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Zum Tode verurteilte Nazis beten
"Gott sei mir Sünder gnädig!"
Nazi War Criminals Saved
Hinter den Kulissen des Nürnberger Gerichtshofes
Ein Bericht von
Captain Henry F. Gerecke
Amerikanischer Militärpfarrer
Quellenangaben:
"BILD am Sonntag", 10. und 17.10.1976
Buch: Günther Klempnauer, Jugend aktuell, Wuppertal 1969,
Verlag R. Brockhaus, Taschenbuch 163, S. 58-69
Internet: www.gtpress.org
"Nazi War Criminals Saved"
Technische Unterstützung durch bpö/l und Frank Botzen
Der Verteiler dieser Blätter bekennt sich zum HErrn Jesus Christus, als Gottes Sohn wie in der Bibel uns dargestellt. Er unterstellt sich auch der Obrigkeit als von Gott verordnet (Bibel, Römer 13) für welche Christen auch fürbittend eintreten. Für sein Leben bittet er selber um die Gnade Gottes.
Ein Bibelwort als Zeugnis von Gericht und Gnade aus Jesaja 57, 15-21
(Elberfelder Übersetzung, bitte Zusammenhang beachten):
"Wegen der Missetat seiner Habsucht ergrimmte ich und schlug es, indem ich mich
verbarg und ergrimmt war! Und es wandelte abtrünnig auf dem Wege seines Herzens.
Seine Wege habe ich gesehen und werde es heilen; und ich werde es leiten, und
Tröstungen erstatten ihm und seinen Trauernden."
HINTER DEN KULISSEN DES NÜRNBERGER GERICHTSHOFES
Am 12. November 1945 wurde ich nach Nürnberg abkommandiert und der "6580.
inneren Sicherheitsabteilung" zugewiesen, wo ich der geistliche Berater der dort
inhaftierten hohen Nazis sein sollte, die vor Gericht gestellt werden sollten.
Wie konnte ich diesen Männern gegenübertreten, die der Welt so viel Herzeleid
bereitet hatten, die Führer in einem Weltkrieg gewesen waren, der Millionen
Menschen das Leben gekostet hatte? Schließlich waren ja auch unsere beiden
Jungen in diesem Kamp zusammen mit Millionen junger Männer unseres Landes.
Wie sollte ich an diesen Gefangenen arbeiten, ohne das Wirken des Wortes Gottes
in ihren Herzen zu hindern ? Wie würden sie sich verhalten? - Mein Kollege
schlug vor, mit unseren Besuchen bei dem Anführer der Gruppe zu beginnen. Er
führte mich zu Görings Zelle. Es war schwierig für mich, mit diesen Männern in
deutscher Sprache zu sprechen, da ich seit meiner Kindheit nicht mehr deutsch
gesprochen hatte. Bei unserem Eintritt sprang Göring auf und schlug die Hacken
zusammen. Ich reichte ihm die Hand. Nachdem ich bei allen anderen eingeführt
worden war. Es war vor Beginn der Gerichtssitzung am 20. November. In jener
Nacht musste ich Jesum um eine besondere Ausrüstung anflehen, ohne die ich meine
Aufgabe nicht erfüllen konnte. Von dem Augenblick an beschloss ich, wohl die
Sünden zu hassen, aber die Sünder zu lieben. Ich musste daran denken, dass auch
Gott die Sünder liebt. Diese Männer sollten erfahren, wie der Heiland auf Erden
segensreich gewirkt, wie er gelitten hatte und auch für sie am Kreuz gestorben
ist. Es waren einundzwanzig Angeklagte. Sechs von ihnen gehörten der
katholischen Kirche an, während fünfzehn dem protestantischen Glauben
lutherischer Prägung zuneigten. Sieben von den fünfzehn Protestanten waren
Abendmahlsgäste der lutherischen Kirche. Streicher, Jodl, Heß und Rosenberg
besuchten nie die Gottesdienste, obgleich sie behaupteten, an einen Gott zu
glauben. Kaplan O'Connor, New York, war der katholische Priester für die Männer,
die diese Kirche vorzogen. Eine kleine, aus zwei Zellen bestehende Kapelle im
zweiten Stockwerk wurde für die Gottesdienste eingerichtet. Ein ehemaliger
Oberstleutnant der SS war Organist. Da er beiden Geistlichen diente, hatte er
reichlich zu tun. Gegen Ende meines Aufenthaltes erneuerte er sein Gelübde mit
der protestantischen Kirche und feierte Abendmahl. Die schlichte Botschaft
vom Kreuz hatte sein Herz umgewandelt. Frank, Seyß-Inquart, Kaltenbrunner und
von Papen besuchten den katholischen Gottesdienst, Keitel, Ribbentrop, Raeder,
Dönitz, Neurath, Speer, Schacht, Frick, Funk, Fritzsche, Schirach, Sauckel und
Göring kamen zu meinen Gottesdiensten. Folgende feierten während ihres
Aufenthaltes im Gefängnis das Abendmahl: Keitel, Ribbentrop, Sauckel, Raeder,
Speer, Fritzsche und Schirach. Unser protestantischer Gottesdienst bestand aus
drei Chorälen, Schriftvorlesung, Predigt, Gebet und Segen. Die Männer waren
wirklich andächtig und verursachten niemals die geringste Störung.
