Scan im Dezember
2004, hpw
Laodicäa |
Siebenter VortragLaodicäa.
- Es war meine Absicht, unsre
Betrachtungen über die sieben Sendschreiben am vorigen Abende zu Ende zu
bringen. Doch bedaure ich nicht, daß die Zeit dazu nicht ausreichte, denn ich
fühle tief die Wichtigkeit dieses letzten Sendschreibens an Laodicäa, das uns
noch einmal Gelegenheit geben wird, einen Rückblick zu werfen auf das,
was wir an der Hand des Zeugnisses des göttlichen Wortes in Bezug auf die
Ankunft des Herrn Jesu Christi bereits betrachtet haben. Wir sehen in diesem
Sendschreiben, daß die Versammlung in Laodicäa mit einem endgültigen und
vollständigen Gericht bedroht wird, dem zu entgehen unmöglich ist. Indessen
hat das Böse in ihr noch nicht seinen höchsten Gipfelpunkt erreicht; denn in
diesem Falle würde völlig nutzlos sein, sie zu warnen. Wie an die sechs
vorhergehenden Versammlungen, so wird auch an Laodicäa das Wort gerichtet
als an eine Versammlung Gottes, d. h. sie befindet sich vor Gott in der
Stellung eines von Ihm anerkannten Zeugnisses gegenüber der Welt; und als
solche wird sie mit der Verwerfung bedroht. Dies ist im Blick auf
andre Teile der heiligen Schrift von Wichtigkeit. Wir finden hier nicht die
Geschichte bereits erfüllter Tatsachen, sondern es wird in warnender und
drohender Weise etwas angekündigt,
was sich noch vollziehen soll; das Sendschreiben trägt mithin
einen prophetischen Charakter. Und in Übereinstimmung mit dem richterlichen
Gepräge des ganzen Buches der Offenbarung finden wir auch in den Sendschreiben
an die Versammlungen das Gericht über die bekennende Kirche, entsprechend der
Stellung, welche sie vor dem Auge Gottes einnimmt. Hier möchte ich noch einmal
daran erinnern, daß es sich hier nicht um das Werk der Gnade Gottes, als
solches, handelt; auch ist nicht von Christo, dem Haupte des Leibes, als der
Quelle der Gnade für Seine Glieder, die Rede, noch endlich von dem Werke des
Geistes Gottes; denn dieses kann nie ein Gegenstand des Gerichts sein. Was hier
vorgestellt wird, ist der Zustand der Kirche, welche auf dem Boden der
Verantwortlichkeit vor Gott steht, sowie die daraus hervorgehenden Wege,
welche Er sie in der Hoffnung auf Frucht führt.Ferner sind diese Sendschreiben
nicht an Einzelne, sondern an ganze Versammlungen gerichtet; dennoch enthalten
sie vieles höchst Wichtige für jene einzelnen Personen, deren Ohr durch die
Belehrung des Heiligen Geistes geöffnet
ist. So sind die Verheißungen
an die
Einzelnen gerichtet, an den, der überwindet inmitten schwieriger
Umstände; im Ganzen aber hat der Herr es mit der Gesamtheit zu tun. Es handelt
sich daher nicht um die Darreichung des Geistes der Gnade von Seiten des
Hauptes, noch um die Unterweisungen des Geistes der Liebe von Seiten des
Vaters, der sich an die Kinder im Hause wendet; denn dieses würde voraussetzen,
daß sich die Kirche in einem gesunden und Gott wohlgefälligen Zustande befände,
so daß sie Anweisungen empfangen könnte,
die diesem Zustande, sowie dem Zwecke, zu welchem sie in die Stellung der
Kirche berufen ist, entsprächen. Das was wir in dem Sendschreiben an Laodicäa
finden, läßt sich nicht auf Einzelne anwenden. Wohl können Warnungen an Einzelne
in der Versammlung Gottes gerichtet werden,
während „der Törichte hindurch geht und Strafe leiden wird;" aber hier
finden wir nicht einfache95
Warnungen,
sondern es wird ein völliges Hinwegtun angekündigt, und dies kann sich nie auf
die Heiligen Gottes beziehen. „Weil du lau bist und weder kalt noch warm, so
werde ich dich ausspeien aus meinem Munde." Es ist das Hinwegtun des äußeren,
bekennenden Körpers, welcher als solcher den Namen „Kirche" trägt.„Und dem
Engel der Versammlung, die in Laodicäa ist, schreibe: Dieses sagt der
Amen, der treue und wahrhaftige
Zeuge, der Anfang
der Schöpfung Gottes."
Der Charakter, welcher Christo hier beigelegt
wird, ist
bemerkenswert. In den letzten drei Sendschreiben sahen wir, daß Christus, wenn
man so sagen darf, jene Charakterzüge bei Seite ließ, unter welchen Er im
ersten Kapitel vor unsre Augen trat, und wir fanden, daß stets eine neue und
besondere Offenbarung von Ihm gegeben wurde, je nach den Umständen der
Versammlung, an welche sich das Sendschreiben richtete. Es sind nicht
dieselben Charakterzüge, -welche Johannes im Gesicht erblickt hatte und die
mit den Dingen, die er „gesehen," in Verbindung standen, sondern es handelt
sich um „das, was ist;" und dieses befindet sich in einem neuen Zustande,
verschieden von demjenigen, in • welchem es einst, in seinem
ursprünglichen Verhältnisse mit Christo,
war. Demzufolge wird auch Christus in einer neuen, den Bedürfnissen der
Versammlung angepaßten Weise geoffenbart.In
Philadelphia wurde Christus nicht unter demselben Charakter gekannt,
wie in Thyatira - als „Sohn über Sein Haus;" es mußten jener
Versammlung für ihre besonderen Bedürfnisse neue Charakterzüge geoffenbart
werden. Von dieser Zeit an, ja schon seit der Zeit des völligen Abweichens der
Kirche von ihrer ursprünglichen Stellung wird ihr das Kommen des Herrn vor
Augen gestellt. Die Heiligen konnten hinfort nicht mehr auf die
Wiederherstellung der Kirche, als eines bekennenden Ganzen hoffen, und
deshalb wird ihnen das Kommen des Herrn als ihre einzige Zuflucht
vorgestellt, damit der treue Überrest Ihn erwarten und in Christo, wenn
auch alles wich, das finden möchte, was er nötig hatte als Stützpunkt und als
Gegenstand seines Vertrauens. Diejenigen,
welche persönlichen Glauben an Jesum hatten, konnten dem
allgemeinen Strome der Gedanken der Kirche nicht folgen; würden sie es
getan haben, so hätten sie sich mit Jesabel oder mit Sardes auf eine Linie
gestellt, welch letzteres den Namen hatte, daß es lebe, in Wirklichkeit aber
tot war. Der Glaube bedarf einer besonderen Stütze, wenn der Gläubige vor
den Versuchungen der „Synagoge Satans" bewahrt bleiben soll. Die
gewöhnliche Gnade genügt, solange sich die
Kirche an ihrem richtigen Platz
befindet; sobald sie denselben aber
verläßt, wird eine
außergewöhnliche
Gnade nötig, um die Gläubigen
aufrecht zu erhalten. Wo ein Jesabel-Zustand vorhanden ist, da reicht der
gewöhnliche Glaube nicht aus; Christus und die Lüge können nicht
zusammengehen. Auch wenn die Kirche den Namen hat, daß sie lebe, während sie
tot ist, muß ich etwas Besonderes haben, um das Leben in mir zu
erhalten. Mag es sich deshalb handeln um die verführerische Jesabel*),
um das verderbliche Babylon, oder um Laodicäa, das nahe daran ist,
aus dem Munde des Herrn ausgespieen zu*) Jesabel ist die Quelle des
Bösen innerhalb der Kirche; Babylon verdirbt die Welt; Laodicäa selbst
wird als wertlos ausgespieen.96
werden, so
kann ich mich mit dem moralischen Zustande der Dinge nicht zufrieden geben,
und ich werde einer besonderen Gnade bedürfen, die diesem Zustande
entspricht, (der übrigens nur durch ein geistliches Herz richtig beurteilt
wird) weil er nicht das naturgemäße Verhältnis
zwischen Christus und der Versammlung, als solcher, ist. Selbstredend
bedürfen wir zu allen Zeiten der erhaltenden und unterstützenden Gnade
Gottes; ein jeder von uns weiß, daß wir ohne dieselbe nicht
einen Schritt tun können. Wir alle haben diese Gnade nötig.
