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Esther   

Esther   2007-12-28 htmscann  

W. Ian Thomas

Tote können nicht sterben


 

Dieses Buch erschien in einer früheren Auflage als TELOS-Taschenbuch 49.

3. Auflage

hänssler-Taschenbuch Bestell-Nr. 392.859 ISBN 3-7751-2859-X

© Copyright der amerikanischen Ausgabe 1964 byW I.Thomas Originaltitel: If I perish, I perish Übersetzt von Marie-Luise Rusche

© Copyright der deutschen Ausgabe 1973 und 1997 by Hänssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart Umschlaggestaltung: Dialog Werbeagentur, Waldbronn Titelfoto: Micha Pawlitzki Printed in Germany


 

Inhalt

Vorwort                                                                     6

Bildlich gesprochen                                                     7

Haman der Agagiter - Vernichtung nimmt

Gestalt an                                                                 16

Die Stadt war bestürzt - der Heilige Geist

widerstand                                                               25

Der Geist der Adoption - der Geist in

Sack und Asche                                                         34

Einen Klaps für das Falsche - fürs Richtige

ein Zückerchen                                                         44

Komme ich um, so komme ich um                                  53

Der Galgen im Garten                                                  62

Das Schicksal der Falschheit - Hamans Stern

beginnt zu sinken                                                       72

Der Augenblick der Wahrheit                                       80

Jauchze und sei fröhlich                                               91

Das Vorrecht, du selbst zu sein                                    106

Schwein bleibt Schwein                                             116

Schlußfolgerungen                                                   124


 

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Bücher von Major Thomas sind eine Überraschung. Sie haben eine eigene „Handschrift" und eine unmittel­bar zentrale Botschaft. Der Autor bezeugt darin, was es bedeutet, Jesus Christus nicht nur als den am Kreuz Gestorbenen, sondern als den Auferstandenen zu er­fahren. Die Wirkungen sind geradezu revolutionär: Aus Frustration wird Freude, an die Stelle von Müdigkeit tritt Wachheit, die eigene Schwäche wird durch Kraft des Auferstandenen ersetzt.

Das haben viele erlebt, die durch die Zentren der Fackel­träger-Missionsgemeinschaft gegangen sind oder aber die Bücher ihres Gründers gelesen haben. Sie spüren den Lebensatem des Auferstandenen in ihnen.

Wenn in diesem Buch die Anrede des Lesers durch das unmittelbare „Du" erfolgt, so geschieht dies nicht re­spektlos, sondern aus folgendem Grund: Wer zur Ge­meinde Jesu Christi gehört, ist Teil der weltweiten Fami­lie Gottes. In ihr hat das vertrauensvolle „Du" seine Berechtigung, das den anderen in seiner Eigenart und Einmaligkeit respektiert. Der andere wird als menschgewordener Gedanke Gottes" erkannt. Außerdem läßt sich Persönliches wie die zentralen Aussagen dieses Buches am besten im persönlichen „Du" sagen!

Der Verlag


 

Bildlich gesprochen

Ich habe die Religion satt - und meine es durchaus ehrlich damit. Ich kenne nichts Langweiligeres als ein Christentum ohne Christus.

Wer jemals versucht hat, ein Auto ohne Treibstoff und mit völlig leerer Batterie wieder in Gang zu bringen, der weiß, was ich meine. Es gibt nur wenige Dinge, die einen mehr enttäuschen als ein Auto, das nicht an­springen will. Da ist jedes Teilchen hübsch gefettet und am rechten Platz. Alles ist in Ordnung, nur der Treib­stoff fehlt. Es ist kein Funke Leben in der Maschine. Am besten, man bringt das Ding gleich zum Schrott­platz, weil einfach zu wenig Chancen bestehen, es in Bewegung zu setzen.

Genauso geht es vielen Christen: sie haben es aufge­geben, in die Kirche zu gehen, weil sie es leid sind, einer toten Religion zu huldigen. Wie schade, daß es in ihrer Umgebung keine Menschen gibt, die ihnen von Christus erzählen, die ihnen sagen, daß er wirklich lebt! Ich sagte schon, daß es für mich nichts Langweiligeres gibt als ein Christentum ohne Christus. Andererseits kenne ich aber nichts Spannenderes, als Christ zu sein und teilzunehmen am Leben Jesu Christi auf dieser Erde, jetzt und hier! Es ist wunderbar, von ihm erfaßt zu werden, hineingenommen zu sein in das festgefügte und unüberwindliche Planen und Vorhaben eines all­mächtigen Gottes, mit all den unbegrenzten Möglich­keiten eines solchen Dienstes.

Kann man sich etwas Interessanteres vorstellen?

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Lieber Leser, weißt du, was es heißt, mit Jesus zu leben? Hast du schon einmal den "Wunsch verspürt, zu missio­nieren oder Christus in ähnlicher Weise zu dienen? Dein Leben führt in das absolute Abenteuer. Du kannst so leben, wie Gott es eigentlich geplant hatte.

Oder bist du zu sehr eingespannt in den Kampf um die bloße Existenz, einzig und allein von dem Wunsch beseelt zu überleben? Oder geht es dir am Ende noch schlimmer? Bist du weit davon entfernt, hineingenom­men zu sein in den unabänderlichen Plan Gottes? Bist du im Gegenteil eher hineingeraten in den unerbittlichen Konkurrenzkampf der Menschen ohne Gott? Quälst du dich mit unnötigen Ängsten herum, weil du in jeder folgenden Kurve bei diesem harten Rennen überholt werden könntest? Versuchst du atemlos, Schritt zu halten mit all den sich überstürzenden Ereignissen um dich herum, die trotzdem immer über dein Leistungsvermö­gen gehen? Geht es dir so? Dann wirst du bestimmt interessiert sein an den nun folgenden Auszügen aus Briefen, die ich vor Jahren von einem Studenten unserer Bibelschule erhielt.

„Ich möchte mich für Ihre sechs Vorlesungen bedanken", so schrieb er, „sie haben einen unbeschreiblichen Ein­fluß auf mein Leben ausgeübt. Seit vier Jahren schon bin ich Christ, aber ich komme mir vor wie einer, der vier Jahre auf einer Million Pfund saß, ohne es zu wissen. Allerdings ist mein neuentdeckter Reichtum mit irdischen Schätzen schwer zu vergleichen."

So also beginnt der Brief des Studenten, und ich möchte an dieser Stelle gern ausführlicher bringen, was er uns zu sagen hat.

„Ich glaube, daß Gott mich für diese Vorlesungen vor-

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bereitet hat*, so fährt er fort. „Im letzten Semester muß­te ich ein Referat ausarbeiten über das Thema von Jo­hannes 14, 6: ,Ich bin die Wahrheit.' Einer der beiden Gliederungspunkte, unter denen ich meine Gedanken sammelte und den ich mir notierte, hieß: Jesus ist die Wahrheit.' Die fundamentale Eigenschaft der Wahrheit besteht darin, daß sie für jede Tatsache und Situation gilt und daß sie absolut ist."

„Vor meinem inneren Auge entstand nun ein riesiges Puzzlespiel: Wenn ich etwas anderes als die Wahrheit hineinbringen wollte, so paßte am Ende das letzte Stück nicht, und ich war gezwungen, ein falsches an seinen Platz zu zwängen. Das heißt, der eigentliche Grund­gedanke, der in dem Wort Jesus ist die Wahrheit1 ver­borgen liegt, besagt, daß Jesus der Schlüssel zum Ver­ständnis aller Dinge ist. Es war ja auch beinah das erste, was Sie uns sagten, daß der Herr Jesus Christus die endgültige Erklärung aller Dinge ist. So änderte mich Gott.

Jedesmal, wenn ich Ihnen zuhörte, wenn ich meine No­tizen abschrieb oder in meiner Bibel las und darüber nachdachte, fielen Teile des Riesenpuzzles übereinander, um übereifrig an den rechten Platz zu purzeln. Mir ist, als hätte ich in den vergangenen vier Jahren Teile des Puzzles gesammelt und sie wahllos in einen Kasten geworfen, ohne eine Ahnung zu haben, wie sie wohl zusammenpassen könnten. Von Zeit zu Zeit begegnet mir jetzt eins dieser Teilchen, und ich stelle erstaunt fest, wie wunderbar es in das riesige Puzzle hineinpasst. Alles zusammen ergibt das Bild des geistlichen Lebens, das den ganzen Alltag ausfüllt.

Ich habe das Gefühl, daß es sehr schwierig ist, diesen

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Zustand des völligen Einsseins mit unserem Herrn Jesus Christus zu beschreiben. Geistliche Weisheit ist mir jetzt Erfahrung geworden und ist nicht mehr isoliert vom Leben. Nach meiner Bekehrung war mein Leben ge­kennzeichnet durch das Bestreben, für Christus zu ar­beiten, nicht aber, ihn durch mich arbeiten zu lassen. "Was für ein Unterschied! Nun hat er den Vorrang und nicht meine Arbeit für ihn.

Nun weiß ich, was es heißt, daß nicht nur ich in Chri­stus bin, sondern daß er in mir ist. - Ich weiß auch, daß es für mich grundsätzlich keine andere Möglichkeit mehr gibt.

Unser Herr Jesus Christus sagte: ,Ich bin gekommen, daß sie das Leben und volle Genüge haben sollen!* Nun verstehe ich, wie er das meinte; denn ich habe es selbst erlebt."

Der Schreiber dieser Zeilen ist inzwischen Pilot bei einer Missionsgesellschaft in Äthiopien, und erst kürzlich flog ich mit ihm über die Berge von Addis Abeba. Das, was er vor Jahren theoretisch erkannt hatte, wurde in der Zwischenzeit zur praktischen Lebenserfahrung. Das "Wort Gottes hatte ihn fest gemacht.

Er hatte seine Armut gegen den Reichtum Christi ein­getauscht und seine Schwachheit gegen Christi Stärke. Auf diese Weise verwandelte dieser junge Mann das sinnlose Leben eines gefallenen Adam in die Fülle eines Lebens in Christus. Er hatte das absolute Abenteuer entdeckt, Jesus Christus in seinem Leben Gott und Herr sein zu lassen; denn er ist Gott!

Ich möchte wissen, ob du das auch schon erlebt hast. Wenn du dein Christsein von Christus abtrennst, er­niedrigst du es zu der Bedeutungslosigkeit einer toten

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Religion, es wird unpersönlich Gott gegenüber und auch dir selbst gegenüber. Es wird eine intellektuelle Übung oder eine sentimentale Vorschrift, beides aber ist kein Christentum.

Christentum braucht Christus! Es stellt ein Lebensprin­zip dar, es pulsiert mit göttlicher Kraft und kann, ge­trennt von Gott, nicht existieren. Diese Energie ist un­entbehrlich für den Gläubigen, sie ist wunderbar, aber nicht sensationell. Sie ist übernatürlich, weil sie außer­halb des Gesiditsfeldes des natürlichen Menschen liegt, der immer ohne Gegenwart des auferstandenen Gottes­sohnes lebt.

Dieselbe wunderbare Kraft erkennen wir in dem Buche Esther, wenn wir uns näher damit befassen. Man wird vielleicht erstaunt sein, daß ich das Buch Esther in die­sem Zusammenhang erwähne. Ich kenne jedoch kein anderes Buch im Alten Testament, das die Grundsätze des geistlichen Lebens eines Christen besser veranschau­licht, als gerade dieses. Es gibt keines, das eine geistliche Neugeburt klarer demonstriert als dieses Buch. Es zeigt auf, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um die Kraft des Heiligen Geistes zu erlangen und für Gott diensttauglich zu werden.

Im Buche Esther kann man eine Fülle von Erkenntnis finden, die kennzeichnend ist für echte Jüngerschaft. Wir finden dort sehr viel dargestellt von dem unbarm­herzigen Kampf, der in den Herzen der Menschen ausgefochten wird, den Kampf um die Vorherrschaft des Bösen oder des Guten, Gottes oder Satans.

Es ist faszinierend, in dieser Geschichte all das peinlich genau beschrieben zu sehen, was sehr oft den ernsthaf­ten, arg bedrängten Gläubigen verwirrt.

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Wer wirklich daran interessiert ist, den Schlüssel zu einem siegreichen Leben zu finden und ein Maß an Erfahrungen des geistlichen Lebens zu sammeln, das in die Lage versetzt, „mehr zu sein als ein Überwinder", - der sollte weiterlesen und gemeinsam mit mir das Buch Esther durchforschen.

Bevor wir aber mit der Untersuchung dieser Geschichte beginnen, möchte ich noch ein Wort zur Exegese, also zur Schriftauslegung, sagen. Es sollte uns allen "Wegwei­ser sein, besonders aber denjenigen unter uns, auf denen die große Verantwortung liegt, sich mit Gottes Wort zu befassen, um es andern auszulegen.

Es ist wichtig, daß wir die ganze Bibel als vom Heili­gen Geist inspirierte Offenbarung Gottes ansehen. Je­des Buch der Bibel steht im Zusammenhang zur ganzen Heiligen Schrift. Im vierten Kapitel seines Briefes an die Galater schreibt Paulus, indem er auf die Geburt Ismaels und Isaaks hinweist im Vers 24: „Und das ist bildlich gesprochen." Der Apostel erkennt klar, daß, hinter den historischen Ereignissen versteckt, eine ein­zigartige Symbolik liegt. Es ist also eine Art Symbol­sprache, die der Heilige Geist erwählte, um im AT die geistlichen Wahrheiten zu demonstrieren, die dann im NT verkündet wurden. Damit bekommen wir einen Zusammenhang über die ganze Bibel.

Eine richtige Versinnbildlichung schafft ganz bestimmte Konstanten oder feste Größen für eine korrekte und zuverlässige Bibelauslegung, die für alle biblischen Bei­spiele verwendbar sein müssen. Diese Konstanten ent­halten Grundsätze, von denen man nicht abgehen darf.

Anhand von Beispielen will ich klarmachen, was ich unter Konstanten verstehe. Der Heilige Geist hat, als

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Schöpfer und Verfasser der Bibel, einzelne Menschen, Völker, Länder, Lebewesen oder leblose Gegenstände als Symbole erwählt, um durch sie ganz bestimmte Wahrheiten auszudrücken. Wenn man erst einmal ge­lernt hat, die Sprache des Heiligen Geistes zu verstehen und solch ein Symbol an irgendeiner Stelle in der Schrift wiederfindet, wird man dieser Tatsache sehr aufmerk­sam Rechnung tragen müssen. Man hat auf die geistli­che Bedeutung dieser Symbole zu achten, die ich, der Beständigkeit wegen, mit der sie vom Geist Gottes in der ganzen Schrift immer wieder angewandt werden, „geistliche Konstante" genannt habe.

Ein leichtverständliches Beispiel hierzu ist das Wort „öl". Es bedeutet im AT und im NT immer das We­sen, Wirken und die Funktion des Heiligen Geistes, ebenso wie „Wind" und „Feuer". Eine andere leichtver­ständliche Konstante ist das Wort „Schlange". Es wird vom Heiligen Geist gebraucht, um Satan darzustellen oder die Sünde, die ja ihren Ursprung in Satan hat. Der Teufel ist in der Geschichte vom Sündenfall als Schlange dargestellt (1. Mose 3, 1). Er ist ebenso klar in der Weise bezeichnet im 12. und 20. Kapitel der Of­fenbarung. Da heißt es: „Die alte Schlange, welche ist der Teufel."

Paulus sah es sicher genauso, als er im 2. Korintherbrief, im 11. Kapitel, Vers 3 schrieb: „Ich fürchte aber, daß wie die Schlange Eva verführte mit ihrer List, so auch eure Gedanken verkehrt werden hinweg von der Einfalt und Lauterkeit gegenüber Christus."

Der Herr Jesus Christus sprach von den Pharisäern als von einer „Schlangenbrut". Er sagte ihnen offen: „Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüste wollt ihr tun."

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Eine Allegorie oder ein Sinnbild ist die Beschreibung eines Gegenstandes in einer anderen Gestalt, die ihm aber ähnlich ist und zweideutig gebraucht wird. So war es ja auch bei den vielen Gleichnissen des Herrn Jesus Christus. Er verdeutlichte durch dieses methodische Hilfsmittel die geistliche "Wahrheit, die er verkünden wollte, hob sie dadurch hervor und prägte sie seinen Hörern ein. Ein anderes Beispiel einer Allegorie aus der heutigen Zeit ist Bunyans „Pilgrim's Progress*1 oder sein „Holy War" und aus der modernen Literatur „The Screwtape Letters"* von C. S. Lewis.

Eines aber wollte ich noch im Ausgangspunkt unserer gemeinsamen Reise klarstellen. Obgleich bei mir selbst absolut kein Zweifel an der historischen Echtheit und göttlichen Autorschaft des Buches Esther besteht, werde ich hier auch einmal versuchen, die Geschichte als Gleich­nis zu sehen, mit dessen Hilfe geistliche Wahrheiten stichhaltig und vernünftig klargelegt werden sollen, Wahrheiten, die auch anderswo in der Bibel verkündet werden. Sie sollen daher uneingeschränkt angenommen werden, als übereinstimmend mit der gesamten Offen­barung durch den Heiligen Geist - in der ganzen Bibel.

Weil das so ist, brauche ich nicht zu betonen, daß ich kein Monopol bei der Auslegung des Buches Esther in Anspruch nehme. Man füge einfach meine Gedanken zu den zahllosen anderen hinzu, die bisher schon sach­lich richtig und einwandfrei zum Ausdruck gebracht wurden.

Außerdem bete man ernstlich mit mir, daß Gott sich

1    John Bunyan, »Pilgerreise zur seligen Ewigkeit". St.-Johannii-Drudkerei, Lahr-Dinglingen

 

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dazu bekennt und in den Herzen meiner Leser zu Ehren kommt. Der Leser soll persönlich bereichert und ermu­tigt werden durch das Bekanntwerden mit unserem wun­dervollen Herrn Jesus Christus. Gott gebe es, daß jeder Leser die Konsequenz zieht, Christus zu erlauben, mehr und mehr in sein Herz einzuziehen, um es als rechtmä­ßiges Erbe bald vollständig in Besitz nehmen zu dürfen.

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Haman, der Agagiter - Vernichtung nimmt Gestalt an

Es mag zunächst unlogisch erscheinen, aber ich möchte doch vorschlagen, daß wir mit dem dritten Kapitel des Buches Esther beginnen. Dort begegnen uns in den er­sten beiden Versen die drei Gestalten, die in unserer Geschichte die wichtigsten Rollen spielen. Da heißt es:

„Nach diesen Geschichten erhob der König Ahasveros den Haman, den Sohn Hammedathas, den Agagiter, und machte ihn groß und setzte seinen Stuhl über alle Fürsten, die bei ihm waren. Und alle Großen des Kö­nigs, die im Tor des Königs waren, beugten die Knie und fielen vor Haman nieder; denn der König hatte es so geboten. Aber Mardochai beugte die Knie nicht und fiel nicht nieder" (Esther 3,1. 2).

König Ahasveros herrschte von Indien bis Äthiopien über 127 Provinzen, so wird uns im ersten Vers des ersten Kapitels berichtet. Wahrscheinlich ist er identisch mit dem berühmten König Xerxes, der von 486 bis 465 v. Chr. regierte. Das illustrierte Bibellexikon von Zondervan bringt vier klare Übereinstimmungen zwi­schen beiden, die diese Identität bekräftigen. Im selben Band ist auch vermerkt, daß der Ahasveros aus dem Buche Esra wahrscheinlich ebenfalls dieselbe Person war.

Als König in seinem Palast soll Ahasveros symbolisch das menschliche Herz darstellen. In diesem Palast wer­den Entscheidungen getroffen, politische Richtlinien festgelegt und Regierungserlasse veröffentlicht.

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Das Reich der 127 Provinzen soll symbolisch den menschlichen Körper darstellen. Weit und breit durchs ganze Land wirken die im Palast beschlossenen Gesetze. Von dortaus wird die Umwelt benachrichtigt. In der größten Stadt und im kleinsten Dorf beeinflussen die Anordnungen des Königs Verwaltung und Verhaltens­weisen des ganzen Volkes.

Genauso wird auch die Verhaltensweise des Menschen in seinem Herzen festgelegt. Hier werden Entscheidun­gen getroffen, Pläne ersonnen und der Wille aktiviert, der den Körper in Bewegung setzen soll. Die Herzens­haltung des Menschen bestimmt seine Gedanken und Pläne.

In meinem Buch „Thy Mysterie of Godliness" bin Ich in dem Kapitel über die Natur des Menschen auf die Tatsache näher eingegangen, daß die Seele als Aus­gangspunkt seiner Verhaltensweise anzusehen ist. Wir wollen beachten, daß der Wille unter dem Einfluß des Verstandes und des Gefühls steht. Um welche Reaktio­nen es sich auch immer handeln mag, sie werden vom Verstand oder vom Gefühl geleitet. Diese psychologi­sche Tatsache zwingt uns, die Rolle Hamans, des Aga-giters, im Buch Esther einmal näher ins Auge zu fassen.

Haman soll das darstellen, was im Neuen Testament als „Fleisch* bezeichnet wird. Damit ist natürlich nicht der menschliche Körper als solcher gemeint, sondern die Herzensgesinnung des Menschen, die von Natur aus gegen Gott eingestellt ist und sich nicht ändert, wenn Gott nicht eingreift.

Wir stellen fest, daß Haman sich bereits am Anfang der Geschichte im Königspalast fest verschanzt hat. Er ist sozusagen fest etabliert im Seelenleben des Königs

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und hat sein ganzes Vertrauen. Denn es heißt: „Er machte ihn groß und setzte seinen Stuhl über alle Für­sten." In seiner Gegenwart hatte sich einfach jedes Haupt zum Zeichen der Hochachtung zu beugen.

Innerhalb des Palastes hatte Haman ständig Zutritt zum König. Auf diese "Weise färbte er in der ihm eige­nen Gemeinheit unaufhörlich auf das Denken und die Gemütsregungen des Königs ab. Durch seinen heim­tückischen Einfluß lenkte er die Entscheidungen des Herrsdiers. So war es aber auch möglich, daß durch jeden königlichen Erlaß, der bis an die äußerste Grenze des Landes ging, der böse Charakter dieses Menschen die gesamte Nation mitformte und beeinflußte.

Andererseits aber saß im Tor des Königshofes, außer­halb des Palastes und ohne eine Möglichkeit zum Zu­tritt oder einer Einflußnahme auf den König jemand, der sich strikt weigerte, seine Knie vor Haman zu beu­gen - es war Mardochai.

Mardochai soll symbolisch die Verkörperung des Hei­ligen Geistes darstellen, der in einer noch nicht wieder­geborenen Seele noch nicht gegenwärtig ist. Wir alle wurden in solchem Zustand geboren. Der Heilige Geist ist der hartnäckige Gegner unseres Fleisches. „Denn das Fleisch streitet wider den Geist und der Geist wider das Fleisch, dieselben sind widereinander" (Gal. 5,17).

Zweifellos fangt man jetzt schon an, sich ein Bild zu machen. "Wir sehen einen Menschen in seinem gefallenen Zustand vor uns. Seine Seele wird vom Fleisch be­herrscht und vom Heiligen Geist gemieden, ebenso wie der König von Haman beherrscht wurde und sich vom Rat und Beistand Mardochais fernhielt. Die menschliche Natur wird von Satan mißbraucht und erniedrigt und

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damit dem guten Einfluß des Geistes Gottes entzogen. Eigentlich war es aber Gottes Absicht, den Menschen durch das Innewohnen seines Heiligen Geistes audi seiner göttlidien Natur teilhaftig werden zu lassen.

Unsere Geschichte beginnt also damit, daß der „falsche Mann" drinnen und der „riditige Mann" draußen ist. Das ist nun unser Problem: Wie sollen wir den falschen Menschen hinaus und den richtigen hineinbringen? Und genau das lehrt uns das Evangelium.

Eine radikale Änderung in der Regierung wäre nur mög­lich, wenn der zerstörerische Einfluß Hamans gegen den gütigen, wohlwollenden Einfluß Mardodiais einge­tauscht würde. Es ist unnötig zu betonen, daß solch ein Regierungswechsel im Palast weitreichende Fol­gen fürs ganze Land nach sich ziehen würde. Es würde niemand mehr daran zweifeln, daß sich inzwischen im Palast tatsächlich etwas Umwälzendes ereignet hat.

Ebenso umwälzend sind die Folgen für einen Men­schen, der es dem Heiligen Geist erlaubt, auf allen Ge­bieten seines Lebens Herr zu werden.

Amalek ist wieder auf dem Plan!

Vielleicht wundert sich mancher, daß ich so auf Haman Jagd mache. „Warum hat er gerade ihn aufs Korn ge­nommen? Warum greift er ihn an? Womit hat Haman das eigentlich verdient? Aus welchem triftigen Grund zeichnet er solch ein finsteres Bild von diesem Men­schen?" Das mögen die Fragen sein.

