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Titus Walvoord

Titus (A. Duane Litfin)

 

EINFÜHRUNG

 

Titus war ein Heidenchrist ( Gal 2,3 ), der den Apostel Paulus auf seinen Reisen begleitete und bei seiner Missionsarbeit unterstützte ( Gal 2,1-3 ). Er war es auch, den Paulus mit der heiklen Aufgabe betraute, die Briefe an die mit einer schweren Krise kämpfende Gemeinde in Korinth zu überbringen ( 2Kor 7,6-7;8,6.16 ).

Etwa im Jahre 63/64 n. Chr., einige Zeit, nachdem sie Timotheus in Ephesus zurückgelassen hatten, brachen Paulus und Titus nach Kreta auf. Während Paulus nach kurzem Aufenthalt weiterreiste, blieb Titus als Seelsorger für die Gemeinden auf der Insel ( Tit 1,5 ). Irgendwann danach schrieb der Apostel ihm den vorliegenden Brief. Der genaue Zeitpunkt und der Abfassungsort des Schreibens sind nicht mehr festzustellen. (Für eine detailliertere Darstellung der Verfasserfrage und der Datierung der Pastoralbriefe vgl. die Einführung zum 1. Timotheusbrief.)

Der Zweck des Briefes war es, Titus über seine Aufgabe und seine Lehrfunktion auf Kreta zu instruieren. Ein zentrales Thema ist dabei die Rolle der Gnade, die die Kinder Gottes fähig macht, gute Werke zu vollbringen ( Tit 2,11-3,8 ).

Paulus hoffte offenbar, Titus im Winter in Nikopolis wiederzutreffen ( Tit 3,12 ). Ob diese Begegnung tatsächlich stattgefunden hat, läßt sich heute nicht mehr sagen. Die letzte Erwähnung seines Namens bei Paulus ( 2Tim 4,10 ) besagt, daß Titus nach Dalmatien (dem heutigen Jugoslawien) gegangen war. Nach der Überlieferung ist er später nach Kreta zurückgekehrt und wirkte dort bis zu seinem Tod.

 

 

GLIEDERUNG

 

I. Grußwort ( 1,1-4 )

 

II. Die Qualifikationen der Ältesten und Bischöfe ( 1,5-9 )

 

III. Die Kennzeichen der Irrlehrer ( 1,10-16 )

 

IV. Das Zusammenleben in der Gemeinde ( 2,1-10 )

 

     A. Anweisungen für die älteren Männer ( 2,1-2 )

     B. Anweisungen für die älteren Frauen ( 2,3 )

     C. Anweisungen für die jüngeren Frauen ( 2,4-5 )

     D. Anweisungen für die jüngeren Männer ( 2,6-8 )

     E. Anweisungen für die Sklaven ( 2,9-10 )

 

V. Die heilsame Gnade ( 2,11-3,11 )

 

     A. Die erzieherische Macht der Gnade ( 2,11-14 )

     B. Die aus der Gnade erwachsende Haltung ( 2,15-3,2 )

     C. Das aus der Gnade erwchsende gottgefällige Leben ( 3,3-8 )

     D. Mit der Gnade nicht zu vereinbarende Verhaltensweisen ( 3,9-11 )

 

VI. Abschließende Anweisungen und Gruße ( 3,12-15 )

 

 

 

AUSLEGUNG

 

I. Grußwort

( 1,1-4 )

 

Tit 1,1

 

In der Einleitung zum Titusbrief führt Paulus sich als Knecht Gottes ein, während er sich sonst - zweifellos unter dem Eindruck des Erlebnisses auf der Straße nach Damaskus ( Apg 9,1-9 ) meist als "Knecht Jesu Christi" bezeichnet. Der Zusatz Apostel Jesu Christi fehlt jedoch nie. Beide Titel - "Knecht" und "Apostel" - haben ihren Anhalt in den beiden entscheidenden Anliegen der paulinischen Lehre: dem Glauben der Auserwählten Gottes (vgl. Röm 8,33; Kol 3,12 ) und der Erkenntnis der Wahrheit, die dem Glauben gemäß ist (vgl. 1Tim 2,4; 2Tim 2,25;3,7 ). Gott gebraucht Paulus als sein Werkzeug, um sich ein Volk zu schaffen (z. B. 1Thes 1,2-10 ) und es die Wahrheit zu lehren, die zu einem gottgefälligen Leben führt (vgl. 1Tim 6,3 ). Der Dienst des Apostels richtet sich auf beides, die Rettung und die Heiligung der Kinder Gottes.

 

 

Tit 1,2-3

 

Das griechische epi , "auf", in der Wendung "in der Hoffnung auf das ewige Leben" , ist gleich gebraucht wie in Eph 2,10 . Für Paulus ist sein ganzes Amt auf dieses "ewige Leben" ausgerichtet. Die Hoffnung darauf ist den Auserwählten von Ewigkeit her ( 2Tim 1,9 ) von dem Gott verheißen, der zu seinem Wort stehen wird. Doch erst jetzt können die Menschen zu einem vollen Verständnis dieser Verheißung kommen, und zwar durch die Botschaft, die Gott Paulus zu predigen aufgetragen hat. Wie so oft in den Pastoralbriefen spricht der Apostel hier von Gott als dem "Heiland" (vgl. 1Tim 1,1;2,3;4,10; Tit 2,10;3,4 ). Gottes ewiger Heilsplan ist das Zentrum des paulinischen Wirkens, nicht irgendwelche innerweltlichen Programme zur Verbesserung sozialer Strukturen oder Institutionen.

