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Daniel Walvoord
EINLEITUNG Das Buch Daniel, das in den meisten
Übersetzungen (auch in der LXX und der Vulgata) direkt hinter dem
Propheten Hesekiel zu finden ist, steht in der hebräischen Bibel an
einer anderen Stelle. Die hebräische Bibel ist in drei große Teile
gegliedert. Der erste besteht aus den fünf Büchern Mose und wird
"Gesetz" genannt. Den zweiten Teil bilden die "Propheten", wozu
Josua, Richter, 1. und 2.Samuel (im Hebräischen ein Buch), 1. und 2.
Könige (ebenfalls als ein Buch gerechnet), Jesaja, Jeremia, Hesekiel
und die zwölf kleinen Propheten (wiederum als ein Buch) zählen. Der
dritte Teil schließlich besteht aus den sogenannten "Schriften" und
enthält zwölf Bücher: Psalmen, Sprüche, Hiob, Hohelied, Rut,
Klagelieder, Prediger, Ester, Daniel, Esra, Nehemia und 1. und
2.Chronik ( die als ein Buch zählen). Das Buch Daniel gehört also
hier nicht zu den Propheten, dem zweiten großen Teil des Alten
Testamentes. Auch der Mann Daniel wird in dem Buch Daniel nicht als
Prophet bezeichnet. An keiner Stelle ließ Gott ihn eine öffentliche
Botschaft an das Volk Israel ausrichten. Dennoch nennt Jesus Daniel
einen Propheten ( Mt 24,15 ). Daniel war ein Mann, der als
Botschafter Gottes die Botschaft Gottes empfangen hatte und die
Wahrheiten Gottes offenbaren sollte, die ihm anvertraut worden
waren. Autor Dieses Buch trägt den einfachen Titel "Daniel",
nicht nur weil er die Hauptperson des Buches ist, sondern vielmehr
weil dies einer (allerdings nicht durchgängigen) Sitte folgt, das
Buch nach dem Autor zu benennen, der es geschrieben hat. Wir wissen
nur wenig über den familiären Hintergrund von Daniel. Aus dem
Zeugnis seiner Zeitgenossen sehen wir, daß er für seine
Gerechtigkeit ( Hes 14,14.20 ) und für seine Weisheit ( Hes 28,3 )
bekannt war. An diesen Stellen wird er neben Noah und Hiob erwähnt,
die beide historische Personen sind. Daniel ist also ebenfalls eine
historische Person, keine erfundene. Daniel wurde in die königliche Linie
hineingeboren und gehörte zu den angesehenen Familien Israels ( Dan
1,3.6 ). Er war körperlich attraktiv und besaß einen scharfen Geist
( Dan 1,4 ). Er lebte mindestens bis in das dritte Jahr von Kyrus,
d. h. bis 536 v. Chr. ( Dan 10,1 ). Er muß also ein junger Mann
gewesen sein, als er 605 v. Chr. von Nebukadnezar als Gefangener
weggeführt wurde. (In Dan1,4 ist Daniel einer der "jungen" Männer
Israels.) Wenn er 16 Jahre alt war, als er gefangengenommen wurde,
dann war er im dritten Jahr von Kyrus 85. Literarische Form Die Weissagung Daniels ist in der Bibel das
erste große Buch mit apokalyptischer Literatur. Das griechische
Wort apokalypsis , aus dem das deutsche "Apokalypse" abgeleitet ist,
bedeutet "Enthüllung" oder "Offenbarung". Zwar ist die ganze Schrift
eine Offenbarung von Gott, aber bestimmte Abschnitte darin sind doch
einzigartig in der Weise, in der sie offenbaren und in den Mitteln,
durch die sie überbracht wurden. Die apokalyptische Literatur in der Bibel
besitzt bestimmte Merkmale: (1) In der apokalyptischen Literatur
schreibt ein Mensch, der die Wahrheiten Gottes in Visionen empfängt,
auf, was er gesehen hat. (2) Die apokalyptische Literatur benutzt
sehr ausführlich Symbole und Zeichen. (3) Solche Literatur enthält
gewöhnlich Informationen über den Plan Gottes für die Zukunft seines
Volkes Israel. (4) In der apokalyptischen Literatur wird gewöhnlich
die Prosa-Form benutzt, während der poetische Stil der meisten
prophetischen Literatur eigen ist. Neben Daniel und Offenbarung finden wir
apokalyptische Literatur in Hes 37-48 und Sach 1,7-7,8 .Selten ist
man bei der Auslegung der Visionen, Symbole und Zeichen in der
apokalyptischen Literatur auf seinen eigenen Scharfsinn angewiesen,
wenn man die Wahrheit erkennen will. Meistens zeigt eine
Untersuchung des Kontextes oder ein Vergleich mit einer parallelen
Bibelstelle die der Schrift eigene Interpretation der Visionen oder
der benutzten Bilder. Die apokalyptische Literatur verlangt also von
dem Ausleger, daß er sehr sorgfältig die Schrift mit der Schrift
vergleicht, um zu einem zutreffenden Verständnis der Offenbarung zu
kommen, die darin gegeben wird. Sprache Das Buch Daniel ist dadurch ungewöhnlich, daß
es in zwei Sprachen geschrieben ist: Dan 1,1-2,4 a und Kapitel 8 -
12 sind in hebräisch und Dan 2,4-7,28 in aramäisch abgefaßt, der
Verkehrssprache zur Zeit der Propheten. Hebräisch war die Sprache
des Bundesvolkes Israel, aramäisch die Sprache der Heidenwelt. Obwohl das Buch Daniel literarisch gesehen ein
zusammengehöriges Werk ist, hat es doch zwei große Schwerpunkte. Der
eine hat mit Gottes Plan für die Heiden zu tun. Dies finden wir
in Dan 2,4-7,28 . Es ist nur angepaßt, diese Weissagungen über die
Heiden auch in ihrer Sprache abzufassen. Daher benutzt der Prophet
in diesem Teil des Buches das Aramäische. Der zweite große Schwerpunkt liegt auf dem Volk
Israel und dem Einfluß, bzw. der Auswirkung der Heiden auf Israel.
Dieses Thema wird in Dan 1,1-2,4 a und Kapitel 8 - 12 entfaltet.
Deshalb ist es völlig richtig, daß diese Teile in hebräisch
geschrieben sind, der Sprache der Juden. Einheit Manche Ausleger haben die Einheit des Buches
Daniel in Frage gestellt. Sie weisen darauf hin, daß die Kapitel 1 -
6 historische Ereignisse im Leben Daniels enthalten, während
in Kapitel 7 - 12 prophetische Visionen niedergeschrieben sind, die
Daniel empfangen hat. Diese Beobachtung, zusammen mit der Tatsache,
daß Daniel zwei verschiedene Sprachen benutzt, haben manche
Theologen dazu geführt, von mehreren Autoren auszugehen. Aber diese Beobachtungen unterstützen
keineswegs solch eine Schlußfolgerung. Wie schon gezeigt, hatte
Daniel Gründe für den Gebrauch von zwei unterschiedlichen Sprachen.
Häufig finden wir in der Literatur jener Zeit die Verwendung
verschiedener literarischer Formen zur Hervorhebung eines
Gegensatzes. Das Buch Hiob zum Beispiel ist in der Hauptsache
poetisch abgefaßt, aber der Prolog ( Hi 1-2 ) und der Epilog ( Hi
42,7-17 ) stehen in Prosa. Nichts in der literarischen Form des
Buches Daniel macht also die Annahme von mehreren Autoren zwingend. Die Einheit des Buches Daniel wird außerdem
durch die Abhängigkeit der beiden Teile voneinander deutlich. Die
Offenbarung in Kapitel 2 steht eng im Zusammenhang mit Kapitel 7 .
Einige der Ausdrücke und theologischen Gedanken in der ersten Hälfte
gleichen denen in der zweiten Hälfte. "Träume, Gesichte und
Visionen" werden in Dan 1,17;2,28 und 7,1 erwähnt. Von dem Liegen
"im (auf dem) ... Bett" sprechen Dan 2,29; 4,7; 7,1 . Daß Gottes
"Königreich" ewig ist, wird viermal in der ersten ( Dan
2,44;3,33;4,31;6,27 ) und dreimal in der zweiten Hälfte ( Dan
7,14.18.27 ) gesagt. Gottes ewige "Herrschaft" wird in Dan
3,33;6,27 und 7,14 betont. In der ersten Hälfte wird Gott neunmal
"der Höchste" oder "Gott der Höchste" genannt ( Dan
3,26.32;4,14.21-22.29.31;5,18.21 ), in der zweiten viermal ( Dan
7,18.22.25.27 ). Darüber hinaus ist es Daniel selbst, der die
beiden Teile des Buches vereinigt. In beiden Teilen ist die
Botschaft die gleiche. Gott ist der Höchste. Er regiert über die
Völker und beherrscht sie. Sie werden seinen Willen erfüllen. In
seiner Allmacht bewahrt er das Volk Israel und führt es bis zur
Erfüllung des Bundes, den er mit Abraham geschlossen hat. Entstehungszeit und Verfasserfrage Das Buch Daniel selbst zeigt, daß es im
sechsten Jahrhundert v. Chr. durch Daniel geschrieben wurde, der die
in ihm beschriebenen Ereignisse erlebt hat. Immer wieder wird Daniel
als Empfänger der göttlichen Offenbarungen erwähnt. An vielen der
historischen Ereignisse, die im Buch enthalten sind, war er aktiv
beteiligt. Jesus selbst schreibt das Buch Daniel zu ( Mt 24,15 ).
Daniels Vertrautheit mit den im Buch beschriebenen Personen und den
historischen Ereignissen und Sitten, von denen das Buch berichtet,
machen eine Entstehungszeit im sechsten Jahrhundert v. Chr. zur
Voraussetzung. Die exakten Details, die im Buch enthalten
sind, könnten sich wohl kaum über etwa 400 Jahre mündlicher
Tradition erhalten haben, wie jene, die eine so späte Abfassungszeit
für wahrscheinlich halten, behaupten. Auch die Tatsache, daß man
Manuskript-Fragmente des Buches Daniel unter den Funden von Qumran
entdeckt hat, die eventuell bis ins zweite Jahrhundert v. Chr.
zurückreichen, schließt die Möglichkeit aus, daß Daniel erst 165 v.
Chr. geschrieben wurde, wie viele kritische Theologen es vermuten.
Es fehlt einfach an Zeit, die nötig wäre, damit das Buch die
Gemeinschaft der Essener erreicht haben und dort kopiert worden sein
könnte. Auch die Tatsache, daß die Juden das Buch Daniel in den
Kanon der Schrift aufgenommen haben, spricht für seine
Authentizität. Die liberale Theologie lehnt ein frühes Datum
für das Buch Daniel hauptsächlich deswegen ab, weil sie auch echte,
voraussagende Prophetie ablehnt. Das Buch spricht über Einzelheiten
in der Geschichte von Babylon, Medo-Persien, Griechenland und Rom.
Dinge, die in Daniel 11,5 - 35 sehr ausführlich beschrieben sind,
haben sich zwischen dem vierten und dem zweiten Jahrhundert v. Chr.
erfüllt. Die Kritik geht davon aus, daß Daniel diese Details nicht
voraussehen konnte, sondern daß das Buch nach diesen Ereignissen
geschrieben worden sein muß, und zwar in Form einer Prophetie, um
dem Schreiben Autorität zu verleihen. (Es muß also jemand anders als
Daniel das Buch im zweiten Jahrhundert v. Chr. geschrieben und
seinen Namen benutzt haben.) Diese Sicht leugnet natürlich die Macht
Gottes, die offenbaren kann, was er vorausbestimmt hat. Viele andere Gründe sind gegen das frühe Datum
der Entstehung des Buches angeführt worden. So behaupten manche z.
B., daß die verschiedenen persischen und griechischen Worte im Buch
zeigen würden, daß es viel später als im sechsten Jahrhundert v.
Chr. geschrieben worden sei. Aber die Archäologie hat gezeigt, daß
schon vor Daniels Zeit ein ausgiebiger Handel zwischen Griechenland
und Babylon existierte. Dies würde die griechischen Worte im Text
erklären. Die persischen Worte stammen aus einer offiziellen
Schriftform der persischen Sprache, die im ganzen Nahen Osten weit
verbreitet war (vgl. D.J. Wiseman et al., Notes on Some Problemes in
the Book of Daniel , S. 23-27, 35-50). Ein anderer Einwand beruht auf der Tatsache,
daß wir in dem Buch apokalyptische Literatur finden. Solche
Literatur tauchte in sehr ausgeprägter Weise während der Spätzeit
der Makkabäer auf (sie wurde nicht in den Kanon der Schrift
aufgenommen). Deshalb glauben manche Theologen, daß das Buch in
dieser Periode (168 - 134 v. Chr.) geschrieben worden sein müsse.
Aber wie schon erwähnt (vgl. "Literarische Form"), finden wir auch
im Buch Hesekiel solche apokalyptische Literatur, und er ist, wie
Daniel, ein Prophet des sechsten Jahrhunderts v. Chr. Andere Einwände gegen ein frühes Datum beruhen
auf der ausgeprägten Theologie, die dem Buch zugrunde liegt.
Kritiker behaupten, daß die häufige Erwähnung von Engeln und eine
Bezugnahme auf die Auferstehung von den Toten ( Dan 12,2 ) eine
späte, postexilische Abfassungszeit notwendig machen. Dabei wird
jedoch die Tatsache übersehen, daß immer wieder in der langen
Geschichte Israels von Engeln gesprochen wird und daß die
Auferstehung auch an Stellen wie Ps 16,10 und Jes 26,19 erwähnt
wird, die sicher noch vor der Zeit von Daniel abgefaßt wurden. Manche haben den Einwand vorgebracht, daß das
Buch zu den "Schriften" gehöre, dem dritten Teil in der hebräischen
Bibel, und nicht zu den "Propheten", dem zweiten Teil. Das letzte
prophetische Buch (Maleachi) wurde im fünften Jahrhundert v. Chr.
abgefaßt. Deshalb sei das Buch Daniel erst später geschrieben
worden, denn sonst wäre es sicher in die zweite Gruppierung (die
"Propheten") aufgenommen worden. Aber wie schon gesagt, sind die
Propheten von Gott als seine Boten für einen besonderen Dienst an
dem Volk Israel bestimmt und ausgesondert worden. Da Daniel von
seinen Zeitgenossen jedoch eher als politischer Führer denn als
Prophet angesehen wurde, wurden seine Schriften auch in die dritte
Gruppe der "Schriften" aufgenommen. Die Entscheidung, in welchem
Teil ein Buch in der hebräischen Bibel steht, richtete sich also
eher nach dem Autor als nach dem Datum der Entstehungszeit. Manche behaupten, daß das Buch Daniel später
verfaßt sein müsse, weil der Gottesname Jahwe, der zur Zeit Daniels
häufig benutzt wurde, von Daniel nicht gebraucht wird. Dabei wird
jedoch offensichtlich übersehen, daß dieser Name in Kapitel 9 (in
best. Übersetzungen) sogar achtmal benutzt wird ( Dan
9,2.4.8.10.13-14 [dreimal]. 20 ). Der Name, den ein Autor für Gott
benutzt, wird eher durch den Inhalt des Textes als durch die
allgemein übliche Verwendung dieses Namens bestimmt. Andere lehnen Daniels Autorschaft ab, weil sie
glauben, in seinem Buch historische Fehler zu finden. So ist z. B.
behauptet worden, daß Nebukadnezar nicht der Vater von Belsazar
gewesen sei, wie dies in Daniel 5,2.11.13.18 (vgl. V. 22 )
erscheint. Wenn Daniel dieses Buch geschrieben hätte, so meinen sie,
hätte es einen solchen Fehler nicht gegeben. Es gibt jedoch klare
Beweise dafür, daß ein Nachfolger auf dem Königsthron selbst dann
"Sohn" ( Dan 5,22 ) seines Vorgängers genannt wird, wenn keine
Blutsverwandtschaft zwischen beiden besteht. (Vgl. dazu die Tabelle
"Könige des neubabylonischen Königreiches".) Schließlich wird die Autorschaft Daniels
abgelehnt, weil der Schreiber in Dan 1,21 vom Tod Daniels spreche.
Dieser Vers sagt jedoch nicht, daß Daniel starb, sondern nur, daß er
bis in das erste Jahr des Königs Kyrus "dort blieb" (in Babylon).
Kyrus erließ eine Verordnung, die die Juden aus ihrem Exil in
Babylon befreite und so die 70jährige Gefangenschaft beendete. Dan
1,21 sagt lediglich aus, daß Daniel während dieser gesamten
Zeitspanne in der Gefangenschaft lebte. Die Zeit seines Todes wird
darin nicht angesprochen. Er lebte vielmehr mindestens bis ins
dritte Jahr des Königs Kyrus ( Dan 10,1 ). Historischer Hintergrund Ninive, die assyrische Hauptstadt, fiel unter
dem Ansturm der babylonischen und medischen Truppen 612 v. Chr.
Unter der Führung von Aschurubalit flohen einige Assyrer westwärts
nach Haran, von wo aus sie die Herrschaft über ganz Assyrien
beanspruchten. Nabopolassar, der König von Babel, zog 611 v. Chr.
gegen die in Haran liegenden assyrischen Truppen. Im nächsten Jahr,
610 v. Chr., verbündete sich Babylon mit Medien und griff die
Assyrer in Haran an. Assyrien zog sich von Haran nach Westen zurück,
hinter den Euphrat, und überließ Haran den Babyloniern. 609 v. Chr. ersuchten die Assyrer um die Hilfe
Ägyptens, und Pharao Necho II. führte ein Heer von Ägypten aus, um
sich mit den Assyrern zu verbünden. Josia, der König von Juda,
versuchte - in der Hoffnung, auf diese Weise die Gunst der
Babylonier zu gewinnen -, die Ägypter davon abzuhalten, und stellte
sich der ägyptischen Armee bei Megiddo entgegen. Josias Heer wurde
besiegt und er selbst bei diesem Versuch getötet ( 2Kö 23,28-30;
2Chr 35,24 ). Pharao Necho zog weiter und griff dann,
zusammen mit den Assyrern, Babylon bei Haran an, hatte jedoch keinen
Erfolg. Assyrien scheint damals die internationale Szene verlassen
zu haben, aber zwischen Ägypten und Babylon ging der Konflikt
weiter. 605 v. Chr. führte Nebukadnezar das
babylonische Heer gegen Ägypten. In dem Kampf bei Karkemisch wurde
Ägypten besiegt und Karkemisch von Babylon im Mai/Juni dieses Jahres
zerstört. Während der Verfolgung der besiegten Ägypter dehnte
Nebukadnezar seine Eroberungen südwärts bis nach Syrien und
Palästina hinein aus. Da er von dem Tod seines Vaters Nabopolassar
erfahren hatte, kehrte Nebukadnezar im August 605 von Ribla nach
Babylon zurück, um die Krone zu empfangen. Dann zog er wieder nach
Palästina und griff im September 605 auch Jerusalem an. Bei dieser
Gelegenheit kamen Daniel und seine Freunde als Gefangene nach
Babylon. Vielleicht sah Nebukadnezar in ihnen Geiseln, durch die das
Volk von Juda von einer Rebellion zurückgehalten werden sollte. Oder
sie wurden nach Babylon gebracht, um sie dort für politische
Leitungsaufgaben vorzubereiten, falls Nebukadnezar zurückkehren und
Juda erobern müßte. Nach seiner Heimkehr nach Babylon regierte
Nebukadnezar noch 43 Jahre lang (605 - 562 v. Chr.). Nebukadnezar kam 597 v. Chr. als Antwort auf
die Rebellion Jojachins noch ein zweites Mal nach Juda zurück. Bei
diesem Streifzug unterwarf er sich die Stadt Jerusalem und brachte
10 000 Gefangene nach Babylon, unter ihnen auch den Propheten
Hesekiel ( Hes 1,1-3; 2Kö24,8-20; 2Chr 36,6-10 ). Schließlich kehrte er 588 v. Chr. ein drittes
Mal nach Juda zurück. Nach einer langen Belagerung eroberte er 586
die Stadt Jerusalem, riß ihre Mauern nieder, zerstörte sie und legte
den Tempel in Schutt und Asche. Die meisten Juden, die bei dieser
Eroberung nicht getötet wurden, deportierte er nach Babylon (
2 2Kö5,1-7; Jer 34,1-7; 39,1-7; 52,2-11 ). Die Rückkehr der Juden in ihr Land wurde
möglich, als Kyrus 539 v. Chr. das babylonische Reich besiegte und
das medo-persische errichtete. Zu seiner Politik gehörte es, die
entwurzelten Völker wieder in ihre Länder zurückkehren zu lassen.
Daher erließ Kyrus 538 ein Dekret, nach dem die Juden, die dies
wünschten, nach Jerusalem zurückkehren durften ( 2Chr 36,22-23; Esr
1,1-4 ). Etwa 50 000 jüdische Gefangene kehrten in das Land zurück
und begannen, den Tempel wiederaufzubauen. Dies geschah während der
Zeit des Gebetes Daniels ( Dan 9,4-19 ). Der Tempel wurde 515 v.
Chr. fertiggestellt ( Esr 6,15 ). (Vgl. die Tabelle "Die dreifache
Rückkehr aus dem Exil" in der Einführung zu Esra.) Von der ersten
Unterwerfung Jerusalems (605 v. Chr.) bis zur Rückkehr der Juden und
der Grundsteinlegung des Tempels (536) waren es etwa 70 Jahre. Von
der Zerstörung des Tempels (586) bis zu seiner Wiederherstellung
(515) ebenfalls. Die Weissagung Jeremias über die 70jährige Dauer
des babylonischen Exils wurde also wortwörtlich erfüllt ( Jer
25,11-12 ). Zweck Der Zweck des Buches kann aus seinem Inhalt
abgeleitet werden: 1. Daniels persönliche Hingabe an Gott ( Dan
1 ) sollte ein Beispiel für die Deportierten sein, wie sie in einer
heidnischen Gesellschaft leben konnten. Daniel diente als besonderes
Beispiel für die Frömmigkeit unter den Weggeführten. 2. Das Buch betont Gottes souveräne Autorität
über die heidnischen Nationen, wie er Könige einsetzt und wieder
absetzt und Weltreiche gründet oder ihre Macht beendet. Es war diese
große Wahrheit, die Nebukadnezar lernen mußte ( Dan 4,34 ). 3. Das Buch gibt uns ein Beispiel der Treue
Gottes gegen sein Bundesvolk, wie er es beschützt und bewahrt,
obwohl es eigentlich wegen seinem Ungehorsam von ihm gezüchtigt
wird. Gott verwirft sein Bundesvolk nicht. Er geht mit ihm voller
Geduld um und möchte es wieder unter seinen Segen bringen. 4. Das Buch wurde auch geschrieben, um die
prophetische Periode, die als "Zeiten der Heiden" bekannt ist ( Lk
21,24 ), aufzuzeigen. Das Buch Daniel verfolgt den Lauf der
heidnischen Geschichte durch jene lange Zeit, in der Israel durch
die Heiden gezüchtigt wurde und wird. Der Plan Gottes mit den Heiden
wird in der großen Trübsal zu seiner Vollendung kommen. Das Buch
zeigt sehr sorgfältig und in Einzelheiten, was diese Zeiten der
Heiden für Israel, das darauf wartet, daß Gottes Bund mit ihm unter
der Herrschaft des Messias erfüllt wird, bedeutet. 5. Schließlich offenbart das Buch Daniel auch
die zukünftige Erlösung Israels und den Segen, den es im kommenden
Tausendjährigen Reich erleben wird. So wie Gott es im Bund mit
Abraham zugesagt hat, werden seine Nachkommen das Land besitzen, das
Gott ihnen verheißen hat. Auch wenn das Volk für seinen Ungehorsam
bestraft werden muß, wird es doch zur Umkehr, zum Bekenntnis seiner
Schuld und zur Erneuerung geführt werden. Gott bleibt treu. Er
bewahrt sein Bundesvolk und wird es in seinem verheißenen Königreich
auf dieser Erde segnen. Bedeutung des Buches Das Buch Daniel ist historisch sehr wichtig. Es
füllt verschiedene Lücken in den historischen Büchern Israels und
des Neuen Testamentes aus. Es berichtet von Ereignissen in der
Geschichte Israels während der 70jährigen babylonischen
Gefangenschaft, die sonst nirgendwo in der Bibel erwähnt werden
(außer einigen kurzen Informationen bei Hesekiel). Daniel gibt aber
auch einen Überblick über die Zeiten der Heiden und beschreibt
vergangene und zukünftige Weltreiche, die Palästina beherrschen und
über Israel regieren werden, bis der Messias zurückkehrt. Die Weissagungen des Buches über Gottes Plan
mit den Heiden, mit dem Land Palästina und mit seinem Volk Israel
sind die Grundlage seines eschatologischen Programmes. Einige der im
Buch Daniel mit seiner Betonung der Heidenwelt eingeführten Gedanken
haben eine Parallele im Buch Sacharja. Die Themen dieser beiden
Bücher werden im Buch der Offenbarung zu ihrem Ziel geführt. Um die
Zuspitzung der Ereignisse, von denen der Apostel Johannes in der
Offenbarung schreibt, verstehen zu können, muß man zunächst ihre
Grundlegung im Buch Daniel verstanden haben. GLIEDERUNG I. Die persönliche Geschichte Daniels ( Kap.
1 ) A. Daniels Wegführung aus Israel ( 1,1-7 ) B. Daniels Hingabe aus Gott ( 1,8-16 ) 1. Die Bitte ( 1,8 ) 2. Die Erfüllung der Bitte ( 1,9-14 ) 3. Das Resultat ( 1,15-16 ) C. Daniels Stellung ( 1,17-21 ) II. Die prophetesche Geschichte der Heiden
während der Zeit der Heiden ( Kap.2-7 ) A. Der Traum Nebukadnezars ( Kap. 2-7 ) 1. Der Traum des Königs ( 2,1-16 ) 2. Der Traum wird Daniel offenbart
( 2,17-23 ) 3. Der Traum wird Nebukadnezars
ausgelegt ( 2,24-45 a) 4. Daniel wird geehrt ( 2,45 b. 46 -
49 ) B. Das Bildnis Nebukadnezars ( 3,1-30 ) C. Der zweite Traum Nebukadnezars
( 3,31-4,34 ) 1. Die Bekanntmachung des Königs
( 3,31-33 ) 2. Die Vision des Baumes ( 4,1-15 ) 3. Die Vision wird erkärt ( 4,16-24 ) 4. Die Vision wird erfüllt
( 4,25-30 ) 5. Der König wird gesund ( 4, 31-34 ) D. Das Fest Belsazars ( 5,1-6,1 ) 1. Die Lästerung des Königs ( 5,1-4 ) 2. Die Offenbarung an den König
( 5,5-12 ) 3. Die Bitte des Königs ( 5,13-16 ) 4. Die Antwort durch Daniel
( 5,17-28 ) 5. Die Weissagung wird erfüllt
( 5,29-6,1 ) E. Die Erlaß von Darius ( Kap. 6,2-29 ) 1. Die Vorrangestellung von Daniel
( 6,2-4 ) 2. Die Verschwörung der Fürsten
( 6,4-10 ) 3. Das Gebet Daniels ( 6,11-12 ) 4. Die Verfolgung Daniels ( 6,13-19 ) 5. Die Bewahrung Daniels ( 6,20-25 ) 6. Die Erklärung des Königs
( 6,26-29 ) F. Die Vision der vier Tiere ( Kap. 7 ) 1. Die Vision ( 7,1-14 ) 2. Die Auslegung ( 7,15-28 ) III. Die Prophetische Geschichte Israels
während der Zeit der Heiden ( Kap. 8-12 ) A. Die Vision von dem Widder und der Ziege
( Kap. 8 ) 1. Die Vision ( 8,1-14 ) 2. Die Auslegung ( 8,15-27 ) B. Die Vision der Jahrwochen ( Kap. 8 ) 1. Der Anlaß der Vision ( 9,1-2 ) 2. Das Gebet Daniels ( 9,3-19 ) 3. Die Antwort des Herrn ( 9,20-27 ) C. Die Abschließende Vision ( Kap. 10-12 ) 1. Die Vorbereitung des Propheten
( 10,1-11,1 ) 2. Die Einzelheiten der Geschichte
Israels unter dem zweiten und dritten Weltreich ( 11,2-35 ) 3. Die prophetische Geschichte der
siebzigsten Jahrwoche ( 11,36-12,3 ) 4. Schluß ( 12,4-13 ) AUSLEGUNG I. Die persönliche Geschichte Daniels ( Dan 1 ) A. Daniels Wegführung aus Israel ( 1,1 - 7 ) Dan 1,1-2 a Die ersten beiden Verse des Buches Daniel
zeigen, wann und wie der Prophet nach Babylon kam. Die Ereignisse,
von denen dieses Buch berichtet, begannen im dritten Jahr der
Regierungszeit von Jojakim, König von Juda . Dies scheint der
Aussage Jeremias zu widersprechen, daß das erste Jahr von
Nebukadnezar, König von Babel, das vierte Jahr der Herrschaft
Jojakims war ( Jer 25,1 ). Für diesen anscheinenden Widerspruch gibt
es wenigstens zwei mögliche Erklärungen. Die erste ist der
Unterschied zwischen dem babylonischen und dem jüdischen Kalender.
Der jüdische Kalender begann im Monat Tischri (September/Oktober),
während der babylonische im Frühling mit dem Monat Nisan
(März/April) anfing. Nach babylonischer Zählweise war das erste Jahr
Nebukadnezars das vierte Jahr der Herrschaft Jojakims. Aber nach
jüdischer Zählweise war es erst das dritte Jahr. Es ist sehr gut
möglich, daß sich Daniel, ein Jude, nach dem jüdischen Kalender
gerichtet hat. Die zweite mögliche Erklärung geht von der
babylonischen Methode der Berechnung der Herrschaft eines Königs
aus. Der Teil des Jahres, der vor dem Beginn eines neuen Jahres im
Monat Nisan lag, das Krönungsjahr des Königs also, wurde das erste
Jahr des Königs genannt, selbst wenn es nur von kurzer Dauer war.
Wenn Jeremia diese Zählweise übernommen hat, dann hat er das
Krönungsjahr Jojakims (das in Wirklichkeit nur ein Teil eines ganzen
Jahres war) als erstes Jahr gezählt. Wenn Daniel die jüdische Art
der Zählung benutzte (die die ersten Monate der Regierungszeit eines
Königs vor dem neuen Jahr nicht mitzählte), dann rechnete er nur die
drei ganzen Jahre der Herrschaft Jojakims. Dieses Jahr war das Jahr
605 v. Chr. Daniel spricht von Nebukadnezar (dessen Name
bedeutet "Nabu hat mein Erbe beschützt") als dem König von Babel .
Zu dieser Zeit (605) war Nabopolassar jedoch noch König in Babel und
Nebukadnezar noch nicht auf dem Thron. Aber während Nebukadnezar
noch im Krieg war, hörte er von dem Tod seines Vaters und eilte
schnell nach Babel, um dort gekrönt zu werden (vgl. den Abschnitt
"Historischer Hintergrund" in der Einführung ). Daniel, der dies zu
einem späteren Zeitpunkt schrieb, spricht von Nebukadnezar, der in
der Erwartung seiner Thronbesteigung lebte. Nebukadnezars Belagerung von Jerusalem geschah
während der Herrschaft von Jojakim, dem siebzehnten König von Juda
und ältesten Sohn von Josia (vgl. 2Chr 36,2 mit 2Chr 36,5 ).
Jojakims jüngerer Bruder Joahas war auf Judas Thron gekommen,
nachdem Pharao Necho 609 v. Chr. König Josia getötet hatte (vgl. die
Tabelle "Die letzten fünf Könige Judas" zu 2Kö 23,31-35 ). Aber
Necho setzte Joahas wieder ab und machte dafür Jojakim zum König
( 2Chr 36,3-4 ). Jeremia hatte Jojakim vor der drohenden
Invasion durch Babylon gewarnt. Jojakim hatte die Anweisungen des
Propheten an Gottes Volk, sich Babylon ohne Widerstand zu ergeben,
gehört. Als Nebukadnezar die Stadt besiegte, gab es daher kaum oder
keinen Widerstand und Jojakim wurde gefangengenommen und nach Babel
gebracht. So kam Juda unter die Oberherrschaft Nebukadnezars. Mit diesem Streifzug Nebukadnezars begann eine
entscheidende prophetische Periode - die Zeit der Heiden ( Lk
21,24 ). Die Zeit der Heiden ist jene Zeit, in der das Land, das
Gott durch einen Bund an Abraham und seine Nachkommen gegeben hat,
von heidnischen Mächten beherrscht wird und der davidische Thron
ohne einen rechtmäßigen Erben aus der Familie Davids ist. Die mit
Nebukadnezars Invasion 605 v. Chr. beginnende Zeit wird andauern,
bis der Messias wiederkommt. Dann wird Christus die Nationen
unterwerfen, das Land von seinen heidnischen Besitzern wegnehmen und
Israel geben und das Volk Israel im Tausendjährigen Reich unter den
Segen seines Bundes stellen. Gott hatte in Moab einen Bund mit Israel
gemacht ( 5Mo 28-30 ), kurz bevor es in das Land gekommen war ( 5Mo
29,1 ). In diesem Bund macht er deutlich, nach welchen Richtlinien
er mit seinem Volk handeln wird. Sein Gehorsam ihm gegenüber wird
ihm Segen bringen ( 5Mo 28,1-14 ), sein Ungehorsam dagegen seine
Züchtigung herbeiführen ( 5Mo 28,15-68 ). In diesem zweiten Teil
zeigt Gott die Strafen, die er benutzen wird, um die Menschen
zurechtzubringen, wenn sie außerhalb seines offenbarten Gesetzes
wandeln. Diese Strafen werden dazu dienen, sie seinen Ansprüchen
gerecht zu machen, damit sie seinen Segen empfangen können. Die
letzte Strafe, die er benutzen wird, ist die Eroberung des Landes
durch heidnische Nationen, die Israel unter ihre Herrschaft zwingen
und aus dem Land vertreiben werden ( 5Mo 28,49-68 ). Mose erklärt dann, daß die Strafe, unter die
Israel wegen seines Ungehorsams kommen wird, nicht weggenommen
werden wird, bevor das Volk seine Sünde nicht eingesehen, im Glauben
zu Gott zurückgekehrt und seinen Anforderungen gehorsam geworden ist
( 5Mo 30,1-10 ). Das Nordreich Israel war 722 v. Chr. in die
Gefangenschaft geführt worden. Dies war die Folge der in 5Mo
28 verkündigten Richtlinien Gottes. Mehrfach (wenn auch nicht
dauerhaft) hatte sich das Südreich (Juda) unter den Ermahnungen der
Propheten und angesichts des Unterganges des Nordreiches zu Gott
zurückgewandt. Das Südreich bestand noch über zwei Jahrhunderte
länger, weil es unter den frommen Königen, die es zeitweilig hatte,
Buße tat und Gott gehorsam wurde. Dies war aber nie von Dauer. Auch Juda
mißachtete den Bund Gottes, hielt den Sabbat und das Sabbatjahr
nicht ( Jer 34,12-22 ) und beging Götzendienst ( Jer 7,30-31 ).