Die Geistlichen besuchen die Gefangenen
Es muss festgestellt werden, dass von keinem der Angeklagten gefordert
wurde, die Besuche der Geistlichen zu empfangen. Wir fragten gewöhnlich an, ob
sie unseren Besuch wünschten. Oft fanden wir in unserem Büro Zettel vor, die
die Wachtposten dorthin gebracht hatten, dass gewisse Männer uns bei unserem
Besuchsgang durch das Gefängnis sprechen wollten. Vor der Zelle jedes Gefangenen
stand Tag und Nacht ununterbrochen ein Wachtposten. Durch die Türe wurde Licht
auf die Gefangenen gerichtet, damit sie ihre Dokumente vorbereiten und lesen
konnten. Wächter und Gefangene durften laut strengem Befehl der kommandierenden
Offiziere nicht miteinander sprechen. Die Gefangenen waren täglich, außer
Sonnabend, eine Zeitlang im Hof. Nach Rückkehr in ihre Zellen und nach dem
Abendessen wurden sie gewöhnlich von den Geistlichen besucht, bis die Lichter
abgeblendet wurden.
Während die Gefangenen schliefen, blieb das Licht auf sie gerichtet. Wenn ein
Gefangener sich vom Licht weg zur Wand wenden wollte, pflegte die Wache ihn zu
wecken und umzudrehen, damit man sein Gesicht sehen konnte.
Abendmahlsfeier
Mein erster Abendmahlsgast war der Arbeitsminister Sauckel. Wie alle anderen war er immer sehr höflich zu mir. Sauckel hatte elf Kinder, von denen zehn lebten. Ein Sohn war im Krieg gefallen. Er erzählte mir zuerst viel Freundliches von seiner treuen Frau und der Liebe seiner Kinder, und dann besprachen wir seine geistlichen Anliegen. Meist lasen wir zusammen die Bibel und sprachen ein kurzes Gebet. Dabei knieten wir zusammen an seinem Bett, so wollte er es haben. Oft schloss er das Gebet mit den Worten des Zöllners: "Gott, sei mir Sünder gnädig!" Ich hatte allen Grund zu glauben, dass er es ernst meinte. Die nächsten, die um das Abendmahl baten, waren Fritzsche, Schirach und Speer. Es rührte mich tief, als ich die drei breitschultrigen Männer vor dem Altar knien sah, um das Abendmahl zu empfangen. Ich bin gewiss, dass Gott durch das Wort, das ihnen gelesen und gepredigt worden ist, ihre Herzen umgewandelt hat und dass sie, wie jeder reuige Sünder, bereit waren, Gottes Vergebung um Christi willen zu erbitten.
Ein weiterer Abendmahlsgast war Raeder, der ehemalige Oberbefehlshaber der
Flotte. Er forschte eifrig in der Bibel und hatte gewöhnlich Fragen daraus für
und den Gefangenen einen Geistlichen zugewiesen hatte. Einmal bat er mich , den
Christen in Amerika zu danken, dass sie ihnen einen Seelsorger geschickt hatten.
Nachdem er sich gründlich über das Abendmahl unterrichtet hatte, bat er darum,
ob er es unter meiner Leitung mitfeiern dürfe.