 

 

Tit 1,4

 

Auch wenn der Titusbrief, ähnlich wie der 1. und 2. Timotheusbrief, letztlich für eine breitere Leserschaft bestimmt ist, so ist er doch zunächst an Titus gerichtet. Der Apostel nennt ihn seinen rechten Sohn , was möglicherweise als Hinweis darauf zu werten ist, daß Paulus selbst Titus zum christlichen Glauben bekehrte. Der Begriff kann aber auch auf eine Lehrer-Schüler-Beziehung zwischen Paulus und Titus hindeuten - oder beides beinhalten. Bei Timotheus gebraucht Paulus dieselbe Wendung ( 1Tim 1,2 ). Die Grußformel Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserm Heiland ist typisch für die Pastoralbriefe (vgl. 1Tim 1,2; 2Tim 1,2 ). Allerdings fehlt in den beiden anderen Briefen der letztere Titel, der hier eingangs auf Gott den Vater bezogen wird ( Tit 1,3 ). Der Apostel verwendet also im vorliegenden Brief den messianischen Hoheitstitel "Heiland" in gleicher Weise für die beiden ersten Personen der Trinität (vgl. Tit 2,10.13;3,4.6 ).

 

II. Die Qualifikationen der Ältesten und Bischöfe

( 1,5 - 9 )

 

Tit 1,5

 

Wie Timotheus mit der Verantwortung für die Gemeinde in Ephesus betraut wurde ( 1Tim 1,3 ), so hat Paulus Titus mit der Seelsorge für die neugegründete Gemeinde auf Kreta beauftragt. Er wiederholt hier seine früheren Anweisungen für Titus und für die Gemeinde. Da Paulus damals schon bald wieder abreisen mußte, war der Aufbau der Kirche auf Kreta noch keineswegs vollendet. Deshalb soll Titus nun vollends ausrichten (wörtlich: "in Ordnung bringen"), was noch fehlt, und überall in den Städten Älteste einsetzen . Titus ist in Abwesenheit von Paulus praktisch der verlängerte Arm des Apostels (vgl. Apg 14,23 ), und die Autorität, die er in der kretischen Gemeinde besitzt, leitet sich unmittelbar von der des Paulus ab. Diese besondere Form der Autorität endete allerdings mit dem apostolischen Zeitalter.

 

 

Tit 1,6

 

Wie im 1. Timotheusbrief ( Tit 3,2-7 ) führt Paulus im folgenden genau die Qualifikationen auf, die die Ältesten der Gemeinde erfüllen müssen (vgl. den Kommentar zu 1Tim 3,1 ). Während die Liste dort nur fünfzehn Eigenschaften umfaßt, werden hier sogar siebzehn genannt. Inhaltlich stimmen die beiden Listen jedoch überein: (1) Die Ältesten müssen untadelig ( anenklEtos ) sein. In 1Tim 3,10 verwendet Paulus dasselbe Wort für die Diakone, und für die Ältesten und Bischöfe gebraucht er das Wort anepilEmpton ( 1Tim 3,2 ). (2) Ein Ältester muß Mann einer einzigen Frau sein, d. h. wahrscheinlich, daß er nur einmal verheiratet sein darf (vgl. den Kommentar zu 1Tim 3,2 ). (3) Außerdem muß er seinem Haus in rechter Weise vorstehen. Dazu gehört nicht nur eine strenge Ordnung ( 1Tim 3,4-5 ), sondern auch der positive geistige Einfluß, der vom Familienoberhaupt ausgehen sollte. Seine Kinder müssen gläubig sein und dürfen nicht im Ruf stehen, liederlich oder ungehorsam zu sein . Warum diese Forderung so wichtig ist, hat der Apostel in einem anderen Pastoralbrief erläutert ( 1Tim 3,5 ).

 

 

Tit 1,7

 

Von der Amtsbezeichnung "Ältester" ( presbyteros ) geht Paulus nun zu dem Terminus Bischof ( episkopos ) über. Beide Begriffe sind für den Apostel offensichtlich austauschbar und beziehen sich auf das gleiche kirchliche Amt. Daß "Bischof" hier im Singular gebraucht ist, bedeutet sicherlich nicht, daß es nur einen episkopos in jeder Gemeinde gab. Paulus verwendet das Wort hier sozusagen als Oberbegriff und hält fest, daß die genannten Eigenschaften von allen Männern, die ein leitendes Amt bekleiden, zu fordern sind. Erneut hebt er die "Untadeligkeit" der Person als zwingende Vorbedingung hervor (vgl. V. 6 ). Diese Eigenschaft ist nicht zuletzt deshalb von so überragender Bedeutung, weil der Bischof als Haushalter Gottes auftritt. Wo sein Ruf Schaden leidet, fällt es auf Gottes Ansehen zurück. Paulus erweitert seine Aufzählung um fünf Laster, die ein Bischof auf gar keinen Fall aufweisen darf: (4) Er darf nicht eigensinnig , also arrogant oder selbstgerecht, (5) nicht jähzornig (vgl. Jak 1,19-20 ) und (6) kein Säufer sein (vgl. zu diesem und dem vorhergehenden Laster 1Tim 3,3 ), (7) und er darf nicht schändlichen Gewinn suchen (vgl. den Kommentar zu 1Tim 6,5 ).