Es mag sein, daß jemand sogar Sympathie für Haman empfindet und meint, daß alles nur eine Vermutung

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von mir wäre. Es wäre einfach falsch, ihn so schwarz zu malen, ohne ihn vorher auf die Probe gestellt zu haben. Da muß ich leider widersprechen. Nur jemand, der außerhalb der christlichen Bruderliebe steht, ist ge­neigt, Hamans Sache zu verfechten.

Haman ist voller Haß. Unter der Tünche entwaffnen­den Charms lauern in seinem Herzen versteckt Mord und Vernichtung. Seine Wege sind Wege des Todes. In Hamans Gestalt will uns der Heilige Geist in seiner bildhaften Sprache auf das Hauptanliegen des Buches Esther hinweisen; denn wenn wir Hamans Stamm­baum unter die Lupe nehmen, entdecken wir in ihm eine jener Konstanten, die ich im vorigen Kapitel er­wähnte.

Haman war ein Feind der Juden!

Diese Tatsache fällt uns auch beim flüchtigen Lesen so­gleich ins Auge.

„Da tat der König seinen Ring von der Hand und gab ihn Haman, dem Sohn Hammedathas, dem Aga-giter, dem Feind der Juden" (3,10).

„An dem Tage schenkte der König Ahasveros der Köni­gin Esther das Haus Hamans, des Judenfeindes" (8,1).

„Sie töteten die zehn Söhne Hamans, des Sohnes Hammedathas, des Judenfeindes. Aber an die Güter legten sie ihre Hände nicht" (9,10).

„Wie Haman, der Sohn Hammedathas, der Agagiter, der Feind aller Juden, gedacht hatte, alle Juden umzu­bringen ... (9, 24).

Warum haßte Haman die Juden? Gefielen ihm ihre Nasen nicht? Oder lag der Grund zu dieser mörderischeii

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Feindschaft tiefer? Wo finden wir die Wurzel dieser abgrundtiefen Abneigung, die ihn einen derart grausa­men Plan fassen Heß? Er hatte doch beschlossen, „alle Juden zu vertilgen, zu töten und umzubringen, jung und alt, Kinder und Frauen, auf einen Tag, nämlich am dreizehnten Tag des zwölften Monats, das ist der Monat Adar, und ihr Hab und Gut zu plündern* (3,13).

In meinem Buch „Christus in euch - Dynamik des Lebens*1 habe ich dem Studium Amaleks, der ein Enkel Esaus und Vater der Amelekiter war, zwei Kapitel gewidmet. Er war der, von dem Gott vorausgesagt hat­te, er werde von Generation zu Generation mit ihm streiten. Wer bisher noch keine Gelegenheit fand, das Buch zu lesen, möge meiner Bitte nachkommen, es bald­möglichst nachzuholen. Sein Inhalt hat, besonders in Bezug auf Amalek, ein enges Verhältnis zum geistlichen Gehalt des Buches Esther.

Es genügt jedoch zunächst, folgende Stellen daraus zu zitieren, um sich ein kleines Bild von dem inneren Zu­sammenhang machen zu können.

„In Esau nahm der Geist Satans Gestalt an. ,Wozu sollte ich ein Erstgeburtsrecht nötig haben, das mich in die Abhängigkeit von Gott bringen will? Ich bin unabhängig. Ich habe an mir selbst genug, und ich will sein, was ich bin, kraft dessen, was ich bin!"

Warum haßte Gott Esau? Weil Gott nichts, aber auch gar nichts mit einem Menschen anfangen kann, der nicht zugibt, daß er etwas von Gott braucht. Esau lehnte

1 W. Ian Thomas, „Christus in euch - Dynamik des Lebens". Hänssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart, 1972 und 1996

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Gottes Gnade ab. Er wies Gottes Eingreifen in die Not des Menschen zurück. Er verachtete sein Erstgeburts­recht - und Gott vergab ihm nie.

Das ist die Grundhaltung der Sünde:

Gott ist völlig belanglos in dem harten Geschäft des Lebens. Gott kann nichts für den Menschen tun, der vom Geiste Esaus verdorben ist.

Amalek war Esaus Enkelsohn. Maleachi sagt uns, daß Gott im Streit ist gegen Esau von Generation zu Gene­ration. In Amalek fand die Gottlosigkeit Esaus, der sein Erstgeburtsrecht verachtete, eine Fortsetzung.

Es war nichts Gutes an Amalek. Es gab absolut nichts an Amalek, was von irgendeinem Nutzen sein konnte. In Amalek war nichts, was Gottes Wohlgefallen finden konnte. Das war Gottes Urteil, Gottes Wille und Gottes Gericht über Amalek.

Aber Saul hatte vergessen, sich zu erinnern!

Obwohl er die Amalekiter schlug, nahm Saul... ,Agag, den König von Amalek, einen König aus Edom, den Gott verurteilt hatte, lebendig gefangen. Saul maß sich an, etwas Gutes in dem zu finden, was Gott ver­dammt hatte. Das war Sauls Sünde. Er verschonte das Beste von dem, was Gott haßte!

Hieraus erkennen wir, daß Agag ein Edomiter, ein Nachkomme Esaus war, der sein Erstgeburtsrecht ver­schmähte. Und Agag war wiederum König der Amale­kiter. Haman aber war auch ein Amalekiter; denn Haman war ein Agagiter (Esther 3,1). Die Amalekiter aber waren die Erzfeinde Israels. In der Person Ha-mans war daher Amalek wieder auf dem Plan.

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So wie Satan Gott haßte, so haßte Kain den Abel und Ismael den Isaak, ebenso haßte Esau den Jakob und Ämalek die Israeliten. Und so wie Amalek Israel haßte, so haßte Haman die Juden!

In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erfahren, daß Herodes der Große, der durch den grauenhaften Kindermord von Bethlehem Jesus töten wollte, eben­falls ein Edomiter war. In Übereinstimmung mit John Peter Langes Kommentar zum Matthäusevan­gelium war Herodes der Große der erste Herrscher aus der Familie der Idumäer, aus dem Stamm der Edomiter, die ab 40 v. Chr. unter Roms Vorherrschaft in Jerusa­lem regierten. Herodes war ein Amalekiter, ein Nach­komme Esaus, ein Verwandter Hamans.

In diesem Kommentar zum Matthäusevangelium ist das erwähnt. Ich zitiere wörtlich von Seite 60: „Im An­schlag des Herodes scheint die alte Feindschaft Edoms gegen Jakobs Same wieder sichtbar zu werden. "Wir er­innern uns unwillkürlich an jene mörderische Absicht Esaus aus 1. Mose 27, 41: ,... dann will ich meinen Bruder Jakob töten!' Esau verzichtete zwar auf die Aus­führung dieses Mordplanes, er hinterließ ihn jedoch sei­nen Nachkommen als Erbe."

Haman war also nur seiner Art getreu, wenn er in seinem Herzen den Haß gegen den Samen der Verhei­ßung nährte. Gott hatte verheißen: „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkom­men ... Aus Jakob wird der Herrscher kommen!" (4. Mose 24,17.19).

Haman war ein willkommenes "Werkzeug in den Hän­den Satans. Er unterstützte des Teufels boshaftes Bestreben, Gottes Plan zur Erlösung und Wiedergeburt

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der Mensdien zu durchkreuzen. Er wollte diesen Plan der Wiederherstellung der göttlichen Souveränität in den Herzen der Menschen vereiteln. In Haman hatte der furchtbare Vernichtungswille Satans wieder Gestalt an­genommen!

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Die Stadt war bestürzt - der Heilige Geist widerstand

Wenn es etwas gab, worüber Haman, mehr als über alles andere, vor Zorn außer sich geriet, so war es die Tatsache, daß in des Königs Tor jemand saß, der ihm mit kalter Verachtung fest ins Auge blickte, und dessen Haupt sich nie vor ihm beugte.

„Da sprachen die Großen des Königs, die im Tor des Königs waren, zu Mardochai: "Warum übertrittst du des Königs Gebot? Und als sie das täglich zu ihm sagten und er nicht auf sie horte, sagten sie es Haman, damit sie sähen, ob solch ein Tun Mardochais bestehen wür­de; denn er hatte ihnen gesagt, daß er ein Jude sei. Und als Haman sah, daß Mardochai nicht die Knie beugte noch vor ihm niederfiel, wurde er voll Grimm" (3,3-5).

Haman erkannte in Mardochai seinen Erzfeind. In ihm sah er die Ursache dessen, was in ihm den Haß gegen die Juden geweckt und ans Licht gebracht hatte.

Es gibt eine ehrfurchtgebietende Autorität, einen Aus­druck fester Entschlossenheit im Blick eines Menschen, der genau weiß, daß er im Recht ist und Frieden mit Gott hat. Die Hohenpriester und der Rat entdeckten diesen Ausdruck bei Stephanus, als sie ihn aufmerksam beobachteten. Sie „sahen sein Angesicht leuchten, wie eines Engels Angesicht* (Apg. 6,15). Sie hörten ihn ihre Schuld brandmarken, ohne ein Spur von Furcht oder einen Anflug von Verlegenheit, mit Worten, die sie mit­ten ins Herz trafen. - „Ihr Halsstarrigen und Unbe-

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schnittenen an Herz und Ohren, ihr widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist, wie eure Väter, so auch ihr! Und sie knirschten über ihn vor Wut mit den Zähnen" (Apg.7,51.54).

Vielleicht war es dieser Ausdruck im Blick des Herrn Je­sus Christus, der Herodes und Pontius Pilatus mehr als alles irritierte an jenem Tage, als sie „ihre Hände in Un­schuld wuschen und Freunde wurden". Ein schlechtes Gewissen wird in der Gegenwart der Wahrheit immer unruhig, handle es sich nun um die Gegenwart Mardochais, Stephanus oder des Herrn Jesus. Es wird immer hysterisch schreien: „Hängt ihn! Steinigt ihn! Kreuzigt ihn!"

Die Unwahrheit wird sich immer gegen die Wahrheit auflehnen, oft sogar frech und unverfroren. Aber die Wahrheit läßt sich dadurch nicht ausrotten. Stephanus wurde gesteinigt und Jesus gekreuzigt - eine schein­bare Niederlage -, aber ein letztlicher Sieg.

„Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott. Er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch, auf daß die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefor­dert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleische wandeln, sondern nach dem Geist" (Rom. 8,3.4).

Aber am dritten Tag kam die Wahrheit wirklich ans Licht - die Wahrheit des Evangeliums -, und der Herr Jesus Christus wurde eingesetzt zum „Sohne Got­tes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten" (R.Öm. 1, 4). Der Sohn Gottes kam in diese Welt um den „falschen Menschen hinauszubringen", als er das

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Fleisch töten und ans Kreuz nageln ließ. Er kam, um den „richtigen Menschen hineinzubringen", indem er denen die Gabe des Heiligen Geistes schenkte, die die Tilgung ihrer Schuld durch sein Blut für sich in An­spruch nahmen. Er allein ist die "Wahrheit - eine Wahr­heit, die die Menschen freimacht.

Haman sah in den Juden eine Gefährdung seiner ei­genen Autorität. Er sah sie gefährdet durch die heraus­fordernde, unnachgiebige Art Mardochais.

„Aber es war ihm zu wenig, daß er nur Mardochai aus dem "Weg schaffen sollte; denn sie hatten ihm ge­sagt, von welchem Volk Mardochai sei, so trachtete er danach, das Volk Mardochais, alle Juden, die im ganzen Königreich des Ahasveros waren, zu vertilgen... Und Haman sprach zum König Ahasveros: Es gibt ein Volk, zerstreut und abgesondert unter allen Völkern in allen Ländern deines Königreichs, und ihr Gesetz ist anders, als das aller Völker, und sie tun nicht nach des Königs Gesetzen. Es ziemt dem König nicht, sie gewähren zu lassen. Gefällt es dem König, so lasse er schreiben, daß man sie umbringe; so will ich zehntausend Zentner Sil­ber darwägen in die Hand der Amtleute, daß man's bringe in die Schatzkammer des Königs" (3, 6. 8. 9).

Haman hatte erkannt, daß die jüdischen Gesetze, falls man sie im Lande einführen würde, eine fundamentale Änderung in der Regierung nach sich zögen. Eine ganz neue Lebensweise wäre die Folge. Vieles wäre mit seiner eigenen Auffassung von Recht und Unrecht unverein­bar. Das mußte um jeden Preis verhindert werden!

Was aber hatte es mit den jüdischen Gesetzen auf sich, gegen die sich Haman so entschieden wandte? Letzten Endes rebellierte er gegen den Gott Israels - damit

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natürlich gegen sein Volk und seine Gesetze. Das jü­dische Volk war für ihn nur sichtbarer Ausdruck der Existenz des lebendigen Gottes. Heute sind es auch die wiedergeborenen Christen, in denen sich Gottes Macht manifestiert.

„Denn nicht das ist ein Jude, der auswendig ein Jude ist, auch nicht das eine Beschneidung, die auswendig am Fleisch geschieht; sondern das ist ein Jude, der's inwendig verborgen ist, und die Beschneidung des Herzens ist eine Beschneidung, die im Geist und nicht im Buchstaben geschieht. Eines solchen Lob ist nicht von Menschen, sondern von Gott... Was haben denn die Juden für einen Vorzug, oder was nützt die Be­schneidung? Sehr viel und auf jegliche Weise. Zum er­sten: ihnen ist anvertraut, was Gott geredet hat" (Rom. 2, 28. 29; Rom. 3,1.2).

„Er verkündigt Jakob sein Wort, Israel seine Gebote und sein Recht. So hat er an keinem Volk getan" (Ps. 147,19. 20).

Wir wollen nicht vergessen, daß in der Betrachtung des Buches Esther Haman symbolisch das „Fleisch* darstellt und Mardochai den Heiligen Geist. Nun. verstehen, wir, was in dem Kapitel an die Römer gemeint ist, wenn es dort heißt: „Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geist­lich gesinnt" (Rom. 8, 5). Damm wollen wir die Worte des Apostels Paulus an die Römer einmal so über­setzen:

„Aber fleischlich gesinnt sein (wie Haman) ist der Tod, und geistlich gesinnt sein (wie Mardochai) ist Leben und Friede. Denn fleischlich gesinnt sein (wie Haman) ist Feindschaft wider Gott, weil das Fleisch dem Gesetz

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Gottes nicht Untertan ist; denn es vermag's auch nicht" (Rom. 8, 6. 7).

Eine ablehnende Haltung Gott gegenüber hat die Ab­neigung des Fleisches gegenüber seinen Geboten zur Fol­ge. Und jeder Versuch Gottes, seine Gebote neu ins Menschenherz einzupflanzen, wird auf energischen Wi­derstand stoßen. Weil das „Fleisch" natürlicherweise im Herzen des Menschen einen festen Platz einnimmt, so wie Haman im Palast des Königs fest etabliert war, ist es auch vortrefflich in der Lage, die Gesinnung, das Gefühl und den Willen des nichtwiedergeborenen Men­schen zur Auflehnung gegen Gott anzustacheln. Da­durch soll er seiner Gnade widerstehen und den „rech­ten Mann" draußen lassen.

Genau das wollte Haman, als er sich zum König Ahas-veros (der ja das menschliche Herz symbolisiert), Zu­tritt verschaffte. Er redete dem König mit der ihm eigenen Falschheit ein, daß die Einführung der göttli­chen Gebote nur zum Nachteil der königlichen Inter­essen wäre. Darum müsse die Stimme des Volkes, das diese Gesetze vertrat, erbarmungslos zum Schweigen ge­bracht werden. Das ist eine Lüge, die bis heute ununter­brochen von Satan propagiert wird. Sie hält sich auch hartnäckig in den Herzen zahlloser Männer, Frauen, Jungen und Mädchen, die der Meinung sind, sich selbst einer Freiheit zu berauben, wenn sie sich der Herrschaft Gottes unterstellten. Sie wollen sich dem Schöpfer, der sie geschaffen hat, nicht wieder anvertrauen.

Solche Menschen sind eigentlich nicht unaufrichtig in ihrer Überzeugung. Sie sind nur die Opfer ihrer eigenen Unkenntnis. So werden sie zu Menschen, die von Satan betrogen sind. Dessen Hauptanliegen ist es, diese Un­wissenheit auszunutzen.

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„Ihr Verstand ist verfinstert, und sie sind fremd gewor­den (abgewandt und verbannt aus) dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, die in ihnen ist, durch die Verstockung ihres Herzens (eine Empfindungslosig­keit ihrem moralischen Gewissen gegenüber)** (Eph. 4,18).

„In denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat (daß sie gar nicht in der Lage sind, die Wahrheit aufzunehmen), daß sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes" (2. Kor. 4,4).

Daher kommt es, daß so viele dasselbe tun, was der König in gutem Glauben tat; denn er „tat seinen Ring von der Hand und gab ihn Haman, dem Sohn Hammedathas, dem Agagiter, dem Feind der Juden" (3,10).

Um die interessante Bedeutung dieser Handlungsweise zu verstehen, müssen wir uns einer ähnlichen Stelle im Alten Testament zuwenden. Wir finden sie im 1. Buch Mose. Sie betrifft Pharaos Verhältnis zu Joseph und soll uns verdeutlichen, was der Pharao damals Joseph sagen wollte, als er seinen eigenen Ring von der Hand zog, um ihn Joseph an den Finger zu stecken.

„Du sollst über mein Haus sein, und deinem Wort soll all mein Volk gehorsam sein; allein um den königlichen Thron will ich höher sein als du.

Und weiter sprach der Pharao zu Joseph: Siehe, ich habe dich über ganz Ägyptenland gesetzt. Und er tat seinen Ring von seiner Hand und gab ihn Joseph an seine Hand und kleidete ihn mit kostbarer Leinwand und legte ihm eine goldene Kette um seinen Hals und ließ ihn auf seinem zweiten Wagen fahren und ließ

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vor ihm her ausrufen: Der ist des Landes Vater! Und setzte ihn über ganz Ägyptenland. Und der Pharao spradi zu Joseph: Ich bin der Pharao, aber ohne deinen Willen soll niemand seine Hand oder seinen Fuß regen in ganz Ägyptenland." (1. Mose 41,40-44).

Das hieß mit anderen Worten, daß Pharao die ausfüh­rende Gewalt in seinem ganzen Königreich Joseph über­geben hatte, und daß er nur die Titel und Würden eines Herrschers beibehielt. Das Zeichen, das diese Ab­tretung der eigenen Autorität besiegelte, war Pharaos Ring an Josephs Finger.

Ebenso demonstrierte König Ahasveros sein völliges Vertrauen zu Haman, als er diesem seinen Ring an den Finger streifte. So stattete er ihn mit allen Befug­nissen aus. Er übergab ihm die Regierungsgewalt, die sich weit und breit durchs ganze Königreich erstreckte. Seither konnte kein Bewohner des Landes „Hand oder Fuß" ohne Hamans Anweisungen regen. Das war ein totaler Rechtsanspruch Hamans.

König Ahasveros hatte sich genau so vollständig an Haman verkauft, wie das Herz eines noch nicht wieder­geborenen Menschen ans Fleisch verkauft ist. Seine Ver­haltensweise ist der Leitung eines Rebellen gegen Gott unterworfen. Er verweigert dem Schöpfer das Vorrecht, Gott in seinem Leben zu sein.

„Da berief man die Schreiber des Königs am dreizehn­ten Tage des ersten Monats; und es wurde geschrieben, wie Haman befahl, an die Fürsten des Königs und an die Statthalter hin und her in den Ländern und an die Obersten eines jeden Volks in den Ländern hin und her in der Schrift eines jeden Volks und in seiner Spra­che, im Namen des Königs Ahasveros und mit des Kö-

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nigs Ring gesiegelt. Und die Schreiben wurden gesandt durch die Läufer in alle Länder des Königs, man solle vertilgen, töten und umbringen alle Juden, jung und alt, Kinder und Frauen, auf einen Tag, nämlich am drei­zehnten Tag des zwölften Monats, das ist der Monat Adar, und ihr Hab und Gut plündern" (3,12-13).

So wurde der mörderische Erlaß zwar im Namen des Königs, aber nach dem Befehl und der Anweisung Ha-mans bekanntgegeben und mit des Königs Siegelring beglaubigt.

"Welch überraschend genauer Vergleich mit dem mensch­lichen Herzen, das vom Fleisch beherrscht wird, bietet sich uns hier an! Es wird, wenn auch unwissend, an jedem fleischlichen Streben beteiligt, das die Stimme Gottes zum Schweigen bringen will und das den For­derungen des Heiligen Geistes Widerstand leistet.

Es ist erstaunlich, welchen Enthusiasmus der Mensch an den Tag legt, wenn er seiner Natur die Möglichkeit einräumt, vom Teufel mißbraucht zu werden. Obwohl er dabei versucht, sich selbst zu entschuldigen, obwohl er vielleicht auch selbst überzeugt ist von der Vortreff­lichkeit seiner Taten, so ist doch eine unbegreifliche Ru­he- und Rastlosigkeit in ihm, die ihn bestürzt und ver­wirrt; denn:

„Die Läufer gingen eilends aus nach des Königs "Wort, und in der Festung Susa wurde das Gesetz angeschlagen. Und der König und Haman saßen und tranken, aber die Stadt Susa war bestürzt" (3,15).

Ein Geraune und Geflüster des Befremdens ging durch die Stadt Susa. Überall steckten die Menschen auf den Straßen in kleinen Gruppen ihre Köpfe zusammen und tuschelten bestürzt miteinander.

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Während der König und Haman sich zusammensetzten, um ihren ruchlosen Bund zu betrinken und zu bestä­tigen, spürte das Volk auf den Gassen, daß im König­reich etwas nicht in Ordnung war - Susa war verwirrt und bestürzt.

Gibt es solche unaussprechlichen Augenblicke auch in deinem Leben? Hörst du manchmal die leise mahnende Stimme deines ruhelosen Herzens in Augenblicken der Befremdung, in denen du feststellst, daß mit dir nicht alles in Ordnung ist?

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Der Geist der Adoption - der Geist in Sack und Asche

Während der Tag, der für das Massaker angesetzt war, langsam näherrückte, lastete der Schatten des Todes im­mer schwerer auf allen Juden im Lande. Nur durch einen Regierungswechsel schien ein Entkommen aus die­ser Katastrophe möglich. Aber nichts schien zur Zeit ferner zu liegen als gerade das!

"Wenn Mardochai jedoch den Schlüssel zu ihrer Befrei­ung und Errettung in der Hand hatte, gab es nur ein Hauptproblem: Wie konnte man den falschen Mann hinaus- und den richtigen hineinbekommen? Von allen Lehren, die wir aus dem Buche Esther ziehen können, ist vielleicht folgende am wichtigsten: Um den falschen Menschen hinaus- und den richtigen hineinzubekom­men, muß zuerst der richtige Mensch hinein, damit der falsche auch wirklich hinausgeht!

Wir wollen diesbezüglich darum unsere Aufmerksam­keit jetzt einen Augenblick Mardochai zuwenden, um noch einiges über ihn zu erfahren.

„Es war ein jüdischer Mann im Schloß zu Susa, der hieß Mardochai... ein Benjaminiter, der mit wegge­führt war von Jerusalem, als Jechonja, der König von Juda, durch Nebukadnezar, den König von Babel, in die Gefangenschaft geführt wurde" (2, 5. 6).

Dieser Mardochai darf nicht verwechselt werden mit dem, der in Esra 2, 2 erwähnt wird, obwohl dieser auch nach Babylon in die Gefangenschaft geführt wurde. Aber obgleich diese beiden Männer nicht identisch sind,

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so ist es doch interessant zu beobachten, wie beide in einzigartiger "Weise Gottes Gnadengabe, den Heiligen Geist, verkörpern.

Im ersten Kapitel des Buches Esra wird uns berichtet, ■wie Gott den Geist des Königs von Persien, Cyrus, erweckte, so daß er eine Proklamation durchs ganze Land ergehen ließ, die folgenden Inhalt hatte:

„So spricht Cyrus, der König von Persien: Der Herr, der Gott des Himmels, hat mir alle Königreiche der Erde gegeben, und er hat mir befohlen, ihm ein Haus zu Jerusalem in Juda zu bauen. Wer nun unter euch von seinem Volk ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf nach Jerusalem in Juda und baue das Haus des Herrn, des Gottes Israels .. .w

„Da machten sich auf die Häupter der Sippen aus Juda und Benjamin und die Priester und Leviten, alle, deren Geist Gott erweckt hatte, um hinaufzuziehen und das Haus des Herrn zu Jerusalem zu bauen" (Esra 1,2.3.5.). Unter diesen, die aus der Gefangenschaft zurückkehr­ten, war auch der andere Mardochai. Er sah seine vor­nehmste Aufgabe darin, zusammen mit den Übrigge­bliebenen, den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Er soll so gereinigt werden, daß er wieder aufnahme­bereit wurde für die Herrlichkeit Gottes. Und das ist doch die eigentliche Aufgabe des Heiligen Geistes in deinem und meinem Leben. Unser Leib soll wieder Tem­pel des lebendigen Gottes werden, bereit zu seiner Ver­herrlichung. Er muß gereinigt werden, damit er als Werkzeug der Gerechtigkeit verwendet werden kann.

