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Joel Walvoord
Joel (Robert B. Chisholm, Jr.) EINLEITUNG Verfasserfrage
und Entstehungszeit Das Buch wird Joel, dem Sohn Petuels, zugeschrieben (Joe
1,1). Anders als bei den meisten anderen prophetischen Büchern finden wir in den
einleitenden Versen keinen Hinweis auf die zeitliche Eingrenzung seiner
Wirksamkeit. Man kann also nur aus inneren Hinweisen etwas über die
Abfassungszeit erfahren.
Verschiedene Datierungen sind dabei vorgeschlagen worden.
Sie reichen vom neunten bis ins zweite Jahrhundert v. Chr. Drei Meinungen sollen
hier dargestellt werden.
1. Eine frühe vorexilische
Abfassungszeit. Jene Ausleger, die eine frühe Abfassungszeit vertreten (neuntes
Jahrhundert v. Chr.), weisen auf die Stellung des Buches Joel im hebräischen
Alten Testament hin (zwischen Hosea und Amos) und die Erwähnung von Tyrus,
Sidon, den Philistern, Ägypten und Edom als Feinde des Volkes (Joe, 4,4.19).
Hobart Freeman schreibt: "Die Erwähnung dieser Völker ist ein starker Hinweis
auf eine vorexilische Abfassungszeit des Buches, da sie in der vorexilischen
Zeit die Feinde Judas waren, nicht die späteren Völker Assyrien, Babylon und
Persien" (An Introduction to the Old Testament Prophets.
Chicago: Moody Press, 1968, S. 148; vgl.
auch Gleason A. Archer, Jr., A Survey of Old Testament Introduction. Chicago:
Moody Press, 1974, S. 305).
Diese beiden Argumente sind jedoch nicht wirklich
schlüssig. Die Stellung im Kanon ist nicht entscheidend, vor allem wenn man
beachtet, daß die LXX das Buch Joel anders einordnet. Auch die
alttestamentlichen Propheten aus der Zeit Babylons verkündigen Weissagungen
gegen die erwähnten Völker (vgl. Jer 46-47; 49,7-22; Hes 27-30; Zeph 2,4-7). Wer
eine späte vorexilische Abfassungszeit vertritt, könnte argumentieren, daß in
Joe 2 die Babylonier so deutlich beschrieben werden, daß eine ausdrückliche
Identifizierung nicht nötig war für eine Zuhörerschaft, die sich ihrer
bedrohlichen Gegenwart am Horizont bewußt war.
Manche wollen eine frühe Abfassungszeit (in der Zeit der
Regierung von Joas) durch die im Buch Joel angedeutete Regierungsform (Älteste [
Joe 1,2;2,16] und Priester [Joe 1,9.13;2,17] die herrschen, da Joas bereits im
Alter von sieben Jahren König wurde) und sprachliche Parallelen zu anderen
prophetischen Büchern stützen (Archer, A Survey of Old Testament Introduction,
S. 304f). Diese Argumente sind jedoch ebenfalls nicht schlüssig, da auch die
späteren Propheten ähnliche Texte enthalten.
Mehrere Einzelheiten des Buches (vgl. bes. Joe 4,2.6)
scheinen gegen eine frühe Abfassungszeit (zur Zeit von Joas) zu sprechen (vgl.
S. R. Driver, The Books of Joel and Amos, S. 14f).
2. Eine späte vorexilische Abfassungszeit. Die Meinung,
daß das Buch Joel aus einer späten vorexilischen Zeit stammt, hat viele
Argumente auf seiner Seite. Wenn man es zwischen 597 und 587 v. Chr. datiert
(mit Wilhelm Rudolph, Joel-Amos-Obadja-Jona. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn, 1971, S. 24 - 28), dann bezieht sich Joe 4,2 b (mit seiner Erwähnung
der Zerstreuung des Volkes Gottes und der Teilung des Landes) auf die
babylonische Invasion von 597 v. Chr., als 10 000 der besten Männer Judas
deportiert wurden (vgl.2Kö 24,10-16). Dies würde auch die Erwähnung des Tempels
erklären (Joe 1,9.13;2,17), denn dieser wurde erst 586 v. Chr. zerstört (vgl.
2Kö 25,9). Zugleich würde dies bedeuten, daß in Joe 1,15 und Joe 2,1-11 die
endgültige Zerstörung Jerusalems angedeutet wird (die 586 v. Chr. geschah;
vgl.2Kö 25,1-21).
Dann würde die Weissagung Joels auch gut mit jenen
anderen Stellen übereinstimmen, in denen der "Tag des Herrn" (oder "Tag des
Zornes des Herrn" oder "Tag des Grimmes des Herrn") mit jenem Ereignis verbunden
ist (vgl. Kl 1,12; 2,1.21.22; Hes 7,19; 13,5; Zeph 2,2-3). Joels Beschreibung
(Joe 2,1-11) würde mit der Beschreibung der Babylonier durch Jeremia
übereinstimmen (vgl. Jer 5,17). Die Erwähnung des Sklavenhandels zwischen den
Phöniziern und den Griechen (oder Ioniern) in Joe 4,6 paßt ebenfalls gut zu
jener späten vorexilischen Periode. Auch Hesekiel spricht davon (Hes 27,13).
Arvid S. Kapelrud zeigt, daß der ionische Handel im siebten und im frühen
sechsten Jahrhundert v. Chr. sehr stark florierte (Joel Studies, S. 154 158).
Trotz der Attraktivität dieser Meinung gibt es aber
Schwierigkeiten im Verständnis von Joe 2,18-19 .Dieser Abschnitt scheint von der
Gnade Gottes zu der Generation Joels zu sprechen und anzudeuten, daß sie
wirklich umgekehrt ist (vgl. die Anmerkungen zu diesen Versen). Wenn dies so
ist, dann wäre es schwierig, dies mit den historischen Berichten von den letzten
Tagen Judas in Übereinstimmung zu bringen. Auch 2Kö 23,26-27 zeigt, daß nicht
einmal die Erweckung unter Josia den Herrn erweichen konnte.
3. Eine nachexilische Abfassungszeit. Vier Argumente
werden gebraucht, um eine nachexilische Abfassungszeit zu stützen:
1) Joe 4,1-2.17 bezieht sich, so wird gesagt, auf die
Zerstörung Jerusalems und das babylonische Exil. In diesem Fall sprechen die
Erwähnungen des Tempels in Joe 1,9.13;2,17 von dem zweiten Tempel, der durch die
zurückgekehrten Juden 515 v. Chr. fertiggestellt wurde.
2) Die "Ältesten" (vgl. Joe 1,2;2,16), nicht der König,
scheinen die Führer des Volkes zu sein. Dies trifft eher auf die nachexilische
Periode zu (vgl. Esr 10,14).
3) Joel zitiert andere Propheten, unter ihnen auch
Hesekiel (vgl. Joe 2,3 mit Hes 36,35; Joe 2,10 mit Hes 32,7 und Joe 2,27-3,1 mit
Hes 39,28-29).
4) Die Erwähnung des griechischen Sklavenhandels (Joe
4,6) weist auf eine nachexilische Abfassungszeit hin.
Gegen diese Argumente könnte man folgende Einwände
vorbringen:
1) Joe 4,1-2.17 könnte sich auf die Wegführung im Jahre
597 v. Chr. beziehen, nicht auf die von 586 v. Chr. (aber wie oben, unter "2.
Eine späte vorexilische Abfassungszeit" gesagt, wirft dies einige
Schwierigkeiten auf). Manche versuchen, Joe 4,1-2.17 im Lichte von 2Chr 21,16-17
zu verstehen (Archer, A Survey of Old Testament Introduction, S. 305). Aber die
Gefangennahme der königlichen Söhne und Frauen, die hier berichtet wird, läßt
sich kaum in Joe 4,2 wiederfinden.
2) Obwohl es seltsam ist, daß keine Erwähnung der
Monarchie zu finden ist, kann man aus einem argumento e silentio (Argument
aufgrund des Schweigens) nichts schließen. Auch vor dem Exil galten die Ältesten
sehr viel in der jüdischen Gesellschaft (2Kö 23,1; Jer 26,17; Kl 5,12; vgl.
Kapelrud, Joel Studies, S. 187f).
3) Was literarische Parallelen mit anderen prophetischen
Abschnitten angeht, ist es immer schwierig zu entscheiden, wer jeweils wen
zitiert.
4) Kapelrud hat, wie weiter oben schon gesagt, gezeigt,
daß der ionische Sklavenhandel bereits im siebten Jahrhundert v. Chr. florierte.
Es ist also nicht möglich, im Blick auf die
Abfassungszeit des Buches Joel zu einer eindeutigen Meinung zu kommen. Die
Sprache von Joe 4,2 b scheint auf eine nachexilische Abfassungszeit hinzudeuten.
Dieser Vers spricht davon, daß die Völker der Zukunft dafür gerichtet werden,
daß sie das Verhalten Babylons fortgeführt und die Israeliten zerstreut sowie
ihr Land zerteilt haben. Damit würden mehrere andere Beobachtungen
übereinstimmen (wenn sie auch nicht als Beweise gelten können): die Erwähnung
des phönizisch-ionischen Sklavenhandels, die Regierungsform, die in Israel
gewesen zu sein scheint und die literarischen Parallelen mit anderen Propheten.
Wenn man von einer nachexilischen Abfassungszeit ausgeht, macht die Erwähnung
des Tempels als frühesten Zeitpunkt 516 v. Chr. nötig. All dies aber bleibt
vage. Auch konservative Ausleger differieren verständlicherweise im Blick auf
die Abfassungszeit von Joel.
Joel
BIBLIOGRAPHIE
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Jerusalem. Supplements to Vetus Testamentum, Bd. 21, Leiden
Allen L C (1976) The Books of
Joel, Obadiah, Jonah and Micah.
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Joel and Amos. The Cambridge Bible
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Testament in Ten Volumes. Bd. 10, Reprint (25 Bd. in 10), Grand Rapids: Wm. B.
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Exegetical Commentary on Micah, Zephaniah, Nahum, Habakkuk, Obadiah and Joel.
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Bd.), Minneapolis: Klock & Klock Christian Publishers
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Watts J D W (1975) The Books of Joel, Obadiah, Jonah,
Nahum, Habakkuk and Zephaniah. The Cambridge Bible Commentary, Cambridge
Wolff H W (1977) Joel and Amos. Übersetzt von Waldemar
Janzen, S. Dean McBride, Jr., und Charles A. Muenchow, Philadelphia
Joel (Robert B. Chisholm, Jr.)
EINLEITUNG
Verfasserfrage und Entstehungszeit
Das Buch wird Joel, dem Sohn Petuels, zugeschrieben ( Joe
1,1 ). Anders als bei den meisten anderen prophetischen Büchern finden wir in
den einleitenden Versen keinen Hinweis auf die zeitliche Eingrenzung seiner
Wirksamkeit. Man kann also nur aus inneren Hinweisen etwas über die
Abfassungszeit erfahren.
Verschiedene Datierungen sind dabei vorgeschlagen worden.
Sie reichen vom neunten bis ins zweite Jahrhundert v. Chr. Drei Meinungen sollen
hier dargestellt werden.
1. Eine frühe vorexilische Abfassungszeit . Jene
Ausleger, die eine frühe Abfassungszeit vertreten (neuntes Jahrhundert v. Chr.),
weisen auf die Stellung des Buches Joel im hebräischen Alten Testament hin
(zwischen Hosea und Amos) und die Erwähnung von Tyrus, Sidon, den Philistern,
Ägypten und Edom als Feinde des Volkes ( Joe, 4,4.19 ). Hobart Freeman schreibt:
"Die Erwähnung dieser Völker ist ein starker Hinweis auf eine vorexilische
Abfassungszeit des Buches, da sie in der vorexilischen Zeit die Feinde Judas
waren, nicht die späteren Völker Assyrien, Babylon und Persien" ( An
Introduction to the Old Testament Prophets . Chicago: Moody Press, 1968, S. 148;
vgl. auch Gleason A. Archer, Jr., A Survey of Old Testament Introduction .
Chicago: Moody Press, 1974, S. 305).
Diese beiden Argumente sind jedoch nicht wirklich
schlüssig. Die Stellung im Kanon ist nicht entscheidend, vor allem wenn man
beachtet, daß die LXX das Buch Joel anders einordnet. Auch die
alttestamentlichen Propheten aus der Zeit Babylons verkündigen Weissagungen
gegen die erwähnten Völker (vgl. Jer 46-47; 49,7-22; Hes 27-30; Zeph 2,4-7 ).