Er wählte mit feinem Verständnis Bibelstellen, Choräle und Gebete aus und las
sie laut vor.
Er schämte sich auch nicht, an seinem Bett kniend, mir seine Sünden zu beichten.
Mit tränenerstickter Stimme sagte er: "Sie haben mir mehr geholfen als Sie
ahnen. Möchte Christus, mein Heiland, mir auf dem ganzen Weg beistehen. Ich
werde Ihn brauchen!"
Kann ein Mann gleichzeitig Christ und Vaterlandsfreund sein?
Ribbentrop stand mir sehr freundlich gegenüber, solange ich das Thema
Christentum und Kirche nicht berührte. In demselben Augenblick, in dem ich
darauf zu sprechen kam, fand ich ihn recht gleichgültig gegen wahre Religion und
die Grundlehren christlichen Glaubens und Gottesdienstes. Im Laufe der täglichen
Besuche jedoch fing er an Fragen zu stellen. Die eine, die ihm am wichtigsten
vorkam und ihn am meisten beunruhigte, war die: "Kann ein Mann gleichzeitig
Christ und Vaterlandsfreund sein?" Meine übliche Antwort auf diese Frage war
etwa folgende: "Natürlich können Sie Vaterlandsfreund und Christ sein,
vorausgesetzt, Sie handeln entsprechend Römer 13 und Sie geraten nicht mit Apg.
5,29 in Widerspruch. Die erste Stelle gibt an, was Sie Ihrer Regierung schuldig
sind und wie Sie als Christ treu sein müssen. Die zweite betont die Anwendung
auf die christliche Vaterlandsliebe und sagt, dass man Gott mehr gehorchen muss
als den Menschen." Nach einigen Monaten begann Ribbentrop in der Schrift zu
forschen und die Bedeutung des christlichen Lebens zu erfassen.
Das Urteil und das letze Wort
Alle Lampen und Scheinwerfer brannten im überfüllten Verhandlungssaal des
Nürnberger Justizpalastes, als Lord Lawrence im Gerichtssaal erschien, um allen
Angeklagten die "große Chance des letzten Wortes" zu geben. Zum letzten Male
durften alle Angeklagten von der Anklagebank aus der Reihe nach vor der
Öffentlichkeit ihr Schlusswort sprechen. Ein weißbehandschuhter Militärpolizist
reichte zu dem Zweck den einzelnen das Mikrophon. Zuerst sprach Göring. Aber es
war nicht mehr der selbstbewusste, zynische Göring von einst. - Sodann nahm
Speer das Wort. Er sprach voller Verantwortungsbewusstsein, jedoch nicht über
sein eigenes Schicksal. - Funk und Sauckel redeten sichtlich bewegt, aggressiv
Schacht. - Frank sprach leidenschaftlich von Gott und Schuld, genau so
leidenschaftlich wie einst auf den Parteitagen. Er bekannte im Schlusswort:
"Wir haben am Anfang unseres Weges nicht geahnt, dass die Abwendung von Gott
solche verderblichen, tödlichen Folgen haben könnte, und dass wir
gezwungenermaßen immer tiefer in Schuld verstrickt werden könnten. Wir haben es
damals nicht wissen können, dass so viel Treue und Opfersinn des deutschen
Volkes von uns schlecht verwaltet werden könnten; so sind wir in der Abwendung
von Gott zuschanden geworden und mussten untergehen. Es waren nicht technische
Mängel und unglückliche Umstände allein, wodurch wir den Krieg verloren haben -
es war auch nicht Unglück und Verrat: Gott vor allem hat das Urteil über Hitler
gesprochen und vollzogen, über ihn und das System, dem wir in gottferner
Geisteshaltung dienten. Darum möge unser Volk von dem Wege zurückgerufen werden,
auf den Hitler und wir mit ihm es geführt haben. Ich bitte unser Volk, dass es
nicht verharrt in dieser Entwicklung und nicht weiterschreitet in dieser
Richtung, auch nicht einen Schritt. Denn Hitlers Weg war der vermessene
Weg ohne Gott, der Weg der Abwendung von Christus und in allem letzten Endes der
Weg der politischen Torheit, der Weg des Verderbens und des Todes.