 

 

Tit 1,8

 

Während Vers 7 feststellt, was ein Bischof oder Ältester nicht sein oder tun darf, nennt Vers 8 wieder Eigenschaften, die er mitbringen sollte. Der Älteste muß (9) gastfrei (vgl. 1Tim 3,2 ), (10) gütig (vgl. Ps 15 ), (11) besonnen oder ausgeglichen und vernünftig ( sOphrona ; vgl. Gal 5,23; 1Tim 3,2; Tit 2,2.5 ), (12) gerecht ( dikaion ), (13) fromm (die beiden letzteren Eigenschaften sind zusammen mit der Untadeligkeit Qualitäten, in denen Paulus selbst sich hervortat, vgl. 1Thes 2,10 ,die jedoch in 1Tim 3 nicht erwähnt werden) und (14) enthaltsam (vgl. den Gegensatz zu den Lastern in Tit 1,7 ; vgl. auch 1Tim 4,7-8 ) sein.

 

Tit 1,9

 

Doch ein Bischof oder Ältester muß nicht nur in seinem Privatleben hohen moralischen und geistlichen Maßstäben genügen, er muß auch ein verläßlicher Mann des göttlichen Wortes sein: (15) Er muß sich an das Wort der Lehre, das gewiß ist , halten. Die zweite Hälfte dieses Satzes, "das gewiß ist", steht im griechischen Urtext am Anfang und ist damit besonders betont. Nach Paulus ist ein Ältester ein Bewahrer der Wahrheit, ein Mann, der die Wahrheit verstehen und an ihr festhalten muß. (16) Er muß imstande sein, andere zu ermahnen mit der heilsamen Lehre und (17) zurechtzuweisen, die widersprechen . Um für das Amt eines Bischofs oder Ältesten geeignet zu sein, muß man also unbedingt mit der göttlichen Wahrheit vertraut sein und sie andern vermitteln können (vgl. den Kommentar zu 1Tim 3,2 ).

 

 

III. Die Kennzeichen der Irrlehrer

( 1,10-16 )

 

Tit 1,10

 

Nachdem er die Widersacher des Evangeliums ins Spiel gebracht hat, beschreibt Paulus sie seinem Stellvertreter genauer und gibt ihm Ratschläge, wie er mit ihnen umgehen soll. Was am meisten an diesen Leuten auffällt, ist, daß sie Freche (vgl. Jud 1,8 ), unnütze Schwätzer und Verführer sind. Diese drei Eigenschaften zeichneten schon die Gegner des Timotheus in Ephesus aus (vgl. 1Tim 1,3-11;6,3-10; 2Tim 2,14-18 ). Hier auf Kreta kommt jedoch noch ein jüdisches Element ( besonders die aus den Juden ; vgl. Apg 11,2; Gal 2,12 ) hinzu, das die genannten Merkmale in besonders ausgeprägter Form besitzt.

 

 

Tit 1,11

 

Den Irrlehrern muß man das Maul stopfen , weil sie den Gemeindegliedern nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen (vgl. 2Tim 3,6 ). Ohne Zweifel sollte Titus dabei auf dieselbe Weise vorgehen wie Timotheus: Den falschen Lehrern ist bei Androhung der Exkommunikation zu untersagen, bestimmte Dinge zu lehren (vgl. 1Tim 1,3-4; 2Tim 3,5 ). Auch hier verurteilt Paulus wieder die Motive der Verführer - sie verwirren die Gemeinde um schändlichen Gewinns willen (vgl. den Kommentar zu 1Tim 6,5 ).

 

 

Tit 1,12

 

Um seinen Standpunkt noch klarer zu machen, zitiert Paulus einen Satz von Epimenides, einem kretischen Dichter und Philosophen aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., der weithin als religiöser Prophet galt. Die Äußerung des Epimenides mag sich ursprünglich auf eine ganz bestimmte Lüge bezogen haben (und zwar, daß Zeus auf Kreta begraben sei, was besonders jene verletzen mußte, die glaubten, daß Zeus lebe), in den Tagen des Paulus aber war sie ganz allgemein zu einem geflügelten Wort für den schlechten Ruf der Kreter geworden. Ja, die Kreter galten so wenig, daß das Verb crEtizO geradezu ein Synonym für "lügen" war. Natürlich gab es in den Gemeinden auf Kreta viele ehrenhafte Christen, doch Paulus scheut sich nicht zu bemerken, daß die falschen Lehrer die den Kretern pauschal zugeschriebenen negativen Neigungen in besonderem Maße besitzen.

 

 

Tit 1,13-14

 

Wie die Gemeinden auf diese unverblümte Sprache reagierten, wissen wir nicht. Doch auf keinen Fall dürfte ihnen der Schlußsatz des Apostels entgangen sein: Dieses Zeugnis ist wahr . Die Irrlehrer entsprechen genau dem kretischen Stereotyp. Ihrem Einfluß kann, wenn überhaupt, nur begegnet werden, wenn sie selbst gerettet werden. Deshalb soll Titus sie scharf zurechtweisen, damit sie gesund ("heilsam"; vgl. 1Tim 1,10; 6,3 ) werden im Glauben . Das eigentliche Ziel der Bestrafung ist es immer, den Irrenden der Gemeinschaft wieder zuzuführen ( Gal 6,1; 2Thes 3,14-15 ). Im vorliegenden Fall hoffte Paulus, daß die strenge Zurechtweisung durch Titus genügen würde, die falschen Lehrer zur Umkehr zu bewegen, so daß sie in Zukunft nicht mehr auf die jüdischen Fabeln und die Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden , hörten.

