Home       Bibelkreis.ch

 

Mit freundlicher Genehmigung von D. Fleischhammel erhalten.

 

Die "Toronto-Bewegung"""

- ein neues Wirken des

Heiligen Geistes?

Detlev Fleischhammel

info@deflei.info

www.deflei.info

 

Manuskript eines Referates, das - um etwa 25% gekürzt - am 29.09.1995 im Rahmen der

Rüstwoche für Brüder

in der

Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Leipzig, Jacobstrasse 17 - 19,

vor Teilnehmern aus verschiedenen Brüdergemeinden gehalten wurde

Vervielfältigung - auch auszugsweise - nur mit Erlaubnis des Verfassers

Alle Rechte vorbehalten

1. Vorbemerkungen

"Moderne charismatische Strömungen" - so lautet der mir vorgegebene Titel dieses

Referats. Auch hier muß ich zunächst einmal sagen, daß ich etwas verwundert darüber bin,

daß gerade ich über dieses Thema sprechen soll. Ich versuche zwar seit annähernd 20

Jahren, die charismatische Bewegung und ihre Entwicklungen zu beobachten, aber es gibt

doch eine ganze Reihe Brüder, die darüber mit wesentlich mehr Wissen und Kompetenz

referieren könnten als ich.

Es gibt z.Zt. mehrere moderne charismatische Strömungen, z.B.

· die Prophetenbewegung

· die sogenannte "Geistliche Kriegführung"

· Reinhard Bonnkes Aktion "Vom Minus zum Plus"

· den sogenannten "Toronto-Segen"

Selbst in dem relativ großzügigen zeitlichen Rahmen von fast einer Stunde müßte ein

Versuch, alle diese vier genannten Bewegungen abzuhandeln, zwangsläufig ziemlich

oberflächlich ausfallen. Ich habe mich deshalb entschlossen, mich auf die letztgenannte

Erscheinung zu beschränken. Aber auch bei dieser Begrenzung des Themas halte ich es

für unmöglich, den sogenannten "Toronto-Segen" wirklich umfassend oder gar erschöpfend

darzustellen und zu beurteilen. Ich möchte aber über das Wesen, die Geschichte und die

Phänomene dieser Strömung informieren und dazu Stellung beziehen.

Seite 1 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Übrigens werde ich im Folgenden nicht den gängigen Ausdruck "Toronto-Segen"

gebrauchen, weil darin schon eine positive Wertung liegt, sondern ich werde neutraler von

der "Toronto-Bewegung" sprechen.

2. Informationsmaterial

Die übernatürlichen, ekstatischen Erscheinungen, die diese Strömung bekannt gemacht

haben, sind absolut nicht neu, wohl aber die Bewegung, die noch keine zwei Jahre alt ist.

Deshalb gibt es m.W. bisher zumindest in deutscher Sprache darüber erst zwei Bücher,

und zwar in schöner Ausgewogenheit je ein befürwortendes und ein kritisches.

Im vorigen Jahr erschien im Verlag Projektion J als Übersetzung aus dem Englischen das

Buch "Der Toronto-Segen" von Guy Chevreau (TS), der selbst begeisterter Anhänger

dieser Strömung ist. Wer sich über diese Bewegung informieren will, sollte Chevreaus

Abhandlung unbedingt lesen.

Erst seit Anfang dieses Monats erhältlich ist das Buch "Gottes umwerfender Segen" von

Jürgen Tibusek (GUS), herausgegeben vom Brunnen-Verlag. Es ist ebenfalls sehr

informativ, gut recherchiert und bemüht sich um ein differenziertes, aber doch klares, an

der Bibel orientiertes Urteil.

In der zweiten Auflage seines - übrigens sehr empfehlenswerten - Buches "Die Propheten

kommen" geht Wolfgang Bühne ebenfalls auf die TB ein.

Sehr viele Informationen bieten die beiden iden Nr. 27/94 und Nr. 10/95, die eine Fülle von

Stellungnahmen, Berichten, Interviews und Leserbriefen zum Thema enthalten. Sie wollen

dem Leser helfen, sich zu informieren und sich selbst ein Urteil zu bilden. Sie enthalten u.a.

auch viel Material, das auch in anderen Publikationen veröffentlicht worden ist, so z.B. die

Analysen von Ulrich Skambraks in seiner Zeitschrift "TOPIC".

Außerdem gibt es einen Videofilm von einer Veranstaltung in der Berliner "Gemeinde auf

dem Weg" (Pastor Dr. Wolfhard Margies), in der der argentinische Pfingstprediger Claudio

Freidzon, eine der Schlüsselfiguren der TB, auftritt. Dort kann man die typischen

Erscheinungen des sogenannten TS beobachten.

3. Die Bezeichnung "Toronto-Segen"

Guy Chevreau schreibt das Urheberrecht auf diese Bezeichnung englischen Pastoren und

Gemeindeleitern zu, die in Toronto diese Phänomene erlebt und in ihre Heimat gebracht

haben (TS 33). In dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck, daß diese Bewegung von der

kanadischen Stadt Toronto ausgeht und daß ihre Anhänger sie als ein segensreiches

Wirken Gottes betrachten.

4. Entstehung, Phänomene und Hintergründe der TB

4.1 Die Entstehung

Die Bewegung hat ihren Ursprung in einer anfänglich kleinen charismatischen Gemeinde,

die sich in der Nähe des Flughafens von Toronto versammelt. Als Beginn wird allgemein

der 20. Januar 1994 betrachtet. An diesem Tag sprach dort ein Gastredner namens Randy

Clark, Pastor einer Gemeinde derselben Denomination in St. Louis, Missouri (USA). Der

Ortspastor John Arnott berichtet über diese Veranstaltung:

Seite 2 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

In dem Prozeß fiel der Geist Gottes auf uns, und Menschen wurden wirklich mit Freude

erfüllt. (GUS 18)

Näheres konnte ich über den Verlauf dieser Veranstaltung nicht in Erfahrung bringen. Aber

seitdem finden in dieser Gemeinde jeden Abend außer montags solche Versammlungen

statt. Bis zum 1. September 1994 sollen nach angeblich vorsichtigen Schätzungen bereits

insgesamt 90.000 Menschen daran teilgenommen haben, davon über 4.000 Pastoren und

Gemeindeleiter mit ihren Frauen, die nicht nur aus Nordamerika, sondern auch aus

verschiedenen Ländern aller Kontinente kamen (TS 26).

Schon im Frühjahr schwappte die Welle nach Deutschland über, wo sie vor allem in Berlin

und im Rhein-Main-Gebiet ihren Anfang nahm.

4.2 Die Phänomene

Verschiedene Menschen erleben den sog. TS natürlich unterschiedlich, obwohl es sehr

deutliche Übereinstimmungen in den Erfahrungsberichten gibt. Als ein typisches Beispiel

lese ich jetzt einmal auszugsweise das Zeugnis einer Frau namens Belma Vardy:

Am Sonntag, den 23. Januar, begleitete ich nachmittags eine Freundin zur Airport-

Gemeinde. Der Zweck dieses Besuchs war es, einen Brief dort abzugeben, und als wir

ankamen, empfing uns ein unerwarteter Anblick. Der Gottesdienst war zwar offensichtlich

vorbei, aber einige Leute rollten auf dem Boden herum und lachten dabei hysterisch. Ich

setzte mich hinten in den Gemeindesaal und beobachtete das Geschehen aus sicherer

Entfernung.

Ich dachte: "Das kann einfach nicht echt sein; diese Leute wollen ja nur Aufmerksamkeit

auf sich lenken!" Als ich Carol Arnott, die Frau des Pastors, lachend am Boden liegen sah,

war ich schockiert und entsetzt über ihr Verhalten. Ich fand es total würdelos. ...

Ich stand direkt an der Tür und wollte gerade gehen, als jemand auf mich zukam und mich

fragte, ob schon für mich gebetet worden sei. Ich verneinte die Frage und dachte dabei:

"Fürbitte kann ich eigentlich immer gut gebrauchen. Wenn das hier von dir ist, Gott, dann

will ich das annehmen, was du für mich bereithältst. Wenn es nicht von dir ist, Gott, dann

verschone mich damit." Im nächsten Moment standen auch schon ungefähr zehn Leute um

mich herum. Als sie anfingen, für mich zu beten, spürte ich, wie mein Gesicht von einem

Wärmegefühl durchdrungen wurde. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich das Gesicht des

Herrn unmittelbar vor meinem Gesicht, und mir war, als werde ich ganz langsam von seiner

Liebe erfüllt.

Sie berichtet dann, daß sie immer noch Zweifel daran hatte, daß dieses Erlebnis von Gott

war. Doch dann bemerkte sie positive geistliche Veränderungen an sich. Das überzeugte

sie restlos davon, daß das, was in diesen Veranstaltungen geschah, auf Gottes Wirken

beruhte. Am 22. März besuchte sie wieder eine solche Versammlung und nahm diesmal

eine Freundin mit. Sie berichtet weiter:

Wie immer, war das Programm großartig. Als Pastor John die Ankündigungen gab, merkte

ich, wie ein Freund, der links von mir saß, sonderbare Geräusche von sich gab und leichte

Zuckbewegungen machte. Ich hatte den Eindruck, als wolle er ein Lachen unterdrücken.

So hatte ich ihn noch nie erlebt; sein Verhalten schien ihm selbst peinlich zu sein. Ich

machte meine Freundin auf ihn aufmerksam. Zu unserer beider Überraschung brach er in

Hysterie aus. Wir begriffen nicht, was mit ihm los war. Urplötzlich war uns, als öffne sich

der Himmel und schüttete auch auf uns einen Eimer voller Gelächter aus. Wir waren restlos

übermannt und kreischten vor Lachen. So sehr wir uns auch bemühten, wir konnten

Seite 3 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

einfach nicht aufhören - wir waren vollkommen machtlos dagegen. Meine Freundin fiel

seitlich hin, und ich fiel mit dem Kopf auf ihre Hüfte, total "undamenhaft". Wir versuchten,

uns wieder hinzusetzen und die Beherrschung wiederzugewinnen, aber vergeblich. Kaum

saßen wir wieder, als wir erneut hinfielen. Als ich mich an einem Stuhl hochziehen wollte,

landete ich zwischen zwei Stuhlreihen auf dem Boden. Meine Freundin lag quer über den

Plätzen und kroch wie ein Wurm auf ihnen entlang; dabei lachte sie hysterisch und

versuchte, von mir wegzukommen. Immer, wenn wir einander berührten, fing das

unbezähmbare hysterische Lachen wieder an, bis wir schließlich so laut keuchten und

lachten, daß wir die Veranstaltung störten. ...

Am Ende des Abends verließen wir das Gebäude buchstäblich auf Händen und Knien. Das

war uns überhaupt nicht peinlich; es war uns völlig egal, welch einen Anblick wir abgaben

und welche Geräusche wir dabei machten. Außerdem schien jedermann es vollkommen

normal zu finden ...

