden ( stephanos ; im Gegensatz zu der Krone eines souveränen Herrschers, dem Diadem, diadEma ). Daß die Ältesten Kronen trugen, scheint darauf hinzuweisen, daß sie bereits gerichtet und belohnt worden waren.

Über die Identität dieser Ältesten ist viel gerätselt worden. Die Meinungen spalten sich in zwei Hauptströmungen: (1) Die Ältesten repräsentieren die vor der Zeit der Großen Trübsal entrückte und im Himmel belohnte Kirche. (2) Sie sind Engel, denen wichtige Ämter übertragen wurden. Die Zahl 24 ist eine repräsentative Zahl, wie schon an der Tatsache deutlich wird, daß es im mosaischen Gesetz 24 Vorschriften für die Priesterschaft gab. (Zu einer weiteren Erörterung der Identität der 24 Ältesten vgl. den Kommentar zu Offb 5,8-10 .)

 

4. Die sieben Geister Gottes
(
4,5 )


Offb 4,5


Die eindrucksvolle himmlische Szene gewann noch an Wirkung durch Blitze, Stimmen und Donner . Das Geräusch des "Donners" wird insgesamt siebenmal in der Offenbarung erwähnt ( Offb 4,5;6,1;8,5;11,19;14,2;16,18;19,6 ). Außerdem sah Johannes sieben Fackeln mit Feuer brennen. Diese sieben Fackeln werden als die sieben Geister Gottes bezeichnet. Das ist sicherlich dahingehend zu verstehen, daß die sieben Flammen den Heiligen Geist in seiner siebenfachen Wesenheit ( Jes 11,2-3; vgl. Offb 1,4;5,6 ) darstellen und nicht, daß es sich hier um sieben einzelne Geister oder Engel handelte. Damit, daß Gott der Vater auf dem Thron saß und der Heilige Geist in den sieben Fackeln anwesend war, war alles bereit für die Offenbarung ( Offb 5 ) Christi als des geschlachteten Lammes.


5. Die vier himmlischen Gestalten
(
4,6 - 8 )


Offb 4,6-8


Vor dem Thron lag ein gläsernes Meer, gleich dem Kristall , in dem sich die herrlichen Farben der ganzen himmlischen Szenerie brachen (vgl. Offb 15,2 ). In der Mitte des Bildes befanden sich vier himmlische Gestalten , die mit einem Löwen , einem Stier , einem Menschen und einem fliegenden Adler vergleichbar waren. Jede der vier Gestalten hatte sechs Flügel, und sie waren außen und innen voller Augen . Nach den Worten des schauenden Johannes priesen diese Wesen Gott ohne Unterlaß und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige ( pantokratOr ; vgl. Offb 1,8;11,17;15,3;16,7.14;19,6.15;21,22 ) und Ewige ( der da war und der da ist und der da kommt ; vgl. Offb 1,8;11,17 ). Dies ist die erste von insgesamt 14 Doxologien im Buch der Offenbarung (vgl. dazu die nachfolgende Tabelle).

 

Für die "vier himmlischen Gestalten" wurden viele Deutungen vorgelegt. Wie die sieben Leuchter den Heiligen Geist symbolisieren, so sind die vier Gestalten vielleicht ein Sinnbild für die Wesenseigenschaften Gottes, unter anderem für seine Allwissenheit und Allgegenwart (verkörpert in den vielen Augen der Gestalten). Die vier Lebewesen, denen sie im Aussehen gleichen, stehen dann für weitere Attribute Gottes: Der Löwe für seine Majestät und Allmacht, der Stier für seine Treue und Geduld, der Mensch für die Intelligenz und der Adler, der größte Vogel, für seine Herrschaft, der kein irdischer Herrscher gleichkommt.

Eine andere mögliche Deutung wäre, daß die vier Wesen Christus repräsentieren, wie er uns in den vier Evangelien entgegentritt: Der Löwe des Stammes Juda im Matthäusevangelium, der Stier als Knecht Jahwes im Markusevangelium, der fleischgewordene Mensch Jesus im Lukasevangelium und der Adler als Sohn Gottes im Johannesevangelium. Eine dritte Erklärung sieht die vier Gestalten als Engel (vgl. Jes 6,2-3 ), die die Attribute Gottes preisen.


6. Die himmlische Anbetung
(
4,9 - 11 )


Offb 4,9-11


Der Anbetung der vier Gestalten wohnten die vierundzwanzig Ältesten bei, die dem, der auf dem Thron saß , ebenfalls huldigten, Gott Preis und Ehre und Dank gaben (vgl. Offb 5,12-13 ) und ihn als Schöpfer und Erhalter des Universums (vgl. Joh 1,3; Eph 3,9; Kol 1,16-17; Hebr 1,2-3; Offb 10,6;14,7 ) verehrten. Sie legten ihre Krone nieder vor dem Thron und erkannten Gott als dem Herrscher alle Ehre zu.



B. Das Buch mit den sieben Siegeln
( Offb 5 )


1. Die Einführung des Buches mit den sieben Siegeln
(
5,1 )


Offb 5,1


Das ganze Kapitel 4 ist im Grunde genommen nur eine Hinführung auf den zentralen Punkt von Kapitel 4; 5 : das Buch mit den sieben Siegeln . In diesem symbolischen Bild ist von einer Schriftrolle oder einem aufgerollten Pergament die Rede, an dem seitlich sieben Siegel angebracht sind, so daß, wenn die Rolle geöffnet wird, die Siegel nacheinander aufgebrochen werden müssen.

 

2. Die Frage "Wer ist würdig?"
(
5,2 - 5 )


Offb 5,2-5


Johannes sah einen starken Engel (vgl. Offb 10,1;18,21 ), der mit großer Stimme fragte: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen? Dies ist das erste von insgesamt 20 Malen, in denen die Wendung "mit großer Stimme" in der Offenbarung gebraucht wird. Das letzte Mal taucht dieser Ausdruck in Offb 21,3 auf. Das griechische Wort, das in der Lutherübersetzung mit "Buch" wiedergegeben ist, ist biblion , von dem auch unser Wort "Bibel" herkommt. Als niemand zur Öffnung des Buches würdig befunden wurde, weinte Johannes sehr (wörtlich "vergoß viele Tränen"). Einer von den Ältesten forderte ihn jedoch auf, sein Weinen zu unterlassen und wies ihn darauf hin, daß der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids (vgl. Jes 11,1; Offb 22,16 ), überwunden , d. h., den Sieg bereits erworben habe und allein in der Lage sei, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel .



3. Das Lamm
(
5,6-7 )


Offb 5,6-7


Auch wenn ihm der Älteste von Jesus als einem "Löwen" (V. 5 ) erzählt hatte, so sah Johannes doch ein Lamm, das wie geschlachtet oder geopfert aussah. Dieses Lamm stand mitten zwischen dem Thron und den vier Gestalten und mitten unter den Ältesten und hatte sieben Hörner und sieben Augen.

Der Löwe und das Lamm sind eindeutig Bilder für Christus, wobei das Lamm sein erstes Kommen und seinen Tod symbolisiert, während der Löwe für sein zweites Kommen und sein souveränes Gericht über die Welt steht. Nur an dieser einen Stelle wird Christus in der Offenbarung als "Löwe" bezeichnet, das Wort "Lamm" ( arnion , "Lämmchen") dagegen findet sich 27mal in diesem Buch und sonst nirgendwo im Neuen Testament. Es gibt allerdings zwei ähnliche Wörter im Neuen Testament für das Opferlamm: arEn , nur in Lk 10,3 ,und amnos , das an vier Stellen vorkommt ( Joh 1,29.36; Apg 8,32; 1Pet 1,19 ).

Hörner sind in der Bibel immer ein Sinnbild für "Stärke" ( 1Kö 22,11 ). Hier symbolisieren die "sieben Hörner" die Autorität und Stärke des Herrschers ( Dan 7,24; Offb 13,1 ). Die "sieben Augen", die als die sieben Geister Gottes definiert werden (vgl. Sach 3,9; Sach 4,10 ), repräsentieren den Heiligen Geist (vgl. Offb 1,4;4,5 ). Weil Christus allein würdig ist, nahm das Lamm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß (vgl. Dan 7,9.13.14 ).


4. Die Anbetung des Lammes
(
5,8 - 14 )


Offb 5,8


Als das Lamm das Buch nahm, ... fielen ... die vierundzwanzig Ältesten nieder vor ihm und beteten es an. Jeder Älteste hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk , die als die Gebete der Heiligen gedeutet wurden (vgl. Ps 141,2 ). Die Engel brachten zwar die Gebete dar, aber sie waren keine Priester oder Mittler zwischen Gott und den Menschen. Die Harfe (Leier) und die Posaune sind die einzigen Musikinstrumente, die in der Offenbarung im Zusammenhang mit dem himmlischen Gottesdienst erwähnt werden.



Offb 5,9-10


Die vier Gestalten und vierundzwanzig Ältesten stimmten ein neues Lied an, in dem sie dem Lamm die Vollmacht zusprachen, das Buch (zu nehmen) und aufzutun seine Siegel , denn es war geschlachtet worden und hatte mit seinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen . Die, die es mit seinem Blut (erkauft) hatte, wurden vor Gott zu Königen und Priestern gemacht (vgl. Offb 1,6 ) , und sie werden herrschen auf Erden. "Erkauft" kommt von dem griechischen Verb agorazO , "freikaufen". (Vgl. die Tabelle "Neutestamentliche Begriffe für 'Erlösung' " bei Mk 10,45 .)

Durch die Formulierung des Liedtextes ("du ... hast ... Menschen ... erkauft ... und hast sie ... gemacht ... und sie werden herrschen") erfährt die Sichtweise, daß es sich bei den vierundzwanzig Ältesten um Engel handelt, eine gewisse Stützung, wenn diese Möglichkeit auch nicht explizit angedeutet wird.

Die Exegeten sind sich über diesen Punkt nicht einig, doch es hat den Anschein, daß die Ältesten keine Engel sind, sondern daß sie die Kirche repräsentieren, denn sie sitzen auf Thronen und tragen die Siegeskrone. Engel sind jedoch zu diesem Zeitpunkt der Erfüllung des göttlichen Heilsplanes noch nicht gerichtet oder belohnt worden, stimmen allerdings kurz darauf in den Lobgesang der Gestalten und der Ältesten für das Lamm ein ( Offb 5,11-12 ). Die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten sollten nicht den Blick für die Schönheit des hier geschilderten Bildes und das Wunder, das in ihm zum Ausdruck kommt, verstellen.



Offb 5,11-12


Um die Ältesten gruppierten sich die himmlischen Heerscharen und priesen Gott ebenfalls mit großer Stimme. Sie sprachen ( legontes , im Gegensatz zu V. 9 , wo die vierundzwanzig Ältesten "sangen", adousin ): "Gott sei Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob ."

 

Offb 5,13-14


Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist , schloß sich dem himmlischen Chor an und lobte Gott. In diesem Schlußteil des allgemeinen Lobes sprachen die vier Gestalten ... Amen , und die vierundzwanzig Ältesten fielen nieder und beteten an .

Mit der himmlischen Vision in Kapitel 4; 5 wird der Leser auf die folgenden dramatischen Ereignisse vorbereitet: die Öffnung der sieben Siegel. Der Ton dieser ganzen Offenbarungen macht deutlich, daß der Himmel, von dem hier die Rede ist, real ist und keineswegs nur in der Vorstellungswelt des Apostels existierte. Diese beiden Kapitel enthüllen vielmehr die unbeschreibliche Herrlichkeit und unendliche Majestät der Gottheit im Himmel. In den folgenden Kapiteln dann wird die souveräne Macht Gottes im Gericht über eine böse Welt dargestellt, die in nie dagewesene Tiefen der Sünde und Gotteslästerung abgesunken ist. Auch wenn wir Gläubigen von heute nicht das Privileg besitzen, eine Vision, wie sie Johannes zuteil wurde oder wie sie Paulus sah ( 2Kor 12,1-3 ), zu erleben, so kann doch jeder Christ sich mit den Bildern der Schrift befassen und in ihnen die Herrlichkeit und die Wunder des Himmels spüren, die er eines Tages mit eigenen Augen schauen wird.


C. Die Öffnung der ersten sechs Siegel: die Zeit des göttlichen Zornes
( Offb 6 )


1. Das erste Siegel
(
6,1-2 )


Bevor man die Ereignisse, die in Kapitel 6 geschildert werden, begreifen kann, muß man sich zunächst fünf wichtige Fragen stellen. Erstens: Spielen die Geschehnisse, die mit der Öffnung des ersten Siegels beginnen, in der Vergangenheit oder in der Zukunft? Es wurde zwar immer wieder versucht, die Erfüllung des Geschilderten in der Vergangenheit zu beweisen (s. die Einführung ), doch wir haben guten Grund, davon auszugehen, daß die Offenbarung sich mit Dingen befaßt, die noch in der Zukunft liegen. Von der Vision, die in Kapitel 4-5 beschrieben ist, wird in Offb 4,1 gesagt, daß sie "danach" geschah, d. h. nach der Offenbarung der Botschaften an die sieben Gemeinden, die laut Offb 1,19 beschreiben, "was ist". Da die Schriftrolle in Offb 5,1 "versiegelt" ist, ist von vornherein klar, daß diese Siegel nacheinander (nach Kapitel 5 ) geöffnet werden. Alle Versuche, die Dinge, die hinter den Siegeln verborgen sind, mit Ereignissen in der Vergangenheit zu identifizieren, scheiterten bislang an der Vielzahl völlig unterschiedlicher Deutungen, von denen sich kaum einmal auch zwei decken. Es gibt einfach keine Zeit in der Geschichte, die sich wirklich eindeutig mit diesen Ereignissen in Einklang bringen ließe, so daß der Schluß sich aufdrängt, daß sie noch in der Zukunft liegen müssen.

Zweitens: Wie hängen die Siegel mit der Entrückung der Kirche zusammen? In dem Sendschreiben an die Gemeinde von Thyatira wurde die Entrückung als etwas Zukünftiges dargestellt ( Offb 2,25.28 ), und in dem Brief an die Christen von Philadelphia wurde sie ebenfalls angesprochen ( Offb 3,10-11 ). Ab Kapitel 6 finden sich jedoch keinerlei weitere Hinweise auf die Gemeinden oder ihre Entrückung, von der auch in bestimmten bekannten Passagen der Paulusbriefe die Rede ist (z. B. 1Kor 15,51-58; 1Thes 4,13-18 ). Da also weder die Entrückung noch die Kirche in Offb 6-18 eine Rolle spielen, schließen viele Exegeten, daß die Entrückung der Kirche bereits vor den Ereignissen, die in Kapitel 4 beginnen, stattfinden wird, d. h., daß sie der Zeit der Großen Trübsal vorangeht (zu einer weiteren Erörterung dieses Themas vgl. Charles C. Ryrie, Revelation ; Charles C. Ryrie, The Final Countdown ; John F. Walvoord, The Rapture Question ).

Drittens: Welche Beziehung besteht zwischen den Siegeln und Dan 9,27 ? Der göttliche Heilsplan für Israel, der in der siebzigsten Woche des Daniel seinen Abschluß findet, läßt sich am besten im Zusammenhang mit der Szenerie, wie sie in der Offenbarung geschildert wird, begreifen. Die Erfüllung der in Dan 9,27 vorhergesagten Ereignisse versuchten die Exegeten ebenfalls immer wieder in der Vergangenheit anzusiedeln, doch auch hier lassen sich keine wirklichen historischen Entsprechungen finden. Es ist deshalb plausibler, davon auszugehen, daß die letzten sieben Jahre, von denen der Prophet spricht, mit der Zeit vor dem zweiten Kommen Christi gleichzusetzen sind - also ebenfalls noch in der Zukunft liegen.

Daraus ergibt sich die vierte Frage: Befaßt sich die Offenbarung mit der ganzen Zeitspanne der sieben Jahre, die in Dan 9,27 vorhergesehen werden, oder nur mit den letzten dreieinhalb Jahren, die oft als die "Große Trübsal" oder "die Zeit der Großen Trübsal" bezeichnet werden ( Jer 30,7; Dan 12,1; Mt 24,21 )? Da die Große Trübsal in Offb 7,14 eigens erwähnt wird und dieselbe Zeitspanne auch als "der große Tag" des "Zorns" ( Offb 6,17 ) bezeichnet wird, scheint es eine klare Entsprechung zwischen Dan 9,27 und den Ereignissen im Buch der Offenbarung zu geben. Die meisten Ausleger nehmen daher an, daß die Geschehnisse ab Kapitel 6 sich auf die gesamte siebenjährige Zeitspanne beziehen. Andererseits ist in der Offenbarung jedoch nie von einem Siebenjahreszeitraum die Rede, sondern lediglich mehrmals von dreieinhalb Jahren oder 42 Monaten ( Offb 11,2;13,5 ). Weil die Ereignisse von Kapitel 6 und danach eher in die Zeit der Großen Trübsal als in die Friedenszeit in der ersten Hälfte dieser sieben Jahre zu passen scheinen ( 1Thes 5,3 ), gibt es gute Gründe für die Annahme, daß sich diese Geschehnisse in den dreieinhalb Jahren vor der Rückkehr Christi auf die Erde zusammendrängen werden. Zumindest die Ereignisse, die ab dem vierten Siegel beschrieben werden ( Offb 6,7-8 ), deuten auf eine Zeit niedagewesenen Elendes hin.

Die fünfte Frage schließlich lautet: Welche Beziehung besteht zwischen den Ereignissen der Offenbarung und der Endzeitrede Christi ( Mt 24-25 )? Wie J. Dwight Pentecost aufzeigt ( Things to Come , S. 280 - 282), ähneln sich die in der Offenbarung und im Matthäusevangelium vorhergesagten Geschehnisse in auffallender Weise: (a) Krieg ( Mt 24,6-7; Offb 6,3-4 ), (b) Hungersnot ( Mt 24,7; Offb 6,5-6 ), (c) Tod ( Mt 24,7-9; Offb 6,7-8 ), (d) Martyrium ( Mt 24,9-10.16-22; Offb 6,9-11 ), (e) die Verfinsterung der Sonne und des Mondes und das Herabfallen der Sterne des Himmels ( Mt 24,29; Offb 6,12-14 ), (f) das göttliche Gericht ( Mt 24,31- Mt 25,46; Offb 6,15-17 ). Ganz offensichtlich sind die Dinge, die in der Offenbarung geschildert werden, also auch bereits Thema früherer Prophezeiungen gewesen, was für die Deutung der Symbolsprache in der Offenbarung des Johannes eine große Hilfe ist. Alle Belege weisen darauf hin, daß hier die Endzeit (und zwar wahrscheinlich die letzten dreieinhalb Jahre) beschrieben ist, die mit dem Höhepunkt des zweiten Kommens Christi und der Errichtung seines Reiches ihren Abschluß findet (weitere Ausführungen zu diesem Punkt s. Walvoord, Revelation , S. 123 - 28; vgl. auch den Kommentar zu Mt 24-25 ).



Offb 6,1-2


Johannes sah, wie das erste der sieben Siegel aufgetan wurde. Er sah ... ein weißes Pferd mit einem Reiter, der einen Bogen und eine Krone ( stephanos ) hatte und auszog, um zu siegen . Weil Christus bei seinem zweiten Kommen auf einem weißen Pferd reitend dargestellt wird ( Offb 19,11 ), beziehen manche Exegeten diese Stelle ( Offb 6,2 ) ebenfalls auf Christus, denn das weiße Pferd ist ein Symbol des Sieges. So ritten römische Generäle nach einer siegreichen Schlacht auf einem weißen Pferd in einem Triumphzug durch die Stadt, gefolgt von ihren Kriegsgefangenen. Dieser These widerspricht jedoch die Chronologie der Ereignisse, denn Christus kehrt nicht zu Beginn der Großen Trübsal, sondern erst am Ende dieser Zeit sieghaft auf die Erde zurück. Außerdem sind die Reiter auf den anderen Pferden ganz offensichtlich Sinnbilder für die Zerstörung und das Gericht, die dem zweiten Kommen Christi um einige Zeit vorangehen.

Plausibler ist also die Deutung, daß der Eroberer, von dem hier die Rede ist, der künftige Weltherrscher ist, der manchmal auch als Antichrist bezeichnet wird, wenngleich dieser Begriff in der Offenbarung selbst nicht auftaucht. Er ist wahrscheinlich identisch mit dem Fürsten des Volkes in Dan 9,26 . Dieser Fürst trägt einen Bogen ohne Pfeil - ein Zeichen dafür, daß ihm die Weltherrschaft, die er errichtet, kampflos zufällt (vgl. den Kommentar zu Offb 13,4 ). Die künftige Weltherrschaft beginnt mit einer Friedenszeit, der bald darauf eine Zeit der Zerstörung folgt ( 1Thes 5,3 ). Die Siegel, Posaunen und Schalen des göttlichen Zorns, von denen in den folgenden Kapiteln erzählt wird, kündigen das schreckliche Gericht Gottes über die Welt am Ende der Zeiten an, das seinen Höhepunkt in der Wiederkunft Christi findet.

 

2. Das zweite Siegel
(
6,3-4 )


Offb 6,3-4


Als das zweite Siegel geöffnet wurde, erschien ein zweites Pferd , das feuerrot war. Sein Reiter hatte die Macht, den Frieden von der Erde zu nehmen (vgl. den "roten Drachen" in Offb 12,3 und das "scharlachrote Tier" in Offb 17,3 ). Im Gegensatz zum ersten Reiter, der einen Bogen ohne Pfeil in der Hand hielt, trug der zweite Reiter ein großes Schwert - ein weiteres Bild für die politische Macht dieser Gestalt, die die Welt beherrschen wird.



3. Das dritte Siegel
(
6,5-6 )


Offb 6,5-6


Das dritte Siegel brachte ein schwarzes Pferd zum Vorschein, dessen Reiter eine Waage in seiner Hand (hatte). Gleichzeitig hörte Johannes eine Stimme mitten unter den vier Gestalten sagen: Ein Maß Weizen für einen Silbergroschen und drei Maß Gerste für einen Silbergroschen, aber dem Öl und Wein tu keinen Schaden! Ein "Silbergroschen", der römische Denar, dessen damaliger Wert heute etwa 25 Pfennigen entspricht, war der übliche Tageslohn eines Arbeiters. Dieses Bild weist auf eine Nahrungsmittelknappheit hin, die so groß sein wird, daß ein Arbeiter für seinen gesamten Tageslohn gerade noch ein einziges Maß Weizen oder aber drei Maß Gerste kaufen kann. Wenn nun jemand Weizen kauft, so reicht das nur noch aus, sich eine einzige gute Mahlzeit zu bereiten; wenn er Gerste kauft, so kann er sich drei Mahlzeiten kochen, doch in keinem Fall kann er sich Öl oder Wein leisten. Der Hunger, der eine unausweichliche Folge des Krieges ist, wird auch in der Zeit der Großen Trübsal eine Haupttodesursache der Menschen sein. Die schwarze Farbe des dritten Pferdes deutet auf Hunger und Tod hin.


4. Das vierte Siegel
(
6,7 - 8 )


Offb 6,7-8


Das vierte Siegel zeigte ein fahles Pferd . Das griechische Wort, das hier mit "fahl" wiedergegeben ist, bezeichnet eigentlich ein blasses Grün (vgl. dasselbe Wort, das in Mk 6,39 und Offb 8,7;9,4 für die Vegetation gebraucht ist). Johannes schrieb: Der Name des Reiters war: Der Tod, und die Hölle folgte ihm nach . Was hier geschildert wird, sind die Folgen von Krieg, Hunger und Tod. Durch Krieg und Hunger werden die Menschen geschwächt und sind damit eine leichte Beute für Seuchen und wilde Tiere. Das Erschrekkende an diesem Vers ist, daß dem Reiter des vierten Pferdes Macht gegeben (wurde) über den vierten Teil der Erde , das wären heute schätzungsweise eine Milliarde Menschen, die umkämen. Schon diese gigantische Zahl zeigt, daß es sich hier nicht um ein untergeordnetes Gericht, sondern um ein wichtiges Ereignis in der Großen Trübsal handelt, an dem erkennbar wird, daß diese schwere Zeit nun begonnen hat. Man kann die ersten vier Siegel gleichsam als eine Einheit und damit als allgemeine Beschreibung der Zeit der Großen Trübsal - einer Zeit nie dagewesenen Leidens (vgl. Jer 30,7; Dan 12,1; Mt 24,21-22 ) - sehen.



5. Das fünfte Siegel
(
6,9 - 11 )


Offb 6,9


Das fünfte Siegel brachte dann wieder eine Offenbarung des Himmels. Die Aufmerksamkeit des Apostels wurde auf die Seelen gerichtet, die unten am Altar waren - ein Sinnbild für die Seelen der Menschen, die umgebracht worden waren um des Wortes Gottes und um ihres Zeugnisses willen . (Zu der Wendung "unten am Altar" vgl. 2Mo 29,12; 3Mo 4,7 .) Es waren offensichtlich die Seelen der Märtyrer, von denen in Offb 7 nochmals die Rede sein wird. Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß die Seelen dieser Menschen in der Zeit der Großen Trübsal zwar bewahrt werden, daß viele von ihnen aber nichtsdestoweniger den Märtyrertod erleiden müssen.

 

Offb 6,10-11


Die Seelen schrien mit lauter Stimme zum Herrn und fragten ihn, wie lange es noch dauerte, bis er sie rächen würde. Daraufhin erhielt jede von ihnen ein weißes Gewand , und es wurde ihnen gesagt, daß die Trübsal noch nicht vorüber sei und noch andere den Märtyrertod sterben müßten, bevor der Herr bei seinem zweiten Kommen die Bösen richten und die Gerechten erlösen würde. Diese Passage ist ein Beleg dafür, daß hier die Zeit der Großen Trübsal selbst und nicht etwa das Ende dieser Zeit geschildert wird.

Wesen, die nur Geister sind, können keine Kleider tragen. Die Tatsache, daß diese Seelen weiße Gewänder anlegen konnten, spricht dafür, daß die Gläubigen nach ihrem Tod im Himmel zunächst "vorläufige" Leiber erhalten, die nach der Auferstehung durch verherrlichte Leiber ersetzt werden (vgl. Offb 20,4 ).


6. Das sechste Siegel
(
6,12 - 17 )


Offb 6,12-14


Als nächstes berichtete Johannes von einem großen Erdbeben, das einsetzte, als das sechste Siegel geöffnet wurde. Noch schrecklicher als dieses Erdbeben waren allerdings die gleichzeitig stattfindenden Veränderungen am Himmel: Die Sonne wurde finster wie ein schwarzer Sack, und der ganze Mond wurde wie Blut, und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, wie ein Feigenbaum seine Feigen abwirft, wenn er von starkem Wind bewegt wird. Der ganze Himmel war wie eine Schriftrolle, die zusammengerollt wird . Gleichzeitig fingen - infolge des Erdbebens - die Berge und Inseln an zu wandern. Auch diese schrecklichen Naturkatastrophen bedeuteten jedoch noch nicht das Ende der Weltgeschichte, denn noch war ein letztes Siegel aufzubrechen. Aber die Öffnung des sechsten Siegels brachte das bis dahin schrecklichste Gericht, das in der Zeit der Trübsal vor der Wiederkunft Christi über die Menschen hereinbrach.

Das hier Vorhergesagte wurde zwar von vielen Exegeten bildlich verstanden, doch es ist plausibler, die Prophezeiung durchaus wörtlich zu nehmen. Auch die Posaunen und die Schalen des Zorns, die Johannes danach sehen sollte, bewirken ja große Veränderungen am Himmel und auf Erden, bevor Christus schließlich auf die Erde zurückkehren wird.



Offb 6,15-17


Eine ganz konkrete Folge des Gerichtes des sechsten Siegels war die Furcht, die die Ungläubigen ergriff. Sie flehten zu den Bergen und Felsen , über sie zu fallen und sie vor dem Zorn des Lammes zu verbergen. Ihre Angst war so groß, daß sie lieber sterben wollten, als vor das Angesicht ... des Lammes zu treten und Opfer ihres - das Wort bezieht sich auf die dreieinige Gottheit - Zorns zu werden. Hier geht es ganz offensichtlich nicht um die Schilderung eines alltäglichen Unglücks, sondern um Leiden, wie sie die Menschheit in ihrer ganzen Geschichte noch nicht ertragen mußte.

Aus der Gesamtschau ist Kapitel 6 eines der wichtigsten Kapitel des Buches der Offenbarung. Es beschreibt die Ereignisse bei der Öffnung der ersten sechs Siegel und führt das siebte Siegel ein, dessen Öffnung wiederum die sieben Posaunen und die sieben Schalen des Zorns nach sich zieht ( Offb 8-9,16 ).

Das in Kapitel 6 Gesagte sollte die irrige Vorstellung, daß Gott - der ja der Gott der Liebe ist - die böse Welt nicht richten wird, ausreichend widerlegt haben. Nicht umsonst wirft es in den Schlußworten von Vers 17 die entscheidende Frage auf: Wer kann bestehen? - Nur die, die sich vor der Zeit des Gerichts die Gnade Gottes erworben haben, werden verschont werden, wenn Gott am Ende der Großen Trübsal über die Erde urteilen wird. Wer dann auf Rettung hoffen darf, erfahren wir im nächsten Kapitel.



D. Die in der Zeit der Großen Trübsal Bewahrten
( Offb 7 )


1. Die Hundertvierundvierzigtausend, die versiegelt waren aus allen Stämmen Israels
(
7,1-8 )


Offb 7,1-3


In Offb 6,17 wurde gefragt, ob in der Zeit der Großen Trübsal überhaupt ein Mensch bewahrt bleibt. Auf diese Frage gibt das vorliegende Kapitel Antwort. Dabei werden zwei Gruppen eigens erwähnt: (1) Die Israeliten, die auch leiblich gerettet werden, und (2) die Heiden aller Völker, die, obwohl geistlich gerettet, den Märtyrertod sterben werden. Vier Engel erhielten den Auftrag, mit der Ausführung des Gerichts über die Erde zu warten, bis die Knechte Gottes versiegelt sind (V. 3 ). Das Siegel, das sie an ihren Stirnen tragen sollten, ist ein Symbol für den Schutz Gottes, dessen Eigentum sie sind, und versinnbildlicht gleichzeitig Gottes erklärte Absicht, die zwölf Stämme Israel, die hier namentlich aufgeführt werden, zu bewahren, wie einst Noah vor der Sintflut, Israel vor den Plagen in Ägypten und Rahab und ihr Haus in Jericho bewahrt wurden.

 

Offb 7,4-8


Johannes hörte die Namen der zwölf Stämme, aus denen jeweils zwölftausend versiegelt , d. h. geschützt wurden. Die zwölf Stämme Israels sind also keineswegs "verloren", wie manchmal behauptet wird.

Es gab in der Exegese Ansätze, die zwölf Stämme mit der Kirche zu identifizieren, um die Folgerung zu vermeiden, daß es sich bei diesen Versiegelten tatsächlich um Israel handelt. Die Tatsache jedoch, daß die Stämme namentlich aufgezählt werden und zudem aus jedem dieser Stämme eine konkrete Zahl genannt wird, scheint die Aussage von der symbolischen auf die Realitätsebene zu verlagern und eine wörtliche Deutung zu rechtfertigen. Wenn Gott gewollt hätte, daß ganz deutlich wird, daß mit diesen Versen Israel gemeint ist, dann hätte er es sicherlich auf genau diese Weise ausgedrückt. Im übrigen stehen nirgendwo sonst in der Bibel die zwölf Stämme Israel für die Kirche. Es liegt auf der Hand, daß Israel die Zeit der Trübsal durchlaufen wird, und wenn die Menschen heute auch noch nicht wissen, welcher Stamm dazugehören wird, so weiß es doch Gott auf jeden Fall.

Es ist viel darüber spekuliert worden, warum der Stamm Dan an dieser Stelle ausgelassen wurde. Josef und der eine seiner beiden Söhne, Manasse, sind in die Liste aufgenommen, wohingegen Ephraim, der zweite Sohn Josefs, nicht erwähnt wird. Wäre Dan ebenfalls genannt, so wären es dreizehn Stämme gewesen. Nach J. B. Smith enthält die Heilige Schrift im Alten und Neuen Testament zusammen 29 Aufzählungen der Stämme Israels, wobei in keiner mehr als zwölf aufgeführt werden ( A Revelation of Jesus Christ , S. 130). Gewöhnlich wurde der Stamm Levi, aus dem sich die Priesterschaft rekrutierte, weggelassen. Wenn also ganz einfach die Zwölferzahl nicht überschritten werden sollte, so ist die Auslassung des Stammes Dan ohne Bedeutung. Möglicherweise wurde der Stamm jedoch auch nicht erwähnt, weil er als einer der ersten dem Götzendienst verfiel ( Ri 18,30; vgl. 1Kö 12,28-29 ). In Hes 48,2 gehört der Stamm Dan allerdings zu denen, die im Tausendjährigen Reich das Land in Besitz nehmen werden.

Die entscheidende Lehraussage dieser ganzen Passage bleibt auf jeden Fall bestehen: Gott wird auch in dieser letzten schrecklichen Zeit über Israel wachen. Überlegungen über die Anzahl oder die Namen der Stämme, die lediglich darauf abzielen, das hier Gesagte mit der Kirche in Verbindung zu bringen, entbehren also jeglicher biblischen Grundlage.



2. Die Schar der Märtyrer
(
7,9 - 17 )


Offb 7,9-12


Als nächstes sah Johannes eine große Schar Menschen aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron (d. h. vor Gott Vater) und dem Lamm (d. h. Gott Sohn). Es sind dieselben, von denen bereits in Offb 6,9 die Rede war, doch hier waren sie angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen - offenbar ein Zeichen des Triumphes ihres Gerechtseins. Dem Lob dieser Schar, die Gott und das Lamm für ihre Rettung pries, schlossen sich alle Engel ... die Ältesten und ... die vier Gestalten an (vgl. Offb 5,9-12 ).



Offb 7,13-17


Einer der Ältesten fing an und fragte Johannes, wer die Leute seien, die mit den weißen Kleidern angetan waren. Wenn die vierundzwanzig Ältesten die Kirche repräsentieren, muß diese Gruppe offensichtlich eine andere erlöste Schar darstellen. Auf die Entgegnung des Johannes, daß er es nicht wisse (V. 14 a), gab der Älteste selbst die Antwort: Diese sind's, die gekommen sind aus der großen Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes.

