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Benedikt Peters, CH-Arbon    

    Eine schicksalshafte Umwälzung

 

Wir sind die Augen– und Ohrenzeugen einer großen Veränderung, ja, man muss sagen, einer Umwälzung, die sich in den letzten wenigen Jahrzehnten vollzogen hat. Die Älteren unter uns kamen zum Glauben und wuchsen als Christen mit einer Überzeugung auf, die ihnen so selbstverständlich war, wie der sonntägliche Gang zur Versammlung, nämlich:

Die Zeit der Apostel war eine besondere Zeit; die Apostel waren besondere Menschen; die Apostel hatten Vollmachten und Fähigkeiten, die nach ihnen in der Christenheit keiner mehr hatte.

Ohne, dass sie es bewusst wahrgenommen haben werden, waren sie damit gute Protestanten, Kinder der Reformation und reformatorisch Gläubige. Mit ihren Ansichten waren sie eins mit fast allen pietistisch oder biblizistisch, oder wie man seit dem 18. Jahrhundert in England sagte, evangelical, evangeliumsgemäß, denkenden Christen. Mit anderen Worten: Sie glaubten, was die Christen der ersten Jahrhunderte glaubten, was die Reformatoren glaubten und lehrten; sie glaubten, was man im Methodismus, im Baptismus, in der Gemeinschaftsbewegung und in der Brüderbewegung glaubte. Sie glaubten nicht, was die römische Kirche immer geglaubt und gelehrt hat:

Rom glaubt und lehrt, es habe immer eine Fortsetzung des apostolischen Dienstes und damit der apostolischen Vollmachten und Fähigkeiten gegeben. Die Kirche von Rom nennt das "apostolische Sukzession". An der Spitze der Kirche stehe immer jemand, der den Aposteln gleich sei; in der Kirche wirkten immer die gleichen Apostolischen Kräfte; die Kirche sei immer Empfängerin göttlich inspirierter Mitteilungen. Gottes Offenbarung sei bei Leibe nicht an ihr Ende gekommen.

Dass der Methodismus, der Baptismus und der Pietismus sich heute auch offen dem Glauben der Römischen Kirche nähert, ist ihnen bewusst. Ihnen ist auch bewusst, dass sie sich in ihrem Denken und Handeln immer mehr den Pfingstkirchen und den charismatischen Kirchen nähern. Hingegen, dass die Pfingstbewegung in diesem ihre ganze Identität begründenden Punkt immer Römisch gedacht hat, ist ihr wahrscheinlich nicht bewusst gewesen. Aber gerade das müssen wir deutlich sehen und deutlich sagen:

Der Glaube, dass die Zeichen und Wunder der apostolischen Zeit die christliche Kirche immer zieren solle, ist nicht apostolisch, sondern Römisch Katholisch.

So gesehen, ist es eine nachgerade unheimliche Entwicklung, die sich vor unseren Augen dartut: Mit zwingender innerer Folgerichtigkeit werden die Freikirchen gleichzeitig immer charismatischer und immer Römischer.

 

In dem Maße, wie sie mit der großen Hure liebäugeln, fordern sie, der Hure gleich, Zeichen und Wunder, Visionen und Inspirationen; in dem Maße, wie sie von ihrem Taumeltrank schon geschlürft haben, beten sie ihr Bekenntnis nach, dass man neben der Bibel jederzeit neue göttliche Offenbarungen erwarten müsse, dass der reformatorische Donnerkeil sola Scriptura nur eine Platzpatrone gewesen sei.  All das bedeutet, dass die Mehrheit der evangelischen oder evangelikalen oder protestantischen Christen heute in dieser Frage Römisch Katholisch denkt. Wer noch so urteilt, wie es die evangelischen und reformierten Christen seit Jahrhunderten taten, ist zum Außenseiter und vielen damit zum Ärgernis geworden.

 

1. Eine begriffliche Klarstellung

 

Wir und unsere Zuhörer müssen wissen, was wir meinen, wenn wir von "Wundern" reden.

 

a) Es gibt "Wunder" und "Wunder". Wir verwenden im Deutschen dieses Wort weitgehend so wie die hebräische und griechische Bibel. Diese und wir sagen "Wunder", und meinen dann Gottes Werke in der Schöpfung, in der Vorsehung und in der Erlösung. Im Zusammenhang von Zeugung und Geburt reden wir vom "Wunder des Lebens". So nennen wir auch schicksalshafte Fügungen, die manchmal sogar in die Geschichtsbücher eingehen wie "das Wunder von Dünkirchen" vom Mai/Juni 1940. Der Glaube sieht in solchen Werken und Fügungen die Hand Gottes und nennt sie daher mit den biblischen Autoren "Wunder", wie etwa Ps 139:15 (14). Diese Art von Wundern stehen bei den Christen nicht zur Debatte, hingegen das, was wir insonderheit "Wunder" nennen, nämlich außergewöhnliche Manifestationen der göttlichen Macht, direkte Eingriffe des Jenseits ins Diesseits, Werke, bei denen Gott den Gebrauch gewöhnlicher Mittel umgeht und geschehen lässt, was auf natürlichem Weg nicht erklärbar ist und nie beobachtet worden ist: "Noch nie haben wir derlei in Israel gesehen!" rufen die Menschen, nach dem der Herr den Gichtbrüchigen geheilt hat (Mk 2:12). Wenn jemand auf dem Wasser wandelt, dann ist das ein "Wunder", ein Mirakel, ein Zeichen. Gott trägt uns jeden Tag, nur nicht unmittelbar, sondern mittelbar, nämlich durch den Erdboden. Weil das aber mit solcher Zuverlässigkeit und Beständigkeit geschieht, nehmen wir das Wunder kaum noch zur Kenntnis, und der Ungläubige sieht es schon gar nicht. Wir erinnern uns erst an das Wunder, dass Gott alles und alle trägt, wenn Er einmal auf die gewöhnlichen Mittel verzichtet und jemand scheinbar schwerelos über den Elementen schwebt. Wenn wir im Folgenden von "Wundern" reden, dann meinen wir Geschehnisse von eben dieser auffälligen, ja, spektakulären Art.

 

Dann eine zweite Klarstellung:

 

b) Wem trauen wir die Wunder zu?

Alle sind der Überzeugung, dass Gott Wunder wirken kann und auch heute noch Wunder wirkt. Einige, oder genauer: immer mehr Christen sind der Überzeugung, dass Gott auch heute Menschen die Fähigkeit gibt, Wunder zu wirken. Das ist ein Streitpunkt, über den wir Klarheit bekommen müssen.

Wir glauben alle, dass Gott zu Zeiten gewissen Menschen die Fähigkeit gab, Wunder zu wirken, nämlich Mose, Elija und Elisa und den Aposteln. Immer mehr Christen glauben, dass Gott diese Fähigkeit zu allen Zeiten und damit auch heute noch den Gläubigen oder gewissen Gläubigen unter gewissen Umständen oder gemäß bestimmter Voraussetzungen (z. B. genügend Glauben) gibt.

 

c) Vier hebräische Wörter

Im Alten Testament werden vier Wörter für Gottes wunderbares und wunderhaftes Wirken verwendet: mofêt, niflâ', 'ôt und gebûrâh. Die beiden erstgenannten werden immer mit "Wunder" übersetzt und stehen sowohl für Gottes Werke der Schöpfung und der Vorsehung (Hi 37:14) als auch für Wunderwerke (5Mo 6:22). 'ôt wird immer mit "Zeichen" übersetzt (1Mo 1:14; 2Mo 4:8), und gebûrâh mit "Machttat" (5Mo 3:24; Ps 106:2).

 

d) Drei griechische Wörter

Im Neuen Testament werden die Ausdrücke "Zeichen" (sêmeion), "Wunder" (teras) und "Machttaten" (dynamis) verwendet; manchmal stehen sie alle drei nebeneinander (Apg 2:22; Heb 2:4). Das Wort "Zeichen" will besagen, dass man über das Geschehen hinaus blicken sollte, um etwas Höheres als das sichtbare Ereignis zu sehen. Das Wort "Wunder" besagt, dass etwas Außergewöhnliches und Staunenerregendes geschieht, und "Machttat" bedeutet, dass sich im Geschehen Gottes Macht in besonderer Weise entfaltet.