Wenn aber das, was den Namen der Kirche Gottes trägt, dem Fluche nahe
ist und im Begriff steht, ausgespieen zu werden, dann ist ein doppeltes Maß
und ein besonderer Charakter der Gnade notwendig, um die Getreuen auf dem
schmalen und oft einsamen Pfade aufrecht zu erhalten, auf dem zu wandeln sie
berufen sind. Und bemerken wir hier daß, wenn die Dinge bis zu dem
philadelphischen Zustande gediehen sind, wo wenig Kraft vorhanden ist, aber
das Wort Christi bewahrt und Sein Name nicht verleugnet wird - daß dann die
Ankunft des Herrn zum Tröste der Getreuen eingeführt und mit dem
bisherigen Gegenstand, der Kirche, abgebrochen wird. Denn obwohl in
Laodicäa die bekennende Kirche der Form nach noch besteht, so ist sie doch
endgültig verworfen, und es wird bedingungslos erklärt, daß 'Christus sie
aus Seinem Munde ausspeien werde. Das Gericht ist noch nicht vollzogen,
aber es ist gewiß und wird auch als gewiß betrachtet. Der
Grund, weshalb
nach
Philadelphia das Kommen des
Herrn nicht mehr erwähnt
wird, ist der, daß jede Hoffnung für das Ganze
moralisch verschwunden und alles ein Gegenstand des Gerichts
geworden ist, sodaß der Herr sich in Laodicäa als
draußen
stehend darstellt: „Siehe, ich stehe
an der Tür und klopfe an." Wenn es noch Heilige innerhalb gibt, so kommt für
sie doch das Zeugnis von draußen, d. h. von außerhab des Schauplatzes, zu dem
sie gehören. In Philadelphia beschäftigt sich der Herr nicht mehr mit den
Heiligen in der Absicht, sie in einem Platze des Zeugnisses zu erhalten; denn
die bekennende Kirche befand sich entweder in dem Zustande des Verderbens (Jesabel)
oder in demjenigen des Todes (Sardes), sodaß sie gleich der Welt gerichtet
werden muß. Nur der Überrest besaß das Zeugnis, indem er das Wort des
Ausharrens Christi bewahrte, und er wird getröstet durch die Zusicherung,
daß Christus bald kommen werde. Bis dahin sollen die Getreuen zufrieden sein
mit dem Bewußtsein, daß die Synagoge Satans alsdann erkennen würde, daß Christus sie
geliebthabe.In der
Versammlung zu Philadelphia wurde der Ankunft Christi der ihr gebührende Platz
gegeben. Vom Gesichtspunkt der Kirche aus kommt Christus für
sie. Er sagt: „Ich komme für
euch," und es ist die Hoffnung der
Versammlung, Ihn
selbst zu sehen.
„I h r
und i c h", so sagt Er gleichsam, „wir müssen zusammen sein." Dies bildet den
besonderen Charakter der Hoffnung der Kirche und ihrer vollendeten Freude.
Deshalb sagt der Herr in Offenb. 22, nachdem die ganze
Prophezeiung vollendet ist: „Ich, Jesus,
habe gesandt meinen Engel, um euch dieses zu bezeugen in den
Versammlungen. Ich bin der glänzende Morgenstern;" und sobald Er Selbst Sich
so vorstellt, wird der Ruf wach: „Komm!"*)
„Der
Geist,
und
die
Braut sprechen:*) Wenn Er die Welt warnt, so
sagt Er nicht: „Siehe, ich komme bald."97
Komm!" und dann antwortet Er mit
der tröstlichen Versicherung: "Ja, ich komme bald!" worauf die Versammlung
wieder Ihm entgegenruft: „Amen; komm, Herr Jesu!"Hieraus geht deutlich hervor, daß
die Ankunft des Herrn zur Aufnahme der Versammlung eine Begebenheit ist
zwischen Ihm und ihr allein. Nicht so wird es mit dem Überrest
Israels sein; denn um diesen in seinen
Platz auf der Erde einführen zu können, ist die Ausübung des Gerichts
notwendig. Und in der Tat wird das Kommen des Herrn
auf die
Erde von der Ausübung des Gerichts
begleitet sein, indem „alle Ärgernisse und die das Gesetzlose tun, aus Seinem
Reiche zusammengelesen werden." Die Befreiung des Uberrests Israels erfordert
es, daß die Ankunft des Herrn mit der Vollziehung dieses Gerichts verbunden
ist, denn es ist unmöglich, daß Israel seiner Segnungen teilhaftig werde, bevor
dieses Gericht stattgefunden hat. Dies erklärt uns das Schreien nach Rache, das
wir durchgehend in den Psalmen finden, wie z. B. in Psalm 94: „Du Gott der
Rache, Jehova, Du Gott der Rache, brich hervor mit Deinem Glänze!" Für uns
braucht keine Rache geübt zu werden,
um uns in den Genuß der Segnungen mit Christo einzuführen; Gott hat uns in jeder
Hinsicht Gnade zu Teil werden lassen,
und wir haben es nur mit der Gnade zu
tun, Ich harre nicht auf den Herrn, damit Er komme und mich an meinen Feinden
räche, sondern ich erwarte Ihn, um Ihm in der Luft entgegengerückt zu werden,
Wo auch immer in der Schrift der Ruf nach Rache in Verbindung mit der Ankunft
des Herrn auf der Erde sich findet, da ist es nicht die Sprache der Versammlung
Gottes, sondern diejenige des Überrestes Israels. So lesen wir auch in
ps. 68, 23: „Auf daß du tauchest
deinen Fuß in Blut, die Zunge deiner Hunde in das Blut deiner Feinde." Solche
Gedanken beschäftigen meine Seele nicht, wenn ich an die Begegnung mit Jesu in
der Luft denke. Hat mein Herz sich, durch die Gnade, der
Gnade des Lammes übergeben, so stehe
ich in keinerlei Verbindung mit dem, was dem
Zorne des Lammes ausgesetzt sein wird. E r ist es, den ich erwarte, und
zwar einzig und allein um Seiner Selbst willen. Ferner lesen wir in Jes. 60, 12,
wo die Zeit der kommenden Segnungen Israels beschrieben wird: „Die Nation und
das Königreich, die dir nicht dienen wollen, werden untergehen," während von dem
neuen Jerusalem gesagt wird: „Die
Blätter des Baumes sind zur Heilung
der Nationen." (Offb. 22.) Israel ist der Schauplatz der gerechten Gerichte Gottes, die Versammlung dagegen
derjenige Seiner unumschränkten Gnade;
und diesen Platz verläßt sie nie, denn niemals schreit sie, als Versammlung,
nach Rache. Wohl wird sie die Gerechtigkeit der Rache sehen, wenn Gott das Blut
derer, die gelitten haben, rächen wird, und sie wird sich freuen, daß das
Verderben weggetan ist; aber ihr wahres Teil besteht darin, bei Christo zu sein.