Wer eine späte vorexilische Abfassungszeit vertritt, könnte argumentieren, daß
in Joe 2 die Babylonier so deutlich beschrieben werden, daß eine ausdrückliche
Identifizierung nicht nötig war für eine Zuhörerschaft, die sich ihrer
bedrohlichen Gegenwart am Horizont bewußt war.
Manche wollen eine frühe Abfassungszeit (in der Zeit der
Regierung von Joas) durch die im Buch Joel angedeutete Regierungsform (Älteste [
Joe 1,2;2,16 ] und Priester [ Joe 1,9.13;2,17 ] die herrschen, da Joas bereits
im Alter von sieben Jahren König wurde) und sprachliche Parallelen zu anderen
prophetischen Büchern stützen (Archer, A Survey of Old Testament Introduction ,
S. 304f). Diese Argumente sind jedoch ebenfalls nicht schlüssig, da auch die
späteren Propheten ähnliche Texte enthalten.
Mehrere Einzelheiten des Buches (vgl. bes. Joe 4,2.6 )
scheinen gegen eine frühe Abfassungszeit (zur Zeit von Joas) zu sprechen (vgl.
S. R. Driver, The Books of Joel and Amos , S. 14f).
2. Eine späte vorexilische Abfassungszeit . Die Meinung,
daß das Buch Joel aus einer späten vorexilischen Zeit stammt, hat viele
Argumente auf seiner Seite. Wenn man es zwischen 597 und 587 v. Chr. datiert
(mit Wilhelm Rudolph, Joel-Amos-Obadja-Jona . Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn, 1971, S. 24 - 28), dann bezieht sich Joe 4,2 b (mit seiner Erwähnung
der Zerstreuung des Volkes Gottes und der Teilung des Landes) auf die
babylonische Invasion von 597 v. Chr., als 10 000 der besten Männer Judas
deportiert wurden (vgl. 2Kö 24,10-16 ). Dies würde auch die Erwähnung des
Tempels erklären ( Joe 1,9.13;2,17 ), denn dieser wurde erst 586 v. Chr.
zerstört (vgl. 2Kö 25,9 ). Zugleich würde dies bedeuten, daß in Joe 1,15 und Joe
2,1-11 die endgültige Zerstörung Jerusalems angedeutet wird (die 586 v. Chr.
geschah; vgl. 2Kö 25,1-21 ).
Dann würde die Weissagung Joels auch gut mit jenen
anderen Stellen übereinstimmen, in denen der "Tag des Herrn" (oder "Tag des
Zornes des Herrn" oder "Tag des Grimmes des Herrn") mit jenem Ereignis verbunden
ist (vgl. Kl 1,12; 2,1.21.22; Hes 7,19; 13,5; Zeph 2,2-3 ). Joels Beschreibung (
Joe 2,1-11 ) würde mit der Beschreibung der Babylonier durch Jeremia
übereinstimmen (vgl. Jer 5,17 ). Die Erwähnung des Sklavenhandels zwischen den
Phöniziern und den Griechen (oder Ioniern) in Joe 4,6 paßt ebenfalls gut zu
jener späten vorexilischen Periode. Auch Hesekiel spricht davon ( Hes 27,13 ).
Arvid S. Kapelrud zeigt, daß der ionische Handel im siebten und im frühen
sechsten Jahrhundert v. Chr. sehr stark florierte ( Joel Studies , S. 154 158).
Trotz der Attraktivität dieser Meinung gibt es aber
Schwierigkeiten im Verständnis von Joe 2,18-19 .Dieser Abschnitt scheint von der
Gnade Gottes zu der Generation Joels zu sprechen und anzudeuten, daß sie
wirklich umgekehrt ist (vgl. die Anmerkungen zu diesen Versen). Wenn dies so
ist, dann wäre es schwierig, dies mit den historischen Berichten von den letzten
Tagen Judas in Übereinstimmung zu bringen. Auch 2Kö 23,26-27 zeigt, daß nicht
einmal die Erweckung unter Josia den Herrn erweichen konnte.
3. Eine nachexilische Abfassungszeit . Vier Argumente
werden gebraucht, um eine nachexilische Abfassungszeit zu stützen:
1) Joe 4,1-2.17 bezieht sich, so wird gesagt, auf die
Zerstörung Jerusalems und das babylonische Exil. In diesem Fall sprechen die
Erwähnungen des Tempels in Joe 1,9.13;2,17 von dem zweiten Tempel, der durch die
zurückgekehrten Juden 515 v. Chr. fertiggestellt wurde.
2) Die "Ältesten" (vgl. Joe 1,2;2,16 ), nicht der König,
scheinen die Führer des Volkes zu sein. Dies trifft eher auf die nachexilische
Periode zu (vgl. Esr 10,14 ).
3) Joel zitiert andere Propheten, unter ihnen auch
Hesekiel (vgl. Joe 2,3 mit Hes 36,35; Joe 2,10 mit Hes 32,7 und Joe 2,27-3,1 mit
Hes 39,28-29 ).
4) Die Erwähnung des griechischen Sklavenhandels ( Joe
4,6 ) weist auf eine nachexilische Abfassungszeit hin.
Gegen diese Argumente könnte man folgende Einwände
vorbringen:
1) Joe 4,1-2.17 könnte sich auf die Wegführung im Jahre
597 v. Chr. beziehen, nicht auf die von 586 v. Chr. (aber wie oben, unter "2.
Eine späte vorexilische Abfassungszeit" gesagt, wirft dies einige
Schwierigkeiten auf). Manche versuchen, Joe 4,1-2.17 im Lichte von 2Chr 21,16-17
zu verstehen (Archer, A Survey of Old Testament Introduction , S. 305). Aber die
Gefangennahme der königlichen Söhne und Frauen, die hier berichtet wird, läßt
sich kaum in Joe 4,2 wiederfinden.
2) Obwohl es seltsam ist, daß keine Erwähnung der
Monarchie zu finden ist, kann man aus einem argumento e silentio (Argument
aufgrund des Schweigens) nichts schließen. Auch vor dem Exil galten die Ältesten
sehr viel in der jüdischen Gesellschaft ( 2Kö 23,1; Jer 26,17; Kl 5,12 ; vgl.
Kapelrud, Joel Studies , S. 187f).
3) Was literarische Parallelen mit anderen prophetischen
Abschnitten angeht, ist es immer schwierig zu entscheiden, wer jeweils wen
zitiert.
4) Kapelrud hat, wie weiter oben schon gesagt, gezeigt,
daß der ionische Sklavenhandel bereits im siebten Jahrhundert v. Chr. florierte.
Es ist also nicht möglich, im Blick auf die
Abfassungszeit des Buches Joel zu einer eindeutigen Meinung zu kommen. Die
Sprache von Joe 4,2 b scheint auf eine nachexilische Abfassungszeit hinzudeuten.
Dieser Vers spricht davon, daß die Völker der Zukunft dafür gerichtet werden,
daß sie das Verhalten Babylons fortgeführt und die Israeliten zerstreut sowie
ihr Land zerteilt haben. Damit würden mehrere andere Beobachtungen
übereinstimmen (wenn sie auch nicht als Beweise gelten können): die Erwähnung
des phönizisch-ionischen Sklavenhandels, die Regierungsform, die in Israel
gewesen zu sein scheint und die literarischen Parallelen mit anderen Propheten.
Wenn man von einer nachexilischen Abfassungszeit ausgeht, macht die Erwähnung
des Tempels als frühesten Zeitpunkt 516 v. Chr. nötig. All dies aber bleibt
vage. Auch konservative Ausleger differieren verständlicherweise im Blick auf
die Abfassungszeit von Joel.
Größere exegetische Schwierigkeiten
1. Das Heer in Joe 2,1-11 Manche meinen, daß in Joe
2,1-11 eine Heuschreckenplage beschrieben wird, entweder die aus Kapitel 1 oder
eine noch schlimmere. Mehrere Faktoren sprechen für diese Deutung:
1) Die literarischen Parallelen zwischen Kapitel 1; 2
(vgl. Joe 2,2.11 mit Joe 1,6 und Joe 2,3 mit Joe 1,19 ).
2) Mehrere Einzelheiten in Joe 2,1-11 deuten darauf hin,
daß von Heuschrecken die Rede ist - die große Zahl der Angreifer ( Joe 2,2.5 ),
die Vernichtung des Landes ( Joe 2,3 ), die Fähigkeit der Angreifer, zu springen
und zu klettern ( Joe 2,5.7 ), und die Verdunklung des Himmels ( Joe 2,10 ).
3) Offenbar besteht eine literarische Verbindung zwischen
Joe 2,11 ("Sein Heer") und Joe 2,25 ("Mein großes Heer", womit die Heuschrecken
gemeint sind).
4) Das "Heer" wird in Joe 2,4-5.7 mit einer richtigen
Armee verglichen. Die Worte "gestaltet wie Pferde", "wie Reiter", "wie
Streitwagen" und "wie Soldaten" scheinen auszuschließen, daß ein tatsächliches
Heer gemeint ist (vgl. Leslie C. Allen, The Books of Joel, Obadiah, Jonah and
Micah , S. 29, und Driver, The Books of Joel and Amos , S. 28).
Wahrscheinlicher jedoch ist, daß tatsächlich ein fremdes
menschliches Heer gemeint ist. Der Bericht wird entsprechend dem Rahmen aus
Kapitel 1 abgefaßt und das Heer in mancherlei Hinsicht mit den dort benutzten
Ausdrücken beschrieben (vgl. Hans W. Wolff, Joel and Amos , S. 42). Auf diese
Weise wird die nahe Verwandtschaft und die Kontinuität zwischen der Plage aus
Kapitel 1 und dem Heer aus Kapitel 2 deutlich gemacht. Beides sind Werkzeuge des
Gerichtes Gottes - das eine in der Vergangenheit, das andere in der Zukunft.
Heuschrecken sind gekommen - es werden noch mehr "Heuschrecken" kommen!
Mehrere Dinge unterstützen diese Sichtweise.
1) Die Heuschreckenplage aus Kapitel 1 ist Vergangenheit,
die Invasion von Joe 2,1-11 steht zur Zeit Joels noch bevor (vgl. auch Joe 1,15
). Es kann sich also nicht um das gleiche Ereignis handeln (Wolff, Joel and Amos
, S. 6 f, 42). Joe 2,25 ,wo die großen Heuschrecken das "große Heer" Gottes
genannt werden, spricht von dem Gericht in Kapitel 1 . Seine Folgen konnten
umgekehrt, aber das Gericht konnte nicht mehr verhindert werden. Joe 2,11
dagegen spricht von einem Gericht, das noch Zukunft ist und daher verhindert
werden kann (vgl. Joe 2,20 ). Deshalb kann Joe 2,25 nicht benutzt werden, um Joe
2,11 zu deuten, auch wenn die oben erwähnte literarische Parallelität besteht.
Die literarische Abhängigkeit bedeutet nicht zugleich eine inhaltliche
Identität, sondern lediglich die nahe Verwandtschaft der beiden Heere. Die
Heuschrecken waren ein Heer, das Gott gesandt hatte ( Joe 2,25 ), das "Heer des
Nordens" ist eine Armee ( Joe 2,20 ), die von ihm geführt wird ( Joe 2,11 ).
2) Das Heer aus Joe 2,1-11 wird in 2,20 "das Heer des
Nordens" genannt (wörtl.: "die Nördlichen"). Heuschrecken dagegen greifen
Palästina gewöhnlich vom Süden her an, nicht aus dem Norden (obwohl solche
Invasionen aus dem Norden oder Nordosten nicht unbekannt sind; vgl. Allen, The
Books of Joel, Obadiah, Jonah and Micah , S. 88). Der Ausdruck "Nördliche"
bezieht sich eher auf eine tatsächliche Armee, denn sowohl in der Geschichte als
auch in der Eschatologie wird immer wieder von Armeen berichtet, die Palästina
aus dieser Richtung kommend angreifen (so z. B. Assyrien, Jes 14,25.31 ;
Babylon, Jer 6,1.22; 15,12; Hes 26,7 ,und Gog, Hes 38,15 ).
3) Der Vergleich mit Heuschrecken bei der Beschreibung
der Armee in Joe 2 hat Parallelen in der Literatur des Nahen Ostens jener Zeit
(vgl. John A. Thompson, "Joel's Locusts in the Light of Near Eastern Parallels",
Journal of Near Eastern Studies 14. 1955: 52 - 55).