"Keitel bekannte sich schuldig und schloss mit den Worten: "Ich habe geirrt
und war nicht imstande zu verhindern, was hätte verhindert werden müssen. Das
ist meine Schuld."
So kamen sämtliche einundzwanzig Angeklagten zu Wort. Dann wurden die Akten
geschlossen.
Das letzte Wort war gefallen. Jeder Angeklagte wurde wieder in seinen Gewahrsam
zurückgebracht.
Die folgenden Angeklagten wurden zum Tode verurteilt: Göring, Ribbentrop,
Keitel, Kaltenbrunner, Sauckel, Rosenberg, Frank, Frick, Streicher und
Seyß-Inquart; folgende erhielten lebenslängliche Haft: Heß, Funk, Raeder;
Schirach und Speer wurden zu zwanzig Jahren, Neurath zu fünfzehn und Dönitz zu
zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Von Papen, Schacht und Fritzsche wurden vom
Militärgericht freigesprochen. Die Gefangenen nahmen ihr Urteil wie Soldaten
auf, und, soweit ich sehen konnte, zuckte keiner zusammen, als er seinen
Richterspruch vernahm. Dieser Tag wurde in den Akten des Gerichts als
"Urteilstag" bezeichnet: 16. Oktober 1946. Die Geistlichen widmeten den größten
Teil ihrer Zeit den Besuchen der Männer, die zum Tode verurteilt waren. Jeder
dieser todgeweihten Männer glaubte bestimmt, dass die Hinrichtung am Mittwoch,
dem 16. Oktober stattfinden würde, und jeder wollte wissen, zu welcher Tageszeit
sie in die Ewigkeit eingehen müssten. Nun war noch eine überraschende Anordnung
getroffen; mit Erlaubnis des Großen Kontrollrates der vier Mächte sollten die
Verurteilten, wenn sie es wünschten, noch einmal Gelegenheit haben, mit ihren
Frauen zu sprechen. Das waren bittere Stunden für die Verurteilten und ihre
Angehörigen, aber auch für uns Seelsorger. Ich hörte, wie Ribbentrop seine Frau
ernstlich bat, dass seine Kinder in der Kirche bleiben und in der Zucht und
Vermahnung zum Herrn erzogen werden sollten. Diese Feststellung ist mir
besonders bemerkenswert, weil sie von Ribbentrop stammt und wir am Anfang
unserer Arbeit entdeckt hatten, dass die ganze Familie sich von der Kirche
zurückgezogen hatte. Während Ribbentrops Haft leiteten wir alles für die Taufe
seiner drei Kinder ein. Frau Sauckel versprach ihrem Mann, dass ihre zehn Kinder
bei dem gekreuzigten Jesus bleiben sollten. Göring fragte seine Frau, was seine
Edda über die ganze Lage gesagt habe. Sie erwiderte, Edda habe gesagt, sie wolle
ihren Vati im Himmel wiedersehen. In diesem Augenblick stand Göring auf und
wandte sich zum Gehen und zum erstenmal sah ich Tränen über seine Wangen laufen.
Als ich ihn ein wenig später in seiner Zelle aufsuchte, sagte er, er sei schon
gestorben, als er seine Frau oben verlassen hätte. Von jenem Tag an waren wir
fast Tag und Nacht bei den Verurteilten. Einige von ihnen baten mich vier bis
fünfmal am Tag, zu ihnen hereinzukommen. Ribbentrop las fast die ganze Zeit in
der Bibel. Keitel zeigte besonderes Interesse für gewisse Bibelstellen und
Choräle, die von der Liebe Gottes durch das versöhnende Blut Christi sprachen.
Sauckel war sehr aufgeregt. Er war so abgespannt, dass ich fürchtete, er würde
dem Druck nicht standhalten. Er betete oft laut und schloss unsere Andachten
immer: "Gott, sei mir Sünder gnädig!"
Diese drei feierten mit mir das Abendmahl in ihren Zellen. Gott hatte während
der ganzen Zeit ihre Herzen gewandelt, und jetzt, da sie alles Irdische, ja
selbst ihr Leben verlieren sollten, konnten sie das Versprechen annehmen, dass
Gott reuigen Sündern durch Jesu Opfertod vergeben hatte, und glauben, dass Jesu
ihre sündenbelasteten Seelen von ihrer Schuld befreien würde.