Die Erde wird durch das Gericht befreit werden; unser Teil aber ist es, dem
Herrn in der Luft zu begegnen und allezeit bei Ihm zu sein.Nachdem der Versammlung von
Philadelphia das Kommen des Herrn, als das ihr zugehörige Teil, angekündigt
worden ist, wird diese gesegnete Hoffnung nicht mehr erwähnt. Wir finden deshalb
in dem Sendschreiben an die Versammlung in Laodicäa nichts, was sich auf
die Ankunft des Herrn bezöge, wiewohl diese
immer wahr bleibt;98
allein sie wird dieser Versammlung
nicht vor Augen gestellt. Hier handelt es sich um etwas anderes; es
tritt der prophetische Charakter mehr hervor, indem der Herr von dem
redet, was als Gericht über Laodicäa kommen wird. Er steht im Begriff, die
Kirche selbst zu richten. Indessen dürfen wir nicht vergessen, daß es
stets die bekennende
Kirche ist, von welcher Er redet - das, was den Platz der Kirche Gottes, als das
Zeugnis für Gott in dieser Welt einnimmt. Beachten
wir auch den besonderen Charakter, mit dem sich Christus
hier bekleidet. Wenn die Kirche, dieses Gefäß des Zeugnisses für Gott, döm Herrn
zum Ekel geworden und von Ihm beiseite gesetzt ist, dann erscheint der Herr
selbst als „der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge," und zwar nicht so
sehr in der Würde Seiner Person, so wie sie uns im ersten Kapitel beschrieben
wird, sondern als der „treue
und
wahrhaftige
Zeuge, der Anfang der Schöpfung
Gottes;" Er erscheint, um den Platz dessen einzunehmen, was als
Gottes Zeuge auf der Erde so ganz und gar seinen Zweck verfehlt hat.In der Epistel des Jakobus sehen
wir, daß wir (die Versammlung) nach dem
Willen Gottes „eine gewisse Erstlingsfrucht Seiner Geschöpfe" sein
sollen. Diesen Platz wird die Versammlung in der wiederhergestellten Schöpfung
einnehmen; doch schon jetzt ist sie berufen, ihren besonderen Platz zu haben,
indem sie die Erstlinge des Geistes besitzt. Aber in ihrer Stellung des
Zeugnisses betrachtet, hat sie ganz und gar gefehlt; sie hat diesen Platz der
Erstlingsfrüchte Seiner Geschöpfe nicht in der Kraft des Heiligen Geistes
festgehalten. Denn worin bestehen die Früchte des Geistes? „Die Frucht des
Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit,
Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit." (Gal. 5, 22.) Entdeckt man diese Früchte in
der bekennenden Kirche? Nein; und dies ist der Beweis, daß sie nicht diese
„gewisse Erstlingsfrucht" von Gottes Geschöpfen ist; sie nimmt den Platz
über dem gegenwärtigen Zustand der
Schöpfung oder der sie umgebenden
Welt durchaus nicht ein. Nehmen wir an, es käme jemand von China nach
London. Würde er wohl jene Früchte des Geistes in der bekennenden Kirche sehen?
Würde er nicht im Gegenteil überall dieselbe Habsucht, dieselbe Liebe zur Welt
finden, wie in seinem Vaterlande? Er könnte mit allem Recht ausrufen: „Ich kann
in China alles das tun, was auch die Christen in London (sogar
wahre Christen) tun, obwohl es in
London auf eine bessere und feinere Weise geschehen mag, als in meiner
Heimat." In der Tat geschieht das, was die
Namenchristen in London tun, auch in China, vielleicht mit etwas
weniger Bequemlichkeit für das
Fleisch, aber dem Herzen nach
eben so vollständig.Ich glaube nicht, daß die
bekennende Kirche schon zu der vollen Reife des schließlichen Zustandes von
Laodicäa gelangt ist; sonst würde es nutzlos sein, sie zu warnen. Gott hält noch
die Zügel in Seiner Hand und gestattet nicht, daß das Böse sich in seiner
vollendeten Gestalt entfalte. Dem Grundsatze
nach war das Böse eben so gut in Ephe-sus
vorhanden, sobald die Versammlung ihre erste Liebe verlassen hatte; aber
wir sehen es erst in seiner völligen Entfaltung in dem Zustande von Laodicäa,
wenn Christus das Ganze aus Seinem Munde ausspeit. Doch ich erinnere noch
einmal daran, daß es die bekennende
Kirche ist, welche so ausgespieen wird, nicht aber die Versammlung99des lebendigen Gottes, der Leib und
die Braut Christi. Auch besteht dieses Gericht nicht in dem bloßen
Wegtun
des
Leuchters; ein weit schrecklicheres
Gericht steht der bekennenden Kirche bevor. Wenn von ihr nicht mehr gesagt
werden kann: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt
bin," so sind sie, anstatt der Gegenstand der Wonne Christi zu sein, zu einem
Gegenstand des Abscheues für Ihn:
„Ich
werde
dich
ausspeien aus
meinem
Munde."Nichts
könnte ernster sein, als die Stellung, welche ein solches
Urteil von Seiten des Herrn über
die bekennende Kirche wachrufen wird. Wir finden hierin zugleich einen neuen,
beachtenswerten Beweis von der Aufeinanderfolge und dem im Bösen
fortschreitenden Charakter dieser Versammlungen. Abgesehen von den besonderen
Wirkungen der Gnade im Einzelnen, geht es mit der bekennenden Kirche immer
tiefer abwärts, bis sie endlich in einen Zustand gelangt, der den Herrn zwingt,
sie aus Seinem Munde auszuspeien - und dann wird die Tür im
Himmel aufgetan," und Johannes wird im
Geiste dahin entrückt. (Offenb. 4.) Hierauf beginnt das Gericht der Welt und die
Einführung des Eingebornen in Sein irdisches Erbteil.Sobald Laodicäa ausgespieen ist,
ist Gott zu Ende mit der Kirche, als einem Zeugnis, und Christus tritt als der
„treue und wahrhaftige Zeuge" Gottes an ihre Stelle. Er stellt sich als
derjenige dar, welcher das tut, was die Kirche hätte tun sollen. Christus ist
das große
Amen auf alle Verheißungen Gottes; die
Kirche hätte zeigen sollen, daß diese Verheißungen Ja und
Amen sind in Christo Jesu; aber sie
ist nicht fähig dazu gewesen; sie hat es unterlassen, ihr Amen auf Gottes
Verheißungen zu setzen. „Amen" bedeutet: Es geschehe! oder: es werde befestigt!
