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Lieber Reto !
Ich kann Dein Anliegen sehr gut nachvollziehen, ob
es denn nicht besser ist, dass Charismatiker und Evangelikale den Ungläubigen
das Evangelium zu verkündigen als aufeinander loszugehen. Sollten wir nicht
besser einen "Waffenstillstand" ausrufen und eine "große Koalition aller
christlichen Gemeinden, Kirchen und Denominationen" bilden, um als Einheit der
Welt glaubwürdig das Evangelium verkündigen ? Als mich vor 15 Jahren meine
damalige ungläubige Arbeitskollegin fragte, weshalb es so viele verschiedene
Kirchen und Gemeinden gibt, war dies der Anlass, dass das Kämpfen um die Einheit
der Gläubigen für mich eine Vision wurde. Ich wurde ein Vorkämpfer dafür,
endlich die Auseinandersetzung zwischen den Charismatikern und Evanglikalen über
die Geistesgaben, das Zungenreden, usw. zu begraben und gemeinsam das Evangelium
der rettenden Gnade zu verkünden.
Aber was ist
das Evangelium, das wir verkündigen sollen ? Ist es wirklich nur Joh. 3;16,
dass Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen eigenen Sohn gesandt hat,
auf das alle, die an ihn glauben, ewiges Leben haben ? Kann man Lehre und
Evangelium wirklich trennen ? Der Herr Jesus sagte den Aposteln in Mt. 28:
"Machet zu Jüngern alle Völker ... und lehret sie alles, was ich euch geboten
habe". Wir können nicht zwischen "Grund-Evangelium" und Lehre trennen, denn die
Bibel tut es auch nicht. Auch dürfen wir Liebe und Lehre nicht nach dem Motto:
"Lehre trennt, Liebe eint" gegeneinander ausspielen, denn die biblische Liebe
freut sich u.a. auch an der Wahrheit (1. Kor 13). Es ist korrekt, dass Lehre
trennt, aber die göttliche Agape-Liebe trennt ebenso. Die Liebe liebt zwar den
Sünder, aber sie hasst die Sünde. Liebe ist kein "Schwamm drüber" bzw. "fünf
Gerade sein lassen", sondern sie will uns auf den Kurs Gottes bringen.
Was sollen wir nun von der "Großen Koalition aller
Gemeinden" halten ? In der Politik verhandeln die koalierenden Parteien ein
Regierungsprogramm, das Elemente aus dem Wahlprogrammen aller beteiligten
Parteien enthält. Während z.B. der SPD-Politiker am Liebsten das SPD-Programm
durchsetzen will, will der Grüne das Progamm seiner Partei durchsetzen. Am Ende
kommt nach zähem Ringen ein Regierungsprogramm heraus, mit dem sich am Ehesten
je nach Stimmenanteil beide Parteien wiederfinden. Müssen wir nun auch eine
solche Koalition bilden, die ähnlich einer politischen Koalition eine
systematische Theologie entwirft, die Elemente der Evangelikalen, Charismatiker,
Katholiken, usw. enthält ? Ist das dann die wahre christliche Lehre ? Leider
meinen viele Gläubige, dass das der Weg zur Einheit in Christus sei. Aber wir
haben es hier nicht mit politischen Programmen zu tun, sondern es geht um die
Wahrheit, um "alles, was der Herr Jesus uns geboten hat". Nun wird der
Charismatiker erwidern, wir sind anmaßend, wenn wir meinen, dass die Wahrheit
auf unserer Seite ist und nicht auf deren Seite. Sie verurteilen die
"Bühne-Gang", die nichts Besseres zu tun hat als den Leib Christi zu spalten.
Ja, auch für mich war Wolfgang Bühne der Repräsentant der Spalterei - bis ich
ihn erst einmal selbst kennengelernt habe.