4) In den Flüchen in 5.Mose werden Heuschrecken ( 5Mo
28,38-42 ) und angreifende Armeen ( 5Mo 28,25.32-33.36-37 ) in einem engen
Zusammenhang gesehen. Dies ist nur natürlich, denn beide vernichten die
landwirtschaftliche Produktion ( 5Mo 28,33.51; Jes 1,7; Jer 5,17 ). Deshalb die
Ähnlichkeit zwischen Joe 1,19 und Joe 2,3 .Eine assyrische Inschrift aus der
Zeit von Sargon II. (722 - 705 v. Chr.) zeigt die Folgen eines angreifenden
Heeres für ein Land sehr deutlich und lebhaft: "Die Stadt Aniaschtania ... und
17 Städte ihrer Nachbarschaft habe ich [Sargon] vernichtet, ich habe sie dem
Erdboden gleichgemacht; an die großen Balken ihrer Wurzeln habe ich Feuer
gelegt, ihre gefüllten Speicher habe ich geöffnet und meine Heere die
unermeßlichen Mengen an Korn vernichten lassen. Wie Heuschreckenschwärme habe
ich die Tiere meines Lagers auf ihre Wiesen getrieben, und sie haben die
Pflanzen, von denen sie [die Stadt] lebte, ausgerissen; sie haben ihre Ebenen
verwüstet" (D.D. Luckenbill, Ancient Records of Assyria and Babylonia . 2 Bde.
Chicago: University of Chicago Press, 1926 - 1927, 2:85).
Der Vergleich mit einem Heer (in Joe 2,4-5.7 ) bedeutet
nicht, daß keine wirklich Armee gemeint sein kann. Zwei Erklärungen sind hierfür
denkbar. Die eine ist, daß ein Heer, wenn es unter dem Bild der Heuschrecken
beschrieben wird, mit einem wirklichen Heer verglichen werden kann. Die
Ähnlichkeit zeigt in diesem Fall die Realität hinter dem Bild. So sagt Freeman,
daß "der Prophet auf dem Hintergrund der kürzlich geschehenen Plage aus Kapitel
1 dieses Unglück benutzt als Grundlage für seine Bildsprache" ( An Introduction
to the Old Testament Prophets , S. 152). E.W. Bullinger gibt eine andere
Erklärung. Er meint, daß ein Bild manchmal "nicht nur eine Ähnlichkeit, sondern
den tatsächlichen Gegenstand enthält" ( Figures of Speech Used in the Bible .
Grand Rapids: Baker Book House, 1968, S. 728 f). In diesem Fall zeigt die
hebräische Präposition k+ , "wie, als", daß ein bestimmter Gegenstand in jeder
Hinsicht wie ein anderer Gegenstand ist, so daß er an dessen Wesen Anteil hat.
In Jes 1,7 b z. B. wird gesagt, daß Juda "verwüstet" wird, " als wenn es durch
Fremde unterworfen würde" (d. h. es wurde tatsächlich durch Fremde unterworfen).
In ähnlicher Weise sagt Jes 1,8 b, daß Jerusalem " wie eine belagerte Stadt" ist
(d. h. sie ist tatsächlich belagert, vermutlich durch Sanherib). (Dennoch hat k+
in Jes 1,8-9 seine gewöhnliche Bedeutung: "wie ein Schutz" und "wie eine Hütte",
V. 8 , und "wie Sodom", V. 9 .) Ein weiteres Beispiel für die Gleichsetzung
durch diese Präposition ist Joe 1,15 ,wo es heißt, daß "der Tag des Herrn ...
kommen wird wie eine Zerstörung von dem Allmächtigen" (d. h. es wird tatsächlich
eine Zerstörung sein, die Gott herbeiführt).
Zusammenfassend kann man also sagen, daß das Heer in Joe
2,1-11 vermutlich eine tatsächliche Armee des Nordens ist, die mit dem Bild
eines Heuschreckenschwarmes verglichen wird, um zu zeigen, daß sie, wie die
Heuschrecken, ein Werkzeug des Herrn ist, das den Höhepunkt des Gerichtes Gottes
bildet, welches durch die Heuschreckeninvasion begonnen hat.
2. "Der Tag des HERRN" bei Joel . Ohne Zweifel ist die
Bedeutung des Ausdruckes "der Tag des Herrn" durch Überlieferungen beeinflußt,
die von dem Eingreifen Gottes bei den frühen Kriegen Israels sprechen (vgl.
Gerhard v. Rad, "The Origin of the Concept of the Day of Yahweh", Journal of
Semitic Studies 4. 1959:97 - 108), aber letztlich leitet sich der Ausdruck
selbst von der Vorstellung ab, die im Nahen Osten jener Zeit vorhanden war, daß
ein mächtiger König eine komplette militärische Eroberung an einem einzigen Tag
durchführen könnte (vgl. Douglas Stuart, "The Sovereign's Day of Conquest",
Bulletin of the American Schools of Oriental Research . 220/221. Dezember 1975,
Februar 1976:159 - 164). Man kann also sagen, daß "der Tag des Herrn" ganz
allgemein von dem schnellen und entschiedenen Sieg Gottes über seine Feinde
spricht.
Im Alten Testament kann "der Tag des Herrn" entweder als
ein bestimmtes historisches Ereignis oder als ein eschatologischer Kampf
verstanden werden, der am Ende des gegenwärtigen Zeitalters steht. Die folgenden
Elemente sind mit diesem Ausdruck verknüpft:
1) "Der Tag des Herrn" spricht manchmal von dem Gericht
über das Volk Gottes, wozu das Nordreich (durch die Hand der Assyrer; vgl. Am
5,18.20 ) und Juda (durch die Hand der Babylonier; vgl. Kl 1,12; 2,1.21-22; Hes
7,19; 13,5; Zeph 2,2-3 ) gehören. Manchmal erscheint dieses Gericht im
Zusammenhang mit dem allgemeineren Gericht über alle Völker (vgl. Jes 2,12; Zeph
1,18 ).
2) "Der Tag des Herrn" spricht oft auch von dem Gericht
über die Heidenvölker, so z. B. über Babylon (durch die Hand der Meder; vgl. Jes
13,6.9 ), Ägypten (durch die Hand der Babylonier; vgl. Jer 46,10; Hes 30,3 ),
Edom (vgl. Jes 34,8-9 ) und die eschatologisch verstandene nördliche Koalition
unter Führung von Gog ( Hes 39,8 ).
3) "Der Tag des Herrn" wird Reinigung und Erneuerung für
Israel bringen (vgl. Jes 61,2; Mal 4,5 ), aber auch ungeheures Leiden ( Sach
14,1-3 ).
"Der Tag des Herrn" umfaßt also bestimmte "Tage" oder
Ereignisse, die bereits Vergangenheit sind (vgl. A. J. Everson, "The Days of
Yahweh", Journal of Biblical Literature 93. 1974: 329 - 337). Hierzu gehört die
Vernichtung des Nordreiches, das babylonische Exil, die Eroberung Ägyptens durch
Babylon und der Untergang von Babylon. Diese Beispiele für das Eingreifen Gottes
in die Geschichte hinein deuten jene Zeit vor, wenn er seine Feinde endgültig
und weltweit vernichten und Israel wieder erneuern wird (für eine tiefergehende
Darlegung des Verhältnisses zwischen Geschichte und Eschatologie siehe Jes 13-27
).
Im Buch Joel tauchen alle drei Elemente, die gerade
aufgeführt wurden, im Blick auf den "Tag des Herrn" auf. Israels Gericht wird in
Joe 1,15 und Joe 2,1-11 beschrieben, seine Befreiung in Joe 3,1-5 vorausgesehen,
und das universale Gericht über alle Völker wird in Kapitel 4 dargestellt. Joel
scheint viele Ereignisse in dem "Tag" des Herrn zusammen zu sehen. Während er
darüber spricht, wie seine Generation dem "Tag des Herrn" nur eben entkommen
ist, sieht er die endgültige Befreiung Israels von seinen Feinden am Ende der
Zeiten bereits angedeutet.
Während Joel über den Tag des Herrn in der Endzeit
spricht, macht er vor allem einen Aspekt dieses "Tages" besonders deutlich,
nämlich jenes einzigartige Ereignis, wenn Gott in die Geschichte eingreifen
wird, um seine Feinde zu vernichten und sein Volk Israel zu erneuern.
Der Tag des Herrn, wie andere Schriftstellen ihn sehen,
wird jedoch noch mehr Ereignisse beinhalten:
1) Bevor die Feinde Israels vernichtet werden, werden sie
Israel berauben und verwüsten ( Sach 14,1-2 ). Dies wird eine Zeit der großen
Bedrängnis für Israel sein ( Zeph 1,7-18 ; vgl. Dan 12,1 ). Jesus nennt diese
Zeit eine Zeit der "großen Trübsal" ( Mt 24,21 ) für das Volk.
2) Nachdem der Herr seine Feinde vernichtet hat (bei der
Wiederkunft des Messias), wird der Tag des Herrn eine Zeit des Segens für Israel
bringen (vgl. Ob 1,15 mit Ob 1,21 ), die als Tausendjähriges Reich bekannt ist.
3) Dann, nach diesem Tausendjährigen Reich, wird der Tag
des Herrn auch die Vernichtung des gegenwärtigen Himmels und der Erde und die
Schaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde einschließen ( 2Pet
3,10.12-13 ).
Nach den Schriftstellen außerhalb von Joel ist "der Tag
des Herrn" eine längere Zeitperiode, die sowohl Gericht als auch Segen
einschließt. Sie wird kurz nach der Entrückung beginnen und die siebenjährige
Zeit der Trübsal, die Wiederkunft des Messias, das Tausendjährige Reich und die
Erschaffung des neuen Himmels und der neuen Erde einschließen. Manche Ausleger
sind dagegen der Meinung, daß die Entrückung gegen Ende der großen Trübsal
geschehen und der Tag des Herrn dann erst beginnen wird (vgl. die Anmerkungen zu
1Thes 5,2; 2Thes 2,1-12 und die "Übersicht über die endzeitlichen Ereignisse,
die in der Bibel vorausgesagt sind" zwischen Hes und Dan).
GLIEDERUNG
I. Die Einführung
II. Die Heuschreckenplage ( 1,2-20 )
A. Ein einleitender Appel ( 1,2-4 )
B. Ein Aufruf zur Klage ( 1,5-13 )
1. Die Betrunkenen sollen klagen ( 1,5-7 )
2. Das Land soll klagen ( 1,8-10 )
3. Die Bauern sollen klagen ( 1,11-12 )
4. Die Priester sollen klagen ( 1,13 )
C. Ein Ruf zur Umkehr (1,14)
D. Die Bedeutung der Plage ( 1,15-20 )
III. Der kommende Tag des Herrn ( 2,1-11 )
A. Die Nähe des Herres Gottes 2,1-2 )
B. Die zestörerische Kraft des Heeres Gottes ( 2,3-5
)
C. Der unnachgiebige Ansturm des Heeres Gottes (
2,6-9 )
D. Die Unbesiegbarkeit des Heeres Gottes ( 2,10-11 )
IV. Ein erneuter Ruf zur Umkehr ( 2,12-17 )
A. Ein Appell zur echten Herzensänderung ( 2,12-14 )
1. Der Appell ( 2,12-13 a)
2. Die Motivation ( 2,13 b. 13 - 14 )
B. Ein Appell zur nationalen Beteiligung ( 2,15-17 )
V. Vergebung und Erneuerung ( 2,18-27 )
A. Die gnädische Reaktion Gottes wird beschrieben (
2,18 )
B. Gott verheißt den erneuten landwirtschaftlichen
Segen ( 2,19-27 )
VI. Die Verheißung einer herrlichen Zukunft ( 3,1-4,21 )
A. Die geistliche Erneuerung und Befreiung ( 3,1-5 )
B. Das Gericht über die Völker ( 4,1-16 )
1. Das Gericht wird angekündigt ( 4,1-8 )
2. Ein Aufruf zum Krieg: Das Gericht wird
beschrieben ( 4,9-16 )
C. Die schließliche Erneuerung Israel ( 4,17-21 )
AUSLEGUNG
I. Einführung
( 1,1 )
Joe 1,1
Wie schon in der Einführung gesagt, wissen wir über Joel
nur, daß er ein Sohn Petuels war. Der Prophet macht zunächst deutlich, daß seine
Botschaft Wort Gottes ist, aber er datiert sie nicht, d. h., er gibt nicht an,
zu der Regierungszeit welches Königs von Juda oder Israel er sie erhalten oder
niedergeschrieben hat (vgl. die Anmerkungen unter "Verfasserfrage und
Entstehungszeit" in der Einführung ).
