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Frage 1177
Lieber Bruder
Wenn Sie jemand fragt: „Wie willst du vor Gott gerecht sein und in das
Himmelreich eingehen?", was antworten Sie dann? Sagen Sie: „Indem ich an Jesus
Christus glaube“? Aber der Frager möchte Genaueres wissen, weil gar so viele
Menschen von sich behaupten, dass sie an Jesus Christus glauben. Das wissen Sie
natürlich, und deshalb sagen Sie: „Jesus Christus starb für meine Sünden, Er hat
meine Sünden an das Kreuz des Gerichtes getragen, der Gerechte für mich
Ungerechten, und hat mich durch Sein Blut vor Gott gerecht gemacht.“ Aber der
Fragende setzt nach: „Ist das alles, genügt das? Musst du nicht auch etwas dazu
beitragen, durch ein gutes Leben, einen guten Willen, gute Werke? Denn wenn
Jesus Christus für alle Menschen gestorben ist und das zur Rettung und zum
ewigen Leben genügt, dann würden folglich ja alle Menschen errettet werden.“ Sie
antworten: „Gleichwohl, das ist alles. Ich brauche nichts dazu zu tun und darf
es auch nicht, denn das wäre eine Beleidigung für Gott und würde das Opfer
Christi schmälern.“ Sie werden doch sicherlich nicht antworten: „Ja,
selbstverständlich, etwas muss ich selber tun: Ich muss mich zu Jesus Christus
bekehren, mich für Ihn entscheiden, ich muss meinen Willen zu Ihm aktivieren,
weil Gott mich als Person ja nicht übergeht und mich nicht gegen meinen Willen
rettet.“ Oder würden Sie das sagen?
Als Gotteskind wissen Sie: Durch Gnade bin ich errettet durch den Glauben, und
das nicht aus mir selbst, sondern Gottes Gabe ist es. (Eph. 2,8) Und: Gott ist
es, der in mir wirkt, sowohl das Wollen als auch das Wirken, nach Seinem
Wohlgefallen. (Phil. 2,13) Weiters: Das ist das Werk Gottes, dass ich an Den
glaube, Den Er gesandt hat. (Joh. 6,29) - Und indem Sie das glauben, glauben Sie
an die Erwählungslehre, und zwar bezogen auf Ihre Geburt aus dem Geiste.
Richtige und falsche Anwendung einer Lehre
Man kann eine Lehre, auch eine göttliche Lehre, richtig oder falsch anwenden.
Dazu ein Beispiel: Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die Römer (3,7,8):
Denn wenn die Wahrheit Gottes durch meine Lüge überströmender geworden ist durch
seine Herrlichkeit, warum werde ich auch noch als Sünder gerichtet? und warum
nicht, wie wir gelästert werden, und wie etliche sagen, dass wir sprechen: Lasst
uns das Böse tun, damit das Gute komme- deren Gericht gerecht ist.
Hier wird von Gegnern die von Paulus verkündete Lehre mißinterpretiert und
gegen ihn verwendet. Dasselbe geschieht mit der sogenannten Erwählungs- bzw.
Prädestinationslehre, die oft als eine calvinistische Lehre bezeichnet wird und
in ihrer mißinterpretierten Form dazu gebraucht wird, den Reformator Johannes
Calvin zu verfemen und dazu noch, Brüder in Christus mit bösen Verdächtigungen
zu belasten (sie seien verführt, gesetzlich irregeleitet, Irrlehrer usw.), und
das gar noch namentlich.
Zweck und richtige Anwendung der Erwählungslehre ist es, durch sie jede
Selbstgerechtigkeit des Menschen auszumerzen. Jeder aufrichtige gläubige Christ
wird wissen, dass Selbstgerechtigkeit die verschlagenste, am schwierigsten zu
entlarvende und zu beseitigende Sünde ist, die sich wie keine andere den Schein
der Frömmigkeit, auch der christlichen Frömmigkeit, zu verleihen vermag.