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich unwahrscheinlich von der

Gegenwart Gottes erfüllt. Ich fühlte mich erfrischt und verspürte eine tiefere Liebe zu

meinem himmlischen Vater. Meine Freundin und ich beschlossen, an diesem Abend wieder

zur Airport-Gemeinde zu gehen - aber diesmal in Skihosen!

Vor der Veranstaltung hatte ich zu dem Herrn gesagt: "Ganz egal, was nötig ist, um mich

zu ändern und dir ähnlicher zu werden, Herr: ich bin offen dafür. Ich gehöre dir." Pastor

John rief mich nach vorn, um von dem zu berichten, was Gott am Abend zuvor in mir getan

hatte. Dies kam völlig unerwartet, und ich konnte nicht sprechen. Ich öffnete den Mund,

aber ich brachte kein Wort zustande. Fünf Minuten stand ich so da, und dann brach das

Lachen wieder aus. Das Gebetsteam betete für mich, und ich fiel zu Boden, ohne auch nur

berührt worden zu sein.

Drei Stunden lag sie völlig bewegungsunfähig am Boden und verließ in dieser Zeit

angeblich ihren Körper, um mit Jesus Hand in Hand u.a. durch das "Wasser des Lebens"

zu gehen, von dem die Offb. berichtet. Als Ergebnis dieses Erlebnisses wurde sie von einer

unheilbaren Krankheit geheilt. (TS 130ff)

Wie die meisten Besucher entsprechender Veranstaltungen, haben diese beiden Frauen

nur einen kleinen Teil des großen Spektrums an körperlichen Phänomenen erlebt:

hysterisches Gelächter, zu Boden fallen, Sprachstörungen und Bewegungsunfähigkeit. Zu

dem, was die Befürworter als "Manifestationen des Heiligen Geistes" bezeichnen, gehört

noch viel mehr: die Betroffenen

· fallen um (meist auf den Rücken)

· rollen krampfhaft auf dem Boden herum

· sind bewegungsunfähig

· sind unfähig, zu sprechen (oder können nur stammeln)

· springen auf der Stelle auf und nieder

· riechen angeblich die Gegenwart Gottes (selten)

· weinen

Seite 4 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

· lachen hysterisch

· zucken

· zittern

· brüllen wie Tiere

· schreien

· stöhnen wie bei einer Geburt

· schütteln sich

· ihre Augenlider flattern

· husten

· geraten in Verzückung

· sind wie betrunken

· werden von Krankheiten geheilt

Einige dieser Erscheinungen möchte ich nun durch weitere Beispiele erläutern.

4.2.1 Sie fallen um

Jürgen Tibusek schildert, wie er dieses Phänomen als Gast im "Christlichen Zentrum"

Frankfurt/Main erlebt hat (GUS 11): Nach der Begrüßung und einem Anbetungsteil mit

Zeugnissen geht ein Mann zu Boden, nachdem er von einer ähnlichen Erfahrung berichtet

hat und daraufhin von Mitarbeitern unter Handauflegung gesegnet wird.

Er "ruht etwa 30 Minuten auf dem Boden und kommt dann irgendwann während des

Schulungsvortrags mit einem weltabwesenden Lächeln zurück an seinen Platz." (GUS 11)

Nach dem Vortrag werden die Besucher aufgefordert, nach vorne zu kommen.

"Praktisch alle, für die gebetet wird, fallen um. Bei einigen geht es schnell, andere bleiben

ziemlich lange stehen. Öfter kommt es vor, daß jemand umfällt, wieder aufsteht, wiederum

ein Segensgebet empfängt und erneut zu Boden geht." (GUS 11)

Es geschieht allerdings auch, daß Menschen umfallen, ohne daß über ihnen gebetet wird,

und sogar außerhalb entsprechender Veranstaltungen. Ein Pastorenehepaar berichtet, was

nach seiner Rückkehr aus Toronto in seiner Heimatgemeinde geschah:

Als wir am Samstagnachmittag ... wieder in Fort Wayne waren und zum Büro gingen,

probte gerade eins von unseren Musikteams im Gemeindesaal. Wir steckten die Köpfe zur

Tür herein, um "Hallo" zu sagen, und der Heilige Geist kam über das Team; die Leute

lagen lachend und weinend am Boden. Schließlich gingen wir, damit sie mit der Probe

weitermachen konnten. (TS 115, vgl. 124)

4.2.2 Sie sind unfähig, zu sprechen (oder können nur stammeln)

Seite 5 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Ein Pastor aus den USA war zunächst ohne seine Frau nach Toronto gereist. Er rief sie

mehrmals von dort an und versuchte, ihr von seinen wunderbaren Erfahrungen zu

berichten, aber von einem Anruf zum anderen fiel ihm das Sprechen immer schwerer. Er

weinte immer wieder, stotterte und machte lange Pausen zwischen den Silben.

Seine beunruhigte Frau flog daraufhin ebenfalls nach Toronto. Kurz, nachdem sie ihn vor

dem Beginn eines Abendgottesdienst wiedergesehen hatte, fiel er wieder zu Boden.

Ich war total fassungslos. Wir hoben Ron auf und setzten ihn auf einen Stuhl, und als der

Gottesdienst gerade anfing, stieß er mich an, zeigte mit dem Finger in mein Gesicht und

sagte (so gut es ging): "R-u-f n-e-u-n-h-u-n-d-e-r-t-e-l-f a-a-n" (Unter 911 ist in den meisten

Gegenden Nordamerikas der Notrufdienst zu erreichen; Anm. d. Übers.) Sein Gesicht war

von Angst und Entsetzen gezeichnet." (TS 118)

Dieser Zustand hielt mehrere Tage an, und in dieser Zeit bat Ron immer wieder darum,

jemand möge 911 anrufen. (TS 119)

4.2.3 Sie sind bewegungsunfähig

Eine Frau berichtet von ihrem Erleben in einer von der TB erfaßten Gemeinde in London

u.a. Folgendes:

Ich wollte mir die Tränen aus dem Gesicht wischen. Aber ich konnte meine Arme nicht zum

Gesicht bewegen." (id 27/94 S. 3)

4.2.4 Sie zittern

Die Frau des Pastors, der tagelang kaum sprechen konnte, wurde auch von der TB

ergriffen; bei ihr äußerte sich dies durch

z.B. Zittern, Zittern und wieder Zittern - ein Baptistenprediger, der zusah, wie ich zitternd für

andere betete, meinte: "Ist doch prima, daß in der Vineyard-Gemeinde auch Behinderte

den Dienst tun dürfen!" TS 119

4.2.5 Sie brüllen wie Tiere

Terry Bone, ein amerikanischer Pfingstprediger, schildert seine diesbezügliche Erfahrung

so:

Als die Männer aber nun leise für mich beteten, zeigte der Herr mir einen Bereich in

meinem Leben, der noch von meinem "Ich" beherrscht wurde. Daraufhin spürte ich ein

unerwartetes, geistgewirktes "Brüllen" in mir aufsteigen. Es wurde immer stärker, bis ich

ihm schließlich mit meiner Stimme Ausdruck geben mußte. Als ich dies tat, spürte ich, wie

Jesus, der "Löwe Judas", in mir war, um die Macht der Sünde buchstäblich aus mir zu

verjagen und seinen gerechten Zorn über die verbleibende Gefangenschaft meiner Seele

hören zu lassen." (TS 138)

Ähnliches widerfuhr einem Missionarssohn:

Diese Kraft hat nun enorm zugenommen, und Gott hat sie prophetisch manifestiert, indem

er mich wie einen Löwen brüllen ließ. Als ich auf die Fürbitte des Gebetsteams hin zum

erstenmal wie ein Löwe brüllte, spürte ich eine Welle der löwenartigen Kraft, was ein

ausgesprochen schönes Gefühl war. Ich schien die Unbesiegbarkeit Christi zu spüren.

Seite 6 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Verbunden mit diesem Bewußtsein der Kraft Christi spürte ich auch seinen Zorn auf seine

Feinde und ein Wissen um deren bevorstehenden Untergang. (TS 142)

Auch Knurren und Krähen sollen vorkommen. Alexander Seibel, der als scharfer Kritiker

der Pfingstbewegung und der Charismatischen Bewegung bekannt ist, berichtete in einer

Stellungnahme zur TB in idea-spektrum (id 27/94, S. 6; vgl. die Stellungnahme des

britischen Charismatikers J. Keith T. Parker in id 10/95, S. 29, mittlere Spalte):

Ein Mann krähte wie ein Hahn, und die Auslegung dazu lautete: "Der Herr sagt: 'Ein neuer

Tag beginnt'."

4.2.6 Sie sind wie betrunken

Ich komme hier noch einmal auf Ron Allen zurück, den Pastor, der so unter den

angeblichen "Manifestationen des Heiligen Geistes" litt, daß er tagelang stammelnd darum

bat, jemand möge doch den Notdienst rufen. Er schildert sein Erlebnis so:

Ich fühlte mich wie ein Betrunkener und benahm mich auch entsprechend. Bis auf ein paar

kurze, rätselhafte Sätze konnte ich nicht reden. Ich kann mich nur an wenig erinnern, und

die Schilderungen über mein Verhalten möchte ich am liebsten nicht glauben! (TS 115)

Jürgen Tibusek stellt in diesem Zusammenhang fest:

Tatsache ist jedoch, daß es nicht selten vorkommt, daß Besucher von

Segnungsgottesdiensten aufgrund von Lachanfällen oder Erscheinungen der "Trunkenheit

im Geist" ihr Fahrzeug anhalten mußten, weil sie unfähig zum Weiterfahren waren. (GUS

109)

4.2.7 Sie werden von Krankheiten geheilt

Ein dreizehnjähriges Mädchen litt unter Legasthenie. Als sie nach Toronto kam und

diesbezüglich über ihr gebetet wurde,

fiel sie zu Boden und lag sehr still da. Später erzählte sie uns, Engel hätten sie am Gehirn

operiert. Sie hörte, wie Gott den Engeln Anweisungen gab, und man sagte ihr, sie solle

stillhalten, weil "diese Operation sehr schwierig ist". Heather berichtete auch, einer der

weiblichen Engel sei so "aufgedreht" gewesen, daß er anfing, mit Heathers Gehirn zu

spielen, und Gott habe ihn zur Ruhe rufen müssen: "Dies ist sehr ernst und nicht die

richtige Zeit zum Spielen." (Heather fand das sehr lustig.) Ihr war, als läge sie auf einem

kalten Operationstisch, und zum Schluß sah sie eine Vision von sich selbst, wie sie für

andere Freunde mit Legasthenie betete. (TS 127)

Seitdem soll Heather das Lernen sehr viel leichter fallen; z.B. sollen die typischen

Schreibfehler von Legasthenikern bei ihr nicht mehr vorkommen.

Die meisten dieser Erscheinungen sind nicht neu. Neu ist lediglich - und das macht

eigentlich zumindest einen Großteil des Wesens der TB aus -, daß diese Dinge als

Massenphänomene auftreten, und zwar in den von der Bewegung erfaßten Gemeinden so

gut wie in jeder Versammlung.