 

2. Vier populäre Irrtümer

 

a) Wunder seien in der Heilsgeschichte sehr häufig

Wunder sind heilsgeschichtlich im Gegenteil sehr selten. Der erste Mensch, von dem die Bibel berichtet, dass er Wunder wirkte, war Mose. Er lebte aber mindestens 2500 Jahre nach Adam. Nach Mose tat Josua einige Wunder, und dann geschahen während ganzer Generationen keine Wunder mehr. Nachdem sie vereinzelt bei einigen Richtern aufgetreten waren, geschahen sie erst wieder zur Zeit Elijas und Elisas in größerer Zahl. Die Schriftpropheten hatten offenbar nicht die Gewalt, Wunder zu tun. Es dauert bis zum Kommen des Sohnes Gottes, bis wiederum Zeichen und Wunder geschehen.

 

b) Wir könnten auch Wunder wirken, wenn wir genug glaubten

Das ist eine sehr verbreitete Meinung, die von der Bibel aber nicht gestützt wird. Die eben gemachte Beobachtung, dass Wunder selten waren, zeigt, dass zahlreiche Männer Gottes, die gewiss nicht glaubensschwach waren, keine Wunder wirkten. Heb 11:6 stellt uns Noah als einen der Glaubensvorbilder des Alten Testaments hin, und er hatte eine außerordentlich ernste Botschaft an seine Zeitgenossen zu richten. Aber er tat keine Wunder, ebensowenig Abraham, der Mann des Glaubens, auch David nicht, den Gott selbst einen Mann nach seinem Herzen nennt. In Mk 16:17 steht der oft zitierte Satz: "Diese Zeichen werden denen folgen, die glauben", und da meinen manche den Schriftbeweis für ihre Behauptung zu haben, es liege allein am Unglauben, wenn wir heute keine Zeichen und Wunder tun.

Eine einzige Frage des Apostels stellt die Torheit dieser Annahme bloß (in 1Kor 12:29): "Haben alle Wunderkräfte?" Wir wissen die Antwort. Calvin erklärte die Stelle sehr einleuchtend:

"So wie der Herr den Glauben Seines Evangeliums bekräftigt hatte durch die Wunder, die Er tat, so lange Er auf der Erde war, so reicht Er diese gleiche Kraft an die Nachkommenden weiter, damit die Jünger nicht dächten, dies sei an seine leibliche Gegenwart gebunden... Wir dürfen aber nicht denken, der Herr habe mit der Ausrüstung der Gläubigen mit dieser Gabe einen jeden einzelnen ausgerüstet, denn wir wissen, dass Seine Gaben verschieden verteilt wurden, so dass die Macht, Wunder zu tun, nur auf bestimmte Leute begrenzt war. Da aber alles, was Er einigen wenigen gab, der ganzen Kirche gehörte, und ein jedes Wunder alle stärkte, konnte Christus zu Recht die Glaubenden allgemein ansprechen... Es genügte zur Bestätigung des Zeugnisses von der Gottheit und Herrlichkeit Christi, dass nur einige wenige Gläubige mit dieser Kraft ausgestattet sein sollten."

 

c) Wunder seien dazu da, Menschen zum Glauben zu bringen

Wenn wir die Bibel auf diese Meinung hin untersuchen, stellen wir fest, dass sie niemanden zum Glauben brachten, dass sie nirgends sagt, Wunder seien dazu gegeben. Ich höre schon, wie einige protestieren, Gott habe doch dem Mose gesagt, und im Johannesevangelium heiße es doch, usw. Wir schlagen die entsprechenden Stellen auf und lesen sie, aber sorgfältig.

2Mo 4:1–5

"Und Mose antwortete und sprach: Aber siehe, sie werden mir nicht glauben und nicht auf meine Stimme hören; denn sie werden sagen: Jahwe ist dir nicht erschienen. Da sprach Jahwe zu ihm: Was ist das in deiner Hand? Und er sprach: Ein Stab. Und er sprach: Wirf ihn auf die Erde. Da warf er ihn auf die Erde, und er wurde zur Schlange; und Mose floh vor ihr. Und Jahwe sprach zu Mose: Strecke deine Hand aus und fasse sie beim Schwanze. Und er streckte seine Hand aus und ergriff sie, und sie wurde zum Stabe in seiner Hand-: auf daß sie glauben, daß Jahwe dir erschienen ist, der Gott ihrer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs."

Hier steht doch "auf dass sie glauben"! Beachten wir, was das Volk durch die Zeichen glauben soll: Dass Gott dem Mose erschienen ist. Die Zeichen sind nicht dazu da, Glauben an die Botschaft des Mose zu wirken. Die Zeichen vermögen keinen Glauben an Gott und Sein Erlösungswerk zu wirken. Diesen Glauben kann nur die Botschaft selbst wirken (siehe Rö 10:17), und dass das Volk zwar glaubte, dass Gott den Mose gesandt hatte, dass sie aber der Botschaft nicht glaubten, sagt uns Hebräer 4:2 ganz buchstäblich.

Der Pharao sah eine ganze Reihe von Zeichen, die Mose tat, die Mose eindeutig mit dem Gott Israels verknüpfte, die er ankündigte, bevor sie eintrafen, deren Folgen schlagartig aufhörten, als er auf die Bitte Pharaos hin zum Gott Israels betete. Stärkere Beweise kann man einem ungläubigen Herzen nicht liefern, und doch überwanden sie den Unglauben des Pharao nicht. Sein Herz verhärtete sich gegen Gottes Wort so lange, bis es hart geworden war wie ein Stein, und entsprechend sank der Pharao wie ein Stein in den Fluten des Gerichts (2Mo 15:5).
Und nun schlagen wir die zweite Stelle auf, die fast immer genannt wird, wenn man beweisen will, die Zeichen seien dazu da, den Unglauben im Menschenherzen zu überwinden und Glauben an Gott zu wecken.

 

Joh 20:30–31:

"Auch viele andere Zeichen hat nun zwar Jesus vor seinen Jüngern getan, die nicht in diesem Buche geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, auf daß ihr glaubet, daß Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und auf daß ihr glaubend Leben habet in seinem Namen." Nein, hier steht nicht, Jesus habe all diese Zeichen getan, damit wir glauben und durch den Glauben ewiges Leben haben. Hier steht vielmehr: Die sieben Zeichen, die Johannes aus den unzähligen Zeichen des Herrn aussuchte, sind im Johannesevangelium geschrieben, damit wir lesen und durch das Lesen dieses Wortes glauben und gerettet werden (Rö 10:17). Zahllose Menschen haben das Johannesevangelium gelesen, haben geglaubt und das Ewige Leben gefunden. Hingegen war das Ergebnis der Wunder auf die Augenzeugen dieser stupenden Werke des Sohnes Gottes eine durchschlagende Enttäuschung, wie Johannes ausdrücklich festhält:

"Wiewohl er aber so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie nicht an ihn" (Joh 12:37).

Johannes ist nicht der einzige, der solche Dinge überliefert hat. Im Lukasevangelium lesen wir etwas ganz Entsprechendes. Dort fasst der Herr die Wirkung von Wundern auf die Ungläubigen mit folgenden Worten zusammen:

"Er sprach aber zu ihm: Wenn sie Mose und die Propheten nicht hören, so werden sie auch nicht überzeugt werden, wenn jemand aus den Toten aufersteht" (Lk 16:31).