 

 

Tit 1,15-16

 

Zu den "Geboten", von denen in Vers 14 die Rede ist, gehörten - wenn man die jüdischen und möglicherweise gnostischen Einflüsse der damaligen Zeit in Rechnung stellt (vgl. Kol 2,20-23; 1Tim 4,1-5 ) - zweifellos bestimmte asketische Speise- und Reinigungsvorschriften. Paulus spricht diese Problematik direkt an und ruft seinen Lesern ins Gedächtnis, daß der Herr sie gelehrt hat, daß Reinheit sehr viel stärker eine innere Einstellung als ein von Äußerlichkeiten abhängiger Zustand ist (vgl. Mk 7,15; Lk 11,39-41 ). Wer innerlich rein ist, kann durch nichts Äußeres verunreinigt werden, doch wer innerlich unrein ist, verunreinigt alles, was er berührt. Was die Irrlehrer so gefährlich macht, ist, daß ihr Sinn und ihr Gewissen unrein sind. Auch wenn sie von sich behaupten, Gott zu kennen und ihm nachzufolgen, so strafen ihre verderbten Handlungen sie doch Lügen (vgl. 1Joh 2,4 ). Ihre innere Unreinheit macht sie äußerlich zum Greuel für Gott, ihm ungehorsam (vgl. Tit 1,10 ) und zu allem guten Werk (vgl. 2Tim 3,17 ) untüchtig ( adokimoi ; vgl. 1Kor 9,27 ). Einmal mehr verknüpft Paulus hier den theologischen Irrtum mit moralischer Unzulänglichkeit.

 

 

IV. Das Zusammenleben in der Gemeinde

( 2,1 - 10 )

 

A. Anweisungen für die älteren Männer

( 2,1-2 )

 

Tit 2,1

 

Hier setzt Paulus einen schroffen Kontrast zwischen seinem Stellvertreter in der Gemeinde und den falschen Lehrern, von denen er soeben gesprochen hat. Du aber ist die Übersetzung von sy de , hier im Sinne von "was aber dich angeht". Im Gegensatz zu diesenVerfälschern der Wahrheit soll Titus die Gemeinde unterweisen, wie sich's ziemt nach der heilsamen Lehre , ein Begriff, der in den Pastoralbriefen immer wieder auftaucht (vgl. 1Tim 1,10;6,3; 2Tim 1,13;4,3; Tit 1,9.13;2,2 ). Das gleiche gilt für die Vorstellung, daß ganz bestimmte Verhaltensweisen im Einklang mit dieser "heilsamen Lehre" stehen, während andere ihr widersprechen (vgl. 1Tim 1,10;6,3 ). Die Opfer der Irrlehrer beispielsweise (vgl. Tit 1,16 ) leben nicht mehr entsprechend der "heilsamen Lehre"; deshalb will Paulus den Gemeindegliedern mit seinem Brief einen Leitfaden zur rechten Lebensführung an die Hand geben.

 

 

Tit 2,2

 

Seine Verhaltensdirektiven richten sich an verschiedene Gruppen, zunächst an die alten Männer . Titus soll sie zu einem reifen und erwachsenen Betragen anhalten. Sie sollen nüchtern ( nEphalious ; vgl. 1Tim 3,2 ), ehrbar ( semnous , "ernsthaft") und besonnen ( sOphronas ; vgl. 1Tim 3,2; Tit 1,8;2,5 ) sein. Neben diesen Zeichen der Reife aber sollen sie auch die drei christlichen Haupttugenden Glauben ... Liebe und Geduld ( hypomonE ) an den Tag legen. Der letztere Begriff scheint hier an die Stelle der vertrauteren "Hoffnung" getreten zu sein, steht jedoch in engem Zusammenhang mit ihr (vgl. Röm 5,4; Röm 15,4; 1Thes 1,3 ), ganz besonders für Menschen, die auf ein langes Leben zurückblicken können.

 

B. Anweisungen für die älteren Frauen

( 2,3 )

 

Tit 2,3

 

In der gleichen Weise soll Titus die alten Frauen anweisen, sich der heilsamen Lehre entsprechend zu verhalten. Sie sollen andere nicht verleumden (vgl. 1Tim 3,11 ) und sich nicht dem Trunk ergeben (vgl. 1Tim 3,8 ). Für Frauen, deren Kinder erwachsen waren und die dadurch vielleicht zum Teil zu viel freie Zeit hatten und nichts damit anzufangen wußten (vgl. 1Tim 5,13-14 ), bestand in der Tat die Gefahr, daß sie dem Laster der Schwatzhaftigkeit oder einer Sucht verfielen. Titus soll diese Frauen statt dessen dazu anregen, sich um ihre jüngeren Geschlechtsgenossinnen zu kümmern und sie Gutes zu lehren. Jüngere Frauen mit Kindern müssen sich in erster Linie auf ihr Heim konzentrieren (vgl. Tit 2,4-5 ), doch die älteren täten gut daran, über ihren eigenen Haushalt hinaus zu wirken und ihre Erfahrungen an die weiterzugeben, die am ehesten davon profitieren.