Wie kam es dazu?

4.3 Die Hintergründe

Seite 7 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Hier sind eine Reihe von Personen zu nennen und zu beschreiben, die sozusagen

Schlüsselfiguren in der Entstehung der TB waren und die in einem z.T. verwirrenden

Beziehungs- und Beeinflussungsgeflecht zueinander standen und stehen.

4.3.1 John Wimber

Er ist Begründer der Vineyard Fellowship-Gemeinden, zu denen auch die Gemeinde in

Toronto gehört, die Ausgangspunkt und Mittelpunkt der Bewegung ist. Er ist mit dem Pastor

dieser Gemeinde, John Arnott, befreundet. Er ist einer der Hauptinitiatoren der sog. "Dritten

Welle", die versucht, die konservativen Evangelikalen für die Ziele der Charismatischen

Bewegung zu gewinnen. Ich selbst habe ihn 1988 in Frankfurt am Main bei seinem

Kongreß "Evangelisation in der Kraft des Heiligen Geistes" erlebt, wo bereits das

sogenannte "Lachen im Geist" als von den Veranstaltern provoziertes Massenphänomen

auftrat; ich konnte dort außer mir niemanden entdecken, der sich davon nicht anstecken

ließ.

4.3.2 Rodney Howard-Browne

Er ist in Südafrika geboren und stammt aus einer sog. "Rhema" - Gemeinde; diese

Richtung wird auch "Wort- und Glaubensbewegung" genannt. Es wird gelehrt, daß man,

wenn man mit dem Herzen etwas wirklich glaubt und es mit dem Mund ausspricht, es auch

bekommt. So könne man mit dem Namen Jesu Christi als Machtwort Gott das abfordern,

was man haben will, z.B. Gesundheit oder Reichtum.

Im übrigen sieht Howard-Browne in Jesus einen irdischen Propheten, der seine Göttlichkeit

im Himmel zurückließ: "Nichts, was Jesus tat, war, weil er Sohn Gottes war." (TOPIC 2/95)

Schon 1979 erlebte er das sog. "heilige Lachen". Bei einem Gebetstreffen rief er zu Gott:

"Gott, entweder kommst du heute abend herunter und rührst mich an, oder ich sterbe und

komme herauf, um dich anzurühren." Zum Entsetzen der Anwesenden schrie er zwanzig

Minuten lang immer wieder. "Gott, ich will dein Feuer!" Daraufhin erlebte er das, was er

seine zweite "Geistestaufe" nennt; es war u.a. von unkontrolliertem Lachen, von Weinen

und Zungenrede begleitet und dauerte vier Tage lang an (TOPIC 2/95).

Man geht davon aus, daß das Umfallen und Lachen in seinen Versammlungen erstmals

1989 auftrat. Seitdem bekam er immer mehr Einladungen. Heute bezeichnet er sich selbst

als "Barmixer des Heiligen Geistes". Für die Entstehung der TB war er durch seinen Einfluß

auf Randy Clark, John Arnott und Claudio Freidzon von höchster Bedeutung.

4.3.3 Benny Hinn

Benny Hinn ist mit John Arnott befreundet, den er schon lange vor der Entstehung der TB

stark beeinflußt hat. Er ist einer der bekanntesten Vertreter des "Umfallens". Seine

Praktiken sind selbst unter Befürwortern dieses Phänomens umstritten. Er erreicht das

Umfallen seiner Zuhörer z.B. oft dadurch, daß er die Versammlung zu absoluter Stille

auffordert und sie dann zu Tode erschreckt, indem er bei voll aufgedrehter

Verstärkeranlage kräftig ins Mikrofon pustet, was einen furchtbaren Knall erzeugt (GUS 16/

Bartl 18).

Er hat Beziehungen zur "Wort- und Glaubensbewegung", von deren Lehren er sich zwar

teilweise offiziell distanziert hat, aber auch er glaubt nach wie vor an die Macht des

gesprochenen Wortes. Nach einer Veranstaltungsreihe im Jahre 1993 in der Schweiz

wurde ihm vorgeworfen, es sei ihm dabei nicht um das Reich Gottes, sondern um seine

Bereicherung gegangen. (GUS 16, vgl. Bartl 17 mit Details)

Seite 8 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Benny Hinn sagt von sich selbst, er sei durch die ebenfalls umstrittene Heilungsevangelistin

Kathryn Kuhlman zu dem Phänomen des Umfallens gekommen. Er habe es in einer ihrer

Veranstaltungen beobachtet. Da beschloß er, er wolle alles haben, was Kathryn Kuhlman

hat. Dann betete er, daß der Geist, den Kathryn Kuhlman ihren Freund nenne, auch in sein

Leben käme. Diese Frau war übrigens für ihren extravaganten Lebensstil bekannt;

außerdem hat sie nachweislich bis an ihr Lebensende über ihr Alter, ihr Geburtshaus und

ihre geschiedene Ehe gelogen (Bartl 19).

Ferner berichtet Benny Hinn, er habe eine besondere "Kraftausrüstung" bekommen, als er

das Grab einer berühmten amerikanischen Pfingstheilerin namens Aimee McPherson

besuchte.

"Ich fühlte eine unglaubliche Salbung ... Ich zitterte am ganzen Leib ... zitterte unter der

Kraft Gottes ... O Gott, sagte ich. Ich fühle die Salbung ... Ich glaube, die Salbung schwebte

über Aimees Körper" (Seibel 15)

4.3.4 Claudio Freidzon

Ursprünglich war er in Argentinien Pfingstprediger und Theologieprofessor. Da er den

Eindruck hatte, daß in seinem Dienst etwas fehle, reiste er in die USA, wo Benny Hinn und

Rodney Howard-Browne über ihm beteten. Daraufhin verdoppelte sich seine Gemeinde in

kurzer Zeit, und er begann einen neuen Dienst als Evangelist. Auch seine Veranstaltungen

waren schon lange vor der TB für die Phänomene des Umfallens, des "heiligen Lachens"

und des "Trunkenwerdens" bekannt (GUS 17).

Bei ihm erlebte John Arnott zum erstenmal an sich selbst das Umfallen (TS 31f).

4.3.5 Randy Clark

In St. Louis, Missouri (USA) ist er Gründer und Pastor der dortigen Vineyard Fellowship-

Gemeinde. Er hatte sein entscheidendes Erlebnis im November 1993 bei Rodney Howard-

Browne. Daraufhin traten in seiner Gemeinde ebenfalls die bekannten Phänomene auf.

Wenig später wurde er zu einer Veranstaltung nach Toronto eingeladen, die dann am 20.

Januar 1994 stattfand und zur Geburtsstunde der TB wurde.

4.3.6 John Arnott

Wie gesagt, ist er der Hauptpastor der genannten Gemeinde in Toronto. Chevreau

berichtet, daß er stark von Kathryn Kuhlman und Benny Hinn beeinflußt wurde. 1992/1993

besuchte er Veranstaltungen von Benny Hinn und Rodney Howard-Browne, die auch für

ihn beteten, ohne daß jedoch etwas an ihm geschah. Erst in einer ähnlichen Versammlung

in Argentinien mit Claudio Freidzon fiel Arnott zum erstenmal um.

Das Beziehungsgelecht der Schlüsselfiguren der "Toronto-Bewegung"

Seite 9 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

5. Die Beurteilung der TB

Die Befürworter sehen darin "ein neues Wirken des Heiligen Geistes", eine "Ausgießung

des Heiligen Geistes" (Arnott/Chevreau), den "möglichen Beginn für eine umfassende

geistliche Erweckung" (Bühlmann, Basileia Bern in id 27/94, S. 18), und "ein vorbereitendes

Handeln Gottes" für eine Erweckung (Kreis Charismatischer Leiter in Deutschland, id

27/94, S. 58). In ihren Berichten ist die Rede von geistlicher Erfrischung, einem tiefen

Erleben der Gegenwart Gottes, einem vorher ungekannten Bewußtsein der Liebe Jesu,

mehr Frieden und Freude, Heilung von Krankheiten und seelischen Verletzungen, sog.

"Freisetzungen des Geistes" in ihnen usw. Sie erzählen, daß sich ihr Leben durch die

angeblichen Manifestationen des Heiligen Geistes verändert habe, so daß sie mehr Liebe

zum Herrn und zu den Menschen haben, mehr Verlangen nach dem Wort Gottes, größeres

Vertrauen zu Gott, Sündenerkenntnis und tiefere Buße, mehr Freiheit in der Verkündigung,

ein stärkeres Bedürfnis, ihren Glauben zu bezeugen; die Gemeinden wachsen, mehr

Menschen kommen zu Glauben, zerstrittene Gläubige versöhnen sich miteinander (TS 126

Mitte). Außerdem ist immer wieder die Rede davon, daß Gott zu den Berichterstattern

direkt geredet habe und sie ermutigt habe, sich für die beschriebenen Phänomene zu

öffnen. Wer wollte da noch wagen, zu bezweifeln, daß diese Bewegung vom Heiligen

Geist bewirkt wird?

Chevreau berichtet von einer zweiteiligen angeblichen Prophetie eines Mitarbeiters der

Toronto Airport Vineyard-Gemeinde namens Marc Dupont vom Mai 1992 und Juli 1993, die

als prophetische Ankündigung der TB gewertet werden. Darin werden die Gegner der

Bewegung massiv mit Gottes angeblichem Gericht bedroht:

Seite 10 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Jene ... , die sich dem Geist widersetzen, werden zu Staub zermahlen. (TS 35)

Viele gegenwärtige Leiter werden in dem kommenden Wirken keine Leiter sein, weil viele

sich disqualifizieren werden, indem sie nicht dem folgen, was der Vater sagen wird. (TS 36)

Gott kündigte mir ebenso eine extreme Gefahr für Leiter an, die sich weiterhin dem Heiligen

Geist (widersetzen). (TS 38)

Dieses scheinbare Reden Gottes bezieht sich zwar ausdrücklich auf Toronto und

Umgebung, ist aber geeignet, auch Kritiker diesseits des Atlantiks einzuschüchtern. Ich

meine, wir sollten uns nicht einschüchtern lassen, aber auch nicht vorschnell

urteilen, sondern uns an 1. Thess. 5, 21 halten: Prüft aber alles, das Gute haltet fest!

5.1 Pro- Argumente

Sowohl die Anhänger dieser Bewegung als auch die meisten ihrer Gegner betrachten die

Bibel als absolute Autorität, von der her alle Lehren, Bewegungen und geistlichen Praktiken

und Erscheinungen beurteilt werden müssen. Und dennoch kommen beide Seiten zu

höchst unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Ergebnissen. Untersuchen wir zunächst

einmal, wie die Befürworter versuchen, aus der Bibel zu beweisen, daß die TB ein Wirken

des Heiligen Geistes sei.

