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Lieber Peter

ich glaube, jetzt habe ich die Mail gefunden, auf die Du gerne
eine Antwort gehabt haettest. Ich nehme mir nochmals die Zeit,
wobei meine letzte Antwort viele Deiner Punkte schon angeht.

Ich bin in meinen Nachforschungen nicht stehengeblieben. Das
Thema Bibel habe ich, um ehrlich zu sein, fuer mich nun mehr
oder weniger abgschlossen. Ich bin zum Schluss gekommen, dass
dieses Buch nicht goettlicher ist als irgendein anderes Werk,
das von sich behauptet, von Gott direkt inspiriert zu sein.
Dazu habe ich mehr harte Fakten gefunden als mir lieb war.
Statt mich weiterhin davon zu ueberzeugen, dass die Bibel
nicht Gottes Wort ist, bin ich nun dabei, mich aufgrund dieser
Tatsache neu zu orientieren. Was mich zur Zeit unglaublich
fasziniert ist der Objektivismus. Hast Du davon schon gehoert?
Die Begruenderin ist Ayn Rand und ihr Lebenswerk "Atlas
Shrugged" (Die deutsche Uebersetzung heisst so viel ich weiss
"Wer ist John Galt?). Der Objektivismus sieht den menschlichen
Verstand und das rationale Denken als das einzig Absolute. Der
1200-seitige Waelzer ist als spannender Thriller formuliert,
der mich zur Zeit unglaublich fesselt. Rand oeffnet mir die
Augen fuer Dinge, die ich zwar immer geahnt, aber nie so klar
und deutlich gesehen habe. Durch meine christliche Erziehung
hatte ich immer ein etwas schlechtes Gewissen, den menschlichen
Verstand ganz in den Vordergrund zu stellen. Nun bin ich
mehr motiviert denn je, dies zu tun! Es ist unglaublich
befreiend und anregend, jemandem zuzuhoeren, der alle Fakten
offenlegt, der messerscharf logisch kombiniert, keine
pauschalen Aussagen macht sondern immer begruendet, der
rational argumentiert und denkt.

Entschuldige, aber aus dieser Sicht kommen mir Deine Mails
derart schwammig vor, dass ich mich frage, weshalb ich mir
eigentlich noch die Zeit nehme, immer wieder auf dieselben
alten Schein-Argumente einzugehen. Rein philosophisch ge-
sehen macht ja eine Diskussion zwischen uns gar keinen Sinn.
Du versuchst mir klar zu machen, dass unser Verstand nicht
ausreicht, um die Bibel zu beurteilen. Dies ist eine Be-
hauptung. Eine Behauptung kann man entweder einfach blind
glauben, oder man ueberzeugt sein Gegenueber durch rationale
Argumente. Wenn Du von mir erwarten wuerdest, dass ich Deine
Aussage blind glaube, dann braeuchtest Du sie nicht zu be-
gruenden. Da Dein letztes Mail aber relativ lang war, denke
ich, dass Du dich fuer die zweite Variante entschieden hast.
Du versuchst zu begruenden und appellierst damit an meinen
Verstand. Mit Hilfe meines Verstandes soll ich
also zur Ueberzeugung kommen, dass mein Verstand nicht das
richtige Hilfsmittel ist, um die Sache zu besprechen. Dies
ergibt keinen Sinn.

Wenn der Verstand nicht das richtige Mittel ist, dann ist
es das Gefuehl oder blinder Glaube. Dann muessen wir nicht
weiter diskutieren. Dann gibt es nichts zu diskutieren.
Dann sagst Du mir: "Ich fuehle Gott" und ich sage dir
"Ich fuehle Gott nicht" und dann ist die Sache erledigt.
Oder Du sagst "Ich GLAUBE, dass die Bibel Gottes Wort ist"
und ich sage "Ich WEISS aufgrund rationaler Ueberlegungen,
dass sie es nicht ist". Dies ist das Ende der Diskussion
und zwar beendet Deine Aussage die Diskussion, bevor sie
angefangen hat. Verstehst Du, was Du eigentlich sagst?

> Schon aus der Bibel selbst erhalten wir hier einige
> Hinweise.

Ob die Bibel sagt, unser Verstand reiche nicht aus, sie
selbst zu pruefen oder ob Du das selbst behauptest, es ist
und bleibt nichts weiter als eine reine Behauptung. Denn
geaebe es vernuenftige Argumente dafuer, dann wuerden diese
ja wieder an unseren Verstand appelieren.

> sondern was z.B. ein kleines Kind empfindet, wenn es diesen
> Teddybär an sich drückt und bei ihm Geborgenheit sucht.