"Was ist Wahrheit ?" fragte schon Pilatus, die
biblische Antwort gab der Herr Jesus in Joh. 14;6: "Ich bin der Weg, die
Wahrheit und das Leben, niemand kommt zm Vater als nur durch mich". So liegt die
Wahrheit erst einmal außerhalb von uns allen. Kein Mensch kann sagen, dass sein
Meinungsbild die Wahrheit vollkommen repräsentiert. Ich habe in meinem Leben
schon so viele verschiedene Sichtweisen und Meinungen vertreten, von denen ich
überzeugt war, dass das "Gottes Wort" ist, so dass ich heute nicht mehr so
vermessen sein möchte, dass das, was ich heute vertrete, nun der absolute
Wahrheit völlig entspricht. Meine Bibelkenntnis bzw. "subjektive Erkenntnis" ist
Stückwerk. Gewiss werde ich auch in der Zukunft bis an mein Lebensende immer
wieder Wahrheiten aus der Schrift entdecken, Aussagen, die ich bis dahin nie so
klar gesehen habe und werde auch in Zukunft meine Einstellungen und Meinungen
neu am Wort Gottes ausrichten müssen. Möge Gott mich und alle Leser des Artikels
davor bewahren zu meinen, dass das, was sie jetzt für richtig halten, die
biblische Wahrheit völlig abdeckt.
Was ist wichtig, was ist richtig ? Wir sind keine
Politiker, die um ein Regierungsprogramm ringen, sondern wir erheben den
Anspruch, Nachfolger des Herrn Jesus zu sein. Nennen wir uns "Christen", so sind
wir erst einmal Jünger des Herrn Jesus, die ihrem Meister folgen, wo er hingeht.
Demnach ist das, was unser Herr und Meister sagt, absolut verbindlich. Wir
gleichen somit nicht den Politikern, die ein Regierungsprogramm aushandeln,
welches ein Kompromiss der Wahlprogramme der an der Koalition beteiligten
Parteien ist. Man kann uns eher mit Studenten der Mathematik bzw. einer
experimentellen Naturwissenschaft vergleichen, die ihr Wissen in dem jeweiligen
Fach vermehren. Haben z.B. zwei Physikstudenten eine unterschiedliche Meinung
darüber, ob das spezifische Gewicht von Holz leichter als Öl ist, dann brauchen
sie nicht um einen Kompromiss zu ringen, sondern sie legen im Labor ein Stück
Holz in einen Behälter mit Öl. Auch in der Mathematik gibt es objektive, absolut
gültige Regeln, wie man "richtig" und "falsch" unterscheiden kann. Stellt jemand
eine mathematische Behauptung auf, so muss er sie beweisen.
Auch die Bibel, das Wort Gottes ist ein solcher
absoluter Maßstab. Sie teilt uns mit, wie der Herr Jesus über die ein oder
andere Sache denkt. Aus dem Wort Gottes können wir erfahren, was z.B. sich
hinter der "Geistestaufe" verbirgt, ob Zungenreden und Prophezeiungen noch Gaben
für die Gemeinde heute sind, usw. Es ist meiner Meinung nach nicht so schwer,
die biblische Wahrheit herauszufinden, es ist viel schwerer, aus der biblischen
Wahrheit die persönlichen Konsequenzen zu ziehen, wenn man falsch liegt. So
halte ich es um des Herrn und um der Wahrheit willen für notwendig, in Demut und
Liebe gemeinsam nach der Wahrheit zu ringen, auch wenn es wehtut. Es ist nicht
sinnvoll, eine Koalition der Gemeinderichtungen zu bilden, wenn der Herr Jesus
nicht Teil dieser Koalition ist. Auf dem Altar der Einheit darf die biblische
Wahrheit nicht geopfert werden !
Toleranz ist eine gute Eigenschaft, wenn sie von
uns fordert, den Andersdenkenden als Mensch anzunehmen und ihn aktiv zu lieben.
Wenn die Toleranz jedoch fordert, von uns erkannte biblische Wahrheiten zu
opfern, dann handeln wir gegen die Wahrheit und haben Gott nicht auf unserer
Seite. Gott ist in dieser Hinsicht nicht tolerant. Im Ringen um die Wahrheit ist
es einerseits wichtig, den anderen höher zu achten als sich selbst, aber auch
das Wort Gottes höher zu achten als unsere Meinungen. Lassen wir Gottes Wort zu
uns reden oder benutzen wir Gottes Wort, um unsere Meinungen zu bestätigen ?
Oder lassen wir es lieber links liegen, weil es konfrontiert und unserer
"Kuschel-Einheit" im Wege steht ?