Deshalb kam das Gericht aufgrund des Bundes von 5Mo 28 auch über
Juda. Gott erwählte sich Nebukadnezar als sein Werkzeug, um die
Strafe über das ungehorsame Volk zu bringen (vgl. Jer 27,6; Hab
1,6 ). Dan 1,2-3 (Dan 1,2b-3) Als Nebukadnezar von seiner Invasion Judas nach
Babel zurückkehrte, brachte er auch Kriegsbeute mit, um die
Unterwerfung Judas in Babel zu zeigen. Als erstes brachte er
einige wertvolle Gegenstände aus dem Tempel in Jerusalem mit, die er
in den Tempel seines Gottes in Babel stellte (vgl. 2Chr 36,7 ).
"Sein Gott" könnte Bel gewesen sein, der auch Marduk genannt wurde,
der Hauptgott der Babylonier (vgl. die Anmerkungen zu Dan 4,8 ). (Im
Hebr. ist das Wort, das mit Babel übersetzt wird, Schinar, ein alter
Name für dieses Land; vgl. 1Mo 10,10; 11,2; 14,1; Jes 11,1; Sach
5,11 .) Dies sollte die Niederlage des Gottes von Juda unter die
babylonische Gottheit demonstrieren. Außerdem brachte Nebukadnezar einige von den
Israeliten (Juden) mit sich, aus der königlichen Familie und von den
Edlen . Wie in der Einführung gesagt, wurden diese königlichen
Fürsten vielleicht als Geiseln betrachtet, die Babylons Herrschaft
über Juda sichern sollten. Oder sie wurden nach Babel gebracht, um
sie für eine politische Aufgabe vorzubereiten, falls Nebukadnezar
noch einmal zurückkehren müßte, um Juda zu unterwerfen. Aschpenas
war der oberste unter den Hofkämmerern . Er wird nur hier im Alten
Testament bei seinem Namen genannt und sonst als "der Kämmerer" oder
"der oberste Kämmerer" bezeichnet ( Dan 1,7-11.18 ). Es ist nicht
klar, ob das Wort für "Kämmerer" (sar¯s) einen Eunuchen oder nur
einen gewöhnlichen Hofdiener meint. Kitchen glaubt, daß es zur Zeit
Daniels Eunuch bedeutete (Kenneth A. Kitchen, Ancient Orient and Old
Testament . Downers Grove, Ill.: Inter Varsity Press, 1966, S.
165f). Dan 1,4-5 Diese Gefangenen waren auserlesene junge
Männer , sowohl körperlich als auch geistig, und als solche konnten
sie eine Bereicherung für den Palast des Königs sein. Man versuchte
daher, sie in die Kultur des Hofes einzugewöhnen, denn sie mußten
die Sprache und die Literatur des Volkes, unter dem sie wohnten,
kennenlernen. Sie mußten ein strenges dreijähriges Trainingsprogramm
erfüllen, nach dem sie in den Dienst des Königs treten sollten. Zu
diesem Erziehungsprogramm gehörte vermutlich das Studium von
Ackerbau, Architektur, Astrologie, Astronomie, Jura, Mathematik und
der schwierigen akkadischen Sprache. Dan 1,6-7 Es wird nicht gesagt, wieviele Gefangene
ausgewählt wurden, aber vier werden namentlich angeführt, weil sie
später eine wichtige Funktion in Babel spielen würden. Alle vier
trugen Namen, die Jahwe, den Gott Israels, ehrten. Deshalb wurden
ihre Namen geändert. El bedeutet Gott, und -iah (oder -yah ) ist
eine Abkürzung für Jahwe. Es liegt daher nahe, daß die Eltern der
jungen Leute gottesfürchtige Menschen waren, weil sie ihren Kindern
diese Namen gaben. Daniel , dessen Name "Gott hat gerichtet" (oder
"Gott ist mein Richter") bedeutet, erhielt den Namen Beltschazar (im
Akkadischen: B Elet-SaruQur ), was "Bel schütze sein Leben"
bedeutet. Acht der zehn Vorkommen von "Beltschazar" im Alten
Testament finden sich in dem aramäischen Abschnitt des Buches Daniel
( Dan 2,26;4,5-6.15-16 [dreimal]; Dan 5,12 ). Die anderen beiden
sind in Dan 1,7; 10,1 . Hananja ("Jahwe ist gnädig gewesen") erhielt
den Namen Schadrach , der vermutlich von der akkadischen
Verbform SAdurAku abgeleitet ist, was "Ich fürchte mich (vor einem
Gott)" bedeutet. Mischaël ("Wer ist wie Gott") wurde
in Meschach umbenannt, was vermutlich von dem akkadischen
Verb mESAku kommt und "Ich bin verachtet, nichtswürdig, demütig (vor
meinem Gott)" bedeutet. Asarja ("Jahwe hat geholfen") erhielt den
Namen Abed-Nego , "Knecht Nebos" (Nego ist eine hebr. Abänderung des
babylonischen Gottesnamens Nebo). Nebo (vgl. Jes 46,1 ), der Sohn
von Bel, war der babylonische Gott des Schreibens und der
Vegetation. Er ist auch als Nabu bekannt (vgl. in den Anmerkungen
zu Dan 1,1 über den Namen Nebukadnezars). So schien also der oberste Kämmerer (Aschpenas,
V. 3 ) jedes Zeugnis an den Gott Israels vom babylonischen Hof
verbannen zu wollen. Die Namen, die er den vier Männern gab,
zeigten, daß sie sich den babylonischen Göttern zu unterwerfen
hatten. B. Daniels Hingabe an Gott ( 1,8 - 16 ) 1. Die Bitte ( 1,8 ) Dan 1,8 Nebukadnezar hatte für die Gefangenen reichlich
Vorsorge getroffen. Sie sollten ein Leben im Luxus führen, nicht in
der Armut, denn ihnen gehörte ein Teil von der Speise und dem Wein ,
die täglich für den Tisch des Königs bestimmt waren. Dieses Essen
entsprach jedoch nicht den Bestimmungen des mosaischen Gesetzes. Die
Tatsache, daß es von Heiden zubereitet worden war, machte es unrein.
Außerdem wurden auf dem Tisch des Königs viele Dinge serviert, die
durch das Gesetz verboten waren. Diese Speise zu sich zu nehmen
würde die jüdischen jungen Männer verunreinigen. Sicher war das
königliche Essen, bevor es vor den König gebracht wurde, den
heidnischen Göttern geweiht und ein Teil davon ihnen geopfert
worden. An solch einer Mahlzeit teilzunehmen wäre eine Verletzung
von 2Mo 34,15 ,wo es den Juden verboten wird, Fleisch zu essen, das
heidnischen Göttern geopfert worden ist. Ähnliche Schwierigkeiten hätten sich beim Wein
ergeben. Um das alttestamentliche Verbot von "starkem Getränk" (z.
B. Spr 20,1; Jes 5,11 ) nicht zu verletzen, tranken die Juden den
Wein gewöhnlich mit Wasser verdünnt. Manche gaben drei Teile, andere
sechs und einige bis zu zehn Teilen Wasser zu einem Teil Wein dazu.
Die Babylonier aber verdünnten ihren Wein nicht. Also hätten sowohl
die Speise als auch das Getränk diese jüdischen jungen Männer
verunreinigt. Daniel wußte, was das Gesetz verlangte, was er essen
und trinken durfte und was nicht. Sein Verlangen war, Gott in allem zu gefallen,
was er tat. Deshalb beschloß er, daß er sich auch in diesem fremden
Land und der fremden Kultur, die Gottes Gesetze nicht kannte, als
unter diesem Gesetz betrachten würde. Er bat daher den obersten
Kämmerer, daß er die Speise nicht essen und den Wein nicht trinken
müsse, die der König so großzügig zur Verfügung stellte. Daniel war
mutig, hatte einen festen Willen und gehorchte Gott. 2. Die Erfüllung der Bitte ( 1,9 - 14 ) Dan 1,9-10 Der Widerstand des obersten Kämmerers gegen die
Bitte Daniels ist nur zu verständlich. Er hatte die Verantwortung
für die körperliche und geistige Entwicklung der jungen Gefangenen
und mußte dafür sorgen, daß sie für ihre Aufgaben, die der König für
sie vorgesehen hatte, vorbereitet wurden. Offensichtlich hatten
diese jungen Leute eine strategische Funktion im Plan des Königs,
und er wollte, daß sie gut vorbereitet wurden. Wenn die Männer den
König nicht allzusehr interessiert hätten, wäre ihr körperlicher
Zustand gleichgültig gewesen und Aschpenas hätte nicht den Verlust
seines Lebens riskiert. Daniel hatte diese ganze Frage an Gott
abgegeben, der anstelle von Daniel das Herz des Kämmerers bewegte,
so daß dieser Daniel Gunst ( HeseD , "loyale Liebe") und
Gnade ( raHXmIm , "Mitleid") zeigte . Dan 1,11-14 Als Daniels Bitte von dem obersten
Kämmerer abgelehnt worden war, ging Daniel zu dem Aufseher , den
Aschpenas über die vier Jugendlichen gesetzt hatte, und bat um eine
zehntägige Probezeit, in der Daniel und seine Freunde nur Gemüse und
Wasser erhalten sollten. (Das hebr. Wort für Gemüse bedeutet
"Ausgesätes", wozu also auch Korn gehört haben könnte.) Da das
mosaische Gesetz kein Gemüse als unrein bezeichnete, konnte Daniel
alles Gemüse, was man ihm vorsetzte, essen, ohne sich zu
verunreinigen. In so einer kurzen Zeit ( zehn Tage ) konnte sich
nichts so sehr verschlechtern, daß das Leben irgendeines Aufsehers
gefährdet worden wäre. Daniel deutet vielmehr an, daß
ihr Aussehen besser sein würde als das der anderen, die von den
Speisen des Königs aßen. Da der Aufseher unter der Weisung des obersten
Kämmerers stand, kann er nicht auf eigene Faust gehandelt haben,
sondern nur mit der Genehmigung durch Aschpenas. Dies zeigt, daß
Gott sich für die einsetzt, die ihm vertrauen, und die beschützt und
bewahrt, die ihm gehorchen, auch unter einer heidnischen Herrschaft. 3. Das Resultat ( 1,15 - 16 ) Dan 1,15-16 Nach den zehn Tagen sahen die vier, die nur von
Gemüse gelebt hatten, gesünder aus als alle anderen, die von der
Speise des Königs gegessen hatten. Da sie besser aussahen - und
nicht schlechter, wie Aschpenas befürchtet hatte (V. 10 ) - hatte er
nun nichts mehr gegen die Nahrung, die Daniel für sich und seine
Freunde erbeten hatte. Man gab ihnen also die Erlaubnis, auch weiter
nur Gemüse zu essen. Zwar hat Gott das Essen von Fleisch nicht
verboten (vgl. 1Mo 9,3; Röm 14,14; 1Kor 10,25-26 ), aber die
Gemüsediät war doch dem königlichen Speiseplan überlegen. Dies zeigt
auch, daß Gott die segnet, die seinen Anordnungen gehorchen, und
denen hilft, die auf ihn vertrauen. Dies konnte eine Lektion für
ganz Israel sein. Gott hatte Gehorsam gegenüber dem Gesetz verlangt.
Aus dem Ungehorsam folgte die Strafe, aber auch während einer Zeit
der Züchtigung beschützt und erhält Gott die, die ihm gehorchen und
im Blick auf ihren Lebensunterhalt vertrauen. C. Daniels Stellung ( 1,17 - 21 ) Dan 1,17 Diese vier Männer , die von Nebukadnezar für
verantwortliche Positionen und Verantwortung am Königshof
vorbereitet wurden, wurden in Wirklichkeit von Gott selbst
vorbereitet. Denn Gott gab ihnen Kenntnis und Einsicht auf vielen
Gebieten. Kenntnis hat mit der Fähigkeit zu überlegen und zu denken
zu tun. Sie waren also Männer, die klar und logisch denken konnten.
Einsicht hängt mit Verständnis zusammen. Sie waren also fähig, das
Wesen der Dinge klar zu sehen und in ihrem wahren Licht zu
verstehen. Die Schrift und Weisheit , in denen Gott ihnen
Fähigkeiten gab, betraf viele Gebiete (vgl. die Anmerkungen zu
V. 4 ). Durch die göttliche Befähigung und durch Jahre der
Unterweisung durch fähige Lehrer erlangte Daniel ein breites Wissen
über Kunst und Wissenschaften. Auch wenn das Wissen anderer in Babel durchaus
dem von Daniel ebenbürtig gewesen sein mag, auf einem Gebiet
jedenfalls übertraf er sie alle: Er besaß die von Gott verliehene
Fähigkeit, Visionen und Träume zu verstehen . Menschen haben schon
immer versucht, die Zukunft zu kennen, und verschiedene Wege
erdacht, zukünftige Ereignisse vorauszusagen. Als z. B. Israel in
das Land Kanaan gekommen war, begegnete es vielen, die auf
mancherlei Weise versuchten, die Zukunft zu weissagen. Aber Israel
wurde es verboten, irgendeine dieser Praktiken zu übernehmen ( 5Mo
18,9-13 ), die auch in Babel herrschten. Dan 1,18-21 Am Ende der vom König bestimmten Zeit (d. h.
nach der dreijährigen Ausbildungszeit; vgl. V. 5 ) prüfte der König
Daniel und seine drei Freunde und fand, daß niemand ihnen gleichkam.
Ja, sie waren zehnmal besser als alle , die die verschiedenen Künste
der Wahrsagerei beherrschten (zu Magier und Zauberer vgl. die
Anmerkungen zu V. 17 ). "Zehnmal" ist ein Bildwort und bedeutet
"viele Male" (vgl. 1Mo 31,7.41; 4Mo 14,22; Hi 19,3 ). Der König holte sich seinen Rat bei Magiern,
Zauberern, Hexern, Astrologen, Weisen und Wahrsagern. "Magier"
( HarFVmmIm ) war das allgemeine Wort für Männer, die okkulte
Praktiken vollzogen. "Zauberer" ( ?aSSAPIm ) könnte sich auf solche
beziehen, die mit Zauberformeln Exorzismen betrieben. Das Wort
"Hexer" ( m+kaSS+pIm ) stammt vermutlich von dem akkadischen
Verb kaSApu , "verhexen, verfluchen". "Astrologen" (hebr.: kaRdIm ;
aram.: kaRdA?In ) scheint sich auf eine Priesterklasse in der
babylonischen Religion zu beziehen (in manchen Übersetzungen wird es
irreführenderweise mit Chaldäer wiedergeben), die an Offenbarungen
durch die Sterne glaubten, die sie anbeteten. Mit "Wahrsager"
( gAz+rIn , Dan 2,27;5,7.11 ) könnten jene gemeint sein, die das
Schicksal anderer herauszufinden oder zu bestimmen versuchten. Die Praktiken dieser fünf Gruppen haben sich
vermutlich auf vielen Gebieten stark überlappt. Mehrere Male wird
von ihnen im Buch Daniel einfach als den "Weisen" gesprochen ( Dan
2,12-14.18.24 [zweimal]. 48; Dan 4,3-4;5,7-8.15 ). Daniels Dienst am königlichen Hof in Babel
dauerte an, bis das babylonische Weltreich durch Kyrus 539 v. Chr.
überrollt wurde. Gott hatte gesagt: "Wer mich ehrt, den will ich
auch ehren." ( 1Sam 2,30 ). Daniel hatte beschlossen, Gott zu ehren,
obwohl er an einem Ort lebte, an dem die Menschen sich nicht nach
den hohen Maßstäben Gottes richteten. Gott ehrte Daniels Gehorsam
gegenüber dem Gesetz und unterstützte ihn am Königshof. Dies hätte
Israel daran erinnern sollen, daß Gehorsam Segen bringt und daß
Gerechtigkeit eine Voraussetzung für das Erleben des Bundessegens
Gottes ist. Daß Gott Daniel die Fähigkeit gab, Visionen und
Träume zu verstehen ( Dan 1,17 ), bedeutete, daß Nebukadnezar
während seiner ganzen Regierungszeit von Daniel abhängig war, um die
zukünftigen Ereignisse zu verstehen, die ihm durch Träume und
Visionen gezeigt wurden. Dies war ein Vorbild auf den Dienst, den
Israel eines Tages vollbringen wird. Gott hatte Israel zu einem
Königreich von Priestern bestimmt ( 2Mo 19,6 ). Als solches sollte
es Gottes Licht für die Welt sein ( Jes 42,6; 49,6 ). Es sollte
Gottes Offenbarung empfangen und den Völkern, die Gott nicht kennen,
weitergeben. Beständig wurde es an diese Rolle durch den Leuchter,
der im Tempel stand, erinnert. Daniel erfüllte durch seinen Dienst
am Königshof in Babel diese Aufgabe als Sprecher Gottes unter den
Heiden. Wenn Israel im Tausendjährigen Reich den Segen Gottes
erleben wird, dann wird es auch die Aufgabe erfüllen, für die Gott
es ausgesondert hat, und die Wahrheit Gottes den Heiden verkündigen
( Sach 8,21-23 ). II. Die prophetische Geschichte der Heiden
während der Zeit der Heiden ( Dan 2,7 ) A. Der Traum Nebukadnezars ( Dan 2 ) 1. Der Traum des Königs ( 2,1 - 16 ) a. Der Traum ( 2,1 - 3 ) Dan 2,1 Bald nachdem Nebukadnezar auf den Thron
gekommen war, wurde er von einem Traum geplagt. Dieser Traum, so war
Nebukadnezar klar, hatte eine große Bedeutung, denn er war so
beunruhigt (vgl. V. 3 ) durch ihn, daß er nicht mehr schlafen
konnte. Dan 2,2-3 Der König rief die weisen Männer in seinem
ganzen Herrschaftsgebiet zusammen. Sie gaben ja vor, auf die eine
oder andere Weise (vgl. die Anmerkungen zu Dan 1,17 ) die Zukunft
voraussagen zu können. Wenn die Methode des einen das gewünschte
Ergebnis nicht brachte, dann würde vielleicht die des anderen die
Bedeutung des Traumes offenbaren. Sie wurden zusammengerufen, um
ihre Zauberkräfte dazu zu verwenden, dem König die Auslegung seines
Traumes zu vermitteln. Der König forderte die Weisen auf und
sagte: Ich möchte wissen, was er bedeutet . b. Die Verzweiflung der Weisen ( 2,4 - 11 ) Dan 2,4 Offenbar waren die Weisen schon öfter gebeten
worden, einen Traum auszulegen (V. 3 ). Darum waren sie nicht
erstaunt über dieses Anliegen. (Wie unter "Sprache" in der
Einführung gesagt, ist Dan 1,1-2,4 a in Hebräisch abgefaßt. Mit den
Worten Der König in V. 4 b wechselt die Sprache bis Dan
7,28 ins Aramäische über.) Die Weisen bestätigten, daß, wenn der
König ihnen den Traum erzählen würde, sie ihn auslegen könnten. Sie
vertrauten darauf, daß sie mit ihrer vereinten Weisheit dem König
eine zufriedenstellende Auslegung liefern konnten. Dan 2,5-6 Zwar hatte der König schon öfter von den Weisen
verlangt, daß sie ihm einen Traum auslegten, und war mit ihren
Antworten zufriedengestellt worden. Aber offenbar hatte er sie noch
nie gebeten, einen so wichtigen Traum zu deuten. Deshalb beschloß
er, sie zu testen. Wenn sie wirklich die Zukunft durch die Deutung
von Träumen voraussagen konnten, dann müßten sie auch in der Lage
sein, den Traum des Königs zu wiederholen . Deshalb lehnte er es ab,
ihnen zu erzählen, was er geträumt hatte. Das bedeutet nicht, daß er
ihn wirklich vergessen hatte. Wenn dies der Fall gewesen wäre,
hätten die Weisen ohne Schwierigkeiten einen Traum erfinden und dann
auslegen können, um ihre Haut zu retten. Der König kam zu dem
Ergebnis, daß, wenn sie seinen Traum aus der Vergangenheit nicht
wiederholen konnten, auch die Deutung im Blick auf die Zukunft nicht
zuverlässig sei. Der König versprach den Weisen, die seinen
Traum erzählen und deuten konnten, Lohn und Ehre. Aber er drohte
ihnen mit dem Tod (sie würden in Stücke geschlagen ) und ihre Häuser
würden zu Schutthaufen niedergebrannt, wenn sie sich als falsche
Zukunftsdeuter erweisen würden und den Traum nicht erzählen könnten. Dan 2,7-9 Erneut baten die Weisen (vgl. V. 4 ), daß der
König ihnen den Traum mitteilen möge, und versprachen, daß sie ihn
auslegen würden. Der König aber beklagte sich, daß sie nur Zeit zu
gewinnen suchten. Noch einmal machte er ihre Strafe deutlich (vgl.
V. 5 ), wenn sie ihm den Traum nicht sagen könnten. Er hielt es für
die einzige Möglichkeit zu testen, ob er auf ihre Deutung der
Zukunft vertrauen konnte, wenn er sie zuerst den Traum wiederholen
ließ. Ansonsten würden sie ihm, so schloß er, irreführende und böse
Dinge sagen . Vielleicht war Nebukadnezar mit den Weisen, die
vermutlich älter waren als er, da er sie als Ratgeber von seinem
Vater übernommen hatte, auch ungeduldig geworden. Vielleicht
mißtraute er ihrer angeblichen Weisheit und wollte sie auch deshalb
testen. Dan 2,10-11 Zu ihrer Verteidigung behaupteten die Weisen,
daß der König etwas Unmögliches von ihnen verlange, etwas, das kein
anderer Herr jemals verlangt habe. Sie erklärten, daß die
Zukunft den Göttern gehöre, nicht den Menschen. Dies war ein
erstaunliches Eingeständnis, mit dem sie im Grunde zugaben, daß sie
den König bei ihren Deutungen in der Vergangenheit betrogen hatten,
eine erschreckende Enthüllung von den Männern, die am Königshof so
hoch in Ehren gehalten wurden. c. Der Erlass des Königs ( 2,12 - 13 ) Dan 2,12-13 Nachdem die Weisen zugegeben hatten, daß sie
die Forderungen des Königs nicht erfüllen konnten, wurde der König
zornig und wütend (vgl. Dan 3,13.19 ). Er erließ eine Verfügung,
daß alle Weisen Babels umgebracht werden sollten . Der Erlaß betraf
nicht nur jene, die zur Zeit am Königshof dienten, sondern auch alle
anderen, die behaupteten, die Zukunft enthüllen zu können. Da Daniel
und seine drei Freunde ebenfalls zu den Weisen zählten, fiel das
Gerichtsurteil auch auf sie. d. Die Erklärung Daniels ( 2,14 - 16 ) Dan 2,14-16 Was am königlichen Hof geschehen war,
wußte Daniel nicht. Vielleicht war er der königlichen Sammlung der
Weisen nicht gefolgt (V. 2 ), um den Kontakt mit den heidnischen
Führern zu vermeiden. Als die Nachricht kam, daß er unter dem
Todesurteil stehe, fragte er vorsichtig Arjoch, den Befehlshaber der
königlichen Garde , nach dem Grund dafür. Arjoch erläuterte ihm das
Ereignis, das die Weisen beim König hatte in Ungnade fallen lassen. Mutig ging Daniel daraufhin mit der Bitte zum
König, die Todesurteile für eine kurze Zeit auszusetzen, damit er
den Traum des Königs deuten könne . Zu diesem Schritt war Mut nötig,
denn der König hatte ja bereits den Weisen vorgeworfen, daß sie Zeit
schinden würden (V. 8 ). Daniel stand beim König offensichtlich in hohen
Ehren, weil er die Erlaubnis hatte, vor den König zu treten und ihn
direkt um etwas zu bitten. Es wird zwar nicht berichtet, aber
vielleicht hatte Daniel bereits vorher schon Träume gedeutet, wenn
auch nicht unbedingt für den König. Er war sich wohl sicher, daß er
den Traum erzählen und ihn deuten könne. 2. Der Traum wird Daniel offenbart ( 2,17 - 23 ) a. Die Bitte ( 2,17 - 18 ) Dan 2,17-18 Daniel war in dieser Zeit der Prüfung ganz
ruhig. Er kehrte in sein Haus zurück und suchte seine drei Freunde.
Zusammen beteten sie um Gnade von dem Gott des Himmels . ("Gott des
Himmels" ist ein Titel Gottes, der von Daniel viermal benutzt
wird; Dan 2,18-19.37.44 .Neunmal kommt er bei Esra vor und viermal
bei Nehemia. An anderen Stellen des AT taucht er nur noch in 1Mo
24,3.7; Ps 136,26 und Jon 1,9 auf.) Gottes Antwort auf die Notlage eines Menschen
ist Barmherzigkeit. Daniel erkannte seine Hilflosigkeit in der
gegenwärtigen Notlage, wandte sich vertrauensvoll an Gott und
erwartete, daß der Herr ihm helfen werde. b. Die Offenbarung ( 2,19 a) Dan 2,19 a Als Antwort auf das Gebet der vier wurde der
Traum Daniel anscheinend noch in der gleichen Nacht offenbart. c. Das Lob ( 2,19 b. 20-23 ) Dan 2,19-23 (Dan 2,19b-23) Daniel reagiert darauf, indem er Gott Lob
spendet. Er erkennt, daß Gott ein Gott der Weisheit ist und alles
weiß und ein Gott der Macht, der alles, was er will, tun kann.
Daniel beginnt und beendet sein Gebet, indem er von Gottes Weisheit
und Macht spricht (vgl. V. 23 ). Der Beweis seiner Macht wird darin deutlich,
daß er Ereignisse ( Er ändert Zeit und Stunde ) und das Geschick von
Völkern in seiner Hand hält ( Er setzt Könige ein und ab ).
Nebukadnezar war auf seinem Thron, weil Gott beschlossen hatte, ihn
zur Erfüllung seines Willens zu benutzen. Der Beweis seiner Weisheit liegt darin, daß er
seine Weisheit den Weisen schenkt (V. 21 b) und tiefe und dunkle
Dinge offenbart (V. 22 ). Licht wohnt bei Gott ; alle Dinge sind für
ihn klar und durchschaubar, auch wenn die Menschen von Finsternis
umgeben sind. Gott kennt die Zukunft und kann sie enthüllen. Gott,
nicht die Erkenntnis Daniels, gab ihm den Traum und seine Deutung.
Daniels Gebet schließt mit seinem Dank dafür, daß Gott den Traum des
Königs den vieren, die auf ihn vertraut haben, offenbart hat. 3. Der Traum wird Nebukadnezar ausgelegt ( 2,24 - 45 a) a. Die Erklärung durch Daniel ( 2,24 - 30 ) Dan 2,24-25 Nachdem er von Gott die Kenntnis
des Traumes und seine Auslegung erfahren hatte (V. 19 ), ging Daniel
zu Arjoch , dem Scharfrichter des Königs (vgl. V. 14 ), und teilte
ihm mit, daß er bereit sei, den Traum des Königs zu deuten .
Offenbar wußte man am ganzen Königshof von der Erregung des Königs
über diesen Traum, denn Arjoch nahm Daniel und brachte ihn sofort
zum König. Der königliche Befehlshaber Arjoch behauptete dabei
entgegen den Tatsachen, daß er einen Ausleger für den Traum des
Königs gefunden habe, denn eigentlich war es Daniel, der "zu Arjoch
gegangen" war. Offenbar erwartete Arjoch eine hohe Belohnung dafür,
jemanden gefunden zu haben, der die Unruhe des Königs beenden
konnte. Dan 2,26-28 Der König fragte, ob Daniel in der Lage sei,
ihm zu sagen, was er geträumt habe, und es dann auszulegen. Daniel
wurde dem gleichen Wahrheitstest unterworfen, den der König auch von
seinen Weisen verlangt hatte. Sie hatten ihm gesagt, daß nur Götter
dem Menschen die Zukunft enthüllen könnten (V. 11 ). Daniel
bestätigte noch einmal, daß es die Weisen Babylons nicht konnten
(V. 27 ), indem sie ihre falschen Gottheiten anriefen. Er, Daniel,
könne es tun, weil es einen Gott im Himmel gibt (vgl. die
Anmerkungen zu V. 18 ), der Geheimnisse offenbart (V. 28 ; vgl.
V. 47 ). Daniel nahm für sich selbst keine Ehre (vgl. V. 23 ). Dan 2,29-30 Zunächst machte Daniel deutlich, daß der Traum
des Königs prophetischer Natur war (vgl. V. 45 "was dereinst
geschehen wird") und daß es um zukünftige Dinge ging, um das, was
geschehen wird . Nebukadnezars Traum ist ein prophetisches Panorama
über die Geschichte der Heiden, von seiner Zeit angefangen bis zur
schließlichen Unterwerfung der heidnischen Mächte durch den Messias
Israels. Diese Zeitspanne wird "Zeiten der Heiden" genannt ( Lk
21,24 ). Der Traum war Nebukadnezar gegeben worden, dem ersten von
vielen heidnischen Herrschern, die aufgrund göttlicher Bestimmung in
dieser Zeit der Heiden ihre Macht ausüben würden. Gott offenbarte
Nebukadnezar keine geistlichen Geheimnisse, sondern Tatsachen über
die politische Herrschaft der Heiden. Nebukadnezar konnte den
gesamten Traum recht gut verstehen. Noch einmal bekräftigte Daniel demütig, daß
dies Geheimnis ihm nicht offenbart worden sei, weil er weiser wäre
als andere (vgl. Dan 2,27-28 ). b. Der Traum wird erzählt ( 2,31 - 35 ) Dan 2,31-33 Der Traum des Königs war recht einfach. Der
König hatte ein ungeheuer großes Standbild gesehen. Seine Größe und
sein Aussehen waren furchterregend . Es ließ den König unwichtig
erscheinen, als er vor ihm stand. Das Standbild glänzte aufgrund der
Metalle, aus denen es gemacht war. Der Kopf der Statue war
aus reinem Gold hergestellt, die Brust und die Arme aus Silber , der
Bauch und die Hüften bestanden aus Kupfer und die Beine aus Eisen ,
wobei seine Füße teils Eisen und teils gebrannter Ton waren. Diese
verschiedenen Teile der Statue waren auf einen Blick zu sehen. Dan 2,34-35 Das Standbild war nichts Beständiges. Es wurde
an den Füßen von einem Felsen getroffen ( nicht durch Menschenhände
gelöst ), der die gesamte Statue wie Spreu zermalmte, die
weggeblasen wurde. Spreu ist der leichte, nicht eßbare Teil des
Korns, der an einem windigen Sommertag beim Worfeln auf der Tenne
weggeblasen wird. Der Fels, der das Standbild zermalmt hatte, wuchs
zu einem großen Berg, der die ganze Erde erfüllte . Der Traum selbst
war einfach. Es war die Bedeutung dieses Traumes, die den König
beunruhigte. c. Die Deutung des Traumes ( 2,36 - 45 a) Dan 2,36-38 Daniels Auslegung macht klar, daß das Bild den
Verlauf der Geschichte der Heiden und ihrer Königreiche darstellt,
die jeweils für eine bestimmte Zeit über Palästina und das Volk
Israel herrschen werden. Nebukadnezar, das Haupt des babylonischen
Reiches, war das goldene Haupt (V. 38 ). Sein Vater hatte die Macht
in Babylon durch seine militärischen Eroberungen gewonnen, aber
Nebukadnezar hatte seine Herrschaft und Macht und Kraft und
Herrlichkeit von Gott erhalten (der Könige einsetzt und absetzt,
V. 21 ). (Zu der Gott des Himmels vgl. die Anmerkungen zu V. 18 .) Nebukadnezars Herrschaft wird als eine
weltweite Herrschaft betrachtet, in der er über alle Menschen und
auch über Tiere und Vögel herrscht. Gott hatte bei der Schöpfung die
Herrschaft über die ganze Erde dem Menschen gegeben. Er sollte über
sie und über alle Kreatur auf ihr regieren ( 1Mo 1,26 ).
Nebukadnezar erfüllt also aufgrund des göttlichen Auftrages, was
Gott für den Menschen geplant hatte. Dan 2,39 Der zweite Teil der Statue, die Brust und die
Arme aus Silber, stehen für das Aufkommen der Meder und Perser
(vgl. Dan 5,28;6,9 ; siehe auch Dan 6,1 ). Die Meder und Perser
eroberten das babylonische Reich 539 v. Chr. Die silbernen Arme
stehen dabei offenbar für die beiden Völker der Meder und der
Perser, die gemeinsam Babylon besiegten. Obwohl dieses Königreich
über 200 Jahre bestehen blieb (539 - 330 v. Chr.), länger als das
neobabylonische Reich, das nur 87 Jahre bestand (626 - 539), war das
medo-persische Reich doch geringer als dieses, so wie Silber im
Gegensatz zu Gold. Der Bauch und die Hüfte aus Kupfer stellen ein
drittes Reich dar, das nach diesem aufkommen wird, das griechische
Reich (vgl. Dan 8,20-21 ). Alexander der Große eroberte das
medo-persische Reich zwischen 334 und 330 v. Chr. und zwang seine
Völker und Gebiete unter seine Herrschaft. Durch Alexanders
Eroberungen erstreckte sich das griechische Weltreich nach Osten bis
an den Nordwesten Indiens - ein ungeheuer großes Reich, das
augenscheinlich über die ganze Erde herrschte. Dan 2,40 Die Beine aus Eisen sind das römische Reich.
Dieses vierte Königreich eroberte das griechische Reich 63 v. Chr.
Obwohl das römische Reich in zwei Beine geteilt war und schließlich
aus einer Mischung von Eisen und Ton bestand, war es dennoch ein
Reich. Es ist vor allem durch seine Härte bekannt geworden, denn
Eisen ist härter als Kupfer, Silber oder Gold. Das römische Reich
war mächtiger als alle vorhergehenden Reiche. Es vernichtete alle
die Reiche, die ihm vorausgegangen waren. Rom verschlang auf seinen
grausamen Eroberungsfeldzügen die Länder und Völker, die zu den
vorhergehenden drei Reichen gehört hatten, und verleibte sie sich
ein. Dan 2,41-43 Das Reich, das als Eisen begonnen hatte, wurde
zu einem Staat, in dem Ton mit Eisen gemischt war. Diese Mischung
spricht von zunehmender Schwäche und immer größer werdendem Zerfall.
Zwei Metalle können miteinander eine Legierung bilden, die stärker
sein kann als die beiden Metalle für sich. Aber Eisen und Ton lassen
sich nicht verbinden. Wenn man Eisen und Ton in einen Schmelztiegel
gibt, bis zum Schmelzpunkt erhitzt und dann in eine Form gießt, wird
das Ergebnis zerbrechen, es wird, wenn es abgekühlt ist, dennoch
wieder aus Eisen und Ton bestehen. Man kann den Ton herausbrechen,
und zurück bleibt ein schwacher Guß. Das römische Reich war durch seine Teilung (es
war ein zerteiltes Königreich ) und seinen Zerfall (es war teils
stark und teils brüchig ) gekennzeichnet. Zwar gelang es Rom, immer
mehr Gebiete zu erobern, aber es konnte die Völker nicht vereinigen
und daraus ein einheitliches Reich bilden. In diesem Sinn waren die
Völker eine Mischung und nicht vereint. (Noch in anderer Hinsicht
war das römische Reich eine Mischung aus Stärke und Schwäche: [a] es
war organisatorisch stark, aber moralisch schwach; [b] Imperialismus
und Demokratie waren erfolglos vereinigt; [c] die Regierung wurde
von den Massen bedrängt, d. h. der Mob regierte; [d] das Reich war
eine Mischung aus unzähligen Rassen und Kulturen.) Dan 2,44-45 a Nach diesen Erläuterungen kam Daniel auf die
Zerstörung dieser Königreiche zu sprechen. Die Zeit dieser
Könige kann sich auf die vier Reiche beziehen, oder, was
wahrscheinlicher ist, auf die zehn Zehen (V. 42 ), da die ersten
vier Reiche offensichtlich nicht mehr existierten, als die "Zehen"
auftraten (vgl. die Anmerkungen zu den zehn Hörnern des vierten
Tieres; Dan 7,24 ). Nebukadnezar hatte einen Felsen gesehen, der das
Standbild traf und zerschmetterte ( Dan 2,34 ). Das Standbild
wurde nicht von menschlichen Händen zerstört, sondern durch den
Felsen. Der Fels bezieht sich in der Bibel oft auf Jesus Christus,
den Messias Israels (z. B. Ps 118,22; Jes 8,14; 28,16; 1Pet 2,6-8 ).