Es scheint klar, daß "diese, die gekommen sind aus der großen Trübsal", den Märtyrertod erlitten und dann Aufnahme im Himmel fanden. Es wurde ihnen das besondere Vorrecht zuteil, vor dem Thron Gottes zu erscheinen und ihm Tag und Nacht in seinem Tempel zu dienen . Sie stehen nun unter dem direkten Schutz Gottes und sollen niemals mehr hungern noch dürsten noch soll sie irgendeine Hitze treffen - eine Ankündigung, die darauf schließen läßt, daß sie auf Erden unter diesen Beschwernissen zu leiden hatten. Jetzt aber weidet sie das Lamm mit besonderer Fürsorge, und sie trinken aus Quellen des lebendigen Wassers . Die Passage endet mit der tröstenden Versicherung, daß all ihre Tränen abgewischt werden sollen.

Die beiden großen Gruppen, die Johannes hier erblickte, waren einmal die hundertvierundvierzigtausend Israeliten und zum anderen eine große Zahl von Menschen aus allen Völkern, unter ihnen auch einige Israeliten, die nicht "versiegelt" worden waren und in der Großen Trübsal den Märtyrertod erlitten. Wahrscheinlich repräsentiert keine dieser beiden Gruppen die Kirche, den Leib Christi im gegenwärtigen Zeitalter, weil beide von den vierundzwanzig Ältesten unterschieden werden und keine von ihnen explizit mit der gegenwärtigen Kirche identifiziert wird.

Die in diesem und den nächsten Kapiteln geschilderten Ereignisse treiben das Geschehen nicht voran, sondern stellen gleichsam ein retardierendes Moment dar, um verschiedene konkrete Punkte der Offenbarung über ganz bestimmte Dinge besonders zu erhellen. Hier steht zunächst die Antwort auf die Frage in Offb 6,17 im Mittelpunkt: "Wer kann bestehen?"

Die Kapitel im Buch der Offenbarung sind zwar nicht chronologisch geordnet, doch Kapitel 7 beschreibt eindeutig eine Szene im Himmel, die dem zweiten Kommen Christi auf die Erde vorangeht. Von den Menschen, die hier im Himmel erscheinen, wird ausgesagt, daß sie "aus der großen Trübsal" (V. 14 ) kommen. Es folgt eine Schilderung der Segnungen und Wohltaten, die ihnen im Himmel nach ihren irdischen Bedrängnissen widerfahren. (Die Hundertvierundvierzigtausend werden in Offb 14,1-5 nochmals auftreten.) Dazu kommt die Schar der Märtyrer, die getötet wurden, weil sie sich weigerten, das Tier anzubeten. (Sie werden im Zusammenhang mit der Auferstehung in Offb 20,4 ein zweites Mal erwähnt.) Daß es sich bei diesen Menschen nicht um Heilige des Tausendjährigen Reiches handelt, wird schon an der Tatsache deutlich, daß sie vor Gottes Thron im Himmel erscheinen und auferweckt werden.

 



E. Die Öffnung des siebten Siegels und die Einführung der sieben Posaunen
( Offb 8-9 )


1. Die Öffnung des siebten Siegels
(
8,1 )


Offb 8,1


Als das siebente Siegel geöffnet wurde, entstand eine Stille im Himmel etwa eine halbe Stunde lang - ein Vorzeichen für die Bedeutung dieses Siegels. Die sieben Posaunen, die nun erschallen sollten, unterscheiden sich in dem, was sie ankündigen, klar von den sieben Siegeln. W. Graham Scroggie stellt vielmehr fest: "Die Posaunen greifen nicht etwa die Themen be stimmter oder gar aller Siegel nochmals auf, sondern liegen unter dem sechsten Siegel verborgen und gehen von ihm aus" ( The Great Unveiling , S. 111). Ebenso sind auch die Schalen des Zornes Gottes ( Offb 16 ) seiner Ansicht nach "keine Wiederholung der Siegel und der Posaunen" (S. 112).

Das Verhältnis zwischen den "sieben Siegeln", "sieben Posaunen" und den "sieben Schalen des Zorns"

   
    Siegel
1 2 3 4 5 6 7
            |
            |  Posaunen
            1 2 3 4 5 6 7
                        |
                        | Zornschalen
                        1 2 3 4 5 6 7

         

C. A. Blanchard vertritt dieselbe Auffassung: "Die dreifache Reihung der Siebenzahl gehört eigentlich in eine einzige Siebenerabfolge, d. h., die sieben Posaunen sind unter dem siebten Siegel verborgen, die sieben Schalen des Zorns aber unter dem Klang der siebten Posaune, so daß wir es im Grunde mit einer einzigen Abfolge in drei Schritten zu tun haben" ( Light on the Last Days , S. 58). Das siebte Siegel ist also deshalb so wichtig, weil es letztlich alle Ereignisse von Offb 8,1-19,10 in sich einschließt.



2. Die sieben Engel und die sieben Posaunen
(
8,2 )


Offb 8,2


Während Johannes das himmlische Schauspiel betrachtete, fielen ihm sieben Engel auf, denen sieben Posaunen gegeben wurden. Die Tatsache, daß es sich hier um Engelsposaunen handelt, unterscheidet sie von der Posaune des Herrn ( 1Kor 15,52; 1Thes 4,16 ) und von anderen neutestamentlichen Posaunenerscheinungen ( Hebr 12,19; Offb 1,10;4,1 ).



3. Das goldene Räuchergefäß
(
8,3 - 5 )


Offb 8,3-5


Dem Schall der Posaunen ging eine eindrucksvolle Handlung voraus: Ein anderer Engel , der zu den sieben hinzukam, trat an den Altar und hatte ein goldenes Räuchergefäß . In der alttestamentlichen Stiftshütte wurde ein kupfernes Räuchergefäß, das wahrscheinlich relativ schwer war, dazu benutzt, Kohlen von dem vergoldeten Altar vor der Stiftshütte zum Räucheraltar zu bringen. Später im Tempel Salomos wurden goldene Räuchergefäße verwendet ( 1Kö 7,50; 2Chr 4,22 ).

Dies ist die einzige Stelle in der Offenbarung, wo von Rauchgefäßen die Rede ist (bei den "Schalen voll Räucherwerk" in Offb 5,8 handelte es sich wahrscheinlich nicht um Räuchergefäße). Wie die goldenen Gefäße in Offb 5,8 ist auch das "goldene Räuchergefäß" ein Symbol für die Darbringung von Gebeten aller Heiligen .

Damit wird an den Brauch, Räucherwerk auf dem Räucheraltar in der Stiftshütte und im Tempel darzubringen, angeknüpft. In einem Räuchergefäß befanden sich normalerweise glühende Kohlen, und ein zweites Gefäß enhielt die Räucheressenz, die dann am Altar über die Kohlen gegossen wurde. Der Rauch, der sich dabei entwickelte, war ein Sinnbild für das Gebet, das zu Gott aufstieg.

Nach der Schilderung von Vers 5 brachte der Engel das Räucherwerk auf den Kohlen vor Gott dar und schüttete es dann, nachdem er es mit Feuer vom Altar gefüllt hatte, auf die Erde . Daraufhin erhoben sich Donner und Stimmen und Blitze und Erdbeben - ein unheilvolles Vorzeichen für das Kommende.



4. Die erste Posaune
(
8,6-7 )


Offb 8,6-7


Als der erste Engel seine Posaune (blies) ... kam Hagel und Feuer, mit Blut vermengt, und fiel auf die Erde , so daß der dritte Teil der Erde verbrannte , einschließlich der Bäume ... und alles grüne Gras . Diese verheerende Strafe betraf also, wie auch die Folgen der meisten anderen Posaunen, ein Drittel der Erde.



5. Die zweite Posaune
(
8,8 - 9 )


Offb 8,8-9


Als die zweite Posaune erklang, stürzte etwas wie ein großer Berg mit Feuer brennend ins Meer , so daß der dritte Teil des Meeres ... zu Blut wurde und der dritte Teil der lebendigen Geschöpfe im Meer starb und der dritte Teil der Schiffe vernichtet wurde. Man faßt die hier geschilderten Ereignisse am besten wörtlich auf, wobei die Beschreibung des in Blut verwandelten Meeres allerdings sicherlich eine bildhafte Redewendung ist wie auch das Blut, das dem Hagel und Feuer der ersten Posaune folgt. Auch bei den sieben Plagen, die über Ägypten kamen (vgl. 2Mo 7,14-22 ), war das Blut ein Zeichen des göttlichen Gerichtes.

Die Katastrophen, die sich aus diesem Strafgericht ergaben, sind jedoch eindeutig als Tatsachen anzusehen. Die Verwandlung des Meeres in Blut hat den Tod eines Drittels der im Meer lebenden Tiere zur Folge, und der ins Meer stürzende brennende Berg zerstört ein Drittel der Schiffe. Man stellt sich diesen Berg wohl am besten als eine riesige Masse, die vom Himmel herabfällt, vor. Da die Auswirkungen so realistisch sind, ist es plausibel, auch ihre Ursache, das göttliche Strafgericht, für real zu halten.



6. Die dritte Posaune
(
8,10-11 )


Offb 8,10-11


Die Strafe, die auf die dritte Posaune folgte, glich dem Geschehen nach der zweiten Posaune. Nur wird hier die Masse, die vom Himmel stürzt, als ein großer Stern ..., der ... wie eine Fackel (brannte) , identifiziert. Dieser Stern fiel auf den dritten Teil der Wasserströme und auf die Wasserquellen , also auf nichtozeanische Wasserreservoire.

Der Name des Sterns war Wermut . "Wermut" ist eine bittere Pflanze, die in der Wüste wächst und nur an dieser Stelle im Neuen Testament erwähnt wird, während sie im Alten Testament siebenmal als Sinnbild des Leides und der schweren Bestrafung vorkommt ( 5Mo 29,17; Spr 5,4; Jer 9,14;23,15; Kl 3,15.19; Am 5,7 ).

Viele Exegeten haben versucht, das Geschehen beim Schall der dritten Posaune symbolisch zu deuten. Doch es liegt wohl näher, den Stern, von dem hier die Rede ist, mit einem großen Meteoriten oder Kometen gleichzusetzen, der auf die Erde stürzt und das Wasser wie beschrieben bitter macht, so daß die Menschen, die davon trinken, sterben. Das Gegenteil zu diesem Vorgang, das im Kreuz Christi zu finden ist, ist symbolisch im Süß-Werden des Wassers von Mara ( 2Mo 15,23-25 ) und in der Verwandlung der Strafe im Gericht in Gnade, Leben und Hoffnung vorweggenommen. Auch die furchtbaren Folgen der dritten Posaune bringen den Tod über viele Lebewesen.



7. Die vierte Posaune
(
8,12 )


Offb 8,12


Bei dem Klang der vierten Posaune verdunkelte sich der dritte Teil des Himmels. Ohne den dritten Teil der Sonne war es ein Drittel des Tages dunkel, und ohne das Licht des Mondes und der Sterne war auch die Nacht stockfinster. Auch hier ist wieder die wörtliche Deutung die plausibelste. So wie die ersten drei Posaunen ein Drittel der Erde verwüsteten, zerstörte die vierte Posaune ein Drittel des Himmels.


8. Die Ankündigung der letzten Posaunen
(
8,13 )


Offb 8,13


Es erfolgte eine Warnung, daß die nächsten drei Posaunenstöße noch wesentlich verheerendere Folgen haben würden als die vorangegangenen. Das dreifache Weh , das ein Adler (vgl. Offb 4,7;12,14 ) ausstieß, kündigte das kommende Gericht an.

 

9. Die fünfte Posaune
(
9,1 - 11 )


Offb 9,1-6


Die Geschehnisse nach dem Klang der fünften Posaune werden ausführlich erklärt, was darauf hinweist, daß sie einen wichtigen Schritt in Gottes fortschreitendem und sich immer weiter steigernden Gericht über die Erde darstellen. Der Stern, der auf die Erde fiel, war wohl eine Person und kein Meteorit; darauf deuten jedenfalls das Pronomen er in Vers 2 sowie der Begriff "König" in Vers 11 (vgl. Jes 14,12-17; Lk 10,18 ). Dieser Stern, der wahrscheinlich den zu Beginn der Großen Trübsal aus dem Himmel geworfenen Satan darstellt ( Offb 12,9 ), erhielt den Schlüssel zum Brunnen des Abgrunds , (abyssos), des Wohnorts der Dämonen (vgl. Lk 8,31; Offb 9,11;11,7;17,8;20,1.3; in Röm 10,7 ist dasselbe Wort mit "Tiefe" übersetzt). Satan wird für tausend Jahre - während der Herrschaft Christi auf Erden - im Abgrund gefangen sein ( Offb 20,1-3 ).

Nach dem Erklingen der fünften Posaune gebrauchte der Stern (Satan) seinen Schlüssel dazu, die Dämonen aus dem Abgrund zu befreien und als Peiniger auf die Erde zu schicken. Für das Auge wurde dieses Ereignis als ein großer Rauch sichtbar, der die Sonne und die Luft verdunkelte. Aus dem Rauch kamen Heuschrecken , die wie Skorpione einen tödlichen Stachel hatten. Für die Vegetation waren sie unschädlich, aber sie stachen die Menschen, die nicht das Siegel Gottes ... an ihren Stirnen trugen.

Nach dem Bericht von Kapitel 7 wurden hundertvierundvierzigtausend Israeliten versiegelt, und alle, die in jener Zeit den Herrn kannten, wurden vor der Plage beschützt (vgl. Eph 1,13-14; 2Tim 2,19 ). Zur Zeit des Alten Testamentes waren die Heuschrecken eine schreckliche Plage, denn sie fraßen unter Umständen die gesamte Ernte und konnten das Land dadurch in eine Hungersnot stürzen ( 2Mo 10,12-20; Joe 1,4-7 ). Die Heuschrecken, um die es hier geht, ernährten sich jedoch nicht von Blättern; sie hatten die Macht, die Menschen fünf Monate lang zu quälen (vgl. Offb 9,10 ). Es waren wahrscheinlich Dämonen, die in der Gestalt von Heuschrecken auftraten. Das wird auch dadurch bestätigt, daß sie aus dem "Brunnen des Abgrunds", der Heimstätte der Dämonen, ausgeschwärmt waren ( Lk 8,31 ). Ihre dämonische Macht über die Menschen äußerte sich darin, daß ihre Opfer zwar wünschten zu sterben, sich aber nicht das Leben nehmen konnten.


Offb 9,7-11


Das Aussehen der Heuschrecken, die Rossen, die zum Krieg gerüstet sind , glichen, war schrecklich: Sie trugen goldene Kronen, ihr Antlitz glich der Menschen Antlitz ... sie hatten Haar wie Frauenhaar und Zähne wie Löwenzähne . Dazu trugen sie eisenartige Panzer und besaßen Flügel , deren Schlagen klang wie das Rasseln der Wagen vieler Rosse, die in den Krieg laufen .

Johannes beschrieb hier offensichtlich einfach, was er erblickte, ohne die einzelnen Details genauer zu deuten. Das Ergebnis ist ein Bild der furchtbaren übernatürlichen Macht Satans und der Welt der Dämonen, die ganz besonders die Ungläubigen bedroht.

Anders als die vorhergehenden Strafen, die offensichtlich nur kurze Zeit andauerten, erstreckte sich diese Plage über fünf Monate (V. 10 ; vgl. V. 5 ). Diese Tatsache ist insofern wichtig, als sie die Vorstellung widerlegt, daß all dies sich in einer sehr kurzen Zeitspanne unmittelbar vor der Wiederkunft Christi abspielen wird.

Die Heuschrecken-Dämonen hatten einen Herrscher über sich , dessen Name hebräisch Abaddon, griechisch ... Apollyon , lautete. Beide Wörter bedeuten "Zerstörer". Obwohl Satan manchmal als Engel des Lichtes ( 2Kor 11,14 ) dargestellt wird, tritt an dieser Stelle zutage, was er und seine Dämonen wirklich sind: die "Zerstörer" der Menschheit. Die Strafe nach der fünften Posaune bestätigt, was schon die vorhergehenden Strafen haben ahnen lassen: daß die Zeit der Großen Trübsal, wie Christus sie nennt, eine Zeit großer "Bedrängis sein (wird), wie sie nicht gewesen ist vom Anfang bis jetzt und auch nicht wieder werden wird" ( Mt 24,21 ). 10. Die sechste Posaune ( Offb 9,12-21 )



Offb 9,12


Auf die fünfte Posaune, die als das erste Wehe bezeichnet wird, folgten die beiden letzten Posaunenklänge oder "Weherufe" (vgl. Offb 8,13 ).



Offb 9,13-15


Die sechste Posaune scheint mit dem letzten militärischen Gefecht, von dem in Offb 16,12-16 die Rede ist (vgl. Dan 11,40-45 ), in Zusammenhang zu stehen. Bei ihrem Klang hörte Johannes eine Stimme aus den vier Ecken des goldenen Altars vor Gott . Sie befahl dem sechsten Engel, ... die vier Engel , die am Euphrat (gebunden sind) , loszulassen. Bei diesen vier Engeln handelte es sich wohl um Dämonen, denn heilige Engel sind nicht "gefesselt". Die Freilassung dieser vier Kräfte war auf die Stunde und den Tag und den Monat und das Jahr genau festgesetzt und führte abermals zum Tode des dritten Teils der Weltbevölkerung.

Nach der Öffnung des vierten Siegels ( Offb 6,7-8 ) war bereits ein Viertel der Menschen auf der Welt umgebracht worden. An dieser Stelle nun kam wieder ein Drittel der verbleibenden Bevölkerung ums Leben. Allein diese beiden Strafen hatten also unabhängig von allen dazwischenliegenden Plagen den Tod der Hälfte der Weltbevölkerung zur Folge. Man sollte diese Angaben wörtlich nehmen, denn sie bestätigen die Aussage von Daniel ( Dan 12,1 ) und die Worte Christi ( Mt 24,21 ), daß die Große Trübsal schlimmer als alles je Dagewesene sein wird und mit dem Tod aller Menschen enden müßte, wenn diesen Schrecken nicht durch das zweite Kommen Christi Einhalt geboten würde ( Mt 24,22 ).

 

Offb 9,16


Das Losbinden der vier Engel (die nicht mit den vier Engeln in Offb 7,1 verwechselt werden dürfen) führte zur Entsendung eines reitenden Heeres von vieltausendmal tausend Männern. Nach Aussage mancher Exegeten ist damit eine riesige dämonische Heeresmacht gemeint, doch Dämonen treten normalerweise nicht in geordneten Schlachtreihen auf. Die Tatsache, daß Johannes ihre Zahl (hörte) , da er das riesige Aufgebot offensichtlich gar nicht überblicken konnte, macht die Annahme glaubhaft, daß es sich hier um eine konkrete Angabe handelt, derzufolge ein Heer von Osten den ausgetrockneten Euphrat überschreiten wird ( Offb 16,12 ). Der Euphrat wurde in neuerer Zeit durch große Dämme umgeleitet, um Wasser zur Bewässerung abzuzweigen, so daß das eigentliche Flußbett zeitweise ganz trocken oder zumindest beinahe trocken ist. Schon in Dan 11,44 wird eine große Invasion vom Osten und Norden in der Endzeit vorhergesagt.



Offb 9,17-19


Die Rosse und die darauf saßen ... hatten feuerrote und blaue und schwefelgelbe Panzer . Daß die Häupter der Rosse löwenartig aussahen, deutet darauf hin, daß es sich hier nicht um normale Pferde handeln kann, zumal Johannes schilderte, daß aus ihren Mäulern ... Feuer und Rauch und Schwefel strömte. Manche Ausleger haben dieses Bild auf die moderne Kriegstechnik mit ihren bewaffneten Fahrzeugen - etwa Panzern - übertragen. Doch unabhängig davon, ob das hier Beschriebene nun symbolisch oder faktisch aufzufassen ist, auf jeden Fall ist von einer schrecklichen Zerstörung und einer furchtbaren vorrückenden Macht die Rede. Die Verheerungen, die sie anrichtet, werden zweimal konstatiert und schließen unter anderem abermals den Tod eines Drittels der Menschheit ein (V. 15.18 ).



Offb 9,20-21


Trotz dieses grauenhaften Gerichtes, das ganz eindeutig von Gott gesandt war, bereuten die Menschen nicht, sondern fuhren fort, die bösen Geister und ihre Sinnbilder, die ... Götzen , zu verehren. Sie hörten nicht auf zu morden, befaßten sich weiterhin mit dem Okkulten ( Zauberei , pharmakeiOn ; ein Wort, von dem unser heutiger Begriff "Pharmazie" abgeleitet ist; vgl. Gal 5,20; Offb 18,23;21,8;22,15 ) und ergaben sich in schamloser Weise ihrer Unzucht und ihrer Dieberei .

Die Strafen, die auf den Klang der Posaunen folgten, steigerten sich mehr und mehr und hatten immer schlimmere und grausigere Auswirkungen. Doch trotz des klaren Erweises der göttlichen Richtermacht über die Welt sah Johannes keinerlei Anzeichen dafür, daß die große Masse der Menschen sich in irgendeiner Weise innerlich wandelte. Die sechste Strafe brachte zwar Furcht in ihren Herzen hervor, aber keine Reue.



F. Der große Engel mit dem Büchlein
( Offb 10 )


1. Die Gestalt des Engels mit dem Büchlein
(
10,1-4 )


In Kapitel 7 war bereits von den Hundertvierundvierzigtausend und den vielen Märtyrern die Rede, ohne daß die Geschehnisse in der Großen Trübsal in chronologischer Reihenfolge dargestellt wurden. In ganz ähnlicher Weise liefert auch die Passage von Offb 10,1-11,14 Hintergrundinformationen zu den Ereignissen um die Siegel, Posaunen und Schalen des Zorns.

Ein weiterer Engel trat auf, der offenbar nicht zur Schar der Sieben gehörte, die in die Posaune stießen. Manche Ausleger setzen diesen Engel mit Christus gleich, indem sie auf den Engel in Offb 8,3 verweisen, der in ihren Augen ebenfalls ein Sinnbild Christi, und zwar in der Funktion eines Priesters, ist. Tatsächlich erschien Christus im Alten Testament häufig als "Engel des Herrn" (z. B. 1Mo 16,7; 1Mo 24,7; 1Mo 31,11.13; Ri 6,22 ). Es gibt jedoch keinerlei Belege dafür, daß die hier genannte Person etwas anderes war als ein großer Engel (vgl. Offb 5,2 ), möglicherweise der Erzengel Michael.



Offb 10,1-4


Dieser Engel wird in eindrucksvoller Weise als mit einer Wolke bekleidet und einem Regenbogen auf seinem Haupt , einem Antlitz wie die Sonne und Füßen wie Feuersäulen dargestellt. Johannes fügte hinzu, daß er ein Büchlein (in seiner Hand) trug und mit seinem rechten Fuß auf dem Meer und dem linken auf der Erde stand. Dabei schrie (er) ..., wie ein Löwe brüllt . Bei diesem ehrfurchtgebietenden Anblick und beim Ruf des Engels erhoben die sieben Donner ihre Stimme . Das Buch der Offenbarung ist zwar in erster Linie darauf angelegt, Gottes Plan und die kommenden Ereignisse zu enthüllen und nicht zu verschleiern, doch bestimmte Dinge werden auch hier noch zurückgehalten, wie Gottes Verbot gegenüber Johannes - niederzuschreiben, was "die Stimmen" der sieben Donner sagten - zeigt.

Im Gegensatz zu der Schriftrolle ( biblion ) mit den sieben Siegeln, die das Lamm trug ( Offb 5,1 ), hielt der Engel eine kleinere Rolle ( biblaridion ; vgl. auch Offb 10,9-10 ) in der Hand. Sie enthielt offensichtlich in schriftlicher Form den Auftrag, den zu erfüllen er im Begriff stand.



2. Die Ankündigung des bevorstehenden Endes
(
10,5 - 7 )


Offb 10,5-7


Die großartige Schilderung der Gestalt des Engels (V. 1-4 ) war die Vorbereitung auf die Verkündigung, die sich daran anschließt (V. 5 - 7 ). Indem er feierlich bei Gott, dem ewigen Schöpfer, schwor, erklärte der Engel: Es soll hinfort keine Zeit mehr sein . Diese Wiedergabe des griechischen Textes wurde häufig dahingehend mißverstanden, daß es hier um die Ablösung der gegenwärtigen Zeitdimension mit ihren sequentiell aufeinanderfolgenden Ereignissen gehe. Das ist jedoch nicht der Grundgedanke dieser Passage. Der klare Hinweis auf Gott als den Schöpfer (vgl. Offb 4,11;14,7 ) tritt vielmehr jeglichen evolutionären Spekulationen über den Ursprung der Erde entgegen und bekräftigt die Allmacht Gottes in seinem Umgang mit der Welt im Gericht am Ende der Zeit.

Der Engel kündigte an, daß die siebte Posaune das Geheimnis Gottes zur Vollendung bringen würde. Dieses Geheimnis war zuvor Gottes Propheten mitgeteilt worden. Es geht hier also nicht um eine verborgene Wahrheit, sondern um die endgültige Erfüllung vieler alttestamentlicher Passagen, die sich auf die herrliche Wiederkunft des Gottessohnes und die Errichtung seines gerechten Friedensreiches auf Erden beziehen. In dem, was heute geschieht, enthüllt sich Gottes Plan nicht unbedingt, denn noch hat der Satan Macht und kann in Erscheinung treten. Doch es wird eine Zeit kommen, in der er endgültig entmachtet ist und die Weissagungen der alttestamentlichen Propheten sich erfüllen. Dann werden alle Menschen den Herrn kennen und alles über ihn wissen ( Jer 31,34 ). An dieser Stelle findet sich abermals ein Hinweis darauf, daß die siebte Posaune das Gericht der sieben Schalen des göttlichen Zorns, von denen in Offb 16 die Rede ist, eröffnet. ( Offb 10,8-11 )



Offb 10,8-11


Johannes gehorchte der Anweisung des Engels, die Schriftrolle zu verspeisen, die ihm zwar süß ... wie Honig im Munde war, in seinem Magen jedoch bitter wurde. Danach teilte ihm der Engel mit, daß er abermals weissagen müsse.

Was bedeutet dieser kleine Zwischenfall? Auch wenn Johannes keine nähere Erklärung erhielt, so liegt doch auf der Hand, daß er sich dadurch, daß er sich das Buch einverleibte, auch dessen Inhalt aneignete (vgl. Jer 15,16 ). Die kleine Schriftrolle scheint das Wort Gottes und ganz allgemein die göttliche Offenbarung zu symbolisieren, denn es wurde Johannes geboten, das Wort getreulich weiterzugeben.

Für Johannes war das Wort Gottes mit seiner Offenbarung der göttlichen Gnade und den vielen herrlichen Verheißungen, die den Gläubigen darin zugesagt werden, in der Tat süß. Es stand somit in scharfem Kontrast zu der äußeren Situation des Apostels auf der Insel Patmos. David sang: "Die Rechte des Herrn sind Wahrheit, allesamt gerecht. Sie sind köstlicher als Gold und viel feines Gold. Sie sind süßer als Honig und Honigseim" ( Ps 19,10 b- 11 ). Obwohl das Wort für die Gläubigen süß ist, wird es doch für die Ungläubigen bitter sein, wenn es das göttliche Gericht über sie bringt.



G. Die beiden Zeugen
(
11,1 - 14 )


Es ist zwar klar, daß Offb 11,1-14 die eingeschobene Passage, die mit Offb 10,1 begann, fortführt, doch wurde gerade für diese Schriftpassage eine erstaunliche Vielzahl von Deutungsvorschlägen vorgelegt. Alford bezeichnet dieses Kapitel denn auch als "eines der schwierigsten in der ganzen Apokalypse" ( The Greek Testament , 4,655).

Die beste Richtschnur für die Auslegung dieses Abschnittes ist auch hier wieder, alle darin erwähnten Tatsachen wörtlich zu nehmen. Wenn man von diesem Grundprinzip ausgeht, so wird es in der Zeit der Großen Trübsal tatsächlich einen Tempel geben, und die Stadt, von der hier die Rede ist, ist das wirkliche Jerusalem, wie es Offb 11,8 identifiziert wird. Die Zeitspannen von 42 Monaten (V. 2 ) und drei und einem halben Tag (V. 9.11 ) sollten ebenfalls wörtlich genommen werden. Bei dem Erdbeben werden wirklich siebentausend Menschen umkommen, und die beiden Zeugen sind zwei konkrete Menschen.



1. Das Messen des Tempels
(
11,1-2 )


Offb 11,1-2


Johannes bekam ein Rohr in die Hand, das er offenbar als Meßinstrument benützen sollte, denn er wurde angewiesen, den Tempel ... und den Altar , nicht aber den äußeren Vorhof zu messen, d. h, er sollte das Heiligtum und das Allerheiligste ausmessen. Den äußeren Tempelvorhof durften auch Laien betreten, doch diese beiden Räume im Tempel waren allein den Priestern vorbehalten. Dabei wurde ihm erklärt, daß dieser äußere Vorhof nun den Heiden gegeben sei, die die heilige Stadt ... zweiundvierzig Monate lang (zertreten) würden.

Warum sollte Johannes den Tempel ausmessen? Im allgemeinen mißt man Dinge, die einem gehören. Der Tempel aber gehörte Gott. In gleicher Weise werden auch der Tempel in Hes 40 und das Neue Jerusalem ( Offb 21,15-17 ) vermessen. Der Tempel, um den es hier geht, wird erbaut werden, damit die orthodoxen Juden in der ersten Hälfte der siebenjährigen Zeitspanne, die als Daniels siebzigste Woche bezeichnet wird, nach dem mosaischen Gesetz darin Opfer darbringen können. Zu Beginn der zweiundvierzig Monate währenden Großen Trübsal jedoch werden die Opfer aufhören, der Tempel wird entweiht werden und zum Heiligtum für den Weltherrscher in dieser Zeit umfunktioniert, der ein Götzenbild im Tempel aufstellen und sich selbst als Gott proklamieren wird (vgl. Dan 9,27;12,11; 2Thes 2,4; Offb 13,14-15 ). Johannes wurde darüber hinaus angewiesen, die Anbetenden zu zählen, die zum Tempel kamen. Dahinter scheint der Gedanke zu stehen, daß Gott beide abschätzen will, den Tempel und diejenigen, die in ihm sind.

Manche Ausleger tendieren dazu, die zweiundvierzigmonatige Dauer der Großen Trübsal in einem geistlichen Sinne zu verstehen, doch man sollte diesen Zeitraum als eine tatsächliche Zeitspanne auffassen, wie durch die Zeitangabe von eintausendzweihundertsechzig Tagen in Offb 11,3 bestätigt wird, die genau einem Zeitraum von zweiundvierzig Monaten mit jeweils 30 Tagen entspricht. Von daher wird auch klar, daß "die Zeiten der Heiden" ( Lk 21,24 ) erst mit dem zweiten Kommen Christi auf die Erde und der Errichtung seines Reiches enden werden. Die Juden mögen Jerusalem zwar zeitweise in ihrem Besitz haben, wie z. B. in unserem Jahrhundert, doch in der Großen Trübsal werden sie die Stadt an Fremdherren verlieren.

Nach Ansicht einiger Exegeten beziehen sich die zweiundvierzig Monate auf die erste Hälfte der siebzigsten Woche des Daniel ( Dan 9,27 ). Das läßt sich nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, doch die Belege aus dem Kontext, in dem diese Passage im Buch der Offenbarung steht, scheinen eher darauf hinzudeuten, daß hier die letzten dreieinhalb Jahre der Endzeit gemeint sind. Dafür spricht unter anderem die Tatsache, daß in der ersten Hälfte der letzten sieben Jahre die Juden die Stadt Jerusalem besitzen und in ihrem Tempel Gottesdienst halten werden, während der vorliegende Kontext recht eindeutig darauf hinweist, daß hier von jener Zeit die Rede ist, in der die Heiden die heilige Stadt zertreten, indem sie ihre eigentlichen Bewohner, die Juden, schlecht behandeln und den Tempel entweihen.



2. Das Amt der beiden Zeugen
(
11,3 - 6 )


Offb 11,3-6


Es wurde Johannes offenbart, daß die zwei Zeugen von Gott dazu bevollmächtigt waren, eintausendzweihundertsechzig Tage oder zweiundvierzig Monate als Propheten aufzutreten. Sie sollten mit Trauerkleidern (angetan) sein und als die zwei Ölbäume und die zwei Leuchter bezeichnet werden.

Es hat viele ganz verschiedene Deutungsversuche dieser zwei Zeugen gegeben. Manche Exegeten bestritten, daß sie wirkliche Menschen seien, doch die Tatsache, daß sie sterben und wiederauferweckt werden, spricht sehr dafür, daß es Menschen von Fleisch und Blut sind.

Ein weiteres Problem ist ihre Identifikation. Normalerweise sehen die Forscher Mose und Elia in ihnen, weil die Strafen, die diese beiden Männer im Alten Testament über das Volk herabbeschworen, denen ähneln, die die beiden Zeugen verhängen ( Offb 11,5-6 ). Auch die Prophezeiung von Mal 3,23 unterstützt diese These. Maleachi weissagt, daß Elia auf die Erde gesandt wird, "ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt". Christus hatte darauf hingewiesen, daß diese Prophezeiung zum Teil bereits erfüllt wurde, als er auf Erden lebte ( Mt 17,10-13; Mk 9,11-13; vgl. Lk 1,17 ). Darüber hinaus waren beide, Mose und Elia, bei der Verklärung Jesu ( Mt 17,3 ), die quasi die Wiederkunft Jesu vorwegnahm, zugegen. Diese Identifizierung der beiden Zeugen birgt allerdings das Problem, daß Mose gestorben war. Manche halten die beiden Zeugen deshalb für Henoch und Elia, die nicht starben, sondern von der Erde hinweggenommen wurden (vgl. Hebr 9,27 ).

Trotzdem diese verschiedenen Thesen durchaus erwähnenswert sind, bleibt doch die Tatsache bestehen, daß die Offenbarung selbst nichts über die Identität der beiden Zeugen aussagt, so daß immer auch die Möglichkeit bleibt, daß sie in der Geschichte bis jetzt noch nicht aufgetreten sind.