In ähnlicher Weise soll auch das Bild, das uns im Buch Esther dargeboten wird, Mardochai als Symbol des Hei­ligen  Geistes   veranschaulichen.   Er  versucht, Zutritt

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zum König Ahasveros zu bekommen, der das mensch­liche Herz symbolisiert. So soll durch den guten Ein­fluß Mardochais der böse, heimtückische Einfluß Ha-mans, der das „Fleisch" symbolisiert, verdrängt werden. Dann wird es auch die Umwelt merken, daß sich im Palast etwas Wunderbares ereignet hat, etwas, das den Charakter des Königreiches, als Symbol für den menschlichen Körper, grundlegend verändert hat.

„Darum, ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden! Aber das alles von Gott..." 2. Kor. 5,17.18).

Der Heilige Geist übernahm die Pflege

Sicherlich fragt inzwischen manch einer verwundert, wo denn nun Esther auftritt, nach der das Buch doch be­nannt wurde. Daher wollen wir jetzt die Rolle, die sie in dieser Geschichte zu spielen hat, näher ins Auge fassen. Bevor Mardochai in des Königs Leben eintreten konnte, mußte er in Esthers Leben treten. Ebenso muß der Heilige Geist zuerst den Geist des Menschen er­neuern, bevor er im Herzen die Herrschaft antritt. Die Königin Esther versinnbildlicht den Geist des Men­schen, während der König Ahasveros sein Herz darstellt. Die beiden sind zwar eng miteinander verbunden, aber man sollte sie trotzdem nicht miteinander verwechseln.

Mit Erstaunen entdecken wir, auf welche Weise Mardochai in Esthers Leben trat, damit er durch sie zum König käme.

„Und er war der Pflegevater der Hadassa, das ist Est­her, einer Tochter seines Oheims; denn sie hatte weder

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Vater noch Mutter. Und sie war ein schönes und feines Mädchen. Und als ihr Vater und ihre Mutter starben, nahm sie Mardochai als Tochter an" (2, 7).

Mardochai war also durch Adoption mit Esther ver­bunden. Welch wunderbarer Vergleich mit dem Heiligen Geist bietet sich uns da an. So wie Mardochai die Verantwortung für die Pflege und Erziehung Esthers übernommen hatte, als er sie in seine Obhut nahm und in ihr ein tiefes Verständnis für ihre eigene Verantwor­tung und gottgegebene Bestimmung weckte, ebenso ist es in deinem und in meinem Leben die Aufgabe des Heiligen Geistes, uns in seine Obhut zu nehmen und in alle Wahrheit zu leiten.

„Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermals fürchten müßtet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen:

Abba, lieber Vater!" (Rom. 8,14.15).

„Als aber die Zeit erfüllet ward, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz (die Verordnungen des Gesetzes) getan, auf daß er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste (loskaufte, Ersatz leistete, Schuld sühnte), damit wir die (Gottes-)Kindschaft empfingen. Weil ihr denn (tatsächlich seine) Kin­der seid, hat Gott gesandt den (Heiligen) Geist seines Sohnes in unsre Herzen, der schreit: Abba (Vater!), lieber Vater!* (Gal. 4,4-6).

Der Heilige Geist ist der Geist der Annahme an Kindes Statt!

Der Eintritt des Heiligen Geistes ins menschliche Herz

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bedeutet geistliche "Wiedergeburt. So werden wir hinein­geboren in die Familie Gottes, wir werden Gottes Kin­der. Die Gegenwart des Heiligen Geistes ist auch das Siegel, mit dem Gott diese neue Verbindung be­kräftigt.

In der verwandtschaftlichen Beziehung zwischen Mardochai und Esther haben wir ein schönes Bild von der Beziehung zwischen dem Heiligen Geist und jenen Men­schen, die Jesus Christus im Glauben angenommen ha­ben. Wir wollen uns daran erinnern, daß der Glaube, durch welchen wir den Heiligen Geist empfangen ha­ben, derselbe ist, durch den wir die Erlösung durch Christi Blut in Anspruch nehmen - einer ist nichts ohne den andern.

„Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Geset­zes, da er ward ein Fluch für uns; denn es steht geschrie­ben (5. Mose 21, 23): »Verflucht ist jedermann, der am Holz hanget', auf daß der Segen Abrahams unter die Heiden käme in Jesus Christus und wir den verheißenen Geist empfingen durch den Glauben" (Gal. 3,13.14).

Das bedeutet, wenn du im Glauben die Vergebung dei­ner Sünden durch das Blut Jesu Christi angenommen hast, das stellvertretend für dich geflossen ist, kann Gott seinen Heiligen Geist in deinen menschlichen Geist sen­den. Dann beginnt für dich das neue Lebensexperiment, das Johannes so beschreibt: „Wer da glaubt an den Sohn Gottes, der hat solches Zeugnis in ihm" (1. Jon. 5,10). Es ist das Zeugnis Gottes, das bedeutsamer ist als das Zeugnis von Menschen.

„Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind" (Rom. 8,16).

„Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir

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getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geiste, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch Jesus Christus, unsern Heiland" (Tit. 3, 5. 6).

„In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gna­de" (Eph. 1, 7).

„In Ihm seid auch ihr, die ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, nämlich das Evangelium von eurer Se­ligkeit - in ihm seid auch ihr, da ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verhei­ßen ist" (Eph. 1,13).

Hast du Gottes Vergebung durch den Tod Jesu Christi, den er stellvertretend für dich erlitt, schon für dich selbst in Anspruch genommen? Bist du gewiß, daß du den Heiligen Geist empfangen hast, in dessen Gestalt Christus selbst in dir wohnen will und der deinem Gei­ste Zeugnis gibt, daß du Gottes Kind geworden bist? Wenn das noch nicht der Fall ist, willst du es nicht in diesem Augenblick, bevor du weiterliest, fest und für immer annehmen? Du wirst sehr glücklich werden, wenn du es tust!

Der Heilige Geist war betrübt

Im dritten Kapitel hörten wir, daß der Heilige Geist widerstand, im zweiten adoptierte er, und zu Beginn des vierten Kapitels sehen wir ihn betrübt.

Der Geist der Adoption wurde ein Geist „in Sack und Asche", denn in Esther 4,1 lesen wir:

„Als Mardochai alles erfuhr, was geschehen war, zerriß

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er seine Kleider und legte den Sack an und tat Asche aufs Haupt und ging hinaus mitten in die Stadt und schrie laut klagend."

Esther war über diese neue Lage äußerst bestürzt und bedrückt. Sie tat ihr bestes, Mardochai zu trösten -ohne Erfolg; denn er wollte sich nicht trösten lassen. In Esther 4,4 heißt es: „Sie sandte Kleider, daß Mar­dochai sie anzöge und den Sack ablegte; er aber nahm sie nicht an."

Das Bild, das uns hier gezeigt wird, ist in seiner geist­lichen Bedeutung für uns sehr wichtig. Obwohl Mardo­chai bereits in Esthers Leben trat, hatte er bis jetzt aber noch keinen Zutritt zum Palast und Kronrat des Königs. Dort trug noch immer Haman den Ring und beherrschte die Szene. Da haben wir den Christen vor uns, der irdisch gesinnt ist.

"Wenn du den Herrn Jesus Christus als deinen Erlöser in dein Herz aufgenommen hast, wirst du aufs neue geboren. Gott bekräftigt mit seinem Siegel des Heiligen Geistes, daß du sein Kind bist. Wenn aber die alte Adamsnatur, das Fleisch also, immer noch die Vorherr­schaft in deinem Herzen hat und deine Persönlichkeit noch völlig in Beschlag nimmt, indem sie dein Denken beeinflußt, deinen Ehrgeiz entfacht, deine Gefühle und Neigungen gefangenhält und deinen Willen raffiniert so lenkt, daß er sich den Forderungen des „alten Adam" unterwirft, dann bist du solch ein Christ, der irdisch und fleischlich ist. Dann bist du das, was Paulus ein „Baby in Christus" nannte, und der Heilige Geist wird darüber trauern. Er wird ein Geist „in Sack und Asche".

„Und ich, liebe Brüder, konnte auch mit euch nicht reden

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als mit geistlichen Menschen, sondern als mit fleischli­chen, wie mit jungen Kindern in Christus - weil ihr noch fleischlich seid. Denn wenn Eifersucht und Zank unter euch sind, seid ihr da nicht fleischlich und wandelt nach menschlicher Weise?" (1. Kor. 3,1. 3).

Wenn nun der Heilige Geist in dir betrübt ist, so kannst du ihn nicht durch den Wechsel deiner Kleidung trösten. Das wäre nur äußerlich. Du mußt schon einen Regie­rungswechsel in dir selbst vornehmen. Der Heilige Geist wird nicht eher zufrieden sein, als bis der Ring an sei­nem Finger und Haman am Galgen ist.

Esther war über ihren eigenen Zustand völlig im unkla­ren, weil sie bisher Hamans Charakter noch nicht durch­schaut hatte. Bestimmt war dieser immer, wenn er sie irgendwo im Palast traf, so höflich und zuvorkommend wie nur möglich - triefend von Charme. Das Fleisch ist durch in seiner Taktik. Auf der einen Seite ist es sehr höflich, auf der anderen Seite ist es sadistisch, bru­tal, entwürdigend und grausam.

Mardodiai aber war nicht wegen seiner eigenen Lage beunruhigt, sondern wegen der Gesamtsituation im Pa­last. Solange der Ring am falschen Finger blieb, wür­de es nur Unglück für das Land und die Umwelt be­deuten. Ein Kleiderwechsel änderte die Situation noch nicht.

Ich möchte wohl wissen, ob du jetzt bezüglich deiner Erfahrungen als Christ bestürzt bist. Es könnte doch sein, daß du, obwohl du deiner Bekehrung ganz gewiß bist, in deinem Innern deutlich das Klagen eines betrüb­ten Geistes hörst. Das alles unter einer äußerlich christ­lichen Fassade bei christlichem Dienst und Bekenntnis! Du weißt, daß der innere Friede dich längst verlassen

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hat, du seufzt nach Befreiung und Änderung. Vielleicht hast du, wie so mancher andere, schon oft gedacht: „Ich brauche eine neue kirchliche Heimat. Ich passe nicht in diese Gemeinde. In einer andern Gemeinde wird es bestimmt besser mit mir gehen." Und bald bist du wie­der auf dem falschen Weg; denn das passiert dir nicht nur einmal.

Es hilft auch gar nichts. Du wirst ebensoviel Kummer in der zweiten Gemeinde haben, wie in der ersten, weil es nicht an deiner geistlichen  Umgebung liegt, sondern weil in dir selbst etwas hoffnungslos verkehrt ist!

Falls du versäumst, das in Ordnung zu bringen, bleibst du dein Leben lang ein geistlicher Landstreicher. -

Lieber Prediger, vielleicht sagst du zu dir selbst: „Ich brauche ein neues Pastorat. Bei diesen Menschen hier dringe ich einfach nicht durch. Sie sind so hoffnungslos desinteressiert. Ich vergeude nur mein Talent."

Nein, lieber Prediger, suche einmal die Schuld auf der Kanzel und nicht auf dem Zuhörerstuhl. Prüfe dein eigenes Herz, bevor du dir eine andere müde Gemeinde auflädst!

Vielleicht bist du Student an einer Bibelschule oder einem Seminar und hast bereits zu dir gesagt: „Ich weiß ja, daß mein geistliches Leben ganz schön herunterge­kommen ist, daß ich in mancher Hinsicht allerlei Versu­chungen erlegen bin, aber ich bin einfach zu sehr mit meinem Examen beschäftigt, als daß ich mich um mein persönliches Verhältnis zu Jesus Christus kümmern könnte. Außerdem ist man nur einmal Student. Mir ist dieser Zustand noch keine Not, aber das wird na­türlich alles anders, wenn ich erst auf dem Missionsfeld bin."

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Nichts wird so plötzlich anders!

Du wirst dort ebenso ein Versager sein wie hier. Eine geographische Veränderung wird deinen inneren Zustand nicht in Ordnung bringen, auch kein Pastorat oder Wechsel der Gemeinschaft. Solange Kaman, das Fleisch, noch die Hauptstütze im Palast ist und den Ring am Finger tragt, ändert sich gar nichts!

Du kannst ruhig an Bord eines Schiffes gehen und nach fernen Landen fahren. Glaube jedoch nidit, daß du dien so ohne weiteres in eine geistliche Kapazität verwan­delst, wenn du dir die Bibel unter den Arm klemmst und - mit Tropenhelm und Khakihemd bekleidet -einen "Weg durch den Dschungel bahnst. Wenn der Geist der Adoption in dir ein Geist „in Sack und AsdieM geworden ist, dann hast du zwar den „richtigen Men­schen" hineingelassen, den „falsdien Menschen" jedoch noch nicht hinausgetan.

Der Ring sitzt noch am falschen Finger! - Wenn das so bleibt, wird sich die Schlinge bald um den falschen Hals legen. - Das aber muß unter allen Umständen verhindert und geändert werden. Diese Veränderung wird etwas mehr erfordern als nur einen Wedisel in der Garderobe. Sie verlangt einen Regierungswechsel in deinem Herzen. Hier fehlt ein neuer Kanzler!

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Einen Klaps für das Falsche - fürs Richtige ein Zückerchen

Esther war nach ihren nutzlosen Versuchen, Mardodiai mit eigenen Vorschlägen zu besänftigen, zu der Über­zeugung gekommen, es sei am besten, Mardochai zu bitten, ihr die augenblickliche Lage noch einmal genau zu erklären und ihr bestimmte Instruktionen zu geben. Aus diesem Grunde rief sie Hathach zu sich. Das war einer „von des Königs Kämmerern, der ihr diente, und gab ihm Befehl wegen Mardochai, um zu erfahren, was das sei und warum er so tue" (4, 5).

Mardochai antwortete unverzüglich auf ihre Bitte. Ebenso antwortet der Heilige Geist dir und mir sofort, wenn wir bereit sind, unsere eigene, vorgefaßte Mei­nung aufzugeben und ihn zu uns reden zu lassen. Er spricht dann zu uns wie jemand, dessen Aufgabe es ist, unsere Sünden aufzudecken und uns in alle Wahrheit zu leiten.

„Und Mardochai sagte ihm alles, was ihm begegnet war, auch die Summe des Silbers, das Haman verspro­chen hatte in des Königs Schatzkammer darzuwägen, wenn die Juden vertilgt würden, und gab ihm eine Ab­schrift des Gesetzes, das in Susa angeschlagen war, sie zu vertilgen, damit er's Esther zeige" (4, 7. 8).

Mardochai wußte, daß es notwendig war, zunächst die Königin Esther über die Gottlosigkeit und Bosheit Ha-mans aufzuklären, bevor dieser an den Galgen kam. Sie mußte davon überzeugt werden, daß hinter seinem bezaubernden, charmanten Wesen jenes mörderische Vorhaben in seinem Herzen lauerte.

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Hier erkennen wir, daß echte Sündenerkenntnis mit dem Wirken des Heiligen Geistes am menschlichen Gei­ste beginnt, bevor er von unserem Herzen Besitz ergreift.

Es ist sicher nicht einfach, den Sitz des menschlichen Gewissens zu lokalisieren. Es ist aber wichtig, zu be­achten, daß der Mensch neben einem Instinkt auch ein moralisches Gewissen hat. Leider werden beide oft mit­einander verwechselt.

Das bequeme Gewissen, ein Gewissen der Anpassung

Dieses Gewissen richtet sich nach Maßstäben, die an­hand der Folgen einer Tat festlegen, was richtig oder falsch ist. Es steht somit zum moralischen oder sittlichen Gewissen in einem Gegensatz; denn das erwägt, was ethisch gut oder böse ist. Das bequeme Gewissen sitzt im Herzen des Menschen.

Ich will dieses Gewissen an einem Beispiel erklären. Vielleicht erinnert sich manch einer noch an die Zeit, als er zum erstenmal einen jungen Hund im Hause hatte, ein süßes, molliges, kleines Wesen! Bald bemerkte man, daß es nötig wurde, sein Gewissen für ganz be­stimmte Verhaltensweisen zu entwickeln.

Da hatten Sie z. B. eines Vormittags noch schnell etwas zu erledigen und vergaßen in der Eile, die Küchentür zu schließen. Auf dem Küchentisch lag verlockend ein schönes saftiges Stück Fleisch. Wer könnte es dem jun­gen Tier verübeln, daß es auf seinen Entdeckungsreisen durch die Wohnung der Versuchung nicht widerstehen konnte und das Stück Fleisch mit Wohlbehagen ver­zehrte.

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Man versetze sich nur einmal in die Lage dieses Hundes. Was hätten Sie in seiner Situation getan? Die Antwort ist klar: Sie hätten sich „einwickeln" lassen und wären schwach geworden.

Als Sie zurückkamen und das Unglück sahen, haben Sie dem entzückenden kleinen Ding einen Klaps ver­setzt, um ihm zu verstehen zu geben, daß seine Hand­lung nicht richtig war.

Aber wenn wir ehrlich sein wollen, müssen wir gestehen, daß der kleine Hund unseren ersten Erziehungsversu­chen verständnislos gegenüberstand. Wahrschein­lich dachte er im Stillen: Was für merkwürdige Wesen doch diese Menschen sind! Was wollen die denn? Ist es etwa verkehrt, wenn ein hungriger kleiner Hund ein Stückchen Fleisch frißt?

Erwischte das liebe Tierchen bei der nächstbesten Gele­genheit zum zweiten Male Ihren Mittagsbraten, dann war es schon nidit mehr ganz so niedlich wie am An­fang. Es bekam eine tüchtige Tracht Prügel, und lang­sam, jedoch ohne eine ethische oder sittliche Einsicht, merkte das Tier, was man von ihm wollte.

Bei der nächsten Gelegenheit, als es durch Ihre Unvor­sichtigkeit wieder einmal in Versuchung geführt wurde, bezähmte es sich. Während ihm der Speichel aus der Schnauze tropfte, starrte der Hund den verführerischen Bissen an und dachte vielleicht: Ich weiß zwar nicht, warum ich dieses Fleisch nicht fressen darf. Ich will aber lieber warten, bis mein Frauchen zurückkommt und es mir gibt. Als ich es zum erstenmal fraß, war die Strafe noch nicht so schlimm, beim zweitenmal aber tat sie sehr weh!

Nun machte sich der kleine Hund ein Gewissen aus

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dem Naschen. Dabei hatte er durchaus kein moralisches Wertempfinden entwickelt. Er hatte einfach begriffen, daß man für bestimmte falsche Dinge im Leben eine Strafe bekommt, und daß man sie dieser unangenehmen Konsequenzen wegen lieber unterläßt.

Einen Klaps für das Falsche!

In der Folgezeit fingen Sie vielleicht an, dem Tier beizu­bringen, wie es „bitte, bitte" zu machen hatte. Seine Gedanken bei dieser neuen Lektion waren bestimmt wenig schmeichelhaft für Sie. "Wahrscheinlich dachte es: Ich kann mir zwar beim besten Willen nicht vorstellen, was alberner wäre als das hier. Da soll ich mich un­bedingt auf die Hinterpfoten setzen und die Vorderpfo­ten stur geradeaus in die Gegend strecken! Dafür bin ich einfach nicht geschaffen - ich bin doch kein Denk­mal!

Hatte der kleine Hund es aber erst heraus, daß er für jeden ernsthaften Versuch eine Belohnung bekam, so begriff er bald, daß er nicht nur den Klaps für das Falsche bekam, sondern auch das Zückerchen fürs Rich­tige. Das heißt aber nicht, daß der Hund verstanden hätte, warum das Richtige gut und richtig war.

Das Zückerchen fürs Richtige!

Es mag ein wenig befremden, aber genauso verläuft auch die erste Erziehungsstufe bei einem Kleinkind. Wenn es zum Beispiel am Tischtuch zerrt und das beste Porzellan auf den Fußboden zieht, hält man ihm keine Sittenpredigt oder Moralpauke. Man sagt ihm ganz energisch, daß dies eine böse Tat war, für die es einen Klaps bekommt. Hat es dagegen das letzte Löffelchen voll Spinatbrei brav heruntergeschluckt und dafür hin-

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terher zur Belohnung ein Stück Schokolade bekommen, dann weiß es, daß es sich richtig verhalten hat, allein wegen der Belohnung.

Wer noch nicht verstanden hat, was ich eigentlich hier­mit klarmachen wollte, der beobachte sich selbst dem­nächst, wenn er mit überhöhter Geschwindigkeit durch ein Gebiet fährt, in dem eine Geschwindigkeitsbegren­zung vorgeschrieben ist. Warum blickt man dann ängst­lich und nervös in den Rückspiegel? Ist man wegen seines verkehrsgefährdenden Verhaltens beunruhigt oder fürchtet man nur die Streife der Verkehrspoli­zei?

Das ist wieder der gefürchtete Klaps fürs Falsche.

So betrachtet, kann das Verhalten der Menschen sozial richtig oder falsch sein. Es kann kirchlich gut oder schlecht sein, finanziell richtig oder falsch, und - was das anbelangt - kann es auch evangelistisch gut oder nicht gut sein, weil kein sittliches Wertempfinden beim einzelnen entwickelt und angesprochen wird. Man trimmt lediglich bestimmte Verhaltensweisen, um damit einerseits einer Strafe aus dem Wege zu gehen und ande­rerseits eine Belohnung zu bekommen.

Ich glaube, daß es Tausende junger Menschen gibt, die zwar versichern, Christen zu sein, deren Verhaltenswei­sen sich aber lediglich nach festgefügten Schablonen und Formen der heimatlichen Umwelt richten. Man handelt eben so, weil man dadurch in der Gemeinschaft akzep­tiert wird. Ein tieferes, eigenes Verständnis ist nicht vorhanden. Man ist eben christlich erzogen!

Schickt man diese jungen Menschen allein auf eine welt­liche Universität, werden sie zur Bundeswehr eingezo-

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gen oder auf eine andere Art von ihrer gewohnten Um­welt getrennt, so ist das Resultat oft verheerend. Bei der ersten Begegnung mit den harten Tatsachen eines Lebens, das sich nach andern als den bisher gewohnten Maßstäben richtet, versagen sie. Man stellt fest, daß sie niemals ein eigenes geistliches Empfinden entwickelt haben. Sie haben aber ein oifenes Ohr für „Ratgeber** aller Art.

Das überzeugte Gewissen, ein Gewissen der Einsicht

Während das Gewissen der Anpassung anhand der Fol­gen einer Tat entscheidet, was falsch oder richtig ist, fragt das Gewissen der Einsicht danach, ob die Tat als solche recht oder unrecht ist. Mit andern Worten,1 es entscheidet sich für das Rechte, weil es recht ist, und nicht für das Unrechte, weil es unrecht ist. Andere Ge­sichtspunkte spielen keine Rolle.

Das bequeme Gewissen paßt sich den jeweiligen Ver­hältnissen an. Es richtet sich nach jedem „neuen Wind der Lehre" und der Mode und ordnet sich willig einer neuen Moral unter, selbst wenn diese offensichtlich be­strebt ist, die Unmoral gesellschaftsfähig zu machen. Andrerseits ist das sittliche Gewissen absolut, wie Gott selbst.

Es ist gut möglich, daß sogar im Herzen eines Menschen, der noch nicht wiedergeboren ist, eine verkümmerte Vorstellung von der Gerechtigkeit Gottes herrscht, nach dessen Bild er ja einmal geschaffen wurde. Sie verleiht ihm und leider auch vielen Wiedergeborenen ein „gewis­ses Gespür" für Recht und Unrecht und ist bedeutend edler als jenes Gefühl, das nur nach Strafe und Beloh-

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nung fragt. Es ist aber unzuverlässig, weil es durch Her­kunft, Bildung und gewisse Umstände verzerrt, verbo­gen und verkümmert sein kann. Auf ein solches Gewis­sen ist natürlich auch kein Verlaß.

Das erste, was der Heilige Geist tut, wenn er am menschlichen Geist zu wirken beginnt, besteht darin, daß er neu die biblischen Maßstäbe von Recht und Un­recht im Gewissen festlegt.