 

 

C. Anweisungen für die jüngeren Frauen

( 2,4-5 )

 

Tit 2,4-5

 

Hier erklärt Paulus genauer, was er unter dem "Guten", von dem er in Vers 3 spricht, versteht. Die älteren Frauen können den jungen Frauen in mindestens sieben Bereichen mit ihrem Erfahrungsschatz zur Seite stehen. Die folgende Liste spiegelt damit zugleich wider, wie der Apostel sich die Pflichten einer jungen Frau und Mutter vorstellt. Im Griechischen beschreibt er zunächst, wie sie sein soll, und geht dann erst darauf ein, was sie tun muß: Die jungen Frauen sollen (1) ihre Männer und (2) ihre Kinder lieben , (3) besonnen , (4) keusch , (5) häuslich ( oikourgous , wörtlich: "im Hause tätig"; vgl. Tit 1,8;2,2 ) und (6) gütig sein und sich im übrigen (7) ihren Männern unterordnen . Wenn die christlichen Frauen und Mütter diese "guten" ( agathas ) Eigenschaften besitzen, so werden sie nach den Worten des Apostels die Achtung Außenstehender gewinnen und dadurch verhüten, daß das Wort Gottes verlästert wird. Auch heute noch, wo viele der alten Werte geringgeachtet werden, können Christinnen gewiß sein, daß der Herr diejenigen ehren wird, die hochhalten, was er als Wert eingesetzt hat, und daß er am Ende sein Wort rechtfertigen und die, die an es glauben, belohnen wird.

 

D. Anweisungen für die jüngeren Männer

( 2,6 - 8 )

 

Tit 2,6

 

Desgleichen soll Titus die jungen Männer zur Besonnenheit ermuntern eine Tugend, die gerade jungen Leuten oft abgeht. Der Apostel gebraucht im Zusammenhang mit jeder der vier Gruppen, denen er hier Verhaltensanweisungen gibt, in irgendeiner Form das Wort "Besonnenheit" (V. 2.5.6 ). Der Begriff zieht sich geradezu wie ein roter Faden durch alle Pastoralbriefe, ein Zeichen dafür, wie wichtig Mäßigung, Vernunft und Rücksichtnahme für die Christen sind.

 

 

Tit 2,7-8

 

Titus war selbst noch ein junger Mann und erhält daher ganz direkt den Rat von Paulus, selbst in allen guten Werken zum Vorbild ( typos ) für die andern zu werden, vor allem für seine Altersgenossen (vgl. 1Tim 4,15-16 ). In seinem öffentlichen Lehramt soll er mit unverfälschter Lehre, mit Ehrbarkeit, mit heilsamem und untadeligem Wort vorangehen, damit der Widersacher beschämt werde und nichts Böses habe, das er uns nachsagen kann . Paulus lag immer sehr viel daran, daß die Christen ihren Gegnern keine Angriffsfläche boten, sondern sie lieber durch ihre Lebensführung "beschämten". Das wird sie natürlich nicht von ihren Aktionen gegen die Gläubigen abbringen, aber vielleicht wenigstens insofern enttäuschen, als sie gezwungen sind, ihre Zuflucht zu falschen Anschuldigungen zu nehmen, und das auch sehr wohl wissen.

 

 

E. Anweisungen für die Sklaven

( 2,9 - 10 )

 

Tit 2,9-10

 

Auch die Sklaven, die in den Gemeinden des 1. Jahrhunderts zahlenmäßig stark vertreten waren, müssen Gott mit ihrem Leben ehren (vgl. den Kommentar zu 1Tim 6,1 ). Paulus nennt fünf Eigenschaften, die Christen in dienender Position kennzeichnen sollen. Titus soll sie anweisen, (1) daß sie sich ihren Herren in allen Dingen unterordnen, (2) ihnen gefällig seien, (3) nicht widersprechen, (4) nichts veruntreuen und (5) sich in allem als gut und treu erweisen . Vom weltlichen Standpunkt aus schuldet ein Sklave seinem Herrn nichts von alledem, doch aus christlicher Sicht sieht die Situation anders aus. Ein christlicher Sklave dient letztlich nicht seinem irdischen Herrn, sondern dem Herrn Christus, der ihn am Ende belohnen wird ( Kol 3,23-24 ). Daher darf er keinerlei Anstoß geben und muß sein Leben ganz auf die Nachfolge Christi ausrichten (vgl. 1Pet 2,18-25 ). Auf diese Weise wird er der Lehre Gottes, unseres Heilands, Ehre machen in allen Stücken . Damit ist Paulus wieder beim Thema dieses ganzen Abschnittes ( Tit 2,1-10 ): Das Verhalten des Gläubigen muß im Einklang mit der "heilsamen Lehre" stehen.