Ich wäre froh, wir Evangelikale und Charismatiker
könnten uns gegenseitig stehen lassen und gemeinsam Reich Gottes bauen. Denn ich
kenne viele aufrichtige, eifrige und liebevolle Menschen aus der charismatischen
Bewegung. Die Bibel erlaubt uns jedoch nicht, "Evangelium" und "Lehre" zu
trennen, denn beides gehört zusammen. Sicherlich kann man auch errettet sein,
wenn man noch nicht alles aus der Bibel versteht, das tue ich auch nicht. Aber
als Jünger soll es unser Verlangen sein, mehr zu verstehen und im Wort zu
wachsen. Was ist wichtig, was ist richtig ? Alles aus dem Wort Gottes ist
wichtig und richtig. Wo Falsches gelehrt und praktiziert wird, da müssen wir
auch unsere Stimme erheben, nicht aus Rechthaberei, sondern in Demut und Liebe
und mit der Bereitschaft, selbst korrigiert zu werden.
Ist etwas dagegen einzuwenden, wenn sich z.B. bei
einer Bonnke-Veranstaltung in Afrika 50.000 Menschen bekehren ? Gewiss nicht,
doch ich hoffe, dass auch im Himmel 50.000 gezählt wurden. Die Berichte über
Erweckungen, Zeichen und Wundern sind um so beeindruckender, je weiter sie von
uns weg geschehen und sich somit der objektiven Nachprüfbarkeit entziehen. Nun
mag man mir gegenüber einwenden, "überkritisch" zu sein, aber leider habe ich
hierzu auch genug Anlass, weil viele Berichte maßlos übertrieben sind und sehr
schnell ungeprüft Dinge behauptet werden, die sich als nicht wahr herausstellen.
Leider wird meiner Erfahrung nach bei den Charismatikern viel übertrieben, ja
auch bewusst oder unbewusst gelogen. Darauf mit Beispielen hinzuweisen ist
meiner Ansicht nach nicht kleinkariert, sondern wir sollen uns zur
Wahrhaftigkeit ermutigen, weil Gott wahrhaftig ist.
Es ist auch nicht egal, ob wir uns nach der Gabe
des Zungenredens ausstrecken sollen oder nicht. Für den Pfingstler ist es
wesentlich, da jemand, der nicht in Zungen redet, seiner Lehre gemäß nicht mit
dem Geist getauft ist. Wenn aber das charismatische Zungenreden keine
Geistesgabe ist, was ist es dann ? Was sagen wir hierzu den Neubekehrten ?
Welche Stellung beziehen wir, wenn jemand behauptet, dass Gott zu ihm in einer
Vision geredet hat ? Während der Charismatiker aus der Vineyard-Bewegung
durchaus ein Reden Gottes dahinter vermutet, lehne ich Visionen als Reden Gottes
generell ab. Es können nicht zwei miteinander gehen, es sei denn, sie sind einig
miteinander.
Was ist wichtig, was ist richtig ? Die
charismatische Lehre zu den Geistesgaben und die Lehre der Evangelikalen hierzu
kann nicht gleichzeitig wahr sein, denn ansonsten widerspricht sich die Bibel
oder die echte Wahrheit kann man nicht herausfinden. Das würde den Glauben an
den Herrn Jesus und seinem Wort grundsätzlich in Frage stellen. Es ist nicht
gleichgültig, ob der in den charismatischen Bewegungen wirkende Geist der
heilige Geist ist oder nicht. Sowohl die positive als auch die negative Antwort
erfordert von uns Konsequenzen. Es ist auch nicht einerlei, ob ich meine Worte
so verkündige als hätte ich sie vom Thron Gottes empfangen und später stellen
sie sich als Irrtum heraus. Auf diese Weise wird Gott unglaubwürdig gemacht.
Wir können über die Wahrheit nicht verhandeln, weil
sie nicht uns gehört. Wir haben nicht das Recht zu bestimmen, was richtig und
was verkehrt ist, denn das hat Gott in der Bibel festgelegt. Auch haben wir
nicht das Recht, wichtige von unwichtigen Lehren zu trennen. Dem, was in der
Schrift steht haben wir zu folgen, nicht umsonst werden wir am Ende der Bibel
ermahnt, der Schrift weder etwas hinzuzufügen noch wegzutun. Aus diesem Grund
halte ich es nicht für sinnvoll, die Auseinandersetzung zu beenden, sondern
vielmehr sollen wir für den ein für alle Mal überlieferten Glauben kämpfen (Jud.
3), nicht gegeneinander, sondern in Achtung, Liebe und Respekt voreinander
gemeinsam um die biblische Wahrheit ringen.
Herzliche Grüße
Fritz Wolf