Und das geschieht in aller Stille, ohne daß diese neue Ausrichtung sofort allen sichtbar wird. Der wiedergebo­rene Sünder ist auch nicht gleich imstande, seine neuen Lebensprinzipien zu definieren. Alles, was er vielleicht sagen kann, wenn er aufgefordert wird, darüber zu re­den, drückt den Wunsch aus, nicht mehr so weiterleben zu wollen wie bisher, nicht mehr so zu reden wie bisher. Er gesteht einfach: „Ich weiß nicht warum und kann es auch nicht genau erklären, aber irgendwie spür ich es jetzt, daß solche Taten und Worte nicht in Ordnung sind."

So kommt es, daß die nachhaltigste Reue in einem Men­schenleben, die durch den Heiligen Geist gewirkt wurde, nicht vor oder während der Bekehrung auf tritt, sondern danach. Natürlich gibt es ohne aufrichtige Reue keine Bekehrung und keinen lebendigen Glauben an Christus, aber die erste Reue rührt eher von einer Furcht vor den Folgen der Sünde her als von der echten Betrüb­nis über die Sündhaftigkeit der Sünde, die Gott ein Greuel ist.

Wenn der Heilige Geist damit beginnt, dem menschli­chen Geist die Verdorbenheit des Fleisches aufzudecken, ebenso wie Mardochai der Königin Esther die ganze ungeschminkte Wahrheit über Haman offenbarte, mag

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solche schmerzliche Sündenerkenntnis durchaus bewir­ken, daß man anfängt, darüber nachzudenken, ob man auch tatsächlich errettet ist. Das ist ein gutes Zeichen und der sicherste Beweis für eine echte, geistliche Wie­dergeburt.

Dann gleicht der Heilige Geist einem Menschen, der mit einer Lampe einen schmutzigen, dunklen Raum be­tritt. Alle Dinge, mit denen er in der Dunkelheit gelebt hat, widern ihn, bei Licht besehen, heftig an.

Auf diese Weise erkennt der Mensch seine wahre Natur und zugleich die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Änderung. Er erkennt, daß er der Gnade und Nachsicht Gottes bedarf und das nicht nur, um anstatt in die Hölle in den Himmel zu kommen. Wie der Psalmist des Alten Bundes kann er nur noch in bitterster Selbst­erkenntnis ausrufen:

„Denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir. An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan, auf daß du recht behaltest in deinen Worten und rein dastehst, wenn du richtest... Entsündige mich mit Ysop, daß ich rein werde; wasche mich, daß ich schneeweiß werde. Laß mich hören Freude und Wonne, daß die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast. Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden und tilge alle meine Missetat" (Ps. 51, 5. 6. 9-11).

Esther mußte den wahren Charakter der Menschen, mit denen sie im Palast Umgang hatte, erst einmal kennen­lernen. Was sie dabei erfuhr, war alles andere als erfreu­lich.

Es ist immer unangenehm, wenn der Heilige Geist dir

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zum erstenmal den Haman in dir selber zeigt, wenn er ihn entlarvt, indem er ihm schonungslos die Maske vom häßlichen Antlitz reißt!

Dann möchte man am liebsten hinauslaufen und bitter­lich weinen, wie es Petrus damals tat (Luk. 22, 62).

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Komme ich um, so komme ich um

Esther war erschüttert und erschrocken zugleich. War es möglich, daß die Geschäfte des Staates in derart schlechten, gottlosen Händen lagen? Ebenso schockiert und beunruhigt aber war sie auch über die unmißverständlichen Anweisungen Mardochais, besonders jetzt, da sie den Feind kannte.

Hathach war ja nicht allein mit einer Abschrift des in Susa veröffentlichten Gesetzes von Mardochai zu Esther zurückgeschickt worden, sondern auch mit der Aufforderung, »daß sie zum König hineingehe und zu ihm flehe und bei ihm Fürbitte tue für ihr Volk" (4,8).

Die Königin kannte das Gesetz sehr wohl. Es besagte, daß jeder, der ungerufen vor dem König erschien, sich damit selbst das Todesurteil gesprochen hatte. Er wurde nicht etwa vor ein ordentliches Gericht gestellt, wenn er diesen verbotenen Schritt über die Schwelle des Innen­hofes getan hatte. Der Richtspruch fiel automatisch.

In dem Augenblick, in dem Esthers Fuß die verbotene Linie überschreiten würde, war sie so gut wie tot. Das wußte sie. Gerettet war sie lediglich, wenn der König ihr sein goldenes Zepter entgegenstreckte. Und das er­schien ihr zur Zeit sehr unwahrscheinlich.

"Wir brauchen uns daher nicht zu wundern, wenn Mar­dochais Aufforderung wie ein Schock auf die Königin wirkte. Sie schrak zurück und protestierte. Das war einfach eine natürliche Reaktion. Darum lautete ihre Antwort:

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wDa sprach Esther zu Hathach und gebot ihm, Mardochai zu sagen: Es wissen alle Großen des Königs und das Volk in den Ländern des Königs, daß jeder, der ungerufen zum König hineingeht in den inneren Hof, Mann oder Weib, nach dem Gesetz sterben muß, es sei denn, der König strecke das goldene Zepter gegen ihn aus, damit er am Leben bleibe. Ich aber bin nun seit dreißig Tagen nicht gerufen worden, zum König hineinzukommen" (4,10.11).

In Esthers Herz war ein schwerer Konflikt aufgebro­chen, als sie die ganze Angelegenheit durchdachte. Aus Kapitel 2,20 erfahren wir: „Esther hatte noch nichts gesagt von ihrer Herkunft und von ihrem Volk, wie ihr Mardochai geboten hatte." Jetzt aber sollte sie sich zu erkennen geben. Sie sollte sich mit Gottes Volk, Got­tes Plan und Macht Öffentlich solidarisch erklären. Das würde unweigerlich zur Folge haben, daß sie nun den ganzen Haß Hamans auf das Volk der Juden und auf ihr eigenes Haupt herabzog.

Unter diesen Umständen erschien es ihr zunächst sinnlos und unvernünftig, sich auf diese Weise selbst das Todes­urteil zu sprechen. Wie durfte sie es wagen, so unbeson­nen eine Audienz beim König zu erzwingen! Und sie überlegte: „Wenn Haman wirklich so boshaft und ver­schlagen ist, wie Mardochai ihn hinstellt, dann darf ich auf keinen Fall sterben. Ich muß überleben; denn ich bin unentbehrlich für mein Volk. Vielleicht kann ich Haman überlisten, ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, seine gefährlichen Pläne vereiteln und ihm einen Strich durch die Rechnung machen. - Eventuell entdecke ich aber auch eine gute Seite an Haman. Es könnte doch sein, daß er auch gute Charaktereigenschaf­ten hat, die Mardochai übersehen hat. Warum soll ich

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sterben, mir selbst das Urteil sprechen? Das kann doch unmöglich die einzige Lösung sein!"

Wir wissen aus den vorhergegangenen Kapiteln, daß man dem Heiligen Geist Widerstand leisten, daß er angenommen oder betrübt werden kann - hier, in die­sem Bild wird er unterdrückt. Esther war noch nicht bereit, ihr eigenes Wesen und Vermögen in den Tod zu geben. Darum fand Mardochai auch noch keine Gele­genheit und Möglichkeit, Haman an den Galgen zu bringen.

Die Lektion, die Esther lernen und begreifen mußte, war für sie ebenso schwierig wie für uns. Es war nicht ihre Aufgabe, mit Haman abzurechnen und ihn zu tö­ten. Das stand allein Mardochai zu. Sie hatte lediglich die Aufgabe, das zu tun, was man von ihr verlangte. Sie hatte den klaren Anweisungen Mardochais Folge zu leisten, selbst dann, wenn mit dem Tode als durchaus möglicher Konsequenz zu rechnen war.

So wie Esther die Versuche aufgeben mußte, Haman aus eigenem Vermögen zu hangen, mußt auch du bereit sein, dein Vorhaben, aus eigener Kraft mit dem Fleisch' fertig zu werden, aufzugeben. Erst dann kann Gott mit seinem Werk beginnen. Du kannst dich nicht selbst kreuzigen. Das ist die Arbeit des Heiligen Geistes. „Im Geiste wandeln" bedeutet, Gott gegenüber ein solch völ­liges Vertrauen aufzubringen, daß man in allem zuerst seine Gebote und Anweisungen sucht, dann keinerlei Fragen mehr stellt, sondern schlicht und gehorsam aus­führt, was einem aufgetragen wurde. Denen, die so han­deln, gilt dann die Verheißung Gottes, daß sie „nicht mehr nach der Lust des Fleisches wandeln". Der Heili­ge Geist ist durchaus in der Lage, mit dem Fleische

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abzurechnen und es in den Tod zu geben. Es ist seine Aufgabe, Haman zu hängen!

„Und als Esthers "Worte Mardochai gesagt wurden, ließ Mardochai Esther antworten: Denke nicht, daß du dein Leben errettest, weil du im Palast des Königs bist, du allein von allen Juden. Denn wenn du zu dieser Zeit schweigen wirst, so wird eine Hilfe und Errettung von einem andern Ort her den Juden erstehen, du aber und deines Vaters Haus, ihr werdet umkommen. Und wer weiß, ob du nicht gerade um dieser Zeit willen zur königlichen Würde gekommen bist* (4,12-14).

Mardochai machte es Esther unmißverständlich klar: für Gott war sie durchaus nicht unentbehrlich, wohl aber Gott für sie! Er wies darauf hin, daß nun ein Augenblick voll weittragender, furchtbarer Konsequenz gekommen war, der für den weiteren Verlauf ihres Le­bens von entscheidender Bedeutung war.

Er erklärte ihr mit andern Worten: „Du stehst an der Schwelle jenes schicksalhaften Ereignisses, für das du er­wählt und bereitet wurdest. Wenn du dich richtig ent­scheidest, wird dies die wichtigste Stunde deines Lebens sein. Andernfalls, wenn du dich falsch entscheidest, Gott deinen Unmut ins Gesicht schleuderst, wenn du dich pas­siv verhältst, weil du deine Ruhe haben willst, dann bilde dir nur nicht ein, du könntest den Folgen auf diese Weise ausweichen und damit deine eigene Haut retten! Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren. - Wenn du aber bereit bist, dein Leben für Gottes Sache zu verlieren, so wirst du es finden. Das ist deine Schicksalsstunde! Wähle mit Bedacht den richtigen Weg! Weise nicht einfach alles von dir!"

Ich glaube, daß es diesen Augenblick im Leben eines

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jeden Gotteskindes gibt. Es ist der Moment, in dem Gottes Absichten und Pläne für dein persönliches Leben gleichsam mit ungewissem Ausgang in der Schwebe hän­gen. Es kann durdiaus sein, daß diese Worte gerade dich nodi unentschieden auf der Schwelle zum neuen Leben hin- und herschwankend antreffen. Bedenke, es ist die Schwelle zu einem Leben, für das Christus dich erlöst und freigekauft hat. Seine Gegenwart will dich dazu befähigen! Oder bist du durch diese neuen Aus­sichten auch erschrocken und beunruhigt wie Esther?

"Wahre Erfüllung kommt mit der Erkenntnis, daß du es nicht in dir selber findest, was dir Erfüllung bringt.

All die eigenen Unzulänglichkeiten in den Tod zu ge­ben, das ist der einzige Zugang, das Nadelöhr zur Fülle des Reichtums in Christus. Dann darfst du auf wunder­bare Weise in der Kraft der Auferstehung leben und aus vollem Herzen rufen:

„Herr Jesus, ich vermag nichts, du aber kannst alles. Mehr brauche ich nicht zu wissen. Ich will mit dir ge­hen'*

„Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden" (Matth. 16, 24. 25).

Der Heilige Geist gehorchte

Da man Esther auf diese Weise den Sachverhalt noch einmal deutlich vor Augen geführt hatte, änderte sie

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ihre Haltung. Die Antwort, die sie Mardochai nun gab, bewies Mut und Entschlossenheit, sie zeigte das Ver­halten echter Jüngerschaft. Damit aber wird unsere Ge­schichte spannend und dramatisch.

„Esther ließ Mardochai antworten: So geh hin und ver­sammle alle Juden, die in Susa sind, und fastet für mich, daß ihr nicht eßt und trinkt drei Tage lang, weder Tag noch Nacht. Auch ich und meine Dienerinnen wol­len so fasten. Und dann will ich zum König hinein­gehen entgegen dem Gesetz. Komme ich um, so komme ich um" (4,15.16).

Die Königin gab also weder ihren luxuriösen Hofstaat auf, sie verzichtete weder auf die Krone noch auf die Dienerschaft oder auf ihre schönen Kleider - das war nicht notwendig. Dennoch waren die Würfel gefallen, war ihr Entschluß gefaßt. Die wichtige Entscheidung, die sie getroffen hatte, schloß alle geringeren Probleme mit ein und setzte gleichsam einen Schlußstrich unter das alte Leben. Von jetzt an lebte Esther nur noch Gott allein. Sie war sich selbst und ihren eigenen Inter­essen gestorben.

Drei Tage und drei Nächte verbarg sie sich, bereits so gut wie tot. Fest entschlossen zu sterben, hatte sie alles aufgegeben. Und als sie am dritten Morgen ungerufen vor den König trat, wußte sie genau, daß nur das gol­dene Zepter sie vom Tode erretten konnte.

Welch tiefer Sinn steckt hinter diesem wunderbaren Ge­schehen! Drei Tage und drei Nachte! Der dritte Mor­gen! Woran erinnert uns das?

Es war der dritte Morgen, an dem Josua auf wunder­bare Weise errettet wurde, als er das Volk Israel durch

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das todbringende Flußbett des Jordans führte. Dank Gottes herrlicher Bewahrung kam er mit dem ganzen Volk trockenen Fußes durch den Fluß und gelangte so ins Gelobte Land, ins Land der Verheißung. An jenem dritten Morgen wurde das Volk vom Tode errettet, um endlich all das in Empfang zu nehmen, für das es aus Ägypten erlöst worden war.

Drei Tage und drei Nächte verbrachte Jona im Bauch des Wals. Er war auf eigenen Wunsch über Bord gewor­fen worden und mußte erst seinem eigenen Willen und Ungehorsam absterben. Bekränzt mit den Schlingge­wächsen seiner Widerspenstigkeit versank er im Meer, um am dritten Tage - ebenfalls wie vom Tode er­standen - an Land gespült zu werden. Nun kehrte er zurück mit dem erneuten Auftrag, eine Stadt vor dem Untergang und Verderben zu retten.

Es war ebenfalls der dritte Morgen, als „Abraham seine Augen aufhob und die Stätte von ferne sah" (1. Mose 22,4). Das war der Ort, an welchem ein Messer ins Herz seines Sohnes Isaak gestoßen werden sollte. Und dabei waren ihm doch in Isaak alle Verheißungen Gottes ge­schenkt worden. In Isaak sah er seine höchsten Erwar­tungen erfüllt. Als dann an diesem dritten Morgen das Messer im Sonnenlicht aufblitzte, bestimmte Gott den Widder in der Hecke zum Ersatz und errettete somit Isaak „gleichnishaft" vom Tode (Hebr. 11,18.19).

Die Bereitwilligkeit zu sterben ist der Preis, den du zahlen mußt, um der Auferstehung teilhaftig zu wer­den. Indem du aber so in der Kraft des „dritten Mor­gen" wandelst, lebst und wirkst, nimmst du schon hier auf dieser Erde teil am Auferstehungsleben Jesu Chri­sti. Du bist eins mit ihm und arbeitest mit an der Er

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füllung des festen, unabänderlichen Heilsplanes Got­tes, der seine endgültige Vollendung bei der Wiederkehr unseres siegreichen, auferstandenen Herrn findet.

„Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Got­tes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, unser Leben, sich offenbaren wird, dann wer­det ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit" (Kol. 3,1-4).

Wiederum an einem dritten Morgen also, trat ein un­scheinbares, junges Mädchen mit bleichem Gesicht und zuckenden Lippen hinaus, um die Schwelle zum Innen­hof des Palastes zu überschreiten. Es zitterte am ganzen Leibe. Das Herz klopfte zum Zerspringen, als es un-gerufen in des Königs Nahe kam. Da Esther sich durch diese Gesetzesübertretung selbst das Urteil gesprochen hatte und bereits als tot anzusehen war, hatte sie nichts mehr zu verlieren, aber alles zu gewinnen!

Getrieben von einer unsichtbaren Macht warf Esther das alte Leben fort. Die andern starrten ihr nach, als sie ging. In ihren Augen war es ein tollkühnes Unter­fangen. In Esthers Herzen aber tönte es fortwährend: „Wenn ich umkomme, so komme ich um! Wenn ich um­komme, so komme ich um! Wenn ich umkomme, so komme ich um! Gott helfe mir!" - Und er half ihr!

»Am dritten Tage zog sich Esther königlich an und trat in den inneren Hof am Palast des Königs gegenüber dem Palast des Königs. Und der König saß auf seinem königlichen Thron im königlichen Saale gegen­über dem Tor des Palastes. Und als der König die Kö-

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nigin Esther im Hofe stehen sah, fand sie Gnade vor seinen Augen. Und der König streckte das goldene Zep­ter in seiner Hand gegen Esther aus. Da trat Esther herzu und rührte die Spitze des Zepters an" (5,1.2).

Gott hatte sie gleichsam vom Tode auferstehen las­sen!

Aber von jetzt an war sie ihrem eigenen Wesen ab­gestorben, sie lebte nur noch Gott. Alle Verantwortung für den weiteren Verlauf der Dinge ruhte einzig und allein auf Mardochais Schultern. Esther hatte das Frei­machende im Gehorsam erkannt. Sie sorgte sida nicht mehr um die Folgen. Es galt nur noch, Instruktionen auszuführen und Anweisungen zu befolgen.

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Der Galgen im Garten

Tote Menschen können nicht sterben, nichts kann sie mehr erschrecken, und keinerlei Verantwortung lastet mehr auf ihren Schultern. In der Tat, es gibt nichts, was auch nur annähernd so erholsam und entspannend ist, wie tot zu sein - tot, damit meine ich das totale Aufgeben aller Versuche, Haman aus eigener Kraft an den Galgen zu bringen. Damit meine ich auch, daß wir es aufgeben sollten, ohne Christus gegen unser Fleisch anzukämpfen, oder sonst irgend etwas zu unternehmen. Man kann wirklich willens sein, so zu sterben, wenn man davon überzeugt ist, daß dieses Absterben des eige­nen Ichs bedeutet, nun so zu werden, wie Christus ist, es gleichsam gegeneinander einzutauschen. Aber ge­nau in diesem Augenblick machen sich in uns die Gegen­stimmen des Zweifels und des Mißtrauens bemerkbar. Falls man nicht davon überzeugt ist, daß Jesus Chri­stus willens und fähig ist, diese Führung in unserem Leben zu übernehmen, wird man verbissen am eigenen "Wesen festhalten. Man kann dann aber absolut sicher sein, daß man niemals jenen tief im Herzen ruhenden Frieden kennenlernt, der seinen Ursprung eben darin hat, daß man Jesus Christus alle Verantwortung über­gab und ihm erlaubte, sein Werk in uns zu beginnen.

Es gibt durchaus Menschen, die im Innern so sehr von sich selbst eingenommen sind, daß ihnen diese völlige Verwerfung der eigenen Bemühungen total gegen den Strich geht. Die Folgen sind Ablehnung und Gegner­schaft, eine Feindschaft also, die aus Selbstrechtferti­gung geboren wurde. Mit solchen Menschen muß man

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geduldig verfahren, weil sie oft hingebungsvoll von dem einen Wunsch erfüllt sind, Gott zu dienen. Sie verstehen jedoch nicht, daß Jesus Christus selbst durch sie wirken möchte, sie sozusagen nur Kanal sind. Für sie ist das unbedingte Vertrauen und der Herzensfriede unfaßbar und fremd.

Jesus gab in den dreiunddreißig Jahren seines irdischen Lebens seinem Vater ununterbrochen die Möglichkeit, durch ihn seinen Willen auszuführen. Das möchte er nun durch den Heiligen Geist auch in uns und durch uns tun. „Welcher nicht widerschalt, da er gescholten ward, nicht drohte, da er litt, er stellte es aber dem anheim, der da recht richtet" (1. Petr. 2, 23).

Der Herr Jesus Christus rechnete mit dem Vater. Und indem er lediglich darauf bedacht war, seinen Anwei­sungen Folge zu leisten, handelte er immer in der An­nahme und unter der Voraussetzung, daß sein Vater die Sache in die Hand nehmen und für ihn regeln würde. Er gehorchte bis zum Tode. Menschlich gesehen, endete sein Weg in Schwachheit und Torheit. Wollen wir ihm diesen Weg nachfolgen? Gott beurteilt diese Schwach-heitanders.

„Und ob er wohl gekreuzigt ist aus Schwachheit, so lebt er doch aus Gottes Kraft4* (2. Kor. 13,4).

„Denn die göttliche Torheit ist weiser als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker als die Menschen sind" (1. Kor. 1,25).

Und das war genau das, was Jesu Jünger nicht begreifen konnten. Sie hielten ihn für hoffnungslos passiv, alles widerstandslos hinnehmend. Sie meinten, er sei nicht in der Lage, sich mit der Wirklichkeit tatkräftig aus-

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einanderzusetzen. Es erschien ihnen so, als ließe er sich, willenlos und unter sein Schicksal gebeugt, förmlich in die Katastrophe hineintreiben. Warum hatte er sich nicht organisieren wollen? Warum machte er sich seine Beliebtheit unter der Menge des Volkes nicht zunutze oder fing an, politische Fäden zu spinnen? Und letzten Endes hatte doch Geld eine gewichtige Stimme. Be­stimmt hätte der reiche junge Herrscher einen positiven Einfluß ausüben und damit in die Wege leiten können, daß diese Bewegung sang- und klanglos vom Erdboden verschwand.

Warum nur ging der Herr Jesus Christus so offensicht­lich allen günstigen Gelegenheiten, in der breiten Öf­fentlichkeit noch bekannter zu werden, aus dem Wege? Er verbot doch immer, wenn er ein aufsehenerregendes Wunder getan oder jemanden geheilt hatte, darüber zu reden. Warum brachte er nicht seinen ganzen Einfluß zur Geltung, zeigte seine Autorität und brachte seine Feinde durch einen überwältigenden, niederschmettern­den Beweis seiner Gottheit ein für allemal zum Sdrwei-gen? Warum ließ er die Leute nicht wissen, wer er wirk­lich war und woher er kam? Warum rechtfertigte er seine Behauptung nicht, daß er und der Vater eins seien, und erledigte somit seine Gegner endgültig? Warum die­ser jämmerliche Anblick der Schwachheit und der offen­sichtlichen Torheit? Hätte er nicht einen etwas elegan­teren Eindruck hinterlassen können? Das sind nur einige der vielen Fragen, die die Gemüter seiner Jünger be­stürmten und bedrängten. Sie wollten das Kreuz nicht, aber damit glaubten sie auch nicht an die Auferste­hung!

Der Herr Jesus Christus konnte es sich nämlich leisten, beschimpft und verleumdet zu werden, er konnte es

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sich leisten, angespuckt zu werden, er konnte es sich leisten, schwach und hilflos zu sein, und er konnte es sich leisten, in den Augen der unwissenden, schuldbe­ladenen Menschen als Narr dazustehen; denn er kannte den einen, der ihn in diese Welt gesandt hatte und den einen, in dessen Hände er seinen Geist befohlen hatte - nicht nur jetzt im Augenblick seines Todes, sondern vielmehr während der dreiunddreißig Jahre seines Lebens. Er konnte es sich leisten, das zu tun, was ihm aufgetragen war, und er konnte es sich leisten zu sterben; denn er wußte, daß ein anderer für die Folgen Sorge tragen würde.

Wenn du also noch immer nicht bereit bist zu tun, was du tun sollst, ganz gleich, wie schwach oder lächerlich du dadurch in den Augen deiner Mitmenschen erschei­nen könntest, dann ist alles, was du über die Auferste­hung Jesu Christi glaubst, rein theoretisch - du nimmst an ihrem großen Reichtum in Wirklichkeit nicht teil. Das Leben des Auferstandenen in dir macht menschli­che Einwände belanglos. Wenn du in diesem Leben teil­haben willst an Christi Leben auf dieser Erde, so wie er einst teilhatte am Leben seines Vaters hier, so schließt das sowohl das Wissen als auch das Vertrauen mit ein, daß ein anderer für die Folgen aufkommen wird.