5.1.1 Die "Manifestationen des Heiligen Geistes" und die Bibel

Andreas Herrmann, Pastor des Christlichen Zentrums Wiesbaden, hat in Anlehnung an

Material aus den USA eine Schrift unter dem Titel "Eine biblische Perspektive zu den

Phänomenen des Heiligen Geistes" herausgegeben (id 27/94). Er nennt darin einen Teil

der in der TB vorkommenden Erscheinungen und versucht u.a., zu beweisen, daß sie

biblisch sind:

5.1.1.1 Die "biblische Beweisführung" von Andreas Herrmann

5.1.1.1.1 Das Umfallen

Tritt sehr häufig auf und wird oft in entspanntem Ruhezustand und meist bei vollem

Bewußtsein erlebt, häufig auch verbunden mit einer inneren Begegnung mit dem Herrn.

Überall wird beobachtet, daß dann, wenn Menschen vor dem Herrn lagen, bedeutende

Veränderungen im Leben geschahen. Dies muß aber nicht immer der Fall sein

Dazu führt er folgende Bibelstellen als "biblische Belege" an:

1. Ms. 15, 12:

Und es geschah beim Untergang der Sonne, da fiel ein tiefer Schlaf auf Abram ...

Vom Umfallen ist hier aber nicht die Rede!

Hes. 3, 23:

Da machte ich mich auf und ging hinaus in das Tal. Und siehe, dort stand die Herrlichkeit

des Herrn wie die Herrlichkeit, die ich am Fluß Kebar gesehen hatte; und ich fiel nieder auf

mein Angesicht.

Der Text gibt hier keinen Anlaß zu der Annahme, daß der Prophet auf sein Angesicht fiel,

weil er von Gottes Macht getroffen war und sich deshalb nicht mehr auf den Beinen halten

Seite 11 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

konnte (also im passiven Sinn); sondern weil er Gott anbeten wollte, fiel er bewußt und

absichtlich vor Ihm nieder (also im aktiven Sinn).

Dan. 8, 17 - 18:

Und er trat an den Ort, wo ich stand; und als er herantrat, erschrak ich und fiel nieder auf

mein Angesicht. Er aber sprach zu mir: Merke auf, Menschensohn! Denn das Gesicht gilt

für die Zeit des Endes. Und als er mit mir redete, sank ich betäubt zur Erde auf mein

Angesicht. Er aber rührte mich an und stellte mich auf meinen vorigen Platz.

Dan. 10, 9:

Und ich hörte den Klang seiner Worte. Und als ich den Klang seiner Worte hörte, lag ich

betäubt auf meinem Gesicht, mit meinem Gesicht zur Erde.

Hier handelt es sich in der Tat um ein Umfallen, allerdings nicht auf den Rücken, wie es in

der TB die Regel ist. Dies scheint aber von dem Engel nicht beabsichtigt zu sein, denn

während in der TB die Menschen angeblich Gottes Wirken an ihnen und sein Reden

erfahren, während sie bewegungsunfähig am Boden liegen, richtet der Engel Daniel auf,

bevor er zu ihm spricht bzw. seine Botschaft an ihn fortsetzt.

Joh. 18, 6:

Als er nun zu ihnen sagte: Ich bin's, wichen sie zurück und fielen zu Boden.

Es läßt sich nicht leugnen, daß die Soldaten der Hohenpriester zu Boden fielen. Aber hier

handelt es sich nicht um Gläubige, die Gott segnen wollte, sondern um Ungläubige, an

denen Gott seine richtende Macht demonstrierte.

Apg. 22, 6 - 7:

Es geschah aber, als ich reiste und Damaskus nahte, daß um Mittag plötzlich aus dem

Himmel ein helles Licht mich umstrahlte. Und ich fiel zu Boden und hörte eine Stimme, die

zu mir sprach: Saul, Saul, was verfolgst du mich?

Auch Saulus war hier kein Christ, den der Herr Jesus mit einer größeren Vollmacht für

seinen Dienst oder mit einem tieferen Bewußtsein Seiner Liebe beschenken wollte.

Vielmehr war auch dies zunächst einmal ein Gerichtshandeln, denn der Herr wollte ihm

klarmachen, daß er mit der Verfolgung der jungen Gemeinde auch deren Herrn selbst

verfolgte, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden.

Jürgen Tibusek weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß das im Grundtext

stehende griechische Wort "pipto" sowohl "fallen" als auch "sich niederwerfen" bedeuten

kann (GUS 89); es ist also durchaus möglich, daß Saulus nicht umgeworfen wurde,

sondern sich freiwillig in Ehrfurcht vor dem Herrn Jesus niederwarf.

Offb. 1, 17:

Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot.

Auch hier gilt das über Daniel Gesagte. Die Ähnlichkeit mit dem Umfallen in der TB

beschränkt sich auf den äußeren Vorgang.

5.1.1.1.2 Motorische Bewegungsabläufe

Damit meint Herrmann das Schütteln, Zittern usw. Hier seine biblischen Belege:

Ps. 99, 1:

Seite 12 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Der Herr ist König! Es zittern die Völker.

Ps. 114, 7:

Erbebe vor dem Herrn, Erde, vor dem Gott Jakobs ...

Jer. 5, 22:

Solltet ihr mich nicht fürchten, spricht der Herr, und vor mir nicht zittern, der ich dem Meer

den Sand als Grenze gesetzt habe, eine ewige Schranke, die es nicht überschreiten wird?

Hier muß beachtet werden, daß es sich in allen drei Fällen um poetische Sprache handelt,

so daß wohl kaum an "motorische Bewegungsabläufe" gedacht ist, schon gar nicht als

Ausdruck eines besonderen Wirkens des Heiligen Geistes, sondern an die innere Haltung

der Ehrfurcht vor Gott. In Ps. 114, 7 ist m.E. noch etwas ganz anderes gemeint, nämlich ein

Erdbeben, denn der Zusammenhang spricht nicht von Menschen, sondern von

verschiedenen geografischen und geologischen Bezeichnungen.

5.1.1.1.3 Verzückung/ "Trunkensein im Geist"

Belegstellen:

1. Sam. 19, 23 - 24

Und er (Saul) ging von dort nach Najot in Rama. Und auch über ihn kam der Geist Gottes,

und er ging daher und weissagte, bis er in Najot in Rama ankam. Und auch er zog seine

Oberkleider aus, und auch er weissagte vor Samuel, und er fiel hin und lag nackt da den

ganzen Tag und die ganze Nacht. Daher sagt man: Ist auch Saul unter den Propheten?"

Die Revidierte Elberfelder Bibel weist in einer Fußnote darauf hin, daß das mit "weissagen"

übersetzte hebräische Wort eigentlich eine "prophetische Ergriffenheit oder Verzückung"

bezeichnet. Der Zusammenhang zeigt jedoch eindeutig, daß dies nicht ein Segenshandeln,

sondern ein Gerichtshandeln Gottes war, denn dadurch konnte er David nicht weiter

verfolgen, und dieser konnte fliehen.

Apg. 2, 15:

Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint ...

Herrmann kommentiert:

Obwohl kein Alkohol konsumiert wurde, waren für die Beobachter offensichtlich Symptome

von Trunkenheit erkennbar.

Das, was in der TB "Trunkenheit im Geist" genannt wird, äußert sich z.B. so,

· daß die Betroffenen Dinge sagen und tun, an die sie sich später nicht mehr erinnern

können;

· daß sie so sehr die Beherrschung ihrer Sinne und Bewegungen verlieren, daß sie nicht

mehr ein Fahrzeug lenken können;

· daß sie beim Gehen schwanken wie Betrunkene (TOPIC 2/95 S. 1 über Randy Clark).

Der biblische Bericht in Apg. 2 gibt keinen Hinweis darauf, daß bei den Aposteln solche

Phänomene auftraten. Er nennt als "Symptome" lediglich, daß die Jünger in verschiedenen

Sprachen redeten, und das vermutlich durcheinander und gleichzeitig. Darauf bezieht sich

Seite 13 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

eindeutig der in V. 13 erwähnte Spott: "Sie sind voll süßen Weines."

Außerdem wurde dieses Durcheinander sehr bald beendet durch die vollmächtige, aber

nüchterne und vermutlich in griechischer Sprache gehaltene Predigt des Petrus. Von einem

stunden- oder gar tagelangen "Trunkensein im Geist" kann hier also erst recht keine Rede

sein.

5.1.1.1.4 Weinen und Schreien

Zu den "biblischen Belegen" schreibt Herrmann hier nur: "in Hülle und Fülle".

Natürlich: weinen und schreien sind menschliche Gefühlsäußerungen. Aber wie bei den

anderen sog. "Manifestationen des Heiligen Geistes", käme es für eine wirklich biblische

Beweisführung nicht nur darauf an, zu zeigen, daß sie irgendwo in der Bibel in

irgendwelchen Zusammenhängen irgendwie ähnlich vorkommen, sondern daß sie

tatsächlich Zeichen eines besonderen Wirken des Heiligen Geistes sind, wie die TB es ja

für sich in Anspruch nimmt.

Dies gilt auch für das letzte in dieser Beweisführung genannte Phänomen:

5.1.1.1.5 Intensives Lachen

Menschen, die dies selbst erlebt haben und es als geistgewirkt betrachten, sprechen

allerdings nicht von einem intensiven, sondern einem hysterischen Lachen.

Es lohnt die Mühe nicht, die sogenannten Belegstellen nachzuschlagen: Pred. 3, 4/ Ps.

126, denn auch für sie gilt das gerade über die Fragwürdigkeit von Herrmanns biblischer

Beweisführung Gesagte. Bei der dritten Belegstelle, Joh. 17, 3, kann ich nur einen Irrtum

vermuten, denn dort ist vom Lachen überhaupt nicht die Rede.

Im Hinblick auf die anderen Toronto-Phänomene (die Menschen rollen krampfhaft auf dem

Boden herum, sind bewegungsunfähig, sind unfähig, zu sprechen, springen auf der Stelle

auf und nieder, riechen angeblich die Gegenwart Gottes, zucken, brüllen wie Tiere, stöhnen

wie bei einer Geburt, ihre Augenlider flattern, sie husten) macht Herrmann noch nicht

einmal den Versuch, nachzuweisen, daß sie biblisch seien.

Guy Chevreau sagt dazu in seinem die TB stark befürwortenden Buch:

Wer allerdings versucht, die biblische Stichhaltigkeit der physischen Manifestationen in der

Airport-Gemeinde zu beweisen, der begibt sich unter Umständen auf Glatteis.

Dennoch ist er überzeugt, daß diese Dinge vom Heiligen Geist kommen.

5.1.1.2 Die Argumentation von Dr. Heinrich Christian Rust1

Dr. Heinrich Christian Rust ist Pastor einer der größten Baptistengemeinden Deutschlands

und einer der führenden Männer der Charismatischen Bewegung in unserem Land. Er ist

sicherlich ein gemäßigter Charismatiker, scheut sich jedoch nicht, mit extremen Vertretern

dieser Bewegung zusammenzuarbeiten. In einem idea-Artikel (cf id 27/94 S. 5) lehnt er an

der TB einiges ab, befürwortet aber auch einiges.