Die Beschreibung der beiden Zeugen als "Ölbäume" und "Leuchter" hat allerdings sehr wohl einen alttestamentlichen Hintergrund ( Sach 4,2-14 ). Die beiden Zeugen, von denen Sacharja spricht, waren der Hohepriester Josua und der Statthalter Serubbabel. Ihre Verbindung zu den Leuchtern bestand darin, daß sie vom Heiligen Geist - symbolisiert durch das Öl - inspiriert wurden. Auf ganz ähnliche Weise werden auch die beiden Zeugen, von denen in der Offenbarung die Rede ist, ihre Macht vom Heiligen Geist erhalten.

Wie die alttestamentlichen Propheten werden sie fähig sein, Wunder zu vollbringen und diejenigen, die sie bedrohen, durch Feuer vernichten ( Offb 11,5 ). Wie Elia werden sie die Macht haben, dem Regen Einhalt zu gebieten, so daß eine Trockenheit über die Erde kommt, und wie Mose werden sie Wasser in Blut verwandeln und die Menschen mit Seuchen plagen (V. 6 ). Inmitten von Unglauben, Abfall und dem Wirken der dämonischen Mächte, deren große Stunde in der Trübsal gekommen sein wird, werden diese beiden Männer eintausendzweihundertundsechzig Tage lang für die ganze böse Welt eine große Gefahr darstellen.



3. Der Tod der zwei Zeugen
(
11,7 - 10 )


Offb 11,7-10


Als die beiden Zeugen ihre Aufgabe erfüllt hatten, gestattete Gott dem Tier, das aus dem Abgrund aufsteigt (vgl. Offb 9,1-2.11;17,8;20,1.3 ), sie zu besiegen. Das Tier, d. h. der Antichrist, wird neunmal in der Offenbarung erwähnt ( Offb 13,1;14,9.11;15,2;16,2;17,3.13;19,20;20,10 ). Die Leichen der zwei Zeugen ließ man unbestattet in Jerusalem, das hier wegen des Abfalls seiner Bewohner von Gott sinnbildhaft als Sodom und Ägypten bezeichnet wird, liegen.

Drei Tage und einen halben war die ganze Welt voller Schadenfreude über den Tod der beiden Männer. Diese Aussage deutet auf eine weltweite Verbreitung der Nachricht von ihrem Tod hin, die heute beispielsweise durch das Fernsehen möglich wäre. Ihr Tod galt als ein großer Sieg für den Herrscher der Welt, Satan, und wurde von den Menschen gefeiert, indem sie einander Geschenke sandten.


4. Die Auferstehung der zwei Zeugen
(
11,11 - 12 )


Offb 11,11-12


Nachdem ihre toten Leiber drei Tage lang auf der Straße gelegen hatten, wurden die zwei Zeugen jedoch völlig unvermutet auferweckt und ... stellten sich auf ihre Füße . Sie folgten der Einladung einer großen Stimme vom Himmel , die sie aufforderte: Steigt herauf! , und entschwanden in einer Wolke. Dabei sahen ihre Feinde sie und wurden von großer Furcht befallen.



5. Das Strafgericht Gottes über Jerusalem
(
11,13 - 14 )


Offb 11,13-14


Zu derselben Stunde geschah ein großes Erdbeben in Jerusalem, und der zehnte Teil der Stadt stürzte ein; und es wurden getötet in dem Erdbeben siebentausend Menschen . Im Gegensatz zu den früheren Strafen, nach denen die Menschen nicht von ihren Sünden abließen, erschraken sie diesmal und gaben dem Gott des Himmels die Ehre . So endete das zweite Wehe . Nun stand nur noch die siebte Posaune, das dritte Wehe , aus.

H. Der Schall der siebenten Posaune
(
11,15 - 19 )


Offb 11,15


Obwohl die Folgen des Klangs der siebten Posaune in dieser Passage erst angeschnitten und noch nicht weiter ausgeführt werden (das wird erst in Offb 16 der Fall sein), gestaltet sich schon diese Einleitung als dramatisches Ereignis. Als die siebte Posaune erklang, hörte man Stimmen im Himmel: Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. (Zu weiteren Ankündigen über das irdische Reich Christi vgl. Hes 21,26-27; Dan 2,35.44;3,33;6,27;7,14.26-27; Sach 14,9 .) Die Tatsache, daß dieses Reich beim zweiten Kommen Christi errichtet werden wird, macht deutlich, daß die Zeitspanne nach dem Erklingen der siebten Posaune bis zu seiner Wiederkunft reichen wird. Die siebte Posaune leitete also die Ausgießung der sieben Schalen des Zornes Gottes ( Offb 16 ) ein und beschließt sie auch. Im Gegensatz zu den früheren Posaunen, bei deren Klang man nur eine einzige Stimme hörte, stimmte hier ein mächtiger Chor vom Himmel in die Verkündigung ein.



Offb 11,16-18


Nach dieser Ankündigung sah Johannes, wie die vierundzwanzig Ältesten , von denen in der Offenbarung häufig die Rede ist ( Offb 4,4.10; 5,5-6.8.11.14; 7,11.13; 11,16; 14,3; 19,4 ) und die vor Gott auf ihren Thronen saßen, nieder auf ihr Angesicht (fielen) und ... Gott an(beteten) . Ihr Lobgesang deutet an, daß nun offenbar die Zeit des göttlichen Strafgerichts über die Völker gekommen war, in dem die Toten gerichtet werden und die Knechte Gottes ihren Lohn erhalten.

Gott wird angesprochen als allmächtiger Gott ( pantokratOr ; vgl. auch Offb 1,8;4,8;15,3;16,7.14;19,6.15;21,22 ), als Ewiger ( der du bist und der du warst ; vgl. Offb 1,8;4,8 ), der große Macht ( dynamin ) hat ( Offb 11,17 ). Der Lobpreis der vierundzwanzig Ältesten nimmt das zweite Kommen Christi und die Errichtung seines irdischen Reiches vorweg.


Offb 11,19


Das Kapitel schließt mit einem weiteren dramatischen Zwischenfall. Johannes schrieb: Und der Tempel Gottes im Himmel wurde aufgetan. Johannes konnte in den Tempel hineinsehen und erblickte die Lade seines Bundes . Damit ist wohl eher der himmlische als ein irdischer Tempel gemeint. Auf Erden begleiteten Blitze und Stimmen und Donner und Erdbeben und ein großer Hagel dieses Geschehen (vgl. Offb 8,5 ).

Die beeindruckende Einleitung in die Geschehnisse, die mit der siebten Posaune eintreten werden, ist damit abgeschlossen. Die schrecklichen Folgen dieses letzten Posaunenschalls werden erst in Kapitel 16 genauer geschildert. Chronologisch gesehen, befinden wir uns nun kurz vor der Wiederkunft Christi.



I. Die sieben Gestalten der Endzeit
( Offb 12-15 )


Vom Klang der siebten Posaune ist zwar schon in Offb 11,15 die Rede, doch die konkreten Auswirkungen, die ihr Ertönen hat, werden erst in Kapitel 16 angesprochen. Die Kapitel 12 - 15 beleuchten dagegen die Prophezeiungen über die Endzeit nochmals aus einem anderen Blickwinkel und führen dabei auch die sieben endzeitlichen Gestalten ein, die in der zweiten Hälfte der sieben Jahre eine wichtige Rolle spielen.

In vielen Auslegungen wird darauf hingewiesen, daß in den Kap. 12; 13 insgesamt sieben Gestalten auftreten: (1) "eine Frau, mit der Sonne bekleidet", ein Symbol für Israel ( Offb 12,1-2 ); (2) der rote Drache mit den sieben Köpfen und zehn Hörnern, der Satan verkörpert ( Offb 12,3-4 ); (3) der Knabe, Christus ( Offb 12,5-6 ); (4) der Erzengel Michael, der Satan aus dem Himmel vertreibt ( Offb 12,7-12 ); (5) der Sohn der Frau, die der Drache verfolgt 2Offb(12, 13 - 17); (6) das "Tier aus dem Meer", der künftige Weltherrscher ( Offb 13,2-10 ); (7) das Tier aus der Erde, der falsche Prophet ( Offb 13,11-18 ). Das Vorgehen in diesen Kapiteln ist nicht streng chronologisch, sondern es werden in loser Reihenfolge Ereignisse berichtet, die mit dem Ertönen der sieben Posaunen einhergehen. Der chronologische Ablauf der Geschehnisse wird erst in Kapitel 16 wiederaufgenommen.



1. Die erste Gestalt: Eine Frau, bekleidet mit der Sonne
(
12,1-2 )


Offb 12,1-2


Die erste wichtige Gestalt, die im Endzeitdrama auftritt, ist eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen . Ihr Erscheinen war ein großes Zeichen ( sEmeion mega ; vgl. Offb 13,13 ). Dies ist das erste von einer ganzen Reihe von Ereignissen, die als "Zeichen" oder "Wunder" bezeichnet werden ( Offb 12,3;13,13-14;15,1;16,14;19,20 ). In ihrer Funktion als Zeichen waren sie Symbole für etwas, was Gott in Kürze enthüllen wollte, und enthielten fast durchgehend ein Element prophetischer Warnung. Auch wenn dieses Zeichen zunächst am Himmel gesehen wurde, so spielten sich doch die Ereignisse, die seinem Erscheinen folgten, offenbar auf der Erde ab.

Die Frau ist ein Sinnbild für Israel, wie aus 1Mo 37,9-11 hervorgeht, wo die Sonne und der Mond Symbole für Jakob und Rachel, die Eltern Josefs, sind. Die Sterne in der Krone der Frau versinnbildlichen ganz eindeutig die zwölf Söhne Jakobs. Die Frau ist damit die Verkörperung Israels, das den abrahamitischen Bund erfüllte. J. B. Smith zitiert Jes 60,1-3.20 als Beleg dafür, daß die Sonne ein Sinnbild für die künftige Herrlichkeit Israels sein muß ( A Revelation of Jesus Christ , S. 182).

In vielen Auslegungen sind die Kommentatoren so sehr darauf bedacht, Israel mit der Kirche gleichzusetzen, daß sie alle Hinweise darauf, daß die Frau für Israel steht, übersehen. Nach den Worten von Robert H. Mounce z. B. ist sie "die messianische Gemeinschaft, das ideale Israel ... die Kirche ( Offb 12,17 ). Das Gottesvolk ist in der ganzen Erlösungsgeschichte immer eines" ( The Book of Revelation , S.236). Die hier beschworene Einheit des Gottesvolkes hebt jedoch nicht alle religiösen und rassischen Unterschiede auf.

Die Symbolsprache dieser Passage nimmt zwar nicht konkret Bezug auf Maria, die Mutter Christi, weist aber auf das Volk Israel hin, aus dem Jesus hervorgegangen ist. Hier ist also keineswegs von der Kirche die Rede. An verschiedenen Stellen der Bibel werden verdorbene Frauen als Sinnbilder falscher Religionen hingestellt, wie etwa im Fall Isebels ( Offb 2,20 ), bei der abtrünnigen Kirche der Endzeit in Gestalt einer Prostituierten ( Offb 17,1-7.15.18 ) und bei Israel, das Jahwe untreu wurde ( Hos 2,2-13 ). Die Kirche dagegen ist immer die "jungfräuliche Braut" ( 2Kor 11,2 ), die "Braut des Lammes" ( Offb 19,7 ).

Die Frau war offenbar schwanger und stand unmittelbar vor der Geburt ( Offb 12,2 ). Dieser Vorgang wurde zwar in gewisser Weise auch in der Geburt Christi durch die Jungfrau Maria Realität, doch der Kontext verweist an dieser Stelle auf das Hervorgehen Israels aus seiner Leidenszeit vor dem zweiten Kommen Christi. Diese Sichtweise wird durch die folgenden Verse noch gestützt.



2. Die zweite Gestalt: Der rote Drache mit den sieben Häuptern und den zehn Hörnern
(
12,3-4 )


Offb 12,3-4


Das zweite Zeichen ( sEmeion ; vgl. V. 1 ) erschien ebenfalls am Himmel , obwohl es sich eigentlich um ein Geschehen auf der Erde handelte. Es war ein großer roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen . Aus ähnlichen Darstellungen in Dan 7,7-8.24 und Offb 13,1 wissen wir, daß dieses Ungeheuer ein Sinnbild für die Macht Satans über die Reiche der Welt in der Großen Trübsal ist. Offb 12,9 identifiziert den Drachen denn auch eindeutig als Satan. Die Farbe rot ist vielleicht ein Hinweis auf das Blutvergießen, das in dieser Zeit stattfinden wird. Die zehn Hörner stellen symbolisch die zehn Könige (vgl. Dan 7,24 ), die beim Kommen des Weltherrschers regieren, dar (vgl. Dan 7,7 und Offb 13,1 ).

Daß dieser Drache mit seinem Schwanz den dritten Teil der Sterne des Himmels (hinwegfegte) , war ein Zeichen der satanischen Macht, die sich auf Himmel und Erde erstreckte. Darin wurde sichtbar, wie Satan seine Gewalt über diejenigen, die sich ihm in geistlicher oder politischer Hinsicht Hinsicht widersetzten, ausdehnte. Der Versuch des Drachen, das neugeborene Kind zu fressen ( Offb 12,4 ), erinnert an den Versuch Satans, das Kind Jesus umzubringen. Die satanische Opposition gegen Israel, insbesondere gegen das Geschlecht, aus dem der Messias hervorgehen sollte, tritt im Alten wie im Neuen Testament immer wieder deutlich zutage.



3. Die dritte Gestalt: Der Sohn, Christus
(
12,5-6 )


Offb 12,5-6


Nachdem die Frau das Kind - den Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe - zur Welt gebracht hatte, wurde es zu Gott und seinem Thron (entrückt) . Bei diesem Kind handelte es sich offensichtlich um Jesus Christus ( Ps 2,9; Offb 19,15 ). Alford hält denn auch fest, daß "der Knabe der Herr Jesus Christus ist, und kein anderer " ( The Greek Testament , 4,668). Die Entrückung des Kindes bezieht sich auf die Himmelfahrt Christi, nicht auf die später erfolgende Entrückung der Kirche, auch wenn in beiden Fällen dasselbe Wort gebraucht ist ( 1Thes 4,17; vgl. Apg 8,39; 2Kor 12,2-4 ), denn die Entrückung der Kirche würde nicht zur Befreiung des Knaben aus der Gewalt des Satans führen.

Zu dieser Befreiung kam es, als die Frau in die Wüste (entfloh), wo sie einen Ort hatte, bereitet von Gott . Sie wurde dort tausendzweihundertundsechzig Tage , das sind zweiundvierzig Monate zu je 30 Tagen oder dreieinhalb Jahre, bewahrt. Matthäus ( Mt 24,16 ) spricht von der Flucht Israels zu Beginn der Zeit der Großen Trübsal (vgl. Mk 13,14 ). Daß hier von der Wüste, bei Matthäus von Bergen die Rede ist, ist kein Widerspruch, denn in beiden Fällen handelt es sich um wilde, öde Landstriche. In ihrem Wüstenversteck wurde Israel vielleicht auf dieselbe wunderbare Weise wie einst das Volk Israel auf seiner Wüstenwanderung von Ägypten in das verheißene Land versorgt.

Die Zeitspanne ihres Verborgenseins erstreckte sich über eintausendzweihundertundsechzig Tage, später als "eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit" angegeben (vgl. den Kommentar zu Offb 12,14 ). Dieses Geschehen (V. 5-6 ) folgte auf den "Kampf im Himmel" (V. 7 ).



4. Die vierte Gestalt: Satan wird aus dem Himmel vertrieben
(
12,7 - 12 )


Offb 12,7


Der Erzengel Michael (vgl. Jud 1,9 ) und seine Engel kämpften gegen Satan und seine Engel , die Dämonen. Wann dieser Kampf im Himmel stattfinden wird, wurde nicht deutlicher gesagt, doch dem Kontext nach vollzieht er sich in der Endzeit. Manche Ausleger haben sich bemüht, dieses Ereignis mit dem ersten Kommen Christi zu verbinden, indem sie sich auf Lk 10,18 bezogen, doch diese Position läßt sich aus Offb 12 nicht rechtfertigen. Außerdem ist Satan während des Kirchenzeitalters ganz offensichtlich nach wie vor aktiv (vgl. Apg 5,3; 1Kor 5,5; 1Kor 7,5; 2Kor 2,11;11,4;12,7; 1Tim 1,20; 1Pet 5,8 ).

Die irrige Vorstellung, daß Satan in der heutigen Zeit untätig sei, beruht auf dem Versuch, das Binden Satans mit dem ersten Kommen Christi gleichzusetzen ( Offb 20,1-3 ). Die Gefangensetzung Satans liegt jedoch noch in der Zukunft und wird erst im Tausendjährigen Reich vollzogen werden.



Offb 12,8-9


Der Kampf endete damit, daß Satan ... auf die Erde geworfen (wurde) . Sein Wesen wird in den verschiedenen Beinamen, mit denen er belegt wird, deutlich: Der große Drache, die alte Schlange ... Teufel und Satan . Mit ihm wurden die gefallenen Engel, die Dämonen, aus dem Himmel vertrieben.

Es ist schwer zu begreifen, daß Satan im Himmel sein soll, doch daß er dort als Ankläger fungiert, liegt auf der Hand (vgl. Hi 1,6; Offb 12,10 ). Er wurde zwar beim ersten Kommen Christi besiegt ( Joh 16,11 ), seine endgültige Vernichtung steht jedoch noch aus. Nach Offb 12,8-9 wird er mitten in der Großen Trübsal aus dem Himmel verbannt. Während des Tausendjährigen Reiches wird er dann gebunden ( Offb 20,1-3 ) und am Ende in den Feuersee geworfen ( Offb 20,10 ), in den auch der Herrscher der Welt (der Antichrist) und der falsche Prophet tausend Jahre zuvor gestürzt wurden.

Satan widersetzte sich mit seinen Taten im Himmel und auf Erden Christus, dem himmlischen Hohenpriester, dem König bei der Weltherrschaft Satans in der Zeit der Großen Trübsal und wahren Propheten, indem er das Tier, den falschen Propheten ( Offb 20,10 ), aus der Erde hervorgehen ließ. Satan wird hier als "die alte Schlange", der "Teufel oder Satan" bezeichnet, der die ganze Welt in die Irre führt. Wenn er auf die Erde geworfen wird, werden alle gefallenen Engel oder Dämonen mit ihm herabstürzen.



Offb 12,10-12


Danach vernahm Johannes von einer lauten Stimme ... im Himmel eine Lobeshymne. Sie kündigte an, daß das göttliche Heil und die Kraft in Kürze mit dem Kommen des Tausendjährigen Reiches offenbar werden würden. Satan wurde dabei als der Verkläger bezeichnet, der die Gläubigen Tag und Nacht vor ... Gott anklagt. Die göttliche Instanz, durch die er überwunden und aus dem Himmel verbannt wurde, war des Lammes Blut und ... das Wort des Zeugnisses der Gläubigen. Alle Märtyrer hatten also teil am Sieg Christi über den Teufel. Die Bewohner des Himmels wurden aufgefordert, sich über die Niederlage Satans zu freuen, die Erde aber wurde vor seinem Zorn gewarnt, der nun um so schrecklicher war, weil er wußte, daß er nur noch wenig Zeit hatte. Der Teufel wußte, daß seine Zeit auf eintausendzweihundertsechzig Tage, die Zeit der Großen Trübsal, begrenzt war. Keine noch so flexible Vorstellungkraft kann diese Prophezeiung mit der Interimszeit bis zum zweiten Kommen Christi gleichsetzen, wie es einige Ausleger versuchen.



5. Die fünfte Gestalt: Der Sohn der Frau, die der Drache verfolgt
(
12,13 - 17 )


Offb 12,13-14

Die Frau, von der in Vers 1 die Rede war, war in besonderer Weise der Verfolgung Satans ausgesetzt. Sie erhielt bei ihrer Flucht jedoch übernatürliche Hilfe, symbolisiert in den zwei Flügeln des großen Adlers , die es ihr ermöglichten, in die Wüste an ihren Ort zu entkommen.

Das Versteck, das dort für sie bereitet war, wird nicht näher bezeichnet. Nach Ansicht mancher Exegeten könnte damit Petra, die Festung der Nabatäer in Edom südlich des Toten Meeres gemeint sein. Die Stadt hatte einen sehr engen Zugang, der leicht versperrt werden konnte, hinter dem sich jedoch ein weites Tal öffnet, in dem viele Tausende Zuflucht und Nahrung finden konnten. Die Schrift gibt zwar keine genaueren Auskünfte, doch manche Theologen nehmen an, daß die Hundertvierundvierzigtausend aus Kapitel 7 hier bewahrt werden sollen. In der Bibel wird nur von Gottes schützendem Siegel, das ihnen aufgeprägt ist, gesprochen.

Die beiden Flügel sind sicherlich nicht mit den Flügeln eines Flugzeugs gleichzusetzen, sondern ein Sinnbild für die befreiende Macht Gottes - eine Redefigur, wie sie schon aus alttestamentlichen Passagen, etwa 2Mo 19,4 und 5Mo 32,11-12 ,bekannt ist. Die Flucht Israels an einen sicheren Ort wurde bereits in Mt 24,16; Mk 13,14 und Lk 21,21 erwähnt.

Offb 12,6.14 spricht zwar von einem Zufluchtsort in der Wüste, während die Passagen in den synoptischen Evangelien auf Berge Bezug nehmen, doch das muß kein Widerspruch sein, denn Wüste und Gebirgsregionen sind gleichermaßen öde Gegenden. Die Dauer der Bewahrung betrug eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit . Das bezieht sich auf die dreieinhalb Jahre der Großen Trübsal, wobei "eine Zeit" einem Jahr entspricht, "zwei Zeiten" zwei Jahren und "eine halbe Zeit" sechs Monaten (vgl. Dan 7,25;12,7 mit den zweiundvierzig Monaten, von denen in Offb 11,2;13,5 die Rede ist). Die Verweise auf diese Zeiträume zeigen, daß die Große Trübsal auf keinen Fall mit dem gegenwärtigen Zeitalter gleichgesetzt werden kann, sondern auf die dreieinhalb Jahre vor dem zweiten Kommen Christi beschränkt ist.



Offb 12,15-17


Bei seiner Verfolgung der Frau verursachte der Teufel, die Schlange , eine große Flut, um sie zu ersäufen , doch die Erde saugte das Wasser auf. Manche Exegeten gehen davon aus, daß es sich dabei um eine tatsächliche Überschwemmung handelt, doch da Israel in alle Richtungen fliehen konnte, bietet sich die geographische Beschaffenheit des Heiligen Landes selbst nicht für eine solche Flut an. Vielleicht versinnbildlicht die Flut auch nur die Bemühungen Satans, Israel zu vernichten. Das wird durch das unebene Terrain, das zahlreiche Schlupfwinkel bietet, vereitelt. In gewisser Weise hilft Gott den Israeliten, so daß sie nicht vollkommen aufgerieben werden, auch wenn nach Sacharja 13,8 "zwei Teile darin ausgerottet werden sollen und untergehen".

Obwohl also nur ein Drittel Israels im Lande bewahrt wird (die Hundertvierundvierzigtausend aus Offb 7 gehören dazu), kämpft der Drache Satan weiter gegen die Überlebenden.

Offb 12 führt vier wichtige Gestalten und eine Gruppe von Menschen, die in der Endzeit leben, ein: Israel, Satan, Christus, den Erzengel und den gläubigen Rest der Israeliten. In Offb 13 erscheinen zwei weitere bedeutende Personen auf der Bühne des Geschehens.


6. Die sechste Gestalt: Das Tier aus dem Meer
(
13,1 - 10 )


a. Das Tier aus dem Meer
(
13,1-2 )


Offb 13,1-2


Kapitel 13 stellt eine der wichtigsten endzeitlichen Gestalten vor: ein Tier aus dem Meer. Seine zehn Hörner und sieben Häupter und die zehn Kronen (auf seinen Hörnern) versinnbildlichen das wiedererstarkte Römische Reich, das schon bei Daniel - in dem vierten Tier, das ebenfalls zehn Hörner hatte - dargestellt war ( Dan 7,7-8; vgl. Offb 13,3;17,3.7 ). In Offb 13 und Offb 17 ist dieses Tier der Herrscher der Welt, während in Dan 7 das kleine Horn auf dem Tier den Weltherrscher symbolisiert.

Die Tatsache, daß das Tier aus dem Meer kommt, zeigt, daß es sich um einen Heiden handelt, dessen Ursprungsort das Meer der Menschheit ist (vgl. Offb 17,15 ).

Viele Ausleger haben dieses Tier mit einer Gestalt der Geschichte in Verbindung zu bringen gesucht, doch der Text bezieht sich eindeutig auf die letzten dreieinhalb Jahre vor der Wiederkunft Christi. In der Zeit der Großen Trübsal werden zehn Völker im Nahen Osten unter der Oberherrschaft dieses Diktators stehen (vgl. Dan 7,24 ,"Die zehn Hörner bedeuten zehn Könige"). (Eine Auseinandersetzung mit weiteren Deutungsansätzen zu dieser Stelle findet sich in Walvoord, Revelation , S. 198 - 199.)

In Offb 13,2 vereinigt das Tier die Symbolgestalten der drei vorangegangenen Großmächte dieser Region in sich - Griechenland ( Panther ; vgl. Dan 7,6 ), Medien und Persien ( Bär ; vgl. Dan 7,5 ) und Babylon (Löwe ; vgl. Dan 7,4 ). Die Macht des Tieres stammte von Satan selbst: Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und große Macht. Das stimmt mit einer Äußerung des Apostels Paulus überein ( 2Thes 2,9 ), der von "dem Bösen" (d. i. der Antichrist, das erste Tier in Offb 13 ) sagte, er werde "in der Macht des Satans ... mit großer Kraft ( dynamei ) und lügenhaften Zeichen ( sEmeiois ) und Wundern ( terasin )" auftreten.



b. Die tödliche Wunde des Tieres
( Offb 13,3 )


Offb 13,3


Die sieben Häupter des Tieres scheinen für bedeutende Herrscher zu stehen. Eines von ihnen, wahrscheinlich das siebte, erlitt durch einen Schwerthieb eine tödliche Wunde (V. 14 ), die jedoch zum Erstaunen der ganzen Welt wieder heil (wurde) .

Viele Forscher haben versucht, dieses Tier als eine historische Figur aus der Vergangenheit oder der Gegenwart zu identifizieren, die der letzte Weltherrscher sein wird. Vorgeschlagen wurden unter anderen Nero, Judas Iskariot, Mussolini, Hitler, Stalin, Kissinger, doch sie alle erfüllen die Anforderungen, die an diesen zukünftigen Herrscher gestellt werden, nicht.

Was bedeutet die tödliche Wunde, die wieder heilt? Es gibt dafür zwei mögliche Erklärungen. Alford z. B. sieht darin die Ablösung des "heidnischen römischen Reiches" durch das "christliche römische Reich" und faßt den Sachverhalt damit in historische und nicht in prophetische Termini ( The Greek Testament , 4,675). In diesem Fall wäre das Wiedererstarken des Römischen Reiches mit der wunderbaren Heilung der Wunde gleichzusetzen. Eine andere plausible Deutung ist, daß der letzte Weltherrscher eine Verletzung empfängt, die normalerweise tödlich wäre, jedoch vom Satan geheilt wird. Die Auferweckung eines Gestorbenen scheint außerhalb des satanischen Machtbereiches zu liegen, nicht jedoch die Heilung einer Wunde. Entscheidend ist in jedem Fall, daß der letzte Weltherrscher offensichtlich durch die übernatürliche Einwirkung Satans selbst an die Macht gelangt.



c. Die Anbetung Satans und des Tieres
( Offb 13,4-6 )


Offb 13,4-6


Die übernatürlichen Kräfte des Tieres machten es neben Satan, dem Ursprung seiner Macht, zum Gegenstand der Anbetung der Menschen. Es war schon immer das Ziel Satans gewesen, in den Genuß religiöser Verehrung zu kommen, die Gott allein zusteht. So finden sich schon bei Jesaja die Worte: "Ich will auffahren über die hohen Wolken und gleich sein dem Allerhöchsten" ( Offb 14,14 ). Das ist der Höhepunkt der satanischen Nachäffung der Religion, auf dem Satan sich selbst auf den Platz Gottes des Vaters setzt und das Tier oder der Weltherrscher die Rolle des Königs der Könige spielt und damit an die Stelle Christi tritt. Diese Situation wird wahrscheinlich zu Beginn der letzten dreieinhalb Jahre, d. h. zu Beginn der Großen Trübsal, eintreten.

Angesichts der übernatürlichen Kräfte Satans und des Herrschers erhebt sich die Frage: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm kämpfen ( Offb 13,4 )? Aus dieser Frage wird auch deutlich, wie das Tier ohne Kampf zum Beherrscher der Welt werden konnte. Zweiundvierzig Monate lang maßte es sich die Rolle Gottes an und lästerte in dieser Zeit Gott, den Himmel und die im Himmel wohnen .



d. Die weltumspannende Macht des Tieres
( Offb 13,7-8 )


Offb 13,7-8


Das Tier wird zum Herrscher der ganzen Welt, denn seine Macht erstreckt sich über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen . Wie in Dan 7,23 vorausgesagt wurde, wird es "alle Länder fressen, zertreten und zermalmen".

Zusätzlich zu seiner politischen Oberherrschaft über die Welt schafft es auch alle Religionen ab und läßt sich selbst von den Menschen als Gott verehren (vgl. 2Thes 2,4 ). Alle, die auf Erden wohnen, beten es an , bis auf die, deren Namen in dem Lebensbuch verzeichnet sind. Nach den Worten des Apostels Paulus sind diese Menschen bereits vom Anfang der Welt an , d. h. schon vor der Schöpfung ("ehe der Welt Grund gelegt war"; Eph 1,4 ), "erwählt".

Manche Exegeten vertreten die Auffassung, daß das Buch des Lebens ursprünglich die Namen aller Menschen, die auf die Welt kommen sollten, enthielt und daß die Namen der Unerlösten daraus gelöscht werden, wenn sie sterben. Diese Deutung knüpft an Offb 3,5 , wo Christus den Gläubigen in Sardes verheißt, daß ihre Namen nicht aus dem Buch des Lebens getilgt werden, sowie an Offb 22,19 an, wo jeder, der die Botschaft des Buches der Offenbarung ablehnt, davor gewarnt wird, daß "Gott ihm seinen Anteil ... am Baum des Lebens" wegnehmen wird (vgl. den "Baum des Lebens" in Offb 2,7 und Offb 22,2.14 ,und das "Buch des Lebens" in Offb 3,5;17,8;20,12.15;21,27 ). In Offb 13,8 geht es jedoch wahrscheinlich nur um die Tatsache, daß die Namen derjenigen, die erlöst sind, schon von Ewigkeit her in Vorwegnahme des Kreuzestodes Christi für ihre Sünden im Buch des Lebens eingeschrieben sind und auch niemals daraus getilgt werden.

Wenn man Vers 7.8 zusammennimmt, wird das weltumspannende Ausmaß der politischen Herrschaft des Tieres wie auch die endgültige Form, die die satanische Religion in der Zeit der Großen Trübsal annimmt, deutlich. Nur diejenigen, die zu Christus kommen, werden von der Verdammung, die dann erfolgt, freigesprochen.


e. Die Aufforderung zu hören
( Offb 13,9-10 )


Offb 13,9-10


In ähnlicher Form wie wir sie schon aus den Sendschreiben an die sieben Gemeinden in Kleinasien kennen ( Offb 2-3 ), werden die Leser des Buches der Offenbarung an dieser Stelle aufgefordert, auf die Botschaft zu hören, die es verkündet. Der Traum vieler moderner Menschen von einer universalen Kirche und einer universalen Religion wird in der Endzeit Wirklichkeit werden, doch es wird eine teuflische und gotteslästerliche Religion sein, die nichts mit der Anbetung des wahren Gottes zu tun hat. In einer solchen Lage kann nur noch an den einzelnen appelliert werden, sich von der allgemeinen Irrlehre ab- und Gott zuzuwenden. Gott spricht zu allen Zeiten zu denen, die bereit sind, auf sein Wort zu hören - ein Gedanke, der in den Evangelien immer wieder auftaucht ( Mt 11,15; Mt 13,9.43; Mk 4,9.23; Lk 8,8;14,35 ).

Im Gegensatz zu der Mahnung an die sieben Gemeinden, die jeweils konkret an einen bestimmten Adressatenkreis gerichtet war ("der Gemeinde in"), fehlt an dieser Stelle jeder Hinweis auf irgendwelche Gemeinden. Das ist ein weiteres Zeichen dafür, daß die Kirche schon vor dem Eintreten dieser Ereignisse entrückt wird. Man sollte die Offenbarung nicht als ein Buch verstehen, das lediglich an die Christen der ersten Generation, die sich Verfolgungen ausgesetzt sahen, gerichtet ist, sondern als eine Mahnung an die Gläubigen aller Zeiten, besonders aber an diejenigen, die in der Endzeit leben werden. Wer bereit ist zu hören, wird zugleich daran erinnert, daß sein Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes ihn ins Gefängnis bringen oder gar seinen Märtyrertod zur Folge haben kann ( Offb 13,10 ). Daher schließt die Ermahnung mit den Worten: Hier ist Geduld ( hypomonE , "Standhaftigkeit"; vgl. Offb 14,12 ) und Glaube der Heiligen .

 

7. Die siebte Gestalt: Das Tier aus der Erde
(
13,11 - 18 )


a. Die Gestalt des Tieres aus der Erde
(
13,11 - 12 )


Offb 13,11-12


Im Gegensatz zu dem ersten Tier, das "aus dem Meer" (V. 1 ) kam, kam das zweite Tier aus der Erde . Äußerlich glich es dem ersten (beide werden als thErion , "Tier", bezeichnet). Doch während das erste Tier ein Heide war, weil es aus der ganzen Menschheit, symbolisiert durch das "Meer", stammte (V. 1 ), war das zweite ein Geschöpf der Erde. Das wurde manchmal als ein Hinweis auf das verheißene Land gedeutet, weshalb manche Exegeten hinter dem Tier einen Juden vermuteten. Diese These läßt sich jedoch aus dem Kontext nicht belegen, denn das hier für "Erde" gebrauchte Wort wird allgemein für die ganze "Welt" ( gE ) benutzt. Die nationale und geographische Herkunft dieser Gestalt wird also nicht näher angegeben, sie ist jedoch offensichtlich mit jener Person gleichzusetzen, die in Offb 19,20 und Offb 20,10 als "der falsche Prophet" bezeichnet wird. (Zu einer umfassenden Erörterung der beiden Tiere vgl. Alford, The Greek New Testament , 4,678 - 679.)