II. Die Heuschreckenplage
( 1,2 - 20 )
Das einleitende Kapitel beschreibt die furchtbaren Folgen
einer schlimmen Heuschreckenplage, die über das Land gekommen war. Sie hatte
alle landwirtschaftlichen Produkte, die Mensch und Tier zum Überleben nötig
hatten, vernichtet. Aber dennoch war dies nur der Vorbote eines noch schlimmeren
Unheils - der Vernichtung und Zerstörung am Tag des Herrn.
A. Ein einleitender Appell
( 1,2 - 4 )
Joe 1,2-3
Der Prophet eröffnet seine Botschaft mit einem Appell an
alle, die in dem Land leben , angefangen von den Ältesten des Volkes. Sie sollen
die Einzigartigkeit und Bedeutung des Unheiles erkennen, das über sie gekommen
ist. Die Ältesten sind die öffentlichen Führer, die eine wichtige Funktion im
Regierungs- und Gerichtssystem Israels spielten (vgl. 1Sam 30,26-31; 19,12-16;
2Kö 23,1; Spr 31,23; Jer 26,17; Kl 5,12.14 ).
Die rhetorische Frage in Joe 1,2 b erwartet eine klare,
negative Antwort. Nichts innerhalb der Erfahrungswelt der Generation Joels oder
ihrer Vorfahren konnte mit der kürzlich erlebten Heuschreckenplage verglichen
werden. Von diesem einzigartigen Ereignis würde man noch in vielen kommenden
Generationen sprechen ( deine Kinder, ihre Kinder und die nächste Generation ).
Joe 1,4
Bei diesem Ereignis handelt es sich um eine massive
Invasion durch Heuschrecken , die die Vegetation des Landes völlig vernichtet
hatte. Vier Ausdrücke werden hier für die Heuschrecken verwandt (
Heuschreckenschwarm , gAzAm ; große Heuschrecken , ?arbeh ; junge Heuschrecken ,
yeleq ; und andere Heuschrecken , HAsIl ). Manche Ausleger glauben, daß sich
diese vier Ausdrücke auf die verschiedenen Entwicklungsstufen der Heuschrecke
von der Larve bis hin zum ausgewachsenen Tier beziehen (z. B. Thompson, "Joel's
Locusts in the Light of the Near Eastern Parallels", S. 52 - 55). Diese Sicht
aber ist nicht unproblematisch (vgl. Wolff, Joel and Amos , S. 27f).
Wahrscheinlicher ist, daß die Ausdrücke Synonyme sind, die aus Gründen der
Abwechslung verwendet werden, und um die verschiedenen "Wellen" des
Heuschreckensturmes deutlich zu machen.
Die dreifache Erwähnung der Überreste einer Welle von
Heuschrecken, die von der nächsten aufgefressen wird, zeigt die Vollständigkeit
der Zerstörung, die sie gebracht haben. (Augenzeugenberichte über
Heuschrecken-Plagen finden sich bei Driver, The Books of Joel and Amos , S.
40.89 - 93; George Adam Smith, The Book of the Twelve Prophets, 2:391 - 395; und
John D. Whiting, "Jerusalem's Locust Plague", National Geographic Magazine 28.
Dezember 1915, S. 511 - 550).
B. Ein Aufruf zur Klage
( 1,5 - 13 )
In Form eines Klageaufrufes spricht der Prophet hier über
die furchtbaren Einzelheiten und Folgen der Heuschreckenplage. Dieser Abschnitt
besteht aus vier Teilen (V. 5-7.8-10. 11-12.13 ), von denen jeder einen direkten
Aufruf enthält (V. 5 a. 8.11 a. 13 a), gefolgt von den Gründen für die Trauer
(V. 5 b. 6-7.9-10.11 b. 12. 13 b). Angesprochen wird das personifizierte Land
(oder die Stadt?) sowie einige der Gruppen, die durch die Plage am stärksten
betroffen sind (Betrunkene, Bauern und Priester).
1. Die Betrunkenen sollen klagen
( 1,5 - 7 )
Joe 1,5-7
Die Betrunkenen sollen weinen und heulen , weil es wegen
der Zerstörung der Weinberge keinen Wein mehr gibt (V. 5 ; vgl. V. 7.10.12 ).
Wie ein mächtiges Volk ist ein unzählbar großer ( ohne Zahl )
Heuschreckenschwarm gekommen und hat das Land des Propheten eingenommen. Ihre
Zerstörungskraft war wie die eines Löwen , der beinahe alles mit seinen
mächtigen Zähnen (und Backenzähnen) zerreißen kann. Die Heuschrecken haben die
Weinberge vernichtet und selbst die Rinde von den Feigenbäumen geschält und ihre
Zweige weiß gelassen . Bilder, die die Folgen einer solchen Invasion zeigen,
finden sich bei The Zondervan Pictorial Bible Dictionary . Grand Rapids:
Zondervan Publishing House, 1963, S. 377, 435).
2. Das Land soll klagen
( 1,8 - 10 )
Joe 1,8
Die grammatische Form von klagen in Vers 8 (fem. Sing.)
zeigt, daß in diesem Vers weder die Betrunkenen aus Vers 5 noch die Bauern aus
Vers 11 gemeint sein können (beide sind Mask. Plur.). Vermutlich ist das Land
selbst (vgl. Joe 2,18 ) oder Jerusalem (in Joe 2,1.15.23; 3,5 Zion genannt)
angesprochen, das als eine Jungfrau oder junge Frau personifiziert wird (vgl.
2Kö 19,21 , "die Jungfrau Tochter Zion" und Kl 1,15 ,"Die Jungfrau Tochter
Juda"). Sie soll bitter weinen, wie eine Braut oder eine zukünftige Braut über
den unerwarteten Tod des Mannes weint, den sie heiraten oder mit dem sie sich
verloben wollte.
Die Bedeutung des Ausdruckes, der mit "Jungfrau"
übersetzt wird ( b+YUlCh ), ist nicht unumstritten. Er kann eine tatsächliche
Jungfrau bezeichnen, aber auch eine verlobte Frau, deren Ehe noch nicht
vollzogen wurde. In diesem Fall kann der Mann der Mann ihrer Jugend genannt
werden, weil die Verlobung in Israel bereits gesetzlich verbindlich war ( 5Mo
22,23-24 zeigt, daß eine verlobte Frau sowohl als "Jungfrau" als auch als
"Ehefrau" bezeichnet werden konnte). Vielleicht meint das Wort b+YUlCh in Joe
1,8 einfach nur eine junge Frau, ohne etwas über ihren sexuellen Status
auszusagen. In diesem Fall würde es hier um Neuvermählte gehen.
Sackleinen (vgl. V. 13 ), ein rauher, dunkler Stoff,
wurde bei Klagefeierlichkeiten als äußeres Zeichen der Trauer getragen (vgl. 1Mo
37,34; 1Kö 21,27; Neh 9,1; Esr 4,1-4; Ps 69,11-12; Jes 22,12; 32,11; 37,1-2; Kl
2,10; Dan 9,3; Jon 3,8 ).
Joe 1,9-10
Der Hauptgrund für die Klage sind in diesem Fall die
schlimmen Folgen der Plage auf das formelle Gottesdienstsystem (vgl. V. 13 ).
Die Vernichtung der Ernte ( Korn, Trauben und Olivenöl ; V. 10 ; vgl. Hos 2,24 )
hatte die Priester, die im Haus des HERRN dienten, der Zutaten für das tägliche
Speiseopfer ( minHAh ), zu dem Mehl und Öl (vgl. 4Mo 28,5 ) nötig waren, und
Trankopfer ( nesek ), für das Wein gebraucht wurde (vgl. 2Mo 29,40; 4Mo 28,7 ),
beraubt.
3. Die Bauern sollen klagen
( 1,11 - 12 )
Joe 1,11-12
Die Bauern und Weingärtner haben ebenfalls allen Grund
zur Klage, denn die Frucht ihrer Arbeit ist vernichtet worden. Hierzu gehören
Korn ( Weizen und Gerste ) und fünf Arten von Früchten (Trauben, Feigen,
Granatäpfel, Datteln von den Palmbäumen und Äpfel). Weil ihre Erträge vernichtet
waren, konnten sie die Freude der Ernte nicht erfahren (vgl. Ps 4,8 ).
4. Die Priester sollen klagen
( 1,13 )
Joe 1,13
Die Priester sollen ebenfalls an der Klage teilnehmen (
heulen ), weil, wie schon gesagt (V. 9 ), die Dinge für das tägliche Opfer nicht
mehr vorhanden waren. (Zu Sackleinen vgl. die Anmerkungen zu (V. 8 .)
C. Ein Ruf zur Umkehr
( 1,14 )
Joe 1,14
Die Priester sollen nicht nur klagen (V. 13 ), sondern
auch im Tempel für alle Menschen eine heilige Versammlung ausrufen Das Volk soll
fasten und zu dem HERRN schreien . Oft steht Fasten im Zusammenhang mit Buße und
Umkehr (vgl. 1Sam 7,6; Neh 9,1-2; Jon 3,5 ). Die innere Einstellung, die mit
diesem äußeren Tun zusammengehen mußte, wird in Joe 2,12-17 beschrieben.
D. Die Bedeutung der Plage
( 1,15 - 20 )
Joe 1,15
Diese Heuschreckenplage hat eine große Bedeutung, denn
sie kündigt den Tag des HERRN an (vgl. die Anmerkungen unter "Größere
exegetische Schwierigkeiten" in der Einführung ). Die Heuschrecken haben die
Ernte auf den Feldern vernichtet (vgl. bes. V. 10 , wo das hebr. Verb SADaD ,
"verwüstet", "vernichtet", zweimal benutzt wird). In ähnlicher Weise wird dieser
kommende Tag ein Tag der Verwüstung ( SOD , verwandt mit dem Verb SADaD ) durch
den Allmächtigen ( Sadday ; vgl. die Anmerkungen zu 1Mo 17,1 ) sein. Dieser Name
Gottes wird hier vermutlich deshalb benutzt, weil er so ähnlich klingt wie das
Wort SOD , "Vernichtung, Verwüstung".
Es ist verständlich, daß der Prophet die Plage als
Vorzeichen eines außergewöhnlichen Ereignisses ansieht. In Ägypten war eine
Heuschreckenplage ( 2Mo 10,1-20 ) den letzten beiden Plagen der Finsternis ( 2Mo
10,21-29 ; vgl. Joe 2,2 ) und des Todes ( 2Mo 11; 12,29-30 ) vorangegangen. Die
Fluchandrohung 5.Mose spricht ebenfalls von Heuschreckenplagen ( 5Mo 28,38.42 )
in Verbindung mit Exil und Tod ( 5Mo 28,41.48-57.64-68 ).
Joe 1,16-18
Die Verse 16 - 20 enthalten eine detaillierte
Beschreibung der Nachwirkungen der Heuschreckenplage. Indem der Prophet erneut
von der Einzigartigkeit dieses Ereignisses spricht, unterstreicht er seine
Überzeugung, daß der Tag des Herrn vor der Tür steht (vgl. "nahe" in V. 15 ).
Den Menschen war nur zu bewußt ( vor ihren eigenen Augen
), daß ihre Nahrungsvorräte, und damit jeder Grund zur Freude, hinweg waren (V.
16 ). Offenbar hatte auch eine Dürre eingesetzt, denn die Samen waren verdorrt.
Die Schollen (V. 17 ) könnte übersetzt werden: "ihre (d. h. der Bauern)
Schaufeln". Als die Bauern die Erde umgruben, um zu sehen, warum nichts Grünes
wuchs, deckten ihre Schaufeln die Samenkörner auf, die nicht gekeimt hatten.
Ohne eine Ernte mußten die Lagerhäuser und Kornspeicher leer bleiben. Die
Haustiere ( Vieh, Herden, Schafherden ) litten Hunger.
Joe 1,19-20
Der Prophet, der sich eindeutig mit seinem leidenden Volk
identifiziert (vgl. "mein", was in V. 6 - 7 dreimal vorkommt), schreit zu dem
Herrn in seiner Verzweiflung. Er vergleicht die Heuschrecken mit einem Feuer (in
V. 19 und in V. 20 ), das alles vernichtet hat, was auf seinem Weg lag. Selbst
die Ströme waren ausgetrocknet , so daß die durstigen wilden Tiere nach Wasser
schrien.
III. Der kommende Tag des Herrn
( 2,1 - 11 )
In diesem Abschnitt wird das Thema von Joe 1,15 weiter
entwickelt und Einzelheiten über den kommenden Tag des Herrn vermittelt. Joel
sieht Gott dabei als mächtigen Kriegskönig, der sein großes Heer in den Kampf
führt. Wenn man eine vorexilische Abfassungszeit des Buches Joel vertritt,
könnte es dabei entweder um die Assyrer oder um die Bablyonier gehen (vgl. die
Anmerkungen unter "Verfasserschaft und Abfassungszeit" in der Einführung ).