Ich meine damit nicht, daß Gottes Pläne in den Augen der Menschen immer als unvernünftig erscheinen müß­ten. Es ist einfach so, daß man mit Freuden von der Last der Verhältnisse Abstand gewinnt, daß diese ein­fach nicht mehr maßgebend sind für die Entscheidun­gen, die man zu treffen hat. Man tut, was einem aufge­tragen wurde, ganz gleich, ob einem Gottes Anweisun­gen im Augenblick angebracht erscheinen oder nicht. Man überläßt seine Verteidigung Gott, überläßt es ihm,

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seine Handlungsweise zu rechtfertigen, mit der man sich ja, auf seinen Befehl hin, bereits „eingeschifft" hat. „Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft" (1. Kor. 1,18).

Diese Herzenshaltung machte es Abraham möglich, Lot zu bitten: „Laß doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder. Steht dir nicht alles Land offen? Tren­ne dich doch von mir. Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten; oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken" (1. Mose 13, 8. 9).

Hier war so unwichtig, welche Gründe für einen noch so berechtigt erscheinenden Eigennutz angeführt wur­den. Lot mochte die rechte oder die linke Seite wählen, Lot durfte auf jeden Fall wählen! Aber Gott hatte Abraham erwählt, sein Bund mit ihm bestand - und Abraham wußte das. Das war eigentlich auch alles, was Abraham zu wissen brauchte.

Mose konnte es sich ebenso leisten, Pharao herauszufor­dern und seinen Fuß ins Rote Meer zu setzen, genau wie Josua es sich leisten konnte, Jericho Trotz zu bieten und seinen Fuß in den Jordan zu setzen - solange sie wußten, daß Gott für die Folgen aufkommen würde, daß er den Ägyptern ein nasses Grab und den Kanaani-tern eine Tracht Prügel bescheren würde.

Mit dem Kinnbacken eines Esels oder Gideons dreihun­dert Mann, mit Aarons Stab oder Davids Schleuder, mit einer Prise Salz oder einem Kännchen öl macht Gott das Unmögliche möglich und erhält den Glauben jener, die ihm vertrauen.

Vielleicht verstehen wir jetzt, was Paulus meinte, als

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er schrieb: „Wir wollen euch nicht verschweigen, daß wir im Übermaß belastet wurden über Vermögen, so daß wir audi am Leben verzagten* (2. Kor. 1, 8). Es ist nur die Frage, ob du audi weitergemadit hättest wie Paulus, weil audi du Gott als einen kennengelernt hast, der überschwenglich helfen kann, ganz gleich, wie hoffnungslos deine Lage auch aussehen mag? Paulus nämlidi fährt fort: „. . . damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst stellen, sondern auf Gott, der die Toten auf erweckt, welcher uns von solchem Tode erlö­set hat und erlösen wird" (2. Kor. 1, 9.10).

Nun braucht man nur das Todesurteil auf sich selbst zu beziehen, und es wird einem möglich werden, das zu tun, was von einem verlangt wird, ebenso wie Esther es tat, obgleich sie zweifellos betroffen war über die Anweisungen, die sie erhalten hatte. Sie wußte nun aber, daß sie keine Fragen mehr zu stellen hatte.

Bist du in deinem Verhältnis zu dem Herrn Jesus Chri­stus auch schon an dem Punkte angekommen, an wel­chem du aufgehört hast, ihn nach dem- Sinn und Zweck zu fragen?

Esther gibt eine Party!

„Da sprach der König zu ihr: Was hast du, Esther, Kö­nigin? Und was begehrst du? Auch die Hälfte des Königreichs soll dir gegeben werden. Esther sprach: Gefällt es dem König, so komme der König heute mit Haman zu dem Mahl, das ich bereitet habe. Der König sprach: Eilt und holt Haman, damit geschehe, was Esther gesagt hat" (Esther 5,3-5).

Zweifellos war die Tafel auf Mardochais Rat hin ge-

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deckt worden. Ein üppiges Mahl war bereitet worden, ein Festmahl, und Esther hatte den König und Haman eingeladen.

Wenn Haman tatsächlich gehängt werden sollte, so war dies sicher ein ungewöhnlicher Weg, einen Menschen an den Galgen zu bringen. Aber Esther zweifelte nicht an Mardodiais Verstand, sie tat einfach, was ihr aufge­tragen wurde. So antwortete die Königin, als der König ihr noch einmal die Möglichkeit anbot, ihm ihre Bitte vorzutragen:

„Meine Bitte und mein Begehren ist: Hab ich Gnade gefunden vor dem König und gefällt es dem König, meine Bitte zu gewähren und zu tun nach meinem Be­gehren, so komme der König mit Haman zu dem Mahl, das ich für sie bereiten will. Morgen will ich dann tun, was der König gesagt hat" (Esther 5, 7. 8).

Als ob ein Festmahl nicht genügt hätte, den Mann zu speisen, wurde am folgenden Tage Haman noch einmal mit dem König zum Essen eingeladen. Demnach, wenn es möglich ist, einen Menschen mit Freundlichkeit zu töten, so ist es zweifellos ebenso möglich, einen Men­schen mit Gastfreundschaft zu hangen.

Eins aber dürfen wir sicher glauben - ganz unabhän­gig davon, wie neugierig Esther auf den endgültigen Ausgang der Dinge gewesen sein mag -, Haman be­fand sich bereits auf dem absteigenden Ast.

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Ein Haar in der Suppe

Es ist wohl nicht nötig, zu erwähnen, daß Haman zum Bersten angefüllt war mit Stolz über diese zweifache Einladung der Königin zum Dinner, und „erfreut und guter Dinge ging Haman an jenem Tage von dannen" (Esther 5, 9). Als Haman heimkam, rief er seine Freunde und seine Frau Seresch herbei und berichtete ihnen über die große Gunst, die er am Hofe des Königs genoß. „Er zählte ihnen auf die Herrlichkeit seines Reichtums und die Menge seiner Söhne und alles, wie ihn der König so groß gemacht habe, und daß er über die Fürsten und Großen des Königs erhoben sei. Auch sprach Haman: Und die Königin Esther hat niemand kommen lassen mit dem König zum Mahl, das sie bereitet hat, als nur mich, und auch morgen bin ich zu ihr geladen mit dem König" (Esther 5,11.12).

Mit einer abstoßenden, zur Schau gestellten Eitelkeit wies Haman darauf hin, daß er nun nicht allein der Günstling des Königs, sondern auch der Favorit der Königin sei, alle andern waren zurückgestellt. Es ist bezeichnend für das Fleisch, sich selbst auf Kosten der andern zu erhöhen.

Aus den vielen Worten, die Haman zu seinen Freunden sprach, konnte man deutlich zwischen den Zeilen lesen: „Die Königin will, abgesehen vom König, niemanden sonst zum Festmahl haben als mich, und, im Vertrauen unter vier Augen gesagt, ich glaube, daß sie mich am liebsten allein einladen würde, wenn das möglich wä­re."

Das Fleisch besitzt ein unbegrenztes Maß an Selbst­täuschung, wenn es darum geht, das eigene Ansehen zu vergrößern.

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Und dodi, wenn er sich auch noch so sehr im eigenen Glänze sonnte, es gab da doch etwas, was ihm ganz gehörig die Laune verderben konnte. Das war das große Haar in der Suppe; denn „als Haman den Mardodiai im Königstor erblickte, wie er weder aufstand noch ir­gendeine Furcht zeigte, ward er voll Zorn über Mardo­diai". Es gab tatsächlich noch jemanden, der sich nicht vor ihm beugte und beharrlich noch unbeeindruckt von ihm blieb! Und in einem plötzlich aufkommenden Wut-anfall beteuerte Haman seiner Frau und seinen Freun­den: „Aber das alles ist mir nicht genug, solange ich den Juden Mardodiai sitzen sehe im Tor des Königs."

Der Heilige Geist macht dem Fleisch sehr deutlich klar, was in ihm steckt, und es gibt für einen irdisch gesinnten Christen kaum etwas, das ihn mehr in Wut versetzt, als wenn der geistliche Mensch trotz soviel Eigenrekla­me so gänzlich unbeeindruckt bleibt. Ihr habt vielleicht von dem Menschen gehört, der vor seinen Freunden prahlte: „Ich bin ein Selfmademan!" Worauf seine Freunde trocken und kein bißchen unfreundlich antwor­teten: „Eben das ist ein schlagender Beweis da­für, daß einen stümperhafte Arbeit das Gruseln lehren kann!" „Da sprachen zu ihm seine Frau Seresch und alle seine Freunde: Man mache einen Galgen, fünfzig Ellen hoch, und morgen früh sage zum König, daß man Mardodiai daran aufhänge. Dann geh du mit dem Kö­nig fröhlich zum Mahl. Das gefiehl Haman gut, und erließ einen Galgen aufrichten" (Esther 5,14).

All dies fand zwischen den beiden Mahlen statt, bevor Esther also eine weitere Audienz beim König hatte. So betrachtet waren für Mardodiai die Aussichten im Moment nicht sehr rosig. Hätte Esther gewußt, was hinter der Kulisse vor sich ging, wäre sie sicher begierig

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gewesen zu erfahren, ob alles auch wirklich planmäßig verlief.

In der kurzen Zeit, die noch übrig war, müßte sich also der höchstbedeutsame Ausgang der Sache entschei­den; denn im Garten wartete bereits der Galgen. Wer würde daran hängen? Haman oder Mardochai? Letzten Endes ist dies auch die wichtigste Entscheidung, die du in deinem eigenen Herzen treffen mußt.

Wenn Christus für dich noch am Kreuz ist, dann sitzt das Ich noch auf dem Thron, wenn aber das Ich bereits am Kreuze hangt, dann sitzt Christus wirklich auf dem Regierungssitz.

Es gibt also den Galgen im Garten!

Wer aber wird daran hängen?

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Das Schicksal der Falschheit - Hamans Stern beginnt zu sinken

Der Hummer!

Nun, es muß nicht unbedingt der Hummer gewesen sein. Es kann genausogut am Gorgonzolakäse gelegen haben. Auf jeden Fall muß irgend etwas zu üppig gewe­sen sein für den späten Abend. Was auch immer die Ursache war, fest steht, daß „der König in derselben Nacht nicht schlafen konnte" (6,1).

In dieser Nacht - der Nacht zwischen den beiden fest­lichen Mahlzeiten, da Mardochai offensichtlich in To­desgefahr schwebte, weil seine Hinrichtung bereits ge­plant war -, in dieser Nacht also konnte der König nicht einschlafen. Er wälzte sich hin und her, warf die Bettdecke zur Seite und zog sie wieder über sich. Er legte sich auf den Rücken, wälzte sich auf die Seite, zählte Schäfchen und sagte das Alphabet auf! Es nützte alles nichts, er konnte nicht schlafen! Zuletzt verlangte er ganz verzweifelt nach dem Protokollbuch und „ließ sich daraus vorlesen" (6,1).

Gottes Zeit und Plan stimmt immer. Erst als alles ver­loren schien und das Messer im Sonnenlicht aufblitzte, befahl Gott Abraham, es fortzuwerfen. Auch Petrus wurde erst durch die Engel Gottes aus dem Gefängnis gerettet, als er sich innerlich darauf vorbereitet hatte, im Morgengrauen zu sterben. Herodes aber wurde um seine Beute gebracht. Und nicht durch Zufall traf Philippus den Kämmerer in der einsamen Gegend oder begegnete Paulus der Lydia am Ufer des Flußes -

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es waren Fügungen Gottes, durch die er seine Pläne zur Ausführung bringt. So konnte auch Abrahams Diener freudig bekennen: „Der Herr hat midi geradewegs ge­führt zum Hause des Bruders meines Herrn." Er brachte Rebekka heim zu Isaak (1. Mose 24,27).

Als also in jener unruhigen Nacht aus dem Buche der Zeitgeschichte vorgelesen wurde, „fand sich's geschrie­ben, daß Mardochai angezeigt hatte, wie die zwei Käm­merer des Königs, Bigthan und Teresch, die an der Schwelle die 'Wache hielten, danach getrachtet hatten, Hand an den König Ahasveros zu legen". Plötzlich wur­de es dem König wieder klar, daß er Mardochai die Rettung aus der Hand derer verdankte, die damals sei­nen Tod geplant hatten. "Wir finden diese Geschichte in den letzten drei Versen des zweiten Kapitels.

„In jenen Tagen, als Mardochai im Tor des Königs saß, gerieten zwei Kämmerer des Königs, Bigthan und Teresch, die die Tür hüteten, in Zorn und trachteten danach, Hand an den König Ahasveros zu legen. Als das Mardochai zu wissen bekam, sagte er es Königin Esther, und Esther sagte es dem König in Mardochais Namen. Und als man nachforschte, wurde es als richtig befunden, und sie wurden beide an den Galgen gehängt. Und es wurde aufgezeichnet im Buch der täglichen Mel­dungen für den König" (Esther 2,21-23).

Es war keineswegs so, daß dem König die Geschichte seiner Rettung unbekannt war. Nein, er war damals sehr wohl darüber unterrichtet worden. Aber die ganze Bedeutung der Sache war ihm noch nicht bewußt gewor­den. In dieser schlaflosen Nacht jedoch ließ ihm der Gedanke keine Ruhe, daß er ohne Mardochais Eingrei­fen dem Messer der Meuchelmörder zum Opfer gefallen

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wäre - tot und begraben! Als er daran dachte, brach ihm der kalte Schweiß aus. Er schreckte in seinem Bette auf und rief: „"Welche Ehrung und Auszeichnung wurde Mardodiai hierfür zuteil?" Und seine Diener mögen er­widert haben: „Es sah so aus, als wäre das dem König gleichgültig, als lege er der Angelegenheit wirklich kein Gewicht bei. Man war zu sehr in Anspruch genommen von andern Dingen und hatte Mardochais Belohnung darüber völlig vergessen."

Bildlich gesprochen bedeutet das: ein Mensch kann oft viele Jahre hindurch merkwürdig ungerührt von der wunderbaren Liebe Gottes in Christus dahinleben, ob­wohl er sich äußerlich zum rettenden Glauben bekennt. Er ist so sehr von anderen Dingen in Anspruch genom­men, daß für ihn die wichtige Tatsache der Erlösung, des Freikaufes durch das kostbare Blut Jesu, eine An­gelegenheit sekundärer Bedeutung bleibt.

Man weiß es zwar, hat aber keine persönliche Beziehung dazu bis zu dem Augenblick echter Offenbarung, in welchem einem die ganze wunderbare Bedeutung des Kreuzes plötzlich bewußt wird. Nahezu unbegreiflich ist sie auf einmal greifbar in den Vordergrund gerückt. Es ist der Augenblick, in dem eine betrübte, ruhelose Seele unerwartet konfrontiert wird mit dem bisher au­ßer acht gelassenen Erlöser. Angesichts der Wunden in seinen Händen und Füßen schreit das Herz dann auf zu Gott: „Und wie ehrte ich ihn dafür?"

Die Antwort auf diese Frage mag für uns heute ebenso niederschmetternd sein, wie sie es damals für den König war, als es hieß: „Nichts wurde für ihn getan." Voller Reue und von Gewissensbissen gepeinigt fragte nun der König: „Wer ist im Hof?" Auf einmal spürte er die

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Dringlichkeit der Sache. Es mußte etwas getan werden, und zwar sofort. Er wollte das Unrecht gutmadien. Und der König suchte jemanden, dem er die verantwortungs­volle Aufgabe der Ehrung Mardochais anvertrauen konnte.

Was meinst du, wer das war? Das Bild paßt wieder einmal großartig! Wer kam wohl im psydiologisch ridi-tigen Moment in den Hof?

„Haman aber war in den Vorhof gekommen draußen vor des Königs Palast, um dem König zu sagen, daß man Mardodiai an den Galgen hängen sollte, den er für ihn aufgeriditet hatte. Und des Königs Diener spra­chen zu ihm: Siehe, Haman steht im Vorhof. Der König spradi: Laßt ihn hereintreten" (6, 4. 5).

Gerade als der König sich anschickte, Mardodiai zu ehren, kam Haman und wollte des Königs Genehmi­gung abholen, Mardodiai zu hängen.

Erinnern wir uns doch daran, was wir im vorigen Ka­pitel gelernt hatten. Obwohl der Heilige Geist im menschlichen Geist Sündenerkenntnis bewirkt haben kann, muß der Mensch nicht unbedingt sofort in der Lage sein, das deutlich auszusprechen. Es ist auch mög­lich, daß es noch nicht bis ins Herz vorgedrungen ist. Der König, der in unserer Geschichte symbolisch das Herz des Menschen darstellt, war von Hamans Bosheit noch nicht unterrichtet und überzeugt, wie Esther es bereits durch Mardodiai war. Tatsächlich nämlich war der König noch voll angetan von Hamans Rechtschaf­fenheit. Wen konnte er daher am ehesten mit der Eh­rung Mardochais betrauen? Natürlich: Haman. „Und als Haman hereinkam, sprach der König zu ihm: Was soll man dem Mann tun, den der König gern ehren

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will? Haman aber dachte in seinem Herzen: Wen anders sollte der König gern ehren wollen als mich?" (6, 6).

Vollkommen egozentrisch und durchdrungen von dem Gefühl seiner eigenen Wichtigkeit, erschien es Haman unvorstellbar, daß der König einen andern zu ehren wünschte als ihn selbst. Und weil er nur von diesem Standpunkt der Selbsterhöhung aus denken konnte, vermutete er selbstverständlich, all die geplanten Maß­nahmen sollten zu seinem Vorteil ergriffen und ange­ordnet werden.

„Und Haman sprach zum König: Dem Mann, den der König ehren will, soll man königliche Kleider bringen, die der König zu tragen pflegt, und ein Roß, darauf der König reitet und dessen Kopf königlichen Schmuck trägt, und man soll Kleid und Roß einem Fürsten des Königs geben, daß er den Mann bekleide, den der König gern ehren will, und ihn auf dem Roß über den Platz der Stadt führen und vor ihm her ausrufen lassen: So tut man dem Mann, den der König gern ehren will* (6,7-9).

Haman konnte es sich in seiner Phantasie gut ausmalen, wie er, den tosenden Beifall der aufgeregten Menge stolz entgegennehmend, durch die Straßen der Stadt ritt auf Pferden, die den königlichen Schmuck trugen. Er selbst prangte in königlichen Gewändern. Gab es etwas, das logischer wäre als das? Er war doch des Königs Liebling oder etwa nicht? War er nicht der Kö­nigin blauäugiger Freund? Und während er sich noch auf die vermeintliche, überwältigende Anerkennung freute, erschien ihm Mardochais Hinrichtung an dem Galgen im Garten ganz klar als unvermeidbarer Ab­schluß einer lästigen, unbedeutenden Angelegenheit.

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Haman konnte sich ja im stillen nichts Herrlicheres vorstellen, als seinen Erzfeind mit der Schlinge um den Hals baumeln zu sehen, und das ausgerechnet an einem Tage, der für ihn voller königlicher Huld und Anerken­nung war. Es war in seinen Augen sozusagen das „große Finale".

„Der König sprach zu Haman: Eile und nimm Kleid und Roß, wie du gesagt hast, und tu so mit - Mar-dochai, dem Juden, der im Tor des Königs sitzt, und laß nichts fehlen an allem, was du gesagt hast* (6,10).

Ich hätte zu gern Hamans Gesicht gesehen, als er das horte, du nicht auch? Blaß vor Wut, mit einem Gesicht, aus dem der letzte Tropfen Blut gewichen schien, war er sofort darauf bedacht, sich und seine Gefühle in der Gewalt zu behalten. Er explodierte nicht. Dazu war er zu klug. Er merkte sofort, mit dem König war etwas geschehen, und er konnte sich nur nicht vorstellen, was. Wie sollte er auch wissen, daß der König beim Lesen des Buches plötzlich auf Mardochai gestoßen war? Aber Haman spürte es instinktiv, daß es für ihn lebensge­fährlich sein könnte, dem König in seiner augenblickli­chen Verfassung zu widersprechen.

Es ist immer gefährlich für das Fleisch, wenn der Mensch durch das „Lesen des Buches", der Bibel, Chri­stus neu entdeckt. Von jetzt ab war für Haman alles eine Frage der Selbsterhaltung. Er war auch bereit, die Ehrung Mardochais zu übernehmen, wenn das der Preis fürs eigene Überleben sein sollte.

Der König dagegen meinte es absolut aufrichtig mit seinem Vorhaben, Mardochai zu ehren und dazu Ha­mans Dienste in Anspruch zu nehmen. Hamans Cha­rakter war ihm total unbekannt. Aus demselben Grunde

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könntest auch du in der ehrlichen Absicht, den Herrn Jesus in deinem Leben zu ehren, die Tatkraft und Ener­gie des Fleisches eingespannt haben. Du wirst dann aber bald entdecken, was der König damals entdeckte: das Fleisch geht mit! Das Fleisch, das seinen Ursprung in Satan hat, begleitet dich! Er ist durchaus bereit, falls das die einzige Chance zu überleben sein sollte, sich in jeder Form christlicher Aktivität zu betätigen. Es hat dabei noch den Anschein, als ehre es Christus.

Das Fleisch ist bereit, im Kirchenchor zu singen, die Aufsicht in der Sonntagsschule zu übernehmen oder im Kindergottesdienst zu helfen. Es wird bei einem Mitar­beitertreffen den Vorsitz führen und von der Kanzel predigen, eine Evangelisation organisieren und eine Bi­belschule besuchen. Es kann sich freiwillig fürs Missions­feld melden und tausend andere Sachen tun, nur um seinen Hals von der Schlinge zu retten.

Es ist typisch für geistliche Unreife, daß man unfähig ist, zwisdien gut und böse zu unterscheiden ((Hebr. 5, 13.14). Man gehört noch zu den „Kindern in Chri­stus", die uns von den törichten Galatern her bekannt sind. Sie „wollten im Geiste anfangen und im Fleisch vollenden" (Gal. 3, 3).

„Da nahm Haman Kleid und Roß und zog Mardochai an und führte ihn über den Platz der Stadt und rief aus vor ihm her: So geschieht dem Mann, den der König gern ehren will" (6,11).

Haman tat, was man von ihm erwartete, und das an­scheinend zu des Königs uneingeschränkter Zufrieden­heit. Der König aber war so angetan von dem Wunsch, Mardochai zu ehren, daß er auch nicht im entferntesten an ein doppeltes, falsches Spiel Hamans dachte.

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Wir müssen besonders geduldig sein mit Menschen, die zwar eine echte Liebe zu dem Herrn Jesus haben, aber noch nicht die tiefe Erkenntnis seiner selbst haben.

Diese Unverständlichen haben mehr Anrecht auf rechte Anleitung als auf tadelnde Zurechtweisung; denn sie befinden sich geistlich noch im Säuglingsalter.

Mardochai kam wieder zum Tor des Königs. „Haman aber eilte nach Hause, traurig und mit verhülltem Haupt" (6,12). Vor seiner Frau Seresch und allen Freun­den fing er an zu jammern und zu klagen. Er ergoß sich förmlich in der betrüblichen Geschichte seiner schmerzli­chen Demütigung. Ihre Antwort auf sein Lamento kann kaum als tröstlich bezeichnet werden: „Du bist verloren, geschlagen, besiegt!" In der Not hat das Fleisch nur we­nig Freunde. Es hat nicht viel, mit dem es sich in den Tagen des Unglücks trösten könnte.

„Ist Mardochai, vor dem du zu fallen angefangen hast, vom Geschlecht der Juden, so vermagst du nichts gegen ihn, sondern du wirst vor ihm vollends zu Fall kommen. Als sie aber noch mit ihm redeten, kamen des Königs Kämmerer und geleiteten Haman eilends zu dem Mahl, das Esther bereitet hatte" (6,13.14).

Die Zeit war Haman davongelaufen. Der Tisch war schon gedeckt, das Tribunal versammelt. An einem Gal­gen im Garten, fünfzig Ellen hoch, baumelte ein Strick sanft hin und her. In Hamans Herzen herrschte Untergangsstimmung.

Das Schicksal der Falschheit!

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Der Augenblick der "Wahrheit

Das Fleisch wird drohen, schreien, sich stolz brüsten, despotisch herrschen, trotzig schmollen, intrigieren, sich einschmeicheln, bitten und betteln, sich selbst entschuldi­gen oder rührselig schluchzen, je nachdem es die Situa­tion im Interesse des eigenen Überlebens verlangt. In dem bösen Herzen Hamans waren schreckliche Ahnun­gen, als er mit dem König zu diesem Bankett ging; denn er wußte, daß er das Spiel verloren hatte. Wenn es dem König gelungen war, die Wahrheit über Mar-dochai zu erfahren, so würde es bestimmt nicht lange dauern, bis er dieselbe über Haman kannte.

Das Fleisch fürchtet es, bloßgestellt zu werden. Es wird verzweifelt versuchen, jenem schrecklichen Augen­blick der Wahrheit aus dem Wege zu gehen, dfem Zeit­punkt, an dem der Heilige Geist die Maske von seinem widerlichen Antlitz reißt.