Das zweite Tier hatte zwei Hörner wie ein Lamm, doch es redete wie ein Drache , d. h. wie Satan. Daraus läßt sich schließen, daß es sich um eine religiöse Gestalt handelte, der die Aufgabe zufiel, den politischen Herrscher, die Macht des ersten Tieres , zu stützen. Es besaß große Macht, die offensichtlich ebenfalls von Satan, aber auch von dem ersten Tier stammte, und es macht, daß die Erde und die darauf wohnen, das erste Tier anbeten, dessen tödliche Wunde heil geworden war .

Das falsche religiöse System, das hier unterstützt wurde, äffte also die göttliche Dreieinigkeit nach. Satan versuchte, sich an die Stelle Gott Vaters zu setzen, das erste Tier maßte sich den Rang Jesu Christi an, des Sohnes und Königs der Könige, und das zweite Tier, der falsche Prophet, fungierte in ähnlicher Weise wie der Heilige Geist, der die Christen dazu bringt, Gott anzubeten. Dies ist Satans letzter Versuch, eine falsche Religion anstelle des wahren Glaubens an Christus zu etablieren.



b. Die Wunder des Tieres
( Offb 13,13-15 )


Offb 13,13-15


Um die Menschen dazu zu bringen, das erste Tier anzubeten, vollbrachte das zweite Tier große Zeichen ( sEmeia megala ; vgl. "ein großes Zeichen" in Offb 12,1 ), bei denen unter anderem Feuer vom Himmel regnete. Die Menschen übersehen manchmal die Tatsache, daß auch Satan innerhalb gewisser Grenzen Wunder tun kann. Diese Macht nützte er hier bis zum letzten aus, um die Menschheit dazu zu bewegen, seinen Stellvertreter für Christus religiös zu verehren. Das zweite Tier verführt also die auf Erden wohnen durch seine Wundertaten.

Es ließ nicht nur Feuer vom Himmel regnen, sondern richtete auch ein Bild des ersten Tieres auf. Wahrscheinlich wurde dieses Bild im Tempel in Jerusalem aufgestellt, der den Juden genommen worden war. Nach den Worten des Apostels Paulus ( 2Thes 2,4 ) saß das erste Tier selbst zeitweise in Gottes Tempel und wurde verehrt, wie es eigentlich nur Gott zukommt. Vielleicht wurde zusätzlich ein Abbild des Tieres in den Tempel gebracht, damit es auch dann angebetet werden konnte, wenn es sich nicht im Tempel aufhielt.

Dieses Abbild wird in der Offenbarung immer wieder erwähnt ( Offb 13,14-15;14,9.11;15,2;16,2;19,20;20,4 ). Ob es dem Herrscher der Welt, dem ersten Tier, nachgebildet war oder ob es sich dabei einfach um einen als heilig ausgegebenen Gegenstand handelte, ist nicht klar, doch auf jeden Fall verkörperte es die Macht des ersten Tieres.

Die Tatsache, daß dem zweiten Tier Macht gegeben war, Geist zu verleihen dem Bild des Tieres , so daß es sogar reden konnte, hat die Exegeten vor Probleme gestellt, denn es läßt sich nirgendwo aus der Bibel ableiten, daß Satan Leben spenden oder einem Gegenstand Leben einhauchen kann. Gott allein ist der Schöpfer allen Lebens. Es ist daher anzunehmen, daß das Bild des Tieres nur den Eindruck erweckte, daß es atme, und lediglich auf mechanische Weise sprach, wie es sprechende Roboter von heute tun. Es handelt sich dabei vielleicht um eine Kombination von natürlichen und übernatürlichen Kräften, die das Tier aus der Erde zu dieser Darbietung befähigt. Offensichtlich überzeugte die Erscheinung die Menschen und veranlaßte sie, das Bild anzubeten.

Der Befehl, das Bild und das erste Tier anzubeten, wurde noch durch die Androhung der Todesstrafe für alle, die sich weigerten, ihn zu befolgen, verschärft. Das bedeutete jedoch nicht, daß dieses Gesetz ab sofort überall auf der Welt zur Anwendung kam. Es dauerte auf jeden Fall eine gewisse Zeit, alle Menschen auf der ganzen Welt aufzuspüren, die dem Tier nicht huldigten. Auch Hitler brauchte viele Monate für seinen Versuch, die Juden auszurotten, und erreichte auch dann sein vorgesetztes Ziel nicht ganz. Immerhin ist in Kapitel 7,9 - 17 von einer großen Schar von Märtyrern die Rede.



c. Das Zeichen des Tieres
( Offb 13,16-18 )


Offb 13,16-18


Um seine Kontrolle über die Menschen zu verstärken und die Religion des Tieres aus dem Meer durchzusetzen, forderte das zweite Tier, daß sie allesamt ... ein Zeichen machen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn . Ohne diesen Beweis, daß der Betreffende zu den Anhängern des Tieres gehörte, konnte niemand kaufen oder verkaufen . Die Notwendigkeit, Dinge wie Nahrung und Kleidung zu kaufen, würde alle Leute auf der Welt dazu zwingen, sich zu entscheiden, ob sie das Tier anbeten oder die Strafe auf sich nehmen wollten. Offensichtlich entschloß sich die Mehrheit zur Anbetung des Tieres.

Es ist viel darüber spekuliert worden, was man sich unter den Insignien oder dem "Zeichen" des Tieres vorzustellen hat, doch es kann sich dabei um ganz verschiedene Formen der Identifizierung handeln. Die Zahl sechshundertsechsundsechzig wurde auf verschiedenste Weise gedeutet. Die meisten Ausleger versuchten, sie als eine Art Zahlencode des hebräischen, griechischen oder eines anderen Alphabets zu lesen. Angesichts der unübersehbaren Vielzahl von Erklärungen, die bis auf den heutigen Tag vorgelegt wurden, liegt jedoch der Schluß nahe, daß sich die Zahl, falls sie sich tatsächlich auf eine bestimmte Person beziehen sollte, nicht eindeutig zuordnen läßt.

Die beste Deutung ist wahrscheinlich, daß die Zahl sechs um eines weniger ist als die vollkommene Zahl sieben. Die dreifache Wiederholung der sechs wäre damit ein Zeichen dafür, daß Satan und die beiden Tiere, trotzdem sie sich den Status der Gottheit anmaßten, lediglich Geschöpfe und nicht der Schöpfer selbst sind. Daß sechs die Zahl eines Menschen ist, wird an vielen Stellen in der Bibel anschaulich, unter anderem an der Tatsache, daß der Mensch sechs Tage arbeiten und am siebten ruhen soll. (Zu einer weiteren Erörterung der vielen verschiedenen Deutungen vgl. Mounce, The Book of Revelation , S. 263 - 265; Smith, A Revelation of Jesus Christ , S. 206 - 207; und Walvoord, Revelation , S. 209 - 212.)

Der Versuch, in den Zahlen der Heiligen Schrift verborgene Deutungen aufzuspüren, war vor allem in der Antike sehr beliebt. Mag sein, daß Johannes hier an eine bestimmte Person dachte, die seine engsten Mitarbeiter identifizieren konnten. Doch schon in der Literatur der frühen Kirchenväter findet sich dieselbe Verwirrung und Vielfalt von Deutungen, die auch heute herrscht. Daher ist es wohl am besten, dieses Rätsel ungelöst zu lassen. Die am besten begründete Schlußfolgerung formuliert wahrscheinlich Thomas F. Torrance: "Diese böse Dreizahl, die 666, versucht, die Heilige Trinität, die in der Zahl 777 steckt, nachzuahmen, was ihr jedoch nie gelingt" ( The Apocalypse Today , S.86).

Kapitel 13 ist so wichtig, weil darin zwei der Hauptgestalten der Offenbarung eingeführt werden: Das Tier aus dem Meer, der Herrscher der Welt und das Tier aus der Erde, der falsche Prophet, das Werkzeug des politischen Herrschers. Es gibt keinerlei Hinweis, daß eines der beiden Wesen Jude ist, wenngleich die Forschung - aufgrund der Wendung "die Götter seiner Väter wird er nicht achten" ( Dan 11,37 ) - das eine oder andere manchmal mit einem vom jüdischen Glauben abgefallenen Israeliten in Verbindung gebracht hat. Das hebräische Wort ?MlOhIm ist jedoch der allgemeine Begriff für Gott, im Gegensatz zu Jahwe , und wir haben keinen Beleg dafür, daß in Dan 11,37 von dem Gott Israels die Rede ist. Daher steht auch in den neueren Übersetzungen der Plural, "Götter". Der erste oder auch der zweite Herrscher aus Offb 13 wird also zwar oft als abtrünniger Jude gesehen, doch fehlt für eine solche Deutung jeder Beweis. Beide Tiere können durchaus auch Heiden sein, um so mehr, als es in dieser Schrift um die letzten Tage der Heiden geht, die die Stadt Jerusalem zertreten werden ( Lk 21,24 ). Beide werden nicht nur die Juden, sondern auch die gläubigen Heiden verfolgen.

Davon abgesehen gewährt uns das dreizehnte Kapitel des Buches der Offenbarung jedoch tiefe Einblicke in die Zeit der Großen Trübsal. In dieser Zeit wird es einen einzigen Herrscher über die ganze Welt und eine Weltreligion sowie ein auf der ganzen Welt herrschendes einheitliches ökonomisches System geben. Diejenigen, die sich diesem Herrscher widersetzen und sich weigern, ihm göttliche Ehren zuzuerkennen, werden verfolgt werden und die Zahl derer, die den Märtyrertod sterben, wird die der überlebenden Gläubigen bei weitem übertreffen. Satan wird ein letztes Mal versuchen, die Welt dazu zu bringen, ihn anzubeten und zum Abfall vom wahren Gott und dem Retter Jesus Christus zu verführen.

Das vorliegende Kapitel macht darüber hinaus deutlich, daß der postmilleniaristische Traum von einer Welt, die durch die christliche Mission besser und besser wird, in der Bibel keinerlei Anhaltspunkt hat. Die letzte Religion, der die Menschen anhängen werden, wird vielmehr eine teuflische und gotteslästerliche Irrlehre sein. Wir finden heute viele Hinweise darauf, daß die Menschheit sich genau in diese Richtung fortbewegt, und dürfen daraus den Schluß ziehen, daß der Tag des Herrn nahe ist.



8. Die Folgen im Himmel und auf der Erde
( Offb 14-15 )


a. Die Hundertvierundvierzigtausend auf dem Berg Zion
(
14,1-5 )


In Kapitel 14; 15 werden weitere Einzelheiten der Geschehnisse angedeutet, die sich in der Vorbereitung auf das Ausgießen der letzten Schalen des Zorns, von denen in Kapitel 16 die Rede sein wird, und auf das Endgericht, das dann in Kapitel 17 erfolgt, im Himmel und auf Erden abspielen.



Offb 14,1-2


Zunächst richtet sich der Blick noch einmal auf die Hundertvierundvierzigtausend, die mit dem Lamm ... auf dem Berg Zion stehen. Die Schlußfolgerung, daß es sich hier um dieselbe Gruppe handelt, von der in Offb 7,4-8 die Rede war, ist durchaus berechtigt. Chronologisch gesehen nimmt diese Vision den Triumph der "Hundertvierundvierzigtausend", die bewahrt werden, bis Jesus auf die Erde zurückkehren wird, vorweg. Im Gegensatz zu den vielen Menschen, die den Märtyrertod sterben werden, bleiben sie während der ganzen Zeit der Trübsal am Leben. Doch sie sind nicht die einzigen, die diese schreckliche Zeit überleben, denn vielen Heiden und Juden, die sich am Ende der Zeiten zu Christus bekehren, wird es gelingen, dem Tod zu entrinnen. Auch sie werden bei der Wiederkunft Christi geehrt werden.

Abermals spielte sich im Himmel eine dramatische Szene ab. Johannes hörte eine laute Stimme, die wie die Stimme eines großen Wassers und wie die Stimme eines großen Donners, und ... wie von Harfenspielern klang (vgl. "Donner" in Offb 4,5;6,1;8,5;11,19;16,18;19,6 ).



Offb 14,3-5


Er notierte: Und sie sangen ein neues Lied vor dem Thron und vor den vier Gestalten und vor den Ältesten. Diese Sänger bildeten offensichtlich einen himmlischen Chor. Es könnte sich dabei um die große Schar in weißen Kleidern handeln, von der in Offb 7,9-17 die Rede war. Der Text enthält allerdings keinen Beleg dafür, den Berg Zion als Bild für den Himmel zu verstehen. Plausibler ist es, in diesem Chor die Hundertvierundvierzigtausend zu sehen (vgl. Offb 14,1 ), die noch nicht gestorben sind und sich auf Erden, auf dem Berg Zion, aufhalten.

Die Reinheit der Hundertvierundvierzigtausend könnte ein Hinweis darauf sein, daß es ihnen während der Zeit der Großen Trübsal nicht möglich war zu heiraten. Oder sie bezieht sich auf ihre geistliche Reinheit, die in der Bibel häufig als Jungfräulichkeit dargestellt wird (vgl. 2Kö 19,21; Jes 37,22; Jer 18,13; 31,4.21; Kl 2,13; Am 5,2 ). In 2Kor 11,2 wird der Gedanke der Jungfräulichkeit auf die gesamte Kirche ausgedehnt und gilt für beide Geschlechter.

Manche Menschen glauben, daß die Hundertvierundvierzigtausend Evangelisten in der Zeit der Großen Trübsal seien. Doch auch dafür gibt es keine Textbelege; ihr Zeugnis gründet sich lediglich auf ihre moralische Unbescholtenheit und auf die Tatsache, daß sie nicht wie viele andere den Märtyrertod starben. Sie folgen dem Lamm nach, wohin es geht . Johannes fügt hinzu: Diese sind erkauft aus den Menschen als Erstlinge für Gott und das Lamm. Der Ausdruck "Erstling" legt die Vermutung nahe, daß diese bekehrten Israeliten den vielen anderen, die sich beim zweiten Kommen des Herrn zu Christus bekehren werden, vorausgehen ( Sach 12,10; Röm 11,15.26-27 ). Sie waren untadelig ( amOmoi , ein Begriff, der für Opfertiere verwendet wurde), und in ihrem Mund wurde , obwohl sie in einer Zeit teuflischer Lügen und Irrlehren lebten, kein Falsch gefunden . Dieser Abschnitt als ganzer ist eine prophetische Weissagung des Triumphes, den die Hundertvierundvierzigtausend bei der Wiederkunft Christi erleben werden.



b. Die Botschaft der drei Engel
( Offb 14,6-12 )


Offb 14,6-12


Als nächstes sah Johannes einen Engel, der eine Botschaft - ein ewiges Evangelium - verkündigte. Der Engel hatte den Auftrag, diese Nachricht allen Menschen, die auf Erden wohnen , zu überbringen. Der Begriff "Evangelium", der an dieser Stelle verwendet wird, hat manche Forscher zu der Annahme verleitet, daß es sich dabei um eine Heilsbotschaft oder um die gute Nachricht des kommenden Gottesreiches handelte. Der Kontext scheint jedoch etwas anderes anzudeuten, denn die Botschaft betrifft das göttliche Strafgericht. Der Engel sprach: Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen! Bei der "ewigen" Botschaft scheint es sich also um die Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes und seines Gerichts und nicht um eine Heilsbotschaft zu handeln.

Dem ersten Engel (folgte) ein zweiter , der verkündigte, daß Babylon, die große Stadt , gefallen war und dabei andere, die sie mit ihrer Hurerei angesteckt hatte, mit sich ins Verderben gerissen hatte. Diese Kurzdarstellung ist offensichtlich eine Vorwegnahme der eingehenden Beschreibung des Falls von Babylon in Kapitel 18 .



Offb 14,9-12


Und ein dritter Engel folgte ihnen . Er verkündigte, daß diejenigen, die das Tier ... und sein Bild anbeteten und das Zeichen an ihrer Stirn oder an ihrer Hand trugen, den Zorn Gottes zu schmecken bekommen und zusammen mit Satan, der Dämonenwelt und den Unerlösten der ewigen Qual anheimgegeben werden. Die bleibende Kraft dieses Urteilsspruches wird in Vers 11 lapidar zusammengefaßt: Und der Rauch von ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht . Diejenigen, die die Gebote Gottes halten und ihm treu bleiben, werden die Geduld der Heiligen benötigen (V. 12 ; vgl. Offb 13,10 ). Der Gedanke einer ewigen Strafe ist unter liberalen Forschern zwar nicht sehr beliebt, wird jedoch in der Bibel ganz zweifelsfrei gelehrt, und zwar insbesondere durch Jesus und den Apostel Johannes.



c. Der Segen der treuen Heiligen
( Offb 14,13 )


Offb 14,13


Nach der feierlichen Verkündigung des dritten Engels hörte Johannes eine Stimme vom Himmel , die ihn aufforderte: Schreibe: Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Und der Heilige Geist fügte die Verheißung hinzu: Sie sollen ruhen von ihrer Mühsal; denn ihre Werke folgen ihnen nach.

Dieser Abschnitt wird häufig in Zusammenhang mit den allgemeinen Segnungen Gottes für die Christen zitiert, doch der Textzusammenhang weist eher darauf hin, daß er in besonderer Weise denjenigen gilt, die in der Zeit der Großen Trübsal gestorben sind. Ihnen wird die Erlösung aus der Verfolgung, der Qual und den Bedrängnissen und das Eingehen in die herrliche Gegenwart Gottes verheißen.



d. Die Botschaften der zweiten Gruppe der drei Engel
( Offb 14,14-20 )


Offb 14,14-16


In seiner nächsten Vision sah Johannes eine weiße Wolke , auf der einer (saß), der gleich war einem Menschensohn. Er trug eine goldene Krone und hielt eine scharfe Sichel in der Hand. Obwohl dieser "Menschensohn" häufig als Engel identifiziert wurde, war es wahrscheinlich Christus selbst, der ja den Titel "Menschensohn" trägt (vgl. Offb 1,13; vgl. auch Mt, wo er ihm fünfundzwanzigmal zugeschrieben wird: Mt 8,20;9,6;11,19;12,8.32;13,41 usw.). Die Sichel in seiner Hand ist ein Sinnbild für das Gericht. Dafür spricht auch der Inhalt der Botschaften der drei Engel ( Offb 14,15-20 ).

Einer der Engel ... rief Christus zu, daß die Zeit zu ernten ... gekommen sei, denn die Ernte der Erde ist reif geworden . Das griechische Wort für "Reifsein" ( exEranthE ) an dieser Stelle steht für ein Überreifsein der Frucht bis hin zum Fäulnisprozeß. Auf die Ernte folgt das Gericht, in dem die Sichel an die Erde gesetzt wird. Alford vertritt die These, daß Vers 14 sich auf die Ernte der Heiligen bezieht und daß die Verse 15-16 das Gericht über die Bösen beschreiben ( The Greek Testament , 4,691). Es ist jedoch schwierig, sich die Ernte der Heiligen als ein Überreif- oder Verwelktsein vorzustellen.



Offb 14,17-20


Ein zweiter Engel trat auf, der hatte ein scharfes Winzermesser . Er erhielt von einem weiteren Engel den Befehl: Setze dein scharfes Winzermesser an und schneide die Trauben am Weinstock der Erde, denn seine Beeren sind reif! Für die Reife der Trauben benutzt Johannes ein anderes Wort, Ekmasan , das "voll erblüht" oder "in erstklassigem Zustand" bedeutet. Die Trauben waren voller Saft und bereit zur Ernte. Gehorsam (setzte) der Engel ... sein Winzermesser an die Erde und schnitt die Trauben am Weinstock der Erde und warf sie in die große Kelter des Zornes Gottes. Und die Kelter wurde draußen vor der Stadt (wahrscheinlich Jerusalem; vgl. "die große Stadt" in Offb 11,8 ) getreten .

In der damaligen Zeit wurden Trauben gekeltert, indem man sie mit den Füßen in einer Weinpresse trat. Hier geschah daraufhin jedoch etwas anderes. Und das Blut ging von der Kelter bis an die Zäume der Pferde, tausendsechshundert Stadien (etwa 270 Kilometer) weit. Während diese Entfernung durchaus wörtlich verstanden werden und vielleicht die Ausdehnung des Strafgerichts um die Stadt Jerusalem herum bezeichnen kann, ist es selbstverständlich unmöglich, daß eine Flüssigkeit wie Blut bis an die Zügel von Pferden steigt. Es handelt sich also wohl nur um ein Bild für das schreckliche Blutvergießen in dieser Zeit ( Jes 63,1-3 ), bei dem das Blut so hoch spritzen wird, daß es die Zügel der Pferde befleckt. Auch andere Schriftstellen (z. B. Offb 16,14; Dan 11,40-45 ) machen deutlich, daß zur Zeit des zweiten Kommens Christi ein Krieg nie dagewesenen Ausmaßes die Welt überziehen wird, in dem sich die Prophezeiungen, von denen hier die Rede ist, zum Teil erfüllen werden.

Offb 14 schildert die Bewahrung der Hundertvierundvierzigtausend in der Zeit der Großen Trübsal. Dieser Bewahrung werden einige der schrecklichen Strafen gegenübergestellt, die die Menschen ereilen, die Christus ablehnen und statt dessen Satan folgen. William Kelly sieht in diesem Kapitel eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse am Ende der Zeit: (1) Das Auftreten des gottesfürchtigen Rests Israels; (2) das Zeugnis für die Heiden; (3) der Fall Babylons; (4) das Schicksal derer, die das Tier anbeten; (5) der Segen, der die Heiligen, die den Märtyrertod gestorben sind, erwartet; (6) die Ernte; (7) der Zorn Gottes über die Welt ( Lectures on the Book of Revelation , S.330).



e. Die sieben Engel
(
15,1-8 )


Offb 15,1-2


Auf dem Hintergrund der Szenerie im Himmel, die in Kapitel 14 beschrieben ist, ging Johannes nun auf die Einzelheiten des göttlichen Gerichts ein. Er berichtete, daß er noch ein andres Zeichen am Himmel (sah). Sieben Engel , die die letzten sieben Plagen in der Hand hatten, leiteten die Schlußphase ein, in der sich der Zorn Gottes über die Welt vollendet . Dieses letzte "Zeichen" bezieht sich auf die vorhergehenden großen Zeichen der Frau in Offb 12,1 und des roten Drachens in Offb 12,3 .Die sieben Engel sollten jedoch nicht mit den beiden Gruppen von jeweils drei Engeln in Kapitel 14,6 - 20 oder mit irgendwelchen anderen Engeln, von denen davor die Rede war, verwechselt werden.

Außer diesen Engeln sah Johannes etwas, das war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt . Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um dasselbe Meer wie in Offb 4,6 .Neben diesem gläsernen Meer standen die Märtyrer von Offb 7,9-17 ,die Gottes Harfen trugen .


Offb 15,3-4


Die siegreichen Heiligen sangen das Lied des Mose ... und das Lied des Lammes . Dabei handelte es sich wahrscheinlich um zwei verschiedene Lieder; das erste sprach wohl von der Treue Gottes zu Israel und das zweite von der gegenwärtigen Situation der Heiligen in der Zeit der Großen Trübsal. Manche Forscher, wie z. B. Walter Scott, beziehen "das Lied des Mose" auf 2Mo 15 ,wo Israel über die Ägypter triumphiert ( Exposition of Revelation , S. 315). Andere, wie etwa J.B. Smith, sehen darin das Lied aus 5Mo 32 ,in dem die Treue Gottes gegenüber Israel verherrlicht wird ( A Revelation of Jesus Christ , S. 224 - 225). In dem Lied in Offb 15,3-4 wird Gott für seine großen Werke, seine Gerechtigkeit, Wahrheit (vgl. Offb 16,7 ), Herrlichkeit und Heiligkeit gepriesen (zu einem Vergleich der vierzehn Doxologien in der Offenbarung siehe die Tabelle bei Offb 4,8 ). Danach erfolgt die Weissagung, daß alle Völker Gott anbeten ... (werden) .

Das Gotteslob, das hier dargebracht wird, und die Weissagung des universalen Gottesdienstes haben viele Entsprechungen in anderen Schriftstellen. Diese Worte gelten ganz eindeutig dem zweiten Kommen Christi und der Anbetung Gottes durch die ganze Welt im Tausendjährigen Reich ( Ps 2,8-9; Ps 24,1-10; Ps 66,1-4; Ps 72,8-11; Ps 86,9; Jes 2,2-4; Jes 9,5-6; Jes 66,18-23; Jer 10,7; Dan 7,14; Zeph 2,11; Sach 14,9 ). Der schrecklichen Stunde der Bosheit und Gotteslästerung, die die Zeitspanne vor dem zweiten Kommen Christi kennzeichnet, wird das volle Maß der Strafe Gottes und danach die Wiederherstellung der Heiligkeit folgen.


Offb 15,5-8


Als nächstes sah Johannes, wie der Tempel, die Stiftshütte ..., aufgetan wurde. Dieser Tempel im Himmel scheint das himmlische Gegenstück zum irdischen Tempel zu sein. Als er geöffnet wurde, kamen die sieben Engel, die die sieben Plagen hatten, (aus) ihm hervor. Sie waren angetan mit reinem, hellem Leinen - ein Bild für ihre Reinheit - und gegürtet um die Brust mit goldenen Gürteln , die die Herrlichkeit Gottes symbolisieren.

Johannes sah, wie eine der vier Gestalten ... den sieben Engeln sieben goldenen Schalen voll vom Zorn Gottes (gab) . Danach füllte sich der Tempel mit Rauch, so daß niemand mehr hineingehen konnte, bis die sieben Plagen der sieben Engel vollendet waren (vgl. 2Mo 40,34-35 ). Als Ganzes genommen entwirft Offb 15,5-8 ein schreckliches Bild des drohenden göttlichen Gerichts über die böse Welt. Die Strafen, die über sie ausgegossen werden ( Offb 16 ), werden dieser geheimnisvollen Einführung voll und ganz gerecht.



J. Die Schalen des göttlichen Zorns
( Offb 16 )


Chronologisch gesehen schildert dieses Kapitel die Ereignisse unmittelbar vor dem zweiten Kommen Christi. Die Strafen, die darin beschrieben werden, folgen rasch aufeinander. Alford schreibt: "Es besteht kein Zweifel, daß diese Ereignisse zum Ende der Zeit führen, ja, daß sie unmittelbar vor diesem Ende stattfinden" ( The Greek Testament , 4,696). Schon der Prophet Daniel wies darauf hin, daß die letzten Tage der Großen Trübsal eine Zeit des weltweiten Krieges sein würden ( Dan 11,36-45 ). In der Schilderung des Johannes mündet dieses sich immer mehr steigernde Geschehen rasch in seinen Höhepunkt.



1. Die erste Schale
(
16,1-2 )


Offb 16,1-2


Er hörte eine große Stimme aus dem Tempel, die zu den sieben Engeln (sprach): Geht hin und gießt aus die sieben Schalen des Zornes Gottes auf die Erde! Diese Stimme war zweifellos die Stimme Gottes, die aus dem himmlischen Tempel erklang. Das griechische Adjektiv megalEs , das hier mit "groß" wiedergegeben wird, taucht in diesem Kapitel mehrfach auf (vgl. V. 17 , wo es sich ebenfalls auf die Stimme bezieht). Dasselbe Adjektiv bezeichnet auch die "große Hitze" (V. 9 ), den "großen Strom Euphrat" (V. 12 ), den "großen Tag Gottes" (V. 14 ), "ein großes Erdbeben" (V. 18 ), die "große Stadt" (V. 19 ), "große Hagelstürme" (V. 21 ) und eine "sehr große Plage" (V. 21 ). Als der erste Engel seine Schale aus(goß) auf die Erde, entstand ein böses und schlimmes Geschwür an den Menschen, die das Zeichen des Tieres hatten und die sein Bild anbeteten .

In diesem Zusammenhang ist die Frage erhoben worden, ob die Schalen des Zornes Gottes chronologisch auf die sieben Posaunen folgen oder ob sie mit ihnen identisch sind. Beide Strafgerichte weisen große Ähnlichkeit auf. Sie betreffen beide (a) die Erde ( Offb 8,7; vgl. Offb 16,2 ), (b) das Meer ( Offb 8,8; vgl. Offb 16,3 ), (c) die Wasserströme und Wasserquellen ( Offb 8,10; vgl. Offb 16,4 ) und (d) die Sonne, den Mond und die Sterne ( Offb 8,12; in Offb 16,8-9 ist allerdings nur von der Sonne die Rede). Beim Klang der fünften Posaune hatten die Dämonen von der Sonne Besitz ergriffen und der Himmel verdunkelte sich ( Offb 9,1-3 ); dieses Geschehen ähnelt den Folgen des Ausgießens der fünften Schale, nach dem Dunkelheit die Erde bedeckt und die Menschen sich vor Schmerzen die Zunge zerbeißen ( Offb 16,10-11 ). Die sechste Posaune betraf den Strom Euphrat ( Offb 9,13-14 ), der nach dem Ausgießen der sechste Schale austrocknen wird ( Offb 16,12 ). Die siebte Posaune war das Zeichen, daß die Zeit der Großen Trübsal sich ihrem Ende näherte ( 11, 15 - 19 ), und nach dem Ausgießen der siebten Schale des Zorns Gottes war eine Stimme vom Himmel zu hören, die sagte: "Es ist geschehen!" ( Offb 16,17 ). Danach kam es zu Erdbeben und Hagel wie auch bei der siebten Posaune ( Offb 11,18-19 ).

Diese Parallelen sind jedoch noch kein Beweis für die Identität dieser Ereignisse, und ein Vergleich der sieben Posaunen mit den sieben Schalen des Zornes Gottes enthüllt denn auch gravierende Unterschiede zwischen diesen beiden Strafgerichten, obwohl die Abfolge des Geschehens in beiden dieselbe ist. Von dem Gericht, das die Posaunen über die Welt bringen, ist ganz allgemein ein Drittel der Erde und des Himmels betroffen, wohingegen die Folgen der Schalen des Zorns jeweils die ganze Welt in Mitleidenschaft ziehen. Sie sind außerdem sehr viel schwerwiegender und führen tatsächlich das Weltende herbei. Daher scheint es am plausibelsten, bei jener Deutung zu bleiben, die lange Zeit auch von der Kirche akzeptiert war und derzufolge die sieben Schalen des Zorns beim Schall der siebten Posaune ausgegossen werden, so wie die sieben Posaunen unter die Öffnung des siebten Siegels fielen. Die Strafen steigern sich immer mehr und werden intensiver und umfassender, je näher das zweite Kommen Christi rückt. Alles deutet darauf hin, daß die Schalen des Zorns mit rasender Schnelligkeit über eine Welt hereinbrechen, die noch unter den Schlägen der vorhergehenden Strafen und den Auswirkungen eines gigantischen Weltkrieges taumelt. Manche der Schalen gelten ausschließlich den schlechten Menschen ( Offb 16,2.8-11 ), andere betreffen die gesamte Natur (Ströme, Flüsse, Sonne usw.).

Nach dem Ausgießen der ersten Schale entwickelten die Menschen, die dem Antichristen folgten, qualvolle Geschwüre. Auch die fünfte Schale wird nochmals solche Geschwüre über die Menschheit bringen (V. 10-11 ).



2. Die zweite Schale
(
16,3 )


Offb 16,3


Nach dem zweiten Posaunenstoß wurde "der dritte Teil des Meeres zu Blut", "der dritte Teil der lebendigen Geschöpfe" starb und "der dritte Teil der Schiffe wurde vernichtet" ( Offb 8,8-9 ). Beim Ausschütten der zweiten Schale jedoch (starben) alle lebendigen Wesen im Meer ( Offb 16,3 ). Es ist anzunehmen, daß die Ozeane sich nicht tatsächlich von ihrer chemischen Zusammensetzung her in Menschenblut verwandelten, sondern daß sie nur aussahen, als bestünden sie aus Blut, die Lebewesen in ihnen aber tatsächlich starben. Wie bei der zweiten Posaune erinnert das Blut auch an dieser Stelle an die erste Plage in Ägypten ( 2Mo 7,20-25 ). Da der größte Teil der Erdoberfläche von den Weltmeeren bedeckt ist, hat diese Strafe weltweite katastrophale Auswirkungen.



3. Die dritte Schale
(
16,4 - 7 )


Offb 16,4-7


So wie die dritte Posaune "den dritten Teil der Wasser" bitter machte, erstreckte sich die Strafe der zweiten Schale über das Meer und schließlich mit dem Ausgießen der dritten Schale auch auf die Wasserströme und ... Wasserquellen; und sie wurden zu Blut ( Offb 16,4 ). Johannes hörte den Engel, der für die Wasser verantwortlich war, sagen, daß Gott, der Heilige, gerecht ist in seinem Urteil (V. 5 ). Denn die Verwandlung des Wassers in Blut war Gottes Antwort auf das Blut der Heiligen und der Propheten, das vergossen wurde (V. 6 ). Diese Aussage wurde vom Altar her bestätigt (V. 7 ; vgl. Offb 9,13 ).



4. Die vierte Schale
(
16,8 - 9 )


Offb 16,8-9


Bei dieser Strafe verwandelte die Sonne ihre Hitze , so daß sie unerträglich wurde. Auch daraufhin lästerten die Menschen den Namen Gottes und bekehrten sich nicht (vgl. V. 11 ). Im Gegensatz dazu verdunkelte die vierte Posaune ( Offb 8,12 ) ein Drittel des Himmels, ohne daß dabei von einer Erwärmung der Atmosphäre die Rede gewesen wäre. Aus dieser und anderen Weissagungen läßt sich ableiten, daß es in der Großen Trübsal zu dramatischen Klimaveränderungen kommen wird.