 

d) Wunder seien dazu da, den Glauben der Erlösten zu stärken

Sahen wir am Pharao die Wirkung der Wunder auf den Ungläubigen, sehen wir an den Israeliten die Wirkung der Wunder an den Erlösten. Sie hatten Gottes Wunder am Sinai gesehen, und doch vergaßen sie den Gott dieser Wunder (Ps 106:21; 2Mo 32:8). Die Jünger hatten alle Zeichen und Wunder gesehen, die der Herr tat, und doch waren ihre Herzen noch ungläubig, wie alle vier Evangelisten mit Nachdruck sagen (Mt 28:17, Mk 16:11,13,14; Lk 24:25,37,38; Joh 20:27).

 

3. Wozu waren die Wunder da?

 

a) Die Wunder waren Zeichen von Gottes Heilswirken

Die Wunder, die Gott durch Seine Boten tat, waren gleichzeitig Zeichen. Sie wiesen damit über sich hinaus auf etwas Größeres, auf etwas Ewiges. Es ist für Johannes typisch, dass er außer an einer Stelle die Wunder des Herrn stets "Zeichen", griechisch sêmeia, nennt. Aus Johannes 20:31 schließen wir, dass die Zeichen zweierlei demonstrierten, nämlich:

– die Identität Jesu: Er ist der Christus und der Sohn Gottes
– das ewige Leben: worin es besteht und wie man es erlangt.

Johannes 6 liefert uns den Belegtext. Der Herr hat die Brote gemehrt, also ein Zeichen getan. Er selbst sagt nun, dass dieses Wunder nicht das Entscheidende ist, vielmehr wolle das zeitlich begrenzte Wunder ein Wegweiser zu etwas Ewigem sein:

"Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr suchet mich, nicht weil ihr Zeichen gesehen, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und gesättigt worden seid.

Wirket nicht für die Speise, die vergeht, sondern für die Speise, die da bleibt ins ewige Leben, welche der Sohn des Menschen euch geben wird; denn diesen hat der Vater, Gott, versiegelt" (Joh 6:26,27).

Die gemehrten Brote, die die Menschen aßen und für einige Stunden sättigten, waren ein Zeichen dafür, dass Jesus das wahre Brot ist, das vom Himmel kommt und der Welt das ewige Leben gibt (6:33–35). Es ist kein Zufall, dass der Herr gerade im Anschluss an die wunderbare Mehrung der Brote sagt: "Ich bin das Brot des Lebens." Bevor Er den Blindgeborenen heilt, sagt Er: "Ich bin das Licht der Welt" (9:5). Wer an Ihn glaubt, wird wahrhaft sehend (siehe Off 22:4). Und vor dem Grab des Lazarus stehend, bezeugt Er: "Ich bin die Auferstehung und das Leben." Die Auferweckung des Lazarus war ein Zeichen, das auf diese großartige Wahrheit verwies: Wer an den Sohn Gottes glaubt, wird zu unverweslichem Leben auferstehen, und nicht lediglich wie Lazarus zu sterblichem Leben wiederkehren. Das Zeichen ist als solches von sehr begrenztem Wert. Was sind schon ein paar Brote, die einige hungrige Mäuler für kurze Zeit stopfen, wenn es dabei bleibt? Und was ist schon wiederhergestelltes Augenlicht, mit dem man einige Jahre diese eitle Welt sehen kann, wenn man eines Tages am Ort der Qual die Augen aufschlägt? Nein, die Zeichen wollten auf etwas viel Größeres verweisen, nämlich auf den Sohn Gottes und auf das Ewige Leben, das Er dem Glaubenden gibt.

Das Gleiche lässt sich von den Zeichen sagen, die Mose tat. Das Zeichen vom Stab, der zur Schlange und wieder zum Stab wird, und das Zeichen von der Hand, die aussätzig und wieder rein wird, illustriert jedesmal eine besondere Seite der Botschaft der Errettung, des Evangeliums (siehe Heb 4:2), das Mose verkündigte. Bibelkunde und Konkordanz geben uns den Schlüssel, die Zeichen mühelos zu entschlüsseln. Der Leser ist eingeladen, es für sich zu tun.

Jonathan Edwards:

"Zu den Wundern, die Christus tat, beachten wir ihre große Menge. Außer von einzelnen Fällen hören wir von großen Menschenmengen, die sich um Ihn drängten, und wie Er ihre Krankheiten heilte. Es waren Werke, die im Alten Testament als die besonderen Werke Gottes dargestellt werden; siehe die Stillung des stürmischen Meeres (Ps 107:29); das Wandeln auf dem Meer in einem Sturm (Hi 9:8); das Austreiben von Teufeln (Ps 74:14); das Speisen der Menschenmenge in der Wildnis (5Mo 8:16); das Nennen der Gedanken des Menschen (Am 4:13); das Auferwecken der Toten (Ps 68:20); das Öffnen der Augen der Blinden (Ps 146:8); das Heilen der Kranken (Ps 103:3); das Aufrichten der Niedergebeugten (Ps 146:8).
Die Zeichen waren Werke, welche Abbilder des großen Werkes waren, das an den Menschenherzen zu wirken Er gekommen war. Sie repräsentierten diese innere, geistliche Reinigung, Heilung, Erneuerung und Auferstehung, die allen Erlösten zuteil wird." (Edwards, Works, Bd I, S. 577)

 

 

 

 

b) Die Wunder sollten den Boten Gottes legitimieren

Prophetische und Apostolische Sendung sind mit den Wundern untrennbar verbunden. Wenn Wunder geschahen, dann war das der Beweis dafür, dass jemand von Gott gesandt war . Das zeigt sich an Mose, Elia, Jesus und den Aposteln.

Mose: 2Mo 4:1–5

Elia: 1Kö 18:23,24,36–39

Der Herr Jesus: Mt 11:2–5; 12:28; Apg 2:22

Paulus: 2Kor 12:12. Paulus nennt die Zeichen und Wunder, die er tat, "die Zeichen des Apostels" und sagte damit den Korinthern, dass diese Zeichen bewiesen, dass er ein von Gott gesandter Apostel war. Bekanntlich hatten einige in Korinth angefangen, die apostolische Autorität des Paulus in Frage zu stellen (wie 2Kor 3:1 deutlich zeigt). Es ist auch bemerkenswert, dass er nicht sagt, er werde kommen und Zeichen tun, um so den Widersprechenden den Mund zu stopfen. Nein, er verweist als hinlängliche Beglaubigung seiner Apostelschaft auf die Zeichen, die damals geschahen, als das Evangelium in Korinth eingeführt wurde.

 

c) Die Wunder sollten die göttliche Offenbarung legitimieren

Wir lesen in Hebräer 2:3,4 "Wie werden wir entfliehen, wenn wir eine so große Errettung vernachlässigen? Diese empfing den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn und wurde uns von denen bestätigt, die es gehört haben, indem Gott außerdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen."

Gott gab der neuen Offenbarung, die mit dem Herrn selbst ihren Anfang nahm und durch die Apostel bestätigt wurde, durch die Zeichen und Wunder Seine Beglaubigung (Mk 16:20; Apg 14:3).  Mit dem Dienst der Apostel wurde die Botschaft "bestätigt", oder besser: "festgemacht" (ebebaiôthê). Da sie seither fest ist, bedarf es der Zeichen und Wunder zu ihrer Beglaubigung nicht mehr.

 

d) Eine Analogie aus dem Alten Testament

Die Errettung aus Ägypten geschah mit allen Zeichen und Wundern nur einmal in dieser Weise. Nachdem die Errettung geschehen und die dazugehörige Offenbarung gegeben worden war, gab Gott nicht immer wieder Zeichen und Wunder. Vielmehr sollte Israel sich erstens an das geschriebene Gesetz halten und zweitens in der Passahfeier der großen Rettungstat Gottes gedenken.

Dass die Wunder neue Offenbarungen begleiteten, lehrten auch die Kirchenväter und später die Reformatoren und in ihrem Gefolge die Erweckungsprediger im 18. und 19. Jahrhundert:

Johannes Chrysostomos (347–407):

"Am Anfang gab der Heilige Geist die außerordentlichen Gaben sogar den Unwürdigen, denn damals waren sie nötig zur Bekräftigung der christlichen Lehre, aber jetzt werden sie nicht mehr gegeben, da die christlichen Lehre so befestigt ist, dass sie diese Stütze nicht nötig hat."