Was Sie da, lieber Bruder, offenbar in der Vorstellung, biblische Apologetik zu
treiben, in ihrer vermeintlichen Widerlegung „calvinistischer Lehre“ vorgebracht
haben, ruft bei mir Bestürzung und Trauer hervor. Wenn man biblische Apologetik
treibt, genügt es nicht, sich intensiv mit einer Thematik beschäftigt zu haben;
es kommt mindestens ebenso darauf an, in welcher Gesinnung man das tut und ob
überhaupt die notwendige Gabe des Heiligen Geistes und damit auch der göttliche
Auftrag vorhanden ist, auf diese Weise tätig zu sein. Wenn man eine Lehre falsch
interpretiert und verzerrt wiedergibt, spricht das weder für eine lautere
Gesinnung noch für eine sachbezogene Gabe des Heiligen Geistes. Das Ergebnis
eines nicht von Gott autorisierten Wirkens zeigt sich dann gleichsam in
zerschlagenem Porzellan.
Ich kann der Zeit und des Umfangs wegen nicht auf alles eingehen, was Sie in
Ihrer Auseinandersetzung geschrieben haben. Hier gerade ein Beispiel: Sie führen
Luk.7,30 an und bringen diesen Vers in Beziehung bzw. in Gegensatz zur
Vorherbestimmung bzw. Erwählung, während es sich bei dem Ratschluss Gottes, von
dem an dieser Stelle die Rede ist , um den in Jes. 40,3 vom Heiligen Geist
bekannt gemachten Entschluss Gottes handelt, durch einen bestimmten Propheten
dem Messias den Weg zu bereiten. Hier zeigt sich wohl kein Hinweis auf die
Erwählung in Christus vor Grundlegung der Welt. Sie haben hier leider nicht
sauber gearbeitet, wie an so manchen anderen Stellen auch nicht.
Was Gott kann und was Gott will
Gott will, dass alle Menschen zu Ihm umkehren, denn Er gebietet aller Welt, Buße
zu tun. Das sehen Sie im Worte Gottes ebenso wie ich. Ich knüpfe nun an Ihr
Zitat von Offb. 22,17 an „ … und wen da dürstet, der komme; wer da will, nehme
das Wasser des Lebens umsonst.“ Sie gebrauchen diesen Vers offensichtlich in dem
Sinne, als würde er sich an alle lebenden Menschen richten, da sie mit ihm ja
die Erwählungslehre widerlegen wollen. Allerdings erwähnen Sie nicht, an welchen
Willen diese Worte appellieren. Sie werden ja doch hoffentlich nicht behaupten
wollen, diese Worte richteten sich an den Willen des Fleisches (Eph. 2,3). Da
muss ich Sie jetzt schon fragen, was für einen anderen Willen als den Willen des
Fleisches der natürliche Mensch (1.Kor. 2,14) denn noch hat. Was vom Fleische
geboren ist, das ist Fleisch (Joh. 3,6). Den Willen des Fleisches kann ja gar
nicht nach Gerechtigkeit dürsten - oder sind Sie da anderer Meinung? Man würde
Gott unterstellen, dass er die Menschen verhöhnt, oder - modern-salopp
gesprochen - verarscht, wenn man diese Einladung an den Willen des Fleisches,
also an den Willen des natürlichen Menschen richtet, der laut Feststellung von
Gottes Wort gar nichts von Gott vernehmen kann und sich gerade dadurch
kennzeichnet, dass er eben nicht dem Ruf des Evangeliums folgen will. Es kann
auch gar nicht anders sein und ist unzweifelhafte Lehre der Heiligen Schrift,
dass Gott durch Seinen Geist den Willen des Menschen erneuert, ihm einen neuen
Willen schenkt, der eben nicht Wille des Fleisches, sondern Wille des Geistes
ist. Wo lesen Sie im Worte Gottes, dass Gott allen Menschen diese Erneuerung des
Willens schenkt, mit anderen Worten: Wo lesen Sie in der Bibel, dass Gott allen
Menschen Buße zum Leben schenkt? Der betr. Vers sagt doch deutlich: wer da will;
richtet sich also nur an diejenigen, deren Wille Gott zur Buße und zum Glauben
erneuert (neugeschaffen) hat. Wie Sie diesen Vers im Kontext gegen den
„Calvinismus" anwenden, ist, gelinde gesagt, sehr oberflächlich, und diese
Oberflächlichkeit zieht sich leider durch Ihre ganze Abhandlung.