5. Die fünfte Schale
(
16,10-11 )


Offb 16,10-11


Diese Strafe richtete sich gegen den Thron des Tieres . Sie brachte Finsternis über die Erde und schmerzhafte Geschwüre (vgl. V. 2 ) über die Menschen. Auch hier lästerten sie wieder Gott ... und bekehrten sich nicht von ihren Werken . Das ist das letzte Mal in der Offenbarung, daß von der offenen Unbußfertigkeit der Menschen berichtet wird (vgl. Offb 2,21;9,21;16,9; vgl. jedoch Offb 16,21 ). Die fünfte Schale gleicht der fünften Posaune ( Offb 9,1-11 ), da beide Finsternis bringen, doch die fünfte Posaune handelte eher von dämonischer Besessenheit als von physischen Schmerzen.



6. Die sechste Schale
(
16,12 - 16 )


Offb 16,12


Nach den Worten des Johannes (goß) der sechste Engel ... seine Schale auf den großen Strom Euphrat , der daraufhin austrocknete, damit der Weg bereitet würde den Königen vom Aufgang der Sonne . Über diese "Könige vom Aufgang der Sonne" ist viel gerätselt worden, wobei die Ausleger teilweise wieder dazu tendierten, sie mit irgendwelchen zeitgenössischen Führungspersönlichkeiten zu identifizieren. Bei einem Überblick über hundert Kommentare zum Buch der Offenbarung finden sich mindestens fünfzig verschiedene Deutungen der Identität dieser Könige. Die einfachste und beste Erklärung ist jedoch, daß es sich bei ihnen um Könige oder Herrscher aus dem Orient oder Osten handelt, die am letzten Weltkrieg teilnehmen werden. Auf dem Hintergrund dieser Passage, die auf das nahe Bevorstehen der Wiederkunft Christi weist, und der gegenwärtigen Weltlage, nach der der Osten, ausgestattet mit enormem militärischem Potential, einen Großteil der Weltbevölkerung stellt, ist keine andere als die wörtliche Deutung möglich. Alford konstatiert denn auch: "Dies ist das einzige Verständis dieser Worte, das dem Kontext und den Bedingungen dieser verschiedenen Prophezeiungen gerecht wird" ( The Greek Testament , 4,700).

Dieses Geschehen steht im Zusammenhang mit dem großen Strom Euphrat , der Wassergrenze zwischen dem Heiligen Land und dem Osten (vgl. den Kommentar zu Offb 9,12-16 ). Vom Text her erscheint es so, als sei das Austrocknen des Wassers ein Akt Gottes, doch in der Realität wurde der Euphrat in diesem Jahrhundert durch Dämme und Gräben in seinem Lauf verändert, um Wasser für Bewässerungsanlagen zu gewinnen, so daß der Fluß manchmal tatsächlich nur wenig oder gar kein Wasser führt. Vom Euphrat ist sehr oft in der Heiligen Schrift die Rede (z. B. 1Mo 15,18; 5Mo 1,7;11,24; Jos 1,4 ). Das Austrocknen des Flusses wird auch in Jes 11,15 vorhergesagt.



Offb 16,13-16


Danach wurde Johannes eine symbolische und umfassende Schau der Vorbereitung für die letzte Schale des göttlichen Zornes zuteil. Er sah ... drei unreine Geister ... gleich Fröschen , die aus den Mündern des Satans ( des Drachen ) und der zwei Tiere (des Antichristen, Offb 13,1-10 ,und des falschen Propheten, Offb 13,11-18 ) hervorkamen. Die Identität der drei Frösche wird in Vers 14 aufgeschlüsselt: Es sind Geister von Teufeln, die tun Zeichen . Diese Dämonen verteilen sich über die ganze Welt und bringen die Könige dazu, sich zum Kampf am großen Tag Gottes, des Allmächtigen ( pantokratOr ; das Wort taucht auch in Offb 1,8;4,8;11,17;15,3;16,7;19,6.15;21,22 auf), zu versammeln.

Die Bedeutung dieser symbolischen Erscheinung ist also klar, doch bleibt zu erhellen, was die Dämonen genau tun. Die künftige Weltherrschaft in der Großen Trübsal wird durch die Macht Satans errichtet werden ( Offb 13,2 ). An dieser Stelle aber vereinen sich Satan, der Weltherrscher und der falsche Prophet in der Anstiftung der Völker zum letzten Weltkrieg. Dieser Krieg ist eigentlich eine Auflehnung gegen den Weltherrscher. Warum aber sollten satanische Mächte freigesetzt werden, um das Weltreich, das soeben erst geschaffen wurde, wieder zu zerstören?

Die Antwort auf diese Frage scheint in den folgenden Ereignissen zu liegen. Satan, der weiß, daß die Wiederkunft Christi nahe ist, wird die ganze militärische Macht der Welt im Heiligen Land konzentrieren, um sich dem Kommen des Menschensohnes, der auf dem Ölberg erscheinen wird, zu widersetzen ( Sach 14,4 ). Die Nationen werden zwar über das eigentliche Ziel des Krieges getäuscht werden, indem sie sich von dem Krieg einen Zuwachs an politischer Macht versprechen, denn das Ziel des Teufels ist es, die himmlischen Heerscharen (von denen in Offb 19 die Rede ist) beim zweiten Kommen Christi zu bekämpfen.

Dieser Krieg soll bis zum Tag der Wiederkunft dauern und schließt Straßenkämpfe in Jerusalem am Tag des Kommens des Herrn mit ein ( Sach 14,1-3 ). Der Verweis auf "den Kampf" ( ton polemon ; Offb 16,14 ) wird wohl besser mit "der Krieg" wiedergegeben. Man sollte also eher vom "Krieg von Harmagedon" (vgl. V. 16 ) als von "der Schlacht bei Harmagedon" reden. Dieser Krieg wird eine Zeitlang dauern und seinen Höhepunkt beim Kommen Christi erreichen. "Harmagedon" kommt von dem griechischen H armagedOn , einer Transliteration der hebräischen Worte für den "Berg" ( har ) von Megiddo. Dieser Berg liegt neben der Stadt Megiddo und der Ebene von Esdrelon, die auch Schauplatz vieler alttestamentlicher Schlachten war.

Johannes hörte von Christus selbst die Warnung: Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig ist, der da wacht und seine Kleider bewahrt, damit er nicht nackt gehe und man seine Blöße sehe.

Die Wiederkunft Christi wird oft mit dem Kommen eines Diebes verglichen - ein Bild für die Plötzlichkeit und die Unvorbereitetheit, mit der sie die Ungläubigen trifft. Wie die Gläubigen nicht von der Entrückung der Kirche überrascht werden sollten ( 1Thes 5,4 ), werden sie auch die Wiederkunft Christi vorauswissen. Dabei wird demjenigen Segen verheißen, der für das Kommen des Herrn gerüstet ist, indem er sich in Gerechtigkeit, das Gewand, das Gott selbst ihm gibt, hüllt.

Insgesamt bereitet das Geschehen bei der Ausgießung der sechsten Schale des göttlichen Zornes die Menschen auf den letzten Akt des Gerichts vor dem zweiten Kommen Christi vor. Die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Euphrat, die schon zuvor vorhergesehen wurde ( Offb 9,14 ), hat nun ein späteres Stadium erreicht, wobei der Zeitfaktor zwischen der sechsten Posaune und der sechsten Schale vergleichsweise kurz ist.



7. Die siebte Schale
(
16,17 - 21 )


Offb 16,17-21


Dann (goß) der siebente Engel ... seine Schale in die Luft . Johannes hörte eine große Stimme aus dem Tempel, die sprach: Es ist geschehen! Eine ganz ähnliche Äußerung war auch der siebten Posaune gefolgt ( Offb 11,15-19 ). Auch hier sah Johannes Blitze und hörte Donner . Diesen Phänomenen schloß sich ein großes Erdbeben an ( Offb 16,18 ). Johannes wurde mitgeteilt, daß dies das schwerste Erdbeben aller Zeiten sei (weitere Erdbeben werden in Offb 8,5 und Offb 11,19 erwähnt). Die Schilderung der Verwüstungen, die es anrichtete, lassen darauf schließen, daß es die ganze Erde in Mitleidenschaft zog, vielleicht mit Ausnahme des Landes Israel. Die große Stadt, die in drei Teile zerfiel, war Babylon . Das wichtigste Ereignis war jedoch, daß die Städte der Heiden einstürzten. Das schwere Erdbeben legte sämtliche Städte der Völker (Heiden) in Schutt. Damit war der Schauplatz bereit für die Wiederkunft Christi. Der Einsturz der Städte wird auf jeden Fall mit riesigen Opfern an Menschenleben und ungeheuren Zerstörungen dessen, was noch vom Weltreich übrig ist, einhergehen.

In Offb 11,8 ist zwar von Jerusalem als "der großen Stadt, die geistlich Sodom und Ägypten heißt, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde", die Rede, doch die "große Stadt" an dieser Stelle ist eindeutig Babylon, wie aus Offb 16,19 hervorgeht. Gott wird Babylon den Kelch mit dem Wein seines grimmigen Zorns reichen, d. h., die Stadt wird in schrecklicher Weise die Ausgießung seines Gerichts erfahren. Von einigen Exegeten wurde Rom, das wegen seiner geistlichen Verdorbenheit ebenfalls an manchen Stellen "Babylon" genannt wird, als Pendant der Stadt, von der hier die Rede ist, vorgeschlagen. Diese These wurde zwar von den Gelehrten ausführlich erörtert (vgl. J. A. Seiss, The Apocalypse , S. 381-382.397 - 420), man geht jedoch wohl besser davon aus, daß es sich bei diesem "Babylon" in der Tat um die wiedererrichtete Stadt Babylon am Euphrat handelt, die die Hauptstadt des endzeitlichen Weltreiches sein wird (vgl. Walvoord, Revelaton , S. 240 - 241).

Zusätzlich zu dem schrecklichen Erdbeben, möglicherweise als eine Folge davon, beobachtete Johannes, daß alle Inseln verschwanden und die Berge ... nicht mehr gefunden wurden. Diese Verse (V. 18 - 20 ) deuten, wenn man sie wörtlich versteht, auf topographische Veränderungen der Erdoberfläche, die schließlich als Vorbereitung auf das Tausendjährige Reich Christi auch zu großen Veränderungen im Heiligen Land führen.


Offb 16,21


Außerdem fiel ein großer Hagel wie Zentnergewichte auf die Erde. Solche Eismassen von übernatürlicher Größe würden alles zerstören, was nach dem Erdbeben noch übriggeblieben war, und Menschen, die davon getroffen würden, zweifellos töten oder schwer verletzen. Trotz der Schwere der Strafe und ihrer verheerenden Auswirkungen spricht aus dem letzten Satz des Abschnitts wieder die Verhärtung der menschlichen Herzen: Und die Menschen lästerten Gott wegen der Plage des Hagels; denn diese Plage ist sehr groß.

Manchmal wird gefragt, warum die ewige Strafe auch wirklich ewig währt. Die Antwort auf diese Frage ist, daß die Menschen in ihrer Verstocktheit sich nicht ändern werden; sie verdienen ewige Strafe, weil sie ewig unbußfertig bleiben. Mit der endgültigen Zerstörung, die dem Ausgießen der siebten Schale des göttlichen Zornes folgt, wird die Bühne endgültig frei für die dramatisch sich steigernde Wiederkunft Christi, von der in Kapitel 19 berichtet wird. Zunächst wird jedoch in Kapitel 17 - 18 der Fall Babylons im Detail beschrieben.



K. Der Fall Babylons
( Offb 17-18 )


Babylon - der Ursprungsort so vieler heidnischer Religionen, die dem Glauben Israels und dem Glauben der Kirche entgegenstanden - wird in diesen Kapiteln endgültig gerichtet. Die Abfolge fügt sich nicht chronologisch in das Schema der Siegel, Posaunen und Schalen des göttlichen Zornes, weshalb es den Auslegern schwer wurde, die hier offenbarten Ereignisse einzuordnen.

Von einer allgemeinen Warte betrachtet vermittelt Kapitel 17 ein Bild des religiösen Charakters von Babylon. Höhepunkt ist dabei die Schaffung einer Weltreligion, die in die erste Hälfte der letzen sieben Jahre vor der Wiederkunft Christi zu gehören scheint. Daneben berichtet das Kapitel von der Zerstörung Babylons durch die zehn Könige (V. 16 ).

Kapitel 18 dagegen befaßt sich mit Babylon als politischer Macht und Großstadt und als Machtzentrale des großen Weltreiches, das die zweite Hälfte der letzten Jahre vor Christi Wiederkunft bestimmen wird. Gelegentlich wird Babylon (der Name wird etwa dreihundertmal in der Bibel erwähnt) auch als Repräsentant eines satanischen religiösen Systems verstanden, das der wahren Religion Gottes entgegensteht, doch in erster Linie verkörpert es eine politische Großmacht mit einer großen Hauptstadt. Die Endzeit führt diese beiden Überlieferungslinien zusammen und zeigt Gottes letztes Gericht über Babylon.



1. Die Vernichtung des religiösen Babylon
( Offb 17 )


Offb 17,1-2


Einer von den sieben Engeln (in Offb 16 ), die die sieben Schalen hatten , forderte Johannes auf, das Gericht über die große Hure, die an vielen Wassern sitzt , zu bezeugen. Diese schlechte Frau symbolisiert das religiöse System Babylons, während die Wasser ein Sinnbild der "Völker und Scharen und Nationen und Sprachen" sind (V. 15 ). Der Engel teilte Johannes mit, daß die Könige auf Erden mit der Frau Hurerei getrieben hatten, mit andern Worten, sie waren ein Teil des religiösen Systems, für das sie stand, geworden (vgl. Offb 14,8 ).



Offb 17,3-5


Dann wurde Johannes im Geist (d. h. in einer Vision, nicht leiblich; vgl. Offb 1,10; 4,2 ) in die Wüste versetzt, wo er die Frau selbst erblickte. Sie saß auf einem scharlachroten Tier, das ... voll lästerlicher Namen war und sieben Häupter und zehn Hörner (hatte) . Das ist ganz eindeutig ein Hinweis auf die Weltherrschaft ( Offb 13,1 ). Die zehn Hörner werden später ( Offb 17,12 ) als zehn Könige bezeichnet, "die ihr Reich noch nicht empfangen haben". Die sieben Häupter scheinen sich auf führende Persönlichkeiten des noch in der Zukunft liegenden wiedererstarkten Römischen Reiches zu beziehen.

Die Frau war bekleidet mit Purpur und Scharlach und geschmückt mit Gold und Edelsteinen und Perlen . Ihr Schmuck ähnelte also dem religiösen Putz, den man heute in bestimmten Kirchen finden kann. Purpur, Scharlach, Gold, Edelsteine und Perlen können ein Sinnbild der Schönheit und Herrlichkeit sein, wenn es um den wahren Glauben geht. An dieser Stelle aber stehen sie für eine falsche Religion, die die Wahrheit prostituiert.

In der Hand hielt die Frau einen goldenen Becher ..., voll von Greuel und Unreinheit ihrer Hurerei (vgl. "der Wein ihrer Hurerei" in V. 2 ). Das bestätigt die früheren Hinweise darauf, daß ihr Wesen und ihre Lebensführung ein Symbol für die falsche Religion schlechthin sind: Und auf ihrer Stirn war geschrieben ein Name, ein Geheimnis: Das große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden.

Die Bibel steckt voller Informationen über Babylon als Ursprungsort der falschen Religion, angefangen mit dem Turmbau zu Babel ( 1Mo 10-11 ). Der Name "Babel" bedeutet soviel wie "Verwirrung" ( 1Mo 11,9 ). Später wurde dieser Name auf die Stadt Babylon übertragen, deren Geschichte schon dreitausend Jahre vor Christi Geburt einsetzt. Einer der berühmten Herrscher von Babylon war Hammurabi (1728 - 1686 v. Chr.). Nach einer Zeit des Verfalls erlebte Babylon unter Nebukadnezar etwa 600 Jahre v. Chr. einen erneuten großen Aufschwung. Die Herrschaft Nebukadnezars (605 - 562 v. Chr.) und die darauffolgende Geschichte der Stadt bilden den Hintergrund für das Buch Daniel.

Doch Babylon hatte nicht nur politische, sondern auch religiöse Bedeutung. Nach außerbiblischen Überlieferungen begründete Semiramis, die Ehefrau Nimrods, des Erbauers von Babylon ( 1Mo 10,8-10 ), die geheimen religiösen Riten der babylonischen Mysterienreligionen. Semiramis hatte einen Sohn, den sie angeblich auf übernatürliche Weise empfangen hatte und der den Namen Tammus erhielt. Er war gleichsam das negative Gegenstück zur Erfüllung der Verheißung an die Nachkommenschaft Evas ( 1Mo 3,15 ).

Im Zusammenhang mit der babylonischen Irr-Religion kam man verschiedenen religiösen Bräuchen auf die Spur. Unter anderem gehörte dazu auch die Anbetung der Mutter und des Kindes als göttliche Wesen und die Stiftung eines Jungfrauenordens, dessen Angehörige als eine Art Tempeldirnen fungierten. Nach der Überlieferung wurde Tammus von einem wilden Tier getötet und dann wieder zum Leben erweckt - die satanische Vorwegnahme und das teuflische Gegenbild der Auferweckung Christi. Immer wieder wird deshalb diese falsche Religion in der Schrift verdammt ( Jer 7,18;44,17-19.25; Hes 8,14 ). Auch der Baalskult steht mit der Anbetung des Tammus in Zusammenhang.

Nachdem die Perser Babylon 539 v. Chr. erobert hatten, unterbanden sie die Ausübung der Mysterienreligionen. Deren Anhänger wanderten daraufhin nach Pergamon ab. Pergamon war auch der Standort einer der sieben im Buch der Offenbarung angesprochenen kleinasiatischen christlichen Gemeinden ( Offb 2,12-17 ). Die Hohenpriester der babylonischen Kulte trugen Diademe in Form eines Fischkopfes, um den Fischgott zu verehren. In diesen Kopfputz waren die Worte "Bewahrer der Brücke" - ein Symbol für die Brücke zwischen den Menschen und Satan - eingraviert. Dieser Brauch wurde von den römischen Kaisern übernommen, die den lateinischen Titel Pontifex Maximus , "Höchster Bewahrer der Brücke", trugen. Derselbe Titel wurde später auch vom Bischof von Rom benutzt. Auch heute noch wird der Papst als "Pontifex" bezeichnet. Als die Lehrer der babylonischen Mysterienreligionen später von Pergamon nach Rom kamen, gewannen sie großen Einfluß auf das Christentum, das sie mit heidnischen Elementen vermengten. Auf diese Weise entstanden viele pseudochristliche Riten, die in die Gemeinden Eingang fanden. Babylon ist deshalb das Symbol der Apostasie und der blasphemischen Ersetzung des christlichen Gottesdienstes durch den Götzendienst. In der folgenden Passage erlebt Babylon seine endgültige Verurteilung.



Offb 17,6


Die Frau, das Symbol der abtrünnigen Religion, war betrunken von dem Blut der Heiligen . Das zeigt, daß es in dem falschen religiösen System der ersten Hälfte der letzten sieben Jahre vor der Wiederkunft Christi keinen einzigen wahren Christen mehr geben wird. Die abtrünnige Kirche wird vielmehr darauf bedacht sein, alle zu töten, die dem wahren Glauben anhängen. Johannes gab seinem Erstaunen über diese Offenbarung Ausdruck.



Offb 17,7-8


Der Engel erklärte ihm die Bedeutung der Frau und des Tieres , auf dem sie saß. Das Tier ... wird wieder aufsteigen aus dem Abgrund , dem Wohnort Satans ( Offb 11,7 ), und dem Ort, von dem die Dämonen kommen ( Offb 9,1-2.11 ). Das macht deutlich, daß die Macht, die hinter dem Herrscher steht, eine satanische ist (vgl. Offb 13,4 ) und daß Satan und der Mann, über den er Macht hat, eng miteinander verbunden sind. Sie sind eins. Die Tatsache, daß das Tier gewesen (ist) und ist jetzt nicht und wird wieder aufsteigen , weist ebenfalls auf das in Offb 13,3 Gesagte. Das wunderbare Überleben und Wiedererstarken des Weltherrschers und seines Reiches wird der Welt wie ein übernatürliches Geschehen erscheinen und die Menschen dazu veranlassen, dem Tier und Satan gottesdienstliche Ehren zu erweisen. (Zum Buch des Lebens vgl. den Kommentar zu Offb 3,5;13,8 .Vgl. auch Offb 20,12.15;21,27 .)



Offb 17,9-11


Der Engel sagte zu Johannes: Hier ist Sinn, zu dem Weisheit gehört (vgl. Offb 13,18 ). Die Wahrheit, die hier in symbolischen Bildern dargestellt ist, muß mit geistlicher Einsicht erfaßt werden, und die Schwierigkeit, sie recht zu begreifen und zu deuten, zeigt sich denn auch in den ganz verschiedenen Auslegungsansätzen im Laufe der Geschichte der Kirche.

Johannes erfuhr durch den Engel, daß die sieben Häupter des Tieres sieben Berge seien, auf denen die Frau sitzt . Viele Schriftsteller der Antike wie etwa Victorinus, der einen der ersten Kommentare zum Buch der Offenbarung verfaßte, identifizierten die sieben Berge mit Rom, das oft als die "Stadt auf den sieben Hügeln" bezeichnet wird. Das hat zu der Folgerung geführt, diese Passage lehre, daß Rom die Hauptstadt des kommenden Weltreiches sein werde. Ursprünglich erstreckte sich Rom über sieben sanfte Erhebungen am Tiber, die die Namen Palatin, Arentin, Caelius, Esquilin, Viminal, Quirinal und Capitol trugen. Später kamen noch der Janiculus und der Pincius im Norden hinzu. Rom wird zwar immer wieder mit sieben Hügeln in Verbindung gebracht, doch die verschiedenen Autoren nennen dabei nicht unbedingt dieselben sieben Namen.

Eine genauere Betrachtung des ganzen Abschnittes widerlegt allerdings den Schluß, daß hier die Stadt Rom gemeint sein könnte. Seiss z. B. bringt umfangreiches Belegmaterial dafür vor, daß der Hinweis auf die sieben Berge sich eher auf verschiedene Herrscher als auf tatsächliche Hügel bezieht ( The Apocalypse , S. 391-394). Das wird auch durch den Text gestützt, der fortfährt: Es sind sieben Könige (wörtlich: "die sieben Häupter sind sieben Könige"). Wenn aber die Berge Könige verkörpern, kann es sich nicht um tatsächliche Berge handeln und die Bezeichnung kann sich demzufolge nicht auf Rom beziehen, sondern meint bestimmte Personen.

Diese Sichtweise paßt auch zu Vers 10 : Fünf sind gefallen, einer ist da, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muß er eine kleine Zeit bleiben. Johannes schrieb diese Sätze aus seiner historischen Perspektive, nachdem fünf berühmte Könige des Reiches geherrscht hatten und wieder verschwunden waren und einer auf dem Thron saß (wahrscheinlich Domitian, der die Verfolgungen veranlaßte, in deren Zusammenhang Johannes auf die Insel Patmos verbannt wurde). Die Identität des siebten Königs, der nach der Zeit des Johannes kommen sollte, bleibt unbekannt.

Vers 11 setzt hinzu, daß das Weltreich der Endzeit unter der Herrschaft eines Königs stehen werde, der der achte ist. Das Tier, das gewesen ist und jetzt nicht ist ... ist einer von den sieben und fährt in die Verdammnis. Der achte König ist offenbar mit dem letzten Herrscher der Welt identisch, dem Mann, der der Führer des letzten Weltreiches ist, das Christus bei seinem zweiten Kommen vernichten wird.

Eine mögliche Erklärung für den Unterschied zwischen dem siebten und achten Tier ist, daß das siebte Tier selbst das Römische Reich verkörpert, das in der Endzeit auf wunderbare Weise wiedererstarkt, und daß das achte Tier sein letzter Herrscher ist. Die Verse zeigen, daß in der Endzeit, insbesondere in der ersten Hälfte der letzten sieben Jahre, eine Allianz zwischen dem nahöstlichen Herrscher (dem Antichristen) und der abtrünnigen Weltkirche dieser Zeit bestehen wird. Diese Allianz wird um die Mitte der sieben Jahre, wenn die politische Macht des Antichristen sich über die ganze Welt erstrecken wird, ihren Höhepunkt erreichen.



Offb 17,12-14


Vers 12 erklärt, daß die zehn Hörner ... zehn Könige (sind) . Viele Ausleger haben versucht, diese Zehnerzahl mit zehn aufeinanderfolgenden Herrschergestalten der Vergangenheit gleichzusetzen, doch der Text selbst deutet eher darauf hin, daß es sich um Könige handelt, die zur gleichen Zeit an der Macht sind und über die Länder herrschen, die die eigentliche Allianz im Nahen Osten bilden werden, die den künftigen Weltherrscher unterstützt. Sie werden für eine Stunde Macht erhalten und zusammen mit dem Tier herrschen. Währen die sieben Häupter möglicherweise chronologisch nacheinander auftretende römische Kaiser bezeichnen, die als besonders bedeutend angesehen wurden, verkörpern die zehn Hörner die gleichzeitige Herrschaft der zehn Könige, die, wie der Text andeutet, für kurze Zeit große politische Macht haben werden.

Die zehn Könige werden ihre Macht vereinen, um dem Tier (V. 13 ), dem nahöstlichen Herrscher, der in der Endzeit auftreten und sieben Jahre vor dem Kommen Christi einen Bund mit Israel schließen wird, zu helfen. Ihr antichristlicher Einfluß wird die ganzen sieben Jahre hindurch wirksam sein, und wenn Christus erscheint, werden die zehn Könige gegen ihn kämpfen , doch sie werden unterliegen (V. 14 ). Bezeichnenderweise wird Christus, das Lamm , an dieser Stelle zugleich auch als der Herr aller Herren und der König aller Könige bezeichnet (vgl. 1Tim 6,15; Offb 19,16 ).

 

Offb 17,15


In Vers 1 wurde gesagt, daß die Frau "an vielen Wassern sitzt". Diese Wasser werden nun gedeutet als Völker und Scharen und Nationen und Sprachen . Das weist darauf hin, daß es in dieser Zeit eine einzige ökumenische Weltreligion geben wird, die alle Völker und Sprachfamilien umfaßt.


Offb 17,16-18


Das Kapitel schließt mit dem dramatischen Ende der Frau. Das Tier (der Weltherrscher, der Antichrist) und die zehn Hörner (die zehn Könige) werden die Hure hassen und werden sie ausplündern . Der Text liefert keine Hinweise auf den genauen Zeitpunkt dieses Geschehens, doch es hat den Anschein, daß die Vernichtung der Frau etwa in der Mitte der endzeitlichen Siebenjahresspanne erfolgen wird, wenn das Tier sich selbst zum Weltherrscher ausrufen wird ( Dan 9,27; Mt 24,15 ).

Wenn der nahöstliche Herrscher die Macht an sich reißen wird, wird er sich zugleich an die Stelle Gottes setzen und von seinen Untertanen bei Androhung der Todesstrafe verlangen, daß sie ihn anbeten (vgl. Dan 11,36-38; 2Thes 2,4; Offb 13,8.15 ). Die Weltkirchenbewegung, die der ersten Hälfte der sieben Jahre vor dem Kommen des Herrn ihr Gepräge gibt, nimmt damit ein abruptes Ende. Sie wird durch eine letzte Form von Weltreligion ersetzt werden, nämlich die Anbetung des Weltherrschers, Satans Platzhalter Christi.

Dieses ganze Geschehen ist Teil von Gottes souveränem Plan, über die schlechten Herrscher Gericht zu halten. Denn Gott hat's ihnen in ihr Herz gegeben, nach seinem Sinn zu handeln und eines Sinnes zu werden und ihr Reich dem Tier zu geben, bis vollendet werden die Worte Gottes.

Zum letzten Mal wird die Frau in Offb 17,18 erwähnt: Die Frau, die du gesehen hast, ist die große Stadt, die die Herrschaft hat über die Könige auf Erden. Das ist abermals ein Hinweis auf das antike Babylon, das in der damaligen Zeit als religiöses Zentrum für alle Arten von Irrlehren galt. Die abtrünnige Kirche, die in der Frau verkörpert ist, war eine Verbindung aus religiöser und politischer Macht. Wie in Vers 5 festgehalten ist, sind die Stadt und die Frau ein "Geheimnis", also ein Symbol. Vers 18 dagegen, die Überleitung zum nächsten Kapitel, scheint Babylon eher als reale Stadt denn als religiöse Einheit zu verstehen.

 

2. Die Vernichtung des politischen Babylon
( Offb 18 )


Offb 18,1-3


Durch einen andern Engel ... vom Himmel wurde Johannes weitere Offenbarung über die Vernichtung Babylons zuteil. Das Auftreten eines weiteren Engels steht im Gegensatz zu der Aussage "einer von den sieben Engeln" in Offb 17,1 .Die Gestalt sollte auf keinen Fall mit Christus verwechselt werden. Engel haben große Macht und machen im Buch der Offenbarung viele entscheidende Aussagen. Die Macht und Herrlichkeit dieses Engels war so groß, daß die Erde ... von seinem Glanz (erleuchtet) wurde ( Offb 18,1 ).

Die Botschaft des Engels lautete: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große . Es ist gefragt worden, ob hier nochmals aus einer anderen Perspektive von der Vernichtung die Rede ist, die in Offb 17,16-17 berichtet wurde. Ein Vergleich zwischen den Kap. 17; 18 macht jedoch deutlich, daß es sich um zwei verschiedene Ereignisse handelt. Die Frau in Kapitel 17 stand zwar in Verbindung mit der politischen Macht, doch sie war nicht selbst diese Macht, und ihre Vernichtung löste auf der Erde offenbar keine Trauer aus. Die Zerstörung Babylons in Kapitel 18 dagegen wird von denen, die politisch und wirtschaftlich Nutzen aus dem System zogen, laut beklagt. Die Zerstörung geht hier nicht von den zehn Königen aus, sondern erfolgt offenbar durch ein Erdbeben, so daß anzunehmen ist, daß an dieser Stelle ausführlicher erklärt wird, was bereits in Offb 16,19-21 angesprochen wurde.

Es geht um eine große und reiche Stadt, die das Zentrum des politischen und wirtschaftlichen Lebens ist. Das Gericht Gottes macht sie nun zur Behausung der Teufel, zum Gefängnis aller unreinen Geister und aller unreinen Vögel und ... aller unreinen und verhaßten Tiere. Denn von dem Zorneswein ihrer Hurerei haben alle Völker getrunken . Die falsche Religion Babylons ist wie eine Droge, die die Menschen in den Wahnsinn treibt. Sie hat die Kaufleute auf Erden reich gemacht und ist nun dem Untergang geweiht.

 

Offb 18,4-8


Nach der Ankündigung des Engels wies eine andere Stimme vom Himmel das Volk Gottes an, die Stadt zu verlassen, damit es dem Gericht, das ihr bevorstand, entrönne (V. 4-5 ). Babylon wird genausoviel Qual und Leid erfahren, wie es zuvor Herrlichkeit und Üppigkeit genoß und sich als Königin brüstete (V. 7 ). Tod, Leid und Hunger werden an einem Tag (V. 8 ) über die Stadt hereinbrechen, und sie wird von Feuer verzehrt werden.


Offb 18,9-20


Wenn die Könige die Zerstörung der Stadt sehen, werden sie jammern und klagen: Weh, weh, du große Stadt Babylon, du starke Stadt (V. 10 ). Auch die Kaufleute werden den Sturz der Stadt betrauern, weil sie nun keinen Handel mehr mit ihr treiben können. Die Schilderung von Vers 12.13 zeigt den ungeheuren Reichtum und Luxus, der in Babylon herrschte. Hier geht es ganz offensichtlich um die ökonomische und politische Stellung der Stadt und nicht um ihre religiöse Situation. Der Jammerruf der Kaufleute tönt wie der der Könige: Weh, weh, du große Stadt (V. 16 ).

Schiffsherren und ... Steuerleute und alle, die mit der Seefahrt zu tun haben, werden ebenfalls klagen: Weh, weh, du große Stadt (V. 19 ). Alle drei Gruppen - die Könige, die Kaufleute und die Seeleute - sprechen von der Plötzlichkeit der Vernichtung: in einer Stunde (V. 10.17.19 ). Während die Welt über die Verwüstung Babylons klagt, werden die Heiligen aufgefordert, sich darüber zu freuen, denn Gott hat sie gerichtet um euretwillen (V. 20 ).

 

Offb 18,21-24


Die endgültige gewaltsame Zerstörung der Stadt wird mit dem Vorgang verglichen, wenn ein großer Mühlstein ... ins Meer geworfen wird (V. 21 ). Es folgt die Klage, daß all diejenigen, die einst das Bild der Stadt prägten - Sänger und Saitenspieler, Flötenspieler und Posaunenbläser und schließlich Handwerker jedweden Handwerks - aus ihr verschwunden sind (V. 22 ). Es wird dort kein Licht mehr geben und keine Hochzeitsfreude (V. 23 ). Der Grund für das Gericht über die Stadt ist, daß durch ihre Zauberei ( pharmakeia ; vgl. Offb 9,21 ) alle Völker (verführt) und vom Glauben an Gott abgebracht wurden ( Offb 18,23; vgl. Offb 17,2 ) und daß sie sich des Mordes an den Propheten und ... Heiligen schuldig gemacht hat ( Offb 18,24; vgl. Offb 17,6 ).

Die Frage bleibt, welche Stadt hier gemeint ist. Einer weit verbreiteten Deutung zufolge bezieht sich das Gesagte auf Rom, das als Sitz des Hauptes der Römisch-Katholischen Kirche und als Hauptstadt des römischen Weltreiches der Antike eine besondere Stellung in der Geschichte einnimmt. Manche Exegeten finden diese Sichtweise in der Beobachtung bestätigt, daß die Kaufleute und Seefahrer den Rauch der brennenden Stadt sehen werden ( Offb 18,9.18 ).

Andere Belege scheinen auf Babylon selbst zu deuten, die Stadt am Euphrat, der in der Endzeit möglicherweise zu einem schiffbaren Fluß wird. Wenn man alle Hinweise zusammenträgt und prüft, kommt man in der Tat zu dem Schluß, daß wohl eher das wiedererbaute Babylon als Rom die Hauptstadt des endzeitlichen Weltreiches sein wird. Die Exegeten streiten allerdings nach wie vor über diesen Punkt.