Ohne Zweifel beabsichtigte Haman, sich bei diesem zweiten Essen von der besten Seite zu zeigen. Er wollte versuchen, ganz besonders überzeugend zu, wirken. Möglicherweise würden die Diener dann seiner verbor­genen, ungewöhnlichen Nervosität keine Bbachtung schenken.

Wenn der Heilige Geist anfängt, dich für \ schuldig zu erklären, und deinem menschlichen Geiste:bezeugt, daß du dem Herrn Jesus Christus den rechtmäßigen Platz in deinem Herzen verweigerst, wird die alte Adamsnatur in dir gereizt und kratzbürstig. Das Fleisch wird versuchen die glaubwürdigsten Argumente zur

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Rechtfertigung der eigenen Handlungsweisen anzufüh­ren.

Irgend etwas in Haman sagte ihm, daß er aus Mardo-chais Hand keine Gnade zu erwarten hatte. Er spürte es genau, wie Mardochai plötzlich in der Gunst des Königs gestiegen war. Das Fleisch merkt es, wann es sich durch kein Täuschungsmanöver mehr der direkten Begegnung mit dem Heiligen Geist entziehen kann. Es kann dann höchstens noch die Worte Ahabs nachspre­chen, die dieser zu Elia sprach: „Hast du mich endlich gefunden, mein Feind?" Und der Heilige Geist wird dann wie Elia antworten: „Ja, ich habe dich gefunden, weil du dich verkauft hast, Unrecht zu tun vor dem Herrn*(l.Kön.21,20).

„Da sprach der König zu Esther auch an diesem zweiten Tage, als er Wein getrunken hatte: Was bittest du, Kö­nigin Esther, das man dir geben soll? Und was begehrst du? Wäre es auch das halbe Königreich, es soll gesche­hen" (7, 2).

Das muß ein schrecklidier Augenblick für Esther gewe­sen sein; denn bis jetzt hatte ihre völlige Übergabe sie noch nicht m einen unmittelbaren Konflikt mit Haman gebracht. Sie hatte den Palast mit ihm geteilt, hatte mit ihm zwischen denselben vier Wänden unter einem Dach gelebt und höfliche Worte gewechselt. Doch von nun an durfte sie keinerlei Kompromisse mehr schlie­ßen. Hamans Name mußte genannt werden. Er mußte jetzt vor dem König ebenso entlarvt werden, wie er es bereits durch Mardochai bei ihr war. Mardochais Ur­teil mußte in Gegenwart des Königs und im Angesidit des Feindes wiederholt werden. Von jetzt ab gab es für die Königin keinen Weg mehr zurück. Das war

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der Augenblick im Leben, von dem wir sagen: „Niemals zurück!"

Und Haman hielt den Atem an. Auf seiner Stirn perlte sich der kalte Schweiß, als er hörte, wie Esther dem König antwortete:

„Hab ich Gnade vor dir gefunden, o König, und gefällt es dem König, so gib mir mein Leben um meiner Bitte willen und mein Volk um meines Begehrens wil­len. Denn wir sind verkauft, ich und mein Volk, daß wir vertilgt, getötet und umgebracht werden. "Waren wir nur zu Knechten und Mägden verkauft, so wollte ich schweigen; denn die Bedrängnis wäre nicht so groß, daß man den König darum belästigen müßte" (7,3.4).

Plötzlich entdeckte Haman, daß nicht nur der König Mardochai gegenüber eine freundliche Haltung einge­nommen hatte. Er stellte auch fest, daß die Königin mit seinem Erzfeind harmonisierte. Das bedeutete in seinen Augen gleichzeitig eine Übereinstimmung mit al­len Menschen, deren gottgegebene Gesetze und Taten in direktem Gegensatz zu denen standen, die ihren Ur­sprung Haman verdankten. Dem König aber fiel es wie Schuppen von den Augen, daß des Meuchelmörders Messer auf das Herz des Palastes gerichtet war. Ihm wurde mit einem Male klar: Audi Esther, die er liebte, würde diesem Gesetz, das er auf Hamans Geheiß hin hatte veröffentlidien lassen, zum Opfer fallen. Es lau­tete ja: „... alle Juden seien zu vernichten, zu töten und auszurotten, jung und alt, Kinder und Frauen, auf einenTagw(3,13).

Hatte Haman nicht vorher dem König eingeredet, solch ein Gesetz wäre in seinem eigenen Interesse? Dabei schien es nur dazu ersonnen, Hamans gottlosen Hoch-

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mut zu befriedigen. Auf diese "Weise war es ihm mög­lich, die Stimme Mardodiais zum Schweigen zu bringen. Außerdem konnte er solch eine Bedrohung seines ei­genen Einflusses ausschalten. Er konnte die Autorität des Königs weiterhin zu seinem eigenen, bösen Vorteil im Lande mißbrauchen.

„Der König Ahasveros antwortete und sprach zu der Königin Esther: Wer ist der oder wo ist der, der sich hat in den Sinn kommen lassen, solches zu tun? Esther sprach: Der Feind und Widersacher ist dieser nieder­trächtige Haman. Haman aber erschrak vor dem König und der Königin. Und der König stand auf vom Wein-gelage in seinem Grimm und ging in den Garten am Palast. Aber Haman trat vor und bat die Königin Esther um sein Leben; denn er sah, daß sein Unglück vom König schon beschlossen war" (7, 5-7).

Damit war der Feind entlarvt, sein böser Einfluß auf den König offenbar. Und dieser war sich der Folgen sehr wohl bewußt: Er hatte zu wählen zwischen Haman und Esther! Dies hier war der Augenblick der Wahr­heit, wie er für jeden Menschen einmal kommt, wenn ihm der Heilige Geist durch den eigenen Geist das gan­ze Ausmaß der Verderbtheit des Fleisches vor Augen führt.

Es ist ja so einfach, mit der Sprache der Bibel vertraut zu werden, ohne jemals solch einer Konfrontierung mit der Wahrheit teilhaftig geworden zu sein. Gott aber mochte dich gern zu diesem Punkt der Selbsterkenntnis führen, ganz gleich, wie schmerzhaft das auch für dich sein könnte. Auf diese Weise aber könntest du wirklich verstehen lernen, was der Apostel Paulus meinte, wenn er schrieb:

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„Denn wir wissen, daß das Gesetz geistlich ist, ich aber bin fleischlich (weltlich, ungeistlich), unter die Sünde (die Herrschaft der Sünde) verkauft" (Rom. 7,14).

Das ist es, was im 7. Kapitel des Römerbriefes ge­meint ist. Es beschreibt die Ausbeutung der menschlichen Seele durch das heimtückische Prinzip der Sünde in uns. Und vielleicht gibt es keine einleuchtendere Veranschau­lichung dieses Sachverhaltes als das Buch Esther, und zwar in der Rolle Hamans im Leben des Königs.

„Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich (was

mein moralisches Gefühl verurteilt und mißbilligt)____

So tue nun nicht ich es, sondern die Sünde (Prinzip), die in mir wohnt. Denn ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes... "Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue nicht ich es, sondern die Sünde (Prinzip), die in mir wohnt (in meinem Her­zen eingepflanzt, dort wirksam). So finde ich nun ein Gesetz (meines eigenen Wesens), daß mir, der ich will das Gute tun, das Böse anhanget. Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen; ich sehe aber ein ander Gesetz (das mein Handeln be­herrscht) in meinen Gliedern, das da widerstrebt dem Gesetz in meinem Gemüte (der Vernunft) und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz ... Ich elender Mensch! "Wer wird mich erlösen von dem Leibe (den Fesseln und Ketten) dieses Todes? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn! (Rom. 7, 15. 17. 18. 20-25).

Hier haben wir klar und deutlich den Konflikt vor uns.

Der Heilige Geist bezeugt in dir, in deinem mensdi-Üchen Geiste, all das, was gut, recht und edel ist. Jedes

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sündhafte Verhalten erregt in deinem moralischen Ge­wissen Anstoß und Ärgernis, wenn es von ihm erleuch­tet ist. Diese Seite in dir meint: „So gebe ich zu, daß das Gesetz gut sei (moralisch vortrefflich). Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Men­schen" (Rom. 7, 16. 22). Und diese Seite in dir wird symbolisch durch Esther veranschaulicht.

Da ist aber noch eine andere Seite in dir, die in der Symbolsprache durch Haman dargestellt wird, und die Paulus folgendermaßen beschreibt: „Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt" (Rom. 7,20). Der Moment der Wahr­heit wird dann für dich da sein, wenn du, wie Esther, aufhörst, mit dem Fleisch Höflichkeiten auszutauschen. Du mußt ihm die Nichtanerkennung ins Gesicht sagen. Du mußt es schon so bezeichnen, wie es ihm zukommt, nämlich als falsch, schlecht, unwürdig und ohne jeden Wert, allein geeignet für den Galgen.

In diesem entscheidenden Stadium deines Christenle­bens stellst du fest, daß es für dich mit dem Fleisch keine Kompromisse geben darf. Du erfährst, daß eine friedliche Koexistenz zwischen dem satanischen Prin­zip in dir und dem Gesetz Gottes unmöglich ist. Sie stünde einer Wiederaufrichtung seiner unumschränkten Herrschaft in deinem Herzen feindlich gegenüber. Du er­kennst auch, daß es niemals Gottes Absicht war, das Fleisch zu veredeln und zu bessern, es muß zu Christus bekehrt werden! Es lag in Gottes Plan, daß das Fleisch mit Jesus Christus verdammt, verurteilt, gekreuzigt und begraben werden und an seine Stelle das Auf erstehungs­leben des Herrn Jesus Christus treten sollte. Er muß den Ring am Finger tragen! Er muß aufs neue die Herr­schaft im Bereich deines Verstandes, deines Willens und

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deines Gefühls antreten. Dann kannst du ihn durch dei­ne ganze Persönlichkeit bezeugen und verherrlichen.

In dem Brief des Apostels Paulus erkennen wir seine Fürsorge hinsichtlich dieser Tatsache, wenn er an die Epheser schreibt:

„Derhalben beuge ich meine Knie vor dem Vater unsers Herrn Jesus Christus... daß er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, daß Christus wohne durch den Glauben in euren Herzen .. .* (Eph. 3,14.16.17).

Hier wird uns der „inwendige Mensch", in unserer Ge­schichte durch Esther vor Augen geführt, gestärkt durch den Heiligen Geist, der im Buch Esther durch Mardochai dargestellt wird. Was Paulus hier „in euren Herzen" nennt, wird uns durch den König Ahasveros in seinem Palast veranschaulicht.

„Und der König stand auf vom Weingelage in seinem Grimm und ging in den Garten am Palast. Aber Haman trat vor und bat die Königin Esther um sein Leben; denn er sah, daß sein Unglück vom Kenig schon be­schlossen war. Und als der König zurückkam aus dem Garten am Palast in den Saal, wo man gegessen hatte, lag Haman vor dem Lager, auf dem Esther ruhte. Da sprach der König: "Will er auch der Königin Gewalt antun bei mir im Palast? Als das Wort aus des Königs Munde gekommen war, verhüllten sie Haman das Ant­litz" (7, 7. 8).

Jetzt merkte Haman, wie weit Mardochais Einfluß be­reits in den Palast eingedrungen war. Alles Einschmei­cheln und Beschönigen nützte nichts mehr.

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Haman, der Agagiter, erwies sich wieder einmal als seiner Art getreu. So wird das Fleisch immer - fürs geistliche Auge sichtbar - die Merkmale seines satani­schen Stammbaumes tragen. Wir erkennen daran, daß sich die "Weltgeschichte wiederholt. Man denke nur an den König Saul, der, nachdem er den aalglatten Überre­dungskünsten und dem trügerischen Charme Agags, des Agagiters, zum Opfer gefallen war, von Gott verwor­fen wurde, so wie er vorher Gottes Wort verachtet und verworfen hatte. Dann trat Samuel auf den Plan und verkündete Agag das Todesurteil, das Gott über ihn verhängt und vor dem Saul ihn verschont hatte.

„Und Samuel sprach: Bringt Agag, den König von Amalek, zu mir! Und Agag ging hin zu ihm zitternd und sprach: Fürwahr, bitter ist der Tod!" (1. Sam. 15, 32), Auf seine Weise versuchte Agag, der Amalekiter, sein Tun dadurch zu beschönigen, daß er Gott als unfair ihm gegenüber hinstellte, obwohl dieser ihn lediglich so behandelte, wie er damals seine Opfer, ebenso gna­denlos!

„Samuel aber sprach: Wie dein Schwert Frauen ihrer Kinder beraubt hat, so soll auch deine Mutter der Kin­der beraubt sein unter den Frauen. Und Samuel hieb den Agag in Stücke vor dem Herrn in Gilgal" (1. Sam. 15, 33).

Wie schnell kann sich die großsprecherische Prahlerei des Fleisches aus den Tagen des Glückes und des Auf­stieges in wehleidiges Gejammer des Selbstmitleides ver­wandeln, wenn der Augenblick der Wahrheit gekom­men ist! Hüte dich davor! Bedaure dich niemals selbst, sei lieber bekümmert über deine Sündhaftigkeit! Wenn dein Stolz verletzt ist und du merkst, daß du falsch

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beurteilt wurdest, wenn du empfindlich wirst und „ein­schnappst", dann darfst du ganz sicher sein: da kriecht noch Haman im Schmutz herum und winselt um Gnade, die er nicht verdient!

„Und Harbona, einer der Kämmerer vor dem König, sprach: Siehe, es steht ein Galgen beim Hause Hamans, fünfzig Ellen hoch, den er für Mardochai aufgerichtet hat, der doch zum Wohl des Königs geredet hat. Der König sprach: Hängt ihn daran auf! So hängte man Haman an den Galgen, den er für Mardochai aufge­richtet hatte. Da legte sich des Königs Zorn" (Esther 7, 9.10).

Welch ein erstaunlicher Anblick! Haman hängt an sei­nem eigenen Galgen, dem Galgen, den er für Mardochai hatte errichten lassen.

Vor etwa eintausendneunhundert Jahren war es ein römischer Galgen. Von denen aber, die ihn daran auf­hängten, sagte der Herr Jesus Christus: „Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüsten wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang und steht nicht in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm™ (Joh. 8, 44). Wie muß Satan diesen Gedanken genossen haben: Gottes Sohn am Kreuz! Wie sorgfältig war der Anschlag geplant, als Satan in das Herz des Judas von Ischarioth einkehrte und diesen in jener furchtbaren Nacht dazu überredete, hinauszugehen in die Finsternis und seinen Herrn um dreißig Silberlinge zu verraten! -Mit welch einer Schadenfreude muß Satan die Menschen­masse aufgewiegelt haben, als sie höhnend auf Jesus zeigte und rief: „Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen!" (Matth. 27, 42). Das muß die Stun­de seines größten Triumphes gewesen sein - aber eines wußte er nicht!

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Es war viel Weitreichenderes geschehen am Kreuz, als Satan es jemals hätte ahnen können. Es handelte sich ja nicht einfach um ein Todesurteil, das von Menschen über einen andern Mitmenschen verhängt worden war. Sterben mußte der Gottessohn zwar wie ein Mensch. Doch es war nicht er, sondern Satan selbst, der den tödlichen Schlag des erbarmungslosen Zornes Gottes er­hielt, als der Erlöser den Tod für die Menschheit erdul­dete.

„Weil nun die Kinder Fleisch und Blut haben, ist auch er der gleichen Art teilhaftig geworden, damit er durch seinen Tod die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel" (Hebr. 2,14).

„Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott; er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch" (Rom. 8, 3).

Als der Herr Jesus für dich starb, zahlte er nicht allein den Preis zur Tilgung deiner Schuld, er ließ gleichzeitig die alte, sündige Adamsnatur mit ans Kreuz nageln. Sie hat so lange in deinem Herzen geherrscht und dich um alle Erwartungen betrogen. Dies ist etwas, das du nach Gottes Willen und Plan wissen darfst:

„Weil wir ja wissen, daß unser alter (nicht wiederge­borener) Mensch samt ihm gekreuzigt ist, damit der (unser) Leib der Sünde aufhöre, daß wir hinfort der Sünde nicht dienen" (Rom. 6, 6).

Das ist auch die Wahrheit, die hier in der bildhaften Sprache des Buches Esther ausgedrückt wird, wenn es heißt, daß Haman an den Galgen kam, den er für Mar-

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dochai hatte errichten lassen. Haman würde nicht länger die ausführende Gewalt im Staate ausüben und die Au­torität des Königs mißbrauchen. Nicht langer sollte er das Reich in Verruf bringen durch seinen heimtücki­schen, bösen Einfluß auf die Verhaltensweise des Vol­kes weit und breit im Lande. Das Königreich, das sym­bolisch den menschlichen Körper darstellt, war nicht mehr länger das Werkzeug seiner teuflisdien Betätigun­gen. Durch den Tod wurde er als Handlanger Satans unbrauchbar.

Als es Haman an den Kragen ging, waren die Zeichen gesetzt für jene Änderung in der Regierung, die den Anfang einer totalen Veränderung in der Verhaltens­weise bildete. Jedermann im ganzen Lande würde bald erkennen, daß im Palast etwas Wunderbares geschehen war. Der falsche Mensch war endlich draußen und der richtige drinnen!

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Jauchze und sei f rÖhlich

Am selben Tage, an dem Haman gehängt wurde, kam Mardochai vor den König; - „denn Esther hatte ihm gesagt, wie sie zu ihm stand". Sie hatte dem König Ahasveros erzählt, sie sei durch Adoption mit Mardo­chai verbunden, und Mardochai sei es auch gewesen, der damals des Königs Leben von der Hand der Meu­chelmörder errettet hätte. Gleichzeitig machte sie ihm aber klar, daß des Königs Übereinstimmung mit ihr un­weigerlich seine Solidarität mit Mardochai zur Folge hätte, damit ihr Verhältnis zueinander harmonisch blie­be.

Im Hinblick auf alles, was ihm von Esther eröffnet worden war, und mit einem tiefen Gefühl der Dankbar­keit, nicht allein für die Rettung seines eigenen Lebens, sondern auch über die Befreiung des Palastes vom heimtückischen und zerstörerischen Einfluß des Feindes, „schenkte der König Ahasveros der Königin Esther das Haus Hamans, des Judenfeindes. Und... der König tat ab seinen Fingerreif, den er Haman abgenommen hatte, und gab ihn Mardochai" (8,1. 2).

Wir wollen festhalten, daß der König zwei Dinge tat. Er steckte den Ring an Mardochais Finger, aber er ver­traute Esther die Verwaltung von Hamans Gütern an. Nach reiflicher Überlegung hatte der König Esther das bessere Urteilsvermögen zuerkannt. Diese aber gab so­gleich zu erkennen, wo ihrer Meinung nach die bessere Urteilskraft lag, nämlich bei Mardochai. Darum über­trug sie ihm sofort die Oberaufsicht über Hamans Haus (8,2).

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Auf diese Weise identifizierte der König seinen eige­nen Willen mit dem der Königin. Esther wiederum un­terstellte ihren Willen dem Mardochais. Ich bin sicher, die geistliche Bedeutung dieser neuen Situation im Pa­last ist uns allen klar. Wenn die Seele, die aus Verstand, Gefühl und Willen besteht (König Ahasveros), mit den Wünschen und Forderungen des Heiligen Geistes (Mar-dochai) völlig harmonisiert, der wiederum an einem de­mütigen, sich ihm willig ausgelieferten menschlichen Geiste (Esther) wirkt und arbeitet, so bezeichnet die Bibel das als „Fülle des Heiligen Geistes".

Ich möchte nun alles noch einmal zusammenfassen. Da­zu will ich Schritt für Schritt rekapitulieren.

Der Heilige Geist widerstand

Das wurde uns als erstes anhand der Vorgänge im drit­ten Kapitel des Buches Esther anschaulich dargeboten. Mardochai befand sich außerhalb des Palastes, in des Königs Torbogen. Im Palast aber plante Haman Mar­dochais Untergang. Er befürchtete, Mardochai, der seine Knie absolut nicht vor ihm beugen wollte, könne am Ende doch noch Zutritt zum Königshof erlangen. Ha-^ man ahnte, daß dann eine große Veränderung im Lande stattfinden würde. Alle Gesetze, die ihm so verhaßt waren, würden gewiß überall eingeführt. Das wollte er um jeden Preis verhindern.

Der Heilige Geist nahm an und wurde angenommen

Wir erfuhren aus dem zweiten Kapitel des Buches, daß der Heilige Geist vom menschlichen Geist angenommen

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wurde, wie einst Esther von Mardodiai angenommen worden war. Dies geschah, während Mardodiai von Haman scharf angegriffen wurde. Das Fleisch wird dem Heiligen Geist immer mit Anfeindung, Empörung und "Widerstand begegnen. Die Tatsache dieser Adoption aber lehrt uns, daß wir alle, du und ich, den Geist der Adoption annehmen müssen, wenn wir in die Familie der begnadeten Sünder hineingeboren und aufgenom­men werden wollen. Und eben „dieser Geist bezeugt auch unserm Geiste, daß wir Gottes Kinder sind* (Rom. 8,15.16).

Der Heilige Geist trauerte

Am Anfang des vierten Kapitels begegnete uns Mardo­diai, der in Sack und Asche gehüllt und bitterlich wei­nend im Königstor saß. Dieses Bild veranschaulicht lebhaft den trauernden Geist Gottes.

Denn Mardodiai war zwar in Esthers Leben getreten, und „Esther tat nach dem Wort Mardochais wie zur Zeit, als er ihr Pflegevater war", aber Mardodiai war bis jetzt noch nicht bis zum König vorgedrungen. Hier beherrschte noch Haman die Szene. Er wirkte mit sei­nem verderblichen Einfluß weit und breit im Königreich.

Dieses Bild veranschaulicht uns den Christen, der kein siegreiches Überwinderleben führt und den Paulus in seinem Brief an die Römer folgendermaßen beschreibt:

„Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern. Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?" (Rom. 7, 23. 24).

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Der Heilige Geist wurde unterdrückt

Die Königin war noch nicht geneigt, Mardodiais An­ordnungen zu befolgen. Sie weigerte sich, ungeladen vor des Königs Angesicht zu erscheinen. Sie wollte ihr Leben nicht für ihr Volk aufs Spiel setzen. Ihrer Mei­nung nach sollte Abrahams Same auf diese Weise nicht vollständig ausgerottet werden. Obwohl Hamans Ver­derbtheit deutlich genug vor ihr entlarvt worden war, zögerte sie immer noch. Solange jedoch Esther nicht bereit war, ihr eigenes Wesen, ihr Fleisch, in den Tod zu geben, war es für Mardochai unmöglich, verantwort­lich handelnd einzugreifen und den Feind zu töten.

Der Heilige Geist gehorchte

Mit der entscheidenden Wende im letzten Teil des vier­ten Kapitels wird uns die Verhaltensweise echter Jün­gerschaft vor Augen geführt.

Am dritten Morgen begab sich Esther, bereits so gut wie tot, ungerufen in die Nähe des Königs. - Der aber hielt ihr sein goldenes Zepter entgegen. Während sie ihr altes Leben aufgab, fand sie gleichzeitig ein neu­es. - Und von nun an stimmte sie für immer mit Gottes Plan, Willen und Volk überein.

So wurde die Voraussetzung geschaffen für alle Ereig­nisse, von denen uns in den Kapiteln fünf, sechs und sieben berichtet wird. Esther klärte den König über den wahren Sachverhalt auf und brachte Haman an den Galgen.

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Die Fülle des Heiligen Geistes

Nun waren die Grundvoraussetzungen für ein neues, ruhmreiches Regime gegeben: Der Feind war entthront. Mardochai hatte, mit des Königs Ring am Finger, im Palast Einzug gehalten und von des Königs Gütern Besitz ergriffen. Der König und die Königin, die die ausführende Gewalt, die Exekutive, im Lande darstell­ten, ehrten gemeinsam Mardochai.

In deinem Herzen bedeutet das: der Herr Jesus Christus hat durch seinen Heiligen Geist sowohl in deinem menschlichen Geist als auch in deinem Herzen Einzug gehalten und leitet nun deinen Verstand, deinen Willen und deine Gefühle. Auf diese Weise wird sein Leben durch alles, was du tust, sagst und bist, der Umwelt sichtbar.

Die Menschen um dich, herum stellen fest, auch wenn sie es nicht begreifen, daß du durch die „teuren und allergrößten Verheißungen" tatsächlich der „göttlichen Natur teilhaftig** geworden bist (2. Petr. 1,4).

Es ist an dieser Stelle wichtig zu beachten, daß Mardo­chai weiterhin durch die Königin mit dem König in Verbindung stand, obwohl er jetzt im Palast behei­matet und willkommen war.