Nun wissen Sie eben so gut wie ich, dass nicht alle Menschen errettet werden.
Was wollen Sie auf die Frage antworten, warum das so ist? Weil diese Menschen
das Evangelium nicht geglaubt haben? Ja. Aber die Fragen gehen weiter: Warum
haben sie nicht geglaubt, andere Menschen aber schon? Warum haben einige
geglaubt? Haben Sie darauf eine Antwort? Gott hat uns eine Antwort in Seinem
Wort gegeben: ER hat es so gewollt und gewirkt. Es war Seine Entscheidung für
uns, nicht unsere für Ihn. Und warum haben die anderen nicht geglaubt? Da muss
ich mit Charles Haddon Spurgeon sagen: Ich weiß es nicht, Gott hat uns das nicht
offenbart, und was Gott nicht offenbart hat, können wir über Ihn und Seine Wege
nicht wissen. Ich danke Gott für tausend Dinge, die ich nicht weiß. - Sie
scheinen mir „zu viel zu wissen“, Bruder Streitenberger, beklemmend viel. Die
Antwort darf nicht sein: weil Gott sie wohl retten wollte, es aber wegen ihres
Unwillens nicht konnte. Wir dürfen keine solchen Lehren oder Folgerungen unserer
Vernunft über Gott aufstellen, wenn uns Gott die Antwort auf unsere Frage nicht
gegeben hat, andernfalls muss uns das Wort Gottes zu Eliphas gelten: Mein Zorn
ist entbrannt wider dich und wider deine beiden Freunde; denn nicht geziemend
habt ihr von mir geredet wie mein Knecht Hiob. (Hiob 42,7)
Vor die Wahl gestellt, entscheide ich mich für die Lehre, die deutlicher und
entschiedener gegen die so verderbliche Selbstgerechtigkeit des Menschen
gerichtet ist, und verwerfe jede Lehre, die vorne am Tor der Selbstgerechtigkeit
den Eingang versagt, ihr aber dann unauffällig eine Hintertüre öffnet. Wenn Sie
Calvin auch noch so abkanzeln, Sie werden ihm schwerlich einen solchen Vorwurf
machen können, und Ihre Abhandlung weist auch keinen solchen Vorwurf auf. Das
mag bezeichnend und vielsagend genug sein.
Ich zitiere abschließend noch Charles Grandison Finney aus Albert Lüschers
Schrift „Zur Herrlichkeit erwählt, berufen und bewahrt“):
„Es gab Zeiten, da ich beinahe zu dem Schluss kam, dass die Lehre der Erwählung
nicht wahr sei. Aber ich war nie in der Lage, einen befriedigenden Grund für die
Zurückweisung dieser Lehre zu geben. Ich habe gewisse Tatsachen beobachtet, die
mich dazu führten, ernsthaft an der gesunden Lehre der Erwählung zu zweifeln.
Aber je mehr ich prüfte, desto mehr fand ich mich unfähig, die Verleugnung
dieser Lehre mit der Heiligen Schrift in Einklang zu bringen.“
Wenn Sie Finney’s Autobiografie gelesen haben, wissen Sie, was diese Worte
bedeuten und welch ein Gewicht sie haben.
Ich grüße Sie freundlich mit Jak. 3,1-2 und 4,11-12
Helmut Jörg Egger
8.11.03
Lieber Helmut Egger,
im Folgenden würde ich gerne in einigen Punkten antithesenhaft auf einige Bemerkungen zur Schrift über den Calvinismus eingehen:
1) Eine Gegnerschaft zur Calvinistischen Erwählungslehre geht nicht mit Selbstgerechtigkeit einher
Helmut Egger schrieb: „Zweck und richtige Anwendung der Erwählungslehre ist es, durch sie jede Selbstgerechtigkeit des Menschen auszumerzen“
Vorab sei bemerkt, dass die Heilige Schrift sehr wohl eine „Erwählungslehre“ beinhaltet - jedoch nicht die Lehre, wonach Gott einige Ungläubige zur Wiedergeburt bzw. zum Heil erwählt hat, sondern vielmehr nach Eph 1,3ff eine Erwählung Gläubiger zur Heiligkeit und Tadellosigkeit.