Die Ereignisse in Kapitel 17 werden in der Mitte der sieben Jahre erfüllt sein, während das in Kapitel 18 Geschilderte erst am Ende dieser Zeitspanne, unmittelbar vor dem Kommen Christi, eintreten wird. Die Verwüstung Babylons ist der letzte vernichtende Schlag gegen die Heiden, deren Herrschaftszeit mit dem Angriff des babylonischen Heeres auf Jerusalem im Jahre 605 v. Chr. begann (vgl. Lk 21,24 ).

Durch die zusätzlichen Erkenntnisse und Informationen über die großen, weltweiten religiösen und politischen Strömungen während der letzten sieben Jahre, die der Leser in Kapitel 17; 18 erhält, ist nun alles bereit für den Höhepunkt des Buches der Offenbarung, den zweiten Advent Christi ( Offb 19 ).



L. Der Jubel im Himmel
(
19,1 - 10 )


1. Das Halleluja der großen Schar im Himmel
(
19,1-3 )


Offb 4-18 befaßte sich in erster Linie mit den Ereignissen in der Zeit der Großen Trübsal. Von Kapitel 19 an ändert sich der Inhalt der Schrift vollkommen. Die Große Trübsal geht nun zu Ende und das zweite Kommen Christi rückt in den Blick. Für die Heiligen und Engel beginnt damit eine Zeit der Freude und des Sieges Christi.



Offb 19,1


In Kapitel 19 begann Johannes mit der Schilderung einer chronologischen Abfolge von Ereignissen, wie das Wörtchen danach ( meta tauta , wörtlich "nach diesen Dingen", d. h., nach den Ereignissen von Kapitel 18 ) deutlich macht. Der Apostel hörte ... etwas wie eine große Stimme vieler Menschen im Himmel , die Gott - offensichtlich für sein Gericht über Babylon - priesen. Die Exegeten haben sich von der Reihenfolge der Geschehnisse in Kapitel 19 - 20 häufig verwirren lassen, daher ist es wichtig festzuhalten, daß das Lob in Offb 19,1 sich auf die Zerstörung Babylons in Kapitel 18 bezieht.

Der Begriff "Stimme" ( phOnEn , wörtlich "Klang") ist durch das Adjektiv "groß" ( megalEn ) näher spezifiziert. Dieser laute Klang stammt von einer großen Schar ; dieselbe Wendung bezeichnet in Offb 7,9 die Anzahl der in der Großen Trübsal umgekommenen Märtyrer. Gerade für sie ist das Gericht über Babylon ein großer Triumph. Das griechische Wort für Halleluja ist hallElouia , manchmal auch mit "Allelujah" wiedergegeben. Es stammt von dem gleichlautenden hebräischen Wort aus dem Alten Testament und steht im Neuen Testament nur viermal, ausschließlich in Offb 19 (V. 1.3-4.6 ).



Offb 19,2-3


Die himmlische Schar lobt die Herrlichkeit und Macht Gottes, die Folge und Ursache seines rettenden Werkes ist, und preist seine Gerichte als wahrhaftig und gerecht . Daß er die große Hure vernichtet hat (vgl. Offb 17,1.4 ), ist die gerechte Rache für den Märtyrertod seiner Knechte ( Offb 17,6 ). Die Strafe, die sie erlitt, ist jedoch nur der Beginn der ewigen Strafe, die die schlechten Menschen erwartet: Und ihr Rauch steigt auf in Ewigkeit.



2. Das Halleluja der vierundzwanzig Ältesten
(
19,4-5 )


Offb 19,4-5


Auch die vierundzwanzig Ältesten und die vier Gestalten stimmen in den himmlischen Chor mit ein. Das ist ein weiterer Beleg dafür, daß die vierundzwanzig Ältesten, die ja die Kirche des gegenwärtigen Zeitalters repräsentieren, nicht mit den Heiligen aus der Zeit der Großen Trübsal, die in Vers 1 als "große Schar" eingeführt werden, identisch sind. Die vier Gestalten, von denen schon in Offb 4,6-8 die Rede war, scheinen Engelwesen zu sein, die Gott ebenfalls loben. Doch noch eine andere Stimme, offenbar ebenfalls die Stimme eines Engels, pries Gott und forderte alle ... Knechte Gottes ( Offb 19,5 ) auf, in den allgemeinen Lobgesang einzustimmen.


3. Die Weissagung über die Hochzeit des Lammes
(
19,6 - 9 )


Offb 19,6-9


Das vierte und letzte Halleluja stammt nach den Worten des Johannes ebenfalls wieder von einer großen Schar , deren Stimme wie eine Stimme großer Wasser und wie eine Stimme starker Donner klang. Ihre Freude gilt allerdings eher den zukünftigen Ereignissen als dem soeben erfolgten Gericht.

In den Worten "denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige ( pantokratOr ; vgl. auch Offb 1,8;4,8;11,17;15,3;16,7.14;19,15;21,22 ) hat das Reich eingenommen" wird das zweite Kommen Christi antizipiert. Gleichzeitig mit der Aufforderung "laßt uns freuen" ergeht die Ankündigung, daß die Hochzeit des Lammes ... gekommen (ist) und daß seine Braut ... sich bereitet (hat) .

Die Ehe wird in der Heiligen Schrift häufig als Bild für die Beziehung der Gläubigen zu Gott gebraucht. Im Alten Testament wird Israel, wie etwa im Buch Hosea, als untreue Frau Jahwes dargestellt, deren Status im künftigen Königreich wiederhergestellt werden muß. Im Neuen Testament ist die Ehe oft auch ein Bild für die Gemeinschaft zwischen Christus und der Kirche. Die Vorstellung ist hier jedoch, daß die Kirche im Gegensatz zum alttestamentlichen Israel eine jungfräuliche Braut ist, die auf das Kommen ihres himmlischen Bräutigams wartet ( 2Kor 11,2 ).

Mit dem reinen Leinen , mit dem die Braut sich schmücken soll, ist die Gerechtigkeit der Heiligen gemeint ( Offb 19,8 ). (Im Alten Testament bestand das Gewand des Hohenpriesters unter anderem aus Leinen: 2Mo 28,42; 3Mo 6,3; 3Mo 16,4.23.32 .) "Die Gerechtigkeit der Heiligen", auf die hier Bezug genommen wird, erwächst zwar aus der Gnade Gottes, doch scheint es an dieser Stelle stärker um die Werke der "Braut" zu gehen als um ihren Stand als durch den Glauben Gerechtfertigte.

Dies ist die letzte von insgesamt vierzehn Stellen im Buch der Offenbarung, an denen Ausrufe des Gotteslobes von seiten der Heiligen, Engel, der 24 Ältesten und/oder von den vier Gestalten laut werden. Hymnen und Lobrufe finden sich in Offb 4,8.11;5,9-10.12-13;7,10.12;11,16-18;15,3-4;16,5-7;19,1-4.6-8 (vgl. die Tabelle bei Offb 4,8 ).


Offenbarung

Offb 19,9


Der Engel, der Johannes befahl, das Gesehene aufzuschreiben ( Offb 14,13 ), wies ihn erneut an, die Botschaft weiterzugeben: Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind.

Eine der falschen Deutungen, unter denen die christliche Kirche zu leiden hatte, ist die Vorstellung, daß Gott alle Gläubigen genau gleich behandelt. Eine wörtliche Auslegung der Bibel unterscheidet dagegen zwischen verschiedenen Gruppen von Heiligen - wie an dieser Stelle die Braut von denen, die zum Hochzeitsmahl geladen sind, unterschieden ist. Statt mit allen genau gleich zu verfahren, hat Gott für Israel als Volk und für jene in Israel, die gerettet sind, einen ganz bestimmten Plan. Daneben verfolgt er ein konkretes Ziel mit den Heiden im Alten Testament, die zum Glauben an Gott kommen. Im Neuen Testament entfaltet er wiederum einen Heilsplan für die Kirche als eine weitere Gruppe von Heiligen. In der Offenbarung werden die Heiligen aus der Zeit der Großen Trübsal von anderen, früheren Gruppierungen abgehoben. Es geht bei dieser Unterscheidung nicht so sehr um verschiedene Formen der Segnung als vielmehr darum, daß Gott für jede dieser Gruppen einen ganz eigenen Plan hat, der in Beziehung zu ihrer speziellen Stellung innerhalb seines großen Heilsplanes steht. An dieser Stelle wird der Kirche - der Braut - von den Engeln und den Heiligen, die nicht mit ihr identisch sind, aufgewartet.

Die Ausleger haben sich darüber gestritten, ob die Hochzeit zwischen Jesus und der Kirche im Himmel oder auf Erden stattfinden wird. Diese Frage ist im Grunde nicht so wichtig, doch das interpretative Problem in diesem Zusammenhang läßt sich lösen, wenn man die hier beschriebene Feier mit den Hochzeitsfesten im 1. Jahrhundert vergleicht. Normalerweise umfaßte eine Hochzeit damals die folgenden Schritte: (1) die gesetzliche Schließung der Ehe durch die Eltern der Braut und des Bräutigams mit der Bezahlung der Mitgift; (2) das Kommen des Bräutigams, der die Braut für sich beanspruchte (wie es in Mt 25,1-13 in dem bekannten Gleichnis von den zehn Jungfrauen geschildert wird); (3) das Hochzeitsmahl (wie es in Joh 2,1-11 dargestellt wird), das sich als mehrtägiges Fest an die vorangehenden Formalia anschloß.

Das "Hochzeitsmahl" in Offb 19,9 stellt also den dritten Schritt der festlichen Abfolge dar. Die Ankündigung dieses Festes fällt mit dem zweiten Kommen Christi zusammen. Es hat daher den Anschein, als ob das Mahl selbst noch nicht begonnen hat. Die erste Stufe der Erfüllung dieses Bildes liegt also in der Rettung der Gläubigen im Kirchenzeitalter. Die zweite Stufe wird bei der Entrückung der Kirche erreicht, wenn Christus seine Braut in den Himmel, das Haus seines Vaters, bringt ( Joh 14,1-3 ). Mit dem Beginn des Tausendjährigen Reiches erfüllt sich dementsprechend die letzte Stufe, das Symbol des Hochzeitsmahls ( gamos ). Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß der Gebrauch des Wortes "Braut" in Offb 19,7 ( gynE , wörtlich "Frau") den Abschluß des zweiten Schrittes der Hochzeit voraussetzt und damit nur noch das Festmahl aussteht. (Das sonst für "Braut" gebrauchte Wort ist nymphE ; vgl. Joh 3,29; Offb 18,23;21,2.9;22,17 .)

All das deutet darauf hin, daß das Hochzeitsfest, um das es hier geht, ein irdisches Fest ist - was auch mit den Darstellungen von Hochzeitsfeiern in der Bibel übereinstimmt ( Mt 22,1-14; Mt 25,1-13 ) - und mit dem Beginn des Tausendjährigen Reiches auf Erden zusammenfällt. Die Bedeutung der Ankündigung und der Einladung zum Hochzeitsmahl, die in Offb 22,17 nocheinmal wiederholt wird, erhält zusätzliches Gewicht durch die Worte des Engels: Dies sind wahrhaftige Worte Gottes.



4. Das Gebot, Gott anzubeten
(
19,10 )


Offb 19,10


Die himmlische Szenerie mit den vier großen Hallelujas und der Ankündigung des Hochzeitsfestes war so überwältigend, daß Johannes abermals niederfiel, um den Engel anzubeten (vgl. Offb 1,17 ). Bei seinem ersten Niederfallen galt seine Anbetung allerdings Christus und war daher gerechtfertigt. Hier jedoch tadelte ihn der Engel und forderte ihn auf, Gott allein und nicht ihn zu ehren, da er nur ein Mitknecht des Apostels sei. Er f¨gte hinzu: Das Zeugnis Jesu aber ist der Geist der Weissagung , d. h., das Wesen oder das Ziel der Weissagung ist es, Jesus Christus zu bezeugen und ihn allein zu verherrlichen. In unserer Zeit ist es eine der besonderen Aufgaben des Heiligen Geistes, Christus zu verherrlichen und den Gläubigen zu zeigen, "was zukünftig ist" ( Joh 16,13 ). Die ungeheuerliche Offenbarung in den ersten zehn Versen von Offb 19 führt in angemessener Weise in das ein, was nun enthüllt werden soll: das zweite Kommen Jesu Christi, den eigentlichen Gegenstand des ganzen Buches ( Offb 1,1 ).


M. Die Wiederkunft Christi
(
19,11-21 )


In dem geöffneten Himmel, in den Johannes hineinsehen konnte, erblickte er ein Bild für die bevorstehende Wiederkunft Christi und die Ereignisse, die auf diese Wiederkunft folgen. Das zweite Kommen Christi ist ein wichtiger Bestandteil der Lehre der Heiligen Schrift ( Ps 2,1-9; 24,7-10; 96,10-13; 110; Jes 9,5-6; Jer 23,1-8; Hes 37,15-28; Dan 2,44-45; 7,13-14; Hos 3,4-5; Am 9,11-15; Mi 4,7; Sach 2,10-15; 12; 14,1-9; Mt 19,28; 24,27-31; 25,6.31-46; Mk 13,24-27; Lk 12,35-40; 17,24-37; 18,8; 21,25-28; Apg 1,10-11; 15,16-18; Röm 11,25-27; 2Thes 2,8; 2Pet 3,3-4; Jud 1,14-15; Offb 1,7-8; 2,25-28; 16,15; 22,20 ) und daher ganz offenbar auch ein entscheidendes Element des göttlichen Heilsplanes.

Die konservativen Exegeten sind nahezu einhellig der Ansicht, daß dieses Ereignis noch in der Zukunft liegt, wie die orthodoxen Glaubensbekenntnisse im Laufe der Kirchengeschichte zeigen. Wie das erste Kommen Christi wörtlich zu verstehen war und in der Geschichte erfüllt wurde, so wird auch das zweite Kommen Christi, das in der Zukunft liegt, Realität werden.

Gleichzeitig entstand allerdings unter den konservativen Gelehrten die Frage, ob die Entrückung der Kirche, von der so wichtige Passagen wie 1Thes 4,13-18 und 1Kor 15,51-58 sprechen, bei der Wiederkunft Christi auf die Erde oder, wie diejenigen sagen, die die These vertreten, daß die Kirche vor der Zeit der Großen Trübsal entrückt wird, bereits sieben Jahre vor dieser Wiederkunft stattfinden wird.

Dabei muß festgehalten werden, daß keine der Einzelheiten, die in Offb 19,11-21 erwähnt werden, sich auf die Entrückung der Kirche beziehen kann. Wie die Offenbarung bestätigt, kehrt Christus zwar zurück, doch in den Passagen über die Entrückung ist nirgendwo die Rede davon, daß er dabei die Erde berühren wird, denn die Gläubigen werden ihm entgegen in die Wolken gehoben ( 1Thes 4,17 ).

Man darf außerdem nicht übersehen, daß in Offb 19-20 völliges Stillschweigen über die Entrückung der dann noch lebenden Heiligen bewahrt wird. Die Stelle läßt vielmehr nur den Schluß zu, daß die Christen, die bei der Wiederkunft Christi auf Erden leben, dort bleiben und in ihren irdischen Leibern in das Tausendjährige Reich eingehen werden. Wenn die Entrückung der Kirche tatsächlich Teil der Wiederkunft Christi wäre, so könnte man doch erwarten, daß ein so wichtiges Ereignis in Offb 19 erwähnt würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Aus diesen und vielen anderen Gründen bestätigt also Kapitel 19 die Lehrauffassung, daß die Entrückung der Kirche ein eigenes, bereits früher stattfindendes Ereignis ist und daß die Christen, die zur Zeit der Wiederkunft Christi noch leben werden, nicht entrückt werden. (Weitere Erörterungen zu diesem Thema s. John F. Walvoord, The Rapture Question .)



1. Die Offenbarung des Reiters auf dem weißen Pferd
(
19,11 - 13 )


Offb 19,11-13


Als Johannes in den Himmel hineinsah, erblickte er Christus, der ein weißes Pferd ritt. Der Reiter des weißen Pferdes wird zwar manchmal mit dem Reiter in Offb 6,2 gleichgesetzt, doch der Kontext ist hier ein völlig anderer. Der Reiter in Offb 6,2 ist der Weltherrscher in der Zeit der Großen Trübsal, der Reiter in Kapitel 19 kommt offensichtlich aus dem Himmel selbst. Das weiße Pferd ist ein Bild für seinen bevorstehenden Triumph. Auch die siegreichen römischen Generäle nahmen auf weißen Pferden an der Siegesparade teil, die durch die Via Sacra, eine Hauptverkehrsstraße Roms, zog. Ihnen folgten die Beweise ihres Sieges in Gestalt der Beuteschätze und der Kriegsgefangenen (vgl. 2Kor 2,14 ). Das weiße Pferd an dieser Stelle ist also ein Sinnbild für den Triumph Christi über die bösen Mächte der Welt. Dieser Triumph wird im folgenden in seinen Einzelheiten beschrieben. Der Reiter des Pferdes hieß: Treu und Wahrhaftig, denn er richtet und kämpft mit Gerechtigkeit . Wie schonungslos dieses Gericht über die Sünde sein wird, kommt in den Worten "seine Augen sind wie eine Feuerflamme" (vgl. Offb 1,14 ) zum Ausdruck, und die Rechtmäßigkeit der Herrschaft Christi bestätigen die vielen Kronen. Er trug einen Namen geschrieben, den niemand kannte als er selbst - ein Bild dafür, daß Christus der Unvergleichliche, Unbeschreibbare ist. Dennoch führt er bestimmte Titel. Offb 19,13 nennt einen davon: Und sein Name ist: Das Wort Gottes (vgl. Joh 1,1.14; 1Joh 1,1 ), und in Offb 19,16 wird berichtet, daß auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte die Wendung "König der Könige und Herr aller Herren" geschrieben steht (vgl. 1Tim 6,15; Offb 17,14 ). Der Reiter ist also ganz eindeutig Jesus Christus, der in Herrlichkeit auf die Erde zurückkehrt. Daß er als Richter kommt, zeigt sein Gewand, das mit Blut getränkt war ( Offb 19,13; vgl. Jes 63,2-3; Offb 14,20 ).



2. Das Kommen des Königs und seiner himmlischen Heerscharen
(
19,14 - 16 )


Offb 19,14-16


Die Szenerie gewinnt noch an dramatischer Ausdruckskraft durch das Heer des Himmels, das auf weißen Pferden reitet und angetan ist mit weißem, reinem Leinen (vgl. V. 8 ). Aus dem Munde Christi ging ein scharfes Schwert (vgl. Offb 1,16;2,12.16;19,21 ), daß er damit die Völker schlage . Das hier gebrauchte Wort für "Schwert" ( rhomphaia ) bezeichnet ein ungewöhnlich langes Schwert, das manchmal auch als Speer benutzt wurde - ein Instrument, das die Menschen "durchbohrt". Außer mit dem Schwert wird er die Völker ... regieren mit eisernem Stabe (vgl. Ps 2,9; Offb 2,27 ). Von Christus wird auch gesagt: Er tritt die Kelter, voll vom Wein des grimmigen Zorns Gottes, des Allmächtigen (vgl. Offb 14,19-20; vgl. auch "der Allmächtige" in Offb 1,8;4,8;11,17;15,3;16,7.14;19,6;21,22 ). Diese Szene ist ein eindrucksvolles Bild für die Schrecken des kommenden Gerichts, dessen Zeugen die Menschen sein werden ( Mt 24,30 ).

Dieses Geschehen im Himmel ist der letzte Schritt des großen Weltkriegs, der viele Wochen dauern wird. Den Kämpfen im ganzen Heiligen Land wird am Tag der Wiederkunft Christi eine Straßenschlacht in Jerusalem folgen ( Sach 14,2 ). Die Menschen werden durch Dämonen, die Satan schickt, auf die Schlachtfelder gelockt werden, um sich den irdischen Heeren, die mit den himmlischen Heerscharen kämpfen, anzuschließen (vgl. Offb 16,12-16 ).



3. Die Vernichtung der Bösen
(
19,17 - 21 )


Offb 19,17-18


Die irdischen Heere sind jedoch kein Gegner für die himmlischen Heerscharen. Das scharfe Schwert aus dem Munde Christi (V. 15 ) ist ein Symbol für die Vollmacht seines Befehls, dessen göttliche Kraft alles, was sich ihm widersetzt, vernichten wird. Tausende von Menschen und Pferden werden hier in einem Augenblick sterben. So berichtete Johannes, daß er einen Engel in der Sonne stehen (sah), und er rief mit großer Stimme allen Vögeln zu, die hoch am Himmel fliegen: Kommt, versammelt euch zu dem großen Mahl Gottes und eßt das Fleisch der Könige und der Hauptleute und das Fleisch der Starken und der Pferde und derer, die darauf sitzen und aller anderen, die von Christus getötet wurden.



Offb 19,19-21


Das Tier und seine Heere werden sich versammeln, um gegen Christus und seine Heerscharen zu kämpfen. Der Ausgang dieser Schlacht - in Offb 16,14 als "Kampf am großen Tag Gottes, des Allmächtigen" bezeichnet - wird in Offb 19,19-21 beschrieben. Die Weltherrscher - das Tier ... und ... der falsche Prophet - werden ergriffen . Ihre übernatürliche dämonische Macht wird ihnen nichts mehr nützen, beide werden lebendig ... in den feurigen Pfuhl geworfen .

Die schlechten Menschen aller Zeiten, die gestorben sind, befinden sich im Hades ( Lk 16,23 ), während der Feuerpfuhl, der nicht mit dem Hades identisch ist, zunächst dem Teufel und seinen Engeln vorbehalten bleibt ( Mt 25,41 ). Erst zu einem späteren Zeitpunkt werden auch die verdorbenen Menschen in diesen Pfuhl geworfen werden ( Offb 20,14-15 ).

Die versammelte Streitmacht Satans wird durch das Schwert Christi fallen ( Offb 19,21; vgl. Offb 1,16;2,12.16;19,15 ). Die Zahl der Toten wird so groß sein, daß sie den Geiern ein überreiches Mahl bieten, mehr, als diese fressen können. Damit wird die Niederlage der schlechten Menschen auf Erden endgültig besiegelt sein. In dem späteren Gericht werden dann noch die Unerlösten in den anderen Erdteilen ausfindig gemacht und in den Feuerpfuhl geworfen (vgl. Mt 25,31-45 ).

Dasselbe inspirierte Gotteswort, das die Gnade Gottes und die Rettung, die allen, die glauben, zugänglich ist, so herrlich beschreibt, läßt keinen Zweifel an dem Gericht, das über alle verhängt ist, die die Gnade Gottes ablehnen. Die Tendenzen der liberalen Theologie, diejenigen biblischen Passagen, die von der Liebe Gottes handeln, hervorzuheben und die, die sich mit seinem gerechten Gericht befassen, zu vernachlässigen, sind biblisch gesehen völlig haltlos. Die Aussagen über das Gericht stammen ebenso von Gott selbst und sind ebenso gewiß wie diejenigen, die die Gnade und Rettung lehren. Die Bibel läßt keinen Zweifel daran, daß auf die Bösen das Gericht wartet. Das zweite Kommen Christi wird der Tag einer Bestrafung der Welt sein, wie sie seit den Tagen Noahs, der Sintflut, nicht mehr gesehen wurde.


N. Das Tausendjährige Reich
(
20,1 - 10 )


Dieses Kapitel bestätigt, daß Christus selbst tausend Jahre lang auf Erden herrschen wird. Wenn man es wörtlich versteht, bietet seine Deutung keinerlei Schwierigkeiten. Da viele Bibelexegeten jedoch die Vorstellung ablehnen, daß Christus nach seinem zweiten Kommen für tausend Jahre auf der Erde herrschen wird, zielen ungewöhnlich viele Auslegungen der folgenden Passage auf eine Leugnung des Tausendjährigen Reiches ab. Dabei gibt es drei Hauptthesen, die dann jeweils noch variiert werden können. Die neueste These ist - vor allem in den USA - unter dem Begriff "Postmilleniarismus" bekannt. Nach Ansicht ihrer Verfechter beziehen sich die tausend Jahre, von denen in Kapitel 20 die Rede ist, auf den Triumph des Evangeliums in der Zeit bis zum zweiten Kommen Christi, die Wiederkunft Christi folgt also erst auf das Tausendjährige Reich. Ausgehend von Daniel Whitby, einem umstrittenen Schriftsteller des 17. Jahrhunderts, wurde diese These in der Kirchengeschichte durch Autoren wie Charles Hodge, A. H. Strong, David Brown bis hin zu Loraine Boettner weitergeführt. Ihre optimistische Grundhaltung besagt, daß Christus durch das Werk der Kirche und die Predigt des Evangeliums schon jetzt geistlich auf Erden herrscht. Diese Ansicht ist jedoch im 20. Jahrhundert aufgrund des Aufkommens vieler antichristlicher Tendenzen und der Erkenntnis, daß die Welt in geistlicher Hinsicht keinerlei Fortschritte macht, revidiert worden.

Eine zweite wichtige Richtung ist der "Amilleniarismus", der ein Tausendjähriges Reich oder eine Herrschaft Christi auf Erden überhaupt leugnet. Das Tausendjährige Reich Christi wird auf die geistliche Herrschaft in den Herzen der Gläubigen reduziert. Seine Herrschaft besteht entweder über die Menschen auf Erden, die an ihn glauben, oder im Himmel. Weder die amilleniaristische noch die postmilleniaristische These erlauben es, Offb 20 wörtlich zu verstehen. Gerade die Amilleniaristen bieten eine Vielzahl von Deutungen der entsprechenden Passagen der Offenbarung an. Ihr Ansatz läßt sich mit einiger Sicherheit nur bis in das 4. oder 5. Jahrhundert, auf Augustinus, zurückverfolgen, nicht weiter. Zu den modernen Anhängern dieser Theorie gehören so angesehene Theologen des 20. Jahrhunderts wie Oswald Allis, Louis Berkhof, William Hendriksen, Abraham Kuyper, R.C.H. Lenski und Gerhardus Vos.

Eine dritte Deutung ist die prämilleniaristische, die von der Annahme ausgeht, daß das Tausendjährige Reich auf das zweite Kommen Christi folgt. Weil die Wiederkunft Christi dieser These nach vor dem dem Tausendjährigen Reich stattfindet, kann man von einer prämilleniaristischen Abfolge sprechen. Zu ihren Verfechtern gehören im 20. Jahrhundert Lewis Sperry Chafer, Charles L. Feinberg, A. C. Gaebelein, H. A. Ironside, Alva McClain, William Pettingill, Charles C. Ryrie, C. I. Scofield, Wilbur Smith und Merrill F. Unger. Die These selbst läßt sich bis ins 1. Jahrhundert zurückverfolgen, bis zu Männern wie Papias, Justinus Martyr und vielen anderen frühen Kirchenvätern. Die Argumente, die sie stützen, basieren darauf, daß die Ereignisse von Kapitel 20 auf Kapitel 19 folgen und nach dem zweiten Kommen Christi eintreten. Viele Passagen der Schrift sprechen vom zweiten Kommen Christi, dem sich eine gerechte Herrschaft auf Erden anschließt ( Ps 2; 24; 72; 96; Jes 2;9,5-6; 11-12;63,1-6; 65-66; Jer 23,5-6; 30,8-11; Dan 2,44; 7,13-14; Hos 3,4-5; Am 9,11-15; Mi 4,1-8; Zeph 3,14-20; Sach 8,1-8; Sach 14,1-9; Mt 19,28; Mt 25,31-46; Apg 15,16-18; Röm 11,25-27; Jud 1,14-15; Offb 2,25-28;19,11-20,6 ).

Aus dem Gesagten sollte klar geworden sein, daß der Entscheidung, welcher Deutung von Offb 20 man den Vorzug gibt, große Bedeutung zukommt, da von hier aus unsere Haltung zu den prophetischen Passagen der Schrift überhaupt bestimmt wird. Wir vertreten die Auffassung, daß die Ereignisse in Kapitel 20 auf Kapitel 19 folgen. Viele Exegeten gehen außerdem davon aus, daß die Kapitel 21-22 ein chronologisches Geschehen beschreiben (zu weiteren Erörterungen der unterschiedlichen Deutungen s. Walvoord, Revelation , S. 282 - 290, und The Millenial Kingdom , Grand Rapids 1959, S. 263 - 275).



1. Das Binden Satans
(
20,1-3 )


Offb 20,1-3


Kapitel 20 beginnt mit der vertrauten Wendung "und ich sah einen Engel" (vgl. Offb 7,2;8,2;10,1;14,6;18,1;19,17 ). Das "und", mit dem dieses Kapitel einsetzt, deutet darauf hin, daß das Folgende die Fortsetzung von Kapitel 19 , das seinerseits mit "danach" begann, darstellt. Im griechischen Text werden 18 Verse von Kapitel 19 mit "und" eröffnet. Diese Konjunktion ( kai ) weist in der Schrift häufig auf eine Handlung hin, die in logischer und/oder chronologischer Hinsicht auf die zuvor beschriebene folgt. Dementsprechend kann Kapitel 20 also durchaus Ereignisse schildern, die an Kapitel 19 anknüpfen, denn auch hier wird das "und" ( kai ) immer wieder aufgenommen (bis auf V. 5.6 ). Weder linguistisch noch grammatisch gesehen ist es daher unmöglich, daß diese Geschehnisse auf das zweite Kommen Christi folgen und nacheinander ablaufen.

Neben dieser grammatikalischen Verbindung besteht aber auch ein kausaler Zusammenhalt zwischen den Ereignissen, die der Wiederkunft Christi folgen. Laut Kapitel 19 gehört dazu das Ende des Tieres und des falschen Propheten und die Vernichtung ihrer Heere. Es liegt auf der Hand, daß Christus sich, nachdem er den Weltherrscher, den falschen Propheten und ihre Anhänger bestraft hat, Satan selbst zuwendet, wie es in Kapitel 20 geschieht.

Johannes sah einen Engel vom Himmel herabfahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in seiner Hand. Er ergriff Satan, den Drachen (vgl. Offb 12,3-4.7.9.13.16-17;13,2.4.11;16,13 ), die alte Schlange ( 12, 9.14 - 15 ), und fesselte ihn für tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund und verschloß ihn ..., damit er die Völker nicht mehr verführen sollte, bis vollendet würden die tausend Jahre .

Hier stellt sich eine wichtige Frage: Wurde Satan beim ersten Kommen Christi gebunden, wie die Anhänger der These, daß es gar kein Tausendjähriges Reich geben wird, annehmen, oder wird er erst bei seinem zweiten Kommen gebunden werden, wie die Anhänger der These, daß Christus vor der Errichtung des Tausendjährigen Reiches auf die Erde zurückkehren wird, glauben? Offb 20,1-3 widerspricht ganz eindeutig den Gegnern der These des Tausendjährigen Reiches und deren Deutung, daß Satan beim ersten Kommen Christi gebunden wurde. In der ganzen Schrift ist die Rede von der großen Macht, die der Teufel nicht nur über die Welt, sondern auch über die Christen hat ( Apg 5,3; 1Kor 5,5; 1Kor 7,5; 2Kor 2,11;11,14;12,7; 1Tim 1,20 ). Die letzten Zweifel an der Realität dieser Bedrohung müßten angesichts der Ermahnung von 1Pet 5,8 weichen: "Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge."

Die Anhänger der These, daß es kein Tausendjähriges Reich geben wird, wenden dagegen ein, daß die Macht Satans durch die Macht Gottes beschränkt wird. Doch das galt für alle Zeiten, wie das Buch Hiob und auch andere Schriften zeigen. Die Behauptung aber, daß Satan in unserer Zeit im Abgrund gefangen ist und die Menschen tausend Jahre lang nicht versuchen darf, entspricht einfach nicht den Tatsachen und erfordert eine rein "allegorische" Deutung dieser und anderer nicht minder eindeutiger neutestamentlicher Passagen, die vor den Aktivitäten Satans und seiner Macht warnen. Die Macht, die der Teufel noch immer hat, zeigt sich auch in der Zeit der Großen Trübsal, wenn er den Herrscher der Welt einsetzt ( Offb 13,4 ). Satan wird zu Beginn der Großen Trübsal aus dem Himmel auf die Erde geworfen werden und dann wirkungsvoller denn je sein Unwesen treiben ( Offb 12,9.13.15.17 ).

Wenn Satan die modernen Menschen tatsächlich täuscht, wie die Schrift sagt und die historischen Tatsachen beweisen, dann liegt er nicht gefesselt im Abgrund, und die Errichtung des Tausendjährigen Reiches steht noch aus. Diese Deutung wird auch durch die Aussage gestützt, daß der Teufel nach dem Tausendjährigen Reich eine kleine Zeit (losgelassen) wird ( Offb 20,3 ). Auch diese Stelle ergibt nur einen Sinn, wenn man sie wörtlich versteht. Es wird also am Ende des Tausendjährigen Reiches nochmals zu einem letzten Aufflackern der Macht Satans kommen.



2. Die Auferweckung und Belohnung der Märtyrer
(
20,4 - 6 )


Offb 20,4


Als nächstes berichtete Johannes, daß er Throne (sah) , auf denen die saßen, denen das Gericht übergeben worden war. Er sah die Seelen derer, die enthauptet waren , weil sie dem Herrn und seinem Wort in der Großen Trübsal treu geblieben waren. Die Tatsache, daß Johannes all das sehen konnte, impliziert, daß die Gläubigen im Himmel eine Art "Interimsleib" erhalten hatten und ihre Auferstehung erwarteten.

Man muß allerdings stets unterscheiden zwischen dem, was Johannes erblickte, und was er als Offenbarung empfing. Er sah die Seelen und erfuhr , daß ihre Besitzer enthauptet worden waren, weil sie sich geweigert hatten, das Tier und sein Bild anzubeten und sein Zeichen zu tragen. Er sah also nicht alle Seelen im Himmel, sondern nur eine bestimmte Generation von Märtyrern, die zur Zeit des Weltherrschers, des Tieres aus dem Meer ( Offb 13,1 ), gelebt hatten. Wenn die Kirche vor der Trübsal entrückt wurde, wie die prämilleniaristische These besagt, ist eine Aussonderung dieser verstorbenen Märtyrer zur Auferstehung sinnvoll. Hätte eine solche Entrückung jedoch nicht stattgefunden, so wäre es höchst ungewöhnlich, daß alle Märtyrer früherer Generationen, ja die Kirche als ganze einfach ignoriert und nur diese relativ kleine Gruppe genauer benannt wird.