Beide werden im AT als Werkzeuge des Gerichtes Gottes angesehen (vgl. Jes
10,5-15 für die Assyrer und Jer 27,4-11; 51,20-25 und Hab 1,5-12 für die
Babylonier). Andere Ausleger, die eine nachexilische Abfassungszeit vertreten,
sehen in dem Heer von Joe 2,1-11 eine eschatologische Armee (vielleicht die in
V. 20 ; Joe 4,9.12; Dan 11,40 und Sach 14,2 genannte).
Bei einer nachexilischen Abfassungszeit kann nicht sicher
gesagt werden, auf welche Nation sich dieser Abschnitt bezieht. Das Heer trägt
dann einen unbestimmten, apokalyptischen Charakter (vgl. Wolff, Joel and Amos ,
S. 7, 42) und steht vielleicht für die Feinde Israels ganz allgemein.
Wie unter "Größere exegetische Schwierigkeiten" in der
Einführung bemerkt, wird dieses Heer mit heuschreckenähnlichen Bildern
beschrieben, um die Kontinutität mit Kapitel 1 zu schaffen. Zugleich zeigt der
Vergleich mit einem wirklichen Heer ( Joe 2,4-5.7 ), daß es hier um die Realität
geht.
In diesem Abschnitt kann man vier Unterabschnitte
erkennen (V. 1-2.3-5.6-9.10-11 ), von denen die drei letzten mit "vor ihnen" (V.
3.10 ) oder "bei ihrem Anblick" (V. 6 ) eingeleitet werden. Vers 1 - 2 ist
thematisch parallel zu Vers 10-11 und bildet so zusammen mit diesen beiden
Versen eine Art Rahmen. Diese beiden Unterabschnitte sprechen von den
furchtsamen Reaktionen, die durch das herannahende Heer ausgelöst werden (V. 1
b. 10 a), der Finsternis, die mit ihm einhergeht (V. 2 a. 10 b), und seiner
außergewöhnlichen Größe (V. 2 b. 11 a). Zwei dieser Gedanken tauchen (in
umgekehrter Reihenfolge) in der Mitte des Abschnittes noch einmal auf. Vers 5 c
spricht von der Größe des Heeres und Vers 6 von der Furcht, die durch es bei
Menschen in vielen Völkern ausgelöst wird. Zwei Gedanken kommen in Vers 3-5 a
vor: Das Heer ist wie ein zerstörendes Feuer (V. 3 ), und es dringt unaufhaltsam
vor (V. 4-5 a). Beide Gedanken werden in Vers 5 b und 7-9 in umgekehrter
Reihenfolge wiederholt.
A. Die Nähe des Heeres Gottes
( 2,1 - 2 )
Joe 2,1
Dieser Abschnitt beginnt mit einem Alarmruf , der die
Nähe des Angreifers unterstreicht. Die Posaune ( SNPAr ) war das Horn eines
Widders, das von einem Wächter geblasen wurde, um die Menschen vor einer großen
Gefahr zu warnen (vgl. Jer 4,5-6; Hes 33,2-6 ). Die Reaktion des Volkes darauf
ist Furcht ( zittern ; vgl. Am 3,6 ), besonders in diesem Fall, denn der Tag des
HERRN kommt. Heiliger Berg ( Ps 2,6; 3,5; 15,1; 24,3; 78,54; Dan 9,16.20; Ob
1,16; Zeph 3,11 ) bezieht sich auf den Tempelberg.
Joe 2,2 a
Der Tag des Herrn wird als ein Tag der Finsternis und
Dunkelheit der Wolken und Nebel beschrieben (vgl. Zeph 1,15 ). Die Erwähnung der
Finsternis nach der Heuschreckenplage aus Joe 1 erinnert an 2Mo 10 ,wo die
gleiche Reihenfolge der Ereignisse zu finden ist. Dunkelheit und Wolken - die
oft mit dem Herrn in seiner Rolle als mächtiger, siegreicher Kriegsherr
einhergehen (vgl. 5Mo 4,11; 5,22-23; Ps 18,10.12; 97,2 ) - sind hier ein Bild
für Gericht und Zerstörung (vgl. Jer 13,16; Hes 30,3.18; 32,7-8; 34,12; Am
5,18-20; Zeph 1,15 ).
Joe 2,2 b
Die ungeheure Größe der angreifenden Armee wird besonders
unterstrichen. Wie die Strahlen der Morgensonne ( Morgenröte ) werden seine
Scharen den Horizont bedecken. Dieses Heer wird furchtbarer sein als alle, die
bisher gekommen sind oder die noch kommen werden. Die Bildsprache hier erinnert
an 2Mo 10,14 .Vielleicht soll auf diese Weise angedeutet werden, daß die
"Heuschrecken" aus Joe 2,1-11 noch schlimmer sein werden als die, die Ägypten
überrannt haben. Etwas, was noch schlimmer sein wird als die ägyptischen Plagen,
wird über das Land kommen!
B. Die zerstörerische Kraft des Heeres Gottes
( 2,3 - 5 )
Joe 2,3
Die Angreifer werden, wie die Heuschrecken in Joe 1 ,mit
einem Feuer verglichen, das alles auf seinem Weg vernichtet (vgl. Joe 1,19 ).
Fruchtbare Landstriche, deren Fülle mit dem Garten Eden vergleichbar ist (vgl.
1Mo 2,8-9 ), werden zu einer wüsten Einöde werden. Hinter diesem Bild steht als
Realität die vernichtende Kraft einer großen angreifenden Armee, die über das
Land kommt (vgl. 5Mo 28,49-51; Jes 1,7; Jer 5,17 ; siehe auch den assyrischen
Text, der unter "Größere exegetische Schwierigkeiten" in der Einführung zu
finden ist). Die Worte nichts entkommt ihnen spielen vielleicht auf 2Mo 10,5.15
an.
Joe 2,4-5
Im Zusammenhang des Heuschreckenvergleiches wird die
angreifende Armee mit einem Heer (V. 5 b) verglichen, das aus Pferden, Reitern
und Streitwagen (V. 4 - 5 a) besteht. Dieser Vergleich wird durch drei Dinge
hervorgerufen: (1) Die Köpfe von Heuschrecken und die von Pferden sehen ähnlich
aus. Die deutsche und die italienische Bezeichnung für "Heuschrecke" lautet auch
"Heu-Pferd" bzw. "kleines Pferd" (Wolff, Joel and Amos , S. 45, Anm. 46; vgl.
auch Driver, The Books of Joel and Amos , S. 52). (2) Heuschreckenschwarm wie
menschliches Heer kommen schnell heran. (3) Die schwirrenden Heuschreckenflügel
erinnern an den Klang von Streitwagen (Berichte über die Geräusche eines
Heuschreckenschwarmes finden sich bei Driver, The Books of Joel and Amos , S.
52).
Nichts kann das eilige Herannahen der Angreifer
aufhalten. Sie scheinen über die Bergspitzen zu springen . Das hebräische Wort
für "springen über" ( rAqaD ) kann sowohl für fliegende Heuschrecken als auch
für schnelle Streitwagen benutzt werden (zu letzterem vgl. Nah 3,2 ,wo rAqaD mit
"rollen" übersetzt wird).
C. Der unnachgiebige Ansturm des Heeres Gottes
( 2,6 - 9 )
Joe 2,6
Die Reaktion auf dieses furchtbare Heer ist
weitverbreiteter Schrecken, denn Völker sind davon betroffen. In Furcht ( HUl )
meint gewöhnlich ein Krümmen vor Schmerzen, wie eine Frau, die bei einer Geburt
vom Schmerz überwältigt wird (vgl. HUl in Jes 26,17; Jer 4,31; Mi 4,10 ). Auch
an anderen Stellen, an denen der Herr zum Kampf kommt, ist dies die Reaktion der
Menschen (vgl. 2Mo 15,14; 5Mo 2,25; Ps 77,16; 97,4; Jes 13,8; Hab 3,10 ).
Joe 2,7-9
Erneut wird der unaufhaltsame Aufmarsch des Heeres betont
(vgl. V. 4 - 5 a). Wieder lassen sich die verwendeten Worte sowohl auf
Heuschrecken (vgl. Driver, The Books of Joel and Amos , S. 54f, und Keil, "Joel"
in Commentary on the Old Testament in Ten Volumes , 10;193, Anm. 1) als auch auf
eine wirkliche Armee beziehen. Beide kommen geordnet heran (V. 7 - 8 a),
durchbrechen die Verteidigungslinien (V. 8 b) und dringen in ummauerte Städte
und in Häuser ein. Wie auch anderswo in diesem Abschnitt (vgl. V. 6 ) scheint
Joel wieder auf 2Mo 10 anzuspielen.
D. Die Unbesiegbarkeit des Heeres Gottes
( 2,10 - 11 )
Joe 2,10-11
Das Herannahen des Heeres geht einher mit kosmischen
Katastrophen. Die ganze Welt, von der Erde bis in den Himmel hinauf, erzittert
(vgl. bebt und zittert ) vor dem gewaltigen Kriegsschrei des göttlichen
Befehlshabers. Diese kosmische Reaktion ist eine typische poetische Beschreibung
der Erscheinung Gottes als Kriegsherr (vgl. Ri 5,4; Ps 18,8; 77,19; Jes 13,13;
Joe 4,16 ). Die Verdunklung der Himmelskörper (vgl. Joe 2,2;3,3;4,15 ) ist ein
anderer charakteristischer Zug des Tages des Herrn (vgl. Jes 13,10; Hes 32,7;
Sach 14,6-7 ; siehe auch Jes 34,4 ). Der Prophet schließt mit einer rhetorischen
Frage ( Wer kann es ertragen? ), um zu zeigen, daß niemand diesen großen und
schrecklichen Tag ertragen kann (vgl. Mal 3,2; 4,5 ). Wenn das Heer in Joe
2,1-11 ein Heer in den Tagen Joels ist, dann ist es ein Hinweis auf das Heer aus
Kapitel 4 .
IV. Ein erneuter Ruf zur Umkehr
( 2,12 - 17 )
Angesichts einer solch großen, unbesiegbaren Armee ist
die einzige Hoffnung des Volkes, sofort ("auch jetzt noch", V. 12 ) zu Gott
umzukehren. Dieser Abschnitt enthält zwei ausdrückliche Appelle zur Umkehr (V.
12 - 14.15 - 17 ). Der erste endet mit einem motivierenden Gedanken (eingeleitet
durch "denn", V. 13 b. 14 ).
A. Ein Appell zur echten Herzensänderung
( 2,12 - 14 )
1. Der Appell
( 2,12 - 13 a)
Joe 2,12-13 a
Der Herr selbst ermahnt das Volk, wirklich ehrlich
umzukehren (vgl. mit deinem ganzen Herzen und zerreißt eure Herzen und nicht
eure Kleider) mit Fasten und Weinen und Klagen . Echte Buße ist das, was Gott
durch sein Gericht erreichen möchte (vgl. 5Mo 4,30; 30,1-2; Hos 3,4-5; Am 4,6-11
).
2. Die Motivation
( 2,13 b. 14 )
Joe 2,13 b
Wenn das Volk sein Verhältnis zu dem Herrn, seinem Gott,
wirklich erkennen und sein gnädiges Wesen verstehen würde, dann würde es
umkehren. Der Ausdruck "der Herr, dein Gott" war in Israel gut bekannt (er
erscheint allein in 5.Mose 263 mal) und stand für das Bundesverhältnis zwischen
Gott und dem Volk. Die Worte gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und
überfließend in Liebe ( HeseD , "treue Liebe") erinnern an 2Mo 34,6 (vgl. Neh
9,17; Ps 103,8; 143,8; Jon 4,2 ), wo nach der Sünde mit dem goldenen Kalb die
gleichen Worte der Erneuerung des Bundes vorausgehen. Weil Gott in seinem Wesen
gnädig ist, gereut ihn oft die Strafe , die er gesandt hat. Wieder wird an das
Geschehen im Zusammenhang mit dem goldenen Kalb erinnert. Damals hatte Mose den
Herrn gebeten, sich "gereuen" zu lassen und "das Unheil nicht zu bringen" (über
sein Volk; 2Mo 32,12 ). Gott hatte diese Bitte erhört.