Gott, der Nebukadnezar auf den Thron gesetzt hatte und die Macht von
Babylon zunächst auf Medo-Persien, dann auf Griechenland und
schließlich auf Rom übertragen hatte, wird eines Tages die
politische Macht auf einen König übertragen, der über die Erde
herrschen und so die ursprüngliche Bestimmung des Menschen in seiner
Person zusammenfassen wird ( 1Mo 1,27 ). In Nebukadnezars Traum wurde aus dem Felsen
schließlich ein Berg , der die ganze Erde erfüllte ( Dan 2,35 ). Der
Berg ist in der Bibel häufig ein Bild für ein Königreich. Daniel
erklärte, daß die vier Königreiche, die über die Welt und das Volk
Israel herrschten, nicht durch menschliche Mittel zerstört werden,
sondern durch das Kommen des Herrn Jesus, des Felsen. Wenn er kommt,
wird er das messianische Königreich aufrichten, das Israel durch
David verheißen wurde ( 1Sam 7,16 ). Bei seiner Wiederkunft wird er
sich alle Reiche unterwerfen und sie zerstören (vgl. Offb 11,15;
19,11-20 ). Dann wird er für immer im Tausendjährigen Reich und in
der Ewigkeit herrschen. Menschen, die ein Tausendjähriges Reich leugnen
(Amilleniaristen) behaupten, daß dieses Königreich von Christus bei
seinem ersten Kommen aufgerichtet worden sei und daß heute die
Gemeinde dieses Königreich ist. Sie argumentieren, daß: (a) die
Christenheit, wie ein wachsender Berg, immer größer geworden ist und
sich immer weiter ausgedehnt hat und noch tut; (b) Christus ja in
den Tagen des römischen Reiches gekommen ist; (c) das römische Reich
in die Hände von zehn Königreichen gefallen sei (die zehn Zehen) und
(d) Christus der Eckstein ist ( Eph 2,20 ). Die Vertreter des sogenannten Prämilleniarismus
(das Tausendjährige Reich ist noch Zukunft) halten dem entgegen, daß
Christus noch nicht auf dieser Erde regiert. Mindestens sechs Dinge
sprechen für diese Sicht: (1) Der Stein wird plötzlich, nicht nach
und nach, zu einem großen Berg werden. Die Christenheit aber hat
nach dem ersten Kommen Jesu "die ganze Welt" nicht in kurzer Zeit
erfüllt ( Dan 2,35 ). (2) Obwohl Christus in den Tagen des römischen
Reiches kam, zerstörte er es nicht. (3) Das römische Reich hatte in
der Zeit, als Jesus auf dieser Erde war, keine zehn Könige
gleichzeitig. Die Statue Nebukadnezars aber weist darauf hin, daß,
wenn Jesus kommt, um sein Reich aufzurichten, zehn Herrscher
regieren und von ihm zerstört werden. (4) Zwar ist Christus heute
der Eckstein der Gemeinde ( Eph 2,20 ) und "ein Stein, der [die
Ungläubigen] zum Stolpern bringt" ( 1Pet 2,8 ), aber er ist noch
nicht der Fels, der alles zerschmettert. Dies wird erst geschehen,
wenn er wiederkommt. (5) Der Stein (Messias) wird alle Königreiche
dieser Welt zerschmettern. Die Gemeinde aber hat die weltlichen
Reiche nicht erobert und wird es auch nicht. (6) Die Gemeinde ist
kein Königreich mit einem politischen Herrschaftsgebiet, das
zukünftige Tausendjährige Reich aber wird es sein. Der Traum
Nebukadnezars lehrt also eindeutig den Prämilleniarismus. Wenn
Christus auf diese Erde kommen wird und seine Herrschaft auf ihr
errichtet, wird er sich alle Nationen unterwerfen. Die Gemeinde ist
nicht dieses Königreich. 4. Daniel wird geehrt ( 2,45 b - 46-49 ) Dan 2,45 b Daniel hatte zunächst die Wahrheit seiner
Auslegung bestätigt, indem er den Traum erzählte (V. 31 - 35 ) und
dann betonte, daß die Deutung (V. 36-45 a) wirklich wahrhaftig war,
weil sie von Gott kam (vgl. V. 19.23.28.30 ), der das Geschick jedes
Volkes in seiner Hand hält. Er weiß, was in der Zukunft geschehen
wird (vgl. V. 28-29 ). Dan 2,46-47 Der König war so bewegt von der Auslegung
Daniels, daß er sich selbst vor Daniel niederwarf und ein Opfer
befahl , das man Daniel bringen sollte; eine Ehre, die man in
Babylon sonst nur Göttern zuteil werden ließ. Er erkannte auf diese
Weise die göttliche Autorität Daniels an. Durch die Offenbarung und
Deutung des Traumes durch Daniel wurde Nebukadnezar dazu gebracht,
zu bekennen, daß Daniels Gott höher ist als alle Götter Babylons und
daß er der HERR über die Könige der Erde ist. Daniels Gott war in
den Augen von Nebukadnezar groß, weil er durch Daniel offenbart
hatte, was in der Zukunft geschehen wird. Gott ist, so sagte der
König, ein Offenbarer von Geheimnissen (vgl. V. 28 ). Offensichtlich
akzeptierte Nebukadnezar auch, daß er selbst durch den Gott Daniels
in seine Machtstellung eingesetzt worden war (vgl. V. 37 - 38 ), und
erkannte damit seine Autorität an. Dan 2,48-49 Nebukadnezar gab Daniel eine Stellung der
Verantwortung innerhalb der Regierung und belohnte ihn auch
materiell mit königlichen Geschenken . Das babylonische Reich war in
viele Provinzen unterteilt, von denen jede unter der Führung eines
Fürsten stand ( Dan 3,2 ). Daniel wurde offenbar zu einem Fürsten
über die Provinz, in der der Königshof lag ( die Provinz von [der
Stadt] Babel ). Daniel vergaß aber seine Freunde nicht, sondern bat,
daß auch sie geehrt würden. So machte der König
Schadrach (Hananja), Meschach (Mischael) und Abed-Nego (Asarja)
zu Verwaltern in der gleichen Provinz , in der Daniel Statthalter
war. Daniel konnte so am königlichen Hof bleiben, vielleicht als
Berater Nebukadnezars. Auf bemerkenswerte Weise erhob Gott Daniel in
eine hohe Stellung am königlichen Hof, so daß er als Vermittler
zwischen dem König und den aus Juda Weggeführten dienen konnte, die
in Kürze (597 und 586) nach Babylon gebracht werden würden. B. Das Bildnis Nebukadnezars ( 3,1 - 30 ) 1. Die Aufstellung des Bildes ( 3,1 - 7 ) Dan 3,1 Der Eindruck, den die besondere Rolle, die
Nebukadnezar in der Geschichte der Heidenvölker spielen sollte ( Dan
2,37-38 ), auf ihn machte, unterscheidet sich stark von der Rolle,
die er in den Ereignissen von Kapitel 3 spielt. Er, der das Haupt
aus Gold war ( Dan 2,38 ), ließ ein goldenes Standbild aufstellen
( Dan 3,1 )! Wann dies war, wissen wir nicht. Es muß jedoch auf die
in Kapitel 2 berichteten Ereignisse folgen, denn Daniels drei
Freunde befanden sich in einer Autoritätsposition ( Dan 3,12 ), in
die sie eingesetzt worden waren ( Dan 2,49 ). Die Septuaginta fügt in Dan 3,1 noch hinzu, daß
dieses Ereignis im 18ten Jahr Nebukadnezars (587) geschah, ein Jahr
vor dem Untergang Jerusalems (vgl. 2Kö 25,8 ). Da die endgültige
Zerstörung Jerusalems der Höhepunkt der Eroberungen Nebukadnezars
war, könnte diese Einfügung stimmen. Eine genauere Untersuchung von
Daniel 3 macht es jedoch wahrscheinlicher, daß die hier berichteten
Ereignisse eher am Anfang der Regierungszeit von Nebukadnezar
standen. Er schien, durch die Aufstellung des Standbildes sein Reich
vereinigen und seine Herrschaft als König kräftigen zu wollen. Das
Standbild sollte das gemeinsame Zentrum des Königreiches werden. Das aramäische Wort für "Standbild" ( Q+lEm )
ist dem hebräischen Wort für Statue ( Qelem ) nahe verwandt. Als
allgemeiner Ausdruck kann es für ein Bildnis stehen, das in
menschlicher Form gebildet ist (vielleicht wie die Statue, die der
König in seinem Traum sah), obwohl dies nicht notwendig so ist.
Vielleicht hatte Nebukadnezar irgendwann einmal einen ägyptischen
Obelisken gesehen, auf dem die Eroberungszüge einer der Pharaonen
erzählt wurden, und wollte nun seine eigenen Eroberungen auf
ähnliche Weise verewigen. Die Ausmaße des Standbildes könnten auf
einen Obelisken zutreffen, denn es war sechzig Ellen hoch (über
dreißig Meter, etwa so hoch wie heute ein achtstöckiges Gebäude) und
nur sechs Ellen breit (etwa drei Meter). Dieses Verhältnis von 10:1
trifft auf keine menschliche Figur zu, es wäre zu schmal. Allerdings
verfremdeten die Babylonier die menschliche Figur oft bei ihren
Bildnissen und Statuen. Oder das Bildnis hatte die richtigen
menschlichen Ausmaße, stand aber auf einem hohen Sockel, damit es
noch mächtiger wirkte. Wie auch immer die Form des Bildnisses war,
jedenfalls besaß es eine furchterregende Größe (vgl. Dan 2,31 ),
sowohl wegen seiner Höhe als auch wegen des vielen Goldes, das dabei
verwendet worden war. Die Größe und das Gewicht der Statue scheinen
darauf hinzuweisen, daß sie nicht aus massivem Gold war. Vielmehr
muß sie von Gold überzogen gewesen sein. Ohne Zweifel war das Gold
an dieser Statue von dem Bild inspiriert, das Daniel als des Königs
Traum ausgelegt hatte ( Dan 2,32.38 ). Das Bild wurde auf dem Feld von Dura in der
Provinz von Babel aufgestellt . Dura war der in Mesopotamien
gebräuchliche Name für jeden Ort, der von Bergen oder Mauern
eingeschlossen war. "Im Lande Babel" bedeutet, daß es sich um einen
Ort in der unmittelbaren Nähe der Stadt Babel gehandelt haben muß,
von der aus Nebukadnezar sein Reich regierte. Archäologen haben
einen großen, quadratischen Block aus Ziegeln gefunden, etwa 9
Kilometer südöstlich von Babel, der die Grundlage für dieses
Standbild gewesen sein könnte. Da dieser Block inmitten eines
großen, weiten Feldes steht, muß die Größe des Standbildes ungeheuer
beeindruckend gewesen sein. Auch durch seine Nähe zu Babel wäre
dieses Feld ein passender Versammlungsort für die Obersten des
Reiches gewesen. Dan 3,2-3 Nebukadnezar versammelte acht Gruppen von
Obersten zur Einweihung des Standbildes . Vermutlich sollte also das
Bild das gesamte Reich und seine Einheit unter Nebukadnezar
darstellen. Die Obersten, die in Vers 2 erwähnt sind, werden erneut
in Vers 3 aufgelistet, und vier von ihnen werden in Vers 27 noch
einmal angeführt. Es soll also die politische Bedeutung dieses
Ereignisses hervorgehoben werden. Die Fürsten waren die eigentlichen
Repräsentanten des Königs, die Würdenträger waren militärische
Befehlshaber und die Statthalter politische Verwaltungsbeamte.
Die Ratgeber fungierten als deren Berater.
Die Schatzmeister verwalteten den Besitz des Reiches,
die Richter das Recht, und die Amtleute sprachen Recht entsprechend
den geltenden Gesetzen. Die anderen Mächtigen im Land waren
vermutlich untergeordnete Hilfskräfte der Fürsten. In dieser Liste
wurden vermutlich alle Gruppen erfaßt, die irgendeine politische
Funktion unter Nebukadnezar innehatten. Zu der Möglichkeit, daß Zedekia, Judas letzter
König, zu diesem Anlaß nach Babel befohlen wurde, vgl. die
Anmerkungen zu Jer 51,59 . So viele hohe Würdenträger und politisch
Verantwortliche zu sehen, die in der Gegenwart Nebukadnezars vor dem
Standbild von Dura standen und ihm ihre Ergebenheit schworen, muß
ein sehr eindrucksvolles Ereignis gewesen sein. Dan 3,4-6 Als Nebukadnezar befahl, daß all diese
Menschen vor dem goldenen Standbild niederfallen sollten, war dies
gleichsam ein öffentliches Bekenntnis und eine öffentliche
Unterwerfung unter seine absolute Autorität im gesamten Reich. Die Tatsache, daß die Obersten aber nicht nur
die Anweisung erhielten, vor dem Standbild niederzufallen, sondern
es auch anzubeten , zeigt, daß es sowohl politische als auch
religiöse Funktion hatte. Da keine bestimmten Götter genannt sind,
könnte man schließen, daß Nebukadnezar nicht einen bestimmten Gott
Babylons ehren wollte, sondern vielmehr eine neue Form der
religiösen Anbetung schaffen wollte, deren Zentrum dieses Standbild
war. Nebukadnezar wollte ein vereinigtes Königreich und eine
vereinigte Religion aufrichten. Der König machte sich selbst zum
Führer des Reiches und zum Führer der Religion. Alle, die unter ihm
dienten, mußten seine politische und seine religiöse Macht
anerkennen. Den von Nebukadnezar versammelten Obersten, die
auf dem Feld von Dura zusammengekommen waren, war nicht gesagt
worden, warum man sie zusammengerufen hatte. Als sie alle da waren,
kündigte der Herold des Königs an, daß die Obersten nun
Nebukadnezars politische und religiöse Macht anerkennen müßten. Der
Herold redete die Obersten dabei als Völker, Nationen und Männer aus
jeder Sprache an (vgl. V. 7 ; Dan 3,31;5,19;6,26;7,14 ). Er
betrachtete die Versammelten augenscheinlich als Vertreter aller der
Völker, über die sie herrschten. Das Tun der Obersten würde also
nicht nur sie selbst Nebukadnezar unterwerfen, sondern zugleich auch
ihre Völker. Die ausgezeichneten Vorbereitungen und die
Konstruktion des goldenen Standbildes machten das Ganze zu einem
ästhetisch überaus ansprechenden Ereignis. Dazu kam noch
musikalische Untermalung, so daß das Geschehen emotional äußerst
bewegend war. Zu den Musikern gehörten Blasinstrumente ( Horn und
Pfeifen ; vgl. Dan 3,10.15 ,andere Übersetzungen haben hier
"Posaune"), ein Rohrinstrument ( Flöte ) und Streichinstrumente
( Zither, Laute, Harfe ). Manche Kritiker denken, daß das Buch erst
später, in der Zeit des griechischen Reiches, geschrieben worden
sein könne, weil einige der Instrumentennamen griechische Namen
sind. Aber der Austausch zwischen Griechenland und dem Nahen Osten
war schon lange vor der griechischen Eroberung dieser Gegend durch
Alexander sehr rege (vgl. die Anmerkungen unter "Entstehungszeit und
Verfasserfrage" in der Einführung ). Wer sich dem Befehl der Anbetung des Bildes
widersetzte, würde mit dem sofortigen Tod bestraft, indem er in
einen brennenden Schmelzofen geworfen würde. Diese ernste Strafe
zeigte, daß die Unterwerfung und der Gehorsam jedes Obersten strikt
erwartet wurde. Dan 3,7 Überwältigt von dem königlichen Befehl, der
übermächtigen Größe des Standbildes und dem Klang der Musik, fielen
die versammelten Obersten nieder und beteten das goldene Standbild
an . Auf diese Weise erkannten sie und die durch sie vertretenen
Völker die politische und religiöse Autorität von Nebukadnezar an. 2. Die Anklage gegen die Juden ( 3,8 - 12 ) Dan 3,8-12 Es gibt keinen Hinweis auf die Größe der
Versammlung, die zu diesem Ereignis zusammengekommen war. Aber da
alle Obersten des Königreiches dazugehörten (V. 2 - 3 ), müssen es
recht viele gewesen sein. Einige Ratgeber (Astrologen; vgl. die
Anmerkungen zu Dan 1,17 ) kamen und schienen recht froh zu sein,
eine Anklage gegen die Juden vorbringen zu können. Das Wort, das mit
verklagten übersetzt wird, bedeutet eigentlich "in Stücke reißen".
Die Anklage war sehr ernst. Die Angeklagten sollten durch sie
vernichtet werden. Offensichtlich war Neid das Motiv der Ankläger,
denn sie redeten davon, daß Nebukadnezar einige Juden über die
einzelnen Bezirke von Babel gesetzt habe ( Dan 3,12 ; vgl. 2,49 ).
Der Neid entsprang offenbar aus der Tatsache, daß der König die
außergewöhnlichen Fähigkeiten dieser Männer erkannt hatte ( Dan
1,20 ). Unterworfene Völker, wie diese jüdischen Gefangenen, wurden
normalerweise mit Aufgaben des Dienstes betraut und nicht mit
Autorität über ein bestimmtes Gebiet. Aus diesem Grunde hatte man
Vorbehalte gegen die hohe Stellung von "einigen Juden". Die Ratgeber wollten sich offenbar bei dem
König Gunst verschaffen, indem sie die Weigerung dieser Juden, sich
vor dem Standbild zu verbeugen, mit ihrer eigenen Anbetung desselben
verglichen. Interessant ist, daß sie die Freunde Daniels
- Schadrach, Meschach und Abed-Nego - verklagten, aber nicht Daniel.
Da Daniel eine hohe politische Stellung erhalten hatte ( Dan 2,48 ),
könnte es sein, daß er nicht anwesend sein mußte (vgl. die
Anmerkungen zu Dan 4,8 ) oder anderswo im babylonischen Reich war
und dort seine Pflichten erfüllte. Oder vielleicht wagten es die
Astrologen nicht, Daniel, der ebenfalls anwesend war und sich
ebenfalls nicht verbeugte, anzuklagen. Was nun wirklich der Grund
war, wird nicht erwähnt. Sicher ist allerdings, daß Daniels Hingabe
an seinen Gott und sein Gehorsam gegenüber dem Gesetz ihm ganz
sicher verboten, sich vor dem Bildnis zu verbeugen. 3. Der Glaube der Angeklagten ( 3,13 - 18 ) Dan 3,13-15 Wie bedeutsam dieses Ereignis für Nebukadnezar
war, sehen wir in seiner Antwort auf die Anklage der Astrologen
bezüglich der drei unbeugsamen Juden (V. 9 - 12 ). Als er hörte, daß
die drei sich nicht vor dem Standbild verbeugen wollten, wurde
er wütend vor Zorn (vgl. V. 19 ; Dan 2,12 ). Die Hochachtung, die
Nebukadnezar vor diesen Männern gehabt hatte ( Dan 1,20 ), schloß
sie nicht von dem Gehorsam gegenüber seiner Autorität aus.
Nebukadnezar verfügte keine unmittelbare Strafe über die drei,
sondern fragte sie zunächst, ob die Anklage gegen sie wirklich wahr
sei. Er gab ihnen noch eine zweite Möglichkeit, sich vor dem
Standbild zu verbeugen. Auf diese Weise konnte er prüfen, ob die
vorgebrachte Anklage zutreffend war (oder ob sich die Einstellung
der drei geändert hatte). Der König machte ihnen deutlich, wie wichtig
eine solche Unterwerfung sei, und warnte sie, daß die Strafe für
Rebellion ( in einen brennenden Schmelzofen geworfen werden )
unmittelbar ausgeführt werden würde. Nebukadnezar sah sich dabei
selbst über allen Göttern stehen, denn er fragte: Welcher Gott wird
in der Lage sein, euch aus meiner Hand zu retten? Erneut wird
deutlich, daß er die absolute Autorität in politischer und
religiöser Hinsicht für sich beanspruchte. Er forderte jeden Gott
heraus, seine Autorität einzuschränken. Das Ganze wurde auf diese
Weise zu einem Konflikt zwischen Nebukadnezar und Jahwe, dem Gott
der Freunde Daniels. Dan 3,16-18 Die drei zeigten absolutes Vertrauen in Gott
und sagten, daß ihr Gott größer sei als Nebukadnezar und daß er sie
aus dem Gericht Nebukadnezars befreien könne und so seine Macht
zeigen. Ihre Worte, der Gott, dem wir dienen (vgl. Dan 6,17.21 ),
zeigen, daß sie überzeugt waren, daß die Autorität Gottes größer war
als die von Nebukadnezar beanspruchte Autorität. Auch wenn sie von
Nebukadnezar angestellt waren ( Dan 2,49 ), "dienten" sie doch
Jahwe. Ihr Gott verlangte unbedingten Gehorsam und
hatte ihnen verboten, irgendwelche anderen Götter anzubeten. Wenn
jemand Gott gehorcht, dann ist es nicht vermessen, wenn er auch
erwartet, daß Gott ihn beschützt und ihm hilft. Der Gehorsam
gegenüber Gott aber war wichtiger als das Leben dieser drei Männer.
Deshalb würden sie Gott auch dann gehorchen, wenn er sie nicht
retten würde. Sie weigerten sich also, Nebukadnezars Göttern zu
dienen ( oder das Bild anzubeten , das er gemacht hatte, was
bedeuten könnte, daß sie ihn selbst als Gott anbeten würden), selbst
wenn dies ihren Tod bedeuten würde. 4. Die Rettung durch Gott ( 3,19 - 30 ) Dan 3,19 Trotz der Hochachtung, die Nebukadnezar
gegenüber diesen dreien gehabt hatte ( Dan 1,20 ), mußte er nun
seine Autorität zeigen, indem er ihre sofortige Hinrichtung
anordnete. Dies würde für alle anderen, die sich vielleicht
überlegten, gegen seine politische oder religiöse Autorität zu
rebellieren, eine Lektion sein. Voller Zorn (vgl. Dan 2,12;3,13 )
ließ Nebukadnezar den Ofen siebenmal heißer machen als üblich . Ein
schwaches Feuer hätte ihre Qualen nur hinausgezögert, indem es die
Dauer ihrer Bestrafung hinausgezögert hätte. Ein heißes Feuer
dagegen würde sie auf der Stelle töten. Nebukadnezar wollte
öffentlich zeigen, was es kostete, sich gegen seine Autorität
aufzulehnen. Dan 3,20-23 Der König befahl einigen von seinen stärksten
Soldaten , die drei zu binden und sie in den brennenden Ofen zu
werfen. Der Schmelzofen war vermutlich mit einer Öffnung nach oben
konstruiert, durch die man Brennmaterial zugeben konnte, und einer
Öffnung unten an der Seite, wo man die Asche herausholen konnte. Die
Soldaten ließen die drei in den brennenden Ofen hinunter. Es war
eigentlich üblich, den zum Tode Verurteilten die Kleider
auszuziehen, aber aufgrund der Eile, in der der König seinen Befehl
ausgeführt wissen wollte ( der Befehl des Königs war dringend ), tat
man es dieses Mal nicht. Die Flammen schlugen durch die obere
Öffnung des Ofens und töteten die Männer , die die drei in das Feuer
geworfen hatten. Dan 3,24-26 a Nebukadnezar beobachtete das Ganze sehr genau
aus einer sicheren Distanz. Als er, vermutlich durch die untere
Öffnung, in den Ofen blickte, war er sehr erstaunt über das, was er
sah. Die Männer, die gebunden gewesen waren, gingen frei im Ofen
umher. Statt der drei Männer sah er jetzt vier im Feuer, und der
vierte, so beobachtete Nebukadnezar, war wie ein Sohn der Götter .
Hier handelt es sich vermutlich um den präinkarnierten Christus
(vgl. die Anmerkungen zu 1Mo 16,13 ). Zwar wußte Nebukadnezar nichts
vom Sohn Gottes, aber er erkannte sofort, daß die vierte Person
übernatürlich war. Nebukadnezar ging so nahe an die Öffnung des
Ofens heran, wie er es wagen konnte, damit man seinen Befehl hören
konnte. Er hieß die drei aus dem Ofen herauskommen. Dabei nannte er
sie Diener Gottes des Höchsten . Nebukadnezar anerkannte also, daß
der Gott, dem diese drei treu dienten (vgl. Dan 3,17 ), wahrhaft
Gott ist. Der Ausdruck "Gott der Höchste", bzw. einfach nur "der
Höchste", kommt im Buch Daniel 13mal vor, mehr als in jedem anderen
Buch, außer den Psalmen. Von diesen 13 Vorkommnissen finden sich
sieben in Situationen, die im Zusammenhang mit König Nebukadnezar
stehen ( Dan 3,26.32;4,14.21-22.29.31 ), und zwei im Zusammenhang
mit Belsazar ( Dan 5,18.21 ). Die anderen vier Vorkommnisse sind
in Kapitel 7 (V. 18.22.25.27 ). Dieses Bekenntnis war bemerkenswert
für Nebukadnezar. Bis dahin hatte er geglaubt, daß seine
babylonischen Götter Jahwe überlegen waren (auch wenn er die Größe
Jahwes schon einmal anerkannt hatte; Dan 2,47 ). Schließlich hatte
er Gefangene aus Juda und Geräte aus dem jüdischen Tempel
weggeführt. Aber seine Götter konnten niemand lebend aus einem Ofen
retten (vgl. Dan 3,29 )! Der Gott dieser drei (Jahwe) war, wie sie
es vorausgesagt hatten, in der Lage, sie aus dem brennenden Ofen zu
retten (V. 17 ). Aber obwohl der König die ungewöhnliche Größe
Jahwes anerkannte, sah er in ihm nicht seinen Gott. Dan 3,26.27 (Dan 3,26b.27) Als die drei aus dem Feuer kamen und sorgfältig
untersucht wurden, entdeckten die Obersten Nebukadnezars (vgl. die
Anmerkungen zu V. 2 ), daß die Körper der drei Männer unverletzt und
ihre Kleider nicht angebrannt waren, ja, daß nicht einmal der Geruch
von Feuer an den Kleidern haftete. Dan 3,28-30 Als diese Beweise Nebukadnezar vorgelegt
wurden, erklärte er, daß dies ein Eingreifen des Gottes von
Schadrach, Meschach und Abed-Nego gewesen sei, der seinen Engel
gesandt habe (vgl. V. 25 ), um die drei, die diesem Gott dienten, zu
retten (vgl. V. 17 ). Nebukadnezar war von der Hingabe dieser drei
an ihren Gott bewegt (er wußte, daß sie auf ihn vertrauten ), auch
wenn dies dazu geführt hatte, daß sie dem König ungehorsam waren und
ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt hatten. Als Folge des Ereignisses solle nun, so
erklärte der König, der Gott der drei jungen Männer geehrt werden.
Jeder, der diesen Gott lästere, werde sein Leben verlieren (er
werde in Stücke geschnitten und sein Haus zu Schutt verbrannt;
vgl. Dan 2,5 ). Dann ehrte der König Schadrach, Meschach und
Abed-Nego, indem er sie in Positionen mit noch größerer Ehre und
Macht in seinem Königreich einsetzte. Dieses historische Ereignis scheint auch
prophetische Bedeutung zu haben. In der kommenden großen Trübsal
wird ein heidnischer Herrscher ( Dan 7,8 ) für sich selbst die
Anbetung beanspruchen, die nur Gott zusteht (2. Thes 2,4; Offb
13,8 ). Jeder, der sein Recht auf Anbetung ablehnt, wird getötet
werden ( Offb 13,15 ). Indem er sich selbst politische und religiöse
Macht zuschreibt, wird er Israel unterdrücken ( Offb 13,7 ). Die
meisten Menschen in der Welt, unter ihnen auch viele in Israel,
werden sich ihm unterwerfen und ihn anbeten. Nur ein kleiner
Überrest in Israel wird, wie die drei in den Tagen Daniels, sich
weigern. Viele, die ihn nicht anbeten, werden von dem Antichristen
hart bestraft werden, einige werden um ihrer Treue zu Jesus Christus
willen den Märtyrertod sterben. Aber einige werden von dem Herrn
Jesus Christus aus dieser Verfolgung errettet, wenn er auf diese
Erde wiederkommt. In der kommenden Zeit der großen Trübsal wird
Gott für diesen gläubigen Überrest tun, was er auch für die drei
Freunde Daniels getan hat. Sie widerstanden dem Erlaß des Königs,
und obwohl ihnen Leiden und Unterdrückung nicht erspart blieben,
wurden sie doch durch den Gott, dem sie vertrauten, gerettet. Ganz
sicher wird der Überrest an gläubigen Juden in dieser kommenden Zeit
gerade in diesem Ereignis im Leben der drei Freunde Daniels großen
Trost und große Hilfe finden, wie dies auch bei den damals unter
heidnischer Herrschaft lebenden Juden der Fall gewesen sein wird. C. Der zweite Traum Nebukadnezars ( 3,31-4,34 ) 1. Die Bekanntmachung des Königs ( 3,31 - 33 ) Offenbar vergingen zwischen dem Erlebnis der
drei Freunde Daniels ( Dan 3,1-30 ) und diesem Ereignis ( Dan
3,31-4,34; 3,31-33 gehört inhaltlich zu Dan 4 ) eine Reihe von
Jahren. Nebukadnezar regierte insgesamt 43 Jahre lang (605 - 562 v.
Chr.). Sein Wahnsinn dauerte sieben Jahre. Er kehrte nur noch für
eine kurze Zeit auf den Thron zurück, bevor er starb. Er hatte vor
diesen letzten Jahren seine ausgedehnten Bauvorhaben in die Tat
umgesetzt (V. 27 ). Das Ereignis könnte sich also etwa im 35sten
Jahr seiner Herrschaft, ungefähr im Jahr 570 v. Chr. abgespielt
haben. Damit wäre es etwa 30 Jahre später als das Erlebnis der drei
Männer im Feuerofen. Daniel war nun ungefähr 50 Jahre alt. Dan 3,31-33 Daniel berichtet von einer offiziellen
Erklärung, die Nebukadnezar in seinem ganzen Reich verbreiten ließ.
Daniel wurde von dem heiligen Geist geleitet, dieses Dokument in
sein Buch aufzunehmen. Gott hatte dem König gezeigt, daß er die, die
auf ihn vertrauten und ihm gehorchten, bewahren und retten konnte.
Aber die Offenbarung Gottes gegen Nebukadnezar war damit noch nicht
zu Ende. Denn Gott offenbarte sich dem König auch durch die
Umstände, von denen in diesem Abschnitt die Rede ist. In seiner
Erklärung an alle Völker seines Reiches ( Völker, Nationen und
Männer aus allen Sprachen ; vgl. die Anmerkungen zu Dan 3,4 ) macht
Nebukadnezar deutlich, daß er durch wundersame Zeichen Gottes Macht
erkannt habe und daß Gott ( der Höchste ; vgl. die Anmerkungen
zu Dan 3,26 ) allmächtig ist und seinen Willen in seinem ewigen
Königreich ausführt. Nebukadnezar, der früher geglaubt hatte, daß
seine eigene Macht und Weisheit das Königreich unter seiner
Herrschaft hatte erstarken lassen, erfuhr nun, daß es Gott ist, der
nach seinem Willen herrscht und als seine Werkzeuge benutzt, wen er
will. 2. Die Vision des Baumes ( 4,1 - 15 ) a. Die Bitte um Auslegung durch die Weisen ( 4,1 - 4 ) Dan 4,1-4 Zum zweiten Mal wird Nebukadnezar eine
Offenbarung durch einen Traum geschenkt (vgl. Dan 2,1.27-29 ). Auch
dieser Traum, wie schon Jahre vorher der erste, beunruhigte den
König (vgl. Dan 2,1.3 ). Obwohl er zufrieden und im Wohlstand
lebte, fürchtete er sich. Deshalb wollte er eine Auslegung des
Traumes, um seine Furcht beruhigen zu können. Zwar waren alle die
weisen Männer von Babylon zur Zeit seines ersten Traumes wegen ihrer
Unfähigkeit, den Traum des Königs zu erzählen und zu deuten, beim
König in Ungnade gefallen ( Dan 2,10-12 ), aber natürlich hatte er
wieder Berater bekommen. So versammelte er nun die Magier, Zauberer,
Astrologen und Wahrsager (vgl. die Anmerkungen zu Dan 1,17 ) und
befahl ihnen, den Traum zu deuten, den er ihnen erzählte. Aber sie
konnten es nicht. b. Der Traum wird Daniel berichtet ( 4,5 - 15 ) Dan 4,5 Dann erzählte der König Daniel den Traum.
Wieder einmal war er von seinen Ratgebern im Stich gelassen worden
und mußte bei jemand Hilfe suchen, der Jahwe diente. Dennoch
anerkannte der König noch immer seinen eigenen Gott (vermutlich Bel,
alias Marduk), da er Daniel bei seinem babylonischen Namen nennt
( Beltschazar ; vgl. die Anmerkungen zu Dan 1,7 ), in dem der Name
Bels steckt. Das Wort schließlich läßt erkennen, daß einige Zeit
vergangen war, bevor Daniel in die Gegenwart des Königs trat.
Offensichtlich gehörte Daniel nicht zu den Weisen, die zuerst
versammelt worden waren, um den Traum zu deuten ( Dan 4,3 ).