So lesen wir in Jes. 7, 9: „Wenn ihr nicht glaubt, werdet ihr nicht
befestigt werden." Für die Wörter „glauben" und „befestigen" ist im
Hebräischen beide Male das Zeitwort „amen" gebraucht. • Somit bedeutet jene
Stelle: Wenn ihr meine Verheißungen nicht bestätigt (d. i. nicht glaubt), werdet
i h r nicht bestätigt werden. Selbstredend ist es unmöglich, daß Gott Seinen
Ratschlüssen in Christo untreu werden könnte; deshalb wird die Versammlung, der
Leib Christi, mit ihrem Haupte in der Herrlichkeit sein. Handelt es sich aber um
das Zeugnis auf der Erde, so hat sicherlich die Kirche nicht durch ihr Verhalten
ihr Amen zu den Verheißungen Gottes in Christo gesagt. Sie war bestimmt, die
Kraft ihrer himmlischen Berufung zu offenbaren; allein sie hat in ihrem Wandel
dem, was Gott bestimmt hat, nicht entsprochen. Wir sehen sie nicht dieses
himmlische Zeugnis durch den Heiligen Geist ablegen, und da Gott nicht ohne
Zeugnis sein kann, so stellt sich Christus alsbald selbst als „der
Amen, der treue und wahrhaftige
Zeuge," dar - als derjenige, welcher alle Verheißungen und Weissagungen
besiegeln wird, und der als „der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der
Schöpfung Gottes," das große Amen auf alles setzt. Die bekennende Kirche ist
völlig in Verfall geraten; sie umschließt in ihren weiten Grenzen eine große
Menge von Personen, die nie bekehrt waren, die wohl den
Namen Christi tragen, ohne jedoch das
Leben Christi zu besitzen. Indessen
nahm der Abfall seinen Anfang in der wahren Kirche; durch sie wurde das
Verderben eingeführt, als sie ihre „erste Liebe" verließ. Die weitere Folge
war, daß die Welt hinein kam, wie Gott sagt: „Ferner habe ich ge-100
sehen
... an der Stätte der Gerechtigkeit,
da war der Gesetzlose." Man hat oft gesagt: „Je schöner und besser die Dinge
sind, die dem Verderben anheimfallen, desto schlimmer zeigt sich das letztere."
So gibt es auch in der Tat auf der ganzen Erde nichts, was Gott so
schnurstracks entgegengesetzt wäre, wie die bekennende Christenheit.„Der Anfang der Schöpfung Gottes."
Christus erscheint hier als der gesegnete Zeuge der Tatsache, daß Gott die
Schöpfung Seinem Eigenen Willen gemäß wiederherstellen wird, und zwar wird
Christus Selbst das Haupt und der Mittelpunkt derselben sein. (Vergl. Sprüche
8.) Es handelt sich hier nicht, wie bei Philadelphia, um die Verheißung, daß
Christus kommen wird, um die Versammlung zu sich zu nehmen; sondern Christus
Selbst nimmt den Platz eines vollkommenen Zeugnisses für Gott ein und erscheint
als der Erfüller aller jener Verheißungen Gottes, von welchen die Kirche hätte
die
Offenbarung sein sollen. Unter diesem
Charakter tritt Christus gleichsam an die Stelle der Kirche in der Offenbarung
der unfehlbaren Ratschlüsse und Verheißungen Gottes. Wenn die Kirche
unwiderruflich bei Seite gesetzt ist, so bleibt der wahrhaftige und treue Zeuge,
und das wird die Stütze der Getreuen bilden; ihr Glaube wird dadurch aufrecht
erhalten, selbst wenn sich das Böse wie eine Flut erhebt. Dies ist der sichere
Boden, den nichts erschüttern kann, die Kraft, auf welche sich die Seele zu
stützen vermag, selbst wenn die Kirche nicht mehr bestehen sollte; denn das
Vertrauen auf Ihn kann allein der Seele Kraft verleihen.Wir kommen jetzt zu dem allgemeinen
Zeugnis des Wortes Gottes hinsichtlich des gänzlichen Verfalls und der darauf
folgenden Beseitigung dessen, was für Ihn ein Zeugnis hätte sein sollen, sodaß
die Ehre, die Macht und die Herrlichkeit Christo allein zufallen. Der Mensch als
solcher ist in dem, was ihm anvertraut worden, nicht treu gewesen; aber dann
sehen wir Christum, den wahren Menschen, in den Ratschlüssen Gottes
hervortreten. (S. ps. 8.) Alles,
was den Namen, den Titel und die Autorität Gottes auf der Erde getragen hat,
wird nach dem göttlichen Ausspruch völlig hinweggetan werden.So wurde z. B. die Macht von Seiten
Gottes in die Hände des Menschen gelegt, und dieser dadurch in gewissem Sinne
zum Stellvertreter Gottes auf der Erde gemacht, sodaß wir, als Christen, die
Gewalten, welche sind, anzuerkennen und uns ihnen zu unterwerfen haben, weil sie
„von Gott verordnet" sind. „Er hat jene Götter genannt, zu welchen das Wort Gottes geschah." (Joh. 10,
35.) „Doch wie ein Mensch werden sie
sterben, und wie einer der Fürsten werden sie fallen." (Ps. 82, 7.) Was ist nun
das Resultat, wenn Gott „in der Mitte dieser Völker richtet?" Es zeigt sich, daß
sie ganz und gar gefehlt haben, und das unmittelbare Gericht Gottes wird
vollzogen. Handelt es sich um die äußere Gewalt in den Händen des Menschen, so
sehen wir, daß der kleine Stein, welcher ohne Hände losgerissen wird, das große
Bild der Gewalt der Nationen schlägt, „und es wird wie Spreu der Dreschtennen
des Sommers, der Wind nimmt sie weg, und keine Stätte wird für sie gefunden."
(Dan.
2.) Christus nimmt dann, dem
Ratschluß Gottes gemäß, die ganze Macht des Reiches in Seine Hände.
Bewunderungswürdig ist die Geduld, welche Gott den Fortschritten des Bösen
gegenüber an den Tag legt, wie diese in dem großen Bilde Daniels angedeutet
werden. Der Mißbrauch der Macht in Babylon of-101fenbarte sich auf dreierlei Weise,
und zwar in Form der drei aufeinanderfolgenden Stufen des Bösen: Götzendienst,
Gottlosigkeit und Abfall, verbunden mit Selbsterhöhung. Zunächst sehen wir den
Götzendienst in Nebukadnezar, welcher in den Ebenen von
Dura
ein goldenes Bild aufrichten ließ
und seinen Untertanen befahl, dasselbe anzubeten. Sein Zweck war, durch einen,
allen seinen Völkern gemeinsamen religiösen Einfluß Einigkeit herzustellen. Der
Gottlosigkeit begegnen wir in Belsazar, welcher die heiligen Gefäße des Tempels
Gottes auf eine schreckliche Art entweihte. Der völlige Abfall zeigt sich in
Darius, der sich selbst an
die Stelle Gottes setzte. Alles dieses trägt Gott in großer Langmut, bis sich
schließlich die Macht zu entschiedener und offener Enipörung wider Christum
erhebt. Dann aber ist die Langmut Gottes zu Ende. In der Macht des Steines, der
ohne Hände losgerissen wird, zermalmt Er alles, wie man Töpfergefäße
zerschmeißt. Hierauf wächst der Stein zu einem gewaltigen Berge an, der die
ganze Erde ausfüllt. So sehen wir, wie die Macht, welche dem Menschen gegeben
war, um sie zur Ehre Gottes zu gebrauchen, in seiner Hand sich verderbt und
endlich gegen Gott angewandt wird. Aber dann endet die Macht der
Nationen, um Christo, dem großen Gefäß
der Macht und Ehre Gottes, Platz zu machen.Werfen wir jetzt einen Blick auf