Er erkennt an, daß bestimmte Phänomene der TB so in der Bibel nicht vorkommen, hält sie

aber dennoch nicht für unbiblisch. Zur Begründung zitiert er Joh. 16, 12 - 14:

Seite 14 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener,

der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er

wird nicht aus sich selbst reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das

Kommende wird er euch verkündigen.

Rust schreibt dazu:

Es stellt sich die Frage, was denn "vieles" bedeutet. ... Es ist ... zulässig, anzunehmen, daß

in diesem Wort Jesu angekündigt ist, daß der Geist Gottes der Gemeinde Jesu weitere

Offenbarungen darüber geben könnte, wie sich die Botschaft des Evangeliums in

kommenden Zeiten Bahn brechen wird. Dieses Wort könnte darauf hinweisen, daß es

Wirkungsarten des Heiligen Geistes geben könnte, über die in der Heiligen Schrift nur

ansatzweise berichtet wird."

Wo diese Ansätze zu finden sein sollen, sagt er allerdings nicht.

Was meinte der Herr Jesus damit, daß der Heilige Geist uns in die ganze Wahrheit leiten

wird? Ich selbst sehe darin eine Ankündigung der Offenbarung Gottes im Neuen

Testament, das ja wenig später unter der Inspiration des Heiligen Geistes geschrieben

wurde. Die Annahme, es könne sich um Dinge handeln, die über die Bibel hinausgehen, tut

m.E. dem Text Gewalt an und widerspricht der Aussage in Offb. 22, 18, nach der mit dem

Buch der Offenbarung Gottes allgemeingültiges Reden an uns abgeschlossen ist:

Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung diese Buches hört: Wenn jemand zu

diesen Dingen hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in diesem Buch

geschrieben sind.

Bemerkenswert ist an dieser Stelle auch die absolute Kehrtwende in der pfingstlichcharismatischen

Argumentation: unter Hinweis auf Hebr. 13, 8 wurde bisher immer

behauptet, da unser Herr sich nicht verändere, sei es selbstverständlich, daß Er heute noch

unter uns genauso wirken möchte wie in den Anfängen der Gemeinde, wie sie in der

Apostelgeschichte geschildert werden (cf Leserbrief an idea-spektrum, id 27/94, S. 64).

Jetzt auf einmal gilt das nicht mehr. Das ist zumindest sehr seltsam.

5.1.1.3 Der Hinweis auf die Früchte

Die positiven Lebensveränderungen, die solche Menschen bezeugen, die von dieser

Bewegung erfaßt worden sind, habe ich schon erwähnt. Dr. Heinrich Christian Rust nennt

folgende:

starkes Erleben der Liebe und Nähe Gottes; Buße und Umkehr zu einem gereinigten Leben

mit Gott; Erfüllung mit neuer Freude und Lebensmut, mit Heiligem Geist; neue Liebe zu

Jesus und zu seiner Gemeinde und zu seinem Wort; körperliche und physische Heilung;

neue Erfahrungen mit geistlichen Gaben (vorrangig Prophetie) (GUS 72)

In diesem Zusammenhang wird von den Befürwortern auf Mat. 7, 15 - 20 hingewiesen:

Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen,

inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Liest

man etwa von Dornen eine Traube oder von Disteln Feigen? So bringt jeder gute Baum

gute Früchte, aber der faule Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann nicht

schlechte Früchte bringen, noch ein fauler Baum gute Früchte. Jeder Baum, der nicht gute

Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Deshalb, an ihren Früchten werdet

ihr sie erkennen.

Seite 15 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Hier muß genau beachtet werden, was der Herr Jesus sagt und was Er nicht sagt. Er sagt

nicht, daß man an der guten Frucht den wahren, gottgesandten Propheten erkennt,

sondern umgekehrt: an der schlechten Frucht erkennt man den falschen Propheten. Der

Umkehrschluß ist sicherlich nicht ganz ungerechtfertigt, geht aber an der eigentlichen

Aussage dieser Worte Jesu vorbei. Außerdem darf das, was Er hier über gute Früchte von

guten Bäumen und schlechte Früchte von schlechten Bäumen sagt, nicht zu absolut

genommen werden, denn unmittelbar danach (V. 21 - 23) spricht Er von Menschen, die

zwar durch Seinen Namen geweissagt, Dämonen ausgetrieben und viele Wunderwerke

getan haben (also gute Früchte hervorgebracht haben) und die Er dennoch niemals

gekannt hat!

Nachdenklich machen muß in diesem Zusammenhang auch die m.W. von niemandem

bestrittene Tatsache, daß die TB auch negative Früchte zeigt:

· Dr. Heinrich Christian Rust spricht von

Verunsicherung, ob Gott so handelt; Erfahrung der Entmündigung und Entwürdigung

des Menschen; Enttäuschung über ausbleibende Segnung; Fixiertheit auf Menschen;

Ausbreitung von Hochmut und Gemeindeverachtung (GUS 72)

· Ein Leserbrief an idea-spektrum berichtet (id 27/94, S. 61)

Dieser Teilnehmer erlebte nicht nur den "Toronto-Segen" mit den geschilderten

Merkmalen (Schreien, Zittern usw.) ausschließlich negativ, sondern kam in seinem

Glaubensleben völlig durcheinander; seine bisher heile Beziehung zu Jesus Christus

erfuhr eine schlimme Erschütterung.

· Am 21. November 1994 meldete idea, dem sächsischen evangelischen Landesbischof

Kreß zufolge hätten 20 Konfirmanden als Folge ihrer Erfahrungen mit dem "Toronto-Segen"

Schlafstörungen und furchtbare Ängste bekommen.

· Laut Ulrich Skambraks "mußten Betroffene aber auch psychiatrisch behandelt werden

oder leiden seitdem unter negativen psychischen Störungen (wie Angst)" (TOPIC 12/94)

· Nicht gerade als positive Frucht angesehen werden kann auch die Art und Weise, wie

manche von der TB Ergriffenen mit ihren Kritikern umgehen. Ulrich Skambraks spricht von

"extremer Lieblosigkeit" (TOPIC 12/94), und Werner Bartl, ein österreichischer ehemaliger

charismatische Pastor, berichtet, daß Menschen ihre Gemeinden verlassen müssen, wenn

sie - im Gegensatz zur Gemeindeleitung - den "Toronto-Segen" ablehnen (Bartl S. 53).

Brieflich erfuhr er von "einer Spaltung nach der anderen". In idea-spektrum Nr. 37/95 sagte

er dazu: "Andersdenkende werden als Zweitklassige oder Ungeistliche eingestuft, von

denen man sich am besten trennt." In diesem Zusammenhang berichtet er auch, er sei

nach der Veröffentlichung seiner Schrift "Hinter den Kulissen" aus dem Kreis

Charismatischer Leiter in Österreich ohne Anhörung ausgeschlossen worden. Wie paßt das

zusammen mit der "neuen Liebe zu Jesus und zu seiner Gemeinde", die der sog. TS

bewirken soll?

Jürgen Tibusek äußert berechtigte Zweifel am Tiefgang der bezeugten

Lebensveränderungen.

Eine tiefgreifende Erneuerung und innere Heilung, die wöchentlich wiederholt werden

muß, um bestehen bleiben zu können, ist nicht sehr tiefgreifend gewesen. (GUS 101)

Seite 16 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Ebenso richtig ist sein Hinweis darauf, daß Christen schon immer starke emotionale

Erfahrungen gemacht haben, z.B. auf einem christlichen Kongreß, einer Freizeit usw.;

oftmals entsteht dabei auch ein wirklich tieferes Verlangen danach, mehr in der Bibel zu

lesen, sich in die Gemeinde einzubringen usw. Aber im Alltag verfliegen solche

Hochgefühle dann leider nur allzu oft (GUS 104). In diese Kategorie gehört vermutlich auch

so manche der positiven Wirkungen des sog. TS.

5.1.2 Die "Manifestationen des Heiligen Geistes" und die Kirchengeschichte

Guy Chevreau, der, wie wir gesehen haben, gar nicht erst den Versuch macht, zu

beweisen, daß die Phänomene der TB biblisch sind, konzentriert sich deshalb vor allem

darauf, zu beweisen, daß sie auch in historischen Erweckungsbewegungen sehr massiv

aufgetreten sind. Dieser Teil nimmt mehr als ein Drittel seines Buches ein. Er konzentriert

sich dabei vor allem auf eine Erweckungsbewegung, die 1734 und 1742 unter einem

Pastor namens Jonathan Edwards zunächst Northampton und Umgebung in

Massachusetts erfaßte und später alle diejenigen Staaten an der amerikanischen Ostküste,

die dort "Neuengland" genannt werden. Am Schluß des Buches geht er in ähnlicher Weise

auch auf John Wesley und andere, weniger bekannte Erweckungsprediger ein. Er tut dies

alles sehr ausführlich und zitiert ausgiebig aus verschiedenen Schriften der damaligen Zeit.

Es würde zu weit führen, hier auf Einzelheiten einzugehen. Jürgen Tibusek schildert dies

übrigens sehr viel kompakter, umfassender und informativer (GUS 29ff). Zusätzlich weist er

noch auf vergleichbare Phänomene hin, die z.B. in der römisch-katholischen

Marienverehrung, im Schamanismus, in Versammlungen einer niederländischen

esoterischen Geistheilerin sowie in der sog. "Urschrei-Therapie" auftreten (S. 51ff).

Tatsache ist, daß es in Erweckungen z.T. ähnliche Erscheinungen gegeben hat wie in der

TB. Es sind jedoch gravierende Unterschiede festzustellen:

· Gerade bei Wesley und Finney, die von den Befürwortern der TB häufig angeführt

werden, ist die Beurteilung der Phänomene eher kritisch, wie Jürgen Tibusek resümiert:

"Sie wurden teilweise nicht als geistlich, sondern eher als störend empfunden." (GUS 50)

· In den historischen Erweckungen waren diese Phänomene nur Begleiterscheinungen am

Rande, die in der Regel nur nebenbei oder aber überhaupt nicht erwähnt wurden.

In der TB wird zwar auch beteuert, die "Manifestationen" seien nicht das Eigentliche, aber

wenn in der TB etwas geschieht, dann doch durch das Umfallen usw. Ich habe keinen

Hinweis darauf gefunden, daß in den Erweckungen jemals über Menschen gebetet wurde,

damit diese Dinge an ihnen geschehen sollten, was im Gegensatz dazu in der TB die Regel

ist.

Mittelpunkt des Geschehens in Erweckungen ist immer Buße von Gläubigen als Folge

einer starken und tiefgehenden Sündenerkenntnis. Wer dagegen die Berichte von "Toronto-

Gesegneten" bei Guy Chevreau genau liest, dem fällt auf, daß nur vier der dreizehn

Zeugnisse überhaupt direkt oder indirekt von Buße sprechen, und dann auch nicht als das

Eigentliche, sondern als Wirkung der erlebten "Manifestationen". In den Erweckungen war

es genau umgekehrt: wenn solche Phänomene auftraten, dann in erster Linie als Folge

von Sündenerkenntnis.