Augenscheinlich war David in einer bedeutenden Position innerhalb
der Regierung, nicht aber ein Ratgeber des Königs (vgl. die
Anmerkungen zu Dan 3,12 ). Dies würde erklären, warum er nicht unter
der ersten Gruppe der Weisen war, die der König versammelt hatte. Aufgrund des Eindruckes, den Daniels erste
Traumdeutung auf Nebukadnezar gemacht hatte (vgl. Dan 2,46 ), ist es
nicht wahrscheinlich, daß der König die Fähigkeit Daniels, Träume zu
deuten, vergessen hatte. Vielleicht fürchtete der König sich
insgeheim vor der bedrückenden Botschaft, die in seinem Traum
enthalten sein könnte, und hoffte, daß die Weisen sie etwas
abmildern würden, wenn sie ihn deuten würden. Von Daniel dachte der
König, daß er den Geist der heiligen Götter hätte (vgl. Dan
4,6.15;5,11.14 ). Er wußte, daß durch Daniel die Botschaft seines
Traumes enthüllt würde. Offensichtlich glaubte Nebukadnezar noch
immer an viele Götter, auch wenn er Jahre zuvor die Souveränität
Jahwes anerkannt hatte ( Dan 2,47; 3,28-29 ). Dan 4,6-9 Nebukadnezar nannte Daniel den Obersten unter
den Magiern . Er tat dies nicht, weil Daniel an der Spitze der
Weisen stand, sondern weil er weiser war als sie alle und Träume
verstehen und deuten konnte. Der König verpflichtete Daniel, ihm
seinen Traum zu deuten. Es war ein einfacher Traum. Nebukadnezar war
nicht verwundert durch das, was er gesehen hatte, sondern durch
seine Unfähigkeit, die Bedeutung des Traumes zu erkennen. Einige Zeit vorher war er in den Libanon
gereist, um das Fällen der großen Zedern zu beobachten, die die
Balken für seine Bauvorhaben in Babel liefern sollten. Er hatte
gesehen, wie große, mächtige Bäume gefällt wurden. Auch der Baum ,
den er im Traum gesehen hatte, war bemerkenswert in seiner Größe
(V. 7 - 8 ), seiner Schönheit (V. 9 ) und seiner Frucht (V. 9 ). Er
gab allen Tieren und Vögeln , die unter oder in ihm
lebten, Speise und Schutz . Dan 4,10-11 Der König berichtete nun, daß er einen Boten
gesehen habe, einen heiligen. Diesen heiligen Boten, den
Nebukadnezar nicht kannte, hätte ein Jude sofort als Engel vom
Himmel erkannt, der mit einer Ankündigung gesandt worden war. Der
Bote sagte, daß der Baum gefällt werden, die Zweige von dem Stamm
abgeschlagen, die Blätter entfernt und die Frucht zerstreut werden
würde. Die Tiere und Vögel, die unter und in seinen Zweigen Schutz
gefunden hatten, würden verstreut. Dan 4,12-13 Aber der Stumpf sollte nicht entfernt, sondern
mit Ketten aus Eisen und Erz befestigt werden. Vermutlich hätte der
erste Teil des Traumes, das Bild des Baumes (V. 7 - 9 ),
Nebukadnezar nicht beunruhigt. Vielleicht wäre er sogar stolz
geworden, wenn er sich selbst in dem Baum erkannt hätte als der, der
so überreich für alle die sorgte, die in seinem Herrschaftsbereich
wohnten. Aber dieser zweite Teil der Vision (V. 10 - 12 a), daß
nämlich der Baum gefällt werden würde, muß ihn sehr beunruhigt
haben. Der dritte Teil der Vision (V. 12 b - 13 ) muß
noch erschreckender gewesen sein - falls Nebukadnezar sich selbst in
diesem Baum erkannte. Der gesunde Menschenverstand würde ihn
verlassen, und er würde unter den Tieren leben, wahnsinnig geworden.
Dieser Zustand würde längere Zeit andauern ( bis sieben Zeiten
vergangen sind ; vgl. V. 20.22.29 ). Die "sieben Zeiten" waren
vermutlich sieben Jahre, denn (a) sieben Tage oder Monate hätten
nicht ausgereicht, damit sein Haar so lang wie Federn werden konnte
(V. 30 ), und (b) "Zeiten" bedeutet auch in Dan 7,25 Jahre (vgl. die
Anmerkungen dort). Dan 4,14-15 Mehrere (heilige) Boten verkündigten die
Lektion, die durch diese Vision gelernt werden sollte: damit die
Lebenden erkennen, daß der Höchste (vgl. die Anmerkungen zu 3, 26)
über alle Reiche der Menschen erhaben ist und den Niedrigsten der
Menschen über sie setzen kann. Diese Vision war ein Stück der
Offenbarung Gottes, durch die er sich selbst und seine Autorität
über Nebukadnezar, der sich voller Stolz über Gott erhoben hatte,
zeigte. Nun bat der König noch einmal (vgl. Dan 4,6 ), daß Daniel
(Beltschazar; vgl. die Anmerkungen zu V. 5 ) ihm die Deutung des
Traumes sagen möge. 3. Die Vision wird erklärt ( 4,16 - 24 ) Dan 4,16 Bei der Deutung des ersten Traumes von
Nebukadnezar hatte Daniel keinerlei Bedenken gehabt ( Dan 2,27-45 ).
Nun aber zögerte er, den Traum auszulegen. Der erste Traum hatte
Nebukadnezar verherrlicht, er war das goldene Haupt gewesen. Aber
dieser zweite Traum erniedrigte ihn. Als der König das Zögern
Daniels bemerkte, ermutigte er ihn, nicht entsetzt zu sein, sondern
ihm die Bedeutung des Traumes zu sagen. Daniel begann, indem er
zunächt respektvoll betonte, daß er wünschte, der Traum handle von
den Feinden des Königs. Dan 4,17-19 Daniel wiederholte die Beschreibung von der
Größe des Baumes (V. 17 - 18 ) und erklärte dann, daß der Baum ein
Bild für Nebukadnezar sei (V. 19 ). Er überbrachte also die gute
Nachricht zuerst! Nebukadnezar war, wie der Baum, groß und stark
geworden , und sein Reich hatte sich ausgedehnt und war unter seiner
Herrschaft erstarkt. Sein Reich war größer geworden als jedes andere
Reich zu jener Zeit. Dan 4,20-23 Dann kam die schlechte Nachricht. Das Fällen
des Baumes - auf einen Erlaß des Höchsten hin - bedeutete, daß
Nebukadnezar aus seiner Machtstellung im Königreich entfernt werden
würde. Er würde aus dem Palast getrieben (weg von den Menschen) und
wie ein Tier unter wilden Tieren leben, bis sieben Zeiten (V. 20 )
vergangen sein würde. Das Wort "Zeiten" wird noch einmal in Dan
7,25 benutzt, wo es ebenfalls Jahre meint (vgl. die Anmerkungen
dort). Daniel sagt also voraus, daß Nebukadnezar sieben Jahre lang
als Wahnsinniger leben werde. Es gibt eine Geisteskrankheit, die als
Zooanthropie bekannt (und heute durchaus verbreitet) ist. Dabei hält
sich ein Mensch für ein Tier und verhält sich auch entsprechend.
Vielleicht war dies die Krankheit, die Nebukadnezar hatte. Nachdem
Daniel diese Geisteskrankheit angekündigt hatte, kam er darauf zu
sprechen, welchen Zweck sie haben würde. Die Boten hatten dies im
Traum angekündigt ( Dan 4,14 ). Durch seine Krankheit werde
Nebukadnezar dahin kommen, anzuerkennen, daß der Höchste über die
Reiche der Menschen herrscht und sie gibt, wem er will. Dan 4,23-24 Daniel erläuterte weiter, daß die Tatsache,
daß der Stumpf nicht ausgerissen wurde (sondern gesichert und im
Feld gelassen; V. 12 ), zeige, daß der König auf den Thron wieder
eingesetzt würde. Aber diese Erneuerung werde erst geschehen, wenn
Nebukadnezar die souveräne Macht der Herrschaft Gottes anerkannt
habe ( daß der Himmel herrscht ). Daniel schloß, indem er den König ermahnte,
seine Sünden zu unterlassen . Hier wird ein göttliches Prinzip
deutlich: Jedes angekündigte Gericht kann abgewendet werden, wenn es
Buße und Umkehr gibt (vgl. das Buch Jona). Daniel drängte
Nebukadnezar, sich von seinem sündigen Stolz abzuwenden und die
Früchte der Gerechtigkeit zu bewirken ( tun, was recht ist, und
freundlich zu den Unterdrückten sein ) - Taten, die aus einem Herz
kommen, das sich Gott unterworfen hat. Hätte Nebukadnezar dies
getan, dann hätte er die sieben Jahre seines Wahnsinns vermeiden
können. 4. Die Vision wird erfüllt ( 4,25 - 30 ) Dan 4,25-30 Bald schon war die Offenbarung, die durch
Daniels Deutung an Nebukadnezar ergangen war, vergessen und die
Ermahnung ignoriert. Nebukadnezar fuhr in seinem sündigen Stolz
fort. Er kehrte nicht um, wie Daniel ihm geraten hatte (V. 24 ). Der
König wurde von seinem großen Egoismus beherrscht. Er sah die Stadt
Babel als seinen eigenen, persönlichen Besitz und als eine
Widerspiegelung seiner Macht und Herrlichkeit an (V. 27 ). Gott ertrug Nebukadnezars Stolz zwölf Monate
lang . Dies könnte noch einmal eine Zeit der Gnade gewesen sein, in
der Gott Nebukadnezar die Möglichkeit gab, Buße zu tun und zu ihm
umzukehren. Aber als Nebukadnezar die Ermahnung Daniels zur Umkehr
ignorierte, verfügte Gott, der Nebukadnezar seine Autorität gegeben
hatte, die Unterbrechung seiner Herrschaft. Was vorausgesagt worden war, wurde nicht länger
zurückgehalten, und das Gericht kam über Nebukadnezar, so wie Daniel
es ausgelegt hatte. Als der König sich seiner Werke rühmte, während
er sich auf dem Dach (vermutlich einem Flachdach, wie in jenen Tagen
üblich) seines königlichen Palastes aufhielt (V. 26 ),
verkündigte eine Stimme vom Himmel (V. 28 ) seine Strafe. Wie vorausgesagt, lebte der König wie ein Tier
auf dem Feld. Er aß Gras wie das Vieh . (Später sagt Daniel, daß der
König wie ein wilder Esel lebte; Dan 5,21 ). Sein Körper wurde vom
Tau durchnäßt, sein Haar wuchs so lange wie die Federn eines Adlers
und seine Nägel wie die Klauen eines Vogels. Er kümmerte sich nicht
um seine äußere Erscheinung. Nebukadnezar wurde, vielleicht wegen
seiner königlichen Stellung, in einem geheimen Park versteckt, damit
sein wahrer Zustand vor dem Volk verborgen werden konnte. Es ist
auch denkbar, daß Daniel während der Abwesenheit des Königs eine
wichtige Rolle bei der Erhaltung des Königreichs und vielleicht auch
der Verhinderung eines Königsmordes gespielt hat. 5. Der König wird gesund ( 4,31 - 34 ) Dan 4,31-32 Als die sieben Jahre (vgl. die Anmerkungen zu
V. 20 ) vorbei waren ( nach dieser Zeit ), wurde Nebukadnezar, der
wieder Verstand erhalten hatte, erneut in seine Herrschaft
eingesetzt und lobte den Höchsten (vgl. die Anmerkungen zu Dan
3,26 ). Der König, der seine eigene Ehre und Herrlichkeit gesucht
hatte, erkannte nun an, daß der Höchste für immer lebt . Der König
bekannte, daß Gottes Herrschaft ewig ist und daß sein Reich bestehen
bleibt (vgl. Dan 6,27; 7,14.27 ). Er anerkannte also Gottes Allmacht
und Autorität. Nebukadnezar anerkannte aber auch Gottes
unabänderlichen Willen: Er tut, wie ihm gefällt, mit den Mächten des
Himmels und den Völkern auf der Erde . Auch bekannte der König, daß
sich der Mensch vor Gott verantworten müsse, nicht Gott vor dem
Menschen, denn niemand könne Gott an seinem Tun hindern und niemand
habe das Recht, ihn in Frage zu stellen (vgl. Hi 33,12 b. 13 ; Jes
29,16; 45,9; Röm 9,19-20 ). Dan 4,33-34 Dieses Bekenntnis zu Gottes Recht und
Herrschaft (V. 31 - 32 ) führte dazu, daß der Verstand des Königs
wiederkehrte (vgl. V. 31 ) und er wieder auf seinen Thron eingesetzt
wurde. Nachdem er vor Gott gedemütigt worden war, wurde Nebukadnezar
zu größeren Ehren erhoben, als er sie vorher gekannt hatte. Er
sagte, daß er den König des Himmels preise, ehre und verherrliche
(vgl. "geehrt" und "verherrlicht" in V. 31 ). Diese Verben weisen
auf ein beständiges Tun hin. Nebukadnezar tat dies immer wieder. Es
geht dabei um Ehrfurcht, Respekt, Verehrung, Bewunderung und
Anbetung. Da Nebukadnezar sagte, daß diese Dinge sein
Leben kennzeichnen würden, haben viele Ausleger gemeint, daß er eine
Erneuerung erlebt habe und ein Kind Gottes geworden sei.
Nebukadnezar bekannte, daß das, wie Gott an ihm gehandelt hatte,
recht und gerecht gewesen war. Ein solches Bekenntnis kann natürlich
von niemand geäußert werden, der in Rebellion gegen Gott lebt.
Außerdem gab der König zu, daß er in Stolz gewandelt war (vgl. Dan
5,20 ), aber durch seine Erfahrung gedemütigt worden sei. Auch
dieses würde dafür sprechen, daß Nebukadnezar durch sein
neuentdecktes Wissen über Gott völlig verändert worden war. Dieses Ereignis scheint von prophetischer
Bedeutung zu sein wie auch das aus Kapitel 3 . Obwohl es Gott ist,
der die Heiden in seinem Plan während der Zeit der Heiden auf einen
so bedeutsamen Platz stellt, leben doch die meisten Völker und
Menschen in Rebellion gegen ihn. Diese Einstellung wird sehr
deutlich in Ps 2,1-3 beschrieben. Gott wird mit den Nationen fertig
werden, sie demütigen und sich und seiner Herrschaft unterwerfen.
Ein Zweck der großen Trübsal, die der Wiederkunft Christi direkt
vorausgehen wird, wird es sein, die Völker zu demütigen und dahin zu
bringen, daß sie sich der Herrschaft Christi unterordnen. Nach
Beendigung der Gerichte Gottes, die in Offb 6-19 beschrieben werden,
wird Jesus Christus, der siegreiche Reiter auf dem weißen Pferd, vom
Himmel herabkommen und die Völker zerschmettern. Dann wird ein Engel
verkündigen, daß das Reich der Welt das Reich unseres Herrn und
seines Christus geworden ist und er für immer und ewig regieren wird
( Offb 11,15 ). Gottes Gericht über Nebukadnezar, das ihn unter
Gottes Autorität und Herrschaft unterwerfen sollte, scheint ein
Vorbild für Gottes Gericht über die Nationen zu sein, durch das er
sie der Autorität des Einen unterwerfen wird, dem das Recht zu
herrschen gegeben ist. D. Das Fest Belsazars ( 5,1 - 6,1 ) 1. Die Lästerung des Königs ( 5,1 - 4 ) Die Ereignisse, die in Dan 1-4 berichtet
werden, gehören in die Herrschaftszeit von Nebukadnezar, unter dem
das babylonische Weltreich wuchs und vereinigt wurde. Nebukadnezar
starb 562 v. Chr., nach 43jähriger Herrschaft. Die darauf folgenden
Jahre der babylonischen Geschichte bis zur Eroberung durch Kyrus
(539 v. Chr.) waren durch einen immer größer werdenden Verfall,
Intrigen und Morde gekennzeichnet. Auf Nebukadnezar folgte sein Sohn
Ewil-Merodach, der nur zwei Jahre lang regierte (562 - 560 v.
Chr.; 2Kö 25,27-30; Jer 52,31-34 ). Ewil-Merodach wurde im August
560 durch Neriglissar, den Schwiegersohn Nebukadnezars, ermordet.
Neriglissar regierte darauf vier Jahre lang (560 - 556 v. Chr.). Er
ist der Nergal-Sarezer, der in Jer 39,3.13 erwähnt wird. Nach seinem
Tod folgte ihm sein junger Sohn Labaschi-Marduk auf dem Thron, der
aber nur zwei Monate regierte (Mai und Juni 556), bevor er ermordet
und durch Nabonidus ersetzt wurde, der dann 17 Jahre lang König über
Babylon war (556 - 539 v. Chr.) Vgl. dazu die Tabelle "Könige des
neubabylonischen Königreiches" in der Einführung . Nabonidus tat viel, um die Herrlichkeit, die
das babylonische Reich unter Nebukadnezar gehabt hatte, wieder
aufzurichten. Seine Mutter war die Hohepriesterin des Mondgottes in
Haran. Vielleicht war es ihr Einfluß, daß er ein großes Interesse an
der Erneuerung und Verbreitung der babylonischen Religion hatte und
viel tat, um die verlassenen Tempel wieder zu restaurieren. Von den
17 Jahren seiner Herrschaft verbrachte er zehn außerhalb von Babylon
(554 - 545). In Haran erneuerte er den Tempel des Mondgottes Sin,
dann griff er Edom an und eroberte Teile von Arabien, wo er dann
einige Zeit lebte. Belsazar war der älteste Sohn von Nabonidus. Er
war von seinem Vater als Mitregent ernannt worden. (Nebukadnezar
wird der Vater von Belsazar genannt [ Dan 5,2.11.13.18 ; vgl.
V. 22 ], da dieser einer seiner Nachfolger auf dem Thron war.) Diese
Mitregentenschaft erklärt, warum Belsazar König genannt wird (V. 1 )
und warum er königliche Autorität ausübte, obwohl eigentlich
Nabonidus auf dem Thron saß. Dan 5,1 Babel wurde von einem persischen Heer belagert,
das von Ugbaru, dem Regenten von Gutium, angeführt wurde, während
Belsazar ein großes Festmahl für seine tausend Obersten in der Stadt
gab. Belsazars Name bedeutet "Bel (ein anderer Name für den Gott
Marduk) hat den König beschützt". Vielleicht sollte das Festmahl die
Verachtung Belsazars für die Perser zeigen und die Ängste des Volkes
zerstreuen. Archäologen haben in Babel eine große Halle ausgegraben,
die über 16 m breit und knapp 50 m lang ist und getünchte Wände hat.
Solch ein Raum hätte genügt, um diese große Menge Menschen zu
beherbergen. Belsazar hielt seine Stadt wegen ihrer dicken und
mächtigen Mauern vor allen Angriffen sicher. In der Stadt waren
Vorräte gelagert, die für 20 Jahre ausgereicht hätten. Der König sah
also keinen Grund, warum er sich sorgen sollte. Dan 5,2-4 Das Festmahl selbst zeigte Belsazars Verachtung
für die Macht der Menschen. Um nun auch noch seine Verachtung für
die Macht des wahren Gottes zu zeigen, ließ er die goldenen und
silbernen Becher, die Nebukadnezar aus dem Tempel in Jerusalem
genommen hatte (vgl. Dan 1,1-2 ), in den Festsaal bringen, damit die
versammelten Fürsten und Mächtigen aus ihnen trinken konnten. Bei
ihrem Trinken ehrten die Menschen die Götter Babylons - Götzen aus
Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Holz und Stein. Nabonidus, Belsazars
Vater, hatte versucht, die babylonische Religion zu stärken. In
Übereinstimmung damit könnte dieses Tun seines Sohnes ein Versuch
gewesen sein, den Einfluß der durch Nebukadnezar erfolgten Ehrung
des Gottes von Israel ( Dan 4,31-32 ) zu beseitigen. Anwesend waren
übrigens auch die Frauen und Nebenfrauen des Königs. 2. Die Offenbarung an den König ( 5,5 - 12 ) Dan 5,5-7 Plötzlich wich die ausgelassene Fröhlichkeit
einer großen Erschrockenheit. Nahe bei einem der Leuchter, die den
Festsaal erhellten, sah man die Finger einer menschlichen Hand , die
auf die getünchte Wand schrieben. Der entsetzte König (vgl. Dan
4,2 ) beobachtete, wie die Hand eine Botschaft schrieb. Offenbar
hatte sich der König aus dem Stuhl, von dem aus er die
Feierlichkeiten leitete, erhoben und schaute stehend auf die Wand.
Er war so erschrocken, daß seine Beine versagten und er hinfiel. Wie
in kritischen Situationen üblich (vgl. Dan 2,2; 4,3-4 ), rief
Belsazar sofort die Weisen, Zauberer, Astrologen und Wahrsager (vgl.
die Anmerkungen zu Dan 1,17 ) zusammen und versprach dem eine
Belohnung, der ihm die Bedeutung dieses seltsamen Phänomens
erläutern konnte. Die versprochene Belohnung war groß. Der
Ausleger würde in Purpur gekleidet werden (vgl. den purpurnen Mantel
Mordechais; Est 8,15 ), d. h. ihm würde königliche Macht gegeben.
Außerdem würde er eine goldene Kette erhalten (vgl. 1Mo 41,42 ), die
ohne Zweifel hohen Wert hatte. Er würde der dritthöchste Herrscher
im Königreich . Da Nabonidus König und Belsazar Koregent waren, war
das höchste Amt, das man anbieten konnte, das des dritthöchsten
Herrschers. Dieses Angebot des Königs macht deutlich, wie sehr er
sich fürchtete. Dan 5,8-12 Aber die Weisen waren nicht fähig, das
Geschriebene zu lesen oder zu deuten. Dies ließ die Furcht des
Königs noch größer werden. Diese Unfähigkeit, die Botschaft zu
verstehen, machte die ganze Sache noch geheimnisvoller. Alle Gäste,
die wie der König das Schreiben an der Wand gesehen hatten, waren
aufs äußerste verwirrt ( seinen Mächtigen wurde angst und bange ).
Das Durcheinander in der Festhalle drang zu den Ohren der Königin .
Offenbar war sie nicht die Frau Belsazars, denn seine Frauen waren
ja bei ihm in der Halle (V. 2 - 3 ). Sie war die Mutter oder
vielleicht sogar die Großmutter des Königs. Daß sie sowohl
Nebukadnezar als auch Daniel gut kannte, scheint eher auf die
Großmutter hinzuweisen. Offenbar war sie Daniel vorher bereits
begegnet, denn sie beschrieb ihn als einen Mann, der den Geist der
heiligen Götter hat (vgl. Dan 4,5-6.15;5,14 ). Sie wußte von
seiner Einsicht , seinem Verständnis und seiner Weisheit (V. 11 ),
seinem Wissen und Verstand und seiner Fähigkeit, Träume zu
deuten (V. 12 ). (Zu Daniels Stellung als "Haupt der Magier" vgl.
die Anmerkungen zu Dan 4,6 .) Deshalb riet sie Belsazar, Daniel
holen und das Geschriebene auf der getünchten Wand deuten zu lassen. 3. Die Bitte des Königs ( 5,13 - 16 ) Dan 5,13-16 Belsazar befolgte den Rat der Königin und
ließ Daniel vor sich bringen . Offenbar versuchte der König, Daniel
klein zu machen, denn er bezeichnete ihn als einen von den
Weggeführten aus Juda . Schließlich kam er aus dem gleichen Land,
dessen Gott Belsazar so verachtete (V. 2 - 3 )! Dann wiederholte der
König noch einmal gegenüber Daniel, was er von der Königin über
dessen Fähigkeit, zu tun, wozu die Weisen und Wahrsager nicht in der
Lage waren, gehört hatte (V. 11 - 12 ). Er versprach Daniel die
gleiche Belohnung wie den Weisen (V. 16 ; vgl. V. 7 ), wenn dieser
die Schrift auf der Wand lesen und ihre Bedeutung erklären könne. Es
war zwar in aramäisch geschrieben, aber offensichtlich schwer zu
lesen, vielleicht weil eine ungewöhnliche Schriftform benutzt wurde. 4. Die Antwort durch Daniel ( 5,17 - 28 ) a. Belsazar wird gedemütigt ( 5,17 - 21 ) Dan 5,17-19 In seiner Antwort faßte Daniel das Wirken
Gottes an Belsazars Vorgänger Nebukadnezar noch einmal zusammen. Er
berichtete von den Lektionen, die Nebukadnezar aus Gottes Handeln
gelernt hatte. Gott ist souverän und herrscht über die Völker. Er
setzt Könige nach seinem eigenen Willen ein. Nebukadnezar war in
seine Machtstellung im babylonischen Reich gekommen, weil Gott ihn
eingesetzt hatte. ( Gott der Höchste , vgl. die Anmerkungen zu Dan
3,26 , gab Nebukadnezar Macht .) Seine Autorität wurde überall
anerkannt (von Völkern und Nationen und Männern aus allen Sprachen ;
vgl. Dan 3,4.7;6,26; 7,14 ), und seine Erlasse wurden nicht
angezweifelt ( Dan 5,19 ). Dan 5,20-21 Weil Nebukadnezar jedoch nicht erkannt hatte,
daß es Gottes Macht war und nicht seine eigene, die ihn in diese
Stellung erhoben hatte, wurde er hochmütig und stolz (vgl. Dan
4,27 ). Gott demütigte ihn und stieß ihn von seinem Thron, so daß er
wie ein Tier mit den wilden Eseln leben mußte. Durch diese
Züchtigung war Nebukadnezar dazu gebracht worden, die Größe der
Macht Gottes zu erkennen ( Dan 4,31 ). Zwar hatte der siebenjährige
Wahnsinn Nebukadnezars vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben
können, aber die königliche Familie wußte natürlich davon (vgl. Dan
5,22 ). b. Der Stolz Belsazars ( 5,22 - 24 ) Dan 5,22-24 Belsazar wußte, was sein Vorgänger erlebt
hatte, und hätte daraus gelernt haben müssen. Aber er hatte es nicht
getan. Im Gegenteil, er hatte den HERRN des Himmels (vgl. " der
König des Himmels "; Dan 4,34 ) öffentlich herausgefordert, indem er
die Becher, die aus dem Tempel in Jerusalem stammten, genommen ( Dan
5,2-3 ) und die von Menschen geschaffenen Götter geehrt hatte
(V. 4 ). Sie haben kein Leben. Der wahre Gott aber hat nicht nur das
Leben, sondern er hält auch das Leben Belsazars in seiner Hand .
Daniel benutzte offenbar ein interessantes Wortspiel, als er
hinzufügte, daß Gott, der Belsazars Leben in seiner Hand hielt,
eine Hand geschickt hatte , die ihm eine Botschaft schrieb.
Belsazar, der von Gott wußte, hatte ihn nicht geehrt. c. Das Gericht Gottes ( 5,25 - 28 ) Dan 5,25 So wie Gott Nebukadnezars Stolz gerichtet
hatte, indem er ihn vom Thron gestoßen hatte, so würde er nun den
Stolz Belsazars richten und sein Königreich von ihm nehmen und
anderen Menschen geben. Dieses Gericht war in den
Worten geschrieben , die auf der Wand erschienen waren. Zuerst las
Daniel die Schrift , die die Weisen nicht hatten lesen können. Sie
war kurz und bestand nur aus drei Worten, wobei das erste Wort noch
einmal wiederholt wurde. Mene ( m+nE? ) ist ein aramäisches
Substantiv und bezieht sich auf ein Gewicht von 50 Schekeln (ein
"Pfund", etwa 690 Gramm). Es ist abgeleitet von dem Verb m+nCh ,
"zählen, schätzen". Tekel ( t+qEl ) ist ein Substantiv und meint das
"Schekel", ein Gewicht von ca. 14 Gramm. Es ist abgeleitet von dem
Verb t+qAl , "wiegen". Parsin ( parsIn ) ist ebenfalls ein
Substantiv und meint ein halbes Pfund (25 Schekel, etwa 350 Gramm).
Es ist abgeleitet von dem Verb p+ras , "auseinanderbrechen, teilen".
Das Wort auf der Mauer lautete eigentlich ^ParsIn , was "und Parsin"
bedeutet. Selbst wenn die Weisen die Worte hätten lesen
können (was sie nicht konnten), hätten sie diese nicht auslegen
können, denn sie wußten nicht, um was es ging, was da gezählt,
gewogen und geteilt wurde. Dan 5,26-27 Daniel fuhr nun fort und erläuterte die
Bedeutung dieser Worte. Er erklärte, Mene bedeute, daß Gott die
Dauer der Tage von Belsazars Herrschaft gezählt ( m+nCh ) habe und
zu Ende bringen werde. Tekel bedeute, daß Belsazar von Gott in einer
Waage gewogen ( t+qIltCh , von t+qAl ) und als zu leicht befunden
wurde. Mit einer Waage wurden gewöhnlich die Zahlmittel gewogen. Ein
Zahlmittel mußte ein bestimmtes Gewicht haben. Wenn es diesem
Standard nicht entsprach, wurde es abgelehnt. Belsazars moralischer
und geistlicher Charakter stimmte nicht mit Gottes Maßstab der
Gerechtigkeit überein. Deshalb wurde er verworfen. "Von ihm [Gott]
werden die Taten gewogen" ( 1Sam 2,3 ). Dan 5,28 Bei der Deutung des dritten Wortes veränderte
Daniel den Plural parsIn (V. 25 ) in den Singular Peres ( p+rEs ).
Belsazars Königreich würde zerbrochen ( zerteilt , p+rIsaT ) und den
Medern und Persern gegeben werden . Offenbar wollte Daniel ein
Wortspiel machen, denn durch eine einfache Vokalveränderung des
Wortes p+rEs erhält man das Wort "Persien" (P Aras ). Die Botschaft
lautete also, daß Gott wegen dem moralischen und geistlichen Zerfall
des Königs und seines Reiches das babylonische Weltreich beenden und
es den Medern und Persern geben werde. 5. Die Weissagung wird erfüllt ( 5,29 - 6,1 ) Dan 5,29-6,1 Man hätte nun erwarten können, daß der Zorn
Belsazars über Daniel gekommen wäre, weil er diese Botschaft
verkündigt hatte. Aber der König blieb statt dessen seinem
Versprechen treu (V. 16 ) und belohnte Daniel. Aber Daniel konnte
sich dieser Ehren und der Stellung, in die er erhoben worden war,
nur kurz freuen, denn in dieser Nacht wurde Belsazar getötet, und
Darius, der Meder, übernahm das Reich . (Wer dieser Darius, der
Meder, war, wird in den Anmerkungen zu Dan 6,2 besprochen.) Die Stadt wurde von Kyrus angegriffen. In der
Erwartung einer langen Belagerungszeit hatte man in der Stadt
Nahrungsmittel für mindestens 20 Jahre gelagert. Der Euphrat floß
von Norden nach Süden quer durch die Stadt, es fehlte also nie an
Wasser. Belsazar fühlte sich fälschlicherweise so sicher, weil das
persische Heer unter Führung von Ugbaru außerhalb der Stadtmauern
Babels lag. Sie hatten das Heer geteilt. Ein Teil lag im Norden, wo
der Fluß in die Stadt floß, der andere Teil im Süden, wo er wieder
herauskam. Indem sie einen Kanal nördlich der Stadt zwischen dem
Euphrat und einem nahegelegenen See gruben, leiteten sie einen Teil
des Wassers um. Als das Wasser auf diese Weise geteilt war,
konnten die Soldaten durch das Flußbett in die Stadt gelangen. Da
die Mauern nicht bewacht waren, eroberten die Perser, nachdem sie
einmal in der Stadt waren, diese ohne Kampf. Es ist von Bedeutung,
daß diese Eroberung Babels nicht nur die Weissagung erfüllte, die
Daniel kurz zuvor in dieser Nacht ausgelegt hatte ( Dan 5,28 ),
sondern auch eine Prophezeiung von Jesaja ( Jes 47,1-5 ). Diese
Eroberung Babels geschah in der Nacht auf den 16. Tischri (12.
Oktober 539 v. Chr.). Die Herrschaft der Meder und Perser war die
zweite Phase der Zeit der Heiden (die Brust und die Arme aus Silber
in dem Standbild in Dan 2 ). Die Ereignisse in Kapitel 5 zeigen, daß
Gott allmächtig ist und daß er seinen Plan erfüllt. Diese Ereignisse
sind aber auch ein Vorbild der endgültigen Unterwerfung der
heidnischen Weltmächte, die sich gegen Gott auflehnen und durch
moralische und geistliche Verdorbenheit charakterisiert sind. Dieses
Gericht, wie es in Ps 2,4-6 und Offb 19,15-16 angekündigt ist, wird
bei der Wiederkunft Jesu Christi auf diese Erde erfüllt werden. E. Der Erlaß von Darius ( Dan 6,2-29 ) 1. Die Vorrangstellung von Daniel ( 6,2 - 4 ) Dan 6,2 a Seit langer Zeit bestreiten kritische Theologen
die Historizität von Daniel. Sie bezweifeln die Richtigkeit der
Erwähnung der Thronbesteigung von Darius (V. 2.29 ; Dan 9,1 ; in Dan
5,31 auch "Darius aus Medien" genannt), weil es keine
außerbiblischen Belege für diese Herrschaft gibt. Es sind jedoch
verschiedene Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem denkbar: 1) Darius könnte ein anderer Name sein für
Kyrus. Man könnte Daniel 6,29 dann so übersetzen: "So hatte Daniel
große Macht während der Herrschaft von Darius, ja, während der
Herrschaft des Kyrus von Persien." Es war durchaus üblich für die
Herrscher jener Zeit, daß man ihnen in verschiedenen Teilen ihres
Herrschaftsgebietes verschiedene Namen gab. Darius könnte ein
örtlich begrenzter Name für Kyrus gewesen sein. (Dies ist die Sicht
z. B. von D.J. Wiseman, "Some Historical Problems in the Book of
Daniel" in Notes on Some Problems in the Book of Daniel , S. 12 -
14.) 2) Eine zweite Erklärung könnte sein, daß
Darius von Kyrus als Herrscher über Babylon, einen relativ kleinen
Teil des riesigen medo-persischen Reiches, ernannt worden war. Nach
Daniel 9,1 wurde Darius "zum Herrscher über das babylonische
Königreich gemacht". Dies könnte bedeuten, daß er zum Herrscher
eingesetzt worden und so Kyrus, der ihn eingesetzt hatte,
untergeordnet war. Die historische Situation, die zu dieser
Ernennung geführt hatte, war nach der Nabonidus-Chronik, daß Babel
von Ugbaru erobert worden war, dem Regenten von Gutium, der die
Stadt in der Nacht, als Belsazar sein Fest feierte, eingenommen
hatte. Nachdem Ugbaru Babel am 12. Oktober 539 v. Chr. erobert
hatte, zog Kyrus am 29. Oktober dieses Jahres dort ein. Ugbaru wurde
dann von Kyrus zum Herrscher über Babel ernannt. Acht Tage nach der
Ankunft von Kyrus (am 6. November) starb Ugbaru. Wenn Darius, der
Meder, ein anderer Name für Ugbaru ist, dann wäre das Problem
gelöst. Da Darius 62 Jahre alt war, als er Babel übernahm ( Dan
6,1 ), wäre sein Tod nach wenigen Wochen nicht ungewöhnlich. Nach
dieser Theorie (die William H. Shea, "Darius the Mede: An
Update", Andrews University Seminary Studies 20 , Herbst 1982, S.
229 - 47 aufgestellt hat) ist Gubaru eine andere Schreibweise von
Ugbaru, und der Name Gobryas, die griechische Form des gleichen
Namens, erscheint in Xenophons Cyropaedia 4.6.1-9; 7.5.7-34. 3) Eine dritte Erklärungsmöglichkeit ist, daß
Ugbaru, der Regent von Gutium, Babel eroberte und Gubaru, alias
Darius, der Mann war, den Kyrus als Herrscher über Babel einsetzte.
(Diese Theorie vertritt John C. Whitcomb, Jr., Darius the Mede .
Nutley, N.J.: Presbyterian & Reformed Publishing Co., 1974.) 4) Wieder andere schlagen vor, Darius, der
Meder, solle mit Cambyses, dem Sohn von Kyrus, identifiziert werden,
der von 530 bis 522 über Persien herrschte. (Diese Theorie wird von
Charles Boutflower behauptet, In and Around the Book of Daniel .
Reprint. Grand Rapids: Kregel Publishing Co., 1977, S. 142 - 155.)
Jede dieser vier Möglichkeiten ist denkbar, aber vielleicht ist die
zweite die wahrscheinlichere. Dan 6,2-4 (Dan 6,2b-4) Eine von den ersten Aufgaben, die Darius zu
lösen hatte, war die Neu-Organisation des gerade eroberten
Königreiches Babylon. Er setzte 120 Statthalter (vgl. Dan 3,2 ) ein,
um über das Königreich von Babylon zu herrschen. Diese wiederum
unterordnete er drei Fürsten, von denen einer Daniel war . Die
Statthalter waren den drei Fürsten verantwortlich (also wohl je 40
Statthalter einem Fürsten), so daß der König in seinen
administrativen Aufgaben eine große Hilfe hatte. Daniel war als
Fürst hervorragend, zum Teil vermutlich wegen seiner großen
Erfahrung, die er in den 39 Jahren unter Nebukadnezar gesammelt
hatte ( Dan 2,48 ). Deshalb wollte der König Daniel für das gesamte
Königreich verantwortlich machen. Dies schuf natürlich Spannungen
zwischen Daniel und den anderen Fürsten und Statthaltern. 2. Die Verschwörung der Fürsten ( 6,5 - 10 ) Dan 6,5-6 Die beiden anderen Fürsten und die 120
Statthalter suchten nach einem Grund, um Daniel wegen seiner
politischen Arbeit anklagen zu können. Vermutlich waren sie auf
seine Stellung eifersüchtig und lehnten ihn ab, weil er Jude war
(vgl. die Anmerkungen zu Dan 3,12 ). Aber sie mußten feststellen,
daß Daniel ihnen keinen Grund zu einer Anklage gab. Er war
vertrauenswürdig und sehr genau in der Erledigung seiner Aufgaben.