Der Vorwurf, dem man sich von Vertretern der calvinistischen Erwählungslehre ausgesetzt sieht, zielt meist darauf ab, dass man humanistisches Gedankengut vertreten würde und dem Menschen Fähigkeiten zugesteht, die er nicht angeblich nicht hat – etwa dem Evangelium zu glauben, wenn es an ihn gerichtet wird.
Die Gegnerschaft zur Selbstgerechtigkeit ist wohl allen echten Christen gemeinsam. Jedoch ist es unmöglich mit einer Erwählungslehre, die nicht auf Gottes Wort zurückzuführen ist, dagegen vorzugehen.
Der Glaube an das vollkommene Erlösungswerk Jesu ist gerade das Eingeständnis der eigenen Ungerechtigkeit vor Gott und die Flucht zur rechtfertigenden Gnade von Golgatha. Wer diese Gnade durch Unglauben abweist geht auf eine ewige Trennung von Gott in der Hölle zu – nicht weil Gott ihn im Sinne des Calvinismus vorweltlich vom Heil ausgeschlossen hätte, sondern weil er das Heil in Jesus Christus abweist:
2Thes 2,10 „die verloren gehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, durch die sie hätten gerettet werden können.“
2) Gottes Wirken/Ratschluss kann - durch Unglauben - widerstanden werden
Durch die Erwähnung von Luk 7,30
(„die Pharisäer aber und die Gesetzesgelehrten haben
den Ratschluß Gottes für sich selbst wirkungslos gemacht, indem sie sich nicht
von ihm taufen ließen.“) in meiner Ausarbeitung soll
gezeigt werden, dass dem Ratschluss Gottes widerstanden werden kann. Dadurch
soll durch ein Gegenbeispiel die Lehre der Unwiderstehlichkeit in Gottes Wirken
begegnet werden. Der Dienst des Johannes sollte ALLE zum Glauben und zur Umkehr
führen (Joh 1,7 „Dieser kam
zum Zeugnis, um zu zeugen von dem Licht, damit alle durch ihn glaubten.“)
Ebenso wird dem Willen Gottes widerstanden, der will,
dass jeder Mensch gerettet wird, indem Menschen das Evangelium ablehnen.
3) Der Vorwurf der unlauteren Gesinnung durch Falschinterpretation des Calvinismus muss belegt werden
Helmut Egger
schrieb: „Wenn man eine Lehre falsch interpretiert und verzerrt wiedergibt,
spricht das weder für eine lautere Gesinnung noch für eine sachbezogene Gabe des
Heiligen Geistes.“
Ich habe vor der Abfassung der Gegenthesen zum Calvinismus sehr viel Literatur
verarbeitet (Calvin, MacArthur etc.). Sollte dennoch eine Fehlinterpretation
bemerkt worden sein, ist ein entsprechender Beleg notwendig.
4) Die Aufforderung zum Glauben an Christus richtet sich an Ungläubige
Die Beweisführung wonach Gott bereits wiedergeborene Menschen – etwa in Offb 22,17 – rufen würde ist nicht belegt. Apg 16,30 widerlegt diese Sicht und zeigt, dass Ungläubige zum Glauben gerufen werden.
Apg 16,30 „Und er führte sie
heraus und sprach: Ihr Herren, was muß ich tun, daß ich errettet werde ? 31 Sie
aber sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und
dein Haus.“
5) Gott hat nicht gewollt oder gewirkt, dass nur manche Menschen gerettet werden
Christus hat ein vollkommenes Erlösungswerk vollbracht – Gott versöhnte dadurch die Welt mit sich selbst - , daher will Gott, dass jeder Mensch zu Christus kommt und gerettet wird. Gott würde sich völlig widersprechen, wenn er einerseits die Rettung aller Menschen will (2.Pet 3,9), anderseits dann nur einigen „unwiderstehlich“ den Glauben zugesteht und die übrigen mit dem Heil übergeht (Calvinismus).