die Kinder Israel unter dem Gesetz. Nicht nur haben sie gefehlt, sind auf den
Stein gefallen und zerschmettert worden, sondern es wird auch der unreine Geist
des Götzendienstes, der von ihnen ausgefahren war, sieben andere Geister, böser
denn er selbst, mit sich bringen und wieder in sie fahren, um sie dann dieser
Vollendung der Bosheit zu unterwerfen,
sodaß ihr letzter Zustand ärger sein wird als der erste. Das Böse wird immer
mehr in ihnen reifen, bis sie sich schließlich dem Götzendienst und der
Gottlosigkeit des Abfalls öffentlich anschließen werden; dann aber wird Gott
sie als Nation aufgeben, und nur ein Überrest wird erhalten bleiben. Demselben
Abfall begegnen wir in dem Hause Davids.Was nun die Kirche Gottes betrifft,
so ist es viel schwerer, zu denken, daß sie völlig und endgültig verworfen
werden wird; selbstverständlich rede ich nur von der
bekennenden Kirche. Es ist eine
ernste Wahrheit, daß das Böse, wenn es einmal eingedrungen ist, stets zunimmt
und wächst, bis das Gericht hereinbricht; und es ist beachtenswert, daß dieses
Gericht nicht eher vollzogen wird, bis das Böse zu seiner vollen Reife gediehen
ist. - „Die Ungerechtigkeit der Amo-riter ist bis hierher noch nicht voll." -
Dieser Grundsatz wird in dem Gleichnis vom
Unkraut klar und deutlich dargestellt. Das Unkraut wurde im Anfang
ausgestreut, aber es sollte nicht sogleich ausgerottet werden: Unkraut und
Weizen sollten zusammen wachsen bis zur Ernte. Der Herr erklärt auf diese Weise
ausdrücklich, daß das Böse im Anfang eingedrungen ist und bis zur Ausübung des
Gerichts immer mehr heranreifen wird. Es handelt sich hier nicht um Einzelne,
noch auch darum, ob aller Weizen auf dem Speicher gesammelt wird (was
selbstredend der Fall sein wird), sondern um die Tatsache, daß das öffentliche
Zeugnis verdorben worden ist. Die Saat im Felde wurde verdorben, und dieses
Übel kann der Mensch nicht entfernen, weil er nicht befugt ist, zu richten und
deshalb auch nicht befugt, diesem Zustand102
abzuhelfen. Überdies sind wir
berufen, in Gnade zu handeln und nicht das Unkraut auszureißen.Aus dem zweiten Brief an die
Thessalonicher ersehen wir, daß schon in den Tagen der Apostel das Geheimnis der
Gesetzlosigkeit wirksam war, aber der vollen Entfaltung derselben stand noch
etwas im Wege. Dieselbe Gesetzlosigkeit wirkt immer noch, selbst in unseren
Tagen - „nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist;" und
das Böse wird fortwirken, bis der offenbare Abfall und Aufruhr die Vollziehung
des Gerichts herbeiführen wird. Nehmen wir jetzt das Buch der Offenbarung zur
Hand, so finden wir in demselben in großen Zügen ein einfaches und klares
Zeugnis darüber, was das Ende der ganzen gegenwärtigen Verwaltung sein wird:
„Und ich sah aus dem Munde des Drachen und aus dem Munde des Tieres und aus dem
Munde des falschen Propheten drei unreine Geister kommen wie Frösche." (Offb.
16, 13.) Man mag über die Bedeutung dieser Frösche streiten; das Eine aber ist
klar, daß sie eine Macht des Bösen vorstellen,
welche ausgeht zu den Königen des ganzen Erdkreises, sie zu versammeln
zu dem Kriege jenes großen Tages Gottes, des Allmächtigen, um wider Gott zu
streiten. So reift alles bis zur völligen Entfaltung des Bösen heran, und wenn
die Gesetzlosigkeit ihren Höhepunkt erreicht hat, „geht eine starke Stimme aus
von dem Thron, welche spricht: Es ist geschehen!" (Offb. 16, 17.) worauf
unmittelbar das Gericht folgt. Obwohl dies seine direkte Anwendung findet auf
die bekennende Kirche, so liegt doch auch etwas darin, das sich unmittelbar an
unsere Gewissen wendet.Bevor jener, mit der Macht und
Regierung Christi in Verbindung stehende Zustand der vollkommenen Segnung
eingeführt wird, sehen wir alle die verschiedenen Formen des Bösen dem einen
gemeinsamen Gericht entgegenreifen. Der Mensch zunächst muß in seinem Charakter
offener Widersetzlichkeit, indem er sich selbst zu Gott macht, gerichtet
werden. Israel sodann verbindet sich mit der Macht des Abfalls,
kehrt zum Götzendienst zurück, aus welchem
Abraham, sein
Vater, herausgenommen worden
war, und macht sich eins mit den aufrührerischen Nationen, indem es sagt:
„Wir haben keinen König, als den Kaiser." Deshalb muß es, da es sich
selbst durch seine Sünden dem Kaiser verkauft hat, zu diesem zurückkehren,
sich mit den Nationen im Bösen verbinden und endlich mit denselben gerichtet
werden, während nur ein auserwählter Überrest die Segnung ererbt. Den völligen
Abfall und das Gericht Israels, als Nation, beschreibt Jesaja mit den Worten:
„Die Schweinefleisch essen und Greuel und Mäuse, sie werden miteinander verzehrt
werden." (Jes. 66, 17.) Dann sehen wir das babylonische Verderbnis des
Christentums; der Charakter Babylons ist götzendienerisches Verderben.
Es wird ebenfalls zerstört werden. Alles Böse wird zu jener Zeit seinen
Gipfelpunkt ereicht haben: das Weib, das auf dem scharlachroten Tier sitzt, die
Mutter der Huren, das Endresultat der Verführung Jesabels; das Tier, die
Darstellung der Macht; der falsche Prophet; der Mensch in Aufruhr und
Widersetzlichkeit; das Christentum im Zustande des völligen Abfalls; das Wort
Gottes verworfen, das Gesetz verlassen, die Gnade verachtet - alle diese
verschiedenen Formen des Bösen werden sich zusammenfinden und zur Zeit
des Endes gemeinschaftlich demselben Gericht anheimfallen. Das103Böse wird auf diese Weise
vollständig aus dem Wege geschafft werden und nur das Gute übrig bleiben.Ist nun die bekennende Kirche von
diesem Gericht ausgeschlossen? Sicherlich nicht. Wenn auch der
Weizen auf dem Speicher in
Sicherheit gebracht werden wird, so können wir doch, wenn •wir anders das Wort
Gottes zu unserem Führer nehmen, keinen Augenblick dem Gedanken Raum geben, daß
die bekennende Kirche von diesem allgemeinen Gerichte ausgenommen sein wird.
Judas z. B. schreibt an die Heiligen: „Ich habe es für notwendig gehalten, euch
zu schreiben und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben
zu kämpfen." Und warum dies? Weil „gewisse Menschen sich neben eingeschlichen
haben . . ." Gottlose, welche die Gnade unseres Gottes zur
Ausschweifung verkehren und den alleinigen
Herrscher und unsern Herrn Jesum Christum verleugnen
... Es hat aber auch Henoch, der
siebente von Adam, von diesen
geweissagt, sagend: „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten Seiner heiligen
Tausenden, Gericht auszuführen wider alle und völlig zu überführen
.alle
ihre
Gottlosen von all ihren Werken der
Gottlosigkeit." (V. 3. 4. 14. 15.) Wo aber befanden sich diese falschen Brüder?