Sie beschlossen, daß sie einen Anklagegrund nur in seinem religiösen
Verhalten finden konnten, das ihnen offenbar wohlbekannt war. Dan 6,7-10 Also schmiedeten die 122 einen Plan. (Daniel
war jedenfalls mächtig in der Unterzahl!) Sie schlugen König
Darius vor, daß er, der König, 30 Tage lang der einzige Empfänger
für die Anbetung des Volkes sein solle. Entweder hatten die 122 noch
andere (unter ihnen die Würdenträger, Ratgeber und Befehlshaber )
dazu gebracht, diesem Plan zuzustimmen, oder sie behaupteten dies
nur. Jedenfalls war es nicht richtig, daß sie alle zugestimmt
hatten (V. 8 ), denn mit Daniel hatten sie nicht darüber gesprochen.
Alle Gebete sollten in dieser Zeit nur noch an den König gerichtet
sein. Dadurch würde man seine Macht auf dem religiösen Gebiet
anerkennen. Wer sich gegen seine religiöse Autorität auflehnte,
sollte in die Löwengrube geworfen werden. Darius, der ohne Zweifel
von der Ehrung, die er empfangen würde, geschmeichelt war, stimmte
dem Plan zu und unterzeichnete ihn als Gesetz, das nach
medo-persischem Recht unwiderruflich war. 3. Das Gebet Daniels ( 6,11 - 12 ) Dan 6,11-12 Der Erlaß , der von Darius zum Gesetz gemacht
worden war, wurde öffentlich bekanntgemacht. Daniel aber, obwohl er
von dem Erlaß wußte, verhielt sich nach seiner Gewohnheit ( so, wie
er es zuvor getan hatte ) und ging in sein oberes Zimmer dreimal an
jedem Tag, um zu Gott zu beten (vgl. Ps 55,18 ), und zwar in
Richtung Jerusalem (vgl. Ps 5,8; 2Chr 6,21.34.38 ). Daniels Gebet war zunächst einmal ein Gebet des
Dankes ( Dan 6,11 ), in dem er die Güte Gottes gegen ihn pries. Dann
war es auch ein Gebet um Führung und Hilfe (V. 12 ). Ohne Zweifel
lastete die Verantwortung des hohen Amtes schwer auf Daniel, und so
suchte er die Weisheit Gottes in den Entscheidungen, die er treffen
mußte. Daniel war zu dieser Zeit bereits über 80 Jahre alt (539 v.
Chr.). Als er vor 66 Jahren (605 v. Chr.) gefangengenommen worden
war, war er etwa 16 Jahre alt gewesen. Es könnte also auch sein, daß
er aufgrund seines Alters Gott auch um physische Kraft für seine
schweren Aufgaben bat. Er versuchte dabei nicht, seine Frömmigkeit
oder seine Abhängigkeit von Gott zu verstecken, auch wenn sein Gebet
jetzt ein Ungehorsam gegenüber einem staatlichen Erlaß war (vgl. Apg
5,29 ). Daniel wollte und konnte bei Darius weder Hilfe noch
Stärkung erbitten, denn er wußte, daß nur Gott sie ihm schenken
konnte. Offenbar wußten seine Widersacher, wo und wann er betete.
Daher gingen (wörtl.: "eilten") sie zu der erwarteten Zeit zu seinem
Zimmer und fanden ihn im Gebet . 4. Die Verfolgung Daniels ( 6,13 - 19 ) Dan 6,13 Schnell brachte man seine Anklage gegen Daniel
vor Darius, der den Erlaß unterzeichnet hatte. Darius erkannte, daß
er durch sein eigenes Gesetz gebunden war. Er sagte: Das Gesetz kann
niemand aufheben . Nebukadnezar, der Babylonier, hatte über dem
Gesetz gestanden, aber Darius, der Meder, war durch das Gesetz
gebunden. Dies wird auch durch den Unterschied zwischen Gold und
Silber in dem Standbild aus dem Traum Nebukadnezars deutlich ( Dan
2,32.39 ). Dan 6,14-17 Als Darius ihre Anklagen gegen Daniel hörte,
den sie verächtlich als einen der Gefangenen aus Juda bezeichneten
(wie schon Arjoch und Belsazar es getan hatten; vgl. Dan
2,25;5,13 ), war er sehr betrübt . Obwohl Darius wußte, daß er an das Gesetz, das
er erlassen hatte, gebunden war, versuchte er dennoch, Daniel vor
der Strafe zu retten, die das Gesetz vorsah. Aber es gelang ihm
nicht, und so gab er den Befehl, daß Daniel in die
Löwengrube geworfen werden solle. Als er in die Grube geworfen wurde - was den
sicheren Tod bedeutete - sagte der König: Möge dein Gott, dem du
ohne Unterlaß dienst (vgl. Dan 6,21;3,17 ), dich retten . Ob Darius
von der Errettung der drei Freunde Daniels aus dem Feuerofen zur
Zeit Nebukadnezars wußte, ist nicht sicher. Doch zeigt seine Aussage
ein Verlangen, daß Daniel verschont werden möge. Ganz
sicher wollte er ihn verschonen, denn er schätzte seine
Führungsqualitäten offensichtlich sehr (vgl. Dan 6,3-4 ). Vielleicht
war er auch beeindruckt von dem Vertrauen, das Daniel in Gott hatte. Dan 6,18-19 Damit Daniel nicht aus der Löwengrube entkommen
konnte, wurde ein Stein über die Öffnung der Grube gelegt und dann
mit einem königlichen Siegel versiegelt . Neben der seitlichen
Öffnung der Grube gab es vielleicht noch eine Öffnung nach oben
(vgl. V. 24 - 25 ). Das Siegel, ein Eindruck, der mit einem Ring in
Ton gemacht wurde, würde allen zeigen, daß der Stein nicht bewegt
worden war und niemand versucht hatte, Daniel zu befreien.
Widerwillig ließ der König Daniel in die Grube werfen. Der König war tief bewegt, daß er von seinen
Ratgebern und Fürsten betrogen und in seinen eigenen Gesetzen
gefangengenommen worden war. Er verbrachte eine schlaflose Nacht
(vgl. die schlaflose Nacht von Xerxes [Ahasveros]; Est 6,1 ). 5. Die Bewahrung Daniels ( 6,20 - 25 ) Dan 6,20-23 Früh am Morgen eilte der König nach einer
schlaflosen Nacht (V. 19 ) zu der Löwengrube. Er fürchtete, daß
Daniel gefressen worden war, aber dennoch hoffte er gegen jede
Hoffnung (vgl. V. 17 ), daß der alte Staatsmann vielleicht doch von
dem Gott, dem er diente (vgl. Dan 3,17; 6,17 ), gerettet worden sein
könnte. Daniel antwortete, daß Gott ihn tatsächlich
unverletzt bewahrt hatte, weil er vor ihm unschuldig war (V. 23 )
und weil er auf Gott vertraut hatte (V. 24 ). Ein Engel Gottes, so
sagte Daniel, hatte den Löwen das Maul verschlossen. Vielleicht war
auch dieser Engel, ähnlich dem, der im Feuerofen bei den drei jungen
Männern gewesen war ( Dan 3,25 ), der präinkarnierte Christus. Dan 6,24 Als Darius feststellte, daß Daniel noch lebte,
war er überfroh und ließ ihn aus der Grube holen (vgl. die
Anmerkungen zu V. 18 ). Darius wurde auf diese Weise sehr deutlich
gezeigt, wie entscheidend der Glaube an Gott ist und an seine Macht,
die Umstände zu kontrollieren und die zu retten, die an ihn glauben.
Dreißig Tage lang wurde Darius von den Menschen in seinem
Herrschaftsgebiet als Gott angesprochen (vgl. V. 8 ). Daniel aber
diente dem wahren Gott, der tat, was Darius nie gekonnt hätte: das
Maul der Löwen verschließen und den zu bewahren, der auf ihn
vertraute. Dan 6,25 Dann ließ der König die Ankläger Daniels und
ihre Familien in die Grube werfen . Der Versuch der Verleumder,
diesen jüdischen Gefangenen, der zum Regenten geworden war, zu
beseitigen, wurde ihnen selbst zum Verhängnis (vgl. das ähnliche
Schicksal Hamans, Est 7,9-10 ). Die Ankläger hatten Darius dazu
gebracht, ein Gesetz wirksam werden zu lassen, das Daniel beseitigen
sollte. Aber ironischerweise konnten sie den König nicht davon
zurückhalten, sie selbst auszulöschen! 6. Die Erklärung des Königs ( 6,26 - 29 ) Dan 6,26-29 Der König, der durch ein Gesetz nun einen Monat
lang (V. 8 ) als Gott verehrt wurde, veröffentlichte eine Erklärung,
daß alle Menschen seiner Nation ( alle Völker, Nationen und Männer
aus allen Sprachen ; vgl. Dan 3,4.7;5,19;7,14 ) Daniels Gott
fürchten und ehren müssen . Dies war eine erstaunliche Kehrtwendung
des Darius! Der Grund dafür war, so schrieb Darius, daß Daniels Gott
lebt ( Er ist der lebendige Gott ; vgl. Dan 6,21 ), während die
Götter der Meder und Perser tote Götzen waren. Dieser Gott ist ein
persönlicher Gott, sein Königreich ist unzerstörbar (vgl. Dan
7,14 ), und er greift in die menschliche Geschichte ein und rettet
diejenigen, die ihm vertrauen. Er wirkt mächtige Wunder ( Zeichen
und Wunder ; vgl. Dan 4,2-3 ), um seinen Willen zu tun, u. a. auch
die wundersame Errettung von Daniel. Solch ein Gott ist wahrhaftig
zu ehren und anzubeten. Trotz des Widerstandes, den ihm die Fürsten
und Ratgeber entgegengebracht hatten, wurde Daniel nun geehrt und
lebte bis zur Regierungszeit von Kyrus . F. Die Vision der vier Tiere ( Dan 7 ) 1. Die Vision ( 7,1 - 14 ) a. Die vier Tiere ( 7,1 - 8 ) Dan 7,1 Die Vision, die der Prophet Daniel in diesem
Kapitel niedergeschrieben hat, wurde ihm im ersten Jahr der
Regierungszeit von Belsazar (553 v. Chr.) offenbart,
als Belsazar zum Koregenten neben Nabonidus wurde. Dieser Traum kam
also etwa 14 Jahre vor seinem Erlebnis in der Löwengrube ( Dan 6 ),
das ungefähr 539 gewesen sein muß. Als der Traum über Daniel kam,
war er ungefähr 68 Jahre alt, denn als er 52 Jahre vorher gefangen
genommen worden war (605 v. Chr.), war er wohl ca. 16 Jahre alt. Die Offenbarung kam zu Daniel in einem Traum
und in Gesichten (vgl. Dan 2,28;4,2.7 ). Indem Daniel dieses
Erlebnis "einen Traum" (Sing.) nennt, betont er die Einheit der
Offenbarung, durch den Plural "Gesichte" unterstreicht er, daß diese
Offenbarung ihm in verschiedenen Schritten gegeben wurde. (Fünfmal
sagt er in Dan 7 ,daß er "sah" [V. 2.4.6 - 7.13 ] und einmal "Ich
merkte auf" [V. 11 ].) Das Wort "Traum" macht deutlich, daß er
schlief, während "Gesichte" (Visionen) sich auf das bezieht, was er
im Traum sah. Es kommt in der Bibel jedoch auch vor, daß jemand ein
Gesicht (eine Vision) hat, während er wach ist (vgl. z. B. Dan
9,23 ). Weil der Traum Daniels so große Bedeutung hatte, schrieb er
unmittelbar danach eine Zusammenfassung des Traumes auf. Daniel hatte zwei Träume Nebukadnezars gedeutet
( Dan 2;4 ). Dann wurde der Prophet und Staatsmann selbst zum
Empfänger von vier Träumen oder Visionen ( Dan
7;8;9,20-27;10,1-12,5 ). Dan 7,2 In den ersten sechs Kapiteln schrieb Daniel in
der dritten Person. In den letzten sechs schrieb er in der ersten
Person. In seinem Gesicht sah Daniel zuerst das große Meer , das
von vier Winden aufgewühlt wurde. Das Wort, das mit "Winde"
übersetzt wird, könnte auch "Geister" bedeuten. Dann wären Engel
gemeint. An anderen Stellen in der Schrift wird das gleiche Wort
benutzt, um von Gottes fürsorgendem Handeln durch Engel in die
menschlichen Angelegenheiten hinein zu sprechen ( Jer 23,19; 49,36;
51,1; Sach 6,1-6; 7,14; Offb 7,1-3 ). Im Alten Testament wird das
Mittelmeer immer wieder das große Meer genannt ( 4Mo 34,6-7; Jos
1,4; 9,1; 15,12.47; 23,4; Hes 47,10.15.20; 48,28 ). Diese Gesichte
stehen also in einem besonderen Verhältnis zur Welt des
Mittelmeerraumes. Dan 7,3-4 Das zweite, was Daniel sah, waren vier große
Tiere , die aus dem aufgewühlten Meer stiegen. Wie Daniel später
erfährt (V. 17 ), stellen diese vier Tiere vier große Reiche
dar. Das erste Tier war wie ein Löwe , ein Tier, das vor allem wegen
seiner Macht und Stärke bekannt war. Dieser Löwe hatte
jedoch Adler-Flügel , was ein Bild für Schnelligkeit ist. Es ist
interessant, daß sowohl der Löwe als auch der Adler Symbole des
babylonischen Reiches waren (vgl. Jer 4,7.13; Hes 17,3 ). Die
gewaltsame Entfernung der Flügel beraubte den Löwen seiner großen
Mobilität. Dies könnte sich auf die Geisteskrankheit von
Nebukadnezar beziehen oder auf den Zerfall des Reiches nach seinem
Tod. Der Löwe stand aufrecht auf zwei Füßen (seinen Hinterbeinen),
so daß er mehr wie ein Mensch aussah. Die Tatsache, daß er ein
menschliches Herz besaß, will andeuten, daß das Tier seine
unmenschliche Natur verloren hat und Barmherzigkeit kannte. Der
Löwe, der auf seinen Hinterbeinen stand und das Herz eines Menschen
hatte, könnte sich auf Nebukadnezar und seine humanitären Interessen
beziehen. Dan 7,5 Das zweite Tier war wie ein Bär , ein Tier mit
außergewöhnlicher Kraft ( 1Sam 17,34; Am 5,19; Hos 13,8 ). Es ist
ein Bild für das medo-persische Reich, das auf Babylon folgte. Das
medo-persische Heer war stark und mächtig ( Jes 13,15-18 ). Aber
entgegen der Anmut des Löwen war der Bär schwerfällig und plump. Er
war offensichtlich dabei, sich hinzulegen, denn seine eine Seite war
höher als die andere. Dies spricht davon, daß die Perser zwar später
als die Meder mächtig wurden, dann aber die Meder in dem vereinigten
Königreich überschatteten. Die drei Rippen in dem Maul des Bären
könnten sich auf Ägypten, Assyrien und Babylon beziehen, die vor dem
Reich, das der Bär darstellte, geherrscht hatten. Oder sie stehen
für Babylon, Lydin und Ägypten, drei von den Medern und Persern
eroberte Völker. Dem Bären wurde gesagt, daß er viel Fleisch fressen
solle. Dieser Befehl macht deutlich, daß die menschlichen Reiche
nach dem göttlichen Willen handeln müssen, nicht in eigener
Autorität. Indem der Bär andere Reiche fraß und sein Gebiet zu einem
riesigen Reich ausdehnte, erfüllte er den Plan Gottes. Dan 7,6 Das dritte Tier , das Daniel sah, war wie ein
Leopard , ein für seine Schnelligkeit ( Hab 1,8 ), Geschicklichkeit
und Beweglichkeit bekanntes Tier ( Jer 5,6; Hos 13,7 ). Dieses Tier
hatte vier Flügel wie ein Vogel , was seine Schnelligkeit noch
einmal unterstreicht. Außerdem hatte es vier Köpfe . Ihm wurde Macht
gegeben zu herrschen . Das Reich, das dem medo-persischen folgte,
war Griechenland. Es tat dies mit großer Schnelligkeit und eroberte
das gesamte Reich zwischen 334 und 330 v. Chr. Einige Jahre, nachdem
Alexander gestorben war, wurde es in vier Teile geteilt (vgl. Dan
8,8.22 ). Dan 7,7 a Daniel beschreibt nun ein viertes Tier . Aber
statt es mit einem bekannten Tier zu vergleichen, nennt er es nur
einfach ein Tier. Offenbar war es eine Kreuzung aus Teilen von Löwe,
Bär und Leopard (vgl. das Tier in Offb 13,2 ). Dieses vierte Tier
war schrecklicher und mächtiger als die drei vorhergehenden Tiere,
die alle wild und zerstörerisch gewesen waren. Dieses Tier hatte
große eiserne Zähne , mit denen es seine Beute zerreißen und
verschlingen konnte. Das Reich, das durch diese Kreatur dargestellt
wurde, hatte die vorhergehenden drei Reiche, die als Löwe, Bär und
Leopard beschrieben wurden, zermalmt und gefressen ( es zertrat mit
Füßen, was übrig war ; vgl. Dan 7,19 ). Dan 7,7.8 (Dan 7,7b.8) Was dieses vierte und so ganz andere Tier
besonders auszeichnete, war, daß es zehn Hörner hatte . Nach
Vers 24 stehen sie für zehn Könige. Als Daniel auf die Hörner
blickte, sah er ein anderes Horn zwischen den zehn entstehen. Dieses
kleine Horn war zunächst völlig unscheinbar, aber als es wuchs, riß
es drei der bestehenden Hörner aus. Das kleine Horn war besonders
bemerkenswert wegen seiner Intelligenz (es hatte die Augen eines
Menschen) und seinen gotteslästerlichen Reden (es hatte einen Mund,
der prahlerisch redete ; vgl. V. 11.20. 25 ). (Siehe V. 19 - 26 , wo
die Identität des vierten Tieres und seines kleinen Hornes behandelt
wird.) b. Der Alte der Tage ( 7,9 - 12 ) Dan 7,9-10 In diesem Abschnitt (V. 9 - 12 ) des Gesichtes
sah Daniel Throne des Gerichts, die aufgestellt wurden. Auf einem
dieser Throne saß der Alte der Tage . Dies ist Gott, der Herr
(vgl. Jes 43,13; Jes 57,15 a), der die Herrschaft über Menschen und
Völker ausübt. Seine weiße Kleidung und das weiße Haar sind Bilder
für seine Heiligkeit ( Offb 1,14 ). Daniels Beschreibung der
Herrlichkeit, die den Einen, der auf dem flammenden Thron mit Rädern
sitzt, erinnert an die Beschreibung der Herrlichkeit Gottes, die
Hesekiel sah ( Hes 1,4-28 ). Die Tausende , die den Thron umgaben, sind
Diener Gottes, Engel, die seinen Willen ausführen. Als Daniel sah,
wie Gott, der Richter, auf seinem Thron saß, wurde
das Gericht (vgl. Dan 7,26 ) eröffnet, und die Bücher wurden
aufgetan . (Interessant ist, daß - wie schon gesagt - Daniels Name
bedeutet "Gott hat gerichtet" oder "Gott ist mein Richter"; vgl. Dan
1,7 .Hier sieht Daniel nun Gott als den Richter der Welt.) In Offb
20,12 bedeutet das Öffnen der Bücher, daß die Verwalterschaft der
Menschen betrachtet und beurteilt wird. Gott, der den Königreichen
ihre Macht gab, wird diese nun richten. Dan 7,11-12 Als Daniel das kleine Horn beobachtete, weil es
so prahlte (vgl. V. 8 ), sah er, daß das vierte Tier getötet
wurde und dann im Feuer verbrannte. Dies wird die "Zeiten der
Heiden" beenden ( Lk 21,24.27 ). Die Reiche, die durch die anderen
drei vorhergehenden Tiere dargestellt werden, sind bereits ihrer
Macht durch militärische Eroberung entkleidet worden. Das vierte
Tier aber wird seine Macht nicht durch ein militärisches Eingreifen
verlieren, sondern durch ein göttliches Gericht (vgl. Dan 9,27; Offb
11,15; 19,15 ). Jedes der drei hatte eine kurze Zeit leben dürfen .
Dies könnte bedeuten, daß die Kulturen von jedem der ersten drei
eroberten Reiche jeweils in dem neuen Reich aufgenommen wurden. c. Der Sohn des Menschen ( 7,13 - 14 ) Dan 7,13-14 In dem dritten Abschnitt dieses Gesichtes sah
Daniel den Sohn des Menschen , der zu dem Alten der Tage ging. Jesus
Christus, der den Titel "Menschensohn" aus dieser Weissagung
entnahm, benutzte ihn oft von sich selbst (wie die Evangelien uns
berichten; vgl. die Anmerkungen zu Mk 8,31; Joh 1,51 ). Als der Sohn
des Menschen in die Gegenwart des Alten der Tage trat, wurden ihm
all die Macht, Herrlichkeit und Regierungsgewalt gegeben, die von
den Herrschern der vier Reiche über alle Völker, Nationen und
Menschen aller Sprachen (vgl. Dan 3,4.7.31; 5,19;6,26 ) ausgeübt
worden war, und diese Völker beteten ihn an . Dies entspricht der Verheißung des Vaters an
seinen Sohn in Ps 2,6-9 und wird sich erfüllen, wenn Christus
wiederkommt ( Mt 24,30; 25,31; Offb 11,15 ). Der Menschensohn wird eine ewige
Herrschaft errichten (vgl. Dan 4,31;7,27 ). Dieses Reich wird
niemals von anderen erobert werden (vgl. Dan 6,27 ). Seine
Herrschaft wird auf der Erde aufgerichtet werden ( Offb 20,1-6 ).
Wenn die 1 000 Jahre seiner Herrschaft zu Ende sind, wird er das
Reich Gott, dem Vater, zurückgeben, und Christus wird für ewig als
Herrscher über Gottes ewiges Reich eingesetzt werden ( 1Kor
15,24-28 ). 2. Die Auslegung ( 7,15 - 28 ) a. Die Erklärung der vier Tiere ( 7,15 - 17 ) Dan 7,15-17 Wie Nebukadnezar vor ihm (vgl. Dan 2,1;4,1-2 )
war Daniel durch seinen Traum verwirrt (vgl. Dan 7,28 ). Zwar hatte
er bei verschiedenen Gelegenheiten seine Fähigkeit, Träume zu
deuten, gezeigt ( Dan 2;4 ), aber diesen und den nächsten Traum
( Dan 8,15 ) konnte er nicht deuten. Deshalb rief er einen von
denen, die in der Nähe standen, zu sich, offensichtlich den Engel,
der spä ter als Gabriel identifiziert wird ( Dan
8,16;9,21 ), und bat ihn, diese Vision zu deuten. Er erfuhr
zunächst, daß die vier großen Tiere für vier Königreiche stehen. Wie
schon gesagt, sind die vier Reiche Babylon, dargestellt durch den
Löwen; Medo-Persien, dargestellt durch den Bär, der sich auf einer
Seite erhebt; Griechenland, dargestellt durch den geflügelten
Leoparden mit den vier Köpfen; und Rom, dargestellt durch das
Mischwesen. (Vgl. dazu die Karte mit diesen vier Reichen.) b. Das Versprechen an Israel ( 7,18 ) Dan 7,18 Nachdem die vier Tiere bei der Wiederkunft des
Messias zerstört worden sind, werden die Heiligen des Höchsten (vgl.
die Anmerkungen zu "der Höchste" in Dan 3,26 ) das Reich
empfangen (vgl. Dan 7,22.27 ). Die "Heiligen" sind hier die
gläubigen Juden (vgl. die Anmerkungen zu V. 25 ), nicht die
Gläubigen aus dem Gemeindezeitalter. Die Existenz der Gemeinde in
der gegenwärtigen Zeit ist im Alten Testament nirgendwo offenbart.
Das Volk Israel wurde aufgrund göttlicher Züchtigung und Strafe in
den gegenwärtigen "Zeiten der Heiden", die mit Nebukadnezar
begannen, zur Seite gestellt. In diesen "Zeiten der Heiden" werden,
so wurde Daniel gezeigt, vier Reiche entstehen und über das Land und
Volk Israel herrschen. Aber Gottes Bund mit David ( 1Sam 7,16; Ps
89,2-5 ) bleibt bestehen und wird schließlich erfüllt werden. Die
"Heiligen" (gläubige Juden bei der Wiederkunft Christi) werden am
Reich teilhaben, die Erfüllung der Verheißungen Gottes an Israel. c. Die Einzelheiten des vierten Reiches ( 7,19 - 28 ) (1) Die Bitte ( Dan 7,19-20 ) Dan 7,19-20 Daniel scheint es nicht schwergefallen zu sein,
die Bedeutung der ersten drei Tiere zu verstehen. Es war das vierte
Tier , das ihn beschäftigte, und so bat er den Engel (vermutlich
Gabriel; vgl. Dan 8,16;9,21 ), ihm die Bedeutung des Tieres und
seiner zehn Hörner und des anderen Hornes , das unter den zehn
aufkam und so eindrucksvoll war, zu sagen. Was unter den zehn
Hörnern und vor allem unter dem kleinen Horn zu verstehen ist, ist
von großer Bedeutung. Denn von nun bis zum Ende der Weissagung
interessierte sich Daniel nur für die Offenbarung über die Person
und das Werk dessen, der durch dieses kleine Horn dargestellt wird. Dan 7,21-22 (2) Das Gericht über das Tier ( Dan 7,21-22 ) Mehrere Dinge über dieses kleine Horn waren
David schon offenbart worden (V. 8 ): (1) Es kam, nachdem die zehn
Hörner (Könige; vgl. V. 24 ) bereits da waren, und war dann
gleichzeitig mit ihnen da. (2) Es riß drei der zehn Hörner (Könige)
aus. (3) Es war intelligent (es hatte die Augen eines Menschen). (4)
Es war arrogant und prahlerisch (vgl. V. 11 ). Nun (V. 21 - 22 ) erhält er drei weitere
Fakten: (5) Er wird die Heiligen des Höchsten verfolgen (vgl.
V. 25 ; zu "der Höchste" vgl. die Anmerkungen zu Dan 3,26 ).
Offensichtlich ist das Horn eine Person. In 7,24 wird er König
genannt. Wie schon in Vers 18 beziehen sich die Heiligen auf das
Volk Israel. Seine Verfolgung Israels wird während der großen
Trübsal geschehen. (6) Er wird das Volk Israel überwinden ( er
behielt den Sieg ) und diese Nation unter seine Herrschaft bringen
( Offb 12,13-17; 17,7 ). (7) Er wird von Gott gerichtet werden
(vgl. Offb 19,19-20 ), und Israel, das nicht mehr länger unter der
Herrschaft des kleinen Hornes steht, wird den Bundessegen im
Königreich empfangen (vgl. Dan 7,18 ). Dan 7,23 (3) Der Herrschaftsbereich des Tieres ( Dan
7,23 ) Zwar war der Herrschaftsbereich des vierten
Tieres historisch gesehen begrenzt (wenn auch größer als der der
anderen drei vorausgehenden Reiche), aber der Bereich des kommenden
Herrschers im vierten Königreich wird weltweit sein. Daniel wird
gesagt, daß dieses Reich die ganze Erde umfassen wird (vgl. Offb
13,7 ). Es wird eine grausame Eroberung sein, in der dieses
Königreich alle zerschmettert, die sich ihm entgegenstellen. Es ist
also die Rede von einer kommenden Einheitsweltregierung unter einem
weltweiten Diktator. Dan 7,24 (4) Die zehn Hörner und das kleine Horn ( Dan
7,24-25 ) Der Engel erklärte Daniel nun die Bedeutung
der zehn Hörner und sagte, daß es zehn Könige in diesem Königreich
sind. Das vierte Reich wird, trotz seiner großen Macht ( 7,23 ),
durch immer mehr Schwäche, Entartung und Teilungen gekennzeichnet
sein (vgl. die Anmerkungen zu Dan 2,41-43 betreffs der Mischung aus
Eisen und Ton im vierten Teil des Standbildes). Als die Horden aus
dem Norden das römische Reich im fünften Jahrhundert n. Chr.
eroberten, vereinigten sie sich nicht, um ein neues Reich zu bilden.
Statt dessen entstanden aus dem alten römischen Reich viele
verschiedene Nationen. Einige dieser Nationen und ihre Nachfolger
haben sich bis in unsere Tage hinein gehalten. Unsere heutige Zeit
ist daher diese Zeit der zehn Hörner des vierten Tieres. (Andere
Prämilleniaristen denken, daß die Zeit der zehn Hörner noch in der
Zukunft liegt, daß die gegenwärtige Gemeindezeit in dieser Vision
nicht gesehen wurde und daß irgendwann in der Zukunft zehn Könige
gleichzeitig über ein erneuertes römisches Reich regieren werden.) Irgendwann nach dem Aufkommen der zehn Hörner -
Daniel erhielt keinerlei Andeutung, wieviel später es sein könnte
- wird ein anderer König (das kleine Horn; Dan 7,8.20 ) aufkommen .
Wenn er größer wird, wird er sich drei Könige untertan machen (in
V. 8 drei Hörner genannt), d. h. er wird drei der zehn Nationen
unter seine Autorität bringen, wenn seine Macht zu wachsen beginnt. Dan 7,25 Neben die Fakten, die über diesen kommenden
König bereits mitgeteilt wurden (vgl. die Anmerkungen zu V. 21 -
22 ), treten nun drei weitere: (1) Er wird sich gegen Gottes
Autorität auflehnen. Er wird gegen den Höchsten sprechen (vgl. Offb
13,6 ). Zu "der Höchste" vgl. die Anmerkungen zu Dan 3,26 .(2) Er
wird die Heiligen Gottes unterdrücken (d. h. Israel; vgl. die
Anmerkungen zu Dan 7,21 ). (3) Er wird eine völlig neue Zeit
einführen, in der er alle bisherigen Gesetze verwerfen und sein
eigenes System aufrichten wird. Wie in Dan 9,27 a wird er zunächst
als Freund Israels erscheinen, dann aber sein Verfolger werden ( die
Heiligen werden ihm ausgeliefert werden ), und er wird Jerusalem
dreieinhalb Jahre lang ( Offb 12,6; 13,5 ) zur Hauptstadt seines
Reiches machen (Od 11,45). Eine Zeit, Zeiten und eine halbe
Zeit (vgl. Dan 12,7; Offb 12,14 ) bezieht sich auf dreieinhalb Jahre
in der großen Trübsal, wobei "eine Zeit" ein Jahr, "Zeiten" zwei
Jahre und "eine halbe Zeit" sechs Monate bedeutet. Dies entspricht
den 1 260 Tagen in Offb 12,6 und den 42 Monaten in Offb 11,2;
13,5 .(Vgl. die Anmerkungen zu "Zeiten" in Dan 4,16 .) Dan 7,26-27 (5) Die Verheißung an Israel ( Dan 7,26-27 ) Wenn der Richter, Gott Vater, das
Gericht eröffnet (vgl. V. 10 ), d. h., wenn er das kleine Horn
richten wird, wird seine Macht von ihm genommen und es wird
vernichtet (vgl. V. 11 ; 2Thes 2,8; Offb 19,20 ). Dies wird
geschehen, wenn Jesus wiederkommt. Zu Beginn des Tausendjährigen
Reiches wird der Menschensohn Vollmacht bekommen (vgl. Dan 7,14 ),
und er wird über die Heiligen herrschen, das Volk des Höchsten (vgl.
die Anmerkungen zu Dan 3,26 ), das Volk Israel (vgl. Dan 7,18.22 ),
das durch den Bund Gottes mit Abraham mit Gott verbunden ist ( 1Mo
12,1-6;13,14-17; 15,18-21 ). Dieses Königreich wird nicht mehr von
einem nächsten Reich unterworfen und abgelöst werden. Es wird im
Tausendjährigen Reich und für immer bestehen (vgl. Dan 4,31; 6,27;
7,14 ). Alle Völker und Könige werden ihn anbeten und ihm
gehorchen . Dan 7,28 (6) Die Antwort Daniels ( Dan 7,28 ) Dieser prophetische Überblick über die Zeit der
Heiden war so bedrückend für Daniel, daß er tief beunruhigt war. Er
erzählte diese Vision niemandem aus seiner Zeit. Aber später, als er
die Weissagungen aufschrieb, die heute seinen Namen tragen,
berichtete er auch, was ihm in diesem Gesicht offenbart worden war. Man kann die Parallelen zwischen der Wahrheit,
die Daniel in dieser Vision offenbart wurde, und dem, was schon
früher Nebukadnezar gegen Anfang von dessen Herrschaft offenbart
wurde ( Dan 2 ), kaum übersehen. Beide sprechen von der Zeit der
Heiden. Beide Träume zeigen, daß Israel und sein Land von vier
aufeinander folgenden Weltreichen beherrscht werden wird. Das erste
Reich ist Babylon, das goldene Haupt und der geflügelte Löwe. Das
zweite ist das medo-persische Reich, die Brust und die Arme aus
Silber und der Bär, der auf einer Seite aufgerichtet war. Das dritte
Reich ist das griechische Reich. Es ist dargestellt durch den Bauch
und die Hüften aus Kupfer und den vierköpfigen, geflügelten
Leoparden. Das vierte Tier schließlich ist das römische Reich, das
durch die Beine aus Eisen, die Füße aus Eisen und Ton gemischt und
durch das grausame Mischwesen abgebildet wird. Die eiserne Stärke
des vierten Reiches ist an den eisernen Beinen des Standbildes ( Dan
2,40 ) und den eisernen Zähnen des Tieres ( Dan 7,7 ) zu sehen. Die
Herrschaft ging 609 v. Chr. von den Assyrern auf die Babylonier
über, von Babylon dann 539 v. Chr. nach Persien, von Persien 330 v.