 

 

V. Die heilsame Gnade

( 2,11-3,11 )

 

A. Die erzieherische Macht der Gnade

( 2,11 - 14 )

 

Tit 2,11-12

 

Bis hierher hat Paulus versucht, seinen Glaubensbrüdern und -schwestern seine Aussage klarzumachen, daß die göttliche Wahrheit ein gottgefälliges Leben verlangt. Nun wendet er sich dem zentralen Aspekt dieser Wahrheit zu, aus dem dieser Anspruch überhaupt erwächst: der Gnade. Das Wörtchen denn ( gar ) macht deutlich, daß im folgenden die theologische Grundlegung für die zuvor erteilten Anweisungen vorgetragen wird.

Es ist die Botschaft der Gnade Gottes , die den Christen, wenn sie sie recht begreifen, sagt, wie sie leben sollen. Diese Gnade hat allen Menschen die Rettung gebracht, d. h., sie ist allen zugänglich . In der Lutherübersetzung heißt es, daß sie allen Menschen erschienen , also für alle sichtbar geworden ist. Es ist dabei zu fragen, ob die Wendung "allen Menschen" zu der Verbform "erschienen" oder zu dem Adjektiv "heilsam" ( sOtErios ) gehört. Grammatikalisch ist beides möglich, doch die letztere Lösung erscheint plausibler und entspricht auch eher der eindeutigen Aussage von 1Tim 2,4.6 und 1Tim 4,10 .Auch der Verweis auf Gott als den "Heiland" (vgl. 1. Tim2,3; 1Tim 4,10; Tit 2,10 ) deutet darauf hin, daß Paulus hier davon spricht, daß Christus die Rettung allen Menschen zugänglich gemacht hat. Die andere Version dagegen enthält eine Vorstellung, die dem Neuen Testament fremd ist und auch vom gesunden Menschenverstand her nicht einleuchtet, denn das Evangelium ist ganz eindeutig eben nicht "allen Menschen" erschienen, es sei denn, mit diesem Begriff wären verschiedene Arten von Menschen und nicht jeder einzelne gemeint. Die Botschaft von der Gnade Gottes führt, wenn sie in ihrer vollen Bedeutung erkannt wird, dazu, daß die Christen absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden (vgl. Hebr 11,24-26 ) und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben . Sämtliche Einzelanweisungen, die Paulus Titus in Tit 2,1-10 gibt, lassen sich im Grunde dieser negativen Kategorie und ihrer positiven Gegenkategorie zuordnen.

 

 

Tit 2,13-14

 

Das Evangelium der Gnade hat ganz konkrete Auswirkungen auf das gegenwärtige Leben, indem es die Gläubigen auf Gottes unverdientes Geschenk, das ihnen in der Vergangenheit gemacht wurde, ausrichtet (zur Dynamik dieses Vorgangs vgl. das Gleichnis in Mt 18,23-35 ). Aber das Evangelium fördert auch im Blick auf die Zukunft ein gottgefälliges Leben: Die Christen freuen sich auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus (vgl. 2Tim 4,8 ). Der, auf den die Christen sich freuen, ist also auch der, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste ( lytrOsEtai , "freikaufte"; vgl. Lk 24,21; 1Pet 1,18 ) von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken . Er zahlte diesen hohen Preis für ein heiliges Volk. Das Wissen um die Sühnetat Christi wird einen Christen, der Christus wirklich liebt und sich auf seine Wiederkunft freut, deshalb stets dazu veranlassen, alles zu tun, um sein Leben in Einklang mit dem Willen seines geliebten Herrn zu bringen und ihn nicht zu enttäuschen. Daran dachte auch der Apostel Johannes, als er über die Hoffnung der Christen auf die Wiederkunft Christi schrieb: "Ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist" ( 1Joh 3,3 ). Wer all diese Dinge ganz begreift, wird ganz von selbst immer stärker zu einer gottesfürchtigen Lebensführung finden. Eine Gott nicht wohlgefällige Lebensführung bei einem Christen dagegen ist ein klares Zeichen dafür, daß er noch nicht zur vollen Erkenntnis gelangt ist oder daß es ihm an Glauben mangelt.

 

 

B. Die aus der Gnade erwachsende Haltung

2,15-3,2

 

Tit 2,15

 

Wieder direkt an Titus gewandt fordert Paulus dazu auf, das zu lehren, d. h. die in Vers 1-10 genannten Aspekte eines Gott wohlgefälligen Lebens und die in Vers 14 nicht weiter ausgeführten "guten Werke". Wie Timotheus (z. B. 1Tim 4,12; 2Tim 4,2 ) soll auch Titus in seinem Dienst unerschrocken und geradlinig vorgehen, die, die recht handeln, ermutigen, die, die der Verbesserung bedürfen, zurechtweisen und sich von niemandem einschüchtern lassen.