Joe 2,14
Die Worte wer weiß zeigen die Souveränität Gottes in
dieser Sache (vgl. 1Sam 12,22; Jon 3,9 ). Selbst wenn das sündige Israel
umkehrt, kann es damit Gottes Gnade nicht herbeizwingen, so als hätte es diese
irgendwie in seiner Kontrolle und er müsse sie automatisch schenken. Es kann nur
darauf hoffen, daß er sich wendet und Erbarmen hat (vgl. Mal 3,7 ), indem er das
Unheil abwendet (vgl. Joe 2,20 ) und die Ernte wiederkommen läßt (vgl. V. 25 ).
Landwirtschaftlicher Segen wird ein Zeichen der Umkehr des Fluches sein, der
über das Volk gekommen ist (in Form der Heuschrecken; vgl. 5Mo 28,38-42 ). Dann
wird es wieder möglich sein, Korn und Trankopfer darzubringen (vgl. Joe 1,9.13
).
B. Ein Appell zur nationalen Beteiligung
( 2,15 - 17 )
Der zweite Teil dieses Aufrufes zur Umkehr ist ein Appell
an das ganze Volk zu einer öffentlichen Klage- und Gebetsveranstaltung.
Joe 2,15
Die einleitenden Worte in Vers 1, Blast die Posaune in
Zion , werden hier noch einmal wiederholt. Auf die Furcht und den Schrecken, den
die Posaune des Wächters hervorgerufen hat, (V. 1 ) soll nun ein anderer Ton des
Widderhornes folgen, dieses Mal ein Ruf an das Volk für ein heiliges Fasten und
eine heilige Versammlung (vgl. Joe 1,14 ). Durch das Blasen des Widderhornes
wurde auch zu religiösen Zusammenkünften gerufen (vgl. 3Mo 25,9; Ps 81,4 ).
Joe 2,16
Die gesamte Versammlung ( Gemeinde ) soll zusammenkommen,
von den Ältesten bis zu den Jüngsten ( den Säuglingen ). Nicht einmal
Neuvermählte sind ausgenommen (vgl. 5Mo 24,5 ).
Joe 2,17
Die Priester sollen die Feier leiten, indem sie vor dem
HERRN in dem Hof des Tempels (d. h. zwischen der Vorhalle und dem ehernen Altar
; vgl. Hes 8,16 ) weinen und indem sie ein Gebet um Befreiung sprechen.
Das Gebet soll eine zweifache Bitte enthalten: (a)
verschone ( HUs , "Erbarmen haben"; vgl. Jon 4,11 ,wo das gleiche Wort vorkommt)
und (b) mache nicht , eine Bitte, durch die Gott zum Handeln bewegt werden soll.
Es geht bei dieser zweiten Bitte um den Ruf Gottes. Wenn Israel, Gottes eigenes
Erbteil (vgl. 5Mo 4,20; 9,26.29; Ps 28,9; 33,12; 78,62.71; 79,1; 94,14; Mi
7,14.18 ), zum Objekt des Spottes wird (vgl. Joe 2,19 ), könnten die Völker
daraus schließen, daß er nicht genügend Macht und/oder Liebe hat, die zu retten,
die zu ihm gehören (vgl. 2Mo 32,12; 5Mo 9,26-29; Ps 79,4.10 ).
Die Übersetzung ein Sprichwort unter den Völkern ist zwar
nicht die einzig mögliche Übersetzung des hebräischen Textes (z. B. ist auch
denkbar: "daß die Heiden nicht über sie herrschen"), ist aber aufgrund der
poetischen Struktur des Verses wahrscheinlicher (vgl. den parallelen Ausdruck
"Objekt des Spottes"; siehe auch Jer 24,9 ).
V. Vergebung und Erneuerung
( 2,18 - 27 )
Dieser Abschnitt markiert einen Wendepunkt in der
Argumentationsweise des Buches. Er beschreibt die göttliche Antwort (V. 18 ) auf
die Umkehr des Volkes und berichtet die tröstenden Worte Gottes an sein Volk (V.
19 - 27 ). Die Folgen der Heuschreckenplage ( Joe 1 ) werden umgekehrt (siehe
bes. Joe 2,25 ) und die drohende Invasion (V. 1 - 11 ) abgewendet (V. 20 ).
Die göttliche Botschaft der Verse 19 - 27 zeigt die
folgende chiastische Struktur:
a. Vers 19
b. Vers 20a
c. Vers 20b-24
b 1 . Vers 25
a 1 . Vers 26-27
Die Teile a und a1 stehen miteinander in Zusammenhang, da
in beiden von einer Erneuerung der Ernte und einem Ende der Schmach die Rede
ist. Die Teile b und b1 sprechen beide von einer Auslöschung der Feinde (bzw.
deren Auswirkungen). Teil c schließlich enthält zwei Kreise (V. 20 b - 21 b. 21
c - 22-24 ), wobei in dem zweiten die drei Elemente des ersten wiederholt und/
oder erweitert werden (vgl. V. 20 b mit 21 c; V. 21 a mit V. 22 und V. 21 b mit
V. 23 - 24 ).
A. Die gnädige Reaktion Gottes wird beschrieben
( 2,18 )
Das Verhältnis zwischen Vers 18-19 a und dem
vorausgehenden Kontext ist schwierig. Einige Übersetzungen verwenden das Futur
("wird eifersüchtig sein" usw.) und verstehen diese Verse als eine Verheißung,
die von der positiven Antwort des Volkes auf den Ruf zur Umkehr in Vers 12-17
abhängig ist. Aber diese Interpretation der hebräischen Verbformen ist in diesem
Zusammenhang unwahrscheinlich (vgl. S. R. Driver, A Treatise on the Use of the
Tenses in Hebrew. 3. Ausg. Oxford: Clarendon Press 1892. S. 95; Keil, "Joel",
in: Commentary on the Old Testament in Ten Volumes , 10:200). Besser scheint es,
die Formen mit Vergangenheit zu übersetzen und den Text als eine Beschreibung
der Wendung Gottes zu seinem Volk in den Tagen Joels zu verstehen. Dies setzt
natürlich voraus, daß das Volk in positiver Weise auf den Appell aus Vers 12-17
geantwort hat (vgl. Allen, The Books of Joel, Obadiah, Jonah and Micah , S. 86).
Joe 2,18
Als Antwort auf diese echte Umkehr war der HERR
eifersüchtig auf sein Land und hatte Mitleid mit seinem Volk . Die Eifersucht
Gottes ist seine tiefe Treue gegen das, was ihm gehört, eine Treue, die ihn dazu
bringt, alles auszulöschen, was es vernichten würde (vgl. Jes 26,11; Hes 36,5-6;
38,19; Sach 1,14; 8,2 ). Hier geht es um den militärischen Schutz, der in Joe
2,20 beschrieben wird.
B. Gott verheißt den erneuten landwirtschaftlichen Segen
( 2,19 - 27 )
Joe 2,19-20 a
Die Verheißung Gottes beginnt mit der Ankündigung, daß
die landwirschaftliche Produktivität ( Korn, neuer Wein und Öl ), die durch die
Heuschrecken vernichtet worden war (vgl. Joe 1,10 ), wieder erneuert wird. Gott
sagt, daß sein Volk nie wieder zu einem Objekt des Spottes für die Völker werden
wird (vgl. Joe 2,17 ). Dies entspricht seiner Verheißung in Vers 26-27 , daß sie
"nicht wieder ... zuschanden" werden.
Diese scheinbar bedingungslose Verheißung ist schwierig
zu verstehen, wenn es in Vers 18 - 19 a um ein historisches Ereignis aus den
Tagen Joels geht. Ob man nun von einem vorexilischen oder einem nachexilischen
Datum für die Abfassung von Joel ausgeht, jedenfalls zeigt die Geschichte, daß
Israel auch nach den Tagen Joels oft wieder zum Gegenstand des Spottes wurde.
Wahrscheinlich sollte man zumindest diesen Aspekt der Verheißung in seiner
eigentlichen Erfüllung eschatologisch verstehen. In Joels Weissagung geht es um
die Zukunft Israels. Chronologische Sprünge, die man in der Rückschau sehr
leicht sieht, werden dabei nicht beachtet. Folglich vermischen sich
Weissagungen, die sich an seine eigene Generation richten, hier mit denen, die
noch erfüllt werden müssen. Dies ist bei den Propheten des Alten Testamentes
sehr häufig der Fall (vgl. z. B. Jes 9,6-7; 61,1-2; Sach 9,9-10 ).
Als nächstes kündigt der Herr an, daß die Gefahr, die in
Joe 2,1-11 beschrieben ist, abgewandt werden wird (V. 20 a). Er selbst wird sich
gegen das Heer stellen, das er gegen sein ungehorsames Volk heraufgeführt hat
(vgl. V. 11 ), und wird es in die Wüste ( ein dürres und wüstes Land ) und in
das Meer ( das östliche Meer und das westliche Meer ), vermutlich das Tote Meer
und das Mittelmeer (vgl. Sach 14,8 ), treiben.
Der Gestank der Leichen wird die Luft erfüllen. Wie in
Joe 2,1-11 läßt sich auch hier die Sprache, obwohl von einem wirklichen Heer die
Rede ist (vgl. Jes 34,3; Am 4,10 ), auf Heuschrecken anwenden. Augenzeugen
berichten, daß tote Heuschrecken, die ins Meer getrieben und dann an die Küste
gespült wurden, einen furchtbaren, faulen Gestank gaben (vgl. Driver, The Books
of Joel and Amos , S. 62f; Smith, The Book of the Twelve Prophets , 2:411).
Wie in der Einführung gezeigt, macht die Bezeichnung Heer
des Nordens (wörtl.: die Nördlichen) deutlich, daß es sich letztlich um eine
tatsächliche Armee handelt. Wenn diese Armee noch zukünftig (eschatologisch)
ist, handelt es sich vermutlich um das gleiche Heer, das auch in Joe 4,9.12; Dan
11,40 und Sach 14,2 erwähnt wird. Ist es dagegen nur ein Heer aus der
Geschichte, läßt sich aufgrund der Unsicherheit im Blick auf die Abfassungszeit
des Buches nichts Genaueres über seine Identifizierung aussagen. Es kann dann
also auch nicht gesagt werden, in welchem Maße sich Joe 2,20 in den Tagen Joels
erfüllt hat (wenn überhaupt). Wenn die Invasion, die in Joe 2,1-11 angedroht
worden war, noch nicht wirklich begonnen hat, muß sich Vers 20 nicht unbedingt
auf ein historisches Ereignis beziehen. Es könnte einfach eine sehr lebendige
und konkrete Art sein zu sagen, daß Gott die Zerstörung, die er geplant hat, im
letztem Augenblick verhindert hat.
Joe 2,20 - 21 b
Manche Übersetzungen verstehen die letzte Zeile aus Vers
20 als eine Aussage über den Herrn (vgl. V. 21 ; in diesem Fall wird k¯ als
emphatische Verstärkung angesehen: Sicherlich ). Andere verbinden diese Aussage
mit den vorhergehenden Worten und sehen das Heer als Subjekt an (z. B.: "Denn es
hat große Dinge getan"). Dann ginge es hier um den unverschämten Hochmut der
Angreifer (vgl. Jes 10,5-19 ,wo etwas Ähnliches gemeint ist). Dennoch scheint
die erste Übersetzung richtiger zu sein, besonders aufgrund des strukturellen
Aufbaues (vgl. die Anmerkung zu Joe 2,18-27 ).
In den ersten beiden Zeilen von Vers 21 wird das Land,
das seiner Erzeugungen beraubt wurde (vgl. Joe 1,10 ), personifiziert. Es soll
sich nicht länger fürchten, sondern fröhlich sein und sich freuen.
Joe 2,21-24 (Joe 2,21c-24)
Jedes der drei Elemente in Vers 20 b- 21 b wird in diesen
Versen noch einmal wiederholt und/oder erweitert. Die wiederholte Bekräftigung,
daß der HERR große Dinge getan hat, wird erläutert durch die Worte: fürchte dich
nicht (V. 22 ) und sei fröhlich und freue dich (V. 23 ).
Die erste Verheißung richtet sich an die wilden Tiere ,
die durch die Heuschreckeninvasion und die nachfolgende Dürre so sehr gelitten
haben (vgl. Joe 1,20 ). Die Folgen dieses Gerichtes werden nun vollständig
umgekehrt. Die offenen Weiden (vgl. Joe 1,19 ) werden wieder Gras und Vegetation
hervorbringen. Die Bäume und Weinstöcke werden wieder ihre Frucht bringen (vgl.
Joe 1,7.12.19 ).