Martin Luther:

"Nun die Apostel das Wort gepredigt und uns ihre Schriften hinterlassen haben, bleibt nichts mehr, das geoffenbart werden müsste; keine neue Offenbarung und auch kein Wunder ist notwendig... Da wir diese gewissen Prophezeiungen besitzen, ein zuverlässiges Zeugnis der reinen Lehre, sind keine Wunder nötig, diese Lehre zu bekräftigen. Denn die nachfolgenden Zeichen wurden hauptsächlich gegeben, wie St. Markus am letzten sagt, um die neue Botschaft der Apostel zu bestätigen. Wir haben aber keine neue Lehre eingeführt; wir haben nur die alte Lehre der Apostel wiederhergestellt."

 

Johannes Calvin:

"Darin, dass sie (unsere Gegner) Wunder von uns fordern, sind sie unvernünftig; denn wir stellen kein neues Evangelium her, sondern wir halten an jenem Evangelium fest, dessen Wahrheit zu bestätigen alle jene Wunder gedient haben, die der Herr Jesus Christus und Seine Apostel je taten. Man könnte sagen, dass sie (unsere Gegner) uns gegenüber dieses als besonders Mehr besitzen, nämlich dass sie ihre Lehre durch beständige Wunder bekräftigen können, die bis heute geschehen... Wir sollten nicht vergessen, dass der Teufel seine Wunder hat, um die Einfältigen zu verführen... Paulus hat uns gewarnt, dass die Herrschaft des Antichristus mit aller Macht, mit Wundern und Zeichen der Lüge einhergehen werde (2Thes 2:9)." (Vorrede zur ersten Ausgabe der Institutio)

"Wir finden, dass fast alle Wunder, in welchem Zeitalter sie auch geschahen, als Siegel des Wortes Gottes dienen sollten. Um so abwegiger ist deshalb der Aberglaube der Papisten (der Papstgläubigen), die mit ihren erfundenen Wundern die Wahrheit Gottes abschwächen wollen." (Auslegung zu Heb 2:4)

Jonathan Edwards:

"Warum können wir uns nicht mit den lebendigen Aussprüchen Gottes begnügen, mit jenem heiligen und reinen Wort Gottes, welches wir in solcher Fülle und Klarheit besitzen, seit der Kanon abgeschlossen ist?" (Thoughts on Revival. Works, Bd. I, S. 404)

 

4. Eine zwingende Schlussfolgerung

 

War es nicht die Aufgabe der Zeichen und Wunder, Glauben zu wirken oder Glauben zu stärken, sondern den Boten Gottes und die Botschaft Gottes zu legitimieren, dann müssen wir uns zwei Fragen stellen: Erstens: Ist die Botschaft Gottes abgeschlossen? Zweitens: Ist die Offenbarung Gottes ist nicht abgeschlossen?

 

a) Die Botschaft Gottes ist abgeschlossen

Wenn Gottes Heilsoffenbarung vollendet ist, dann dürfen wir nicht damit rechnen, dass jetzt noch Menschen unter uns sind, die Gott befähigt, Zeichen und Wunder zu tun.

 

b) Die Botschaft Gottes ist nicht abgeschlossen

Wenn Gottes Heilsoffenbarung nicht vollendet ist, dann müssen wir damit rechnen, dass Gott heute noch Menschen befähigt, Zeichen und Wunder zu tun.

 

Wir können in dieser Sache nur zwischen a) und b) wählen. Über die sich daraus ergebende Konsequenz können wir nicht mehr befinden.

Es ist ganz unmöglich, einerseits zu glauben, die biblische Offenbarung sei abgeschlossen, und gleichzeitig zu glauben, es geschähen noch Weissagungen, Visionen, Träume, Zeichen und Wunder. Das versuchen einige, aber viele merken selbst, dass es nicht geht. Zu diesen gehört auch Peter Strauch, der Präses der Freien Evangelischen Gemeinden in Deutschland. Er mag nicht ausschließen, dass Gott heute noch gewissen Gläubigen die Fähigkeit gibt, Zeichen zu tun. Konsequenterweise hat er kürzlich bezeugt, dass er nicht mehr an einen abgeschlossenen Kanon glauben könne. Das ist zwar erschütternd, aber es ist immerhin konsequent.

Es ist die Konsequenz des Totschlägers, der das größere Verbrechen schon begangen hat, und nun die Leiche auch noch fleddert, bevor er sich davonmacht.

Was sagen uns die Apostel zu diesen beiden Fragen? Ist der Kanon abgeschlossen? Ist der Kanon offen?

 

5. Das biblische Zeugnis zum abgeschlossenen Kanon

 

Mit dem Kommen des Herrn erreichte Gottes Offenbarung ihren Höhepunkt und ihr Ende:

"Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohne" (Heb 1:1).

Darum sagt die Bibel, dass mit dem Kommen Christi das Ende der Zeitalter und die letzte Stunde gekommen ist (1Kor 10:; 1Joh 2:). Durch den Dienst und in den Schriften der Apostel wurde die Offenbarung in feste Form (siehe Rö 6:17; 2Tim 1:13) und auf ihr Vollmaß (Kol 1:25) gebracht und der Gemeinde für alle nachfolgenden Geschlechter als Richtschnur übergeben (2Pet 1:12–21). Im 1. Korintherbrief sagt Paulus noch: "Unsere Erkenntnis geschieht stückweise", und kündigt an, dass diese Art des Erkennens mit dem Eintreffen "des Vollkommenen" aufhören werde (1Kor 13:9,10). In seinen beiden letzten Schriften, den beiden Timotheusbriefen, verweist der Apostel immer wieder auf das anvertraute Gut (1Tim 6:20; 2Tim 1:14). Offenkundig hatte er seinem Schüler Timotheus die Glaubenslehre schon vollständig beigebracht und damit zum Bewahren und Weiterreichen (2Tim 2:2) übergeben. Im 2. Petrusbrief, den der Apostel kurz vor seinem Tod schrieb (siehe 1:14), verweist er darauf, dass Gott fortan nicht mehr durch direkte Inspiration, durch wunderhafte Stimmen und Zeugnisse zu seinem Volk sprechen werde wie ehedem (1:16–18), sondern durch das "prophetische Wort". Dieses Wort ist "befestigter" (1:19) als die durch besondere Offenbarungen gewährte stückweise Erkenntnis. Also auch Petrus deutet ein abgeschlossene Glaubenslehre an und gibt dann einen deutlichen Wink, wie wir diese fortan auszulegen haben (1:20,21). Es ist – und das kann nicht stark genug betont werden – nur möglich, die Bibel mit der Bibel auszulegen, wenn Gott uns durch die Apostel eine geschlossene Offenbarung übergeben hat. Judas spricht ebenfalls von einer ein für allemal überlieferten Glaubenslehre (Jud 3). Und Johannes schließlich sagt in jenem Buch, das den neutestamentlichen Kanon abschließt:

"Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand zu diesen Dingen hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in diesem Buche geschrieben sind; und wenn jemand von den Worten des Buches dieser Weissagung wegnimmt, so wird Gott sein Teil wegnehmen von dem Baume des Lebens und aus der heiligen Stadt, wovon in diesem Buche geschrieben ist" (Off 22:18-19).

Wenn das letzte Buch des Neuen Testaments auf diese Weise versiegelt ist, ist der ganze Kanon versiegelt. Jedes Hinzufügen zur biblischen Offenbarung ist ein Hinzufügen zu diesem einen Buch, und das hat Gott hier mit den stärksten Worten verboten.

Heinrich Bullinger (1504–1575):
Der Schweizer Reformator Bullinger führte das von Zwingli angefangene Werk nach dessen frühzeitigem Tod fort. Er verfasste das Zweite Helvetische Bekenntnis (Confessio Helvetica posterior), die dogmatische Grundlage der reformierten Kirche in der Eidgenossenschaft.