· Diese Dinge waren in den historischen Erweckungen Einzelerscheinungen, die nie die

gesamte Versammlung erfaßten. Typisch für die TB ist aber das Auftreten dieser

Erfahrungen als Massenphänomen.

Seite 17 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Weder die Bibel noch die Kirchengeschichte bestätigen also wirklich, daß die TB als

solche und insgesamt ein Wirken des Heiligen Geistes ist.

5.2 Kontra-Argumente

Wieviel Beachtung die TB gefunden hat, läßt sich u.a. an der relativen großen Anzahl

offizieller Stellungnahmen ablesen. Solche Stellungnahmen liegen vor

· von der Katholischen Charismatischen Erneuerungsbewegung (GUS 142)

· von der Evangelischen Allianz in der Schweiz (GUS 78)

· von der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der EKD (id 27/94, S. 46)

· vom Kreis Charismatischer Leiter in Deutschland (id 27/94, S. 58)

· vom Gnadauer Verband (id 10/95, S. 15)

· vom Präsidenten des Pfingst-Europa-Komitees, Jakob Zopfi (id 10/95, S. 43)

· von der Leitung des "Bundes Freier Evangelischer Gemeinden" (id 10/95, S. 26

· von der Leitung des "Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden" (id 10/95, S. 18)

· von der Arbeitsgemeinschaft der Brüdergemeinden im Bund Evangelisch-Freikirchlicher

Gemeinden ("Die Botschaft" Nr. 4/95)

· aus dem Freien Brüderkreis ("Die Wegweisung")

Die Bewertungen fallen natürlich sehr unterschiedlich aus. Aber selbst aus Pfingst- und

charismatischen Kreisen sind kritische Stimmen laut geworden:

· John Wimber hat sich gegen eine Überbewertung des "Toronto-Segens" gewandt und

gesagt, wichtiger als die Begleiterscheinungen sei eine gesunde, biblische Lehre. (ideaspektrum

26/95)

· Auch Reinhard Ulonska, der Präses des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden, hält

bestimmte Erscheinungen wie das Umfallen als Massenphänomen für bedenklich. (ideaspektrum

26/95)

· Der britische Charismatiker J. Keith T. Parker distanzierte sich von der TB als einem

"angeblich vom Heiligen Geist stammenden Werk" (Hervorhebung von mir, D.F.) und

begründete dies in einem ausführlichen und fundierten Artikel.

Zu den schärfsten Kritikern gehören zweifellos Ulrich Skambraks, Alexander Seibel und

Wolfgang Bühne, der zu dem Schluß kommt:

Alles, was bisher vom "Toronto-Segen" zu hören, zu lesen und zu sehen war, deutet nicht

auf eine geistliche Erweckung, sondern auf einen geistlosen Ersatz hin, der teilweise derart

abstoßende Züge trägt, daß man sich für eine solche Entartung des Christentums nur noch

schämen kann. (GUS 88)

Wie ist nun also die TB zu beurteilen? Ist sie eine vom Heiligen Geist gewirkte

Seite 18 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Erweckung (bzw. deren Vorstufe) oder eine teuflische Verführung? Ist sie ein Segen

von Gott oder ein Fluch vom Satan?

Wie ich schon sagte, bin ich sicher, daß sie als solche und insgesamt kein Wirken des

Heiligen Geistes ist. Ich will dies weiter begründen:

5.2.1 Die Phänomene treten manchmal auch bei Ungläubigen auf

Es gibt Berichte, nach denen Ungläubige von den Erscheinungen der TB ergriffen wurden,

z.B. von Zucken und Zittern (GUS 28). Martin Bühlmann, Pastor einer von der TB erfaßten

Gemeinde in Bern, gibt zu, er sei deswegen anfangs verwirrt gewesen. Als er dann aber

darüber im Gebet nachdachte, sei ihm Joel 3, 1 eingefallen, wo Gott die Ausgießung seines

Geistes über "alles Fleisch" ankündigt. Bühlmanns Auslegung:

Alles Fleisch ist alles Fleisch, also gibt es kein christliches oder unchristliches Fleisch. (id

Nr. 27/94, S. 26)

Wenn man dieses Bibelwort im Zusammenhang betrachtet, merkt man deutlich, daß sich

der Ausdruck "alles Fleisch" auf Israel beschränkt; die Ausgießung des Geistes Gottes wird

nämlich erkennbar werden an "euren Söhnen und Töchtern", an "euren Greisen" und an

"euren jungen Männern" (V.1 - 2); wenn dann auch von "den" Knechten und Mägden

gesprochen wird, dürfte es mittlerweile klar sein, daß es sich auch hier um Juden handelt.

V. 5 macht noch einmal die Begrenzung auf Israel klar, denn dort wird die Errettung auf

"den Berg Zion" und auf Jerusalem bezogen und auf die "Übriggebliebenen, die der Herr

berufen wird." Übrigens gibt es noch mindestens zwei weitere Stellen im AT, an denen der

Ausdruck "alles Fleisch" sich eindeutig ausschließlich auf Israel bezieht: Jer. 12, 12/ 45, 5.

Bezeichnend ist, daß Bühlmann in diesem Zusammenhang zugibt:

"Ich könnte nicht behaupten, daß diese Menschen nachher eine Entscheidung für Jesus

getroffen haben." (id Nr. 27/94, S. 26)

5.2.2 Vermischung von Gutem und Schlechtem ist ein Merkmal der Verführung

Wir haben bereits gesehen, daß beileibe nicht alles, was die Befürworter der TB als gute

Früchte anführen, wirklich eine echte und bleibende Lebensveränderung sein muß. Das

gibt uns allerdings noch nicht das Recht, sämtliche positiven Auswirkungen zu leugnen.

Bedenklich ist aber die Vermischung von Positivem und Negativem in der TB.

Der Charismatiker J. Keith T. Parker sagt dazu:

Wenn diese Bewegung eine Täuschung ist, dann könnten wir augenscheinlich Gutes aus

den Versammlungen erwarten und zugleich Heu und Stroh. Sonst würde die Bewegung

Christen auch nicht einen Moment täuschen. ((id 10/95, S. 31)

Jürgen Tibusek spricht von seiner Meinung nach durchaus glaubwürdigen Berichten, nach

denen man in der Aiport-Gemeinde in Toronto damit rechnet, daß 70 % der Phänomene

natürlichen (fleischlichen) Ursprungs sind, 10 % dämonischen Ursprungs und nur 20 %

durch den Heiligen Geist gewirkt (GUS 75). Ich bin erschüttert, daß man dort noch daran

festhält, daß das, was man dort erlebt, eine "neue Ausgießung des Heiligen Geistes" ist,

ein "erneuerndes Wirken Gottes ..., das eine langersehnte Erweckung des Glaubens, der

Hoffnung und der Liebe mit sich gebracht hat" (TS 26), obwohl nach eigener Einschätzung

nur 20 % davon auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückzuführen ist.

Seite 19 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

5.2.3 Die Phänomene stehen im Gegensatz zum Wesen des Heiligen Geistes

Selbst, wenn wir von der Bibel her akzeptieren könnten, daß der Heilige Geist angeblich

heute ganz anders wirkt als in den biblischen Berichten, dann wäre doch zumindest immer

noch zu erwarten, daß dieses Wirken übereinstimmt mit dem Wesen des Heiligen Geistes

und mit den Anweisungen des Neuen Testaments, die ja schließlich vom Heiligen Geist

inspiriert sind. Gerade das ist aber nicht der Fall.

5.2.3.1 Der Heilige Geist ist nicht gewalttätig

Das Umfallen wird im Deutschen meist als "Ruhen im Geist" bezeichnet; im englischen

Sprachraum jedoch, wo es bekanntlich zuerst auftrat, nennt man es "Being slain in the

Spirit" - im Geist erschlagen werden. Rodney Howard-Browne berichtet vom Anfang seines

diesbezüglichen Wirkens:

Ich nahm den Finger und legte ihn der ersten Person an die Stirn und sagte: "Im Namen

Jesu." ... Es sah aus, als hätte ein Engel mit einem Baseballschläger dort gestanden und

ihr seitlich an den Kopf geschlagen. Die Person fiel dann zu Boden. Ich ging die ganze

Reihe entlang. Bam, bam, bam, bam. Die ganze Reihe lag unter der Kraft Gottes da. ...

Einige Leute waren wie am Boden festgenagelt. (TOPIC 2/95, Seite 3)

Der Heilige Geist überfährt uns nicht, sondern Er achtet unsere Persönlichkeit; nach 1. Kor.

14, 34 sind die Geister der Propheten den Propheten untertan und nicht umgekehrt. Gottes

Geist erneuert uns nicht durch Zwang und Gewalteinwirkung, sondern durch die

Offenbarung des Willens Gottes in Seinem Wort und durch die Ermutigung und Ermahnung

zum Gehorsam gegenüber dem Wort und den persönlichen Führungen Gottes in unserem

Leben (Röm. 12, 2). Der Heilige Geist ist uns gegenüber sogar so zurückhaltend, daß wir

Sein Wirken leicht unterdrücken oder "dämpfen" können (1. Thess. 5, 19); Er wehrt sich

auch nicht, wenn wir Ihn betrüben (Eph. 4, 30).

5.2.3.2 Der Heilige Geist umgeht nicht unseren Verstand

Guy Chevreau erzählt, wie er zum erstenmal von den Dingen hörte, die sich in der Airport-

Gemeinde in Toronto abspielten; damals

" ... erschien mir das Ganze allerdings höchst fragwürdig." (TS 22)

Da er sich in einer Art Krise in seinem Dienst als Pastor befand, fing er aber trotzdem an,

die Veranstaltungen zu besuchen. Er sagt:

" ... ich war zu verzweifelt, um kritisch zu sein." (TS 22)

Danach dauerte es nicht mehr lange, bis auch er zum erstenmal zu Boden fiel. (TS 23)

Ein anderer Pastor hatte als Vorbereitung auf sein Toronto-Erlebnis eine Vision, von der er

sagt,

" ... daß der Herr mir meine Angst vor allem Unechten und die Angst vor dem Verlust der

Selbstkontrolle nahm ... "

Sekunden später fiel er rückwärts auf den Boden. (TS 135)

Als wieder ein anderer Pastor seinen Koffer packte, um nach Toronto zu reisen, sagte der

Seite 20 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Herr zu ihm angeblich:

Wenn du zum Analysieren nach Toronto fliegst, wird es beim Kritisieren bleiben, und ich

werde meine Hand von dir nehmen. Wenn du aber als Kind gehst, um an dem Geschehen

teilzuhaben, dann werde ich meinen Segen auf dich ausgießen, ein ums andere Mal! (TS

114)

Der Heilige Geist erwartet von uns Vertrauen gegenüber dem Wort Gottes, wenn nötig,

auch gegen unseren begrenzten menschlichen Verstand; aber er verlangt nicht von uns,

daß wir jemals unseren Verstand sozusagen "abschalten" - im Gegenteil:

1. Thess. 5, 21: Prüft aber ALLES, und das Gute haltet fest.

Röm. 12, 2: ... sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, daß ihr prüfen

mögt, was der Wille Gottes ist ...