 

 

Tit 3,1-2

 

Ein großer Teil der Arbeit eines Gemeindehirten besteht darin, seinen Schäflein die Dinge immer wieder neu nahezubringen, die sie bereits wissen. Titus soll die Christen auf Kreta deshalb auch daran erinnern, daß sie sich bemühen sollen, gute Bürger ihres Gemeinwesens zu sein - eine Tugend, an der es den Kretern bekanntermaßen mangelte. Auch wenn der Apostel es hier nicht ausdrücklich sagt, so stand hinter dieser Anweisung ohne Zweifel der Gedanke, daß bürgerliches Wohlverhalten, ähnlich wie das Wohlverhalten eines christlichen Sklaven, dem Evangelium zur Ehre gereichen und es für Außenstehende attraktiv machen würde (vgl. Tit 2,10 ). Sieben Eigenschaften führt Paulus auf, die von einem christlichen Bürger erwartet werden: (1) der Gewalt der Obrigkeit untertan und (2) gehorsam zu sein (vgl. Röm 13,1-7 ); (3) zu allem guten Werk bereit (vgl. Eph 2,10; 2Tim 3,17 ); (4) niemanden zu verleumden ; (5) nicht zu streiten ; (6) gütig zu sein und (7) alle Sanftmut zu beweisen gegen alle Menschen . Ein christlicher Bürger sollte einen in jeder Hinsicht positiven Einfluß auf das Gemeinwesen ausüben und durch ein zuvorkommendes und gütiges Betragen seiner Umgebung die Liebenswürdigkeit Christi vor Augen führen. Eine solche Lebensführung erwächst zwangsläufig aus dem Begreifen der göttlichen Gnade. Die Anweisungen in Tit 2,15-3,2 sind also nichts anderes als konkrete Beispiele für das Verhalten, das von einem Menschen verlangt wird, der Gottes Gnade ganz erfaßt hat ( Tit 2,11-14 ).

 

 

C. Das aus der Gnade erwachsende gottgefällige Leben

( 3,3 - 8 )

 

Tit 3,3

 

Paulus vergaß keinen Augenblick den sündhaften Zustand, aus dem er und die von ihm Bekehrten gerettet worden waren (vgl. 1Kor 6,9-11; Eph 4,17-24; Kol 3,6-7 ), und ruft es den Gemeindegliedern an dieser Stelle mahnend ins Gedächtnis. Statt, wie Paulus jetzt von ihnen fordert, friedfertig und vom Vorbild Christi geprägt zu sein, waren sie früher das genaue Gegenteil: unverständig , nicht vernünftig, ungehorsam , nicht gehorsam, in die Irre gehend und mancherlei Begierden und Gelüsten dienstbar , nicht beherrscht und bereit zu jedem guten Werk. Statt von Friedfertigkeit, Besonnenheit und Demut erfüllt zu sein, lebten sie in Bosheit und Neid, waren verhaßt und haßten einander. So sieht es aus, wenn Menschen fern von Gott vegetieren. Oft legt sich zwar ein dünner Firniß der Zivilisiertheit über die nackte Wahrheit, doch schon der kleinste Sprung in der glatten gesellschaftlichen Oberfläche enthüllt, was hinter dieser Fassade liegt. Es ist immer wieder zu beobachten, daß Menschen ohne Gott sich im Grunde genommen nicht viel anders verhalten als wilde Tiere, die sich um einen Knochen balgen.

 

Tit 3,4

 

Diese Situation veränderte sich jedoch radikal, als die Freundlichkeit und Menschenliebe ( philanthrOpia ) Gottes, unseres Heilandes, ... erschien . Der Gegensatz zum vorigen Zustand ist frappierend: Während in Vers 3 der Mensch der Handelnde ist, ist er in Vers 4 - 7 nur der Empfänger, und Gott handelt. Was der Mensch auf keinen Fall für sich selbst tun kann, hat Gott für ihn unternommen. (Zu dem Verweis auf Gott als "Heiland" vgl. den Kommentar zu 1Tim 1,1 .)

 

 

Tit 3,5

 

Gott in seiner Gnade rettet diejenigen, die an ihn glauben, nicht wegen ihrer eigenen Gerechtigkeit (vgl. Röm 3,21-24; Eph 2,8-9; 2Tim 1,9 ), sondern nach seiner Barmherzigkeit . Die drei Begriffe "Freundlichkeit", "Menschenliebe" und "Barmherzigkeit" ( Tit 3,4-5 ) sind jeweils verschiedene Aspekte der göttlichen Gnade. Der zweifache Vorgang der Gnade, durch den Gott diese Rettung vollendet, umfaßt (1) die Wiedergeburt , die hier als ein Bad beschrieben wird, in dem alle Sünden abgewaschen werden, und (2) die Erneuerung im Heiligen Geist (vgl. 2Kor 5,17 ). Die Rolle des Glaubens wird an dieser Stelle offenbar deshalb nicht erwähnt, weil Paulus sich ganz auf das Handeln Gottes konzentriert und die menschliche Reaktion auf dieses Handeln nicht miteinbezieht.

 

Tit 3,6-7

 

Gott hat den Heiligen Geist reichlich über die Welt ausgegossen ... durch Jesus Christus, unsern Heiland . Jesus war der Mittler des Geistes (vgl. Apg 2,33 ). Paulus spielt hier mit seiner Wortwahl bewußt auf die Vorstellungen von Pfingsten an ( Apg 2,17 ). Gottes Ziel bei der Ausgießung des Geistes war es, daß die Gläubigen, durch seine Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unserer Hoffnung . Das Wirken des Heiligen Geistes ist nach den Worten des Neuen Testaments aufs engste mit der Vollendung des göttlichen Heilsplanes verknüpft (vgl. Röm 8,15-17; Gal 4,6-7; Eph 1,13-14 ). Was Gott in seiner Gnade begonnen hat, wird er mit der Hilfe des Geistes auch in seiner Gnade vollenden.