"In der Heiligen Schrift besitzt die ganze Kirche Christi eine vollständige Darstellung dessen, was immer zur rechten Belehrung über den seligmachenden Glauben und ein Gott wohlgefälliges Leben gehört. Deshalb wird von Gott deutlich verboten, etwas dazu oder davon zu tun (5Mo 4:2). Wir sind darum der Ansicht, dass man aus diesen Schriften die wahre Weisheit und Frömmigkeit, die Verbesserung und Leitung der Kirchen, die Unterweisung in allen Pflichten der Frömmigkeit und endlich den Beweis der Lehren und den Gegenbeweis oder die Widerlegung aller Irrtümer, aber auch alle Ermahnungen gewinnen müsse, nach jenem Apostelwort: "Jede von Gottes Geist eingegebene Schrift ist auch nütze zur Lehre, zur Überführung usw." (2Tim 3:16) ... Wenn also heute dieses Wort Gottes... verkündigt wird, glauben wir, dass Gottes Wort selbst verkündigt und von den Gläubigen vernommen werde, dass man aber auch kein anderes Wort Gottes erfinden oder vom Himmel her erwarten dürfe." (Das Zweite Helvetische Bekenntnis)

Was der historische Glaube der Baptisten war, zeigt ihr Londoner Bekenntnis von 1689:

"Der gesamte Ratschluss Gottes bezüglich aller Dinge, die notwendig sind zu Seiner Ehre, zu des Menschen Errettung, Glauben und Leben, ist entweder ausdrücklich niedergelegt oder notwendig enthalten in der Heiligen Schrift, zu der zu keiner Zeit etwas hinzuzufügen ist, sei es durch neue Offenbarungen des Geistes oder durch die Traditionen der Menschen." (1:6).

 

6. Das biblische Zeugnis zum Aufhören der Zeichen und Wunder

 

a) Die jährliche Passahfeier

Die jährliche Erinnerungsfeier des Auszugs aus Ägypten ist ein deutliches Zeugnis dafür, dass die Art von Zeichen, die damals geschahen, nicht für alle nachfolgenden Zeiten zu erwarten waren. Gott wollte, dass man sich der Errettung erinnere und Gott dafür danke; er wollte ganz sicher nicht, dass man immer neu nach den gleichen Wundertaten Ausschau halten sollte. Von Mose, dem Mann des Exodus, sagt der Epilog des 5. Mosebuches:

"Und es stand in Israel kein Prophet mehr auf wie Mose, welchen Jahwe gekannt hätte von Angesicht zu Angesicht, nach all den Zeichen und Wundern, die Jahwe ihn gesandt hatte zu tun im Lande Ägypten, an dem Pharao und an allen seinen Knechten und an seinem ganzen Lande; und nach all der starken Hand und nach all dem Großen und Furchtbaren, das Mose vor den Augen des ganzen Israel getan hat" (5Mo 34:10-12).

 

 

 

b) Die Ankündigung des Herrn Jesus

In Joh 14:12 kündigt der Herr geradezu Überwältigendes an:

"Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird auch die Werke tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, weil ich zum Vater gehe" (Joh 14:12).

Halten wir zunächst fest, dass die um den Herrn gescharten Jünger die vom Herrn angekündigten gleichen Werke taten wie Er: Sie heilten Kranke, sie weckten Tote auf, sie trieben Dämonen aus (Apg 3; 9; 16). Das bezweifelt kein Christ, und darüber wird auch nicht debattiert. Was aber bedeuten die hier vom Herrn versprochenen "größeren Werke", die die Jünger tun sollten und nach ihnen die Gläubigen allgemein? Man kann keine Wunder im Sinne der Zeichen des Herrn tun, die diese übertreffen. Sie waren so gewaltig, so klar und so überzeugend, sie lassen sich nicht überbieten.

Es wäre zudem ein Anwurf auf die Würde des Herrn, sollte man Seine Werke steigern und damit vervollkommnen können. Daher muss es sich um Werke anderer Art handeln als die Zeichen. Als der Herr Kranke heilte und Tote auferweckte, begegnete Er rein zeitlichen Nöten. Die Werke, die die Apostel und danach die Christen seit Pfingsten tun, begegnen den ewigen Bedürfnissen des Menschen. Sünder werden auf ewig vom Aussatz der Sünde gereinigt und werden zu unverweslichem Leben auferweckt (Eph 2:1–6). Wenn wir das Evangelium predigen, wirkt Gott durch Sein Wort Wunder, die größer sind als alles, was Er in der Schöpfung gewirkt hat. Als Er die Welten schuf, musste Er keinen Widerstand überwinden. Als Er die Erlösung wirkte, musste Er die ganze Macht Satans und des Todes niederringen, und jedesmal, wenn Er das Wunder der Errettung und Wiedergeburt wirkt, muss es außer dem Teufel auch die Sünde im Erlösten überwinden; Er muss ihn mit übernatürlicher Macht der Macht Satans entreißen, und Er muss  mit Seiner übernatürlichen Macht den Widerstand gegen das Wort des Heils niederringen.

 

c) Die Erfahrung des Apostels

In der Apostelgeschichte treten die Wunder anfänglich gehäuft auf und werden nachher immer spärlicher. Nachdem das Zeugnis der Apostel in Jerusalem verkündigt, von Gott beglaubigt, aber abgelehnt worden ist, geschehen dort keine Zeichen mehr. Paulus bleibt im Gefängnis und wird weder wie Petrus durch einen Engel noch wie einst in Philippi durch ein Erdbeben befreit (Kap 22). Er wird über einen Anschlag auf ganz gewöhnlichem Weg durch seinen Schwestersohn aufgeklärt, und Gott verwendet das gewöhnliche Mittel einer Schutzeinheit, um ihn aus Jerusalem in Sicherheit zu bringen (Kap 23). Den letzten historischen Bericht von Zeichen haben wir in Apg 28:3–9. Alle Indizien weisen darauf hin, dass die Zeit der Zeichen und Wunder dann anfing, an ihr Ende zu kommen. Paulus schrieb aus der römischen Haft den Philipperbrief (61 n. Chr.) Er berichtet vom Philipperchristen Epaphroditus, der bei seinem Besuch in Rom so krank geworden war, dass der Apostel gefürchtet hatte, er werde sterben. Phil 2:25–27 zeigen, wie hilflos Paulus gewesen und wie Gott sich seiner und des Kranken erbarmt hatte. Es fehlt jeder Hinweis auf die Kraft, ein Heilungswunder zu tun. Im Jahre 62 muss Paulus auf seiner letzten Reise in Kleinasien seinen Mitarbeiter Trophimus krank in Milet zurücklassen (2Tim 4:20). Er konnte ihn offensichtlich nicht heilen, gibt aber Timotheus einen Wink, ihm doch aus dem nahen Ephesus doch einen kleinen Krankenbesuch abzustatten. Das sind ganz normale Verhältnisse, wie wir sie bis zum heutigen Tag in den Gemeinden kennen. Ebenfalls der einfache medizinische Rat an Timotheus, sein Unwohlsein mit ein wenig Wein zu lindern (1Tim 5:23). Der Apostel wünscht, dass seinem geistlichen Kind geholfen werde, aber er kann ihm nicht versprechen, er werde ihn bei ihrem nächsten Wiedersehen heilen, noch kann er einen entsprechend begabten Bruder empfehlen. Dürfen wir annehmen, der Herr der Gemeinde habe inzwischen die Macht, Kranke zu heilen, zurückgezogen? Als Paulus zum ersten Mal in Ephesus war, tat er noch apostolische Zeichen und Wunder (Apg 19:11,12). Von dort schrieb er den 1. Korintherbrief (siehe 16:8) und spricht daher ganz passenderweise von der Geistesgabe der Heilung und der Wunderwerke. In keinem einzigen späteren Brief erwähnt er diese Gaben mehr. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Zeichengaben ihre heilsgeschichtliche Aufgabe erfüllt und inzwischen aufhört hatten.