Offensichtlich erfuhr Johannes nicht, wer die Personen auf den Thronen waren. Anscheinend handelte es sich bei ihnen nicht um die toten Märtyrer selbst. Christus hatte einst vorhergesagt ( Lk 22,29-30 ), daß die zwölf Jünger "essen und trinken" sollten "an meinem Tisch in meinem Reich und sitzen auf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels". Da die Jünger zugleich auch der Kirche, dem Leib Christi, angehören, wäre es äußerst plausibel, daß sie es waren, die auf den Thronen saßen.

Nach den Worten der Schrift ist die Wiederkunft Christi mit einer ganzen Reihe von Strafgerichten verknüpft. Das Tier und der falsche Prophet werden in den Feuersee geworfen ( Offb 19,20 ), Satan in den Abgrund ( Offb 20,1-3 ), und schließlich werden die Märtyrer aus der Zeit der Großen Trübsal gerichtet und belohnt (V. 4 ). Auch Israel ( Hes 20,33-38 ) und die Heiden ( Mt 25,31-46 ) werden gerichtet. Diese verschiedenen Aburteilungen gehen dem Tausendjährigen Reich voran und bereiten ihm den Weg.

Johannes schrieb, daß die verstorbenen Märtyrer lebendig (wurden) und regierten mit Christus tausend Jahre . Das beinhaltet, daß auch ihre Leiber auferweckt wurden. Neben der visuellen Offenbarung, die Johannes zuteil wurde, wurden ihm die Bedeutung und das Wesen des Gerichtes, das hier stattfand, noch verbal erläutert.



Offb 20,5


Außerdem wurde ihm mitgeteilt, daß die andern Toten ... nicht wieder lebendig (wurden), bis die tausend Jahre vollendet wurden . Das bezieht sich auf die Auferstehung der schlechten Menschen, die später genauer beschrieben wird (V. 11 - 15 ).

Nach den Worten des Johannes war das, was er sah, die erste Auferstehung . Die Anhänger der These, daß die Kirche erst nach der Zeit der Großen Trübsal entrückt wird, sehen in dieser Stelle einen Beleg für ihre Auffassung und dafür, daß es vor diesem Zeitpunkt, in Übereinstimmung mit dem durch die Propheten verkündeten Plan Gottes, keine Auferstehung geben wird. Es sollte allerdings jedem klar sein, daß es sich hier auf keinen Fall um die chronologisch erste Auferstehung handeln kann, da historisch ja Christus der erste Mensch war, der mit einem verwandelten Leib von den Toten auferstand. Daneben gab es noch die Auferstehung der "vielen Leiber" ( Mt 27,52-53 ) beim Tod Jesu. Wie kann aber auf diesem Hintergrund die Auferstehung, von der in Offb 20,5 berichtet wird, die "erste" sein?

Der Kontext zeigt, daß "die erste Auferstehung" (V. 5-6 ) im Gegensatz zur "zweiten Auferstehung" steht (V. 12 - 13 ), der der "zweite Tod" folgt (V. 6.14 ). Sie ist die "erste" also in dem Sinn, daß danach eine weitere folgt. Alle Gerechten werden, ganz gleich zu welchem Zeitpunkt, vor der Auferweckung der schlechten Menschen am Ende des Tausendjährigen Reiches auferstehen. Diese Aussage ist ein Beleg dafür, daß die Auferstehung der Gerechten in verschiedenen Stufen erfolgt. Christus war "der Erstling" ( 1Kor 15,23 ), dem die zeichenhafte Auferstehung einer Anzahl von Heiligen voranging ( Mt 27,52-53 ). Danach wird die Kirche entrückt werden, ein Ereignis, bei dem die verstorbenen Gläubigen auferweckt und die lebenden verwandelt werden ( 1Thes 4,13-18 ). Die Auferstehung der zwei Zeugen wird in der Zeit der Großen Trübsal erfolgen ( Offb 11,3.11 ). Dann, kurz nach der Wiederkunft Christi auf die Erde, werden die Märtyrer aus der Großen Trübsal auferstehen ( Offb 20,4-5 ). Dieser Gruppe sind möglicherweise auch die alttestamentlichen Heiligen zuzurechnen, deren Auferweckung offenbar um dieselbe Zeit stattfinden wird, auch wenn an dieser Stelle nicht davon die Rede ist (vgl. Jes 26,19-21; Hes 37,12-14; Dan 12,2-3 ).


Offb 20,6


Alle, die an der Auferstehung der Gerechten teilnehmen, sind selig ... und heilig, und der zweite Tod hat keine Macht über sie, sondern sie werden Priester Gottes und Christi sein und mit ihm regieren tausend Jahre . Bei der Auferweckung der Gerechten vor der Errichtung des Tausendjährigen Reiches werden die einzelnen Personen ihre Identität und Gruppenzugehörigkeit wiedererhalten, wie etwa die an Gott gläubigen Heiden und die gläubigen Israeliten aus der Zeit des Alten Testaments, die Kirche des Neuen Testamentes und die Heiligen aus der Zeit der Großen Trübsal.

Es fällt auf, daß die Zeitangabe "tausend Jahre" in Kapitel 20 sechsmal vorkommt. Diese Zeitspanne konnte nicht visuell deutlich gemacht werden, sondern Johannes muß über sie in Kenntnis gesetzt worden sein, d. h., seine Vision muß so beschaffen gewesen sein, daß sie sich auf einen Zeitraum von tausend Jahren beziehen konnte. Während die Amilleniaristen und andere dazu neigten, diese Zeitangabe nicht wörtlich zu verstehen, gibt es andererseits keine klaren Belege, die für eine symbolische Auslegung sprächen. Immerhin ist Kapitel 20 das einzige Kapitel in der Offenbarung, in dem eine Zeit von tausend Jahren erwähnt wird, und die Tatsache, daß die Angabe sechsmal wiederholt und eindeutig als Zeitraum veranschaulicht wird, vor dem und nach dem sich bestimmte Ereignisse abspielen, legt den Schluß nahe, daß hier durchaus tatsächlich tausend Jahre gemeint sein dürften.

Immerhin sind auch andere Zeitangaben in der Offenbarung wörtlich zu nehmen (z. B. "zweiundvierzig Monate", Offb 11,2;13,5; "eintausendzweihundertsechzig Tage", Offb 11,3;12,6 ), weshalb dasselbe sicherlich auch für "tausend Jahre" gilt. Wenn diese Angabe einen nicht näher spezifizierten, längeren Zeitraum - etwa das gegenwärtige Zeitalter zwischen Christi erstem und zweitem Kommen - bezeichnen würde, wie die Amilleniaristen meinen, dann hätte Johannes einfach nur gesagt, daß Christus "eine lange Zeit" herrschen würde, im Gegensatz zu der "kleinen Zeit" der Freilassung Satans ( Offb 20,3 ).

Folgende Ereignisse gehen dem Tausendjährigen Reich voraus: (1) das zweite Kommen Christi, (2) die Vernichtung des Tieres, das der falsche Prophet ist, und (3) der irdischen Heere, (4) das Binden Satans und seine Gefangensetzung im Abgrund, (5) die Einführung der Throne des Gerichts und (6) die Auferweckung der Märtyrer der Großen Trübsal. Wenn man sie alle in der richtigen Reihenfolge betrachtet, wird deutlich, daß sie den tausend Jahren und auch dem zweiten Kommen Christi vorangehen. Die Schlußfolgerung, daß Christus vor der Errichtung des Tausendjährigen Reiches auf die Erde zurückkehrt, wird also durch die schlichte, wörtliche Auslegung dieser Passage bestätigt.



3. Die endgültige Vernichtung Satans
(
20,7 - 10 )


Abgesehen davon, daß so oft von der Zeitspanne der tausend Jahre die Rede ist, erfahren wir keine Einzelheiten über die Herrschaft Christi auf Erden. Wir wissen lediglich, daß es eine Zeit großer Segnungen sein wird. Nur bestimmte alttestamentliche Passagen geben uns weiteren Aufschluß. In der Offenbarung geht es in erster Linie darum, daß das Tausendjährige Reich auf das zweite Kommen Christi folgt.



Offb 20,7-8


Johannes erfuhr aber auch, was am Ende der tausend Jahre geschehen sollte: Der Satan wird losgelassen werden aus seinem Gefängnis , dem Abgrund, und einen allerletzten Versuch unternehmen, die Völker - hier als Gog und Magog - bezeichnet - zum Kampf gegen Christus aufzustacheln. Seine Freilassung wird einen weltweiten Aufstand gegen das Tausendjährige Reich Christi heraufbeschwören. Die Heere, die sich gegen Christus versammeln, werden so riesig sein, daß Johannes schrieb: Ihre Zahl ist wie der Sand am Meer.

Wer sind diese Menschen, die Satan zu diesem Zeitpunkt noch folgen werden? Diejenigen, die die Zeit der Großen Trübsal überleben, werden in ihrem irdischen Leib in das Tausendjährige Reich eingehen. Sie werden Kinder bekommen und die Erde wieder bevölkern ( Jes 65,18-25 ). Doch auch unter den dann herrschenden idealen Umständen, wenn alle Menschen auf der Welt Jesus Christus kennen (vgl. Jer 31,33-34 ), werden manche nur ein Lippenbekenntnis zu ihm ablegen und nicht wirklich glauben, daß sie ihre Rettung ihm verdanken. Wenn dann Satan freigelassen wird, wird offenbar werden, daß sie nicht wirklich zu Christus gehören. Die Heerscharen, die Satan in dem Kampf gegen Christus folgen, werden also diejenigen Menschen sein, die im Tausendjährigen Reich nicht wiedergeboren werden.

Es ist die Frage gestellt worden, ob der hier beschriebene Krieg eine Entsprechung zu Hes 38-39 darstellt, wo ebenfalls von Gog und Magog die Rede ist ( Hes 38,2 ). Es handelt sich jedoch offensichtlich um zwei verschiedene Schlachten, denn die Heere, die an dem Krieg in Hes 38-39 teilnehmen, kommen vor allem aus dem Norden; zu ihnen gehören also nur wenige Völker. In der Schlacht in Offb 20,7-9 dagegen werden alle Völker der Erde mitkämpfen, und die Heere werden aus allen Himmelsrichtungen kommen.

Auch die Einzelheiten der beiden Kriege sind völlig verschieden. In der Schlacht in Hes 38-39 ist z. B. weder von Satan noch vom Tausendjährigen Reich die Rede. Aus dem Kontext von Offb 20,7 wiederum geht eindeutig hervor, daß diese Schlacht am Ende des Tausendjährigen Reiches stattfindet, wohingegen die Schlacht, von der Hesekiel berichtet, in die Ereignisse der Endzeit vor dem zweiten Kommen Christ gehört.

Warum gebrauchte Johannes dann die Begriffe "Gog und Magog"? In der Schrift wird dieser Ausdruck nicht erklärt. Er kann auch hier gestrichen werden, ohne daß sich die Bedeutung des Satzes verändert. In Hes 38 war Gog der Herrscher und Magog das Volk. Beide waren Feinde Israels und hatten sich gegen Gott aufgelehnt. Es wäre denkbar, daß die beiden Namen im Laufe der Zeit eine symbolische Bedeutung angenommen haben, so wie man z. B. vom "Waterloo" einer Person spricht und mit dem Ort der endgültigen Niederlage Napoleons nur noch die persönliche Niederlage dieses einen Menschen meint. Auf jeden Fall befanden sich auch die Heere, von denen an dieser Stelle die Rede ist, in jenem Zustand der Auflehnung gegen Gott, derer sich die Menschen in Hes 38 schuldig gemacht hatten.



Offb 20,9


Die Heere werden das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt umzingeln. Damit kann nur Jerusalem gemeint sein, das die Hauptstadt des Tausendjährigen Reiches sein wird (vgl. Jes 2,1-5 ). Auf diese militärische Aktion folgt das sofortige Gericht. Feuer wird vom Himmel fallen und sie verzehren.

Im Gegensatz zu Hes 38 ist an dieser Stelle weder von Erdbeben noch von Hagel oder anderen Katastrophen die Rede. Die einzige Ähnlichkeit zwischen den beiden Passagen besteht darin, daß in beiden Fällen Feuer vom Himmel fällt, wie es sehr oft im Rahmen des göttlichen Gerichts über die Erde geschah (vgl. 1Mo 19,24; 2Mo 9,23-24; 3Mo 9,24; 3Mo 10,2; 4Mo 11,1; 4Mo 16,35; 4Mo 26,10; 1Kö 18,38; 2Kö 1,10.12.14; 1Chr 21,26; 2Chr 7,1.3; Ps 11,6; usw.).



Offb 20,10


Nach der Vernichtung der Gefolgschaft Satans wird er selbst in den Pfuhl von Feuer und Schwefel geworfen werden. Diese Strafe, die ihm und seinen Dämonen widerfährt, ist das letzte Gericht über Satan (vgl. Mt 25,41 ). Für die Lehre von der ewigen Bestrafung ist vor allem der abschließende Satz relevant: Sie werden gequält werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit . Das Pronomen "sie" schließt den Teufel, das Tier und den falschen Propheten ein. Der "Pfuhl von Feuer und Schwefel" ist nicht gleichbedeutend mit einer völligen Vernichtung, denn das Tier und der falsche Prophet sind noch tausend Jahre nach ihrer endgültigen Verurteilung dort ( Offb 19,20 ).



O. Das Gericht vor dem Großen Weißen Thron
(
20,11 - 15 )


1. Die Auferstehung und das Gericht über die schlechten Menschen
(
20,11 - 13 )


Offb 20,11


Die letzten fünf Verse von Kapitel 20 handeln vom Gericht am Ende der menschlichen Geschichte und am Anfang der Ewigkeit. Johannes notierte: Ich sah einen großen weißen Thron . Die Ereignisse, die hier geschildert werden, geschehen eindeutig nach den tausend Jahren, von denen in Vers 1-6 die Rede war. Der Große Weiße Thron ist offenbar nicht mit jenem Thron gleichzusetzen, der über dreißigmal in der Offenbarung erwähnt wird (zum erstenmal in Offb 4,2 ). Er befindet sich anscheinend weder im Himmel noch auf der Erde, sondern im Raum, wie die Aussage vor seinem Angesicht flohen die Erde und der Himmel, und es wurde keine Stätte für sie gefunden vermuten läßt. Wer auf diesem Thron sitzt, wird nicht gesagt, doch wahrscheinlich ist es wie in Offb 3,21 Christus selbst (vgl. Mt 19,28;25,31; Joh 5,22; 2Kor 5,10; der Thron, von dem in diesen Passagen gesprochen wird, ist allerdings nicht unbedingt identisch mit dem Großen Weißen Thron in Offb 20,11 ). Während er nach seiner Himmelfahrt auf einem Thron im Himmel sitzt und später, im Tausendjährigen Reich, auf dem Thron Davids auf Erden sitzen wird ( Mt 25,31 ), stellt dieses Gericht vor dem Großen Weißen Thron eine ganz besondere, einmalige Situation dar.

Die Menschen haben sich immer wieder die Frage gestellt, ob die Erde und der Sternenhimmel, wie wir sie heute erblicken, zu diesem Zeitpunkt in der Zukunft zerstört oder einfach in einen neuen, reinen Zustand versetzt werden. Viele Stellen in der Bibel legen den Schluß nahe, daß die Erde und der Himmel, die wir kennen, vernichtet werden (vgl. Mt 24,35; Mk 13,31; Lk 16,17; Lk 21,33; 2Pet 3,10-13 ). Diese Sichtweise findet zusätzliche Bestätigung in der einleitenden Aussage von Offb 21 : Der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.

Das gegenwärtige Universum ist wie eine gigantische Uhr, die abläuft und, wenn sie sich selbst überlassen wird, schließlich in einen Zustand des völligen Stillstands übergeht. Nachdem Gott das Universum geschaffen und in Bewegung versetzt hat, um darin das Drama von Sünde und Erlösung aufzuführen, scheint es nur angemessen, den Neubeginn in einem neuen Himmel und mit einer neuen Erde, die auf seinen ewigen Plan zugeschnitten sind und auf einem anderen Prinzip basieren, zu wagen. Der neue Himmel und die neue Erde, von denen in Kapitel 21 erzählt wird, haben denn auch keinerlei Ähnlichkeit mit der gegenwärtigen Erde und dem gegenwärtigen Himmel.



Offb 20,12


Der Große Weiße Thron, den Johannes erblickte, wurde errichtet, um die Toten zu richten. Der Apostel beobachtete, daß die Toten, groß und klein ... vor dem Thron standen. Aus anderen Schriftstellen gewinnt man den Eindruck, daß die gerechtfertigten Toten, einschließlich der Heiligen des Alten Testamentes, der Toten aus der Zeit der Großen Trübsal und der Gläubigen der Kirche, des Leibes Christi, zu diesem Zeitpunkt bereits auferstanden sind (vgl. den Kommentar zu V. 5 ). Es ist deshalb anzunehmen, daß die Verse 11 - 15 sich auf das Gericht über die schlechten Menschen beziehen, die laut Vers 5 erst nach dem Tausendjährigen Reich auferweckt werden und keinen Teil an der sogenannten "ersten Auferstehung" haben.

Bei diesem Gericht sah Johannes Bücher, die aufgetan wurden, einschließlich eines besonderen Buches, das als das Buch des Lebens bezeichnet wurde. Der Text sagt nichts Genaueres darüber, um was für Bücher es sich dabei handelte, doch die ersten Bücher, die aufgeschlagen wurden, nahmen möglicherweise auf die Werke der Menschen bezug, während das "Buch des Lebens" die Namen all derer enthält, die gerettet sind (vgl. Offb 3,5;13,8;17,8;20,15;21,27 ). Die Tatsache, daß diese Toten zuvor nicht auferweckt wurden, beweist, daß sie des ewigen Lebens nicht teilhaftig werden und daß das Urteil über sie sich nach ihren Werken richtet.

Das ganze letzte Gericht befaßt sich mit menschlichen Werken: mit den Werken der Christen, die vor dem Richterstuhl Christi belohnt werden, aber auch mit den Werken der Unerlösten, um die es an dieser Stelle geht. Die Frage, wer gerettet wird, entscheidet sich letztlich nicht im Himmel, sondern im Leben auf der Erde. Was hier enthüllt wird, ist die Bestätigung des Schicksals des einzelnen durch das, was bei Gott aufgeschrieben steht.

Manche Theologen sind der Ansicht, daß im "Buch des Lebens" die Namen aller Menschen verzeichnet sind und die Namen der Unerlösten darin gelöscht werden, wenn sie sterben. Es ist jedoch besser, davon auszugehen, daß dieses Buch eine Liste der Geretteten enthält, deren Namen "geschrieben stehen im Buch des Lebens vom Anfang der Welt an" ( Offb 17,8 ). Doch gleichgültig, welcher These man den Vorzug gibt, zum Zeitpunkt des Gerichts vor dem Weißen Thron stehen auf jeden Fall nur noch die Geretteten im Buch des Lebens.



Offb 20,13


Damit die schlechten Menschen gerichtet werden können, (gab) das Meer die Toten heraus, die darin waren, und der Tod und sein Reich gaben die Toten heraus . Diejenigen, die zum Zeitpunkt ihres Todes unerlöst sind, kommen unverzüglich, bei vollem Bewußtsein, an einen Ort, an dem sie bestraft werden und der im Alten Testament als "Scheol" und im Neuen Testament als "Hades" bezeichnet wird. Weder Scheol noch Hades sind ewig und dürfen daher nicht mit der Hölle gleichgesetzt werden, dem Ort der ewigen Strafe. Der Feuersee (V. 14 - 15 ) dagegen, der "Pfuhl von Feuer und Schwefel" ( Offb 19,20 ), ist identisch mit der Hölle (vgl. Mt 5,22.29-30; Mt 10,28; Mt 18,9; Mt 23,15.33; Mk 9,43.45.47; Lk 12,5; Jak 3,6 ). Diese "Gehenna", wie es im Urtext heißt, war ursprünglich eine brennende Müllhalde im Hinnomtal, südlich von Jerusalem. Der Bedeutungshorizont des Begriffes geht jedoch weit über die geographische Bezeichnung hinaus und bezieht sich in der Bibel auf die ewige Strafe.

Die Aussage "der Tod und sein Reich gaben die Toten heraus" bedeutet, daß die Leiber der Unerlösten wieder mit ihrem Geist, der im Hades weilte, vereinigt wurden. Daß auch "das Meer" seine Toten herausgab macht deutlich, daß jeder Leib, gleichgültig, wie verwest er ist, zum Gericht auferweckt wird.



Offb 20,14-15


Nach dem Gericht vor dem Großen Weißen Thron wurden der Tod und sein Reich ... geworfen in den feurigen Pfuhl. Das ist der zweite Tod: der feurige Pfuhl , dem letzten Aufenthaltsort der bösen Menschen. Die Lehre von der ewigen Strafe war für die Christen, die sich der Gnade Gottes und der Erlösung in Christus erfreuen, immer ein Problem. Die Bibel geht jedoch eindeutig davon aus, daß die Bestrafung der schlechten Menschen von ewiger Dauer ist. Das wird in Vers 10 bekräftigt: Das Tier und der falsche Prophet befinden sich noch immer, auch nach den tausend Jahren der Herrschaft Christi auf Erden, im Feuersee. Zwar werden auch die schlechten Menschen auferstandene Leiber erhalten, doch diese Leiber werden ganz anders beschaffen sein als die der Heiligen. Ihre Besitzer werden weiter sündigen, doch sie werden dabei unverletzbar und unsterblich sein und auf ewig im Feuersee vegetieren.

Obwohl viele Theologen versucht haben, aus der Schrift abzuleiten, daß die Lehre von der ewigen Strafe nicht richtig ist, gibt es, was die biblische Offenbarung betrifft, nur zwei Wege für die Seelen der Menschen: Der eine führt zur Gemeinschaft mit dem Herrn und der andere in die ewige Geschiedenheit von Gott im Feuersee. Diese ernste Tatsache ist Grund genug, das Evangelium um jeden Preis bis ans Ende der Welt zu tragen und alles nur Denkbare zu tun, um die Menschen mit der guten Nachricht bekannt zu machen und sie zu Christus zu bekehren, bevor es zu spät ist.



P. Der neue Himmel und die neue Erde
(
21,1-22,5 )


1. Die Erschaffung des neuen Himmels und der neuen Erde
(
21,1 )


Offb 21,1


Die Einleitungsverse von Kapitel 21 handeln von der Erschaffung des neuen Himmels und der neuen Erde, die chronologisch auf das Tausendjährige Reich Christi, von dem in Kapitel 20 die Rede war, folgt. Kapitel 21 beginnt wieder mit der vertrauten Wendung "und ich sah" , die in Vers 2 nochmals wiederholt wird (vgl. V. 22 , "und ich sah keinen"). Bei dieser neuen Schöpfung handelt es sich um einen neuen Himmel und eine neue Erde . Daß dabei wirklich ein neuer Himmel und eine neue Erde entsteht und nicht etwa eine Erneuerung der gegenwärtigen Erde und des gegenwärtigen Himmels vorgenommen wird, macht der Zusatz deutlich: Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen (vgl. auch den Kommentar zu Offb 20,11 ). Es wird erstaunlich wenig über diesen neuen Himmel und die neue Erde ausgesagt, doch eine wichtige Tatsache wird in diesem Vers noch festgehalten: Und das Meer ist nicht mehr.

Im Gegensatz zur gegenwärtigen Erde, die zum größten Teil von Wasser bedeckt ist, wird es auf der neuen Erde keine großen Gewässer mehr geben. Über die Beschaffenheit des neuen Himmels schweigt die Bibel ebenfalls bis auf die Anmerkung, daß es keine Sonne und keinen Mond und damit vermutlich auch keine Sterne mehr geben wird ( Offb 21,23 ). Die Bezeichnung "neuer Himmel" bezieht sich dabei nicht auf den Aufenthaltsort Gottes, sondern auf die Erdatmosphäre und den Weltraum.

Wir erfahren nichts über die Grenzen dieser neuen Erde und nichts über ihr Aussehen, ihre Vegetation, Farbe oder Gestalt. Implizit läßt sich jedoch ableiten, daß sie rund ist und daß die Erlösten auf ihr wohnen. Einige andere Hinweise in bezug auf die neue Erde finden sich z. B. bei Jesaja ( Jes 65,17; 66,22 ) und im 2. Petrusbrief ( 2Pet 3,10-13 ).

Weil es in einigen dieser Passagen zugleich auch um das Tausendjährige Reich geht, haben die Ausleger häufig die Ewigkeit mit dem Tausendjährigen Reich verwechselt. Es kommt jedoch sehr oft in der Schrift vor, daß weit auseinanderliegende Ereignisse zusammengesehen werden. Ein Beispiel dafür ist Jes 61,1-2 (vgl. Lk 4,17-19 ), wo vom ersten und zweiten Kommen Christi in einem Atemzug die Rede ist, und Dan 12,2 , wo die Auferstehung der Gerechten und die der schlechten Menschen gemeinsam erwähnt wird, obwohl sie nach Offb 20,5 tausend Jahre auseinanderliegen. Manchmal wird auch die chronologische Abfolge umgekehrt, wie in Jes 65,17-25 (V. 17 - 19 beziehen sich auf den neuen Himmel und die neue Erde, während V. 20 - 25 eindeutig vom Tausendjährigen Reich handeln). Auch in 2Pet 3,10-13 werden die Geschehnisse der Endzeit stark aneinander angenähert und der Beginn und das Ende des Tages des Herrn im selben Abschnitt zusammengefaßt.

Obwohl die Exegeten sich über diesen Punkt uneins waren, stützt das Auslegungsprinzip, daß klare Passagen zur Erhellung dunkler Passagen benutzt werden sollten, die Schlußfolgerung, daß dem zweiten Kommen Christi eine tausendjährige Herrschaft auf der Erde folgt, der sich wiederum die Erschaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, des Wohnorts der Heiligen in Ewigkeit, anschließt. Da es außer der Tatsache, daß es kein Meer mehr geben wird, keinerlei geographische Hinweise auf die Beschaffenheit der neuen Erde gibt, wird sie offensichtlich vollkommen anders aussehen als die gegenwärtige Erde. Im Zusammenhang mit dem Tausendjährigen Reich dagegen ist sehr oft die Rede vom Meer (z. B. Ps 72,8; Jes 11,9.11; Hes 47,8-20; Hes 48,28; Sach 9,10; Sach 14,8 ). Daraus ist eindeutig zu schließen, daß der neue Himmel und die neue Erde nichts mit dem Tausendjährigen Reich zu tun haben und deshalb auf keinen Fall damit verwechselt werden dürfen.



2. Das Neue Jerusalem
(
21,2 - 8 )


Offb 21,2


Johannes' Aufmerksamkeit wurde auf eine Besonderheit des neuen Himmels und der neuen Erde gelenkt, auf die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herab auf die Erde gesenkt, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann . Das neue Jerusalem ist "die heilige Stadt", im Gegensatz zum irdischen Jerusalem (das seiner geistlichen Verfassung nach in Offb 11,8 mit Sodom verglichen wird). Schon in Offb 3,12 wurde das Neue Jerusalem als die "Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott", beschrieben. Die Tatsache, daß das Neue Jerusalem "vom Himmel herniederkommt", also nicht geschaffen wird, hat zu der Frage Anlaß gegeben, ob es die Stadt bereits im Tausendjährigen Reich gab (vgl. dazu den Kommentar zu Offb 21,9 ).

Nach Ansicht mancher Exegeten bezieht sich Joh 14,2 ,"ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten", auf diese Stadt. Es ist die These aufgestellt worden, daß das Neue Jerusalem, wenn es bereits während der tausendjährigen Herrschaft Christi existiert, möglicherweise im Himmel liegt und als Wohnort der Auferstandenen und verklärten Heiligen dient, die dennoch leichten Zugang zur Erde haben und dort ihre Aufgaben im Rahmen der Herrschaft Christi wahrnehmen können. J. Dwight Pentecost z. B. zitiert F. C. Jennings, William Kelly und Walter Scott, die diese Vorstellung vom Neuen Jerusalem als einer Art "Satellitenstadt" im Tausendjährigen Reich vertreten ( Things to Come , Grand Rapids 1958, S. 577 - 579). Auf jeden Fall befindet sich das Neue Jerusalem im Tausendjährigen Reich noch nicht auf der Erde, denn in dieser Zeit gibt es noch ein irdisches Jerusalem und einen irdischen Tempel ( Hes 40-48 ).

Wenn die Erde am Ende des Tausendjährigen Reiches zerstört wird, wird das Neue Jerusalem offensichtlich aus ihrem Einzugsbereich gerückt und erscheint dann, nach der Erschaffung der neuen Erde, wieder. Die meisten Exegeten haben die Möglichkeit einer "Satellitenstadt" gar nicht zur Kenntnis genommen, und der Gedanke ist sicherlich auch eher als eine Folgerung und nicht als direkte biblische Offenbarung zu betrachten. Dennoch löst diese Vorstellung verschiedene Probleme des Verhältnisses zwischen auferstandenen und verklärten Heiligen und denjenigen Menschen, die während des Tausendjährigen Reiches noch irdische Leiber besitzen - Probleme, für die es andernfalls keine Erklärung geben würde.

An der vorliegenden Stelle jedoch wird das Neue Jerusalem so geschildert, wie es in der Ewigkeit sein wird, als "eine für ihren Mann geschmückte Braut". Weil die Kirche in der Heiligen Schrift immer wieder als eine Braut dargestellt wird ( 2Kor 11,2 ), haben manche Ausleger die Einwohner des Neuen Jerusalem insbesondere mit den Gläubigen der Kirche gleichzusetzen versucht und die Gläubigen anderer religiöser Richtungen dabei ausgeschlossen. Das Bild der Ehe ist in der Schrift jedoch allgemein gebräuchlich, nicht nur für das Verhältnis Christi zur Kirche, sondern auch für die Beziehung Jahwes zu Israel. Die Stadt wird hier zwar mit einer schön geschmückten Braut verglichen, doch sie bleibt in Wirklichkeit eine Stadt und steht nicht für eine bestimmte Person oder Personengruppe.



Offb 21,3-4


Johannes fuhr fort: Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her . Das ist das letzte Mal von insgesamt zwanzig Erwähnungen der "großen Stimme" im Buch der Offenbarung (das erste Mal in Offb 5,2 ).

Die letzte Offenbarung vom Himmel machte deutlich, daß Gott bei den Menschen wohnen wird, daß die Gläubigen sein Volk bilden werden und er ihr Gott sein wird. Die Christen werden sich für alle Ewigkeit einer neuen, engen Beziehung zu Gott erfreuen, wie sie in einer Welt, in der es noch Sünde und Tod gibt, unmöglich ist. In der neuen Welt wird es kein Leid mehr geben: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen . Tod und Trauer, Schmerz und Weinen werden die Menschen nicht mehr beschweren, denn das Erste ist vergangen .

Manche Menschen haben sich gefragt, ob es im Himmel vielleicht eine Zeitlang Leid und Sorgen geben wird und sie dann, mit der Erschaffung der neuen Welt, abgetan werden. Plausibler ist jedoch die Deutung, daß der Himmel überhaupt nichts mit der gegenwärtigen Erde zu tun hat.



Offb 21,5-6


Die dramatische Veränderung, die in dieser neuen Ordnung liegt, wird in den Worten deutlich: Siehe, ich mache alles neu! Diese Offenbarung ist wahrhaftig und gewiß , und Johannes erhielt die ausdrückliche Anweisung, sie niederzuschreiben. Derjenige, der diese Veränderung herbeiführt, wird Christus sein, der von sich selbst sagt: Ich bin das A und das O (vgl. Offb 1,8;22,13 ). Alpha und Omega sind der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets und stehen hier für Anfang und Ende .

Den Durstigen wird verheißen, daß sie (umsonst) von der Quelle des lebendigen Wassers trinken dürfen. Hier ist nicht von physischem Durst die Rede, sondern von dem tiefen Wunsch nach geistlichem Segen.



Offb 21,7-8


Christus erklärte: Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein. In diesen Worten drückt sich die enge Verbundenheit zwischen den Gläubigen und Gott in der Ewigkeit aus.

Im Gegensatz dazu werden diejenigen, die die Sünden der ungläubigen Welt begehen, aus dem Neuen Jerusalem ausgeschlossen sein; ihre Bestimmung ist der Pfuhl ... mit Feuer und Schwefel . Dieses Gericht ist eine gerechte Strafe für ihre Sünden, von denen acht hier näher bezeichnet werden. Und Christus fügte hinzu: Das ist der zweite Tod.

Es sollte jedem klar sein, daß diese Passage nicht im Sinne einer "Werkgerechtigkeit" mißverstanden werden darf, sondern daß die Werke hier eher als ein Zeichen dafür angesehen werden, ob ein Mensch erlöst ist oder nicht. Offensichtlich werden viele Menschen im Himmel sein, die sich vor ihrer Bekehrung der hier genannten Sünden schuldig gemacht haben, sich dann jedoch am Tag der Gnade von ihnen abgewandt und Christus als ihren Heiland angenommen haben. Die Werke bzw. ihr Fehlen sind zwar ein Beweis für die Erlöstheit des Betreffenden, niemals jedoch ihre Ursache. Ähnliche Auflistungen verschiedener Sünden wie an dieser Stelle finden sich in Offb 21,27 und Offb 22,15 .



3. Das Neue Jerusalem als Braut
(
21,9 - 11 )


Offb 21,9-11


Einer der Engel aus Kapitel 16 , der eine der Schalen des göttlichen Zorns auf die Erde gegossen hatte, lud Johannes ein, das Neue Jerusalem, die Braut, zu sehen: Komm, ich will dir die Frau zeigen, die Braut des Lammes. Nachdem er im Geist auf einen ... hohen Berg versetzt worden war, erblickte der Apostel das Neue Jerusalem herniederkommen aus dem Himmel von Gott , strahlend von der Herrlichkeit Gottes .