Chr. nach Griechenland und von dort im ersten Jahrhundert v. Chr.
nach Rom. Gegen Ende der Zeit der Heiden wird einer, der
als das "kleine Horn" bezeichnet wird, eine weltweite Herrschaft
ausüben. Er wird versuchen, die Herrschaft Christi auf dieser Erde
zu verhindern, indem er das Bundesvolk Gottes zu vernichten
trachtet. Seine kurze Regierungszeit von sieben Jahren (vgl. die
Anmerkungen zu "eine Woche" in Dan 9,27 ) wird durch die Wiederkunft
Christi beendet werden. Wenn Jesus kommt, wird er sein
Tausendjähriges Reich auf dieser Erde errichten und so den Bund
Gottes mit Israel erfüllen. Die amilleniaristische Sicht, daß das "kleine
Horn" bereits irgendwann in der Vergangenheit erschienen ist (nach
dem ersten Kommen Christi), stimmt nicht, denn: (a) kein solcher
Herrscher hat bisher eine weltweite Herrschaft ausgeübt ( Dan
7,23 ), (b) kein solcher Herrscher hat drei von zehn Königen
unterworfen, die zuvor gleichzeitig geherrscht haben (V. 24 ), (c)
kein solcher Herrscher hat Israel (V. 21 ) dreieinhalb Jahre lang
(V. 25 ) verfolgt, und (d) kein solcher Herrscher ist für immer bei
der Wiederkunft Christi zerstört worden (V. 26 ). Es ist auch nicht
möglich, das "kleine Horn" mit der römisch-katholischen Kirche zu
identifizieren, denn: (a) das "kleine Horn" ist ein König, kein
Papst, (b) die Macht des Papstes ist nicht auf dreieinhalb Jahre
beschränkt gewesen, (c) die Papstkirche hat es sich nicht zur
Aufgabe gemacht, das Volk Israel zu vernichten, und (d) die
Papstkirche ist bei der Wiederkunft Christi auf die Erde nicht
zerstört worden. III. Die prophetische Geschichte Israels
während der Zeit der Heiden ( Dan 8-12 ) A. Die Vision von dem Widder und der Ziege ( Dan 8 ) Kapitel 8 - 12 (und Dan 1,1-2,4 a) sind in
hebräisch geschrieben, während Dan 2,4-7,28 aramäisch sind. Welche
Bedeutung dies hat, wird unter "Sprache" in der Einführung erörtert. 1. Die Vision ( 8,1 - 14 ) a. Die Vorbereitung ( 8,1 - 2 ) Dan 8,1-2 Die Vision, von der Daniel in Kapitel
8 berichtet, kam zwei Jahre nach der Vision von Kapitel 7 über ihn
(vgl. das dritte Jahr Belsazars [ Dan 8,1 ] mit seinem "ersten Jahr"
[ Dan 7,1 ]). In seinem Gesicht sah Daniel sich selbst in dem Palast
in Susa , einer der persischen Königsstädte, mehr als 300 Kilometer
östlich von Babel an dem Fluß Ulai (vgl. die Karte "Die Welt
Jeremias und Hesekiels" in der Einführung zu Jeremia). Ein
Jahrhundert später baute der persische König Xerxes hier einen
herrlichen Palast, in dem auch die im Buch Ester beschriebenen
Ereignisse stattfanden (vgl. Est 1,2 ). Nehemia war der Mundschenk
von König Artaxerxes in diesem Palast in Susa ( Neh 1,1 ). b. Die Vision von dem Widder ( 8,3 - 4 ) Dan 8,3-4 In seinem Gesicht sah Daniel einen Widder mit
zwei langen Hörnern in der Nähe des Flusses. Das besondere war, daß
ein Horn länger als das andere war . Die Hörner wuchsen nicht
gleichzeitig, sondern das längere wuchs nach ( wuchs später ) dem
kürzeren. Die Ungleichheit zwischen den Hörnern des Widders erinnert
an den Bär, der auf der einen Seite erhoben war ( Dan 7,5 ). Der
Widder , der an dem Kanal gestanden hatte, fing an, nach Westen,
Norden und Süden zu stoßen. Seinem Stoß konnte sich niemand
entgegenstellen . Er tat, wie er wollte, und beherrschte das ganze
Gebiet, gegen das er zog, und wurde groß. c. Die Vision von der Ziege ( 8,5 - 14 ) Dan 8,5-8 Dann sah Daniel eine Ziege mit einem einzigen,
mächtigen Horn plötzlich aus dem Westen kommen. Ihre Geschwindigkeit
war so groß, daß ihre Füße den Boden nicht berührten. Die Ziege
griff, in der Absicht, den zweihörnigen Widder zu vernichten,
diesen in großem Grimm an und zerbrach die zwei Hörner des Widders. Der Widder hatte keine Kraft , sich zu
verteidigen, und die Ziege warf ihn zu Boden. Die Größe, die den
Widder gekennzeichnet hatte, gehörte nun der Ziege. Bisher konnte
niemand vor der Macht des Widders entkommen (V. 4 ), nun konnte
niemand vor der Ziege entkommen (V. 7 ). Sobald die Ziege große
Macht erlangt hatte, wurde ihr großes , einzelnes Horn abgebrochen ,
und an seine Stelle traten vier Hörner . Die Beschreibung dieser Ziege hat bestimmte
Parallelen zu dem dritten Tier in Dan 7,6 ,dem Leopard mit Flügeln.
Beide sind sehr schnell, und der Leopard hat vier Köpfe, während die
Ziege vier Hörner hat. Die Hörner der Ziege sind vermutlich Könige
(wie auch die Hörner des vierten Tieres Könige darstellten; Dan
7,24 ). Dan 8,9-12 Aus einem der vier Hörner kam ein anderes
Horn . Es sah zunächst unscheinbar aus, aber bald übte es südwärts
und ostwärts und gegen das herrliche Land , das Land Israel, Macht
aus. Es wurde zu einem großen Verfolger des Volkes Israel ( das Heer
des Himmels ; vgl. "Heer" in V. 10 ) und unterwarf sich dieses Volk
( zertrat es ). Es stellte sich selbst als König Israels auf und
nannte sich der Fürst des Heeres . Es zwang das Volk, ihn anzubeten,
denn er verbot Israel, seine religiösen Praktiken weiterzumachen
(entfernte das tägliche Opfer ), und entheiligte den Tempel ( machte
das Heiligtum niedrig ). Das Volk Israel ( die Heiligen ; vgl. die
Anmerkungen zu Dan 7,18 ) ließ dies wegen seiner rebellischen
Haltung zu (vgl. "Frevel" in Dan 8,13 ). Es nahm zu und verhöhnte
die Wahrheit des Wortes Gottes so sehr, daß es von der Wahrheit
hieß, daß sie auf den Boden geworfen sei . Dieser Teil der Vision spricht von dem
Aufkommen eines Herrschers im griechischen Weltreich, der die
Menschen und das Land Israel unterjocht, den Tempel entweiht, den
Gottesdienst verbietet und für sich selbst die Autorität und
Anbetung verlangt, die Gott allein zusteht. Dan 8,13-14 Um Daniels willen sprach ein Engel ( ein
Heiliger ; vgl. die "Heiligen" in Dan 4,14 ) zu dem Engel der
Offenbarung ( ein anderer Heiliger ) und fragte: Wie lange wird es
dauern, bis dieses Gesicht erfüllt wird? Die Antwort war: Es wird 2
300 Abende und Morgen dauern . (Zur Bedeutung der "2 300 Abende und
Morgen" vgl. die Anmerkungen zu Dan 8,23-25 .) Nach dem Ende dieser
Zeit wird das Heiligtum , das entweiht worden ist, wieder gereinigt
und wieder in seinen ihm zustehenden Platz im Leben des Volkes
eingesetzt ( wieder geweiht ) werden. 2. Die Auslegung ( 8,15 - 27 ) a. Gabriels Eingreifen ( 8,15 - 18 ) Dan 8,15-18 Erneut versteht Daniel, obwohl er Nebukadnezars
Träume hatte deuten können ( Dan 2;4 ), diesen Traum nicht (vgl. Dan
7,16 ). Gabriel wurde daher gesandt, um Daniel die Bedeutung des
Gesichtes zu erklären. Es ist verständlich, daß Daniel durch das
Erscheinen des herrlichen Boten erschrocken war (vgl. Dan 7,15 ) und
vor ihm niederfiel. Gabriel sprach Daniel als
einen Menschensohn (andere Übersetzungen: Menschenkind) an (vgl. die
Anmerkungen zu Hes 2,1 ; nicht zu verwechseln mit Christus, dem
Menschensohn) und erläuterte, daß das Gesicht sich auf die Zeit des
Endes bezieht (vgl. Dan 8,19 ), daß es also um Ereignisse geht, die
zur Zeit Daniels noch ferne Zukunft waren, Ereignisse, die dem Volk
Israel unter dem griechischen Reich begegneten. b. Gabriels Erklärungen ( 8,19 - 26 ) Dan 8,19 Gabriel machte deutlich, daß das Gesicht von
Dingen spricht, die jenseits von Daniels Zeit liegen ( was später
geschehen wird und zur letzten Zeit ; vgl. V. 17 ).
Interessanterweise wird diese spätere Zeit in der Zeit der
Heiden die Zeit des Zornes genannt. Wie schon gesagt ( Dan 2 ), ist
die Zeit der Heiden die Periode von der Herrschaft Nebukadnezars bis
zum zweiten Kommen Christi. Israel erlebt in dieser Zeit eine
göttliche Züchtigung. Sein Ungehorsam hatte den erzieherischen Zorn
Gottes über das Volk hereingebracht. Dan 8,20-21 Gabriel erklärte zunächst die Bedeutung
des Widders mit den zwei Hörnern (vgl. V. 3-7 ). Am ehesten trifft
dieses Bild auf Medien und Persien zu, das gleiche Reich, das durch
den Bären, der auf einer Seite erhöht war ( Dan 7,5 ), dargestellt
wurde. Obwohl Persien später als Medien 559 v. Chr. für Persien,
während Medien Jahrzehnte früher war) mächtig wurde, überschatteten
die Perser schließlich die Meder. Das zweite Horn des Widders war
daher größer als das erste. Persien dehnte sein Reich nach Westen,
Norden und Süden mit einem riesigen Heer von über zwei Millionen
Soldaten aus. Als nächstes kam der Engel auf die
Bedeutung der rauhhaarigen Ziege mit dem großen Horn zwischen ihren
Augen zu sprechen. Die Ziege ist der König (oder das Königreich) von
Griechenland , in Dan 7,6 durch den geflügelten Leoparden
dargestellt. (Vgl. die Tabelle "Vergleich zwischen Dan 2,7 und 8 ".)
Das Horn ist Griechenlands erster König, Alexander (vgl. Dan 11,3 ).
Zwar hatte bereits sein Vater, Philip II. von Mazedonien, die
griechischen Stadtstaaten (außer Sparta) vereinigt, aber erst
Alexander gilt als der erste König Griechenlands. Alexander der Große (das ansehnliche Horn; Dan
8,5 ) kam mit einem kleinen, aber schnellen Heer von Westen. Er war
wütend (V. 6 ), weil die Perser die Griechen bei der Schlacht von
Marathon (490 v. Chr.) und der Schlacht von Salamis (481), zwei
griechische Städte in der Nähe von Athen, besiegt hatten. In großer
Geschwindigkeit eroberte er von 334 v. Chr. an innerhalb weniger
Jahre Kleinasien, Syrien, Ägypten und Mesopotamien. Die Perser
konnten sich ihm nicht widersetzen (V. 7 ). (Vgl. die Karte
"Alexanders Eroberungszüge".) Alexander starb 323 v. Chr. im Alter
von nur 32 Jahren in Babel an Malaria und Folgen von Alkoholismus. Auf der Höhe seiner Macht war es mit ihm zu
Ende (V. 8 ). Dan 8,22 Da Alexander keine Kinder hatte, die ihm auf
dem Thron folgen konnten, wurde das Reich einige Jahre später unter
seinen vier Generälen aufgeteilt, hier durch die vier
Hörner dargestellt (vgl. V. 8 ; vgl. Dan 11,4 ). Das geteilte
griechische Reich konnte jedoch nie wieder die gleiche
Macht erlangen wie unter Alexander. Ptolemaios erhielt Ägypten und
Teile von Kleinasien. Kassander wurde das Gebiet von Mazedonien und
Griechenland zuteil, Lysimachus bekam Trazien und Teile von
Kleinasien (das westliche Bithynien, Phrygien, Mysien und Lydien).
Seleukus erhielt den Rest des alexandrinischen Reiches mit Syrien,
Israel und Mesopotamien. Dan 8,23-25 Jahre später wird sich, so sagte Gabriel, unter
den vier Hörnern (Königen) ein strenger ( frecher ) und
verschlagener König (ein Meister der Intrigen ; vgl. Betrug ,
V. 25 ) erheben ; ein mächtiger Herrscher, der Eigentum vernichtet
und Völker zerstört, um sein Reich auszubauen. Das heilige Volk ,
Israel (vgl. "Heilige", Dan 7,18.22.27 ), wird dabei ein ganz
besonderes Ziel seiner Unterdrückung sein. Wenn er Israel
unterwirft, werden viele ihr Leben verlieren, gerade wenn sie
dachten, daß sie sicher seien. Seine Feindschaft gegen Israel wird
auch eine Feindschaft gegen dessen Gott, den Fürst der Fürsten ,
sein. Aber dieser mächtige Eroberer selbst wird von einer
übernatürlichen Macht vernichtet. Sein Emporkommen kam nicht aus ihm
selbst ( Dan 8,24 ), und auch sein Untergang ist nicht durch
menschliche Mittel hervorgebracht (er starb 163 v. Chr. geisteskrank
in Persien). Der König, von dem hier die Rede ist, ist als
Antiochus IV. Epiphanes bekannt. Nachdem er seinen Bruder umgebracht
hatte, der den Thron in der seleukidischen Dynastie innehatte, kam
er 175 v. Chr. an die Macht. 170 v. Chr. versuchte Ptolemaios VI.
von Ägypten, das Gebiet in seine Hand zu bringen, das von Antiochus
beherrscht wurde. Deshalb griff Antiochus Ägypten an, besiegte
Ptolemaios VI. und ernannte sich selbst zum König in Ägypten. Dies
war seine Zunahme "an Macht im Süden" (V. 9 ). Bei seiner Rückkehr
von dieser Eroberung brachen in Jerusalem Unruhen aus. Daher
beschloß er, Jerusalem zu unterwerfen ("das herrliche Land", V. 9 ;
vgl. Dan 11,16.41 ). Das Volk wurde besiegt, der Tempel entheiligt
und der Tempelschatz geplündert. Von dieser Eroberung kehrte Antiochus 168 nach
Ägypten zurück, mußte dieses aber unter dem Druck Roms wieder
verlassen. Bei seinem Rückzug beschloß er, das Land Israel zu einem
Pufferstaat zwischen Ägypten und sich zu machen. Er griff Jerusalem
an und brannte es nieder, wobei er viele tötete (vgl. Dan 8,10 ).
Den Juden wurde verboten, das mosaische Gesetz zu halten. Sie
durften den Sabbat nicht mehr feiern, ihre jährlichen Feste nicht
abhalten, die Opfer wurden verboten, und ihre Kinder durften sie
nicht mehr beschneiden (vgl. V. 11 ). Statt dessen wurden in
Jerusalem Altäre für fremde Götter aufgestellt, und am 16. Dezember
167 v. Chr. wurde den Juden befohlen, unreine Opfer darzubringen und
Schweinefleisch zu essen, wenn sie nicht mit dem Tod bestraft werden
wollten. (Die Freunde von Antiochus nannten ihn " Epiphanes " ["der
Erleuchtete"]. Es wundert nicht, daß ihn die Juden " Epimanes "
["der Wahnsinnige"] betitelten. Mehr zur Rolle von Antiochus IV.
Epiphanes ist in den Anmerkungen zu Dan 11,21-35 zu finden.) Die Entweihung des Tempels durch Antiochus
sollte 2 300 Abende und Morgen dauern, bevor er wieder gereinigt
würde ( Dan 8,14 ). Manche Ausleger denken, daß die 2 300 Abende und
Morgen 2 300 Tage sind, also etwas weniger als sechs Jahre. Wenn man
von dem ersten Eindringen von Antiochus nach Jerusalem (170 v. Chr.)
ausgeht, kommt man nach dieser Theorie auf das Jahr 164, in dem der
Tempel durch Judas Makkabäus wieder neu renoviert und gegen Ende des
Jahres wieder eingeweiht wurde. Eine zweite Auslegungsweise scheint
jedoch besser zu sein. Statt jeden Abend und Morgen als einen Tag zu
sehen, könnte sich die Aussage auf die Abend- und Morgenopfer
beziehen, die von Antiochus und seiner Entweihung des Tempels
gestoppt wurden (vgl. "das tägliche Opfer" V. 11 - 21 ). Wenn man
mit zwei täglichen Opfern rechnet, ergeben die 2 300 Opfer 1 150
Tage oder drei Jahre (von jeweils 360 Tagen) plus 70 Tage. Dies
entspricht der Zeit von der Entweihung des Tempels durch Antiochus
(am 16. Dezember 167 v. Chr.) bis zur Renovierung und erneuten
Einweihung durch Judas Makkabäus Ende 164 bis Anfang 163 v. Chr.,
als alle jüdischen Opfer wieder eingeführt waren und Juda erneut
religiöse Unabhängigkeit erlangt hatte. Welcher Auslegung man auch
folgt, die Zahl 2 300 ist jedenfalls eine reale Zahl, und die
angesprochene Zeitperiode wurde wörtlich erfüllt. Unter Auslegern ist wird nicht bezweifelt, daß
in dieser Weissagung Antiochus gemeint ist. Was über ihn geweissagt
wurde, hat sich wörtlich erfüllt. Aber doch blickt die Weissagung
über Antiochus auf eine noch zukünftige Person hinaus (den
Antichristen), von der Antiochus nur ein schwaches Abbild ist.
Dieser Kommende wird sich "gegen den Fürst der Fürsten stellen"
(V. 25 ). Damit kann niemand anders gemeint sein als der Herr Jesus
Christus. Die Weissagung geht also über Antiochus hinaus und blickt
auf einen, dessen Tun dem des Antiochus ähnlich sein wird. Von Antiochus können wir bestimmte Dinge über
den zukünftigen Herrscher lernen: (1) Er wird große Macht erhalten
und andere sich unterwerfen (V. 24 ). (2) Er wird durch das
trügerische Versprechen von Sicherheit an die Macht kommen (V. 25 ).
(3) Er wird intelligent sein und überzeugend wirken (V. 23 ). (4) Er
wird von einem anderen beherrscht (V. 24 ), Satan. (5) Er wird ein
Gegner Israels sein und sich Israel unterwerfen (V. 24 - 25 ). (6)
Er wird aufstehen gegen den Fürst der Fürsten, den Herrn Jesus
Christus (V. 25 ). (7) Seine Herrschaft wird durch ein göttliches
Gericht beendet werden (V. 25 ). Man kann also schließen, daß diese
Weissagung eine doppelte Erfüllung hat. Es wird darin die Geschichte
Israels unter den Seleukiden und zum Teil unter Antiochus während
der Zeit der griechischen Herrschaft offenbart, aber auch das, was
Israel einst unter dem Antichristen erleben wird, für den Antiochus
ein Abbild ist, steht im Blickfeld. Dan 8,26 Daniel erhält den Auftrag, die Vision zu
versiegeln , womit wohl gemeint ist, daß er sie beenden, nicht aber
daß er sie geheim halten soll, denn sie muß für
die Zukunft aufbewahrt bleiben. Er vergaß dies nicht und bewahrte
sie später auf, indem er sie unter der Leitung des Heiligen Geistes
niederschrieb. c. Daniels Antwort ( 8,27 ) Dan 8,27 Daniel war völlig überwältigt ( erschöpft und
krank ) durch die Auslegung dieses Gesichtes. Mehrere Tage konnte er
seinen Dienst nicht verrichten. B. Die Vision der Jahrwochen ( Dan 9 ) 1. Der Anlaß der Vision ( 9,1 - 2 ) Dan 9,1-2 Es war nun das erste Jahr der Herrschaft von
Darius, dem Meder . (Zu der Identifizierung dieses Darius vgl. die
Anmerkungen zu Dan 6,1 .) Dies war im Jahr 539 v. Chr., 66 Jahre
nachdem Daniel in die Gefangenschaft geführt worden war. Die Eroberung des babylonischen Reiches durch
die Medo-Perser war in der Tat ein gewaltiges Ereignis gewesen. Es
war Belsazar durch die Interpretation der Schrift auf der Wand durch
Daniel angekündigt worden ( Dan 5,25-28.30 ). Die Unterwerfung der
Babylonier bereitete den Weg vor für die Befreiung der Juden, die
seit der ersten Invasion Jerusalems durch Nebukadnezar im Jahr 605
v. Chr. ins Exil geführt worden waren. Jeremia , der den Untergang
Israels vorausgesagt hatte, hatte aber auch angekündigt, daß Israels
Aufenthalt in Babylon 70 Jahre dauern würde ( Jer 25,11-12 ). Offenbar durch den Sieg von Darius bewegt,
untersuchte Daniel die Schriften , um die Ereignisse, in denen er
eine wichtige Rolle spielte, zu verstehen. Er begriff, daß der Sieg
von Darius bedeutete, daß das Ende der siebzigjährigen
Gefangenschaft nahe war. Die entscheidenden Ereignisse seiner Zeit
wurden so noch wichtiger für Daniel. 2. Das Gebet Daniels ( 9,3 - 19 ) a. Bekenntnis ( 9,3 - 13 ) Dan 9,3-6 Daniels Studium der Schrift brachte ihn dazu,
sich Gott zuzuwenden und ein Gebet des Bekenntnisses (V. 3 - 14 ),
und der Bitte (V. 15 - 19 ) zu beten und zu fasten . Das Tragen
von Sackleinen und/oder Benutzen von Asche war ein Zeichen für
Trauer, für Leid und Buße (vgl. 1Mo 37,34; Neh 9,1; Est 4,1.3; Jes
58,5; Jer 49,3; Hes 7,18; Joe 1,8; Mt 11,21 ). Mose hatte das Prinzip offenbart, nach dem Gott
mit seinem Bundesvolk handelte: Gehorsam bringt Segen, Ungehorsam
Strafe. Eine Form dieser Strafe war, daß Israel von heidnischen
Mächten unterworfen würde ( 5Mo 28,48-57.64-68 ). Was Israel nun in
Babylon erlebte, war die Anwendung dieses Prinzips. Dann hatte Mose aber auch offenbart, wodurch
das Volk wieder erhoben und erneut zum Segen eingesetzt werden würde
( 5Mo 30 ). Es muß umkehren zu Gott und seiner Stimme gehorchen.
Dann wird Gott es aus der Gefangenschaft zurückbringen und das Volk
wieder in das Land bringen, aus dem es vertrieben worden war, und
wird es wieder segnen. Daniel war sich offenbar völlig bewußt, daß die
Jahre in Babylon eine göttliche Strafe und Züchtigung über Israel
bedeuteten. Da er wußte, daß das Bekenntnis der Schuld eine
Voraussetzung für die Erneuerung war, bekannte er die Sünde seines
Volkes, indem er sich selbst mit dessen Sünde identifizierte, so,
als ob er persönlich dafür verantwortlich wäre. Daniel hatte bemerkt, daß Segen von Gehorsam
abhängt, denn Gott hält seinen Bund der Liebe ( HeseD , "treue
Liebe") mit allen, die ihn lieben und ihm gehorchen . Auch ein
Bundesvolk kann nicht gesegnet werden, wenn es ungehorsam ist.
Viermal bekennt Daniel, daß sein Volk gesündigt hat ( Dan
9,5.8.11.15 ). Dessen Sünde war die Sünde der Rebellion (vgl. V. 9 )
gegen Gott. Es hatte sich von dem Wort Gottes (seinen Gesetzen ;
vgl. V. 10 - 11 ), das es kannte, weggewandt (vgl. V. 11 ). Gott, in
seiner Gnade, hatte Propheten geschickt (vgl. V. 10 ), um die
Menschen zu ermahnen, zu ihm zurückzukehren. Aber sie wollten nicht
auf deren Botschaften hören ( wir haben nicht gehört ). Könige und
Volk waren vor Gott gleich schuldig. Dan 9,7-11 a Daniel bekräftigte dann, daß Gott gerecht ist
(vgl. V. 14.16 ) und daß seine Züchtigung Israels für dessen Untreue
richtig war. Israel war mit Schande bedeckt (V. 7 - 8 )
und verstreut in fremde Länder. Gottes Strafe bedeutete nicht, daß
er seine Gnade (vgl. V. 18 ) und Vergebung vor seinem Volk verbarg,
sondern daß er, der Gerechte, die Auflehnung und den Ungehorsam des
Volkes bestrafen mußte (V. 10 ). Es wollte Gottes Gesetze nicht
halten (V. 10 ; vgl. V. 5 ), denn es übertrat sein Gesetz (V. 11 )
und wandte sich von Gott ab (vgl. V. 5 ). Es war beharrlich in
seinem Ungehorsam ( wollte nicht hören ). Dan 9,11-14 (Dan 9,11b-14) Wegen seiner Rebellion und seinem Ungehorsam
erlebte Israel nun die Flüche und Gerichte , von denen Mose in 5Mo
28,15-68 geschrieben hatte (vgl. V. 13 ). Aber trotz des strengen
Gerichtes, trotz dem großen nationalen Unglück ( Dan 9,12 ) wandte
sich das Volk nicht von seinen Sünden ab und ordnete sich der
Autorität des Gesetzes, der Wahrheit Gottes, nicht unter. Dieses
Unglück, der Untergang Jerusalems, war gekommen, weil Gott gerecht
ist (vgl. V. 7.16 ) und weil Israel ihm nicht gehorcht hatte (vgl.
V. 10 - 11 ). b. Bitte ( 9,15 - 19 ) Dan 9,15-16 Daniel begann seine Bitte (V. 15 ), indem er
zwei der Dinge erwähnte, mit denen er sein Bekenntnis begonnen hatte
(V. 4 - 5 ): Gottes Größe und die Sünde des Volkes. Daniel sprach
davon, daß Gott Israel durch seine große Macht (mit einer mächtigen
Hand) aus Ägypten errettet hatte. Gott wurde durch die Befreiung
seines Volkes verherrlicht. Aber weil das Volk gesündigt hatte
(Daniels vierte Erwähnung der Sünde seines Volkes; vgl. V. 5.8.11 ),
war es zu einem Objekt des Spottes für die Völker um es herum
geworden. Daniel betete, daß Gott um seiner Gerechtigkeit
willen (vgl. V. 7.14 ) seinen Zorn und Grimm von Jerusalem
abwenden möge. Er bat, daß Gottes Züchtigung aufgehoben und das Volk
aus seiner gegenwärtigen Versklavung befreit würde. (Jerusalem ist
Gottes Stadt; vgl. V. 24 , und sein heiliger Hügel ; vgl.
V. 20 ; Joe 2,1;4,17; Zeph 3,11 .) Noch einmal verband Daniel den gegenwärtigen
Zustand des Volkes mit seiner Sünde in der Vergangenheit, den Sünden
und Vergehen unserer Väter (vgl. Dan 9,6.8 ). Dan 9,17-19 Nachdem der Prophet darum gebetet hatte, daß
Gottes Zorn sich abwenden möge (V. 15 - 16 ), betete er nun um
Gottes Gnade, Barmherzigkeit und Vergebung (V. 17 - 19 ). Daniel bat
Gott, daß er seine Gebete hören und das Heiligtum (den Tempel in
Jerusalem) um seinetwillen wieder aufrichten möge (wohlwollend
schauen auf, vgl. V. 19 ). Er bat, daß Gott seine Bitte hören ( das
Ohr leihen ) und die Zerstörung der Stadt sehen möge ( öffne deine
Augen ). Es ist interessant, daß Daniel nicht genau sagte, was Gott
tun solle. Vielmehr bat er, daß Gott auf das Heiligtum "schauen" und
die Stadt "sehen" möge, die beide seit so vielen Jahren zerstört
waren. Daniel gründete seine Bitten auf Gottes große
Barmherzigkeit (vgl. V. 9 ), nicht auf die Gerechtigkeit des Volkes,
denn es hatte keine. Aber weil Gott barmherzig und vergebend ist,
betete er: O HERR, höre! O HERR, vergib! Um den Ruf Gottes besorgt,
bittet Daniel, daß der Herr schnell handeln ( verzögere nicht ) und
der Stadt und dem Volk, die seinen Namen trugen, helfen möge. Dies
würde Gott verherrlichen, denn es war um seinetwillen (vgl. V. 17 ). 3. Die Antwort des Herrn ( 9,20 - 27 ) a. Die Botschaft Gabriels ( 9,20 - 23 ) Dan 9,20-21 Daniel hatte in seinem Gebet das
Bekenntnis seiner Sünde und der Sünde des Volkes abgelegt und an
Gott die Bitte gerichtet, daß er Jerusalem ( Gottes heiliger Berg )
wieder aufrichten möge. Die Antwort auf dieses Gebet Daniels wurde
nicht verzögert (vgl. "verzögere nicht", V. 19 ). Denn er wurde
durch die Erscheinung von Gabriel unterbrochen, der schon früher zu
ihm gekommen war und ihm seine Gesichte über den Widder und die
Ziege erläutert hatte ( Dan 8,15 ). Gabriel kam schnell, um die Zeit
des Abendopfers . Dies war eines der beiden täglichen Opfer, die von
dem Gesetz verlangt wurden ( 2Mo 19,38-39; 4Mo 28,3-4 vgl. "Abende
und Morgen" in Dan 8,14 ). Auch wenn der Tempel zerstört war, so daß
man in den letzten 66 Jahren keine Opfer mehr hatte bringen können,
beachtete Daniel dennoch diese Zeit des Tages als Zeit der Anbetung
Gottes. Vielleicht war dies eine von den drei Zeiten am Tag, an
denen er betete ( Dan 6,11 ). l Dan 9,22-23 Zwar hatte Daniel es in seinem Gebet nicht
ausdrücklich so gesagt, aber er war offensichtlich sehr beunruhigt
über Gottes weiteres Programm für Israel (vgl. V. 2 ). Jeremias
Weissagung ( Jer 25,11-12 ) sprach nur von Gottes Plan für das Volk
bis zum Ende der siebzigjährigen babylonischen Gefangenschaft.
Daniel wollte wissen, was nach dieser geschehen werde. Die beiden
vorangehenden Visionen ( Dan 7-8 ) über die zukünftigen Dinge hatten
hauptsächlich von den heidnischen Nationen gesprochen, die nach
Babylon kommen würden. Deshalb hatte Gabriel von Gott den Auftrag,
Daniels Verlangen zu erfüllen und Gottes Programm für sein Volk bis
zu dessen Vollendung in dem verheißenen Königreich und unter der
Herrschaft des Messias Israels zu offenbaren. Gabriel sollte Daniel
Einsicht in Gottes Vorhaben mit seinem Volk geben. Weil der Prophet
bei Gott hoch geachtet war (vgl. Dan 10,11.19 ), hatte Gabriel eine
Antwort für Daniel empfangen, sobald Daniel begonnen hatte zu
beten . b. Der Plan Gottes in den 70 "Jahrwochen" ( 9,24 ) Dan 9,24 Zuerst wurde Daniel mitgeteilt, daß Gottes Plan
in 70 Wochen (wörtl.: " 70 Siebener ") vollendet würde. Da Daniel im
Blick auf Gottes Vorhaben offenbar in Jahresabschnitten dachte
(V. 1 ; vgl. Jer 25,11-12; 2Chr 36,21 ), war es nur natürlich, daß
er unter diesen "Wochen" Jahre verstand. Heute denken wir gewöhnlich
in Zehnerschritten (z. B. Jahrzehnt, Jahrhundert ...).
Daniels Volk dachte in Siebenerschritten (Heptaden). Sieben Tage
sind eine Woche. Jedes siebte Jahr war ein Sabbatjahr ( 3Mo
25,1-7 ). Sieben "Siebener" waren ein Jubeljahr ( 3Mo 25,8-12 );
siebzig "Siebener" folglich eine Spanne von 490 Jahren. Diese 490
konnten nicht Tage meinen (etwa eineinhalb Jahre zusammen), denn
dies würde nicht genügend Zeit lassen für die Ereignisse, die in Dan
9,24-27 angekündigt werden. Dies gilt auch für 490 Wochen a sieben
Tage (d. h. 3 430 Tage, etwa 912 Jahre). Auch müßte man dann
erwarten, daß Daniel nach "70 Siebenern" noch "an Tagen" zugefügt
hätte, denn in Dan 10,2-3 schreibt er wörtlich: "drei Siebener an
Tagen" (d. h. "drei Wochen"). Ein weiteres Argument ist, daß Israel und Juda
im Laufe ihrer Geschichte die Sabbatjahre nicht gehalten hatten
(jedes siebte Jahr sollte das Land brachliegen; 3Mo 25,1-7 ).
Deshalb legte der Herr dem Land siebzig "Sabbate" auf (vgl. 3Mo
26,34-35 ). Es wurden also 490 Jahre benötigt, um diese 70
Sabbatjahre zu erfüllen, wenn alle sieben Jahre ein solches
Sabbatjahr sein sollte. Diese Zeitspanne war für Daniels Volk (vgl.
"dein Volk" in Dan 10,14;11,14 ) und für die Heilige Stadt (vgl. Dan
9,16.24 ) bestimmt worden. Diese Weissagung handelt also nicht von
der Welt- oder Kirchengeschichte, sondern von der Geschichte Israels
und der Stadt Jerusalem. Wenn die 490 Jahre vorbei sind, wird Gott
sechs Dinge für Israel getan haben. Die ersten drei wird er mit der
Sünde, die zweiten drei mit dem Königreich tun. Die Grundlage für
die ersten drei wurde in dem Werk Christi am Kreuz gelegt, aber alle
sechs werden von Israel verwirklicht werden, wenn Christus
wiederkommt. 1. Am Ende der 490 Jahre wird Gott
die Übertretungen Israels beenden . Das Verb "beenden" ( kAlA? )
bedeutet "etwas zu einem Ende bringen". Israels Sünde des
Ungehorsams wird zu Ende sein, wenn Christus wiederkommt. Dann wird
Israel umkehren und sich zu ihm als seinem Messias und Retter
wenden. Es wird wieder in sein Land eingesetzt und gesegnet werden,
so wie Daniel gebetet hatte. In den Tagen des Alten Testamentes war der
Höhepunkt im israelitischen Jahr der große Versöhnungstag ( 3Mo
16 ). An diesem Tag versammelte sich das ganze Volk vor Gott,
bekannte seine Sünde und brachte Opfer zur Vergebung dieser Sünde.
Dieses Opfer bedeckte die Sünde Israels für zwölf Monate, konnte sie
aber nicht wirklich beseitigen ( Hebr 10,1-3 ). Es mußte daher ein
Opfer gebracht werden, das alle angesammelten Sünden endgültig
beseitigen konnte. Dieses Opfer wurde von Jesus Christus gebracht,
der durch seinen Tod auch für alle die Sünden bezahlte, die in der
Vergangenheit nicht hatten entfernt werden können (vgl. Röm 3,25 ).
Sein Versöhnungswerk am Kreuz hat also dieses zukünftige "Beenden"
der Übertretungen Israels möglich gemacht. 2. Gott wird die Sünde beseitigen . Das
Verb HATam trägt die Bedeutung des Versiegelns. Gemeint ist, daß
etwas im Blick auf die Strafe versiegelt wird (vgl. 5Mo 32,34; Hi
14,17 ). Dies macht deutlich, daß Israels Sünde, die unbestraft
geblieben war, bestraft würde - in oder durch Jesus Christus, den
Stellvertreter, der die Sünden der Welt an das Kreuz getragen hat.