In den späteren Briefen betont der Apostel um so stärker die Lehre. In den beiden Timotheusbriefen, seinen letzten Schriften, kommen die Wörter "Lehre" und "lehren" insgesamt 23mal vor. Angesichts von zunehmender Verführung weist der Apostel mit immer größerem Nachdruck zum geschriebenen Wort:

"Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig geschickt". (2Tim 3:16-17)

Hier sagt uns der scheidende Apostel, was die Diener des Herrn für alle Zeiten und für alle Situationen "völlig geschickt" macht, also vollkommen ausrüstet: Der rechte Umgang und die rechte Erkenntnis der Schrift. Er sagt nichts von Visionen, die der Christ in besonders schwieriger Zeit bräuchte, auch nichts von der Fähigkeit, Kranke zu heilen oder andere Zeichen zu tun. Er sagt vielmehr, dass die Schrift genügt. Daher solle Timotheus sich mit aller Entschiedenheit an die Schrift halten. Sie ist vollkommen und sie ist vollständig.

 

d) Das Zeugnis der apostolischen Schriften

Wie Paulus, so verweisen auch die anderen Apostel auf die geschriebene Offenbarung. Petrus erinnert daran, dass in den Tagen, da der Herr auf der Erde war, Visionen und Stimmen ihren Platz hatten, dass wir aber nun mehr das prophetische Wort besitzen, das uns so lange leuchtet, bis der Herr kommt (2Pet 1:16–19). Judas spricht nur noch von der Glaubenslehre (V. 3), vom Gebet und vom Warten auf das Kommen des Herrn (V. 20,21). In keinem der Sendschreiben findet sich Tadel oder Lob für vorhandene oder fehlende Wunder, Zeichen oder Visionen. Der Herr spricht stattdessen von Lehre, von Ausharren, von Bewahren des Wortes des Wahrheit als Ausdruck der Liebe zu ihm. Das sind offensichtlich die entscheidenden Dinge, nicht die Pflege von Geistesgaben und Krankenheilung und Wunderwirken. Warum spielen diese Dinge in keiner einzigen Auswertung der sieben Gemeinden eine Rolle? Müssen wir nicht annehmen, dass die Zeichen und Wunder aufgehört hatten?

 

e) Die Ankündigung des Vollkommenen

Wenn wir bedenken, dass Gott das Wort als Mittel erwählt hat, um Seine Heilsgedanken zu offenbaren, wenn wir an den Stellenwert denken, den das geschriebene Wort damit bekommt, erwarten wir fast, dass die Bibel selbst irgendwo sagt, dass die abgeschlossene Offenbarung tatsächlich "das Vollkommene" ist, wie das in 1Kor 13:10 der Fall ist.

Jonathan Edwards:

"Die gewöhnlichen heiligenden Wirkungen des Geistes Gottes sind Ziel und Zweck (the end) aller außergewöhnlichen Gaben, wie der Apostel in Eph. 4:11,12,13 zeigt. Sie sind nutzlos außer insofern, als sie diesem Zweck dienen... Dies ist, wie der Apostel bemerkt, der vorzüglichere Weg, auf dem Gott Seinen Geist Seiner Gemeinde mitteilt; es ist dies in allen Zeitaltern die grösste Herrlichkeit des Volkes Gottes. Diese Herrlichkeit ist es, welche die Gemeinde auf der Erde der Gemeinde im Himmel am ähnlichsten macht, wenn Weissagungen und Zungen und die andern Wundergaben aufgehört haben... Der Apostel spricht von diesen Gaben der direkten Eingebung (inspiration) als von Dingen, die kindisch sind im Vergleich mit den Wirkungen des Geistes in göttlicher Liebe;

Dingen, die der Gemeinde nur zur Stütze gegeben waren, so lange sie unmündig war, bis der Gemeinde eine vollständige und bestehende Regel und Führung (rule) aufgerichtet und alle gewöhnlichen Mittel der Gnade befestigt sein würden. Diese Dinge aber sollten aufhören, wenn die Gemeinde das Mannesalter erreicht haben würde. 1Kor 13:11...Wenn der Apostel in diesem Kapitel davon spricht, dass Weissagungen und Sprachen und Offenbarungen verschwinden und in der Gemeinde aufhören – dann, wenn die christliche Kirche vom Stande des unmündigen Kindes zum Stand des mündigen Mannes gelangen sollte –, dann bezieht er sich allem Anschein nach auf das Erreichen des mündigen Standes sowohl schon hier in der Welt als auch im Himmel..." (Works, Bd. 2, S. 274, 275)

 

7. Das Zeugnis der Kirchengeschichte

 

B. B. Warfield schreibt in seiner klassischen Studie über Zeichen und Wunder von den Tagen der Apostel bis zur Gegenwart:

"Es finden sich wenige oder gar keine Zeugnisse vom Wunderwirken in den ersten fünfzig Jahren der nachapostolischen Kirche. Sie sind geringfügig und unwichtig in den nächsten fünfzig Jahren; sie wachsen an während des 3. Jahrhunderts und sie werden erst im 4. Jahrhundert zahlreich und konkret, um schließlich im 5. Jahrhundert und danach noch zahlreicher zu werden" (Counterfeit Miracles, S. 10).

Mit Montanus von Phrygien tritt erstmals eine Bewegung auf, die bis zum heutigen Tag unter verschiedenen Namen wieder an die Oberfläche getreten ist. In der Reformationszeit waren es die Schwärmer, im puritanischen England die Quäker, im absolutistischen Frankreich die Camisarden und in der damaligen angelsächsischen Welt "die französischen Propheten", im 19. Jahrhundert die Irvingianer, seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Pfingstbewegung, und heute die charismatische Bewegung. Montanus wirkte gegen Ende des 2. Jahrhundert, rund hundert Jahre nach den Aposteln des Herrn.

Neben Montanus treten besonders zwei Frauen in Führung, Priska und Maximilla. Sie verlassen ihre Männer, weil Montanus im Blick auf das nahe Ende die Ehelosigkeit empfiehlt. Sie haben Visionen... schweben in der Luft (Elevation), verbunden mit Zungenreden... Es ist auffällig, dass der 'göttliche' Geist in der Ich-Form aus diesen Menschen spricht. Montanus sagt: Ich bin der Herr, der allmächtige Gott, der sich im Menschen aufhält... Ich bin der Vater und der Sohn und der Paraklet. (Richard Ising: Kräftige Irrtümer)

Vom 4. Jahrhundert an schwillt der Strom von Wunderberichten, von Visionen und von Heilungen stetig an, bis am Ende jedem Römisch Katholischen Heiligen die phantastischsten Zauberkünste angedichtet werden. Die Kirchenväter, die zwar von allerlei Wundern im Zusammenhang mit Reliquien berichten, wissen noch genau, dass die apostolischen Zeichen der Vergangenheit angehörten:

Johannes Chrysostomos (347–407):

"Dieser ganze Abschnitt ist sehr dunkel, aber die Dunkelheit beruht auf unserer Unkenntnis der hier genannten Dinge, da sie aufgehört haben. Sie kamen damals vor, aber geschehen heute nicht mehr" (Chrysostomos bezüglich der Geistesgaben in seinem Kommentar zu 1Kor 12:1,2).

 

 Aurelius Augustin (354–430):

"In der frühesten Zeit fiel der Heilige Geist auf sie und sie redeten in fremden Sprachen, die sie nicht gelernt hatten, so wie der Geist ihnen auszusprechen gab. Dies waren Zeichen, die zu jener Zeit passten. Denn es war notwendig, dass der Heilige Geist in allen Sprachen ein Zeichen gab, dass das Evangelium nun in allen Sprachen bis an die Enden der Erde laufen sollte. Das geschah als ein Zeichen, aber es ist nun längst entschwunden".

Mit wachsender zeitlicher Entfernung von den Aposteln wurde die Distanz zur Lehre der Apostel immer größer. Mit wachsendem Aberglauben nahmen die Wunderberichte zu, bis die Römische Kirche schließlich jener Hort des Wunderglaubens geworden war, die sie bis zum heutigen Tag geblieben ist. Visionen, Levitationen, Stigmatisierungen, Heilungen gehören zum Inventar eines jeden "Heiligen". In regelmäßigen Abständen hört man noch heute von Marienerscheinungen, wie jüngst im saarländischen Marpingen.