In der Versammlung Gottes; denn Judas sagt von ihnen: „Diese sind Flecken bei
euern Liebesmahlen, indem sie mit euch Festessen halten." Sie befanden sich
nicht unter den Juden, noch auch unter den Nationen, sondern inmitten der
Versammlung Gottes selbst; und sie verdarben dieselbe, indem sie mit den
Gläubigen Festessen hielten ohne Furcht und sich selbst weideten. Gott hat in
Seiner großen Gnade erlaubt, daß jede mögliche Quelle und Form des Bösen klar zu
Tage trat, bevor der Kanon der Heiligen Schrift geschlossen wurde, damit wir
hinsichtlich alles Bösen, sobald es hervortritt, das Urteil des geschriebenen
Wortes hätten. Ohne dieses wären wir nicht fähig, die äußerst feinen Fäden des
Geheimnisses der Gesetzlosigkeit, das jetzt wirksam ist, zu entdecken; aber im
Besitz des geschriebenen
Wortes
sind wir berufen, als Gottes Kinder alles nach demselben zu
beurteilen, und zwar nach dem Worte allein. Weiter lesen wir in 2. Tim. 3: „Dies
aber wisse, daß in den letzten Tagen schwere Zeiten sein werden, denn die
Menschen werden eigenliebig sein,
geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer" usw.; ihre falsche
Frömmigkeit gibt sich darin kund, daß sie „mehr Liebhaber des Vergnügens sind,
als Liebhaber Gottes," sowie darin, daß sie „eine Form der Gottseligkeit haben,
ihre Kraft aber verleugnen." Und es ist zu beachten, daß hier nicht nur von dem
Judaismus die Rede ist, obwohl der Geist dessen wirksam sein mag. Auch wird
noch hinzugefügt: „Böse Menschen aber und Gaukler werden im Bösen fortschreiten,
indem sie verführen und verführt werden." Nachdem dann der Apostel die
verschiedenen Charakterzüge der falschen Brüder, „die sich in die Häuser
schleichen," hervorgehoben hat - Charakterzüge, die auch dazu dienen, uns in
unsrer Beurteilung zu leiten - schließt er mit den Worten an Timotheus: „Du aber
bleibe in dem, was du gelernt hast und dessen du überzeugt bist, da du weißt,
von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst,
die vermögend sind, dich weise zu machen zur Seligkeit durch den Glauben, der
in Christo Jesu ist." Denn „alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur
Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unter-104
Weisung in
der Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei,
zu allem
guten Werke völlig geschickt." Aus diesen Unterweisungen,
welche
Paulus an sein geliebtes Kind im Glauben richtet, lernen wir
also, daß in diesen Tagen der
wachsenden Gesetzlosigkeit die heiligen Schriften für den Menschen Gottes den
einzigen, vollkommen sicheren Schutz bilden, und zwar indem sie gebraucht werden
in der einfachen und gottseligen Weise, wie Timotheus und seine fromme Mutter
und Großmutter sie erforscht hatten. Es
waren dieselben heiligen Schriften, welche er von Jugend auf gelesen
hatte. Keiner Autorität noch Macht, wenn sie nicht in Verbindung steht mit dem einfachen, geschriebenen
Worte Gottes, kann sich der Gläubige als seinen Führer anvertrauen.Aus den
angeführten Stellen ersehen wir, daß die unmittelbare Veranlassung, der
Gegenstand und die innere Quelle der kommenden
schrecklichen Gerichte die bekennende Kirche selbst ist. Sie hätte das
Zeugnis
Gottes auf der Erde sein sollen, der Brief Christi, gekannt
und gelesen von allen Menschen; da
sie sich aber völlig verderbt hat, so ist sie es gerade, welche in erster Linie
und endgültig den Zorn Gottes herbeiführt.
Geliebte Freunde! es ist von außergewöhnlichem Ernste, sich sagen zu
müssen, daß nicht nur Israel und Babylon dem
Gericht anheimfallen werden, sondern daß auch, nach dem Worte
Gottes, die bekennende Kirche dasselbe Los treffen wird. Ich verstehe
hier unter dem Wort ..K i r c h e" die ganze
Christenheit, alles, was bekennt, den
Namen Christi zu tragen. Wir finden dasselbe Zeugnis
in der Epistel des Johannes: „Jetzt sind auch
viele Antichristen geworden." Ich zweifle nicht daran, daß
der Antichrist aus den Juden
hervorkommen und eine völlige Offenbarung
jenes antichristlichen Geistes sein wird, der jetzt schon den Vater und
den Sohn leugnet, sowie leugnet, daß Jesus der Christus ist. Es ist ein
schrecklicher Gedanke, daß dieser Abfall
einen religiösen Charakter trägt. Das Kennzeichen der ..vielen Antichristen"
besteht in der Verleugnung der christlichen Wahrheit: und obwohl ein
völliger Abfall sich offenbaren wird, so wird es doch immer ein Abfall von der
Lehre des Christentums sein. Ach, wie bald ist dieser Geist des Abfalls eingedrungen! Wie bald
mußte der Apostel sagen: „Alle suchen das Ihrige, nicht das, was Jesu Christi
ist!" Möchte der Herr in Seiner Gnade die Augen Seiner Heiligen öffnen, damit
sie die Natur und den wahren Charakter dieser letzten bösen Tage erkennen und
daran gedenken, daß Gott wohl lange Zeit Geduld beweisen kann und bewiesen hat,
um Seelen zu erretten, und daß in diesem
Sinne „die Langmut des Herrn für Errettung zu achten ist," daß aber Sein
Gericht, wenn auch verzögert, doch nicht
aufgehoben
ist. Denn das Wort aus Seinem Munde bezeugt
es uns, und das einzige Heilmittel für das gegenwärtige Übel ist das Gericht.Wie wir gesehen haben, drangen von
Anfang an die Grundsätze des Verderbens in
die Kirche ein, und das Zeugnis für Gott verschwand. Das Unkraut wurde
gesät und so die Saat im Acker verdorben. Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit begann sich wirksam zu erweisen.
In dem Sendschreiben an Laodicäa schreibt der Herr den
doppelten Charakter des Bösen, das Er in
dieser Versammlung vorfand, den bösen Grundsätzen zu, die im Anfang
eingedrungen waren. Der Zweck, weshalb die Saat ausgestreut, war gänzlich
verfehlt wor-105den, denn anstatt ein Zeugnis für
Gott zu sein, sagt die Kirche: „Ich
bin reich und bin
reich geworden und bedarf nichts."