„Und Esther redete noch einmal vor dem König und fiel ihm zu Füßen und weinte und flehte ihn an, daß er zunichte mache die Bosheit Hamans, des Agagiters, und seine Anschläge... und daß er die Schreiben mit den Anschlägen Hamans, des Agagiters, des Sohnes Hammedathas, des Agagiters, widerrufe, die dieser ge­schrieben hatte, um die Juden umzubringen in allen Ländern des Königs" (8, 3. 5).

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Das wirft einen interessanten Gesichtspunkt auf. Wir haben bereits im fünften Kapitel dieser Arbeit über das zweifache Gewissen des Menschen gesprochen, das moralische, das im Geist des Menschen wohnt, und über den Instinkt, der seinen Sitz in der Seele hat. Nun sieht es so aus, als gäbe es diese Dualität auch beim menschlichen Willen.

Wenn du zum Beispiel deinen animalischen Willen gebrauchst, reagierst du animalisch und richtest dich nach deinem animalischem Gewissen. Gebrauchst du anderer­seits deinen moralischen Willen, handelst du nach morali­schen Gesichtspunkten und wirst vom moralischen Gewissen geleitet.

Es gibt eine ganze Menge Handlungen, die du unter Inan­spruchnahme deines animalischen Gewissens tust, was aber moralisch ohne Bedeutung ist. Dein Verhalten gleicht dann dem des Königs, der allein vom animalischen Gewissen geführt, solche Entscheidungen traf, die das animalische Gewissen für richtig hielt. Das war ja das Gewissen, das allein anhand der Folgen einer Tat bestimmte, was falsch oder richtig war.

Wenn beispielsweise ein brennendes Holzscheit aus dem Feuer fällt, wird man es nicht mit bloßen Händen zurück­legen, weil das erfahrungsgemäß falsch wäre. Man würde sich die Finger verbrennen. Eine moralische Entschei­dung ist in dieser Reaktion jedoch nicht enthalten. Es handelt sich nur um eine animalische Willensentschei­dung, die jedes Tier in ähnlicher Situation ebenso treffen würde.

Durch die Anwendung deines animalischen Willens gehst du in ähnlicher Weise wie ein Hund, nur daß er vier anstatt zwei Beine dazu benutzt. Rein körperlich

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gesehen, setzt du didi auch wie ein Hund und springst ins Auto, wie er es tut. Der Wille, der benötigt wird, um deinen Körper in Bewegung zu setzen, ist also nicht unbedingt moralisch beeinflußt.

Er kann es jedoch sein. Ein moralischer Faktor spielt zum Beispiel eine Rolle, wenn du eine Arbeit sitzend verrichtest, obwohl du dafür bezahlt wirst, daß du sie stehend ausübst. Und obgleich im rein körperlichen Vor­gang des Laufens allein kein moralischer Faktor eine Rolle spielt, so kann sehr wohl in der Wahl des Weg-zieles ein moralischer Beweggrund stecken. Der entschei­det dann darüber, in welche Gesellschaft dich dieser Willensvorgang führt.

Ebenso erfordert das einfache Hineinsitzen ins Auto, das Anlassen des Motors und das Fahren über eine Straße an sich nicht mehr als eine Reihe körperlicher Bewegungen, bei denen das moralische Bewußtsein und der sittliche Wille völlig ausgeschaltet sein können. Das wird erst anders, wenn du an die Weggabel kommst und dich entscheiden mußt, ob du nach rechts oder links weiterfahren willst. Nach rechts führt der Weg zum Gasthaus, in dem du als Alkoholiker gewohnheitsgemäß deinen Trunk zu dir nimmst. Links ab aber geht's nach Hause zur Familie, zu Weib und Kind.

Selbst wenn du wiedergeboren bist, wird das alte Wesen, das Prinzip der Erbsünde in dir, versuchen, deinen ani­malischen Willen zu beeinflussen. Du sollst dann Ent­scheidungen treffen, die das Fleisch in die Lage versetzen, den Körper zur Befriedigung der irdischen Gelüste zu gebrauchen. Zugleich aber wird es bestrebt sein, das mo­ralische Gewissen in dir zum Schweigen zu bringen. Es wird versuchen, dein animalisches Gewissen davon

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zu überzeugen, daß du es auch weiterhin tun darfst, ohne gleich unerfreuliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Auf der anderen Seite aber wird dein moralisches Ge­wissen - belebt und gestärkt durch den Heiligen Geist

- mit Hilfe deines moralischen Willens in deinem
Geiste versuchen, dem Übelstand Abhilfe zu schaffen.
Es wird mit vielen Worten mahnen: „Gebt eure Glieder
nicht der Sünde zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit
hin, sondern ergebt euch selbst (und jedes Teil von euch),
Gott, als die da aus den Toten lebendig sind, und eure
Glieder Gott zu Werkzeugen der Gerechtigkeit" (Rom.
6,13).

Wenn nun das Fleisch mit der Besänftigung deines mo­ralischen Gewissens Erfolg hat und dein animalischer Wille seinen Einfluß geltend macht, so wirst du dich an der erwähnten Weggabelung nach rechts wenden und

moralisch unterlegen - im Gasthaus landen.

Wenn aber der Heilige Geist deinen moralischen Willen befähigt, über deinen animalischen Willen zu siegen, dann wirst du dich nach links wenden und heimwärts fahren - zur großen Freude deiner Frau und deiner Kinder. Aber auch zur Freude deiner eigenen Seele, die moralisch einen Sieg errungen hat.

Aber das ist es ja gerade, sagst du, immer dann, wenn ich an solch eine Wegscheide komme und vor die Entscheidung gestellt werde, fangen meine Schwie­rigkeiten an. Da werde ich wieder und wieder besiegt. Wie kann ich nur meinen animalischen Willen meinem moralischen unterordnen? Wie soll ich nur den »Ring an den richtigen Finger** bringen?

Die Antwort darauf liegt bei deiner rechten Stellung

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zu dem Herrn Jesus Christus, dessen Leben du doch teilen darfst.

Als Esther noch einmal vor den König trat und ihn flehentlich unter Tränen bat, das Unheil abzuwenden und seinen Erlaß rückgängig zu machen, so geschah dies aus einer Haltung völligen Vertrauens Mardochai ge­genüber. Sie war ganz gewiß, daß ihr Gehorsam ihm gegenüber, Mardochai die Möglichkeit gegeben hatte, Haman in den Tod zu geben. Und sie wußte nun, daß ihr erneuter Gehorsam es Mardochai ermöglichen wür­de, seinen guten, segensreichen Einfluß auf des Königs Gemüt und auf alle Entscheidungen in seinem Palast geltend zu machen.

Ebenso wie sie es damals aufgegeben haue, Haman aus eigener Kraft zu hängen, so gab sie nun vollstän­dig jeden Versuch auf, den Charakter des Königs aus eigenem Vermögen zu ändern. Sie begab sich wieder in Todesgefahr, als sie zum zweitenmal ungerufen in die Nähe des Königs kam und so wiederum Mardochais Anordnungen befolgte. „Und der König streckte das goldene Zepter gegen Esther aus" (8,4). Sie lebte immer noch in der Kraft des dritten Morgens.

Auf erstehungsieben!

Das muß auch deine Haltung dem Herrn Jesus Christus gegenüber werden. Wenn dein alter Mensch sich wieder aufmachen möchte, dann bete:

„Lieber Herr Jesus Christus! Ich danke dir für deinen Heiligen Geist, dem ich meinen menschlichen Geist wil­lig unterordnen will, und durch dessen segensreiche Ge­genwart ich schon hier auf dieser Erde teilhaben darf an deinem Auferstehungsleben und an deinem Sieg. Ich

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weiß, daß ich aus eigener Kraft mit der Sünde in mir nicht fertig werden und das Fleisch nicht töten kann.

Aber ich danke dir dafür, daß ich mit dir gekreuzigt bin, und du jetzt für mich streitest. Dein Heiliger Geist allein ist den Worten meines Fleisches gewachsen und kann sie zum Schweigen bringen. Nun bitte ich dich, ganz von meiner Seele Besitz zu ergreifen, meinen Verstand, meine Gefühle und meinen Willen zu leiten, damit jede Entscheidung meines Herzens in völliger Obereinstimmung mit meinem Geiste getroffen wird, daß mein Geist in vollkommener Harmonie mit dir bleibt! Hilf mir bitte, daß so mein ganzes Leben dich preist, und ich etwas bin zum Lobe deiner Herrlichkeit. Herr Jesus, ich kann das nicht aus eigener Kraft, aber du kannst es. Dafür danke ich dir! Amen."

Wenn du bereit bist, auf diese Weise in der Nahe Chri­sti zu leben, durch seinen Heiligen Geist fest mit ihm zu rechnen, und das nicht allein, um das Fleisch im Tode zu lassen, sondern auch um seine göttliche Herr­schaft siegreich in jedem Bereich deines Herzens neu aufzurichten, dann wirst auch du jene erstaunliche Um­formung erfahren, die dich in zunehmendem Maße In das Ebenbild des geliebten Gottessohnes verwandelt. Diese Verwandlung wird ähnlich sein derjenigen, die damals im ganzen Lande geschah, als Mardochai im Palast des Königs zu Ehren gekommen war.

„Da sprach der König Ahasveros zur Königin Esther und zu Mardochai, dem Juden: Siehe, ich habe Esther das Haus Hamans geschenkt, und ihn hat man an einen Galgen gehängt, weil er seine Hand an die Juden gelegt hat. So schreibt nun ihr wegen der Juden, wie es euch gefällt, in des Königs Namen und siegelt's mit des Kö-

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nigs Ring. Denn ein Sdireiben, das in des Königs Na­men geschrieben und mit des Königs Ring gesiegelt war, durfte niemand widerrufen ... Und es wurde geschrie­ben, wie Mardochai gebot, an die Juden und an die Fürsten, Statthalter und Obersten in den Ländern vom Indus bis zum Nil, hundertundsiebenundzwanzig Län­dern, einem jeden Lande in seiner Schrift, einem jeden Volk in seiner Sprache und auch den Juden in ihrer Schrift und Sprache. Und es wurde geschrieben in des Königs Ahasveros Namen und mit des Königs Ring gesiegelt" (8, 7-10).

Die neue Verordnung wurde im Namen des Königs Öffentlich bekanntgegeben. Diesmal aber nicht auf Ha-mans, sondern auf Mardochais Befehl. „Denn Mardo­chai war groß am Hofe des Königs, und die Kunde von ihm erscholl in allen Ländern, wie er immer mäch­tiger werde" (9,4).

In der Königsstadt Susa, durch alle Provinzen des Lan­des (9, 6.16), in den Dörfern und Höfen (9, 19) hinter­ließ alles, was im Palast geschehen war, einen tiefen und bleibenden Eindruck. Kein Gebiet des Staates blieb von der Veränderung ausgeschlossen. Jedermann merkte, daß mit dem König etwas Wunderbares geschehen war.

Als Mardochai Gottes Gebote im Palast eingeführt hat­te, bekam Gottes Volk, dem diese Gebote einmal an­vertraut worden waren, endlich Ruhe vor seinen Fein­den (9,16). Kummer verwandelte sich in Freude, Trauer in Festjubel. Bruderliebe hatte bald alle Furcht ver­drängt. Man schickte sich gegenseitig Geschenke und gab Opfer für die Armen (9, 22).

Jede neue Verordnung, die Mardochai an die Juden in den 127 Provinzen im Königreich des Ahasveros

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sandte, enthielt Grußworte des Friedens und der Treue (9,30).

Daher wundert es uns nicht, daß diese Tage zu festlichen Gedenktagen in der Geschichte Israels geworden sind. Als der Plan zur Vernichtung der Juden im bösen Her­zen Hamans ersonnen wurde, ein Anschlag, der ihm durch Satan und den in ihm wohnenden Haß auf den verheißenen Samen des gläubigen Abraham, Jesus Chri­stus, eingegeben worden war, hatte er nach einem alten Brauch das Los, das Pur, werfen lassen. Er wollte auf diese Weise einen glückbringenden Tag finden, an wel­chem er seine teuflischen Absichten ausführen konnte.

Der so gewählte Tag war der 13. Tag des Monats Adar. Genau an diesem Tage sollten alle Juden, jung und alt, Kinder und Frauen, umgebracht werden (3,13).

Aber anstatt daß die Juden an diesem 13. Tage um­gebracht wurden, durften sie sich am 14. Tag mit un­aussprechlicher Freude freuen als ein Volk, das wun­derbar errettet worden war. Zum Tode verurteilt, war ihnen das Leben neu geschenkt worden. Der heimtücki­sche Plan Hamans, der gegen die Juden gerichtet war, kehrte als Bumerang auf sein eigenes Haupt zurück. Er und seine Söhne kamen an den Galgen (9, 25).

Viele Jahre danach erging es Satan ebenso. Da kehrte auch ein böser Anschlag auf sein eigenes Haupt zurück. Das geschah, als der Herr Jesus Christus durch seinen Tod am Kreuz den unschädlich machte, der die Gewalt über den Tod besaß, Satan. Damals brachte er diesen an den eigenen Galgen (Hebr. 2,14.15).

Das Volk der Juden aber feierte seither, Jahr für Jahr, durch alle Generationen hindurch, das Purimfest. Es

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bekam seinen Namen nach dem Pur, dem nach alter Sitte geworfenen Los. Israel feiert dieses Fest in dank­barem Gedenken an seine wunderbare Errettung.

Noch eine andere, bemerkenswerte Tatsache ereignete sich; es heißt „viele aus den Völkern im Lande wurden Juden; denn die Furcht vor den Juden war über sie ge­kommen" (8, 17). Diese Menschen wußten sehr wohl, was den Juden gedroht hatte. Menschlich gesprochen war ihre Situation hoffnungslos gewesen, und trotzdem waren sie dem Grabe entronnen. Ihre Feinde wurden die Besiegten. Das Volk um Israel fing an, zu sich selbst zu reden: „Wenn das so ist, wenn es soviel wert ist, zum Volke Gottes zu gehören, dann will ich auch ein Jude werden. Ich möchte diesen Gott auch kennenlernen, der sein Volk vom Tode erretten und seine Gegner vernich­ten kann, einen Gott, der seinem Volke Ruhe und Frie­den geben kann.**

Es gibt nichts, was so ansteckend ist, als ein Mensch, der in Wahrheit mit Heiligem Geist erfüllt ist!

Wahre Heiligkeit ist immer zugleich evangelisierend, sie schafft Bekehrungen. Sie wirkt, daß der Sünder von Herzen seine Schuld bereut und anfangt zu hungern und zu dürsten nach der Gerechtigkeit. Sie macht, daß er aus tiefstem Herzen ruft: „Herr, was muß ich tun, daß ich gerettet werde?" (Apg. 16, 30).

Ist das die Wirkung, die auch dein Leben auf deine Nachbarn, deine Arbeitskollegen, deine Mitstudenten und auf deine eigenen Kinder ausübt?

„Mardochai aber ging hinaus von dem König in könig­lichen Kleidern, blau und weiß, und mit einer großen goldenen Krone, angetan mit einem Mantel aus Leinen

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mit Purpurwolle. Und die Stadt Susa jauchzte und war fröhlich" (8,15).

Wie verändert war nun alles! Es sah so aus, als ob die Sonne strahlender sdiiene und jede Wolke am Him­mel ladite. Sangen die Vögel nidit viel lieblicher, und hatten nidit audi die Blumen einen ganz neuen Duft? Es hatte eine Zeit gegeben, da der König sich mit Ha-man zum Trunk zusammensetzte, als Haman die Ober­hand hatte und „das Volk in Susa bestürzt" war. Nun aber, da Haman am Galgen und Mardochai im Palast war, wurde aus der Stadt „Bestürzung" eine Stadt „Freude".

Ich bin sicher, daß der Psalmist etwas davon gekannt hat, als er im 46. Psalm niederschrieb:

„Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht... Der Strom mit seinen Bächen erfreuet die Stadt Gottes, die heiligen Wohnungen des Höchsten. Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben: Gott hilft ihr früh am Morgen. Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin" (Ps. 46, 2. 3. 5. 6.11).

Dieser Strom hat seine Quelle am Throne Gottes und des Lammes (Offb. 22, 4). Er bringt göttliches Leben ins Menschenherz. Und folgende Verheißung gilt auch dir und deinen Kindern: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe (aus seinem Inner­sten) werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, welchen empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verherrlicht" (Joh. 7, 38. 39).

Laß Gott durch den Heiligen Geist so an deinem in-

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wendigen Menschen wirken. Er will ihn kräftigen und gründen, damit der Herr Jesus Christus auch in deinem Leben verherrlicht werde, wie er bereits im Himmel verherrlicht ist. Dann wird der Strom des Lebens flie­ßen und die Stadt Gottes fröhlich machen.

„Werdet voll Geistes, redet untereinander in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singet und spielet dem Herrn in euren Herzen und saget Dank alle­zeit für alles Gott, dem Vater, in dem Namen unsres Herrn Jesus Christus" (Eph. 5,18.19.20).

Dann wirst du mit Recht jauchzen und fröhlich sein können!

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Das Vorrecht, du selbst zu sein

Brich dir doch nidit selbst das Herz, indem du versuchst, jemand anders zu sein!

Fürs erste wirst du es niemals schaffen! Du wirst immer du selbst bleiben und niemand anders sonst. Der Mensch, der am Morgen aufsteht, ist genau derselbe, der am Abend zuvor ins Bett ging. Darum mußt du dich schon mit der Tatsache abfinden: Du selbst bist der Mensch, mit dem du für den Rest deiner Tage aus­kommen mußt.

Zum zweiten aber ist es Gottes "Wille! Er wollte niemals, daß du jemand anders wärst als du selbst. Er möchte aber, daß du nun wirklich der Mensch bist, zu dem er dich bestimmt hat.

König Ahasveros war am Anfang des Buches Esther ein anderer Mensch als am Schluß. Trotzdem war er derselbe König, mit dem gleichen Verstand, denselben Gefühlen und demselben Willen.

Wäre Ahasveros unter Hamans Einfluß geblieben, und hätte er auch weiterhin mit seinen bösen Wegen überein­gestimmt, so trüge er jetzt die Verantwortung für eines der grausamsten Massaker in der Geschichte der Mensch­heit. Sein Name wäre in Schmach und Schande unterge­gangen. So aber erntete der König, unter dem segensrei­chen Einfluß Mardochais und in Übereinstimmung mit ihm, den ganzen Respekt und die Verehrung seines glücklichen Volkes. Wenn die andern über diese Ver­änderung erstaunt waren, so war es der König selbst am meisten.

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Ahasveros hatte den Unterschied kennengelernt zwi­schen dem Menschen, den Haman aus ihm gemacht hat­te, und demjenigen, den nun Mardochai aus ihm machte. Es war der Unterschied zwischen dem „alten" und dem „neuen Menschen". Der König war unter eine völlig neue Leitung gekommen!

Dies kann dir helfen zu begreifen, was der Herr Jesus Christus meinte, als er einmal mit seinen Jüngern dar­über sprach. Wir können es verstehen, obwohl dem er­sten Anschein nach ein Widerspruch darin steckt. Er sagte: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir" (Matth. 16, 24). Hieraus geht hervor, daß es ein Ich gibt, das verleugnet werden muß.

Bei einer anderen Gelegenheit jedoch, als ein Schriftge­lehrter aufstand, ihn versuchte und fragte: „Meister, was muß ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe?" antwortete der Herr Jesus, indem er das Gebot aus dem sechsten Kapitel des fünften Buches Mose anführte: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Her­zen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von gan­zem Gemüte und deinen Nächsten wie dich selbst" (Luk. 10, 25-27).

Wenn du aber deinen Nächsten wie dich selbst lieben sollst, mußt du zunächst dich selbst Heben, sonst wird aus dieser Sicht heraus die Liebe zu deinem Nächsten bedeutungslos. Wir dürfen daher aus der Antwort, die der Herr Jesus jenen gab, die ihn fragten, schließen, daß Eigenliebe eine gewisse Existenzberechtigung hat. Neben dem Ich, das verleugnet werden muß, gibt es also das Ich, das respektiert werden muß.

Wie aber ist Selbstverachtung mit Selbstachtung zu ver-

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einbaren? Gibt es zwischen den beiden eine Koexi­stenz?

Die Antwort auf diese Frage ist uns in der Gestalt des Königs Ahasveros klar und anschaulich gegeben. Den Menschen, den Haman aus ihm gemacht hatte, mußte er zurückweisen, den neuen aber, den Mardochai aus ihm gemacht hatte, durfte er respektieren. Genauso sollst du das Ich, das vom Fleisch geprägt wurde und in deiner Seele herrschen will, zurückweisen, indem du dir selbst in diesem Falle mißtraust. Das Ich jedoch, das Christus aus dir machte, als er dich mit Heiligem Geist erfüllte, dich damit erhöhte und in seinen Dienst nahm, das darfst du anerkennen und achten.

„Mein Ich (dasselbe, das in mir die Sünde begeht) ist mit Christus gekreuzigt. Ich lebe (dasselbe Ich, das Christus aus mir machte), doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir" (Gal. 2,20).

Dies ist das Sein, das Gott von dir erwartet, zu dem er dich bestimmt hat!

Es gibt also eine Berechtigung für ein gewisses Selbst­bewußtsein im Leben eines Christen. Jesus schafft Per­sönlichkeiten.

Auf dieser Basis kannst du die Unausstehlichsten unter deinen Nächsten lieben lernen, weil du weißt, daß auch alles, was an dir liebenswert ist, nur durch Jesus Chri­stus gewirkt wurde. Du kannst deinen Nächsten lieben, auch wenn er betrunken in der Gosse liegt. Du tust es nicht um des Menschen willen, den die Sünde aus ihm gemacht hat, sondern um des Menschen willen, den Christus aus ihm machen kann!

Du verlierst nichts von deiner eigenen Persönlichkeit, wenn du im Glauben mit Christus deinen Platz am

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Kreuze einnimmst. Im Gegenteil, deine Persönlichkeit erfährt eine Verwandlung. Du kommst einfach unter eine andere Leitung, so daß es dann von dir heißt: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden. Aber das alles von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Christus* (2. Kor. 5,17.18).

Das neue Leben in uns ist das Leben des Herrn Jesus. Du wirst ihm ähnlicher und nimmst seine Art zu leben an. Er selbst, Gott, ist es, der in dir und durch dich wirkt, und zwar beides, „das Wollen und das Vollbrin­gen nach seinem "Wohlgefallen" (Phil. 2,13). Wenn du bereit bist, auf diese Weise mit dem Herrn Christus ins Geschäft zu kommen, so wirst du gar nicht mehr wünschen, jemand anders zu sein.

Du wirst im Gegenteil neugierig sein zu erfahren, wie es weitergeht und wie er dich wirklich haben möchte.

Für einen Jakob war es unmöglich, die Verheißungen zu ererben, das wollte das Fleisch in ihm. Gott haue das Erbe nur für Israel bereit, für den Menschen, den er allein aus Jakob hatte machen können.

Ein Simon konnte keine Menschen zu Jesus führen. Gott berief einen Petrus, den Menschen, den allein Gott hatte aus Simon machen können.

Auch ein Saulus von Tarsus konnte den Glauben nicht verteidigen. Gott berief den Apostel Paulus. Das war wieder allein der Mensch, den Gott aus Saulus gemacht hatte.

Hat Gott deinen Namen schon verändert? Gabst du ihm schon die Möglichkeit dazu?

Gott verändert den Namen, wenn er den Menschen ändert.

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Die zehn Söhne Hamans

Ich möchte wohl wissen, ob du beim Lesen dieser Zei­len folgende oder ähnliche Gedanken hattest wie: „Ich verstehe diese bildhafte Sprache sehr gut. Ebenso wie Haman an den Galgen gehängt wurde, so wurde nach Gottes Willen auch meine sündige Adamsnatur mit dem Herrn Jesus Christus ans Kreuz genagelt - hingerichtet und begraben. Aber was nun? Da Haman gehängt ist, wird das das letzte sein, was wir von ihm hörten?"

Bedeutet das, daß meine alte, sündige Natur vollständig ausgerottet wurde in dem Augenblick der Bekehrung, als ich es im Glauben annahm, mit Christus gekreuzigt zu sein? Kann der neue Israel in mir, der durch Christus geschaffen wurde, niemals mehr betrübt werden durch den alten Jakob? Wird Petrus niemals mehr dem Simon gegenüberstehen?

Falls du das gedacht hast, sind solche Fragen gut und berechtigt. Ich glaube auch, daß ihre Beantwortung leicht ist, da sie uns in anschaulicher und faszinierender Weise im neunten Kapitel des Buches Esther dargeboten werden.

„Esther sprach: Gefällt's dem König, so lasse er auch morgen die Juden in Susa tun nach dem Gesetz für den heutigen Tag, aber die zehn Söhne Hamans soll man an den Galgen hängen. Und der König befahl, so zu tun. Und das Gesetz wurde zu Susa gegeben, und die zehn Sohne Hamans wurden gehängt" (9,13. 14).