Die Reformatoren riefen die Christenheit zurück zum Wort. Das bedeutete: sie wiesen den Anspruch der apostolischen Sukzession zurück. Nicht irgendwelche bevollmächtigten Personen wie der Papst, und keine unfehlbare Kirche wie die Römische, sondern einzig die vollendete Offenbarung Gottes sei Licht und Lehrerin des Volkes Gottes. Die Reformatoren hielten allen vorgeblich göttlichen Stimmen, die durch einen selbsternannten Nachfolger der Apostel und durch die in seinem Sinn beweisführenden Visionen und Wunderberichte ertönten, das geschriebene Wort entgegen. Keine andere Stimme dürfe gehört werden als allein die der Heiligen Schrift: Die Menschen, die dem Ruf allein zur Schrift folgten und sich allein auf die Schrift gründeten, erfuhren: Hier redet Gott umfassend; hier redet Er ab-

schließend, und hier redet Er mit Gewalt.

Martin Luther:

 Die Ansprüche der Zwickauer Propheten, einer Gruppe von direkt–Inspirierten, wies der Reformator mit dem Wort ab:

"Gott lässt's bei Seinem Wort bleiben und will außerdem nicht mit uns handeln."

Luther hielt es für eine das Christentum charakterisierende Sache, dass sie in Gottes Wort eine umfassende, eine hinlängliche und eine vollständige Offenbarung besitzt, daher er sagte:

"Die Heiden haben die Zeichen, wir haben das Wort."

"So lang Jupiter, Mars, Apollo, Saturnus, etc. Juno, Diana, Pallas, Venus regierten, das ist, für Götter gehalten und geehret worden von den Heiden (die Jüden hatten auch ihre fremde Götzen und viel, denen sie dieneten), musste Christus anfänglich und hernach die Apostel viel leibliche Zeichen und Wunder tun, beide unter Jüden und Heiden, die Lehre vom Glauben an Ihn (Christum) zu bekräftigen, und aufzuheben und zu vertilgen alle falsche Lehre und Götzendienst. Das also dieselben Zeichen so lang im Schwang mussten gehen, bis die Lehre des Evangelii gepflanzet und angenommen, die Taufe und des Herrn Abendmahl seines wahren Leibs und Bluts angerichtet worden." (Tischreden).

Johannes Calvin:

"Obwohl Christus hier nicht genau sagt... ob diese Gabe der Kirche für immer bleiben sollte, so ist es wahrscheinlicher, dass sie nur für eine bestimmte Zeit verheißen waren... Wir sehen gewiss, dass der Gebrauch dieser Gaben nicht lange danach aufhörte..." (Kommentar zu Mk 16:17).

 

Jonathan Edwards:

"Ich will lieber nur eine Viertelstunde solches Wirken des Geistes an sich erfahren als das ganze Jahr prophetische Visionen und Offenbarungen zu haben. Ich kann nicht erkennen, dass heute irgendwelche Notwendigkeit für die außergewöhnlichen Gaben zur Verbreitung des Reiches Gottes in der ganzen Welt besteht; ich habe so viel von der Macht Gottes gesehen, wie sie auf eine weit herrlichere Weise wirkt, dass ich davon überzeugt bin, dass Gott ohne die außergewöhnlichen Gaben auskommt."

"Die außergewöhnlichen Gaben wurden zur Gründung und Aufrichtung der Gemeinde in der Welt gegeben. Aber seit der Kanon der Heiligen Schrift vollendet und die Christliche Kirche vollständig gegründet und aufgerichtet ist, haben diese außergewöhnlichen Gaben aufgehört." (Charity and its Fruits, S. 29)

George Whitefield schrieb in einem Brief im Jahre 1739:

"Denn der Teufel fängt an, das Werk Gottes nachzuahmen, und weil seine Drohungen nichts ausrichten, verstellt er sich jetzt als ein Engel des Lichts, um so noch wirksamer sein Ziel zu erreichen. Bruder - und Bruder - huldigen der Vorstellung, dass jetzt die Macht geschenkt werde, Wunder zu wirken und dass Christus jetzt komme, um die tausend Jahre auf der Erde zu regieren. Aber ach! welche Notwendigkeit besteht für Wunder wie die Heilung von kranken Leibern und die Wiederherstellung Blinder, wenn wir jeden Tag sehen, wie durch die Kraft des Wortes Gottes die weit grösseren Wunder geschehen? Werden denn nicht jetzt die geistlich Blinden sehend? Werden nicht die geistlich Toten auferweckt und die aussätzigen Seelen gereinigt, und wird nicht das Evangelium den Armen verkündigt? Wenn wir doch die Substanz dessen besitzen, die einzuführen solche Wunder nur gegeben wurden, warum sollten wir Gott versuchen, indem wir weitere Zeichen fordern?" (Whitefield, Letters, S. 50,51)

John Owen:

"Die Apostel hatten außergewöhnliche Gaben, denn sie waren berufen, ein außergewöhnliches Werk zu tun. Wir sind nur zu einem gewöhnlichen Werk berufen, weshalb der Geist uns mit gewöhnlichen Gaben ausstattet. Aber der Heilige Geist kann die gewöhnlichen Gaben so wirksam werden lassen wie die außergewöhnlichen. Es sind nicht Wunder, welche die Feindschaft im Herzen der Menschen entfernen und wahre Busse und Glauben einpflanzen, sondern das Erneuerung schaffende Wirken des Heiligen Geistes. Christus tat viele mächtige Wunder, und doch glaubten sie nicht an ihn (Joh. 12:37)" (Apostasy from the Gospel)

"Gaben, welche ihrer eigenen Natur gemäss das gesamte Vermögen unserer Anlagen übersteigen – diese Dispensation des Geistes hat längst aufgehört, und beanspruchte sie jemand heute, dann müsste er zu Recht als ein Schwärmer gelten." (Owen, Works, Bd. IV, 518)

 

Matthew Henry:

Der Puritaner Henry schrieb den seit dem 18. Jahrhundert bis heute meistgelesenen englischen Kommentar zu allen Büchern der Bibel. Er schrieb 1712 im Vorwort zu Bd. IV seines Bibelwerkes:

"Die Gabe des Zungenredens war eines der neuen Werke des Geistes der Weissagung, und sie wurde mit dem ganz besonderen Zweck gegeben, dass jetzt, da die jüdische Umzäunung niedergerissen war, alle Nationen in die Gemeinde eingeführt werden sollten.

Diese und andere Gaben der Weissagung haben, da es sich um Zeichen handelt, lange seither aufgehört und sind beiseitegelegt worden. Wir haben keine Ermunterung, ihr Aufleben zu erwarten, sondern werden ganz im Gegenteil dazu angeleitet, die Heiligen Schriften das befestigte Wort der Weissagung zu nennen, das gewisser ist als jede Stimme vom Himmel; und wir werden angeleitet, auf diese zu achten, sie zu erforschen und an ihnen festzuhalten, 2Pet 1:19."

John Gill:

 Der Bibelausleger John Gill war Baptist und dazu einer der fähigsten Hebraisten seiner Zeit. Er schreibt in seinem Kommentar zu 1Kor 12:29:

"Haben alle Wunderkräfte? Nein. In jener frühen Zeit, als die Gabe der Wunderkräfte gegeben wurde, hatten sie nicht alle, und heute besitzt sie gar niemand."

C. H. Spurgeon:

 Spurgeon kommentierte Berichte der Irvingianer, die apostolischen Wunder seien in der Kirche Christi wiederhergestellt worden, knapp und treffend: "Das ist der gähnende Abgrund des Fanatismus." Er äußerte sich einige Male zum Sinn der Zeichen und Wunder:

"Gewiss können wir keine Wunder tun, aber wir können die Werke tun, die die Kinder Gottes kennzeichnen. Wir können geistliche Wunder tun. Heute können wir vor dem Grab eines in Sünden toten Menschen stehen und sagen: 'Lazarus, komm heraus!' Und immer wieder erleben wir, wie Gott durch die Kraft des Heiligen Geistes auf unsere Predigt hin die Toten auferweckt."