Phil. 1, 10: ... damit ihr prüft, worauf es ankommt ...

1. Joh. 4, 1: Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott

sind ...

5.2.3.3 Der Heilige Geist ist nicht verfügbar

Unzählige Pastoren und Gemeindeleiter sind bereits in Toronto gewesen; sie haben dort

den sog. "Segen" empfangen und in ihre Gemeinden mitgenommen, wo seitdem die

gleichen Phänomene auftreten. Laut Jürgen Tibusek hat Rudi Pinke, Pastor des

Christlichen Zentrums Frankfurt/Main den Teilnehmern eines Seminars die feste Zusage

gemacht, daß jeder, der den TS empfangen habe, ihn auch in seiner Gemeinde

weitergeben könne, sofern sich die Gemeindeleitung diesbezüglich einig sei. (GUS 111)

Das läßt sich mit der Bibel nicht begründen. Niemand kann über den Heiligen Geist

verfügen oder Ihn gar "im- oder exportieren".

5.2.3.4 Der Heilige Geist bewirkt keine Unordnung

Gerade in 1. Kor. 14, wo es um besondere Wirkungen des Heiligen Geistes geht, steht:

Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens. (V. 33)

Alles aber geschehe anständig und in Ordnung. (V. 40)

Andreas Herrmann, Pastor des Christlichen Zentrums Wiesbaden, versucht offensichtlich

die Bedeutung dieser Bibelworte für die Beurteilung der TB zu relativieren, wenn er sagt:

Bedenken wir, daß unser Ordnungsbegriff durch unseren geistlichen Background, unsere

Tradition und unsere Theologie bestimmt ist. (id Nr. 27/94, S. 56)

Nun, welchen Ordnungsbegriff die Bibel an dieser Stelle hat, geht eindeutig aus dem

Kontext hervor: hier werden klare, konkrete Regeln gegeben, wie das Zungenreden und die

Prophetie im Gottesdienst gebraucht werden sollen; diese Regeln sollen offensichtlich

vermeiden, daß durcheinander und gleichzeitig geredet wird, daß Zungenrede ohne

Übersetzung bleibt und daß Weissagungen ungeprüft im Raum stehengelassen werden.

Der biblische Ordnungsbegriff ist zumindest an dieser Stelle also offensichtlich viel näher

an dem der Konservativ-Evangelikalen, als es den Anhängern der TB recht sein kann! Dem

ehemaligen Charismatiker Rudolph Ebertshäuser kann man nur zustimmen, wenn er sagt:

Seite 21 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Der Geist, der Frauen und Männer zur Schamhaftigkeit, Sittsamkeit, Zucht und Keuschheit

leitet, wird niemals zulassen, daß Personen beiderlei Geschlechts in einer Weise auf dem

Boden übereinanderliegen, die diesen biblischen Geboten direkt zuwiderläuft. (id Nr. 27/41,

S. 41)

Laut Jürgen Tibusek werden "Toronto-Gottesdienste" selbst von anwesenden Journalisten

der nichtchristlichen Presse als "chaotisch" empfunden. (GUS 108)

Herrmann behauptet ferner, Gott selbst habe

"in der Vergangenheit schon oft ganz und gar "unordentliche" Dinge getan und auch von

seinen Kindern verlangt."

Als Beispiel weist er darauf hin, daß Gott von dem Propheten Hosea verlangte, eine

Prostituierte zu heiraten. (id Nr. 27/41, S. 41) Nun war dies zwar zweifellos ziemlich

ungewöhnlich für einen Propheten, aber etwas Unordentliches im obigen Sinn vermag ich

darin nicht zu sehen; unordentlich wäre es nur gewesen, wenn er ihre Dienste als

Prostituierte in Anspruch genommen oder unverheiratet mit ihr zusammengelebt hätte.

5.2.3.5 Der Heilige Geist bewirkt keine Ekstase

Die Kritik von Pfingstlern und Charismatikern, in unseren Versammlungen würden die

Gefühle zu kurz kommen, ist sicher nicht ganz unberechtigt. Aber zumindest in der TB

sehen wir deutlich das entgegengesetzte Extrem. Was dort "Verzückung" oder

"Trunkenheit im Geist" genannt wird, hat keine biblische Grundlage.

Zwar kennt das AT eine Art prophetisches Ergriffensein vom Heiligen Geist (1. Sam. 18,

10/ 19, 24), aber im NT findet sich dies nicht mehr. Gottes Geist führt uns nicht zur

Ekstase, sondern zu Disziplin, Selbstbeherrschung und Nüchternheit, 1. Kor. 15, 34/ Eph.

5, 18/ 1. Tim. 3, 2. 11/ 2. Tim. 1, 7/ 2, 26/ 4, 5/ 1. Pet. 1, 13/ 4, 8/ 5, 8.

5.2.3.6 Der Heilige Geist tut nie das, was eigentlich wir tun sollen

Als Guy Chevreau einmal heftig weinend am Boden lag,

" ... wurde eine langjährige Verbitterung, ein tiefer Groll von mir genommen." (TS 24)

Auch dies widerspricht der Bibel. Bitterkeit und Groll sind Sünden, auch, wenn sie

menschlich noch so verständlich sind; daher können wir von ihnen nicht befreit werden,

ohne dafür Buße zu tun und den Menschen von Herzen zu vergeben, die uns Unrecht

getan haben (Eph. 4, 31 - 32). Diese Erfahrung scheint in der TB kein Einzelfall zu sein (cf

GUS 102). Wolfhard Margies soll in einer Predigt zum TS wiederholt gesagt haben: "Du

mußt nicht mehr gehorsam sein!" Alles sei nun Gott überlassen.

Aber Buße und Gehorsam nimmt der Heilige Geist uns nicht ab, auch, wenn sie uns

manchmal schwer fallen!

5.2.4 Die Phänomene liegen voll im Trend des Zeitgeistes

Eher scheint hier die Sehnsucht nach besonderen Erfahrungen, die Lust am Erleben, im

Vordergrund zu stehen. Ist das Verlangen nach dem "Segen von Toronto" nicht bei vielen,

wenn auch sicherlich nicht bei allen, eher der egoistische Wunsch nach dem noch

größeren geistlichen "Kick" als der Wunsch nach echter Lebensveränderung? (GUS 101)

Seite 22 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

Dieser Analyse von Jürgen Tibusek kann man wohl nur beipflichten. Die Charismatische

Bewegung hat immer neue Lehren und Strömungen hervorgebracht, die - obwohl ihre

Begründer z.T. nur an extremen Rändern dieser Bewegung standen - dort doch sehr

einflußreich waren und allesamt dazu angetan waren, die Gläubigen aus der schlichten

Christusnachfolge heraus auf höhere Ebenen zu hieven:

· Die Gesundheits- und Wohlstandslehre von Kenneth Hagin

Ganz einfach und etwas verkürzt ausgedrückt, besagt sie, daß kein Christ krank oder arm

sein muß, wenn er nur genug und richtig glaubt.

· Die Prophetenbewegung

Seit etwa 1990 gibt es in den USA Männer, die sich für ganz besonders erwählt und

prophetisch begabt halten. Sie glauben, daß Gott ihnen besondere Offenbarungen über die

Zukunft gegeben hat, z.B., daß Bill Clinton sich bekehren werde und daß es eine zweite

Reformation geben werde, die von Deutschland und England ausgehen werde (cf. W.

Bühne, Die Propheten kommen).

· Die "geistliche Kriegführung"

Dem amerikanischen Theologen C. Peter Wagner zufolge beherrschen dämonische

Mächte bestimmte Regionen so sehr, daß sie mit dem Evangelium kaum erreicht werden

können. Deshalb müssen diese Dämonen identifiziert und durch offensives Gebet

vertrieben werden (cf. W. Kopfermann, Macht ohne Auftrag).

· Der "Toronto-Segen"

Was diese Strömungen gemeinsam haben, ist, daß sie alle den Gläubigen etwas ganz

Besonderes verheißen: Gesundheit, Wohlstand, besonderes Wissen, besondere Macht,

besondere Erlebnisse. Wer diese Dinge erlebt hat, dem kann das einfache Glaubensleben

in der demütigen und schlichten Abhängigkeit vom Herrn Jesus Christus nicht mehr

genügen, das sich noch dazu im alltäglichen Gehorsam und manchmal auch im Leiden

bewähren muß. Auffällig ist aber auch, daß diese Strömungen in immer schneller

werdender Folge einander abwechseln.

Ich maße mir nicht an, eine umfassende und wissenschaftliche Gesellschafts- und

Zeitgeistanalyse erstellen zu können, aber ich sehe vier Faktoren bei unseren

Zeitgenossen, die sicherlich dazu beigetragen haben, daß viele Gläubige anfällig sind für

die genannten Strömungen:

· Die Reizüberflutung durch die Medien, vor allem Fernsehen und Computer

Sobald eine Fernsehsendung nicht mehr spannend genug ist, wird umgeschaltet; mit der

Fernbedienung ist das ja auch sehr bequem, und der Kabelanschluß bzw. die

Satellitenantenne bieten eine reiche Auswahl an Sendern. Und Computerspiele können

Freaks stundenlang an den Monitor fesseln. Je mehr jemand von diesen Dingen geprägt

ist, desto eher wird er geneigt sein, unsere Gemeindeveranstaltungen langweilig zu finden.

· Die Alltagsflucht

Gerade und vor allem junge Menschen sehen in ihrer Berufsarbeit nicht mehr einen

wesentlichen Teil ihrer Lebenserfüllung, sondern nur noch ein notwendiges Übel. Sie leben

eigentlich nur für ihre Hobbies; der Alltag ist mehr oder weniger negativ, das eigentliche

Leben spielt sich nach Feierabend und am Wochenende ab.

Das führt natürlich auch Gläubige dazu, besondere geistliche Erfahrungen zu suchen, mit

denen sie dem grauen Alltag des Glaubenslebens entfliehen können.

· Die Erlebnissucht

Normale Hobbies befriedigen aber immer weniger Menschen. Sie suchen den besonderen

Seite 23 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

"Kick", den sie nur in immer extremeren und gefährlicheren Erlebnissen und Sportarten wie

Free Climbing, S-Bahn-Surfen, Bungee Jumping usw. finden.

Christen suchen statt dessen eben nach immer stärkeren geistlichen "Kicks".

· Sofortige Befriedigung

Neudeutsch nennt man das "instant gratification". Gemeint ist, daß man immer weniger

bereit ist, Zeit, Kraft und Mühe in etwas zu investieren, ohne daß sich sofort oder doch sehr

schnell der Erfolg zeigt. Ein Beispiel: viele Übergewichtige sind eher bereit, viel Geld

auszugeben für fragwürdige Spezialnahrung, Massagegeräte usw. als ihre Ernährung

umzustellen und zu reduzieren, Sport zu treiben usw.