Die zweite Verheißung ( Joe 2,23 ) ergeht an die Bewohner
von Zion (d. h. Jerusalem; vgl. V. 1 ), denen gesagt worden war, daß sie über
die Vernichtung, die durch die Heuschrecken gekommen war, klagen sollten (vgl.
Joe 1,5.8.11.13 ). Sie können sich nun "freuen", denn der Herr wird ihren
Feldern die Fruchtbarkeit zurückgeben. Wie in 5Mo 11,14 verheißen, werden
Herbst- und Frühlingsregen ohne Verzögerung kommen (im September/Oktober und im
März/April) und eine reiche Ernte gewährleisten.
Der Ausdruck, der mit ein Lehrer für Gerechtigkeit
übersetzt ist ( Joe 2,23 ), sollte besser "in Gerechtigkeit der Herbstregen"
wiedergegeben werden (vgl. Luther-Übers.; vgl. Allen, The Books of Joel,
Obadiah, Jonah and Micah , S. 92 f, Anm. 26; und Kapelrud, Joel Studies , S.
115). "Lehrer" mNreh ) wird weiter hinten im Vers mit "Herbst" übersetzt (vgl.
auch Ps 84,7 ). "Für Gerechtigkeit" bedeutet dann "entsprechend der
Gerechtigkeit" (d. h. in Übereinstimmung mit der Bundesverheißung, daß Gehorsam
durch landwirtschaftlichen Segen belohnt wird; siehe Kapelrud, Joel Studies , S.
116).
Die reiche Ernte wird sichtbar werden an den Tennen und
daran, daß Wein- und Ölkeltern überfließen ( Joe 2,24 ).
Joe 2,25-27
Vers 25 faßt das allgemeine Thema der Verse 19 - 24 noch
einmal zusammen. Die Folgen der Heuschrecken werden vollständig umgekehrt
werden. Als ob er durch eine gesetzliche Verpflichtung dazu genötigt wäre,
verheißt der Herr, daß er dem Volk zurückzahlen wird für die Ernte, die sein
großes Heer von Heuschrecken (vgl. Joe 1,4 ) vernichtet hat.
Die landwirtschaftliche Fülle ( Joe 2,26 a) wird die
Menschen dazu bringen, den Namen (d. h. den offenbarten Charakter) ihres
Bundesgottes zu loben, der Wunder für sie getan hat (V. 26 b). Dieser Ausdruck
ordnet die Erneuerung des landwirtschaftlichen Segens in den breiten Strom der
wundersamen historischen Taten Gottes zugunsten seines Volkes ein (vgl. 2Mo
3,15; 15,11; 34,10; Jos 3,5; Ri 6,13; Ps 77,15 ).
Das Volk wird seine aktive Gegenwart und seinen
rechtmäßigen Platz als sein Gott erkennen (erfahren ; Joe 2,27 ). Die Worte Ich
bin in Israel (wörtl.: "Ich bin in der Mitte Israels") erinnern an die fünf
Bücher Mose (Pentateuch), in denen immer wieder gesagt wird, daß Gott "unter"
(oder "inmitten") seines Volkes ist (vgl. 4Mo 11,20; 14,14; 5Mo 7,21 ). Auch der
häufige Ausdruck du wirst erkennen, daß ich der HERR, dein Gott, bin stammt aus
dem Pentateuch ( 2Mo 6,7; 16,12 ). Er steht in engem Zusammenhang mit dem
exklusiven Recht Gottes, Israels Gott zu sein ( es gibt keinen anderen ; vgl.
5Mo 4,35.39 ). Durch diese Anspielungen auf das frühere Verhältnis macht Gott
deutlich, daß seine Beziehung zu seinem Volk genauso lebendig ist, wie sie es in
den Tagen Moses war.
VI. Die Verheißung einer herrlichen Zukunft
( 3,1 - 4,21 )
Dieser letzte Abschnitt des Buches Joel entfaltet das
eschatologische Element der Verheißung Gottes (vgl. die Anmerkungen zu Joe
2,19-20 a; "nach diesem" in Joe 3,1 ; "an diesem Tag" in Joe 4,18 ). Die
Befreiung, die Joels Generation erlebte, ist eine Vorschattung jener Befreiung,
die einmal am Ende der Zeit kommen wird. Der Tag des Herrn, der durch die
Bußfertigkeit der Zeitgenossen Joels nur knapp abgewandt werden konnte, wird in
voller Macht gegen die Feinde des Volkes Gottes kommen (die vielleicht durch das
Heer des Nordens aus Joe 2,20 symbolisiert werden). Die Verheißungen von Joe
2,19-27 werden ihre letzte und eigentliche Erfüllung erfahren, wenn der Herr um
Israels willen eingreifen ( Joe 3,1-5 ), die Feinde des Volkes hart richten (
Joe 4,1-16 a. 19 ) und sein Volk sicher in seinem Land wohnen lassen wird ( Joe
4,1.16-18.20-21 ).
A. Die geistliche Erneuerung und Befreiung
( 3,1 - 5 )
Joe 3,1-2
Der Herr kündigt an, daß sein "Tag" (V. 4 ) von einer
Ausgießung seines Geistes über alles Fleisch begleitet sein wird. Der
nachfolgende Kontext macht deutlich, daß "alles Fleisch" sich genauer auf alle
Bewohner Judas bezieht (vgl. das dreifache eure in V. 1 und die parallelen
Stellen in Hes 39,29; Sach 12,10 ). Diese Geistausgießung wird ohne Rücksicht
auf Alter, Geschlecht oder soziale Stellung geschehen ( Joe 3,2 sollte übersetzt
werden: "und selbst auf die männlichen und weiblichen Sklaven").
Dann werden die Empfänger des Geistes Gottes prophetische
Gaben haben ( werden weissagen, werden Träume haben und werden Visionen sehen ),
die in der Vergangenheit nur einigen Wenigen geschenkt worden waren (vgl. 1Sam
10,10-11; 19,20-24 ). Vermutlich spielt dies auf 4Mo 11,29 an, wo Mose als
Antwort auf den fälschlichen Eifer Josuas nach der Geistausgießung auf die 72
Ältesten (vgl. 4Mo 11,24-28 ) sagt: "Ich wünschte, daß alle im Volk des Herrn
Propheten wären und daß der Herr seinen Geist auf sie ausgießen würde!" Diese
massive Ausgießung des Heiligen Geistes wird den Beginn einer göttlichen
Segenszeit markieren (im Gegensatz dazu siehe 1Sam 3,1 ,wo das Fehlen
prophetischer Visionen eine Zeit der Sünde und des Gerichtes charakterisiert).
Joe 3,3-4
Der große und schreckliche Tag des HERRN wird mit vielen
seltsamen Zeichen kommen ( Wundern ) des drohenden Gerichtes (vgl. V. 10 ; siehe
auch Hes 32,6-8 ,eine fast wörtliche Parallele). Blut und Feuer und Rauchwolken
sind Hinweise auf einen Krieg. Daß sich der Mond in Blut verwandelt, sagt auf
poetische Weise, daß er verdunkelt wird (vgl. die parallele Aussage Die Sonne
wird in Finsternis verwandelt werden und siehe Joe 2,10;4,15 ). Wenn diese
Zeichen auch für Gottes Feinde den Untergang andeuten, soll sein Volk sie
dennoch als Vorzeichen seiner Befreiung ansehen (vgl. Mt 24,29-31; Mk 13,24-27;
Lk 21,25-28 ).
Joe 3,5
Zu dieser Zeit des weltweiten Gerichtes wird jeder, der
den Namen des HERRN anruft, gerettet werden (d. h. aus der körperlichen Gefahr
befreit werden; vgl. die Anmerkungen zu Röm 11,26 ). "Jeder" bezieht sich hier
nicht auf alle Menschen, sondern auf das durch Gottes Geist bevollmächtigte Volk
Gottes, von dem in Joe 3,1-2 die Rede ist. In Rö. 10,13 bezieht Paulus diese
Stelle auf die Rettung von Heiden (und Juden), was für ihn jedoch nur eine
Analogie, nicht die Erfüllung von Joe 3,5 ist, wo nur von Israel gesprochen
wird.
Am Tag des Herrn wird Jerusalem zu einem Zufluchtsort
werden für die Überlebenden, die der HERR ruft . Dieser Überrest, mit dem der
Herr eine besondere Beziehung eingeht (zur Bedeutung des Wortes "rufen" hier
vgl. Jes 51,2 ), ist vermutlich gleichzusetzen mit der in Joe 3,1-2.5 a
genannten Gruppe (vgl. Wolff, Joel and Amos , S. 68f), obwohl einige Ausleger
(z. B. Driver, The Books of Joel and Amos , S. 68 f) darin die zurückgekehrten
Gefangenen aus dem Exil sehen.
An Pfingsten zitierte der Apostel Petrus diese Stelle aus
Joe 3,1-5 und bezog sie auf die Ausgießung des Heiligen Geistes (vgl. Apg
2,17-21 ). Seine einleitenden Worte (vgl. Apg 2,16 : "Dies ist, was durch den
Propheten Joel gesagt ist") könnten so verstanden werden, als würde er die
Weissagung Joels nun als ganz und gar erfüllt ansehen. Es ist jedoch
offensichtlich, daß die Ereignisse dieses Tages, obwohl sie sicher
außergewöhnlich waren, nicht völlig mit den durch Joel verheißenen
übereinstimmen.
Wenn man dieses Problem lösen will, muß man sehen, daß in
den frühen Kapiteln der Apostelgeschichte das Königreich noch einmal Israel
angeboten wurde. Petrus ermahnte die Menschen, umzukehren und so den verheißenen
Geist Gottes zu empfangen (vgl. Apg 2,38-39 ,wo er auf Joe 3,5 anspielt). Wenig
später spricht Petrus von einer "Zeit der Erneuerung" und der Wiederkunft
Christi als Folge der nationalen Umkehr (vgl. Apg 3,19-21 ). Erst später konnte
Petrus Gottes Plan für die Heiden im gegenwärtigen Zeitalter erfassen (vgl. Apg
10,44-48 ). Als er die Ausgießung des Geistes an Pfingsten sah, betrachtete er
sie zu Recht als den ersten Schritt in der Erfüllung der Verheißung Joels.
Offenbar glaubte er, daß das Königreich zu dieser Zeit Israel angeboten werde
und die Ausgießung des Heiligen Geistes den Beginn des Tausendjährigen Reiches
signalisiere. Aber wegen dem Unglauben Israels wurde die völlige Erfüllung
dieser Weissagung (sowohl im Blick auf die Verbreitung der Wirksamkeit des
Heiligen Geistes als auch auf andere Einzelheiten) aufgeschoben (weitere
Einzelheiten zu dieser Frage siehe die Anmerkungen zu Apg 2,16-21; 3,19-21 ).
B. Das Gericht über die Völker
( 4,1 - 16 )
1. Das Gericht wird angekündigt
( 4,1 - 8 )
Die Verse 1 - 8 sind eine Gerichtsrede gegen die Völker.
Wir finden in ihnen anklagende Elemente (V. 2 b - 3.5 - 6 ) und
Gerichtsankündigungen (V. 1 - 2 a. 4.7 - 8 ).
Joe 4,1-3
An dem zukünftigen Tag des Herrn wird zwischen Juda und
seinen Feinden sorgfältig unterschieden. Der Herr wird das Geschick von Juda und
Jerusalem wenden und so die Verheißung Moses erfüllen (vgl. 5Mo 30,3 ). Zur
selben Zeit wird Gott die Nationen zum Gericht versammeln.
Dieses Gericht wird im Tal Joschafat stattfinden. Diese
Information finden wir nur hier in Joe 4,2.12 . Ob es im damaligen Israel einen
geographischen Ort dieses Namens gab, wissen wir nicht sicher. Manche Ausleger
glauben, daß es sich um ein Tal handelt, das erst in der Zukunft durch das
Auseinanderbrechen des Ölberges bei der Wiederkunft Christi gebildet wird ( Sach
14,4 ). Jedenfalls liegt die Bedeutung dieses Tales nicht in seiner
geographischen Lage, sondern in seiner Bedeutung: "der Herr richtet".
Der Grund für dieses Gericht Gottes ist die Art und
Weise, wie sie das Bundesvolk Israel ( mein Erbteil ; vgl. die Anmerkungen zu
Joe 2,17 ), mein Volk , behandelt haben. Die Völker haben das Volk Gottes
zerstreut , es als Sklaven in ferne Länder verkauft und Gottes Land unter sich
aufgeteilt . "Zerstreut" (von pAzar , "verteilen") scheint sich auf das
babylonische Exil zu beziehen (vgl. Jer 50,17 ). Obwohl der Herr selbst das Land
den Feinden Israels gegeben hat (vgl. Kl 5,2; Mi 2,4 ), sind diese Völker
dennoch in seinen Augen schuldig, weil sie seine Autorität nicht anerkannt und
sein Volk so grausam behandelt haben.