Zwei Dinge von besonderer Wichtigkeit
kennzeichnen diese Versammlung in Laodicäa; zunächst maßt sie sich an, in sich
selbst große, geistliche Reichtümer zu besitzen, und dann ist im Blick auf
Christum ihr Zustand „weder kalt noch warm." So finden wir auf der einen
Seite große Anmaßung und auf der ändern nur die Form, aber nicht die Kraft des
Lebens: „Du bist weder kalt noch warm." Es ist zwar kein entschiedener Haß
gegen Christum vorhanden, aber auch
kein entschiedener Eifer für Ihn. Die
Kirche geht äußerlich in Bequemlichkeit und Weltförmigkeit voran, während sie
zugleich auf große geistliche Reichtümer Anspruch macht, und dies ist ein
sicheres Zeichen der Armut; denn da, wo man sich rühmt, in
sich
selbst die Reichtümer zu besitzen,
kann man stets mit Sicherheit darauf rechnen, der
Armut zu begegnen, weil
diese Reichtümer in
Christo
allein
zu finden sind. Wenn die Kirche sagt:
„Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts," so rühmt sie sich,
Reichtümer in sich selbst zu besitzen, und macht auf diese Weise
sich, anstatt Christum zum Gefäß der
Gnade. Aber indem sie dies tut, besiegelt sie weder durch ihr „Amen" die
Verheißungen Gottes in Christo Jesu, noch ist sie ein wahrhaftiges und treues
Zeugnis vor Gott. Sie hört auf, dies zu sein, sobald sie den Blick von Christo
als der einzigen Quelle abwendet und sich selbst für das Gefäß der Reichtümer
hält; ja, sie wird dann notwendigerweise zu einem
falschen Zeugnis. Sobald ich sage: die
Kirche ist dieses oder jenes, oder: die Kirche ist es, worauf ich blicke, und
nicht Christus, so wird mein Auge völlig von Christo ab- und auf die Kirche
hingewandt. Ich betrachte nicht mehr Christum, sondern die Kirche, wie sehr ich
auch vorgeben mag, Ihn zu ehren. Es handelt sich hierbei nicht um die Treue
Gottes, sondern um unsere Fehler. Dies festzuhalten ist von der höchsten
Wichtigkeit, da es uns vor Täuschung zu bewahren vermag.Die Gläubigen von Philadelphia
machten nicht den vollen Gebrauch von allen Segnungen, die ihnen in Christo
zugehörten; sie hatten nur eine
kleine
Kraft,
und alles, was der Herr von ihnen sagen
konnte, war, daß sie Sein Wort bewahrt und Seinen Namen nicht verleugnet
hatten. Da aber die Versammlung ihre Armut fühlte, so fand Christus Seine Freude
an ihr und konnte sagen: „Ich bin für euch, und ich komme für euch." „Ich werde
machen, daß die, welche aus der Synagoge des Satan sind, erkennen, daß ich dich
geliebt habe." Sobald aber die Kirche sich anmaßt, reich zu sein in sich selbst,
sobald sie Reichtümer für sich in Anspruch nimmt und sich mit denselben
Anerkennung verschafft, wird sie, anstatt der Gegenstand der Wonne Christi zu
sein, Ihm zum Ekel, so daß Er ihr droht: „Ich werde dich ausspeien aus meinem
Munde." Bei einem Blick auf die bekennende Kirche unsrer Tage sehen wir, daß
sie immer mehr in diesen Zustand hineinkommt,
reich zu sein in
sich selbst. Wenn ich
finde, daß nur eine kleine Kraft vorhanden ist, daß aber das Wort und der Name
Christi nicht verleugnet wird, so kann ich sagen: „Freuet euch! der Herr kommt
bald." Denn anzuerkennen, daß ich arm bin und nur wenig Kraft besitze, ist
nicht Unglauben gegen Christum; wenn ich, um Kraft zu haben, mich auf Ihn
stütze, weil ich mich selbst kraftlos fühle, so ist das nicht die Verleugnung
dessen, was ich in dem Herrn habe,106
sondern ich offenbare den Charakter
des Leibes, welcher seine Fülle in dem Haupte findet. Sobald ich aber sehe, daß
die Versammlung dem Gedanken Raum gibt,
diese Fülle und diese Reichtümer in
sich selbst zu haben, so kann
ich ihr zurufen: Ihr seid auf dem Wege nach Laodicäa, dessen Ende ist, aus
Christi Munde ausgespieen zu werden. Die Versammlung zu Laodicäa glaubte, alles
in sich selbst, zu haben und nichts zu bedürfen, aber dies bewies nur, wie
völlig unwissend sie war hinsichtlich ihres wahren Zustandes vor Gott. „Weil
du sagst: Ich bin reich
und bin reich geworden und bedarf nichts und weißt nicht, daß du der Elende und
Jämmerliche und arm und blind und bloß bist. Ich rate dir, Gold von mir zu
kaufen, geläutert im Feuer, auf daß du reich werdest, und weiße Kleider, auf daß
du bekleidet werdest und die Schande deiner
Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, auf
daß du sehest."
Da die Versammlung in Laodicäa
diese Dinge nicht bei dem Herrn suchte, so fehlten sie alle. „Gold" bedeutet die
göttliche Gerechtigkeit im Gegensatz zu der menschlichen und bezeichnet die
Stellung und die Reichtümer der Heiligen, sowie die Grundlage, auf welcher sie
stehen. Die „weißen Kleider" sind die Werke der Heiligen, die Früchte ihres
Glaubens an die göttliche Gerechtigkeit, welche aus dem Besitz dieser
Gerechtigkeit hervorgehen. Menschliche Gerechtigkeit ist gänzlich verschieden
von der Gerechtigkeit der Heiligen; die letzteren sind der Ausfluß solcher
Herzen, die durch die göttliche Gerechtigkeit befreit sind. Bei einem indischen
Fakir oder einem türkischen Derwisch finden wir eine Menge von
Werken, aber nichts, was auf eine
Erlösung gegründet wäre. Die Werke
des Geistes sind der Ausfluß des Geistes, welcher der Seele gegeben ist als
Siegel der göttlichen Gerechtigkeit; diese heiligen Werke sind die Früchte des
Heiligen Geistes in uns, jene „weißen Kleider," welche in Laodicäa gänzlich
mangelten. Denn da die göttliche Gerechtigkeit fehlte, so konnte unmöglich eine
praktische geistliche Gerechtigkeit vorhanden sein, wie in Offenb. 19, 8
gesagt ist: „Die feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen." Auch
fehlte ihnen die „Augensalbe"; sie waren für die Dinge Gottes so blind, wie die
Natur es nur sein kann; sie hatten durchaus kein geistliches Verständnis und
doch sagten sie: „Wir
sehen." Deshalb bleibt ihre Sünde. Da
sie so weder göttliche Gerechtigkeit, noch die daraus hervorgehenden Früchte des
Geistes besaßen und noch in dem Zustande natürlicher Blindheit verharrten, so
fehlte ihnen alles. Anmaßung war im Überfluß vorhanden, aber nichts, was vor
Gott Anerkennung finden kann; alles war bloßer Schein.
Gleichwohl bricht der Herr noch
nicht jede Verbindung mit Laodicäa ab; aber Er spricht zu der Versammlung als
außerhalb derselben stehend. Denn wenn die bekennende Kirche dahin gekommen ist,
praktischer Weise eine jüdische Stellung einzunehmen, so nimmt der Herr Seinen
Standpunkt draußen und ruft den
einzelnen Seelen, die sich innerhalb
derselben befinden, zu: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe
an; wenn jemand meine Stimme hört" . . . Der Herr wünscht die Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken; Er begehrt Einlaß; Er kündigt der Kirche an, was ihr
bevorsteht: das
gewisse
Gericht; doch bis zur Vollziehung
desselben kann Er nicht anders, als fortfahren, Seine kostbare Gnade auszuüben.
Die Gegenstände dieser Gnade sind
107
jedoch jetzt einzelne Personen, da
die Kirche aufgegeben ist - „wenn j e
m a nd . . . die Tür auftut, zu dem will ich eingehen und das Abendbrot mit ihm
essen, und er mit mir;" das heißt: nur ein solcher wird Gemeinschaft mit mir
haben.
„Wer überwindet, dem will ich
geben, mit mir auf meinem Throne zu sitzen."
Auf den ersten Blick scheint dieses
eine große Verheißung zu sein; ich glaube aber, daß es die geringste der in den
Sendschreiben ausgesprochenen Verheißungen ist, da sie nur von einem
Platz in der himmlischen Herrlichkeit
redet, nicht aber von einer besonderen Verbindung mit Christo, wie dies in
der Verheißung an Pergamus und selbst an die Getreuen in Sardes und Thyatira
der Fall war. Die Freude einer
persönlichen Vertraulichkeit - dieses ausschließliche Teil der
Braut - wird hier nicht als Beweggrund vorgestellt. Mit Christo zu regieren, ist
nur ein öffentliches Zeugnis der Belohnung und der Herrlichkeit; etwas ganz
anderes aber ist die innige Vertraulichkeit, welche durch „das verborgene
Manna" und „den weißen Stein" ausgedrückt wird. Diejenigen, welche das
Anklopfen gehört und durch die Gnade demselben Folge geleistet haben, gehen in
die himmlische Herrlichkeit ein; sie haben überwunden, und der Lohn, der darin
besteht, mit Ihm auf Seinem Throne zu
sitzen, kann ihnen deshalb nicht ausbleiben. Auch haben sie teil
an der ersten Auferstehung und somit Teil an der Herrschaft mit dem Christus.