Manche der Lebensveränderungen, die der TS angeblich oder tatsächlich in kürzester Zeit

während des Am-Boden-Liegens bewirkt, wie z.B. Heilung seelischer Verletzungen,

Befreiung von Bitterkeit und Groll, mehr Liebe zum Herrn und zu den Menschen, größeres

Vertrauen zu Gott, entstehen im einfachen, nicht "torontogesegneten" Gläubigen nur durch

Buße und Vergebung, durch Hingabe, Heiligung und Gehorsam. Das aber kostet viel Zeit

und Mühe.

Letztlich will man unbewußt nicht mehr durch Glauben wandeln, sondern durch Schauen

(2. Kor. 5, 7).

Das vielleicht Schlimmste an der Suche nach dem geistlichen "Kick" ist die Gefahr der

Sucht. Ähnlich wie bei der Drogensucht braucht man immer höhere Dosen, immer

intensivere Erfahrungen. Die Frage ist: was kommt nach dem sog. TS? Während ein

amerikanischer Befürworter der TB noch vor etwa einem Jahr absolut sicher war: "Dies ist

keine Heimsuchung von kurzer Dauer ... " (TS 117), sagte mir kürzlich ein Bekannter, der

gute Verbindungen zu Pfingst- und charismatischen Kreisen hat, dort sei der TS

mittlerweile fast kein Thema mehr. Auch Jürgen Tibusek vermutet, "daß auch hier die

Begeisterung in nächster Zeit abebben wird. " (GUS 105)

5.3 Fazit

Nach alledem kann ich in der TB beim besten Willen keine "neue Ausgießung des

Heiligen Geistes" sehen (so etwas kann es m.E. überhaupt nicht geben), keine

Erweckung und auch keine Vorstufe dazu, sondern eine satanische Verführung.

Wir würden dem Teufel allerdings zuviel Ehre geben, wenn wir alles, was in der TB

geschieht, auf dämonisches Wirken zurückführen würden; m.W. tut dies auch niemand

(obwohl Jürgen Tibusek dies Alexander Seibel unterstellt - GUS 87). Die Phänomene der

TB lassen sich z.T. durchaus auf psychische Wirkungen wie Massensuggestion und

psychische Manipulation zurückführen. Jürgen Tibusek beobachtete z.B. einmal, wie ein

Mann sich beim Umfallen noch den Pullover zurechtzupfte (GUS 112f).

Diese psychischen Wirkungen stehen vermutlich hinter einem großen Teil der sog.

"Manifestationen des Heiligen Geistes", wobei der Teufel aber auch diese Wirkungen

benutzt, um Gläubige zu verführen. Mit Sicherheit hat der Widersacher Gottes aber auch

direkt seine Finger mit im Spiel. So berichteten Gläubige, daß die Phänomene aufhörten,

nachdem sie ihnen (wohl im Namen Jesu) geboten hatten. Andere sagten, daß, nachdem

sie den Herrn um Schutz während dieser Versammlung gebeten hatten, jeder, der versucht

habe, ihnen die Hände aufzulegen, davon abgehalten wurde (Leserbrief an idea-spektrum,

in: id 27/94, S. 65). Ich selbst habe bei der Ausarbeitung dieses Referates Erfahrungen

gemacht, die ich nur als Anfechtungen Satans verstehen kann.

Trotz allem möchte ich aber auch nicht ausschließen, daß unser großer, souveräner Gott

hier und da auch aus Erlebnissen in der TB etwas Gutes, Segensreiches machen kann.

Seite 24 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

6. KONSEQUENZEN

Jürgen Tibuseks Beurteilung der TB endet mit folgenden Sätzen:

Die neue Bewegung zeigt ein Vakuum in vielen Gemeinden deutlich auf.

Wir rechnen oft nicht mehr mit konkretem Handeln Gottes unter uns. Wir haben die auch

zum Menschsein gehörenden Gefühle häufig aus unserem verkopften Gemeindeleben

ausgeklammert. Wir sind in Formen und Traditionen ... erstarrt und erlauben keine

Änderung. Es nutzt herzlich wenig, nur vor überzogener Hinwendung zu Emotionen zu

warnen. Es ist entscheidend, wieder einen gesunden, bibelgemäßen Umgang mit ihnen zu

lernen. (GUS 199f)

Diese Mahnungen sind gewiß bedenkenswert, und auch wir sollten an dieser Stelle nicht

nur Kritik an anderen üben, sondern auch bereit sein, uns selbst kritisch zu hinterfragen.

Wir würden aber entschieden zu weit gehen, wenn wir meinten, die Entstehung von

Zeitströmungen wie der TB werde hauptsächlich durch geistliche Defizite in unseren

Gemeinden hervorgerufen. In unserer Gemeinde in Rüsselsheim haben wir vor einigen

Jahren die schmerzliche, aber doch wertvolle Erfahrung gemacht, daß es manchmal nicht

möglich ist, bestimmte Gemeindeglieder, ja selbst tüchtige und fleißige Mitarbeiter in

unserer Gemeinde zu halten, ohne uns an unbiblische Strömungen anzupassen und damit

einen Teil der eigenen geistlichen Identität zu verlieren und diesen Tendenzen Tür und Tor

zu öffnen.

Hier erhebt sich eine wichtige Frage: was kann unsere Geschwister vor einer Anfälligkeit

gegen solche Strömungen schützen? Ich möchte darauf vier Antworten geben:

· Eine gute Kenntnis des Wortes Gottes

· Ein Bewußtsein unseres geistlichen Reichtums in Christus

2. Pet. 1, 3:

Da seine göttliche Kraft uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt hat durch

die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch seine eigene Herrlichkeit und Tugend,

ja, darum brauchen wir keine besonderen Erlebnisse und Segnungen, um geistlich

wachsen und unserem Herrn dienen zu können.

· Die Bereitschaft, im schlichten Glauben und Vertrauen zu leben und nicht im

Schauen (Erleben)

· Wirklich biblische Gemeindestrukturen

Mir scheint, daß das weithin übliche pastorale Einmann-System, in dem der Pastor mehr

oder weniger den ganzen Verkündigungsdienst tut und de facto die höchste und fast

einzige wirkliche Autorität in der Gemeinde ist, die Verbreitung der TB sehr gefördert hat.

Mehrere Pastoren sind in die TB geraten, weil sie ausgebrannt waren und sich nach einer

geistlichen Erfrischung sehnten, und aus diesem Grund reisten sie nach Toronto,

empfingen den sog. TS und brachten ihn in ihre Gemeinden mit. Eine Gemeinde, in der die

Leitungsverantwortung auch in der Praxis nicht von einem, sondern von mehreren wirklich

gestandenen Brüdern getragen wird, kann nicht so leicht für eine fragwürdige Sache wie

den TS gewonnen werden, wie das anscheinend oftmals der Fall ist.

Als Hirten unserer Gemeinden, die einmal vor Gott über ihren Dienst werden

Rechenschaft ablegen müssen, sollten wir aber nicht nur darauf bedacht sein,

Seite 25 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

unsere Gemeinden vor falschen Lehren und Strömungen zu bewahren. Wir sollten

auch sowohl im Hinblick auf uns selbst, als auch auf unsere Gemeinden nie

aufhören, uns nach mehr Nähe zu unserem Herrn, mehr geistlichem Wachstum und

danach auszustrecken, daß Er sich noch mehr an uns und durch uns verherrlichen

kann.

LITERATURVERZEICHNIS

Bartl, Werner:

Hinter den Kulissen, 4. Auflage 1995, zu beziehen beim Verfasser

(Postfach 111, A-4030 Linz

Bühne, Wolfgang:

Die "Propheten" kommen, CLV, 2. Auflage 1995

Chevreau, Guy:

Der Toronto-Segen, Projektion J 1994

Bezeichnung im Text des Referats: TS

idea-Dokumentation Nr. 27/94

Umstrittener Toronto-Segen

herausgegeben vom Informationsdienst der Deutschen Evangelischen Allianz,

Postfach 1820, 35528 Wetzlar

Bezeichnung im Text des Referats: id

idea-Dokumentation Nr. 10/95

Gottes Geist oder Gotteslästerung?

herausgegeben vom Informationsdienst der Deutschen Evangelischen Allianz,

Postfach 1820, 35528 Wetzlar

Bezeichnung im Text des Referats: id

Kopfermann, Wolfram:

Macht ohne Auftrag, C & P 1994

Tibusek, Jürgen:

Gottes umwerfender Segen, Brunnen 1995

Bezeichnung im Text des Referats: GUS

ZEITSCHRIFTEN:

Die Botschaft, Monatszeitschrift der Brüdergemeinden,

herausgegeben vom R. Brockhaus Verlag, Wuppertal

idea-spektrum

Postfach 18 20, 35528 Wetzlar

TOPIC

herausgegeben von Ulrich Skambraks, Postfach 1544, 57206 Kreuztal

EINZELNE ARTIKEL IN ZEITSCHRIFTEN:

Seibel, Alexander:

Was ist der "Segen von Toronto?", in: "Licht und Leben" Nr. 1/95

Seite 26 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

1 In der Aussprache über dieses Referat wurde darauf hingewiesen, daß Dr. Heinrich Christian Rust

kein Befürworter der TB ist und sich inzwischen von dieser Argumentation distanziert hat.

Seite 27 von 27 Haupttext

30.12.2002 file://D:\Dateien\Homepage\NEU\Toronto.htm

 

Tim,

Deine Erfahrungen decken sich tatsächlich mit dem, was ich damals in den Büchern über die Toronto-Bewegung gefunden habe. Wie lange ist das eigentlich her? Mich würde interessieren, ob es in der Toronto Airport Gemeinde immer noch so hoch hergeht. Hier hört man so gut wie nichts mehr von dieser Bewegung, die vor ca. zehn Jahren mit großem Trara als der Beginn einer großen, weltweiten Erweckung angekündigt wurde - wieviele "Erweckungen Charismatiker schon angekündigt haben!

 

 

Ich selbst habe das "Erschlagensein im Geist" nur einmal beobachtet in einer charismatischen Gemeinde in Wiesbaden, die ich einmal aus Neugier besucht habe. Da war es aber vergleichsweise "zahm": Nach dem Gottesdienst wurden die Mitarbeiter der Gemeinde nach vorne gerufen, ohne daß gesagt wurde, was man mit ihnen vorhatte. Dann wurde gebetet und sie wurden angepustet, und die meisten fielen um - manche mußten aber noch etwas geschubst werden.

 

 

Interessant ist an Deinem Bericht auch, daß es u.a. Deine Bibelkenntnis war, die Dich davor bewahrt hat, auf die Sache hereinzufallen und sie als ein Wirken des Heiligen Geistes zu betrachten. Ich vermute, wir haben alle eingebaute "geistliche Alarmglocken", die schrillen, wenn wir auf geistliche Verführung stoßen; aber wenn wir nicht im Wort Gottes gegründet und verwurzelt sind, dann neigen wir manchmal dazu, den Alarm abzustellen und uns mitreißen zu lassen.

 

 

Liebe Grüße

Detlev Fleischhammel