Joe 4,4-6
In den Versen 4 - 8 spricht der Herr direkt zu den
Phöniziern ( Tyrus und Sidon ) und zu den Philistern, zwei Gruppen, die von dem
Untergang Judas wirtschaftlich sehr profitierten (vgl. Hes 25,15; 28,20-24 ).
Der Herr identifiziert sich mit seinem Volk (beachte das mich in Joe 4,4 ) und
spricht diesen Völkern jedes Recht für ihr Tun ab (dies wird durch die
rhetorische Frage in V. 4 deutlich).
Dann kündigt Gott an, daß er ihnen ihre Vergehen
heimzahlen wird (V. 4 b). Gemeint sind damit Diebstahl (V. 5 ) und Sklavenhandel
(V. 6 ). Da weder von den Phöniziern noch von den Philistern gesagt wird, daß
sie während der Zerstörung von Jerusalem die Tempelschätze geraubt haben (vgl.
2Kö 25 ), könnte sich Joe 4,5 auf Israels Reichtum allgemein beziehen, nicht auf
den Tempel (vgl. Wolff, Joel and Amos , S. 78).
Daß die Phönizier und die Philister Sklavenhandel
betrieben, wird auch an anderen Stellen gesagt (vgl. Am 1,6.9 ). Nach Kapelrud
handelt es sich bei den Griechen, von denen hier gesprochen wird, eigentlich um
Ionier ( y+wAnIm ), die die Küsten Kleinasiens bewohnten ( Joel Studies , S.
154). Der ionische Handel hatte seinen Höhepunkt im siebten und neunten
Jahrhundert v. Chr. Hes 27,13.19 erwähnt tyrische Handelsabkommen (auch
bezüglich Sklaven) mit Ionien (oder Griechenland). Der bei Joel erwähnte
Sklavenhandel könnte im Zusammenhang mit dem Fall Judas unter die Babylonier
gestanden haben.
Joe 4,7-8
Das göttliche Gericht über diese Völker wird ganz und gar
angemessen sein. Der Herr wird sein zerstreutes Volk kommen lassen und zu
Sklavenhändlern machen. Sie werden dann die Söhne und Töchter der Phönizier und
Philister als Sklaven an die Sabäer (vgl. Hi 1,13-15 ) verkaufen, ein arabisches
Volk, das für seinen Handel bekannt war (vgl. "Scheba" in Hes 27,22-23 ).
Das hier angedrohte Gericht wurde, mindestens teilweise,
im vierten Jahrhundert v. Chr. erfüllt. Allen erklärt: "Das Volk von Sidon wurde
durch Antiochus III. 345 v. Chr. in die Sklaverei verkauft, die Bewohner von
Tyrus und Gaza 332 v. Chr. durch Alexander." ( The Books of Joel, Obadiah, Jonah
and Micah , S. 114). Vielleicht waren auch Juden zum Teil bei diesem
Sklavenhandel beteiligt.
Im Zusammenhang (vgl. Joe 4,1 ) ist dieser Abschnitt aber
auch eschatologisch bedeutungsvoll und jede historische Erfüllung nur eine
Vorschattung. Eschatologisch gesehen sind die Philister und Phönizier
Stellvertreter für die Feinde Israels insgesamt (ähnlich wie Moab in Jes
25,10-12 und Edom im Buch Obadja). Einmal wird Israel die Oberherrschaft über
seine Feinde gewinnen (vgl. Jes 41,11-12; Am 9,12; Ob 1,15-21; Mi 7,16-17; Zeph
2,6-7 ).
2. Ein Aufruf zum Krieg: Das Gericht wird beschrieben
( 4,9 - 16 )
In diesem Abschnitt wird das Gericht über die Völker
beschrieben. Er besteht aus drei Unterabschnitten: (a) einem Aufruf an die
Teilnehmer (die Nationen und den Herrn), ihre Streitkräfte zu versammeln (V. 9 -
11 ), (b) einer Aussage des Herrn (V. 12 - 13 ) und (c) einer Beschreibung des
Kriegsplatzes (V. 14 - 16 ).
Joe 4,9-11
Nicht näher bezeichnete Boten sollen einen Aufruf zum
Krieg den Nationen (vgl. "alle Völker" in Jes 34,2; Ob 1,15; Zeph 14,2 )
überbringen. Die Völker sollen ihre Ackergeräte zu Waffen schmieden ( Joe 4,10 ;
eine Umkehrung von Jes 2,4; Mi 4,3 ) und sich zum Kampf versammeln ( Joe 3,11 a;
vgl. Sach 12,9 ). Der Herr wird aufgerufen, seine Krieger hinabzuführen .
Joe 4,12-13
Der Herr selbst wiederholt nun noch einmal die
Aufforderungen der vorhergehenden Verse und fordert die Nationen auf, in das Tal
Joschafat zu kommen (vgl. V. 2 ). Mit einem Bild aus der Landwirtschaft befiehlt
er dann seinen Kriegern, die Feinde zu vernichten. Der erste Befehl ( Schwingt
die Sichel, denn die Ernte ist reif ) vergleicht das Gericht vermutlich mit der
Kornernte (vgl. Jes 17,5; Offb 14,15 ). Der zweite ( Kommt, tretet die Trauben )
vergleicht die Vernichtung der Feinde mit der Behandlung von Trauben in einer
Kelter (vgl. Jes 63,1-6; Offb 14,18-20 ). Der Grund für das Ende der Nationen
ist, daß ihre Bosheit groß ist.
Diese Verse ( Joe 4,12-13 ) zeigen ganz deutlich, daß das
in diesem Kapitel erwähnte Gericht letztlich ein göttlicher Kampf gegen die
Feinde Israels ist. Das hier beschriebene Ereignis ist also vermutlich mit
Harmagedon gleichzusetzen (vgl. Offb 14,14-20; 16,16; 19,11-21 ), nicht mit dem
Gericht über die Nationen, das in Mt 25,31-46 vorausgesagt wird.
Joe 4,14-16
Eine unzählbare Schar wird in dem Tal der Entscheidung
(auch Tal Joschafat genannt, V. 2.12 ) versammelt sein. Hier wird das Urteil des
göttlichen Richters über die Nationen vollstreckt werden. Wie schon früher bei
Joel ( Joe 2,10;3,4 ) dient die Verdunklung der Himmelskörper ( Joe 4,15 ) als
Zeichen für den herannahenden Tag des HERRN (V. 14 ). Dann wird der Herr aus
seinem Heiligtum in Jerusalem kommen in großer Herrlichkeit (V. 16 ; vgl. Am 1,2
). Sein donnernder Schlachtruf (vgl. wird brüllen und donnern ) wird den Kosmos
durcheinanderwirbeln (vgl. Joe 2,10-11; Offb 16,16.18 ). Dann wird er beweisen,
daß er Israels Zuflucht (vgl. Ps 46,2; 62,8; Jes 25,4 ) und Burg (vgl. Ps 9,10;
18,3; 27,1; 37,39; 43,2; 144,2 ) ist.
C. Die schließliche Erneuerung Israels
( 4,17-21 )
Joe 4,17
Nach dieser furchtbaren Demonstration der göttlichen
Macht wird Israel erkennen ( wissen ), daß der Herr wahrhaftig unter ihm wohnt
(vgl. Joe 2,27 ). Jerusalem, wo das Heiligtum des Herrn steht ( mein heiliger
Berg ; vgl. die Anmerkungen zu Joe 2,1 ), wird heilig sein und niemals wieder
durch ausländische Eroberer entweiht werden (vgl. Jes 52,10-11; Nah 1,15 ).
Joe 4,18 a
Zu dieser Zeit ( an diesem Tag , wenn der Messias im
Tausendjährigen Reich über sein Volk herrscht), wird das Land zu einem
wirklichen Paradies werden, so daß Gottes Volk seinen landwirtschaftlichen Segen
in ganzer Fülle erleben wird. Die Traubenernte wird so reichlich sein, daß Wein
beinahe von den Bergen triefen wird. Milch wird ebenfalls im Überfluß vorhanden
sein. Auch dies ist ein Zeichen des Wohlstandes, denn Kanaan wurde als ein Land
beschrieben, "in dem Milch und Honig fließt" (vgl. die Anmerkungen zu 2Mo 3,8 ;
vgl. 2Mo 13,5; 33,3; 3Mo 20,24 ; siehe auch die Anmerkungen zu Jes 55,1 ). Die
von den Jahreszeiten abhängigen Ströme ( Bäche ) werden nicht mehr austrocknen.
Dieser Überfluß an Wein, Milch (was große Mengen an Vieh voraussetzt) und Wasser
ist eine völlige Umkehrung der Folgen der Heuschreckenplage (vgl. Joe 1,5.18.20
).
Joe 4,18 b
Eine Quelle wird aus dem Haus des HERRN , dem Tempel in
Jerusalem, fließen . Ein ähnliches Bild finden wir auch in Hes 47,1-12 und Sach
14,8 . Diese Quelle (und der Strom, der dadurch gebildet wird) wird eine
sichtbare Erinnerung dafür sein, daß der Herr die Quelle der Fruchtbarkeit des
Landes ist (vgl. Hes 47,8-10.12 ). Das Tal der Akazien ist vermutlich jener Teil
des Kidrontales, der durch die Wüste hin zum Toten Meer verläuft (vgl. Hes 47,8
).
Joe 4,19-20
Im Gegensatz zu dem von Gott geschenkten Überfluß von
Juda (V. 18 ) werden die Länder seiner Feinde (hier durch Ägypten und Edom
repräsentiert) unfruchtbar sein ( wüst und eine Einöde ). Der Grund für dieses
harte Gericht ialst die Mißhandlung, die sie dem Volk von Juda angetan haben.
Israels Feinde sind schuldig der Gewttat und des Vergießens von unschuldigem
Blut .
Wenn das Buch Joel im neunten Jahrhundert v. Chr.
geschrieben wurde, könnte sich die Erwähnung von Ägypten in Joe 4,19 auf dessen
Gewalttaten während der Invasion durch den ägyptischen Pharao Schischak beziehen
(ca. 926 v. Chr.; vgl. 1Kö 14,25-26 ). Wenn das Buch dagegen in der späten
vorexilischen oder in der nachexilischen Zeit abgefaßt wurde, könnte die
Invasion durch Pharao Necho II. im Blick sein (609 v. Chr.; vgl. 2Kö 23,29-35 ).
Auch Obadja spricht von den Sünden Edoms gegen das Volk Gottes (vgl. Ob 1,9-14
).
Die Sicherheit und der Wohlstand, die in Joe 4,17-18
beschrieben sind, werden niemals wieder unterbrochen werden. Juda und Jerusalem
werden für immer bewohnt sein (vgl. Hes 37,25; Am 9,15; Sach 14,11 ).
Joel
Joe 4,21
Dieser Vers hat unter Auslegern einige Schwierigkeiten
aufgeworfen. Manche Übersetzungen halten die erste Hälfte des Verses für eine
Erklärung, daß Juda vergeben werden wird ( Ich werde vergeben ). Dagegen spricht
jedoch, daß nirgendwo sonst im Buch Joel die Schuld des Blutvergießens auf Juda
bezogen wird. Besser ist die Übersetzung, die diese Stelle mit dem Gericht über
die Nationen (vgl. V. 19 ) verbindet (nach der LXX), indem sie den Herrn als
Rächer des Blutes Judas ansieht ("Ich werde ihr Blut rächen"). Eine weitere
Möglichkeit schließlich ist zu übersetzen: "Und soll ich ihr Blutvergießen [das
judäische Blut, das durch die Nationen vergossen wurde] unbestraft lassen? Ich
werde es nicht tun" (vgl. Allen, The Books of Joel, Obadiah, Jonah and Micah ,
S. 117; eine ähnliche rhetorische Frage und Antwort mit dem gleichen hebräischen
Verb, niqqCh , findet sich in Jer 25,29 ).
Das Buch endet mit einer Zusicherung der Gegenwart des
Herrn in Zion (vgl. Joe 3,17 ). Über allem anderen ist es diese Tatsache, die
die herrliche Zukunft des Volkes, wie sie in Vers 17 - 21 beschrieben ist,
sicherstellt.
Joel
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Übersetzt von Waldemar Janzen, S. Dean McBride, Jr., und Charles A. Muenchow,
Philadelphia