Indessen kann man von den beiden Zeugen in Offb. 11 dasselbe sagen. „Sie
stiegen in den Himmel hinauf, und es schauten sie ihre Feinde." sie sitzen
auf Thronen; sie erhalten ihre Belohnung, aber diese beschränkt sich darauf, daß
sie einen Platz in der Herrlichkeit haben; dagegen hören wir nichts von der
philadel-phischen Innigkeit der Beziehungen, von einer besonderen Wonne, die
Christus darin findet, die geliebte Versammlung bei sich zu haben, und welche
die Versammlung ihrerseits genießt in dem Besitz ihres geliebten Herrn.
Immerhin aber haben sie ihren Platz in der Herrlichkeit. Das feierliche Zeugnis
des Herrn, daß die bekennende Kirche aus Seinem Munde ausgespieen werden soll,
sollte unsre Herzen mit weit mehr. Betrübnis erfüllen, als der Gedanke
an das Gericht über die Welt; denn für das Herz hat es einen viel
schrecklicheren Charakter, als selbst das Gericht über die Antichristen,
weil es etwas betrifft, das den Abscheu Christi erregt, das Ihn anekelt, da
es früher in einer äußeren Verbindung mit Ihm gestanden hat. Und wie wichtig ist
dieses, wenn wir bedenken, daß wir mitten darin leben! Wenn ich von der
bekennenden Kirche unsrer Tage rede, so verstehe ich darunter das, was man
gewöhnlich die Christenheit nennt, was den Namen Christi trägt, während es
Ihn in den Werken verleugnet. Gerade das, was einst bekannt hat, in
Verbindung mit Ihm zu stehen, wird von dem Herzen, dem Geist und dem Wesen
Christi, als Seinen Abscheu erregend, völlig verworfen.
Der Judaismus und das
Namenchristentum werden am Ende weit mehr mit einander verbunden sein, als man
im allgemeinen denkt. Das Lamm mit den zwei Hörnern, der falsche Prophet der
Offenbarung, wird seine Macht zu Gunsten des römischen Kaisers verwenden. Von
Anfang an trug das Verderbnis in der Kirche diesen doppelten Charakter; zunächst
des Götzendienstes, der Anbetung der Engel etc. und dann des Judaismus. So lesen
wir z. B. im Kolosserbriefe: „Sehet
108
zu, daß nicht jemand sei, der euch
als Beute wegführe durch die Philosophie und eitlen Betrug." „Laßt nun
niemanden euch richten über Speise oder Trank oder in Ansehung eines Festes oder
Neumondes oder Sabbathe ..... Laßt
niemanden euch um den Kampfpreis bringen, der seinen eigenen Willen tut in
Niedriggesinntheit und Dienst der Engel." (Kol. 2, 8. 16. 18.) Die Galater
beobachteten, von den Juden überredet, „Tage und Monate und Zeiten und Jahre."
Von jeher war die Meinung vorhanden, das Christentum mit dem Judentum zu
vereinigen. Nachdem aber das letztere von Gott bei Seite, gesetzt ist, ist es
um kein Haar besser, als das Heidentum." (Vergl. Gal. 4, 8-10.) Eine Religion
des Fleisches, eine heidnische Anbetung der Engel, Philosophie und eitler
Betrug einerseits, und das Judentum, welches Tage, Monate und Jahre beobachtet,
andererseits, drangen von Anfang an in die Kirche ein und veranlaßten den
Apostel Paulus, die Gläubigen vor der Rückkehr zu den armseligen Elementen der
Welt und vor dem jüdischen Joch zu warnen, von welchem sie befreit worden waren.
So schreibt er an die Galater: „Da ihr Gott erkannt habt . . . wie wendet ihr
wieder um zu den schwachen und armseligen Elementen, denen ihr wieder von neuem
dienen wollt?"
Gott hatte in Israel dem Fleisch
Gelegenheit gegeben, zu zeigen, daß nichts gutes in ihm wohnt; Er hatte den
Juden gestattet, der Richtung einer jeden menschlichen Religion zu folgen;
indem Er ihnen das Gesetz, Satzungen, reiche Kleider, prächtige Gebäude,
Posaunenschall und dergleichen gab. Aber dann kam Christus, und „Er ist des
Gesetzes Ende, jeglichen Glaubenden zur Gerechtigkeit." Durch diese
Gerechtigkeit waren die Galater von ihrer heidnischen Unwissenheit und ihren
falschen Göttern befreit worden; allein sie wandten sich wieder zurück, denn
indem sie die jüdischen Grundsätze annahmen, kehrten sie - als wenn sie noch im
Fleische in der Welt lebten - tatsächlich zu ihrem alten Heidentum zurück,
dessen Wesen die Religion des Fleisches ist. Als Vorbilder konnte Gott die
jüdischen Anordnungen benutzen, um den Menschen auf die Probe zu stellen, bis
der verheißene Same gekommen wäre; nachdem dieser aber gekommen ist, haben diese
Formen denselben Charakter, wie diejenigen
des Heidentums; beide sind ganz und gar „ohne Gott" und dienen nur der
Gerechtigkeit des Fleisches, welches alles eifrig benutzt, was ihm einen schönen
Anschein zu geben vermag. Diese Flut des Verderbens, welche von Anfang an in die
Kirche eingedrungen ist - die Rückkehr zu den armseligen Elementen,
die Religiosität des Fleisches1, welche in Zeremonien und
Satzungen ihre Ruhe findet und alles andere eher sucht, als Augensalbe - wird
bis ans Ende stetig zunehmen. Die Grundsätze einer solchen Religion sind überall
dieselben, und so wird sie sich mit dem verbinden, was der Form nach das
Judentum ist; ebenso wird sich das Judentum seinerseits am Ende mit dieser
Religion in dem Charakter des ausgeprägten
Götzendienstes vereinigen. Die falsche Religiosität unsrer Tage hat den
Charakter des Judentums; - man begnügt sich damit, die Form der Gottseligkeit zu
haben, ohne ihre Kraft zu besitzen.
Dieser Grundsatz des babylonischen
Götzendienstes ist es, welchen1 am Ende durch das Tier herrschen
wird. Der Geist des Unglaubens wird alles annehmen - das Judentum sowohl, wie
das babylonische
109
System - nur nicht die Wahrheit,
und die Folge wird sein, daß die ungläubigen Juden durch die babylonische Macht
verführt werden. Dieselbe wird im Osten die Form des Judentums annehmen,
während im Westen diejenige des babylonischen Götzendienstes unverhüllt
hervortreten wird. Wie überaus ernst ist der Gedanke, daß diese Welt, durch
welche wir gehen, der Schauplatz solcher Ereignisse sein wird! So sehr der
Mensch sich auch jetzt dieser bekennenden Kirche rühmen mag, so wird sie dennoch
am Ende aus dem Munde Christi ausgespieen werden, -
sie, die sich anmaßt, die volle Macht
des Heiligen Geistes zu besitzen, während sie alles dessen ermangelt, was
Christum in Seinem Werte anerkennt, dagegen sie sich allen Wert beimißt und sich
dadurch Anerkennung verschafft.
Möge uns der Herr in der Stellung
von Philadelphia bewahren, so daß wir, wenn auch die Kraft sehr klein ist, das
Wort Seines Ausharrens bewahren! Möge Er uns erhalten in dem empfundenen Genuß
unsrer vollkommenen Verbindung mit Ihm, der eine offene Tür vor uns gegeben hat
und der sie offen halten wird, bis Er kommt, um uns zu sich aufzunehmen!
(Anm. HPW: Ende des Hauptteiles, es folgt der
Anhang)