Dann, wenn Christus wiederkommt, wird er Israels Sünde beseitigen
( Hes 37,23; Röm 11,20-27 ). 3. Gott wird die Schuld sühnen . Das Verb
"sühnen" ( kAPar ) bedeutet "bedecken" oder "wiedergutmachen". Auch
dies spricht von Gottes endgültiger Versöhnung Israels, wenn es bei
der Wiederkunft Christi umkehrt, denn die Vorsorge für diese
Versöhnung ist am Kreuz bereits getroffen. Man sollte hier auch an
den großen Versöhnungstag in Israel denken, so wie in der ersten
dieser sechs Aussagen. An diesem Tag schuf Gott eine gerechte
Grundlage, auf der er mit einem schuldigen Volk handeln konnte. Das
Blut, das auf den Gnadenstuhl ("der Sühnedeckel"; 3Mo 16,14 ) über
der Bundelade gesprengt wurde, machte es möglich, daß er unter
diesem sündigen Volk lebte. In ähnlicher Weise verheißt Daniels
Weissagung, daß Gott aufgrund des von Christus am Kreuz vergossenen
Blutes mit Sündern umgehen wird, hier in besonderer Weise mit den
Sündern in Israel. Da Gott durch das Blut Christi versöhnt ist,
kann er die Sünde austilgen. Die griechischen Worte für
"Sühnedeckel" ( hilasmos , "Gnadenstuhl") und "versöhnen"
( hilaskomai ) sind miteinander verwandt. 4. Die zweiten drei Dinge, die Gott in dieser
Zeit vollenden wird, handeln von den positiven Aspekten des Planes
Gottes. Gott wird, durch den Tod Christi versöhnt, ewige
Gerechtigkeit bringen . Die Form des Verbes "bringen" macht
deutlich, daß es darum geht, etwas kommen zu lassen. Das Wort "ewig"
(hier im hebr. im Pl.) bedeutet eigentlich Zeitalter. Dieser
Ausdruck (wörtl.: "die Gerechtigkeit der Zeitalter kommen lassen")
ist daher eine Prophezeiung, daß Gott ein Zeitalter aufrichten wird,
das von Gerechtigkeit gekennzeichnet ist. Er spricht also vom
Tausendjährigen Reich ( Jes 60,21; Jer 23,5-6 ). 5. Gott wird Gesicht und Weissagung
versiegeln . Alles, was Gott durch die Propheten gesagt hat, wird er
tun. Er wird seinen Bund mit Israel erfüllen. Im Tausendjährigen
Reich werden alle Verheißungen seines Bundes vollkommen erfüllt
werden. Bis zu ihrer Erfüllung sind Weissagungen "unversiegelt".
("Versiegeln" ist hier die Übersetzung des gleichen Verbes, das in
der zweiten dieser sechs Aussagen benutzt wurde, HATam .) 6. Gott wird das Allerheiligste salben . Dies
könnte die Einweihung des Allerheiligsten im Tempel des
Tausendjährigen Reiches (wie er in Hes 41-46 beschrieben wird)
meinen. Oder es bezieht sich auf keinen heiligen Ort, sondern auf
eine heilige Person, Christus. Dann spricht diese Stelle von der
Krönung Christi, des "Gesalbten" ( Dan 7,25-27 ), im Tausendjährigen
Reich als König der Könige und Herr der Herren. Diese sechs Dinge sprechen also von der
Errichtung des Bundesreiches für Israel im Tausendjährigen Reich
unter der Herrschaft des verheißenen Königs. Sie fassen den gesamten
Plan Gottes zusammen, durch den er dem Volk Israel den Segen bringen
wird, den er durch seine Bundesverheißungen versprochen hat ( 1Mo
15,18-21; 1Sam 7,16; Jer 31,31-34 ). c. Die Einteilung der 70 "Jahrwochen" ( 9,25 - 27 ) Dan 9,25 Daniel erhielt nun eine sehr wichtige
Offenbarung über diese Zeitperiode und ihre Unterteilung. Die 70
"Wochen" werden, laut Gabriel, mit der Verkündigung des
Erlasses beginnen, Jerusalem zu erneuern und wieder aufzubauen. Dies
war der vierte von vier Erlassen, den die persischen Herrscher im
Blick auf die Juden machten.Der erste war der Erlaß von Kyrus im
Jahr 538 v. Chr. (2. Ch. 36,22 - 23; Esr 1,1-4; 5,13 ). Der zweite
war der Erlaß des Darius I. (522 - 486) im Jahr 512 v. Chr. ( Esr
6,1.6-12 ). Er war im Grunde nur eine Bestätigung des ersten
Erlasses. Der dritte war der Erlaß von Artaxerxes Longimanus (465 -
423) im Jahr 457 v. Chr. ( Esr 7,11-26 ). Die ersten beiden Erlasse
bezogen sich auf die Erneuerung des Tempels in Jerusalem, der dritte
auf die Finanzierung der Tieropfer im Tempel. Sie sagen nichts über
den Wiederaufbau der Stadt selbst aus. Da eine Stadt ohne Mauern
keinerlei militärische Bedrohung darstellte, war der Wiederaufbau
eines religiösen Tempels keine Herausforderung der militärischen
Autorität der Herrschenden. Keiner dieser Erlasse kann also
derjenige sein, von dem hier gesprochen wird und der den Beginn der
70 Jahrwochen bilden sollte. Der vierte Erlaß stammte ebenfalls von
Artaxerxes Longimanus und wurde am 5. März 444 v. Chr. verkündet
( Neh 2,1-8 ). In ihm gab Artaxerxes den Juden die Genehmigung, die
Mauern der Stadt Jerusalem wieder aufzubauen. Dies ist der Erlaß,
von dem Daniel 9,25 spricht. Die Weissagung zielt auf das Erscheinen des
Gesalbten, des Herrschers . Dies bezieht sich auf Christus selbst.
Gott, der Vater, hat Christus bei seiner Taufe im Jordan mit dem
Geist gesalbt ( Apg 10,38 ). Hier meint die Salbung jedoch die
Salbung Christi als Herrscher über sein Königreich (vgl. die
Anmerkungen zu "das Allerheiligste salben" in Dan 9,24 ). Die
Weissagung der 70 Jahrwochen endet also nicht mit dem ersten Kommen
Christi, wie manche Ausleger meinen, sondern vielmehr mit seiner
Wiederkunft und der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches. Diese Zeit von 490 Jahren ist in drei Teile
geteilt: (a) Sieben "Wochen" (49 Jahre), (b) 62 "Wochen" (434 Jahre)
und (c) eine "Woche" (V. 27 ; sieben Jahre). Der erste Abschnitt von
49 Jahren könnte sich auf die Zeit beziehen, in der die Stadt
Jerusalem, nachdem Artaxerxes in seinem Erlaß die Genehmigung
erteilt hatte, wieder aufgebaut wurde (444 - 395 v. Chr.). Zwar nahm
die Erneuerung der Mauer unter Nehemia nur 52 Tage in Anspruch, aber
sicher hat es noch viele Jahre gedauert, bis die Ruinen in der Stadt
entfernt waren (nach so vielen Jahrzehnten des Verfalls), geeignete
Häuser gebaut und die Straßen und Gräben erneuert worden waren. Dan 9,26 a Die 62 " Wochen " (434 Jahre) erstrecken sich
bis zur Einführung des Messias in dem Volk Israel. Dieser zweite
Abschnitt schloß an dem Tag, als Christus im Triumph nach Jerusalem
zog, kurz bevor er ausgerottet , d. h. gekreuzigt wurde. Durch
seinen triumphalen Einzug zeigte sich Christus, in Erfüllung
von Sach 9,9 , dem Volk Israel als Messias. Er kannte offensichtlich
auch diese Stelle aus Daniels Weissagung gut, denn bei eben diesem
Ereignis sagte er: Wenn ihr doch nur an diesem Tag erkannt hättet,
was euch Frieden gebracht hätte - aber nun ist es vor euren Augen
verborgen ( Lk 19,42 ). Die ersten beiden Teile dieses wichtigen
Zeitabschnittes - die sieben Wochen (49 Jahre) und die 62 Wochen
(434 Jahre) - folgten also ohne Zwischenzeit direkt aufeinander.
Zusammen ergaben sie 483 Jahre und gingen vom 5. März 444 v. Chr.
bis zum 30. März 33 n. Chr. Wie kommt man nun von 444 v. Chr. bis 33
n. Chr. auf insgesamt 483 Jahre? Die Antwort auf diese Frage findet
sich in der Tabelle "Die 483 Jahre im jüdischen und gregorianischen
Kalender". (Für nähere Einzelheiten vgl. Harold W.
Hoehner, Chronological Aspects of the Life of Chris t. Grand Rapids:
Zondervan Publishing House, 1977, und Alva J. McClain, Daniel's
Prophecy of the Seventy Weeks . Grand Rapids: Zondervan Publishing
House, 1969.) Nach Dan 9,26 wurde der Gesalbte nicht in der
70sten Jahrwoche "ausgerottet", sondern nachdem die sieben und die
62 Jahrwochen vorbei waren. Dies bedeutet, daß es zwischen der
69sten und der 70sten Jahrwoche einen Einschnitt gibt. Die
Kreuzigung Christi lag in diesem Zeitintervall, kurz nach seinem
triumphalen Einzug, der die 69ste Jahrwoche beschloß. Dieses
Intervall wurde von Christus vorhergesehen, als er die Errichtung
der Gemeinde prophezeite ( Mt 16,18 ). Dazu mußte notwendigerweise
das Volk Israel für eine gewisse Zeit zur Seite gestellt werden,
damit sein neuer Plan für die Gemeinde erfüllt werden konnte.
Christus spricht von dieser Beiseitestellung Israels ( Mt
21,42-43 ). Das gegenwärtige Gemeindezeitalter liegt also zwischen
der 69sten und der 70sten Jahrwoche. Amilleniaristen lehren, daß die Zeit, in der
Christus bei seinem ersten Kommen auf dieser Erde war, in dieser
70sten Jahrwoche lag und es keinen Einschnitt zwischen der 69sten
und der 70sten Woche gibt. Daher sind nach ihrer Meinung auch die
sechs Aussagen aus Dan 9,24 heute erfüllt, und zwar in der Gemeinde.
Diese Sicht hat jedoch schwere Mängel. Sie (a) ignoriert die
Tatsache, daß es in Vers 26 heißt: " nach den 62 Wochen", nicht
" in der 70sten Woche", (b) übersieht die Tatsache, daß der Dienst
Christi auf dieser Erde dreieinhalb Jahre lang gedauert hat, nicht
sieben Jahre, und (c) ignoriert die Tatsache, daß die sechs Aussagen
aus Vers 24 von Daniels "Volk" (Israel) und seiner "heiligen Stadt"
(Jerusalem) gesagt sind, nicht von der Gemeinde. Wenn der Gesalbte ausgerottet sein wird, so
erfuhr Daniel weiter, wird er nichts haben . Das Wort, das mit
"ausgerottet" übersetzt wird, spricht von der Todesstrafe für einen
Kriminellen. Die Weissagung spricht also ganz deutlich von der
Kreuzigung Christi. Bei dieser Kreuzigung wird er "nichts haben", da
Israel ihn verworfen hat und das Reich zu diesem Zeitpunkt nicht
aufgerichtet werden kann. Er hat also nicht damals die königliche
Würde als König auf dem Thron Davids über Israel bekommen. Johannes
bezieht sich darauf, wenn er schreibt: "Er kam in sein Eigentum [d.
h. zu dem Thron, den der Vater für ihn bereitet hatte]; und die
Seinen [d. h. sein eigenes Volk] nahmen ihn nicht auf" ( Joh 1,11 ).
Daniels Weissagung spricht also davon, wie Christus sich dem Volk
als Messias anbietet, wie das Volk ihn als Messias ablehnt und von
seiner Kreuzigung. Dan 9,26 b Die Weissagung fährt fort mit einer
Beschreibung des Gerichtes, das über die Generation kommen wird, die
den Messias abgelehnt hat. Die Stadt , in der das Heiligtum ist,
Jerusalem also, wird durch das Volk des Herrschers, der kommen
wird , zerstört werden. Der Herrscher, der kommen wird, ist das
letzte Haupt des römischen Reiches, das kleine Horn aus Dan 7,8 . Es
ist wichtig, daß das Volk des Herrschers, nicht der Herrscher
selbst, Jerusalem zerstören wird. Da er der letzte römische
Herrscher ist, muß das Volk natürlich das Volk der Römer sein. Dies
ist also eine Weissagung auf die Zerstörung Jerusalems hin, von der
Christus ebenfalls sprach. Als die Führer des Volkes ihre Verwerfung
Christi deutlich machten, indem sie seine Macht von Beelzebul
ableiteten, dem Fürsten der Dämonen ( Mt 12,24 ), warnte Christus
sie, daß sie sich, wenn sie diese Sicht beibehielten, einer Sünde
schuldig machen würden, für die es keine Vergebung gibt ( Mt
12,31-32 ). Er warnte das Volk, daß Jerusalem von den Heiden
zerstört werden würde ( Lk 21,24 ), daß es verlassen sein würde ( Mt
23,38 ) und daß die Zerstörung so vollständig sein würde, daß kein
Stein mehr auf dem anderen bliebe ( Mt 24,2 ). Diese Zerstörung
wurde im Jahr 70 n. Chr. durch Titus durchgeführt, als er die Stadt
Jerusalem eroberte und Tausende von Juden tötete. Aber dennoch
beendete diese Invasion, so schrecklich sie auch war, das Leiden
Israels nicht, denn, so sagte Gabriel, es wird Krieg bis zum Ende
geben. Obwohl Israel zur Seite gestellt wird, muß es leiden, bis die
Weissagung der 70 Jahrwochen vollständig erfüllt ist. Sein Leiden
umspannt die gesamte Periode von der Zerstörung Jerusalems im Jahre
70 n. Chr. bis zur Befreiung Jerusalems von der heidnischen
Vorherrschaft bei der Wiederkunft Christi. Dan 9,27 a Dieser Vers enthüllt, was in der 70sten
Jahrwoche geschehen wird. Diese Zeit von sieben Jahren beginnt nach
der Entrückung der Gemeinde (durch die Gottes Plan in diesem
gegenwärtigen Zeitalter vollendet werden wird). Die 70ste Woche
dauert an, bis Jesus Christus wieder auf die Erde zurückkommt. Jesus
hat diese Zeit eine Zeit der "großen Trübsal" genannt ( Mt 24,21 ). Ein wichtiges Ereignis, das den Beginn dieser
siebenjährigen Periode markieren wird, ist die Bekräftigung
eines Bundes . Dieser Bund wird mit vielen geschlossen, d. h. mit
Daniels Volk, dem Volk Israel. Der Herrscher, der kommen wird ( Dan
9,26 ), wird dabei der Bundespartner sein, denn in Vers 27 ist
dieser Herrscher mit dem Wort er gemeint. Er wird einmal das letzte
Haupt des vierten Reiches (das kleine Horn des vierten Tieres; Dan
7,8 ) sein. Der Bund, den er machen wird, ist
offensichtlich ein Friedensabkommen, in dem er Israel in seinem Land
Frieden zusichert. Dies macht deutlich, daß Israel zu der Zeit zwar
in seinem Land, aber nicht in der Lage ist, sich selbst zu
verteidigen. Es wird jegliche Unterstützung, die es vielleicht
vorher gehabt hat, verloren haben. Daher wird es die Friedensrolle
dieses Hauptes der vereinigten zehn (römischen) Nationen brauchen
und gerne annehmen. Indem er diesen Bund schließt, wird sich der
Herrscher wie ein Friedensfürst verstellen, und Israel wird seine
Autorität anerkennen. Aber in der Mitte der Woche , nach dreieinhalb
Jahren, wird er den Bund brechen. Nach 11,45 wird er dann in das
Land Israel einmarschieren. Dieser Herrscher wird Schlachtopfer und
Speisopfer abschaffen . Hier wird von dem gesamten levitischen
Opfersystem gesprochen. Es ist also zu vermuten, daß Israel dieses
System in der ersten Hälfte der 70sten Woche wieder eingeführt hat.
Nachdem dieser Herrscher weltweite politische Macht bekommen hat,
wird er auch auf dem religiösen Gebiet die Macht an sich reißen und
die Welt dazu bringen, ihn anzubeten ( 2Thes 2,4; Offb 13,8 ). Um
diese Anbetung zu erhalten, wird er jede Form organisierter Religion
auslöschen. Nachdem er sich selbst als der rechtmäßige König der
Welt und als Friedensfürst Israels hingestellt hat, wird er sich
schließlich gegen Israel wenden und sein Zerstörer und Beschmutzer
werden. Dan 9,27 b Daniel wurde gesagt, daß der Herrscher, der
kommen wird (V. 26 ), in einem Flügel des Tempels einen Greuel
aufrichten wird. Christus spricht von diesem Geschehen: "Ihr
[werdet] stehen sehen an dem heiligen Ort den Greuel, der die
Verwüstung bringt" ( Mt 24,15 ). Johannes schreibt, daß der falsche
Prophet ein Bildnis für seinen Herrscher aufrichten wird und daß die
Welt dieses Bildnis anbeten muß ( Offb 13,14-15 ). Aber dann wird
dies ein Ende haben ( das Ende, das bestimmt ist, wird über ihn
ausgegossen ). Zusammen mit seinem falschen Propheten wird er in den
Feuersee geworfen werden, wenn Christus auf die Erde zurückkehrt
( Offb 19,20 ; vgl. Dan 7,11.26 ). Dieser Bund, von dem hier die Rede ist, kann
nicht von Christus bei seinem ersten Kommen aufgerichtet worden
sein, wie die Amilleniaristen behaupten, denn: (a) sein Wirken
dauerte keine sieben Jahre, (b) sein Tod beendete Schlachtopfer und
Speisopfer nicht, (c) er richtete "den Greuel, der die Verwüstung
bringt", nicht auf ( Mt 24,15 ). Amilleniaristen behaupten, daß
Christus den Abraham-Bund bestätigte (im Sinne von einer Erfüllung),
als er auf der Erde wirkte, aber die Evangelien schreiben davon
nichts. Der Antichrist wird, wie schon gesagt, seinen
Bund mit Israel zu Beginn der zweiten Hälfte der 70sten Jahrwoche
brechen. Er wird also dreieinhalb Jahre lang gebrochen sein. Dies
wird "eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit" genannt ( Dan
7,25;12,7; Offb 12,14 ). Diese Zeit von dreieinhalb Jahren kann mit
1 260 Tagen ( Offb 11,3; 12,6 ) und mit 42 Monaten ( Offb 11,2;
13,5 ) gleichgesetzt werden, da der Monat nach jüdischer Rechnung 30
Tage und das Jahr 360 Tage hat. Dieses Jahr von 360 Tagen liegt auch
der Berechnung in der Tabelle "Die 483 Jahre im jüdischen und
gregorianischen Kalender" (bei Dan 9,26 a) zugrunde. Da die
Ereignisse in den 69 Jahrwochen (V. 24 - 26 ) wörtlich erfüllt
wurden, wird auch die noch unerfüllte 70ste Woche ebenfalls wörtlich
erfüllt werden. C. Die abschließende Vision ( Dan 10-12 ) 1. Die Vorbereitung des Propheten ( 10,1 - 11,1 ) a. Der Anlass für die Vision ( 10,1 - 3 ) Dan 10,1-3 Die abschließende Vision, die Daniel empfing,
kam im dritten Jahr der Regierung von Kyrus, also im Jahr 536 v.
Chr. Einige der Weggeführten waren bereits wieder von Babylon
zurückgekehrt und hatten begonnen, den Tempel wieder aufzubauen.
(Vielleicht war Daniel wegen seines Alters nicht mit ihnen
gegangen.) Israels Gefangenschaft war zu Ende. Jerusalem war wieder
bewohnt, und das Volk schien in Frieden leben zu können.
Die Offenbarung , die Daniel in dieser Vision erhielt, zerschlug
jegliche Hoffnung, die der Prophet vielleicht gehabt hatte, daß
Israel die Freiheit und den Frieden, die es gerade gewonnen hatte,
lange behalten würde. Denn Gott offenbarte, daß die Nation in viele
Streitigkeiten verwickelt werden würde ( einen großen Krieg ).
Daniel, der die Bedeutung dieser Vision verstand, fastete drei
Wochen lang (wörtl.: "drei Siebener von Tagen"; vgl. die Anmerkungen
zu Dan 9,25 ). Während dieser Zeit der Klage und Trauer enthielt er
sich auserwählter Speisen und wandte sich Gott zu (vgl. Dan 10,12 ),
um Auskunft über die Bestimmung seines Volkes zu erhalten. b. Der himmlische Botschafter ( 10,4 - 11 ) Dan 10,4-11 Nach drei Wochen (vgl. V. 3 ) wurde Daniel von
einem Boten aufgesucht, als er an dem Fluß Tigris stand (vgl. Dan
12,5 ). Der Bote war ein Engel vom Himmel, kein menschliches Wesen.
Er war in Leinen gekleidet (vgl. Dan 12,7 ) und von einer
strahlenden Helligkeit umgeben. Vermutlich handelte es sich hier
ebenfalls wieder um Gabriel, der ja schon einmal mit einer Botschaft
zu Daniel geschickt worden war ( Dan 8,16 ). Engel, die in der
Gegenwart Gottes wohnen, der das Licht ist, sind selbst mit Licht
gekleidet. Daniel sah hier etwas von der himmlischen Herrlichkeit,
die in dem Besucher widerstrahlte ( Dan 10,5-6 ). Einige Ausleger denken, daß der Mann , der
Daniel besuchte, der präinkarnierte Christus gewesen sei, wegen (a)
der Ähnlichkeit zwischen der Beschreibung hier und der von Christus
in Offb 1,13-16 , (b) der Antwort Daniels und seiner Freunde ( Dan
10,7-8 ) und (c) der Annahme, daß dieser "Mann" mit dem "Sohn des
Menschen" in Dan 7,13 und dem "Mann" in Dan 8,16 identisch sei. Auf
der anderen Seite ist es jedoch unwahrscheinlich, daß Christus von
dem Fürsten (Dämon) Persiens gehindert wurde und die Hilfe des
Engels Michael benötigte. Außerdem vermittelte er hier eine
himmlische Botschaft an Daniel. Daniels Begleiter sahen offenbar den
Lichtschein, nicht aber den Besucher, und sie flohen , um sich vor
dem Licht zu verstecken. Daniel blieb allein in der Gegenwart des
Engels zurück und warf sich vor ihm zu Boden. In dieser Lage fiel
Daniel in einen Schlaf . Er wurde von diesem Schlaf durch den Engel
geweckt, damit er die Botschaft empfangen konnte, die der Engel
überbringen sollte. Der Engel, der den Propheten hoch
geschätzt nannte (vgl. Dan 9,23;10,19 ), erklärte: Ich bin von Gott
zu dir geschickt worden , der die Bitte Daniels um Verständnis
erhört hat. c. Die Erläuterung des himmlischen Boten ( 10,12 - 14 ) Dan 10,12-14 Gabriel ermutigte Daniel zunächst, sich nicht
zu fürchten (vgl. V. 8 ). Dann erklärte er den Grund für die
Verzögerung der Antwort Gottes auf das Gebet Daniels. Als Daniel mit
seinem Beten und Fasten begann, nachdem er die Vision eines großen
Krieges gehabt hatte (V. 1 - 2 ), hatte Gott Gabriel mit einer
Botschaft für ihn losgesandt. Aber Gabriel war durch den Fürsten des
Königreiches Persien (vgl. "der Fürst von Persien"; V. 20 )
gehindert worden. Da Menschen nicht mit Engeln kämpfen können (Jakob
kämpfte mit Gott, nicht mit einem Engel; vgl. die Anmerkungen zu 1Mo
32,23-33 ), muß der Prinz, von dem hier gesprochen wird, ein
satanischer Widersacher gewesen sein. Gott hat den Bereich der Engelwelt in
verschiedene Stufen eingeteilt, in Herrschaften, Autoritäten, Mächte
und Gewalten ( Eph 1,21 ). Gabriel und Michael haben Autorität über
andere Engel, die Gottes Handeln an Israel durchführen (vgl. Michael
in Dan 10,21;12,1; Jud 1,9 ). Auf ähnliche Weise hat auch Satan
offensichtlich hohen Dämonen Machtstellungen über die verschiedenen
Reiche dieser Welt gegeben. Der Fürst des persischen Reiches war ein
Stellvertreter Satans, dem Persien zugeteilt war. Er versuchte zu
verhindern, daß Daniel die Botschaft Gabriels erhielt. Deshalb griff
er Gabriel an, der unterwegs war, um seine Mission zu erfüllen. Wir
erhalten hier einen kleinen Einblick in den geistlichen Kampf, der
in den himmlischen Orten zwischen den Engeln Gottes und den Dämonen
Satans gekämpft wird und über den Paulus sagt ( Eph 6,12 ): Unser
Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die
Herrschaften, gegen die Autoritäten, gegen die Mächte der finsteren
Welt und gegen die geistlichen Kräfte des Bösen in den himmlischen
Orten. Der Kampf zwischen Gabriel und dem Fürsten
(Dämonen) von Persien dauerte drei Wochen lang, bis Michael, einer
der höchsten Fürsten der Engelwelt (vgl. Dan 10,21;12,1 ), Gabriel
zur Hilfe kam. Während der König von Persien gegen Michael kämpfte,
konnte Gabriel seine Botschaft zu Daniel bringen, seine Botschaft
über die Zukunft Israels, dem Volk Daniels (vgl. "dein Volk"; Dan
9,24 ). Es handelt sich dabei um eine Offenbarung über den Krieg
( Dan 10,1 ) zwischen Israel und seinen Nachbarn, bis Israel
schließlich durch den kommenden Friedensfürsten Frieden erlangt.
Diese Vision ist die detaillierteste prophetische Offenbarung des
Buches Daniel. d. Die Stärkung des Propheten ( 10,15 - 11,1 ) Dan 10,15-19 Daniel war bereits durch die Erscheinung des
Boten kraftlos geworden (V. 8 ; vgl. Dan 7,15; Dan 8,27 ). Nun war
er geradezu überwältigt ( sprachlos ; Dan 10,15 ), als er von dem
Konflikt zwischen Engeln und Dämonen hörte, der die Antwort auf sein
Gebet verzögert hatte. Ja, er wurde von Angst ergriffen (V. 16 )
über den Inhalt der Vision bezüglich des zukünftigen Leidens
Israels. Er war völlig entkräftet (vgl. V. 8 ) und rang nach Atem. Indem Daniel den Boten als mein HERR anspricht
(vgl. V. 19 ; Dan 12,8 ), benutzte er einen Ehrentitel, der etwa dem
heutigen Gebrauch dieses Ausdruckes entspricht. Der Engel ging zunächst auf Daniels Zustand ein
und beruhigte seine innere Erregung ( Fürchte dich nicht ; vgl. Dan
10,12 ; o du hochgeschätzter Mann ; vgl. Dan 9,23;10,11 ). Er
stärkte ihn körperlich und gefühlsmäßig, so daß Daniel fähig wurde,
die Einzelheiten der Botschaft zu empfangen. Dan 10,20-11,1 Der Bote sagte zunächst, daß, wenn er
zurückgekehrt wäre, um gegen den Fürsten von Persien zu
kämpfen (vgl. "der Fürst des Königreiches Persien", Dan 10,13 ), der
Fürst von Griechenland kommen würde. Diese Fürsten sind, wie schon
gesagt (vgl. die Anmerkungen zu V. 11 - 14 ), Dämonen, Satans
Stellvertreter, die jeweils Nationen zugewiesen wurden, um die
göttlichen Kräfte zu hindern. Persien und Griechenland sind zwei der
großen Völker, um die es in Kapitel 11 im einzelnen geht (Persien,
V. 2-4 ; Griechenland, V. 5 - 35 ). Was ist das Buch der Wahrheit ? Vermutlich ist
es "Gottes Niederschrift der Wahrheit, von der die Bibel eine
Ausdrucksweise ist" (John F. Walvoord, Daniel: The Key to Prophetic
Revelation , S. 250). Der Bote soll Daniel die Pläne Gottes für
Israel unter Persien und Griechenland ( Dan 11,2-35 ) und später in
der großen Trübsal (V. 36 - 45 ) und dem Tausendjährigen Reich ( 12,
1 - 4 ) mitteilen. Der Bote ließ Daniel wissen, daß er in seinem
Kampf gegen die Dämonen von Michael unterstützt wurde (vgl. Dan
10,13 ). Michael ist dein (Daniels) Fürst in dem Sinne, daß er ein
besonderes Verhältnis zu Israel hat (vgl. Dan 12,1 ), Daniels Volk.
Als Darius, der Meder ( Dan 11,1 ; vgl. die Anmerkungen zu Dan
6,1 a; vgl. Dan 9,1 ), seine Herrschaft über Babylon begann, wurde
er irgendwie von dem Boten unterstützt. Oder, falls sich ihn auf
Michael bezieht, so soll gesagt werden, daß der Bote Michael
unterstützt hat, so wie dieser auch ihn. 2. Die Einzelheiten der Geschichte Israels
unter dem zweiten und dritten Weltreich ( 11,2 - 35 ) a. Die Geschichte unter Persien ( 11,2 ) Dan 11,2 Der Engel ließ Daniel wissen, daß auf die
gegenwärtige Führung des persischen Weltreiches vier weitere
Herrscher folgen würden. Der erste war Cambyses, der Sohn von Kyrus,
der 530 v. Chr. auf den Thron kam. Nach ihm kam Pseudo-Smerdis, der
jedoch nur eine kurze Zeit im Jahr 522 v. Chr. an der Macht war. Ihm
folgte Darius I. Hystaspes, der von 521 bis 486 v. Chr. regierte.
Dann kam Xerxes, der im Buch Ester Ahasveros genannt wird. Er
herrschte von 485 bis 465 v. Chr. (Vgl. die Tabelle "Chronologie der
nachexilischen Zeit" zu Esr 1,1 .) Xerxes war der mächtigste,
einflußreichste und wohlhabendste der vier Herrscher. Während seiner
Herrschaft führte er mehrere Kriege gegen Griechenland . b. Die Geschichte unter Griechenland ( 11,3 - 35 ) (1) Das Emporkommen Alexanders ( Dan 11,3-4 ) Dan 11,3 Der mächtige König , von dem hier gesprochen
wird, ist Alexander, der bereits durch (a) den Bauch und die Hüfte
aus Kupfer in Nebukadnezars Standbild ( Dan 2,32.39 b), (b) den
geflügelten Leoparden ( Dan 7,6 ) und (c) das mächtige Horn der
Ziege ( Dan 8,5-8 ) dargestellt worden war. Zwischen 334 und 330 v.
Chr. eroberte Alexander Kleinasien, Syrien, Ägypten und das Land des
medo-persischen Reiches. Seine Eroberungen reichten bis nach Indien
(vgl. die Karte "Alexanders Eroberungszüge" zu Dan 8,20-21 ), bevor
er 323 v. Chr. im Alter von 32 Jahren infolge von Malaria in
Verbindung mit Alkoholismus starb. Dan 11,4 Wenige Jahre nach dem Tod Alexanders wurde sein
Reich unter seine vier Generäle aufgeteilt (vgl. Dan 8,22 ).
Seleukus (über Syrien und Mesopotamien), Ptolemäus (über Ägypten),
Lysimachus (über Thrazien und Teile von Kleinasien) und Kassander
(über Mazedonien und Griechenland). Diese Aufteilung wird in den
vier Köpfen des Leoparden ( Dan 7,6 ) und den vier Hörnern der Ziege
( Dan 8,8 ) vorweggenommen. Alexander gründete keine Dynastie von
Herrschern. Da er keine Erben hatte, wurde sein Königreich
aufgeteilt. Es war bestimmt von Trennung und Schwäche. Dan 11,5 (2) Der Konflikt zwischen den Ptolemäern und
den Seleukiden ( Dan 11,5-20 ) Die Ptolemäer, die über Ägypten herrschten,
wurden die Könige "des Südens" genannt. Die Seleukiden, die über
Syrien, nördlich von Israel, herrschten, waren die Könige "des
Nordens". Dieser Abschnitt (V. 5 - 20 ) gibt uns viele Einzelheiten
über den ständigen Konflikt zwischen den Ptolemäern und den
Seleukiden, in dessen Verlauf das Land Israel zunächst von den
einen, dann von den anderen erobert wurde. Der starke König des Südens ist Ptolemäus I.
Soter, ein General, der unter Alexander gediente hatte. Er erhielt
323 v. Chr. die Oberherrschaft über Ägypten und wurde 304 zum König
Ägyptens ausgerufen. Der Befehlshaber, von dem in Vers 5 die Rede
ist, ist Seleukus I. Nikator, ebenfalls ein General unter Alexander.
Er erhielt 321 die Herrschaft in Babel. Aber 316, als Babel von
Antigonus, ebenfalls einem ehemaligen General Alexanders,
angegriffen wurde, suchte Seleukus die Hilfe von Ptolemäus I. Soter
aus Ägypten. Nach der Niederlage von Antigonus im Jahr 312 kehrte
Seleukus gestärkt nach Babel zurück. Er herrschte über Babylonien,
Medien und Syrien und nahm 305 den Titel König an. Die Herrschaft
von Seleukus I. Nikator erstreckte sich also über ein weit größeres
Gebiet als die von Ptolemäus I. Soter. Dan 11,6 Ptolemäus I. Soter starb 285 v. Chr., und sein
Sohn, Ptolemäus II. Philadelphos, nahm seinen Thron ein (285 - 246).
Während dieser Zeit wurde Seleukus im Jahr 281 ermordet. Sein Sohn
Antiochus I. Soter nahm seinen Platz ein. Er herrschte bis 262.
Danach kam sein Enkel, Antiochus II. Theos, in Syrien an die Macht
(262 - 246). Ptolemäus II. und Antiochus II. waren erbitterte
Feinde, aber schließlich ( nach einigen Jahren ) verbündeten sie
sich 250 v. Chr. Dieses Bündnis wurde durch die Heirat von Berenice,
der Tochter Ptolemäus II., mit Antiochus II. besiegelt. Aber die
Ehe dauerte nicht lange , denn Laodice, von der sich Antiochus hatte
scheiden lassen, um Berenice zu heiraten, ließ diese töten (sie
wurde preisgegeben ). Laodice vergiftete daraufhin auch Antiochus
II. und machte ihren Sohn, Seleukus II. Callinikus, zum König (246 -
227). Dan 11,7-8 Berenices Bruder, Ptolemäus III. Euergetes (246
- 221), folgte seinem Vater auf dem Thron und machte sich auf, um
den Tod seiner Schwester Berenice zu rächen. Er war siegreich über
das Heer Syriens (den König des Nordens ) und ließ Laodice
umbringen. Mit einer großen Beute kehrte er nach Ägypten zurück. Dan 11,9-10 Nach dieser demütigenden Niederlage versuchte
Seleukus II. Callinikus ( der König des Nordens ) nach
Ägypten einzudringen , was ihm jedoch nicht gelang. Nach seinem Tod
(durch einen Sturz vom Pferd) folgte ihm Seleukus III. Soter auf dem
Thron (227 - 223 v. Chr.). Er wurde von Verschwörern ermordet, als
er auf einem militärischen Feldzug in Kleinasien unterwegs war. Der
Bruder von Seleukus III., Antiochus III. der Große, wurde 223 im
Alter von 18 Jahren König und herrschte 36 Jahre lang (bis 187). Die beiden Söhne (Seleukus III. und Antiochus
III.) versuchten, Syriens verlorenes Ansehen durch militärische
Eroberungen wieder herzustellen. Der ältere Sohn griff Kleinasien
an, der jüngere Ägypten. Ägypten beherrschte zu dieser Zeit das
gesamte Gebiet bis zur syrischen Grenze, also auch Israel. Antiochus
III. gelang es, die Ägypter in seinem Feldzug 219 - 217 hinter die
südlichen Grenzen Israels zurückzudrängen. Dan 11,11-13 Der König des Südens in diesem Vers ist
Ptolemäus IV. Philopator (221 - 204 v. Chr.). Er war derjenige
König, der von Antiochus II. dem Großen (vgl. die Anmerkungen zu
V. 10 ) zurückgeschlagen wurde. An der südlichen Grenze Israels kam
es zur Gegenüberstellung von Ptolemäus IV. und Antiochus III.