Görings Selbstmord
Am 16. Oktober herrschte große Aufregung. Die Geistlichen gingen von Zelle zu
Zelle und blieben bei jedem Verurteilten einige Augenblicke, um zu hören, wie
jeder sein Herz von seiner Last zu befreien suchte, weil er wusste, dass er bald
zur Ewigkeit eingehen würde. An jenem Abend um 20.30 Uhr hatte ich eine lange
Unterredung mit Göring. Ich versuchte ihn bei dem Thema ewiger Werte
festzuhalten und ihm zu zeigen, wie ein Mensch sich zum Sterben bereitmachen
kann, bereit, seinem Gott zu begegnen. Im Laufe der Unterredung fand ich, dass
Göring über die biblische Darstellung der Erschaffung des Menschen spottete. Er
machte über die Lehre von der wörtlichen Eingebung der Schrift spöttische
Bemerkungen und weigerte sich, die große Grundlehre des Evangeliums, dass Jesus
für jeden Sünder gestorben ist, anzunehmen. Es war eine offene Ablehnung der
Macht des Kreuzes und der Bedeutung des unschuldigen Blutes, das am Kreuz zur
Erlösung der Sünder vergossen wurde. Er sagte, er glaube, dass mit dem Tode
alles aus sei. Da bat ich ihn, daran zu denken, was seine kleine Tochter gesagt
hatte, sie wolle ihren Vater im Himmel wiedersehen; aber er antwortete uns: "Sie
glaubt an ihren Heiland, aber ich muss es darauf ankommen lassen." Weiter sagte
er nichts mehr, und ich verließ ihn zum letzten Male. Etwa um 22.35 Uhr erschien
eine Wache im Wachlokal und erklärte mit erregter Stimme, dass Göring einen
Anfall habe. Er lag auf dem Boden. Ich sprach mit ihm, aber obgleich sein Puls
noch zu schlagen schien, gab er keine Antwort.
Eine kleine leere Patrone lag auf seiner Brust. So starb er.
Tod
Um Mitternacht wurde den Verurteilten noch einmal der Anklage und
Richterspruch verlesen. Eine letzte Mahlzeit wurde ihnen angeboten. Nur wenige
aßen. Da Göring sich das Leben genommen hatte, war Ribbentrop der erste, der den
Weg zum Galgen antrat. Ehe er seine Zelle verließ, verbrachte ich einige Minuten
mit ihm in Gebet und Fürbitte und hörte ihn sagen, dass er sein ganzes Vertrauen
auf das Blut des Lammes setze, das die Sünden der Welt hinwegnimmt. Noch in
seiner Zelle bat er Gott, Erbarmen mit seiner Seele zu haben. Dann ertönte das
Signal, und er musste den Korridor entlang zum Hinrichtungsraum gehen. Er ging
zwischen zwei Wachen; die Geistlichen schritten unmittelbar vor ihm, an der
Spitze der diensttuende Offizier. Wir gingen durch die Tür in den Hof und traten
mit dem Gefangenen in den Hinrichtungsraum. Seine Hände waren gefesselt. Er
wurde sogleich zu dem ersten Galgen geführt, wo er am Fuß der dreizehn Stufen
stehenslieb. Auf Verlangen des diensttuenden Offiziers nannte er seinen Namen
und wurde auf den Galgen geführt, wo er auf die Falltür trat, den kaltblütigen
Zuschauern gegenüber, die sich als Zeugen der Hinrichtung versammelt hatten. Ein
Wächter band ihm die Füße, während ein Offizier ihn fragte, ob er noch ein
letztes Wort sagen wolle, worauf er sich an mich wegen eines letzten Gebetes
wandte. Im Augenblick, als das Amen gesagt war, zog man ihm die schwarze Kapuze
über das Gesicht, der große Knoten von dreizehn Stricken wurde hinter seinem
Kopf zusammengezogen, und dann fiel er durch die Falltür. Die Geistlichen gingen
zurück zum Gefängniskorridor und warteten dort auf das Signal für den zweiten
Verurteilten. Das war Keitel, der Oberbefehlshaber der Wehrmacht. In seiner
Zelle hielten wir eine kurze Andacht mit Gebet, ehe wir den letzten Gang mit ihm
antraten. Als wir in den Hinrichtungsraum kamen, schickte Keitel schnell einen
Blick zum ersten Galgen. Dieser Blick sagte mir, dass er wusste, dort hing sein
Freund Ribbentrop. Wir stiegen die Stufen zum zweiten Galgen hinan, Keitel
sprach ein Schlusswort, dem mein letztes Gebet folgte. Er antwortete mit der
Feststellung: Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Der katholische Geistliche
begleitete den nächsten Verurteilten zum Galgen, während ich nahe dabeistand,
nahe der Türe. Die zwei Geistlichen machten zehnmal den Weg und machten so die
letzte Meile mit jedem Gefangenen.