"Die Apostel waren Männer, die als Zeugen erwählt wurden, weil sie den Retter persönlich gesehen hatten. Sie hatten ein Amt, das notwendigerweise aussterben musste, weil auch die Wunderkräfte aufhörten."
(Metropolitan Tabernacle Pulpit 1871, Bd .17, S. 178)

"Obwohl wir die Wunder nicht erwarten dürfen und auch nicht brauchen, die mit der Gabe des Heiligen Geistes kamen, da diese physischer Natur waren, dürfen wir das sowohl begehren als auch erwarten, worauf jene Wunderkräfte hinwiesen und was sie symbolisierten: Die geistlichen Wunder, die bis zum heutigen Tag unter uns geschehen." (Metr. Tab. Pulpit 1881, Bd. 27, S. 521)

"Die Werke des Heiligen Geistes, die gegenwärtig der Gemeinde Gottes gewährt werden, sind in jeder Beziehung jenen früheren Wundergaben gleichwertig, welche nicht mehr unter uns sind. Das Werk des Heiligen Geistes, durch das Menschen aus ihrem geistlichen Tod auferweckt werden, ist nicht geringer als jene Macht, durch welche die Menschen damals in Zungen redeten."
(Metr. Tab. Pulpit, 1884, Bd. 30, S. 386)

Spurgeon forderte selbsternannte Apostel offen heraus:

"Die Apostel hatten Vollmacht, besondere Werke zu tun. Aber wer seid ihr? Ihr nennt Euch deren Nachfolger?

Dann tut die gleichen Wunder, die sie taten: nehmt Schlangen auf, trinkt etwas Giftiges, ohne dass es Euch schadet; beweist uns, dass ihr den Herrn gesehen habt, und auch, dass gespaltene Zungen wie von Feuer sich auf eure Häupter gesenkt haben."

J. C. Ryle, anglikanischer Bibelausleger des 19. Jahrhunderts:

"Das Zeitalter der Wunder hat ohne allen Zweifel längst aufgehört. Es war nie Gottes Absicht, dass sie über die Zeit der Gründung der christlichen Kirche hinaus bleiben sollten.... Obwohl die Zeit der physikalischen Wunder vorbei ist... ist die Zeit der geistlichen Wunder nicht  vorbei. Glückselig, wer sagen kann: Ich war tot, aber ich lebe wieder; ich war blind, aber jetzt sehe ich." (Expository Thoughts on Mark, 1857)

J. N. Darby:

"Was die Zeichen betrifft, lesen wir, dass der Herr 'das Wort bestätigte durch die nachfolgenden Zeichen'. Mose wirkte Wunder, und auch Elija inmitten eines abgefallenen Israel. Aber das taten die anderen Propheten nicht. Jesaja und Jeremia wirkten keine Wunder, auch Johannes der Täufer nicht. Wenn Gott etwas Neues einführt, dann treten sie auf, denn die Sache musste durch ein deutliches Zeugnis für armselige Herzen bestätigt werden. Ich sehe keine Wiederherstellung der Wunder. Es wird am Ende vom Teufel gewirkte Wunder geben: Machttaten, Zeichen und Wunder der Lüge."

William Kelly:

"Wir fragen uns angesichts der biblischen Zeugnisse von Wundern: Warum geschehen heute keine Wunder? Niemand stellt Gottes Recht und Macht in Frage, zu tun, was Er will, und es ist möglich, dass Er gerade jetzt irgendwo Seine Hand ausstreckt und ein Naturgesetz aufhebt, um Seine Geliebten zu befreien. Aber ein solches Geschehen stellt kein öffentliches Zeugnis dar; denn der Heilige Geist ist jetzt in der Welt, um sie zu überführen, und zwar durch das Mittel Seines vollendeten und abgeschlossenen Wortes, und das könnte nicht einmal durch nachfolgende Zeichen wirksamer gemacht werden. Das Wort ist in sich mächtig, Bollwerke niederzureißen, und wenn eine widersprechende Welt dessen Kraft im Leben des Gläubigen sieht, und wenn es durch die Predigt bekannt gemacht wird, dann braucht es kein sinnliches Zeichen, um die Wahrheit Gottes zu bestätigen. Denn es ist offenkundig, dass ein Wunder der Gnade in einer jeden von Satans Macht geretteten Seele geschehen ist; und das Zeugnis von der vollständigen Genugsamkeit des Wortes Gottes als des Schwertes des Geistes würde nur geschwächt, geschähen jetzt Zeichen, die das Wort bestätigten. Wir können die alleinige Autorität des nun vollendeten Wortes Gottes, das durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist kräftig gemacht wird, nicht stark genug betonen. Es kommt der Tag, an dem der, der jetzt zurückhält, aus dem Wege sein wird, und dann wird die Welt den Antichristen anbeten, der Machttaten, Zeichen und Wunder wirken wird."

 

 

 

8. Die Wunder der Endzeit

 

Es werden in der Endzeit zwei Arten von Wundern geschehen: göttliche und Widergöttliche. Die widergöttlichen Wunder werden die Welt verführen; die göttlichen Wunder werden die Welt verurteilen.

 

a) Die endzeitlichen Zeichen und Wunder der Verführung

Der Herr kündigte an, dass die Endzeit eine Zeit zunehmender Verführung sein werde (Mt 24:4,5,11). Dabei werden Zeichen eine wichtige Rolle spielen:

"Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und werden große Zeichen und Wunder tun, um so, wenn möglich, auch die Auserwählten zu verführen" (Mt 24:24).

Der Apostel bestätigte die Weissagung des Herrn im 2. Thessalonicherbrief. Der Antichrist wird Zeichen und Wunder tun, um die Menschen zu verführen:

"Dessen Ankunft ist nach der Wirksamkeit des Satans, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge und in allem Betrug der Ungerechtigkeit denen, die verloren gehen, darum daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden" (2Thes 2:9-10).

Wir lesen im letzten Buch der Bibel, dass der falsche Prophet auftritt und durch Zeichen und Wunder die Menschen verführt:

"Es verführt, die auf der Erde wohnen wegen der Zeichen, welche vor dem Tiere zu tun ihm gegeben wurde, indem es die, welche auf der Erde wohnen, auffordert, ein Bild dem Tiere zu machen, das die Wunde des Schwertes hat und lebte" (Off 13:14).

"Es sind Geister von Dämonen, die Zeichen tun..." (Off 16:14).

 

b) Die endzeitlichen Zeichen und Wunder des Gerichts

In der Endzeit werden noch einmal göttlich gewirkte Wunder auftreten. Die beiden Zeugen von Offenbarung 11 werden die gleichen Zeichen wirken, die Mose und Elija wirkten: Sie verwandeln Wasser in Blut, sie werden die Erde mit allerlei Plagen schlagen, sie werden den Himmel verschließen, und Feuer wird von ihnen ausgehen und jeden verschlingen, der sie antasten will. Es fällt uns also auf: Es sind alles ohne Ausnahme Zeichen des Gerichts. Die endzeitlichen Zeichen sind damit alle Ausdruck von Gottes Missfallen, es sind Boten des herannahenden endgültigen Gerichts. Sie bringen alle Unheil und Tod. Wir sollten daher in der Endzeit nicht Zeichen der Heilung und Wiederherstellung erwarten. Es wird zwar Heilungswunder geben, aber nicht als göttliche, sondern als satanische Zeichen:

"Und ich sah einen seiner Köpfe wie zum Tode geschlachtet. Und seine Todeswunde wurde geheilt, und die ganze Erde verwunderte sich über das Tier. Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tiere die Gewalt gab, und sie beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tiere gleich? Und wer vermag mit ihm zu kämpfen?" (Off 13:3-4).