Zunächst war Ptolemäus IV. erfolgreich und konnte das Vordringen von
Antiochus verhindern (Ptolemäus erschlug viele Tausende ). Dann
aber, nach einer kurzen Unterbrechung, kehrte Antiochus mit einem
anderen Heer (das viel größer war) zurück und schlug den König des
Südens . Dan 11,14-17 Syrien war nicht der einzige Feind Ägyptens,
denn Philip V. von Mazedonien verbündete sich mit Antiochus III.
gegen Ägypten. Viele Juden ( dein eigenes Volk , d. h. das Volk
Daniels, die Juden; vgl. die Anmerkungen zu Dan 9,24; Dan 10,14 )
kämpften ebenfalls auf der Seite von Antiochus. Vielleicht hofften
sie, ihre Unabhängigkeit sowohl von Ägypten als auch von Syrien zu
erhalten, wenn sie sich auf die Seite von Antiochus schlugen. Aber
ihre Hoffnungen erfüllten sich nicht. Antiochus versuchte, seine Herrschaft über
Israel zu festigen, nachdem er die Ägypter hinausgetrieben hatte.
Die befestigte Stadt scheint sich auf Sidon zu beziehen, die
Antiochus 203 v. Chr. eroberte. Antiochus III. führte die Besetzung
Israels fort und hatte sich 199 im herrlichen Land etabliert
(vgl. Dan 8,9; 11,41 ). Er versuchte, Frieden zwischen Ägypten und
Syrien zu schaffen, indem er seine Tochter mit Ptolemäus V.
Epiphanes von Ägypten verheiratete. Aber dieser Versuch, ein
Friedensbündnis zwischen den beiden Völkern zu errichten, scheiterte
(V. 17 ). Dan 11,18-19 Antiochus III. wendete dann seine
Aufmerksamkeit Kleinasien (197 v. Chr.) und Griechenland (192) zu.
Aber er hatte keinen Erfolg, denn Cornelius Scipio ( ein
Befehlshaber ) wurde von Rom ausgesandt, um
Antiochus zurückzutreiben . Antiochus kehrte 188 in sein eigenes
Land zurück und starb ein Jahr später. Antiochus III. der Große
hatte die umfassendsten militärischen Anstrengungen aller Nachfolger
Alexanders unternommen, aber sein Traum, das Weltreich Alexanders
wieder zu vereinen, mißlang. Dan 11,20 Der Sohn von Antiochus III., Seleukus IV.
Philopator (187 - 176 v. Chr.), legte seinem Volk schwere Steuern
auf, um Rom bezahlen zu können, aber er wurde von seinem
Schatzmeister Heliodorus vergiftet ( nicht im Kampf vernichtet ). Dan 11,21-22 (3) Die Invasion durch Antiochus IV. Epiphanes
( Dan 11,21-35 ) Diese Verse beschreiben Antiochus IV.
Epiphanes, einen Sohn von Antiochus III. dem Großen. Dieser
Seleukid, der von 175 bis 163 v. Chr. regierte, erhält soviel
Aufmerksamkeit wie alle anderen Herrscher vor ihm zusammen. Er ist
das kleine Horn aus Daniel 8,9 - 12.23 - 25. Ein langer Abschnitt
( Dan 11,21-35 ) ist ihm gewidmet, nicht nur wegen der Auswirkungen
seiner Invasion des Landes Israel, sondern vielmehr, weil er auf das
kleine Horn (König) aus Dan 7,8 ,das einmal das Land Israel
entheiligen und zerstören wird, bereits einen Schatten wirft. Antiochus IV. wird als ein verächtlicher
Mensch bezeichnet. Er gab sich selbst den Beinamen Epiphanes, was
"der Erleuchtete" bedeutet. Aber er wurde so sehr verachtet, daß man
ihn höhnisch Epimanes nannte, was "der Verrückte" bedeutet. Der
Thron gehörte rechtmäßig Demetrius Soter, einem Sohn von Seleukus
IV. Philopator, aber Antiochus IV. Epiphanes riß die Macht an sich
und ließ sich selbst zum König ernennen. Er kam also nicht durch
rechtmäßige Nachfolge auf den Thron, sondern erzwang sich die
Herrschaft durch Intrigen . Er wurde als Herrscher akzeptiert, weil
es ihm gelang, eine angreifende Armee zurückzutreiben, womit
vielleicht die Ägypter gemeint sind. Er setzte Onias III., den
Hohenpriester, ab, der hier ein Fürst des Bundes genannt wird. Dan 11,23-24 Nach seinen militärischen Siegen stieg das
Ansehen und die Macht von Antiochus Epiphanes durch die Hilfe einer
relativ kleinen Gruppe von Menschen. Offenbar suchte er, in seinem
Herrschaftsbereich Frieden zu schaffen, indem er den Reichtum neu
verteilte, ihn von den Reichen nahm und seinen Nachfolgern gab. Dan 11,25-27 Nachdem Antiochus sein Reich gefestigt hatte,
zog er erneut gegen Ägypten, den König des Südens . Dies war 170 v.
Chr. Antiochus konnte sein Heer bis an die Grenze Ägyptens
heranführen, bevor sich ihm die Ägypter bei Pelusium, nahe des
Nil-Deltas, entgegenstellten. In diesem Kampf hatten die
Ägypter eine große Armee , aber sie wurden besiegt, und Antiochus
gab vor, freundlich mit Ägypten umgehen zu wollen. Der Sieger und
die Besiegten saßen zusammen an einem Tisch , als wäre ein
Freundschaftsbund errichtet worden, aber das Ziel von beiden, die
Schaffung von Frieden, wurde nie erreicht, denn beide waren zu
betrügerisch. Dan 11,28 Antiochus brachte großen Reichtum von seiner
Eroberung zurück. Auf diesem Rückzug kam er auch durch das Land
Israel. Nachdem er in Ägypten enttäuscht worden war (erhatte
eigentlich ganz Ägypten einnehmen wollen, was ihm jedoch nicht
gelungen war), ließ er seine Enttäuschung an den Juden aus, indem er
den Tempel in Jerusalem entweihte. Offenbar widersetzte er sich
( setzte sein Herz gegen ) dem gesamten mosaischen System ( dem
heiligen Bund ). Nachdem er den Tempel entweiht hatte, kehrte er in
sein eigenes Land zurück. Dan 11,29-30 a Zwei Jahre später (168) zog Antiochus erneut
gegen Ägypten ( den Süden ). Als er nach Ägypten kam, stellten sich
ihm die Römer entgegen, die in Schiffen von den westlichen
Küsten (wörtl.: "Schiffen von Kittim"; vgl. manche Übersetzungen;
gemeint ist Zypern) gekommen waren. Von dem römischen Senat
überbrachte Popillius Laenas einen Brief, der Antiochus verbot, sich
mit Ägypten auf einen Krieg einzulassen. Als Antiochus sich eine
Überlegungsfrist erbat, zog der Botschafter Roms einen Kreis in den
Sand um Antiochus herum und verlangte dessen Antwort, bevor er aus
diesem Kreis heraustrat. Antiochus unterwarf sich dem Verlangen
Roms, denn ein Widersetzen wäre einer Kriegserklärung gegen Rom
gleichgekommen. Dies war eine demütigende Niederlage für Epiphanes
( er wird das Herz verlieren ), aber er hatte keine andere
Möglichkeit, als in sein eigenes Land zurückzukehren. Dan 11,30-32 (Dan 11,30b-32) Zum zweiten Mal (vgl. V. 28 ) ließ Antiochus
seine Wut an den Juden, der Stadt Jerusalem und dem Tempel aus. Er
wandte seinen Zorn gegen den heiligen Bund , das gesamte mosaische
System (vgl. V. 28 ). Jeder jüdische Überläufer, der sich auf seine
Seite stellte, wurde belohnt (vgl. V. 32 ). Er entheiligte den
Tempel und setzte das tägliche Opfer ab. Antiochus sandte seinen
General Apollonius mit 22 000 Soldaten mit einer angeblichen
Friedensmission nach Jerusalem. Aber sie griffen Jerusalem an einem
Sabbat an und töteten viele Menschen. Sie nahmen Frauen und Kinder
als Sklaven, plünderten die Stadt und setzten sie in Brand. Er versuchte, den Judaismus auszulöschen und
die Juden zu hellenisieren. Darum verbot er ihnen die Befolgung
ihrer religiösen Praktiken (wozu auch ihre Feste und die
Beschneidung gehörten) und befahl, daß alle Abschriften des Gesetzes
verbrannt werden müßten. Dann ließ er das Greuelbild, das Verwüstung
bringt, aufstellen . Am 16 .Dezember 167 v. Chr. errichtete er auf
dem Brandopferaltar außerhalb des Tempelgebäudes einen Altar für
Zeus und ließ darauf ein Schwein opfern. Die Juden wurden gezwungen,
an jedem 25sten eines Monats den Geburtstag von Antiochus Epiphanes
zu feiern. Antiochus versprach abgefallenen Juden ( denen, die den
Bund verletzten ; vgl. V. 30 ) eine große Belohnung, wenn sie den
Gott Israels verließen und Zeus, den Gott der Griechen, anbeteten.
Viele in Israel wurden durch seine Versprechungen ( Schmeichelei )
dazu gebracht, den falschen Gott anzubeten. Aber ein kleiner Rest
blieb Gott treu und weigerte sich, an diesen verwerflichen Praktiken
teilzunehmen. Antiochus IV. starb schließlich wahnsinnig im Jahr 163
v. Chr. in Persien (vgl. die Anmerkungen zu Antiochus in Dan
8,23-25 ). Dan 11,33-35 Die Juden, die sich weigerten, sich Antiochus
unterzuordnen, wurden verfolgt und um ihres Glaubens willen getötet.
Das Wort Fall (V. 33 - 34 ) meint wörtlich "stolpern" ( kASal ). Es
spricht von ernstem Leiden vieler und dem Tod anderer. Hier ist die
Revolte der Makkabäer angesprochen. Mattatias, ein Priester, war der
Vater von fünf Söhnen. (Einer von ihnen, Judas, wurde dadurch
bekannt, daß er den Tempel Ende 164 v. Chr. wieder renovierte. Er
wurde auch Judas Makkabäus, "der Hämmerer", genannt.) 166 weigerte
sich Mattatias, diesem falschen religiösen System zu dienen. Er und
seine Söhne flohen von Jerusalem in die Berge und begannen den
makkabäischen Aufstand. Zuerst waren es nur wenige Juden, die zu
ihnen hielten. Aber dann wurde ihre Bewegung sehr populär, viele
schlugen sich auf ihre Seite, einige aus ehrlichen Motiven, andere
aus unehrlichen. Das Leiden, das die Treuen erduldeten, reinigte und
läuterte sie. Diese Zeit der Verfolgung dauerte nicht sehr lange. Es
war Daniel bereits offenbart worden, daß der Tempel 1150 Tage lang
entheiligt sein würde ( Dan 8,14 ; vgl. die Anmerkungen zu Dan
8,23-25 ). Hier wird ihm versichert, daß diese Verfolgung eine
Zeitlang andauern und dann aufgehoben werden wird, denn ihr
Ende wird zur vorausbestimmten Zeit kommen. 3. Die prophetische Geschichte der siebzigsten
Jahrwoche ( 11,36 - 12,3 ) a. Der König wird beschrieben ( 11,36-39 ) Alle Ereignisse in Kapitel 11 sind bisher
Vergangenheit. Die Einzelheiten des Konfliktes zwischen den
Seleukiden und den Ptolemäern wurden wörtlich erfüllt, genauso, wie
Daniel sie vorausgesagt hat. Die Details sind so genau, daß
Skeptiker daraus folgern, das Buch könne unmöglich von Daniel im
sechsten Jahrhundert v. Chr. geschrieben worden sein. Sie meinen, es
müsse während der Makkabäerzeit (168 - 134 v. Chr.) geschrieben
worden sein, nachdem alle diese Ereignisse bereits geschehen seien.
Der Gott aber, der schon von Anfang an das Ende kennt, war auch
fähig, die Details der kommenden Dinge Daniel zu enthüllen. In Vers 36 - 45 wird ein Führer beschrieben,
der einfach als "der König" bezeichnet wird. Manche glauben, daß
damit Antiochus IV. Epiphanes gemeint ist und daß die Verse noch
weitere Vorstöße von ihm in das Land Israel beschreiben. Aber die
Details in diesen Versen wurden nicht durch Antiochus erfüllt.
Antiochus war nur eine Vorschattung eines Königs, der noch kommen
wird (vgl. die Anmerkungen zu Dan 8,25 ). Aber die beiden sind nicht
dasselbe. Einer ist Vergangenheit, der andere noch Zukunft. Der
kommende König (das kleine "Horn" von Dan 7,8 und "der Herrscher"
von Dan 9,26 ) wird der letzte Herrscher des römischen Reiches sein. Sein Aufstieg zur Macht mittels satanischer
Hilfe wird in Offb 13,1-8 beschrieben, wo er "das Tier" genannt
wird. Nach Johannes ( Offb 17,12-13 ) wird er seine Autorität nicht
durch militärische Eroberungen, sondern durch die Zustimmung der
zehn Könige, die sich ihm unterwerfen, erhalten. Mit Daniel 11,36
angefangen, wendet sich die Prophetie von dem "Nahen" zum "Fernen"
zu. Die Ereignisse aus Vers 36 - 45 werden in den letzten sieben
Jahren der siebzigsten Jahrwoche geschehen ( Dan 9,24 ). Dan 11,36 Dieser kommende König wird von jeder Autorität
außerhalb von sich selbst unabhängig sein ( er wird tun, wie es ihm
gefällt ). Bis in die Mitte seiner siebenjährigen Regierungszeit
wird er die politische Macht ausüben, die ihm von den zehn Königen,
die ihn gewählt haben, gegeben worden ist ( Offb 17,12-13 ). Er wird
sich aber auch die absolute Vollmacht in religiösen Fragen
vorbehalten und sich selbst über alle Götter erheben und gegen den
Gott der Götter lästern. Er erhebt sich über alles, was Gott genannt
oder angebetet wird, und setzt sich sogar in den Tempel Gottes und
behauptet, daß er selbst Gott sei ( 2Thes 2,4 ). "Er wird den
Höchsten lästern" ( Dan 7,25 ). Die Welt wird durch die Wunder, die
der falsche Prophet in seinem Namen vollbringen wird, dazu gebracht
werden, ihn als Gott anzubeten ( Offb 13,11-15 ). Es wird ihm
gelingen, seinen Einfluß auf die ganze Welt auszudehnen, sowohl
politisch als auch religiös ( Offb 13,7-8 ). Die Dauer dieser Königsherrschaft ist von Gott
bestimmt worden . Er wird während der Zeit des Zorns , den
dreieinhalb Jahren der großen Trübsal, als Weltherrscher erfolgreich
sein. Aber nach dieser Zeit wird das Gericht, das von Gott über ihn
bestimmt ist, über ihn hereinbrechen (vgl. Dan 7,11.26; 9,27; Offb
19,19-20 ). Dan 11,37 Weil von den Göttern (oder Gott, ?MlOhIm )
seiner Väter die Rede ist, haben manche geschlossen, daß es sich bei
diesem Herrscher um einen Juden handelt, da das Alte Testament
häufig von dem "Gott eurer Väter" spricht, dem Gott Abrahams, Isaaks
und Jakobs (z. B. 2Mo 3,15 ). Aber da dieser Mensch der letzte
Herrscher im römischen Weltreich sein wird, das kleine Horn des
vierten Tieres ( Dan 7,8.24 b), muß er ein Heide sein. Daß er die
Götter seiner Väter nicht achtet , bedeutet, daß er, um die absolute
Macht auf dem religiösen Gebiet zu bekommen, keinerlei Respekt vor
religiösen Traditionen haben wird. Er wird jegliche Form von
organisierter Religion beseitigen ( er wird auch keinen Gott
anerkennen ) und sich selbst zu dem einzigen Objekt der Anbetung
machen (sich selbst erhöhen). Statt von Göttern abhängig zu sein,
wird er auf seine eigene Macht vertrauen (die ihm von Satan
übergeben ist; Offb 13,2 ). Durch diese Macht wird er die Anbetung
für sich selbst verlangen. Die Tatsache, daß er für den Einen, den die
Frauen erwarten , keine Achtung besitzt, zeigt, daß er die
messianische Hoffnung Israels verachtet. So manche israelitische
Frau hat sich schon gefragt, ob sie nicht die Mutter des kommenden
Messias, des Retters und Königs des Volkes, werden wird. Dan 11,38-39 Der Antichrist wird einen Gott der Festungen
verehren , er wird also seine ganze Energie auf die militärische
Stärke verlegen. Weil er politisch wie militärisch die Macht
besitzt, wird er großen Reichtum ansammeln können. Der Gott, den
seine Väter (Vorfahren) nicht kannten und der ihm Kraft geben wird,
könnte Satan sein. Obwohl dieser König an die Macht kommen wird,
indem er Israel einen Bund des Friedens anbietet (vgl. Dan 9,27 ),
wird er nicht zögern, militärische Macht zu benutzen, um seine
Herrschaft auszudehnen. Er wird von einem fremden Gott Hilfe
erfahren. Diejenigen, die sich seiner Herrschaft unterwerfen, wird
er in Machtstellungen setzen (er wird sie sehr ehren ). Seine
Fähigkeit, Geschenke zu machen ( das Land zu
einem [reduzierten] Preis verteilen ), wird ihm ein großes Gefolge
sichern. b. Der König wird angegriffen ( 11,40 - 45 ) Dan 11,40 a Die Ereignisse, die in Vers 40 - 45 beschrieben
sind, werden zur Zeit des Endes geschehen. Es handelt sich also um
die zweite Hälfte der siebzigsten Jahrwoche. Ihn bezieht sich zurück
auf den König, der in Vers 36 vorgestellt worden ist. In Vers 40 -
45 ist jedes "er" (fünfmal), "ihn" (zweimal) und "sein" (dreimal)
auf diesen König bezogen. Er wird einen Bund mit dem Volk Israel
geschlossen und die Nation zu einem Teil seines Herrschaftsgebietes
gemacht haben ( Dan 9,27 ). Jeder Angriff gegen das Land Israel wird
also auch ein Angriff sein gegen den, mit dem Israel einen Bund
geschlossen hat. Der König des Südens wird Israel angreifen.
Manche Ausleger denken, daß dies in der Mitte der siebzigsten
Jahrwoche geschehen wird. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß es erst
gegen Ende der zweiten Hälfte dieser sieben Jahre eintreten wird. Da
"der König des Südens" in Dan 11,5-35 der König von Ägypten war,
gibt es wohl keinen Grund, in diesem König des Südens (V. 40 ) ein
anderes Volk vertreten zu sehen. Ägypten wird sogar in Vers 42 -
43 zweimal erwähnt. Bei dieser Invasion wird Ägypten nicht alleine
kommen, sondern von den Libyern und den Nubiern (V. 43 ) unterstützt
werden. Unter diesen Völkern, die an anderen Stellen mit Put und
Kusch bezeichnet werden, könnte man tatsächlich die entsprechenden
Völker Afrikas verstehen. Es ist jedoch eher wahrscheinlich, daß Put
von den arabischen Nationen in der Umgebung des Sinai und Kusch von
den Nationen im persischen Golf spricht (vgl. 1Mo 2,13 und die
Anmerkungen dort). Gleichzeitig mit der Invasion durch den König
des Südens (Ägypten) wird auch der König des Nordens Israel
angreifen. Manche Ausleger sehen in diesem Angriff die Invasion
durch Gog und Magog, denn Gott wird "kommen aus ... dem fernen
Norden" ( Hes 38,15 ). Andere glauben, daß der Kampf von Gog und
Magog in der ersten Hälfte der siebzigsten Jahrwoche und damit vor
dieser Invasion in Daniel 11,40 stattfinden wird. Sie sind der
Meinung, daß der Kampf von Gog und Magog kommen wird, wenn Israel im
Frieden lebt ( Hes 38,11.14 ). Nach dieser Meinung besteht ein
Unterschied zwischen Gog, der aus "dem fernen Norden" kommt ( Hes
38,15 ), und einer späteren Invasion durch "den König des Nordens"
( Dan 11,40 ). Jedenfalls ist der König des Nordens in Vers 40 ganz
sicher keiner der seleukidischen Könige des Nordens aus Vers 5 -
35 . Diese Invasion bezieht sich nicht auf bereits historisch
Geschehenes, sie ist noch zukünftig. Der König des Südens und der König des Nordens
werden gegen den Antichristen kämpfen. Israel wird besetzt werden,
und viele Juden werden fliehen und unter den heidnischen Völkern
Zuflucht suchen (vgl. die Anmerkungen zu Offb. 12,14-16 ). Dan 11,40-43 (Dan 11,40b-43) Wenn der Antichrist von diesem Angriff hört,
wird er sein Heer aus Europa in den Mittleren Osten verlagern
und durch viele Länder wie eine Flut ziehen (V. 40 ). Er wird
schnell in das Land Israel, das herrliche Land , marschieren
(V. 41 ; vgl. V. 16 ; Dan 8,9 ). Sein erster Schlag wird sich
gegen Ägypten richten ( Dan 11,42-43 a), denn Ägypten und seine
arabischen Verbündeten (Libyen und Nubien, V. 43 ) sind diejenigen,
die den Angriff auf Israel angezettelt haben. Bei dieser Gelegenheit
wird der König die Gebiete von Edom, Moab und Ammon (V. 41 ), die
zum heutigen Jordanien gehören, nicht erobern. Aber er wird über
"viele Länder" die Herrschaft erhalten. Dan 11,44-45 Dann wird der Antichrist alarmierende
Berichte aus dem Osten (vermutlich ist hier die Invasion durch ein
mächtiges Heer von 200 Millionen Soldaten aus dem Osten auf das
Gebiet des Euphrat zu gemeint; Offb 9,16 ) und aus dem
Norden (vielleicht ein weiterer Angriff durch den König des Nordens;
vgl. Dan 11,40 ) hören. Voller Zorn wird er viele der Angreifer
töten. Dann wird er Israel besetzen und sein königliches Zelt
zwischen den Meeren aufschlagen , d. h. zwischen dem Toten Meer und
dem Mittelmeer, auf dem schönen, heiligen Berg , vermutlich in
Jerusalem. Hier wird er sich als Christus ausgeben und sein
Hauptquartier in Jerusalem errichten, der gleichen Stadt, von der
aus auch Christus im Tausendjährigen Reich die Welt regieren wird
( Sach 14,4.17 ). Der Antichrist wird sich auch dadurch als Christus
ausgeben, daß er eine Einheitsweltreligion errichten wird, in der er
der Herrscher ist, sowie eine Einheitsweltreligion, in der er als
Gott angebetet wird. Aber Gott wird das Reich dieses Königs
zerstören ( er wird an sein Ende gelangen ; vgl. Dan 7,11.26 ), wenn
Jesus Christus persönlich auf diese Erde zurückkommt ( Offb
19,19-20 ). c. Israel wird befreit ( 12,1 - 3 ) Dan 12,1 Als die Offenbarung, die in Kapitel
11 enthalten ist, Daniel gegeben wurde, war dieser ohne Zweifel vor
allem am Schicksal seines eigenen Volkes interessiert. Nun, am Ende
dieser Vision, tröstet der Engel Daniel, indem er ihm zwei Dinge
deutlich macht (V. 1 - 3 ). Erstens wird das Volk Israel ( dein
Volk ; vgl. Dan 9,24; 10,14 ) durch das Eingreifen von Michael ,
dem Engelsfürsten (vgl. Dan 10,13.21 ), der Israels Beschützer
ist, befreit werden . In der großen Trübsal wird Satan versuchen,
jeden Nachkommen Abrahams auszulöschen (vgl. die Anmerkungen zu Offb
12,15 ). Dies wird eine Zeit von großer, bisher noch nie
dagewesener Trübsal für Israel sein (vgl. Mt 24,21 ). Satans Angriff
gegen das Volk Gottes wird ein Teil seines Versuches sein, die
Wiederkunft und Herrschaft Christi zu verhindern. Die Befreiung Israels, des "Volkes" von Daniel,
ist keine individuelle Erlösung, auch wenn ein Überrest gerettet
werden wird, sondern eine nationale Befreiung aus der Unterwerfung
unter die Heiden (vgl. die Anmerkungen zu "ganz Israel wird gerettet
werden" in Röm 11,26 ). l Dan 12,2-3 Die zweite Tatsache, die Daniel trösten soll,
ist die Verheißung, daß jene, die schlafen, auferweckt werden. Viele
Juden werden ihr Leben durch die Hand der Heiden während der
in Kapitel 11 beschriebenen Ereignisse verlieren (vgl. Offb
20,4 ). Schlafen im Staub der Erde (vgl. Ps 7,6 ) meint nicht ein
unbewußtes Existieren im Tod. Es spricht vielmehr einfach davon, daß
ein Toter erscheint, als würde er schlafen. Der Körper "schläft",
nicht die Seele (vgl. die Anmerkungen zu 1Thes 4,13 ). Ungläubige
Juden werden zur Schmach und ewigen Schande auferweckt und nicht an
den Segnungen des Bundes teilhaben. Juden aber, die an den Messias
glauben, werden leiblich zu ewigem Leben auferstehen und zu
Ehrenstellungen in dem Tausendjährigen Reich Christi. Hier werden
sie verherrlicht werden und wie der Glanz des Himmels scheinen.
(Vgl. Mt 13,43 ,"Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in
ihres Vaters Reich".) Sie sind weise, denn sie haben auf den Messias
vertraut, obwohl dies für sie Leiden bedeutete. Diese Botschaft, daß Gott seinem Bund treu
bleiben und alle seine Verheißungen, die er Israel gemacht hat,
erfüllen wird (trotz dessen Leiden unter den Händen der Heiden), ist
ein Trost, der letztlich andere zur Gerechtigkeit führen wird (vgl.
der Weise in Dan 12,10 ). Keine Gerechtigkeit des Volkes Gottes wird
je unbelohnt bleiben. Deshalb werden die, die unter der Verfolgung
treu geblieben sind, wie die Sterne für immer und ewig scheinen. Die Auferstehung der gläubigen Märtyrer aus der
großen Trübsal wird geschehen, wenn Christus wiederkommt (vgl. Offb
20,4 ; sie wurden lebendig und regierten mit Christus tausend Jahre
lang). Die ungläubigen Toten jedoch werden auferweckt zu "ewiger
Schande" und zum ewigen Gericht am Ende der tausendjährigen
Herrschaft Christi (vgl. Offb 20,5; Joh 5,28-29 ). 4. Schluß ( 12,4 - 13 ) a. Das Buch wird versiegelt ( 12,4 ) Dan 12,4 Verständlicherweise konnten Daniel und seine
Zeitgenossen die Einzelheiten der Weissagungen in diesem Buch nicht
wirklich verstehen (vgl. V. 8 ). Erst im Laufe der geschichtlichen
Entwicklung wurde es auch möglich, diese prophetischen Aussagen
einzuordnen. Gott deutet an, daß ein solches zunehmendes Verständnis
dessen, was Daniel geschrieben hat, eintreten wird. Die Menschen
heute können, wenn sie die Geschichte überblicken, einen Großteil
dessen, was Daniel vorausgesagt hat, sehen. In der Zeit des
Endes (vgl. V. 9 und beachte "das Ende" und "das Ende der Tage" in
V. 13 ) schließlich werden die Worte, die versiegelt (d. h.
aufbewahrt) wurden, von vielen, die aus ihnen Erkenntnis gewinnen
wollen, verstanden werden. Dies wird in der Zeit der großen Trübsal
sein (vgl. Dan 11,40 ,"die Zeit des Endes"). Aber obwohl das Volk
Daniels diese Weissagungen nicht völlig verstehen konnte, waren sie
doch ein großer Trost für es. Sie versicherten ihm, daß Gott
letztlich Israel aus den Heiden erlösen und unter die Verheißungen
seines Bundes bringen wird. b. Fragen über die grosse Trübsal ( 12,5 - 13 ) Dan 12,5-6 Dieser Abschnitt (V. 5 - 13 ) enthält zwei
Fragen (eine durch einen Engel und eine durch Daniel) und zwei
Antworten des Engels. Die erste Frage steht in Vers 5 - 6 , die
erste Antwort in Vers 7 . Die zweite Frage finden wir in Vers 8 und
die zweite Antwort in Vers 9 - 13 . Offenbar waren zwei Engel zu dem
Engelsboten getreten, der vermutlich Gabriel war (vgl. die
Anmerkungen zu Dan 10,5 ). Einer von den Engeln jenseits des
Flusses (der Tigris; vgl. Dan 10,4 ) rief hinüber zu einem Engel,
der bei Gabriel stand ( der in Leinen gekleidet war; vgl. Dan
10,5 ), und fragte: Wie lange wird es sein, bevor diese
erstaunlichen Dinge erfüllt sind ? Diese erstaunlichen Dinge sind
vermutlich die Ereignisse in Dan 11,36-45 ,die von der letzten
Unterwerfung Israels unter den kommenden heidnischen Herrscher
sprechen. Dan 12,7 Gabriel antwortete auf die Frage des Engels,
daß diese Ereignisse in einer Zeit, Zeiten und einer halben
Zeit erfüllt werden, also in dreieinhalb Jahren (vgl. die
Anmerkungen zu Dan 7,25 ). Zwar wird dieser letzte Herrscher sieben
Jahre lang regieren, aber die ersten dreieinhalb Jahre werden eine
Zeit des relativen Friedens für Israel sein. Sie werden sich an dem
Bund, den dieser König mit ihnen gemacht hat, erfreuen können ( Dan
9,27 ). Israel wird ein Land unbefestigter Städte sein, ein Land, in
dem die Menschen ohne Mauern und ohne Tore und Riegel leben werden
( Hes 38,11 ). Aber in der Mitte der siebzigsten Jahrwoche wird der
Antichrist diesen Bund brechen ( Dan 9,27 ). Dann wird der König des
Südens und der König des Nordens Israel angreifen ( Dan 11,40 ).
Nachdem er diese beiden Armeen vernichtet hat, wird der heidnische
König (der Antichrist) nach Israel marschieren, das Land besetzen
und sein politisches und religiöses Hauptquartier in Jerusalem
aufschlagen ( Dan 11,41.45 ). Er wird in Jerusalem als König und
Gott regieren und der größte Verfolger werden, den Israel jemals
gehabt hat ( Offb 13,5-7 ). Israels Macht wird durch seine
erbarmungslose Macht zerbrochen werden. Erst am Ende der großen
Trübsal werden alle diese Dinge (die Ereignisse aus Dan
11,40-45 ) vollendet sein . Dan 12,8 Nun stellte Daniel Gabriel eine Frage. Er
nannte ihn dabei mein HERR (eine respektvolle Anrede, ähnlich der
deutschen Bedeutung dieses Ausdruckes; vgl. Dan 10,16-17.19 ).
Daniel fragte: Was wird das Ende von all dem sein? Er wollte wissen,
welchen Plan Gott für Israel nach dieser Zeit der Trübsal hat.
Daniel hatte nur wenige Informationen über den Segen erhalten, der
im Tausendjährigen Reich, nach der Wiederkunft Christi, über Israel
ausgegossen werden wird. Was er wußte, war, daß Gott sein ewiges
Königreich errichten wird ( Dan 2,44; 7,14.22.27 ) und daß die
Heiligen dieses Königreich besitzen (d. h. darin herrschen) werden.
Viele solche Verheißungen waren durch die Propheten ergangen und
würden noch durch Propheten, die nach Daniel kamen, ergehen (Haggai,
Sacharja, Maleachi). Dan 12,9-10 Wie der Engel schon gesagt hatte (V. 4 ),
sollten die Worte verschlossen und versiegelt werden (bewahrt
werden) bis auf die Zeit des Endes (die zweite Hälfte der
siebzigsten Jahrwoche; vgl. V. 7 ; siehe auch "Ende" in V. 4.13 ).
In dieser Zeit werden viele Juden zu ihrem Erlöser umkehren (vgl.
V. 3 ) und dadurch geistlich gereinigt, geläutert und geprüft
werden. Aber die Gottlosen werden in ihren Wegen fortfahren und dem
Antichrist, dem Weltbeherrscher, folgen und ihn anbeten. Was Gott
Daniel offenbart hat, wird auch weiterhin für sie verborgen bleiben
(vgl. 1Kor 2,14 ). Aber der Weise (d. h. der Gerechte; vgl. "weise"
und "Gerechtigkeit" in Dan 12,3 ) wird verstehen . Dan 12,11 Der Engel sagt, daß 1 290 Tage von der Zeit
abgemessen werden, in der das tägliche Opfer abgeschafft (vgl. Dan
9,27 ; er wird das Opfer abschaffen) und der Greuel der Verwüstung
aufgerichtet wird (vgl. Dan 9,27 ; einer, der Zerstörung bringt,
wird ein Greuel aufstellen in einem Flügel des Tempels). Die letzte
Hälfte der siebzigsten Jahrwoche ist eine Zeit, Zeiten und eine
halbe Zeit ( Dan 7,25; Offb 12,14 ), also dreieinhalb Jahre. Sie
wird auch mit 42 Monaten ( Offb 11,2 ) oder 1 260 Tagen ( Offb
11,3 ) bezeichnet. Wie ist der Unterschied von 30 Tagen zwischen 1
260 und 1 290 Tagen zu verstehen? Manche Ausleger glauben, daß sich
die 30 Tage über das Ende der großen Trübsal hinaus erstrecken und
daß in dieser Zeit das Gericht über Israel und über die Nationen
stattfindet. Eine andere Möglichkeit ist, daß die 1 290 Tage 30 Tage
vor der Mitte der siebzigsten Jahrwoche beginnen, wenn der
Antichrist "den Greuel der Verwüstung" aufrichten wird ( Mt 24,15 ).
Die 1 290 Tage könnten mit der Ankündigung dieses Ereignisses, 30
Tage vor dessen Durchführung, beginnen. Dieser Greuel wird, wie
schon weiter oben gesagt, ein Abbild des Antichristen sein ( Offb
13,14-15 ), das Symbol seines religiösen Systems. Dan 12,12-13 Der, der wartet und 1 335 Tage erreicht, wird
gesegnet sein. Dies sind noch einmal 45 Tage mehr als 1 290 Tage
(V. 11 ). 45 Tage nach dem Ende der großen Trübsal wird der lang
erwartete Segen über Israel Wirklichkeit werden. Dies könnte von dem
Segen des Tausendjährigen Reiches sprechen. Oder es könnte sich auf
Christus beziehen, der 45 Tage vorher in den Himmeln erschienen ist
( Mt 24,30 ) und nun wirklich auf die Erde hinabsteigt, wo seine
Füße den Ölberg berühren (vgl. Apg 1,11 ). Für die Gläubigen ist das
Kommen Christi ein Segen und eine herrliche Hoffnung. Daniel hat nur wenige der Offenbarungen seines
Buches Wirklichkeit werden sehen. Er würde, so sagt der Engel,
ruhen, d. h. er würde sterben (vgl. V. 2 ). Aber er wird auferweckt
werden ( du wirst auferstehen am Ende der Tage ) und sein Erbteil im
Tausendjährigen Reich empfangen. Weil Daniel auf Gott vertraute,
führte er ein Leben des treuen Dienstes für ihn. Um dieses Glaubens
und dieses Gehorsams willen wird er einen herrlichen Lohn empfangen.
Alle, die wie Daniel dem Herrn vertrauen, werden an den Segnungen
des Tausendjährigen Reiches Christi teilhaben. BIBLIOGRAPHIE Anderson R (1975) The Coming Prince . London:
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