 

 

Tit 3,8

 

Die Formel "das ist gewißlich wahr" , die in den Pastoralbriefen immer wiederkehrt (vgl. 1Tim 1,15;3,1;4,9; 2Tim 2,11 ), markiert hier den Übergang zu einer weiteren direkten Aufforderung an Titus. Weil das zuvor Gesagte "gewißlich wahr" ist, soll Titus dies mit Ernst lehren, um seine Zuhörer so zu einem gottesfürchtigen Leben anzuhalten. Zweimal hat Paulus bereits ausdrücklich betont, daß Titus sein Lehramt im Einklang mit der "heilsamen Lehre" ausüben solle ( Tit 2,1.15 ). Er wiederholt diese Mahnung, wahrscheinlich das Kernstück des ganzen Briefes, hier zum letzten Mal Dem Apostel lag ungeheuer viel daran, daß Gottes Kinder sich mit guten Werken hervortun, denn das ist gut und nützt den Menschen . Titus soll diese guten Werke fördern, denn sie gehen Hand in Hand mit der "heilsamen Lehre".

 

 

D. Mit der Gnade nicht zu vereinbarende Verhaltensweisen

( 3,9 - 11 )

 

Tit 3,9

 

Wie die "heilsame Lehre" jedem nützt, so wenig ist andererseits von Geschlechtsregistern, von Zank und Streit über das Gesetz zu halten, die letztlich völlig unnütz und nichtig sind. Auch dies ist ein immer wiederkehrendes Thema der Pastoralbriefe (vgl. 1Tim 1,4;6,4; 2Tim 2,23; Tit 1,14 ). Titus wird angewiesen, sich völlig von derartigen fruchtlosen Spekulationen fernzuhalten.

 

Tit 3,10-11

 

Was die Leute angeht, die diese nutzlosen Dinge treiben und dadurch einen spaltenden und auch in anderer Weise schädigenden Einfluß auf die Gemeinde ausüben (vgl. Tit 1,11 ), so sind die Anweisungen des Apostels für Titus völlig klar: Die Betreffenden sind zweimal zu verwarnen, und wenn das keine Wirkung zeigt, zu meiden. Wer auf eine zweifache Warnung nicht reagiert, zeigt damit deutlich, daß er verkehrt ist und sündig und sich selbst damit das Urteil spricht . Paulus orientiert sich hier an dem, was Jesus selbst für diesen Fall gelehrt hat ( Mt 18,15-17 ): Wer dreimal die Möglichkeit zur Reue erhält und sie nicht annimmt, soll ausgestoßen werden (doch vgl. 2Thes 3,14-15 ).

 

VI. Abschließende Anweisungen und Grüße

( 3,12 - 15 )

 

Tit 3,12

 

Wie üblich schließt Paulus seinen Brief mit einigen persönlichen Bemerkungen. Wir wissen zwar nicht, wo er sich bei der Abfassung des Schreibens aufhielt, doch er plante auf jeden Fall, den Winter in Nikopolis in Griechenland an der adriatischen Küste zu verbringen, und fordert Titus auf, ihn dort nach Möglichkeit zu treffen, sobald Artemas oder Tychikus zu seiner Ablösung auf Kreta eingetroffen sind. Artemas ist uns ein Unbekannter. (Zu Tychikus vgl. den Kommentar zu 2Tim 4,12 .)

 

 

Tit 3,13

 

Auch der "Rechtsgelehrte" Zenas wird sonst nirgendwo im Neuen Testament erwähnt. Wir wissen nicht einmal, ob er Jude oder Römer war. Apollos dagegen war ein bekannter Mitarbeiter des Apostels. Paulus' Worten nach scheinen sich sowohl Zenas als auch Apollos auf Kreta aufzuhalten, und Titus soll sich nun darum kümmern, daß ihnen nichts fehlt . Diener Christi, deren Berufung es war, von Ort zu Ort zu reisen, wurden im allgemeinen von den Gemeinden unterstützt (vgl. 3Joh 1,6-8 ).

 

 

Tit 3,14

 

Der vorliegende Vers wurde von manchen Auslegern dahingehend gedeutet, daß auch die kretischen Christen manche der berüchtigten üblen Eigenschaften ihrer Landsleute an den Tag legten (vgl. Tit 1,12 ) und daher weder imstande waren, sich hervorzutun mit guten Werken, wo sie nötig sind , noch anderen Gutes zu tun. Darauf könnte die Bemerkung abzielen, daß sie kein fruchtloses Leben führen sollen. Paulus hebt die Bedeutung guter Werke nicht deshalb so stark hervor, weil die Gläubigen sich damit die Erlösung "verdienen" können, sondern weil sie anderen nützen. Der gleiche Gedanke findet sich übrigens auch im Brief an die Gemeinde in Ephesus ( Eph 4,28 ).

 

 

Tit 3,15

 

Wer mit der Wendung "alle, die bei mir sind" gemeint ist, ist unklar. "Alle, die uns lieben im Glauben" schließt eindeutig die falschen Lehrer aus, die sich der paulinischen Lehre widersetzten. Die abschließende Grußformel Die Gnade sei mit euch allen entspricht dem Gruß im 1. und 2. Timotheusbrief. Der Plural "euch" zeigt dabei an, daß Paulus sich dessen bewußt war, daß nicht nur Titus den Brief lesen würde.

 

 

BIBLIOGRAPHIE

 

Vgl. die Bibliographie zum 1. Timotheusbrief .