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Tragkraft
Auf dem Bahnhof unsres Ortes
einsam auf der Bank ich saß
um die Wartezeit zu kürzen,
ich in einem Buche las.
Dann und wann hob ich die Blicke,
viel zu sehen gab's nicht hier,
nur ein leerer Güterwagen
stand auf dem Geleis vor mir.
Doch auf einmal blieb mein Auge
daran haften wie gebannt:
"Tragkraft hundertdreißig Zentner",
hieß es an des Wagens Wand.
Und die harmlos kurze Aufschrift
schreckte mich aus meiner Ruh',
eine Frage mich durchzuckte:
"Wieviel Tragkraft, Herz, hast du?"
Wieviel Tragkraft für des Lebens
Kampf und Müh' und Not und Leid?
Wieviel Tragkraft für den Nächsten,
wenn er strauchelt, wenn er fällt?
Da wurd' es in den Minuten
ernster Selbstprüfung mir klar,
wie oft Mangel meiner Tragkraft
Ursach' meinses Strauchelns war.
Aus der Tiefe meines Geistes
stieg ein Seufzer himmelwärts:
"Vater, rüste aus mit Tragkraft
Deines Kindes schwaches Herz"
Verfasser unbekannt