Als das Zeichen ertönte, dass Sauckel hereingebracht werden sollte, fühlte ich,
wie mein Herzschlag aussetzte. Dieser Verurteilte war am Tage zuvor und
besonders am Abend recht aufgeregt gewesen, und es war offensichtlich, dass es
ihm schwer wurde, sich zu beherrschen. Während er auf der Falltüre stand, sagte
er etwas von seinen zehn Kindern und ihrer Mutter. Das erschütterte mich sehr,
und für einen Augenblick konnte ich nicht weiter. Schließlich war es mir doch
noch möglich, das Schlussgebet zu sprechen, wonach er schnell zur Ewigkeit
einging. Während ich in Fricks Zelle eine kurze Andacht hielt und Zeichen von
Erschöpfungen merken ließ, versicherte mir Frick, dass er in unserem schlichten
Gottesdienst seinen Heiland gefunden habe. Er sagte, er glaube, dass Jesu Blut
seine Sünden hinweggewaschen habe. Als er auf der Falltüre stand, hatte er wenig
zu sagen, und wir beschlossen sein Leben mit einem kurzen Gebet für seine Seele.
Der letzte meiner Gruppe war Rosenberg, der konsequent alle geistliche
Beeinflussung abgelehnt hatte. Er wollte kein Schlusswort sprechen, und als ich
ihn bat, ein letztes Gebet zu sprechen, lächelte er und sagte: "Nein, danke." Er
lebte ohne einen Heiland, und so starb er auch. Ich möchte noch Streicher
erwähnen. Er weigerte sich zunächst, seinen Namen zu nennen, und als er die
dreizehn Stufen hinaufging, grüßte er: "Heil Hitler!"
Obgleich er dem katholischen Geistlichen erlaubte, ihn zur Falltür zu begleiten,
wies er doch jeden geistlichen Trost zurück. Er glitt durch die Falltür, indem
er nach seiner Frau rief. Es war jetzt etwas nach drei Uhr morgens. Die
Geistlichen gingen in getrennte Zellen zu persönlichem Gebet und privater
Andacht. Dann warteten wir mehrere Stunden, ehe wir zum Gebet in den
Hinrichtungsraum zurückkehrten. Jetzt ist alles vorüber: Anklage, Prozess und
Hinrichtung.
Die einzelnen stehen nun vor dem Tribunal des Weltenrichters, dem Ursprung
aller Gerechtigkeit. Wie wird es ihnen ergehen? Uns allen sei dies daher eine
besondere Warnung, in guten und gesunden Tagen den ewigen Gott mit
Gleichgültigkeit und Geringschätzung abzutun! Das rächt sich schwer! Für jeden
von uns naht früher oder später auch die "letzte Stunde", in der er mit einem
mehr oder weniger schuldbeladenen Gewissen vor den ewigen Richter treten muss.
Und dann? Diese peinigende Ungewissheit hat schon manchem verzweiflungsvolle
Stunden bereitet. Demgegenüber aber sei betont, dass es möglich ist, mit
einem wunderbaren, tiefen Gottesfrieden durchs Leben zu gehen und selbst im
Sterben zu wissen: Mir ist Erbarmung widerfahren! Es geht jetzt heim zur ewigen
Heimat!
(Hier endet der Bericht)
Christen, die dem HErrn Jesus Christus vertrauen
(Sohn Gottes, des Vaters Abrahams, Isaaks und Jakobs)
und in der Fürbitte an die von Gott verordnete Obrigkeit gedenken,
beten auch für die Opfer und Täter des Rassenhasses in jedem Land!
Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!
Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir
Gottes Gerechtigkeit würden in ihm. (2. Kor. 5,20-21)