Die Ausleger sahen sich durch die zusätzlichen Offenbarungen über das Neue Jerusalem von Vers 9 vor Probleme gestellt. Manche sind der Ansicht, daß dieser Abschnitt bereits Gesagtes rekapituliert und das Neue Jerusalem in seiner schwebenden Position über der Erde während des Tausendjährigen Reiches Christi darstellt. Dem ist jedoch die Auffassung vorzuziehen, daß es sich hier um eine Fortsetzung der Schilderung des Neuen Jerusalem, wie es in der Ewigkeit sein wird, handelt. Die Stadt gleicht sich offenbar in beiden Fällen von ihrem Aussehen her, doch es gibt verschiedene Hinweise darauf, daß hier ihr ewiger Zustand gemeint ist und nicht das Tausendjährige Reich.

Der Gesamteindruck der Stadt läßt sie wie den gigantischsten, funkelndsten, alleredelsten Stein erscheinen, vergleichbar mit einem Jaspis, klar wie Kristall - ein Bild für ihre alles überstrahlende Schönheit. Johannes versuchte offensichtlich Worte für das zu finden, was er sah, und das Geschaute mit Dingen zu verknüpfen, die seinen Lesern vertraut waren. Trotzdem wird deutlich, daß das, was ihm offenbart wurde, die menschliche Vorstellungskraft und Ausdrucksfähigkeit bei weitem übersteigt.

Der Stein, den wir heute als Jaspis kennen, ist ein undurchsichtiger Edelstein (vgl. Offb 4,3 ), der in mehreren Farben vorkommt. Johannes bezog sich hier wohl eher auf die allgemeine Schönheit als auf eine spezielle Eigenschaft dieses Steins. Heute würde man die Stadt wahrscheinlich als schön geschliffenen Diamanten darstellen, ein Edelstein, der im 1. Jahrhundert noch nicht bekannt war.

Wie in den früheren Hinweisen auf Jerusalem als Braut ist auch hier eine tatsächliche Stadt und nicht eine Person oder Personengruppe gemeint. Das wird noch unterstrichen durch die anschließende Schilderung der Stadt.

 

4. Das Neue Jerusalem als Stadt
(
21,12 - 27 )


Offb 21,12-13


Johannes sah vor sich eine gigantische, "viereckig" (V. 16 ) angelegte Stadt, die eine große und hohe Mauer und ... zwölf Tore (hatte) . Die Tore trugen die Namen der zwölf Stämme der Israeliten . Die Zahl zwölf herrscht vor: Die Stadt hat zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel (V. 12 ), es sind zwölf Stämme Israel (V. 12 ), sie ist auf "zwölf Grundsteinen" erbaut (V. 14 ), die "die Namen der Zwölf Apostel" tragen (V. 14 ), die Tore sind "zwölf Perlen" (V. 21 ), die Bäume in der Stadt tragen "zwölfmal Früchte" ( Offb 22,2 ), die Stadtmauer mißt "hundertvierundvierzig Ellen" - zwölf mal zwölf (V. 17 ) - und der Umfang der Stadt ("die Länge und die Breite und die Höhe") beträgt "zwölftausend Stadien", etwa 2 100 Kilometer (V. 16 ). Sie ist in allen vier Himmelsrichtungen mit Mauern umfriedet, die jeweils drei Tore aufweisen (V. 13 ). Auf jedem Tor wacht ein Engel (V. 12 ).

Dieses Jerusalem unterscheidet sich beträchtlich von dem irdischen Jerusalem zur Zeit des Tausendjährigen Reiches. Falls die Namen der Tore jedoch mit denen des Tausendjährigen Jerusalem, wie es in Hes 48,31-34 beschrieben wird, übereinstimmen, so tragen die Tore im Norden von Osten nach Westen die Namen Levi, Juda und Ruben, im Westen von Norden nach Süden die Namen Naftali, Asser und Gad, im Süden von Osten nach Westen Simeon, Issaschar und Sebulon und im Osten von Norden nach Süden Josef, Benjamin und Dan. Im Gegensatz zu Offb 7,5-8 , wo Dan ausgelassen und statt dessen Josef und Manasse aufgenommen sind, erwähnt Hesekiel Dan und übergeht Manasse.



Offb 21,14-16


Die zwölf Grundsteine in der Mauer der Stadt , die Johannes sah, trugen die Namen der zwölf Apostel des Lammes . Die Apostel waren Teil der Kirche, des Leibes Christi. Die Kirche wird also ebenso wie Israel ihren Platz in der Stadt haben und ist in den Namen der Apostel auf den Grundsteinen repräsentiert (V. 14 ), wie Israel in den Namen der zwölf israelitischen Stämme auf den Toren (V. 12 ). Die Unterscheidung zwischen Israel und der Kirche bleibt damit erhalten. Ein Engel vermaß die Stadt mit einem Meßstab aus Gold, der etwa drei Meter lang war. Die Stadt maß zwölftausend Stadien - das sind jeweils etwa zweitausend Kilometer - und war in ihrer Länge und ... Breite ... gleich . Diesem riesigen Umfang entspricht überraschenderweise auch die Höhe der Stadt: sie ist zweitausend Kilometer hoch.

Die Exegeten sind sich nicht einig darüber, ob man sich die Stadt dieser Beschreibung nach als einen Kubus oder als Pyramide vorzustellen hat. Die Schilderung deutet allerdings eher auf eine Pyramidenform.


Offb 21,17-18


Um diese riesenhafte Stadt herum verlief eine Mauer, die hundertvierundvierzig Ellen oder 65 Meter dick war. Der Hinweis auf das Menschenmaß soll einfach verdeutlichen, daß die Maßangaben nach menschlichen Dimensionen erfolgen, auch wenn es ein Engel ist, der den Meßstab handhabt.

Als Johannes das Mauerwerk genauer betrachtete, sah er, daß es aus Jaspis bestand und daß die Stadt aus reinem Gold, gleich reinem Glas , erbaut war. Johannes sprach hier in Bildern, denn ganz offensichtlich unterscheiden sich der Jaspis und das Gold, von denen hier die Rede ist, in ihrer Beschaffenheit von den Eigenschaften dieser Stoffe, wie wir sie heute kennen. So ist der Jaspis in Vers 11 durchsichtig und in Vers 18.21 gleicht das Gold gar durchscheinendem Glas.



Offb 21,19-21


Der Schmuck der Grundsteine (die die Namen der Apostel als Inschrift trugen) bestand aus zwölf verschiedenen Edelsteinen von jeweils anderer Farbe. Die Farbe des Jaspis ist nicht angegeben, der Saphir war wahrscheinlich blau. Der Chalzedon kam aus Chalzedon in der Türkei und war blau mit Einschlägen von anderen Farben. Der Smaragd ist von einem leuchtenden Grün, der Sardonyx rot und weiß und der Sarder ist gewöhnlich rubinrot, hat manchmal aber auch eine Farbe wie Bernstein oder Honig. In Offb 4,3 waren Jaspis und Sarder ein Sinnbild der Herrlichkeit Gottes. Der Chrysolith scheint von goldener Farbe gewesen zu sein, er sah wahrscheinlich anders aus als der blaßgrüne Chrysolith, den wir heute kennen. Der Beryll ist meergrün, der Topas von einem hellen Gelbgrün. Auch der Chrysopras ist grün, während der Hyazinth eine violette, der Amethyst eine Purpurfärbung hat. Die verschiedenen Edelsteine zusammen ergaben einen funkelnden Kranz wunderschöner Farben. Die Tore wiederum ähnelten riesigen einzelnen Perlen , und der Marktplatz der Stadt war aus reinem Gold wie durchscheinendes Glas ( Offb 21,18 ).

Die Schönheit der Stadt mag zwar irgendeine symbolische Bedeutung haben, doch es wird keinerlei Hinweis gegeben, wie diese Dinge im einzelnen zu deuten sind. Da anzunehmen ist, daß die Heiligen in der Stadt leben werden, ist es wohl am plausibelsten, die Stadt als den tatsächlichen künftigen Wohnort der Heiligen und Engel anzusehen.



Offb 21,22-27


Nach den Worten des Johannes sah er keinen Tempel darin, denn Gott, der Vater, ist ihr Tempel, er und das Lamm.

Da die Völker (die Heiden) ebenso in der Stadt sein werden (V. 24 - 26 ) wie Israel und die Kirche, liegt es auf der Hand, daß die Stadt der Aufenthaltsort der Heiligen aller Zeiten, der Engel und schließlich Gottes selbst ist. Die Schilderung des himmlischen Jerusalem in Hebr 12,22-24 nennt alle auch hier genannten Gruppen und fügt noch die "Geister der vollendeten Gerechten" hinzu - womit die anderen, an dieser Stelle nicht einzeln aufgeführten Heiligen gemeint sind.

Johannes erfuhr, daß die Tore der Stadt nie verschlossen werden und daß es, weil Gottes Herrlichkeit immer in ihr anwesend ist, keine Nacht darin geben wird. Die Pracht und der Reichtum der Völker wird in der Stadt sein, doch nichts Unreines ... und keiner, der Greuel tut und Lüge (wird hineinkommen) (vgl. Offb 21,8;22,15 ). Es werden nur die in der Stadt wohnen, die geschrieben stehen in dem Lebensbuch des Lammes . Interessanterweise wird das "Buch des Lebens" in den sechs Malen, in denen in der Offenbarung davon die Rede ist, nur dieses eine Mal mit dem Zusatz "des Lammes" bezeichnet (vgl. Offb 3,5;13,8;17,8;20,12.15 ).

Obwohl die Beschreibung der Stadt nicht alle Fragen über ihr künftiges Aussehen beantwortet, entwirft sie doch das Bild einer über alle Maßen schönen und herrlichen Zukunft für all jene, die ihr Vertrauen auf den lebendigen Gott setzen.



5. Der Strom lebendigen Wassers
(
22,1-2 a)


Offb 22,1-2 a


Aus den ersten Versen von Kapitel 22 erfahren wir noch einige weitere Einzelheiten über das Neue Jerusalem. So zeigte der Engel Johannes einen Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron des Gottes und des Lammes . Es mag sich dabei durchaus um einen wirklichen Fluß gehandelt haben, daneben wird jedoch auch der Symbolgehalt der Erscheinung deutlich: Vom Thron Gottes wird reines Wasser, das Sinnbild der Heiligkeit und Reinheit Gottes und des Neuen Jerusalem, ausströmen. Daß hier von einem Strom die Rede ist, sollte allerdings nicht zu Verwechslungen mit Szenen aus dem Tausendjährigen Reich, wie sie etwa in Hes 47,1.12 und Sach 14,8 beschrieben sind, führen. Dort sind reale Flüsse gemeint, die aus dem Tempel und Jerusalem fließen; sie gehören jedoch in die tausend Jahre der Herrschaft Christi auf Erden. Der Strom in Offb 22,1 dagegen fließt mitten auf dem Platz des Neuen Jerusalem auf der neuen Erde. Offenbar verläuft eine schmale Wasserrinne in der Mitte einer der vom Thron Gottes ausgehenden Hauptstraßen der heiligen Stadt.

Es ist bedeutsam, daß das Lamm ebenfalls auf dem Thron sitzend dargestellt wird (vgl. auch V. 3 ). Die Worte des Apostels Paulus in 1Kor 15,24 ,daß Christus "das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat", sind also nicht dahingehend zu verstehen, daß Christi Herrschaft damit beendet ist, sondern daß sie eine andere Form annehmen wird. Christus ist für alle Ewigkeit der König der Könige und der Herr der Herren (vgl. Offb 17,14;19,16 ).



6. Der Baum des Lebens
(
22,2 b)


Offb 22,2 b


Als Johannes die himmlische Stadt betrachtete, erblickte er Bäume des Lebens , die tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht. Die Tatsache, daß diese Bäume auf beiden Seiten des Stromes stehen, hat Anlaß zu Verwirrung gegeben. Manche Exegeten - wie offensichtlich auch Luther, der von "Bäumen" schreibt - sehen einfach mehrere Bäume darin, andere sind der Ansicht, daß der schmale Strom des Lebens sich vor dem Baum des Lebens teilt und ihn auf beiden Seiten umfließt. Der Baum des Lebens wird auch als "Garten Eden" bezeichnet ( 1Mo 3,22.24 ), in dem der Mensch sich unmittelbar nach seiner Erschaffung, als er noch das ewige Leben besaß, aufhielt. Adam und Eva war es verboten, von den Früchten dieses Baumes zu essen. Den Gläubigen aber wird an einer früheren Stelle der Offenbarung ( Offb 2,7 ) verheißen, daß sie "von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist", essen werden.

Da sich in diesem Baum die wörtliche und die symbolische Bedeutung zu treffen scheinen, gibt es keinen Grund, warum es sich nicht um einen wirklichen Baum mit wirklichen Früchten handeln soll, die, wenn man von ihnen ißt, das ewige Leben schenken. Es ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, daß man die Früchte essen kann, doch vom Text her ist es anzunehmen.

Die Blätter des Baumes dienen zur Heilung der Völker . Diese Aussage haben manche Exegeten zum Anlaß genommen, das ganze Bild auf die Zeit des Tausendjährigen Reiches zurückzubeziehen, in der es noch Krankheiten und Heilung gibt. Hier scheint jedoch etwas anderes gemeint zu sein. Das Wort "Heilung" ( therapeian , daher das Wort "Therapie") kann auch mit "Gesundheit schenken" wiedergegeben werden. Obwohl es in der Ewigkeit keine Krankheit mehr gibt, scheinen die Früchte und Blätter des Lebensbaumes doch zum physischen Wohlbefinden der Menschen in der Ewigkeit beizutragen.



7. Der Thron Gottes
(
22,3-4 )


Offb 22,3-4


Als ob er die Leser daran erinnern wollte, daß in der Ewigkeit keine Heilung mehr nötig ist, setzte Johannes hinzu: Und es wird nichts Verfluchtes mehr sein. Der Fluch der Sünde Adams brachte Krankheit - die der Heilung bedurfte - und Tod hervor, doch in der Ewigkeit gibt es keinen Fluch mehr und daher werden die Menschen auch nicht mehr der Heilung bedürfen.

Wie bereits erwähnt, werden Gott und das Lamm in der neuen Stadt sein ( Offb 21,22-23;22,1 ). Das Neue Jerusalem wird der Tempel Gottes sein ( Offb 21,22 ), und auch der Thron Gottes wird sich dort befinden. Nach Johannes' Worten werden seine Knechte ... ihm dienen . Die höchste Freude und das höchste Privileg der Heiligen in der Ewigkeit wird es sein, ihrem Herrn zu dienen, wenn auch zugleich gilt, daß sie mit ihm herrschen ( 2Tim 2,12; Offb 5,10;20,4-6 ). Sie werden einen bevorzugten Platz vor dem Thron haben, denn sie werden sein Angesicht sehen . Dahinter steht die Vorstellung, daß diese Heiligen die besondere Gunst des Herrn genießen und zu seinem "engsten Kreis" gehören. Ihre Nähe zu Gott wird auch daran deutlich, daß sein Name ... an ihren Stirnen sein wird (vgl. Offb 2,17;3,12;7,3;14,1 ). Daß sie sich ohne weiteres in der Gegenwart Gottes aufhalten können, zeigt, daß sie dann ihre verherrlichten Leiber haben werden (vgl. 1Joh 3,2 ).


8. Die Herrschaft der Gläubigen mit Gott
(
22,5 )


Offb 22,5


Noch einmal betonte Johannes, daß die Herrlichkeit und das Licht des Neuen Jerusalem einzig und allein in der Gegenwart Gottes bestehen werden, ohne irgendwelche zusätzliche künstliche Beleuchtung (vgl. Offb 21,23-24 ). Und noch einmal wird festgehalten, daß die Diener Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit mit Christus regieren werden (vgl. Offb 20,6 b).



Q. Das Wort des Herrn
(
22,6 - 21 )


1. Die Gewißheit der Wiederkunft Christi
(
22,6-7 )


Offb 22,6-7


Indem er sowohl den Inhalt der vorangegangenen Prophezeiungen als auch ihre Begreifbarkeit für den Menschen bestätigte, äußerte der Engel Johannes gegenüber, daß die Worte dieses Buches gewiß und wahrhaftig sind. Sie sollen die Menschen nicht verstören und verwirren, sondern ihnen viel von dem offenbaren, was bald geschehen muß .

Das steht in direktem Gegensatz zu der Ansicht vieler Theologen, daß das Buch der Offenbarung ein unlösbares Rätsel sei, zu dem wir heute keinen Zugang mehr haben. Dieses Buch ist das Wort Gottes und gibt nicht einfach irgendwelche vage Phantasien des Apostels Johannes wieder. Es soll künftige Ereignisse beschreiben und wird dieser Aufgabe, wenn man es wörtlich versteht, auch völlig gerecht, trotzdem viele Aussagen des Textes in symbolische Form gekleidet sind. Das Wort Gottes wurde den Menschen nicht als etwas Verhülltes zuteil, sondern so, daß es von denen, die vom Heiligen Geist gelehrt sind, verstanden werden kann.

In Vers 7 wird noch einmal das Grundthema der Offenbarung zusammengefaßt: Siehe, ich komme bald (vgl. Offb 1,7;22,12.20 ). Das griechische Wort tachy kann sowohl "bald" als auch "plötzlich" heißen. Aus göttlicher Sicht gilt für die Wiederkunft Christi beides. In der Vorausschau der Gläubigen findet das Kommen Christi immer "bald" statt, und wenn es eintrifft, so wird es "plötzlich" geschehen. Deshalb wird auch denen, die den Weissagungen dieses Buches glauben und sich daran halten, ein besonderer Segen verheißen. Dieses letzte Buch der Bibel, das von der Kirche so häufig stiefmütterlich behandelt wurde und über dessen Auslegung so viele Exegeten sich streiten, enthält, wie bereits gesagt, mehr Segensverheißungen als jedes andere Buch der Schrift. Dieser Hinweis auf den Segen ist die sechste Seligpreisung im Text ( Offb 22,7; die siebte findet sich in V. 14 ); sie gleicht der ersten Seligpreisung in Offb 1,3 .



2. Die Anbetung des Johannes
(
22,8 - 9 )


Offb 22,8-9


Nachdem Johannes diese großartige Offenbarung empfangen hatte, fiel er wieder zu den Füßen des Engels (um anzubeten) . Doch er wurde abermals zurechtgewiesen und daran erinnert, daß Engel nicht angebetet werden dürfen, weil sie wie die Gläubigen auch nur Knechte Gottes sind. Statt dessen sollte er dem Herrn die Ehre geben (vgl. Offb 19,10 ).

 

3. Das Gebot, die Weissagungen dieses Buches zu verkündigen
(
22,10-11 )


Offb 22,10-11


Daniel wurde gesagt, daß seine Weissagungen "bis auf die letzte Zeit versiegelt" bleiben würden ( Dan 12,9 ). Johannes dagegen sollte die Worte der Weissagung in diesem Buch gerade nicht versiegeln. Das unterstreicht erneut, daß die Ansicht mancher Theologen, das Buch der Offenbarung sei ein undurchdringbares Geheimnis, im Gegensatz zu den Aussagen des Textes selbst steht. Die Offenbarung ist sowohl von ihren konkreten Aussagen als auch von ihren Symbolen her dafür gedacht, Dinge und Ereignisse zu enthüllen, die mit dem zweiten Kommen Christi zu tun haben.

Die anschließende Ermahnung hat manche Exegeten verwirrt: Da werden diejenigen, die Böses tun, und die, die unrein sind, ermutigt, weiterhin bei ihrem Tun zu bleiben, und diejenigen, die gerecht und heilig sind, sollen ebenfalls in ihrer Lebensweise fortfahren ( Offb 22,11 ). Hier geht es jedoch nicht darum, das Böse zu entschuldigen, sondern deutlich zu machen, daß die Menschen, wenn sie sich die Weissagungen der Offenbarung nicht zu Herzen nehmen, in ihrer Schlechtigkeit verharren werden.

Umgekehrt werden alle, die die Prophezeiungen ernst nehmen, weiterhin das Rechte tun. Relativ gesehen ist der "Tag des Herrn" nahe, daher sind keine größeren Veränderungen im Lebenswandel der Menschen zu erwarten.



4. Das künftige Gericht und die künftige Belohnung
(
22,12 )


Offb 22,12


Dieser Vers beginnt mit denselben Worten wie Vers 7 : Siehe, ich komme bald . Im Zusammenhang mit Christi Wiederkunft, die "bald" geschehen wird (vgl. V. 7.20 ), wird den Gläubigen für die Werke , die sie für Christus vollbracht haben, Lohn versprochen. Das ist ein Hinweis auf den Richterstuhl Christi ( 2Kor 5,10-11 ). Das Gericht über die Bösen und über die Gerechten wird ein Gericht nach den Werken sein. Darauf richtet sich denn auch die freudige Erwartung all derer, die standhaft in ihrem Glauben bleiben, und die Befürchtung derer, die nicht treu waren.



5. Der ewige Christus
(
22,13 )


Offb 22,13


Wieder wird Christus als das A und das O (der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets), der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende bezeichnet. Christus war vor der ganzen Schöpfung, und er wird nach der Zerstörung der gegenwärtigen Schöpfung weiterexistieren. Er ist der Ewige (vgl. Offb 1,4.8.17;2,8;21,6 ).



6. Der künftige Segen und das künftige Gericht
(
22,14 - 15 )


Offb 22,14-15


Die letzte der sieben Seligpreisungen im Buch der Offenbarung gilt den Heiligen, die ihre Kleider waschen , d. h. den Gerechten. Sie haben Zugang zum Neuen Jerusalem und dem Baum des Lebens (vgl. V. 19 ). (Die übrigen sechs Seligpreisungen finden sich in Offb 1,3;14,13;16,15;19,9;20,6;22,7 .)

Im Gegensatz dazu werden die Unerlösten ( Hunde bezieht sich hier auf Menschen; vgl. Phil 3,2 ) - die Zauberer (vgl. Offb 9,21;18,23;21,8 ), und die Unzüchtigen und die Mörder und die Götzendiener und alle, die die Lüge lieben und tun - dem Gericht überantwortet. Wie in der vergleichbaren Beschreibung der Unerlösten in Offb 21,8.27 werden auch hier die schlechten Taten, die diese Menschen kennzeichnen, aufgeführt. Obwohl manche Gläubige sich dieser Verfehlungen ebenfalls schuldig gemacht haben, sind sie im Blut des Lammes rein gewaschen und haben deshalb Zugang zu Gott. Diejenigen aber, die sich weigern, zum Herrn zu kommen, erhalten den gerechten Lohn für ihre Sünden. Gott entgeht auch nicht die kleinste Bosheit auf der Welt, und er wird jede Sünde unerbittlich richten. Wenn das geschieht, ist die Zeit der Wiederkunft Christi nahe.



7. Die Einladung des Geistes und der Braut
(
22,16 - 17 )


Offb 22,16-17


Christus hat den Gemeinden das ganze Buch der Offenbarung durch seinen Engel übermittelt. Er bezeichnete sich darin als die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern . Historisch gesehen stammt Christus aus dem Geschlecht Davids ( Mt 1,1; vgl. Jes 11,1; Offb 5,5 ). In den Bildern der Propheten wird sein Kommen mit dem Morgenstern, dem Beginn eines hellen, neuen Tages verglichen. Der Heilige Geist vereinte sich mit der Braut , der Kirche, in einer Einladung an alle, die bereit sind, auf ihr Wort zu hören. Sie werden ermutigt, auf die Einladung zu antworten und sie auch an andere weiterzugeben. Ihnen allen wird das herrliche Versprechen gegeben, daß jeder, den es dürstet , kommen kann und das Wasser des Lebens von Gott erhält.

Diese wunderbare Einladung gilt jeder Generation bis zum Kommen Christi. Diejenigen, die ihre Bedürftigkeit erkennen und spüren, daß Christus der Bringer des Heils ist, werden ermahnt zu kommen, solange noch Zeit ist. Wie die ganze Heilige Schrift zeigt, ist die Gabe des ewigen Lebens (hier das "Wasser des Lebens"; vgl. Offb 22,1; Joh 7,37-39 ) ein Geschenk. Christus hat mit seinem Kreuzestod dafür bezahlt und es steht allen offen, die diese Gabe in schlichtem Glauben annehmen.



8. Die letzte Warnung
(
22,18 - 19 )


Offb 22,18-19


Neben der Einladung an all diejenigen, die bereit sind zu hören, wird auch ein Wort der Warnung für jene ausgesprochen, die die Offenbarung des Buchs dieser Weissagung zurückstoßen. Es wird davor gewarnt, dem Buch etwas hinzuzufügen oder etwas darin zu streichen (vgl. 5Mo 4,2;13,1; Spr 30,6 ). Die Strafe für diejenigen, die es verachten und als mystische Erlebnisse eines alten Mannes abtun, womit sie leugnen, daß es das inspirierte Wort Gottes ist, wird schrecklich sein. Wer das Wort Gottes ablehnt, lehnt Gott selbst ab, und alle, die seinen verheißenen Segen leugnen und von seinen Wahrheiten Abstriche machen, werden unter sein Gericht fallen und keinen Teil am Baum des Lebens oder an der heiligen Stadt haben (vgl. Offb 22,14 ).



9. Das letzte Gebet und die Verheißung
(
22,20 - 21 )


Offb 22,20-21


Es folgt ein weiteres Zeugnis: Ja, ich komme bald (vgl. V. 7.12 ). Darauf antwortete Johannes in einem kurzen Gebet: Amen, ja, komm, Herr Jesus!

Am Schluß der ungeheuerlichen Offenbarungen, die in diesem Buch enthalten sind, wird eine letzte Segensformel ausgesprochen: Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen! Diese Formel, die auch in vielen anderen neutestamentlichen Schriften zu finden ist, beendet das letzte Buch des Gotteswortes. Für alle, die glauben, daß Christus bei seinem ersten Kommen das Heil gebracht hat, besteht nun die wunderbare Verheißung, daß er wiederkommen und dann die vollständige und endgültige Erlösung bringen wird. Das Buch der Offenbarung kehrt damit zu seinem Ausgangspunkt zurück: dem Gedanken an die Wiederkunft Christi.

In keinem anderen Text der Heiligen Schrift wird der Gegensatz zwischen der gesegneten Schar der Gläubigen und dem schrecklichen Schicksal der Verlorenen wohl so deutlich. Kein anderes Buch der Bibel schildert das Gericht auf der einen und die ewige Seligkeit der Gläubigen auf der anderen Seite so detailliert. Um so tragischer ist es daher, daß so viele Menschen an der Offenbarung des Johannes vorbeigehen und nicht in die wunderbaren Aussagen des Textes eindringen. Sie machen sich damit in ihrer Gotteserkenntnis und in ihrer Hoffnung auf Christus Jesus selbst ärmer. Das Volk Gottes aber, das die herrlichen Verheißungen dieses Buches begreift und wert hält, kann mit Johannes beten: "Amen, ja, komm, Herr Jesus."

 

BIBLIOGRAPHIE ZU DEN SIEBEN GEMEINDEN IN OFFENBARUNG 2-3


Blaiklock E M (o. J.) The Seven Churches . London

Havner V (1958) Repent or Else! New York

Loane M L (1981) They Overcame: An Exposition of the First Three Chapters of Revelation . Grand Rapids

Morgan G C (1902) A First Century Message to Twentieth Century Christians . Westwood, N.J.

Ramsay W M 1904) The Letters to the Seven Churches of Asia . 4. Auflage, New York. Nachdruck 1979. Grand Rapids

Seiss J A (1889) Letters to the Seven Churches . Nachdruck 1956. Grand Rapids

Tatford F A (1969) The Patmos Letters . Grand Rapids

Trench R C (1867) Commentary on the Epistles to the Seven Churches in Asia . London. Nachdruck 1978. Minneapolis

Yamauchi E M (1980) The Archaeology of New Testament Cities in Western Asia Minor . Grand Rapids. (Enthält Kapitel über Ephesus, Pergamon, Sardes und Laodizea.)



Die forschreitende Offenbarung Gottes in der Heilsgeschichte: Zum Verständnis des Dispensationalismus


Ein heilsgeschichtliches Bibelverständnis ist eine große Hilfe für jeden, der sich mit dem Wort Gottes beschäftigt. Warum? Erstens lenkt ein heilsgeschichtliches Bibelvertändnis unseren Blickdarauf, daß Gott sich in der Geschichte offenbart hat. Was in der Bibel von Gottes Reden und Handeln, von seinen Erwählungen und Wundern, seinen Geboten und Prophezeihungen berichtet ist, ist kein frommer Roman oder ein von Menschen ausgedachtes Gedankensystem, sondern Niederschlag dessen, was Gott ganz real im Raum der Geschichte getan und zu seinem Volk gesprochen hat. Zweitens lehrt heilsgeschichtliches Bibelverständniss, die großen Zusammenhänge in der Offenbarungsgeschichte zu sehen. Es erschließt uns daher die Einheit der Offenbarung Gottes von der Schöpfung bis zur Vollendung. Nichts in der Bibel muß hier beiseitegelassen werden; alles hat seinensinnvollen Platz. Drittens bewahrt ein heilsgeschichtliches Bibelverständniss zugleich aber auch davor, in der Bibel alles als Einerlei und auf einer Ebene liegend anzusehen. Es hilft Anfänge, Fortgänge und Endpunkte in bestimmten Linien der Offenbarung zu sehen; es ermöglicht, von einer Mitte der Offenbarung Gottes in Jesus Christus zu sprechen, ohne anderes abwertend an den Rand zu drängen; es öffnet die Augen für Neueinsätze in der Offenbarungsgeschichte und für gleichbleibendes und unterschiedliches Handeln Gottes mit seinem Volk im Alten und Neuen Bund.

Der vorliegende Kommentar hat den großen Vorteil, daß er die Bibel konsequent heilsgeschichtlich auslegt. Das besondere Verständnis von Heilsgeschichte, das alle Bände dieser Auslegung zugrunde liegt, nennt man im englischsprachigen Raum "Dispensationalismus" bzw. Heilszeiten-Theologie. Schon in der Alten Kirche hat man zwischen verschiedenen Heilsepochen unterschieden. "Vor dem Gesetz"/"Unter dem Gesetz"/"Unter der Gnade" war eine beliebte Dreiteilung der Heilsgeschichte. Andere haben die Heilsgeschichte in vier, fünf, sechs oder sieben große Epochen eingeteilt. Auf reformierter Seite betont man besonders die verschiedenen Bundesschlüsse Gottes ("Werkbund"/"verschiedene Entfaltungsstufen des "Gnadenbundes"). In der sogenannten Föderaltheologie (Hermann Witsius) und der Prophetischen Theologie (Clampegius Vitringa) im 17. und 18. Jahrhundert begann man davon zu sprechen, daß sich der Gnadenbund Gottes in verschiedenen "Ökonomien" entfaltet. Diesen theologischen Grundsatz hat im 19. Jahrhundert John Nelson Darby weiterentwickelt.

Schon Paulus spricht von "Ökonomien". Das Wort "Ökonomie" (griech. 'eukonomia', wörtl. "Haushalt","Haushalterschaft") übersetzt man je nachdem am besten mit "Heilsplan", "Heilsordnung" oder "Heilszeit". Dem Apostel ist die Verkündigung des Heilsplans Gottes anvertraut, der mit der "Heilsordnung der Fülle der Zeiten" und der "Heilsordnung der Gnade" zu tun hat ( Eph 1,10; 3,2.9; Kol 1,25 ). Die Heilszeiten-Theologie geht entsprechend davon aus, daß es im Zuge der fortschreitenden Offenbarung von der Schöpfung bis zur Vollendung mehrere deutlich unterschiedene Epochen der Offenbarungsgeschichte gibt. In all diesen Epochen offenbart sich der gleiche heilige und liebende Gott; nie wird der Mensch anders als allein aufgrund der Gnade Gottes errettet; und immer geht es letztlich um Gottes Ehre. Aber es gibt nicht nur durchgehende Linien. Indem der Dispensationalismus die Bibel streng nach dem Literalprinzip auslegt, kommt er aber zu dem Ergebnis, daß es auch unterschiede in der Heilsgeschichte gibt: So gelten für Israel unter dem Gesetz manche Ordnungen, die es vorher nicht gab und die auch nachher für die Gemeinde des Neuen Bundes nicht verordnet sind; überhaupt sind Israel und die Gemeinde zu unterscheiden. Das Prinzip der Auslegung nach dem Literalprinzip führt auch dazu, daß mit einer konkreten Erfüllung der biblischen Prophetien gerechnet wird: Was sich noch nicht erfüllt hat, wird sich für die Gemeinde oder Für Israel noch wörtlich erfüllen. Das gilt auch für die Gerichte der Endzeit, für das Wiederkommen Jesu und die sichtbare Aufrichtung seines Reiches auf Erden von dem Anbruch der Neuschöpfung.

Wann fängt eine neue Epoche der Heilsgeschichte an? Wenn von Gottes Seite aus in einer neuen Offenbarung dreierlei geschieht: erstens werden einzelne, bisher gültige Ordnungen Beibehalten: zweitens werden zugleich einzelne, bisher gültige Ordnungen aufgehoben; und drittens werden neue, bisher nicht in Geltung stehende Ordnungen eingesetzt. Mit dieser hilfreichen Unterscheidung wird klar, daß der Christ heute nicht alles halten muß, was dem Israeliten unter dem Gesetz geboten wurde. Andererseits kann der Christ sich nicht einfach aussuchen, was ihm gerade paßt. Vielmehr hält er sich an die Ordnungen und Maßstäbe, die Gott für die neutestamentliche Gemeinde verfügt hat. Er weiß sich mit den Glaubensvätern und dem Gottesvolk des Alten Bundes verbunden, und weiß doch, daß für ihn in Christus ein Neues begonnen hat. Zugleich schaut er hoffnungsvoll auf die noch ausstehende Erfüllung der Verheißungen und erwartet das, was Gott für die Zukunft zugesagt hat.

Mit diesem Verständnis der Heilsgeschichte gibt der vorliegende Kommentar eine hervorragende Hilfe zu einem wörtlichen Verständnis der ganzen Bibelin ihrer Einheit und Vielfalt. Kein Teil der Bibel wird da sachkritisch abgewertet. Veilmehr wird jeder Vers der Heiligen Schrift aus seiner heilsgeschichtlichen Situation heraus verstanden und als Gottes Wort geehrt. Es ist lohnend sich von diesem Kommentar in ein heilsgeschichtliches Verständniss der Bibel einführen zu lassen.

Dr. Helge Stadelmann
Dekan der FTA Gießen