Ich habe mich dazu schon geaeussert. Wenn wir hier objektiv
bleiben wollen, dann duerfen wir keine Gefuehle ins Spiel
brigen. Gefuehle beweisen alles oder gar nichts. Du behauptest
Jesus zu fuehlen, ein Moslem behauptet, Allah zu fuehlen und
eine Katholikin betet zu Maria und behauptet, zu wissen, dass
sie zuhoert und hilft. Ich kann das Teddybaerbeispiel sogar
umdrehen und sagen: Gefuehle machen blind! Das Kind drueckt
etwas totes an sich, es projiziert sein Verlangen nach Geborgen
heit in ein totes Objekt und kriegt sogar etwas zurueck!
Anscheinend ist die menschliche Seele so ausgelegt, dass sie
sich selbst betruegen kann, dass es gar kein lebendiges
Gegenueber braucht, um Geborgenheit zu fuehlen! Braucht
es eine historische Figur Jesus von Nazareth oder genuegt eine
fiktive Gestalt "Jesus", in die jeder seine eigenen Wuensche
und Vorstellungen hineinprojiziert? Ich war erstaunt darueber,
wie verschieden die Vorstellungen dieses "Jesus" unter Christen
sind. Danke aber fuer Dein Teddy Beispiel. Es zeigt sehr schoen,
weshalb die Idee Jesus derart gut funktioniert! Ich will
niemandem diese Idee Jesus wegnehmen, genausowenig, wie ich
einem Kind den Teddy wegnehmen und ihm die Wahrheit sagen
wuerde, naemlich dass keine spur Leben in diesem Stoffgebilde
ist. Aber das Kind soll bitte nicht an mein Herz appellieren
und mich bitten, meinen Verstand auszuschalten, um zu glauben,
dass dieser Teddy lebendig ist!

> Und nun willst Du durch reine Vernunft ein solch unendlich
> komplexes Wesen wie Gott zu erklären versuchen? Ist das nicht
> geradezu eine lächerliche Vorstellung?

Du hast mich total missverstanden. Ich bin schon fast ueber-
zeugt, dass Christen dies absichtlich tun, denn ich habe diese
Unterstellung seit meiner Neuorientierung schon derart oft
gehoert, dass ich nicht mehr an Zufall glauben kann. Zeige
mir, wo in meinem Text ich Gott zu erklaeren versuche? Ich
mache keine Aussagen ueber Gott ich behandle ein Buch. Ist
es derart schwierig, Gott und ein Buch auseinanderzuhalten?
Christen machen ein Buch zu Gott und behaupten dann, man
duerfe es nicht mit dem menschlichen Verstand beurteilen,
weil man dies mit einem Gott nicht machen koenne.

Deine obige Aussage rechtfertigt den Glauben an den Koran
oder das Buch Mormon oder irgendeine andere Religion. Auf
welcher Basis hast Du diese Buecher und Weltanschauungen
verworfen?

> Dies ist auch der Grund, warum die Bibel uns davor warnt,
> uns in unserer Auseinandersetzung mit Gott nur auf unseren
> Verstand verlassen zu wollen. Sie sagt uns, wir müssen auch
> mit unserem Herzen, mit unserer Seele, an Ihn glauben (Spr. 3, 5).

Gehst Du mit mir einig, dass Herz- und Seeleglaube absolut
beliebig sind? Ueber diese Art zu glauben koennen wir nicht
debattieren, sie ist subjektiv und sehr kindlich. Diese Art
der Wahrheitsfindung laesst zu, dass ich an Allah glaube,
an Uriella, an Maria, an den gewalttaetigen Gott Yahwe des
AT, an einen lieben Gott fuer alle Menschen.

Ich muss hier abkuerzen, ich sehe, dass wir uns im Kreis
drehen und dass ich alles, was gesagt werden muss zu diesem
Thema, schon laengst gesagt habe. Deine Hauptaussage ist
also:

> a) Wir haben in unserem Verstand ein völlig unzulängliches
> Instrument, um Gott, die Bibel und die ewigen, göttlichen
> Wahrheiten zu erforschen.

Dies ist eine unbegruendete Aussage. Sie ist mit recht
unbegruendet, weil sie ja aussagt, dass Begruendungen etwas
sind, was man im Zusammenhang mit Gott nicht suchen soll.

Ist die Bibel wirklich die Botschaft Gottes an uns Menschen,
dann muesste sie neben vielem anderen auch noch mindestens
unseren rationalen Untersuchungen standhalten, denn Gott
hat uns ja gerade diesen Verstand gegeben, um Dinge zu
beurteilen. Dass wir Gott mit unserem Verstand nicht er-
fassen koennen ist mir klar, wenn wir aber sein Wort AN
UNS nicht verstehen, dann hat er sich undeutlich ausge-
drueckt. Alles in diesem Wort, das ueber unserem Verstand
steht, ist dann unnuetz und alles, was unserem Verstand
entgegensteht, berechtigt uns, seine Goettlichkeit dieses
"Wortes" anzuzweifeln.

Fuer mich ist das Thema Bibel abgeschlossen. Ich brauche die
Diskussion mit Christen nicht mehr, ich bin absolut und
hundert prozentig ueberzeugt, dass die Bibel nicht Gottes
Wort ist. Ich bin befreit, Dinge glauben zu muessen, die ich
nicht glauben kann. Aber es scheint, dass Christen die
Diskussion mit brauchen, sie haetten ihre "Argumente" gerne
von mir bestaetigt. Ich kann hier nicht helfen.

Und ist es nicht verdaechtig, wenn in einer Diskussion ein
Teilnehmer sein Gegenueber ploezlich auffordert, nicht mehr
seinen Verstand zu gebrauchen sondern sein Gefuehl?

Mit freundlichen Gruessen

  Matthias