Das ist die Antwort! Haman hatte zehn Söhne.

Du magst heute dein Bemühen, Haman aus eigener Kraft in den Tod zu geben, aufgegeben haben und dem

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Heiligen Geist erlauben, in dir den Sieg des Herrn Jesu zu feiern, indem er selbst Haman ans Kreuz bringen kann, aber das wird nicht für morgen gelten. Du wirst entdecken, daß Haman zehn Söhne hat. Und das ist noch nicht alles. Der Haman deines eigenen Herzens hat nicht nur zehn Söhne, sondern jeder dieser zehn hat wieder zehn eigene Söhne!

Genau genommen gibt es das erfahrungsgemäß nicht, daß der böse Einfluß des Fleisches ein für aliemal ausge­rottet wird. Das Fleisch in seiner heimtückischen Art möchte dir das zwar gern vorgaukeln - im Interesse seiner eigenen Selbsterhaltung! Sei nur so töricht zu glauben, das Fleisch existiere nicht länger, und du wirst kaum verhindern können, daß neue Schwierigkeiten auftauchen, hervorgerufen durch die fortdauernde böse Aktivität in deinem Herzen. Nichts gefällt dem Teufel mehr als das.

Die Anwendung und Ausschöpfung des Sieges Christi verlangt mehr als nur eine einzige Tat des Glaubens. Sie verlangt eine ganze Glaubenshaltung. Das ist ein ständiges Rechnen mit Gott. Tag für Tag, Stunde für Stunde, Augenblick für Augenblick. Und dein Rechnen mit ihm in diesem Augenblick wird nicht ausreichend sein für den nächsten. „Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen. Denn das Fleisch streitet wider den Geist und der Geist wider das Fleisch" (Gal. 5,16.17).

Dieser Wandel im Geist ist ein anhaltender, ununterbro­chen fortdauernder Prozeß, der jeden Tag einen Schritt weiterführt. Das bedeutet, daß du in jeder neuen Si­tuation, in die dich jeder neue Schritt bringen wird, fest mit dem Heiligen Geist rechnen mußt, damit das Fleisch im Tode bleibt.

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Ich möchte unterstreichen, wie notwendig es ist, fest mit ihm zu rechnen; denn wir halten uns nicht allein dafür, „daß wir der Sünde abgestorben sind", sondern auch, „daß wir nun Gott leben in Christus Jesus, unserm Herrn« (Rom. 6,11).

Es verhilft uns zu einer großen Freudigkeit, wenn wir im Auferstehungsleben unseres Herrn Jesu Christi uns fest auf seine Gegenwart verlassen, die uns vom Gesetz der Sünde und des Todes befreit. Der sicherste Weg, Gewißheit zu haben, ob man auch wirklich der Sünde (der alten Adamsnatur) abgestorben ist, besteht darin, fest zu glauben, daß man mit Jesus Christus lebt, daß man vollkommen abhängig ist von ihm. Dann wird er auch für alle Konsequenzen aufkommen.

Ganz klar gibt Paulus in seinen Ausführungen im Brief an die Galater zu erkennen, daß das Fleisch auch noch im Gläubigen aktiv ist. Wenn das „Wandeln im Geist" bedeutet, die Lüste des Fleisches nicht zu vollbringen, dann ist das Gegenteil leider ebenso wahr! Und wenn man nicht in dieser ständigen Abhängigkeit von ihm bleibt, die praktisch jeden Augenblick mit ihm rechnet, wenn man also nicht „im Geiste wandelt", so bedeutet das, daß man den Lüsten des Fleisches wieder zum Opfer fällt und zu seinem eigenen Schaden wieder mit einem der vielen Söhne oder Enkelsöhne Hamans zu­sammentrifft, dieser gottlosen Nachkommenschaft Amaleks.

Israel wird Jakob wieder gegenüberstehen. Petrus wird sich wie Simon benehmen, und Paulus wird mit Saulus von Tarsus in Berührung kommen.

Die Bibel bietet uns in überwältigender Weise die Grundlagen    eines    siegreichen    Christenlebens    an.

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Wir müssen nur bereit sein, die Bedingungen dazu zu erfüllen und uns so im Glauben das Überwinderleben Christi zueigen machen. Andererseits gibt es nirgend­wo in der Bibel die begründete Rechtfertigung einer Hoffnung auf sündlose Vollkommenheit, auf einen Zu­stand, in dem man vor Sünden sicher bewahrt bleibt bis zu dem herrlichen Tag, an dem wir den Herrn Jesus Christus von Angesicht sehen werden. Dann allerdings „werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist" (1. Joh. 3, 2).

Darum laß dich von niemandem täuschen! Es würde dich nur in Unaufrichtigkeit und Lüge hineinführen bei deinen Versuchen, das schlechte Gewissen durch die Behauptung deiner sündlosen Vollkommenheit zum Schweigen zu bringen. Du wirst nur einen andern Na­men für die Sünde finden und damit vortäuschen, daß sie nicht vorhanden sei.

Der Heilige Geist ist dein Tröster und Freund. Er ist in dir, um dich vor dem Fallen zu bewahren, aber höre auch ganz genau hin, was er dir zu sagen hat.

„Denn welchen der Herr liebhat, den züchtigt er, und er straft einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. Gott erzieht euch, wenn ihr (Korrektur) dulden müßt! Als seinen Kindern begegnet euch Gott; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht (so) züchtigt? Seid ihr aber ohne Züchtigung, welche sie alle (die Kinder Gottes) erfahren haben, so seid ihr Ausgestoßene und nicht Kin­der" (Hebr. 12, 6-8).

Mit andern Worten, wenn der Heilige Geist die Sünde beim Namen nennt, dann nenne du sie nicht anders. Gib sie zu und bekenne sie als die Sünde, die sie tat­sächlich ist. Nimm zutiefst die Reinigung und Verge-

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bung, die Gott auch dir durch das Blut Christi verspro­chen hat, für dich in Anspruch. Sei dankbar, daß der „mächtige Mardochai" bei dir "Wohnung genommen hat. Er wird dort ständig auf der Hut sein, die Söhne Hamans zu entlarven, um dich vor Satan zu retten.

Das Recht auf Einspruch und freie sittliche Entschei­dung

„Denn Mardochai, der Jude, war der erste nach dem König Ahasveros und groß unter den Juden und beliebt unter der Menge seiner Brüder, weil er für sein Volk Gutes suchte und redete, was seinem ganzen Geschlecht zum Besten diente" (10, 3).

"Wenn du den Herrn Jesus Christus als den Retter deines Lebens angenommen hast, bist du ein Kind Gottes ge­worden. Dann wird es die ständige Freude des Heiligen Geistes sein, nach deinem Wohlergehen und inneren Reichtum zu trachten und deiner Seele Worte des Heils zu verkünden. Eine Sache mag dich jedoch in diesen letzten Versen des letzten Kapitels betroffen machen. Dort steht: „Der Jude Mardochai war der erste im Ran­ge nach dem König Ahasveros."

Vielleicht erinnern wir uns aus einem früheren Kapitel daran, daß der Pharao seine Oberhoheit und sein Ein­spruchsrecht beibehielt, als er Joseph den Ring an den Finger steckte, so wie jetzt Ahasveros es bei Mardochai tat. Er sagte: „Nur um den Thron will ich höher sein als du." So war Joseph der nächste unter dem Pharao, wie Mardochai der nächste unter dem König war.

Hieraus können wir etwas Wichtiges lernen. Es ist

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erstaunlich, daß Gott sich in seinem Verhältnis zum Menschen selbst Grenzen gesetzt hat durch das Gesetz des Glaubens.

Obwohl also der Heilige Geist Einzug gehalten hat in dir und darin in seiner Person sowohl Gott, den Vater, als auch Gott, den Sohn, vertritt, wird er doch niemals die Souveränität deines eigenen Willens ver­letzen. Er wird dich nicht von deiner Entscheidung aus eigener Verantwortung entbinden.

Obwohl er Gott ist, hat er es vorgezogen, im Bereich deiner Seele immer nur „der Nächste" zu sein. "Wenn er trotzdem die Herrschaft in jedem Bezirk deines Her­zens ausübt, wenn er so deine Verhaltensweisen be­stimmt, geschieht das nur auf deine eigene freie "Wahl und freudige Einwilligung hin.

Dieses Einspruchsrecht aber ist es, das dich als Mensch über das Tierreich emporhebt und aus dir das sittliche Wesen macht, zu dem Gott dich bestimmt hat. Das ist es auch - und nur dieses -, was dich befähigt, Gott wiederzulieben und somit seine Liebe zu erwidern.

Dieses freudige „Ja" Gott gegenüber in jedem Augen­blick deines Lebens erfüllt das Herz des Schöpfers mit größerer Freude als all die aufregenden (interessan­ten) Wunder von Millionen Welten, die durch sein Allmachtswort in die Unendlichkeit des Alls hinausge­schleudert wurden. Sie alle besitzen nicht die Fähigkeit, ihn zu Heben, weil sie die Fähigkeit der freien Wahl nicht haben.

Das Vorrecht, du selbst und Mensch zu sein, liegt also darin, daß du Gott kennen, wählen und lieben darfst. Das ist dein ganz persönliches Vorrecht.

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Schwein bleibt Schwein

König Ahasveros machte eine wunderbare Entdeckung. Er fand heraus, daß er das Böse, für das er unter Hamans Einfluß empfänglich geworden war, nur durch das Gute, für das er unter Mardochais Einfluß ein Ge­spür bekommen hatte, aus dem Felde schlagen konnte. Das ist genau dieselbe Entdeckung, die Gott auch von dir erwartet. Sie ist die Voraussetzung und Basis eines rechtverstandenen Christenlebens.

Diese Erkenntnis gibt deiner Seele nicht nur neuen Auf­trieb und Trost, sie bewahrt dich auch vor dem Herze­leid der Enttäuschung und Verzweiflung, dem traurigen Los so vieler aufrichtiger Christen, die den Fehler mach­ten, Gott mit der Tatkraft und Energie ihres Fleisches zu gefallen.

Die höchsterstaunliche Veränderung im Charakter des Königs kam nicht durch eine Besserung Hamans zu­stande. Sie wurde nur dadurch ermöglicht, daß Haman durch Mardochai ersetzt worden war. Mardochai nahm Hamans Stelle ein. Es war keine Frage der Umformung, sondern des Austausches - umgewechseltes, ausge­tauschtes Leben.

Haman war durch und durch schlecht und verdorben, ein Meister der Verstellungskunst. Das änderte sich auch nicht mehr. Es gab keine Wiedergutmachung für ihn. Er war völlig unheilbar, nur geeignet für den Galgen.

Das ist genau das, was Gott von der alten Adams­natur in dir halt, die wir das Fleisch nennen. Auch Paulus war davon überzeugt, wenn er schrieb: „Denn

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ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes" (Rom. 7,18). Für dein geistliches Wohlbe­finden ist es dringend notwendig, diese Tatsache an­zuerkennen. Die alte Adamsnatur wird niemals ihren Charakter ändern. Alle Schlechtigkeit, die sie heute zu tun imstande ist, wird sie auch morgen noch tun können. Sie wird es sogar - wenn es darauf ankommt - noch in fünfzig Jahren fertigbringen. Auch dann wird das Fleisch in dir noch ebenso böse sein wie heute. Da ist ein­fach nichts, was an ihm zu bessern wäre.

"Welch eine Erleichterung muß das für dich sein, nach all den mühevollen Anstrengungen, dein Fleisch zu bes­seren Lebensprinzipien anzuhalten, erfahren zu dürfen, daß Gott nichts anderes von dir erwartet als die Er­kenntnis, wie hoffnungslos du bei diesen Versuchen ver­sagt hast.

Du hast versucht, Unmögliches zu erreichen.

Die Christen in Galatien machten denselben Fehler. Sie versuchten, aus eigener Kraft heilig zu leben. Sie wollten sich den Satzungen und Vorschriften unterwerfen, die ihnen von Rechtssprechern aus dem Judentum vorge­schrieben wurden. Sie rühmten sich noch ihrer Überein­stimmung mit den jüdischen Riten und Regeln. Die äußere Form, die feierliche gottesdienstliche Schablone wurde an die Stelle eines persönlichen Verhältnisses zu Jesus Christus gesetzt.

„O ihr unverständigen Galater!   _______ Das allein will

ich von euch erfahren: Habt ihr den (Heiligen) Geist empfangen durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt (des Evangeliums) vom Glauben (daran)? Seid ihr so unverständig? Im Geist habt ihr (euer neues Le-

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ben in Christus) angefangen, wollt ihr's nun im (Ver­trauen aufs) Fleisch vollenden?" (Gal. 3, 1-3).

Ich bin in Capernwray Hall zu Hause. Das ist eine Bibelschule und ein Tagungsort südlich des Seengebietes in einem sehr schönen Teil von Nordengland. Und obwohl mein Dienst in den verschiedensten Gegenden der Welt lange Zeiten der Trennung von meiner Familie mit sich bringt, ist dort der Ort, an dem ich mit meiner Frau und meinen vier Söhnen lebe. Dort hatte ich mich auch entschlossen, ein ganz bestimmtes Experiment durchzuführen. Wer über genügend lebhafte Phantasie verfügt, mag versuchen, sich das Folgende recht auszu­malen.

Eines Tages war ich zu dem Schluß gekommen, das Schwein würde in seiner Art himmelschreiend falsch beurteilt. Ich vermutete, daß die verbreitete Meinung, ein Schwein wälze sich vorzugsweise im Schmutz, falsch sei. Ob es nicht doch eine Frage der Umwelt und Erzie-1 hung war, wenn es den Dreck so liebte?

So entschloß ich mich, ein kleines Ferkelchen in unseren Familienkreis aufzunehmen. Schließlich mußte ich mei­ne Behauptungen doch unter Beweis stellen. Ich bot dem Schweinchen alle Annehmlichkeiten des Lebens und er­möglichte es ihm, die besten Seiten seines Charakters zu entwickeln. Natürlich machte ich meine Frau aus­führlich mit dem Vorhaben bekannt. Auch meine Söhne rief ich zum Familienrat zusammen und erklärte ihnen: „Jungens, ihr müßt mir helfen! Ich brauche eure Mitar­beit bei einem kleinen Experiment, das ich gern durch­führen möchte. Wir wollen dieses kleine Schwein jetzt adoptieren. Ich erwarte von euch, daß ihr es mit großer Zuvorkommenheit behandelt. Nehmt es in eurer Mitte auf, als wäre es eins von euch."

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Wir fertigten dem Schweinchen ein rosa Satinhemdehen und einige blaue Samthöschen mit elfenbeinernen Knöpfen zu beiden Seiten an. Wir brachten ihm bei, sich beim Eintritt ins Haus die Pfoten abzuwischen. Es lernte, bei Tisch aufrecht zu sitzen und den Kopf beim Tischgebet zu beugen. Nachts schlief es zwischen den Laken und Decken, mit dem wir es reichlich verse­hen hatten.

Trotzdem, ich kann nicht behaupten, das Schwein hätte eine besondere Begeisterung darüber an den Tag gelegt. Es schien eher so, als sei es etwas verwirrt über die seltsamen Dinge, die wir da mit ihm anstellten. Wie dem auch sei, ich war entschlossen, das Experiment wei­terzuführen.

Abgesehen von den vielen Rückschlägen und dem ge­ringen Willen nach Zusammenarbeit seitens des Schweines sah es dann nach einiger Zeit so aus, als hätten wir allen Grund, zuversichtlich zu sein. Wir wurden richtig gespannt, und einige Nachbarn, die unser Experiment bisher mit offensichtlicher Skepsis beobachtet hatten, waren inzwischen in zunehmendem Maße beeindruckt von den Fortschritten, die es machte.

Es wurde uns immer klarer, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis unsere Bemühungen endlich mit Erfolg gekrönt wurden. Unglücklicherweise machten wir aber gerade zu diesem Zeitpunkt, da unsere Erfolgsaussichten so rapide gestiegen waren, einen verhängnisvollen Schnitzer.

Irgendeiner von uns ließ die Tür, die nach draußen in die Felder führte, offenstehen. Eine frische Brise wehte in den Raum, in welchem unser kleines Schwein spielte. Seine kleine Nase begann zu schnüffeln, als der

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Wohlgeruch von frischgemähtem Heu es erreichte. Das Tier blieb mitten im Zimmer stehen und starrte nach draußen in den Park. Sein geringeltes Schwänzchen rich­tete sich auf einmal hoch auf und wurde gerade wie ein Stock oder besser: wie eine Antenne. Einen Moment noch zögerte es. - Dann raste es wie aus der Pistole geschössen durch die offene Tür ins Freie. Es wetzte mit einer unglaublichen Geschwindigkeit quer durch den Park.

Als es das schlammigste Sumpfloch gefunden hatte, das in der Nähe war, stürzte es hinein. - Nachdem es sich ordentlich darin herumgewälzt und einige Male hin- und hergerollt hatte, blieb es auf dem Rücken im Schlamm liegen.

Da lag es nun mit seinem blauen Samthöschen! - Und ein entzücktes Grinsen machte sich auf dem Gesicht breit. Es streckte wohlig alle viere von sich und seufz­te dazu aus tiefstem Herzen: „Heimat, o süße Hei­mat!"

Da hatten wir es! Die Umwelt des Tieres konnten wir nach unserem Belieben ändern. "Wir konnten es dres­sieren, soviel wir wollten, ihm kleine rosa Hemdchen und blaue Höschen anziehen, ihm noch sauberes Stroh dazutun - Schwein blieb Schwein!

Als ihm nur eine kleine Chance gegeben wurde, brach die alte Natur des Tieres wieder durch. Und genau das hast du sicher schon aus eigener Erfahrung an dir selbst kennengelernt. Das Fleisch in dir hat nie aufgehört, die Sünde zu lieben. Es wird es auch nicht tun. Gib ihm nur eine kleine Chance, und du wirst erleben, daß es dahin zurückkehrt, woher es gekommen ist und sich nach dem Bade wieder im Schmutz wälzt.

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So kommt es, daß selbst die frömmsten Menschen in sich verborgen noch immer die furchtbaren Kräfte des Bösen tragen. Aber die wirklich Gläubigen sind es auch, die das am besten wissen; denn das ganze Geheimnis ihres Christenlebens liegt ja in der Erkenntnis dieser Tatsache. Sie haben es - wie der König Ahasveros - seit langem, und oft nach bitteren Erfahrungen ge­lernt, daß der Charakter sich nicht zum Guten hin ver­ändern läßt, indem man das Fleisch veredelt, sondern allein dadurch, daß man es gegen den Heiligen Geist eintauscht und auswechselt; denn Schwein bleibt Schwein! Allein der Heilige Geist kann seine verderb­lichen Begierden unwirksam machen.

Abraham mußte das feststellen, als er nach Ägypten zog und den Pharao anlog (1. Mose 12). Mose entdeckte das, als es ihm schlecht erging wegen der Sache mit den Israeliten. Sie erzürnten seinen Geist so, daß er „unbesonnene Worte" redete (vergl. 4. Mose 20 und Psalm 106, 32. 33). Simson mußte das in den Ar­men der Delila erfahren, und „er wußte nicht, daß der Herr von ihm gewichen war" (Rieht. 16). David aber erfuhr es, als er Uria in den Tod schickte und mit Bathseba Ehebruch beging (2. Sam. 11). Auch Petrus entdeckte das, als er, obwohl er Jesus vor Augen hatte, hartnäckig leugnete, ihn zu kennen und dann bitterlich weinend hinausging (Luk. 22).

Paulus erinnert uns daran, daß das auch mit dem Volke Israel geschah. In Gottes Plan lag es nicht, seine Lage unter Pharao zu verbessern. Er wollte das Land auswech­seln und gegen ein anderes eintauschen. In Gottes Plan lag es, Kanaan gegen Ägypten einzutauschen und Israel in einem anderen Land zu einem neuen Leben zu füh­ren.

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Obwohl nun Israel Gott so viel Vertrauen entgegen­brachte, daß es aus dem alten Lande auszog, so brachte es doch nicht genug auf, um in das neue Land einzu­ziehen. Statt dessen versuchte es, in der "Wüste einen neuen Weg zum Leben zu finden. Auf diese Weise je­doch erfuhr es nichts von dem, was Gott dem Volk für das verheißene Land in Aussicht gestellt hatte. Was wundert es uns daher, daß das neue Leben in der Wüste durch und durch verunreinigt und befleckt war von Be­gierden, die nur in Ägypten gestillt werden konnten, so daß sie ständig wünschten, in das Land, aus dem sie gekommen waren, zurückzukehren.

In diesem Zusammenhang schrieb Paulus an die Chri­sten in Korinth, auf die das in so einzigartiger Weise zutraf und die soviel Weltliches in ihrem Alltags- und Glaubensleben an den Tag legten:

„Solches widerfuhr jenen als ein Vorbild. Es ist aber geschrieben uns zur Warnung, auf welche das Ende der Welt gekommen ist. Darum, wer sich läßt dünken, er stehe, mag wohl zusehen, daß er nicht falle. Es hat euch noch keine denn menschliche Versuchung betroffen. Aber Gott ist getreu, der euch nicht läßt versuchen über euer Vermögen, sondern macht, daß die Versuchung so ein Ende gewinne, daß ihr's könnet ertragen" (1. Kor. 10,11-13).

Darum sei überzeugt von der Schlechtigkeit deines eige­nen Herzens. Bekenne es demütig vor Gott. Sei weder erschrocken noch verzagt über das höchst erstaunliche Maß an Sündhaftigkeit in dir. Das ist dein natürlicher Zustand.

Es geht nur darum, daß du ehrlich genug bist, diese Tatsache zuzugeben. Einerseits wird dir dann der Blick

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dafür geöffnet, warum der Herr Jesus in die Welt kam. Andererseits wird aber auch der Wunsch in dir wach, ihn nun wirklich das in dir und an dir tun zu lassen, was er tun möchte.

Der Herr Jesus Christus will alle Kräfte in dir, die unter dem Einfluß des Fleisches stehen, durch seine Ge­genwart erneuern. Er bietet dir dafür seine grenzenlosen Möglichkeiten, durch die Kraft des Heiligen Geistes das Gute in dir zur Entfaltung zu bringen.

Das wird niemals erreicht, indem man Haman einfach durch den Schönheitssalon schleust. Er muß an den Gal­gen - der Ring muß vom Finger und die Schlinge um seinen Hals!

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Schlußfolgerungen

Wiedergeburt birgt die Grundsätze göttlichen Umtau­sches in sich. Obwohl du einerseits überzeugt sein mußt von der in dir wohnenden Bosheit, darfst du anderer­seits ebenso fest an die in dir wohnende Gerechtigkeit Christi glauben. Wenn alles, was vom Fleisch geboren ist, Fleisch ist, und - Schwein bleibt Schwein, dann darfst du ebenso gewiß sein, daß alles, was vom Hei­ligen Geist geboren ist, Geist ist- und Gott ist Gott!

Wunderbar ist die Tatsache, daß Gott bereit ist, Gott in dir zu sein, und das nicht etwa im übertragenen Sinn, sondern in Wirklichkeit. Du kannst sein Leben teilen, kannst umgestaltet werden in sein Bild, ihm ähn­lich sein. „Alles, was zum Leben und göttlichen Wandel dient, hat uns seine göttliche Kraft geschenkt durch die Erkenntnis des, der uns berufen hat durch seine Herrlichkeit und Kraft. Durch sie sind uns die teuren und allergrößten Verheißungen geschenkt, auf daß ihr dadurch teilhaftig werdet der göttlichen Natur, die ihr entronnen seid der verderblichen Lust in der Welt* (2.Petr. 1,3-4).

Das ist auch der wichtigste Gedanke im ersten Brief des Johannes, wenn er dort schreibt: „Wer Sünde tut, der ist vom Teufel; denn der Teufel sündigt von An­fang. Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die Werke des Teufels zerstöre. Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde; denn was er von Gott empfangen hat, das bleibt in ihm und kann nicht sündigen; denn es ist von Gott geboren" (1. Joh. 3, S. 9).

Jede sündhafte Handlung hat ihren Ursprung in Satan.

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Sie ist ein Teil seines eigentlichen Wesens! Zu ihr wird Haman dich verleiten, wenn er den Ring trägt.

Jede gerechte Tat aber hat ihren Ursprung in Gott; denn Gerechtigkeit ist ein Teil seines Charakters. Sie ist es, zu der Mardochai dich anleitet, wenn er den Ring trägt.

An ihrem Urheber können wir den wahren "Wert einer Tat erkennen. Es ist keine Frage der äußeren Form, des äußeren Erscheinungsbildes, sondern des innersten Ursprungs. „Daran wird es offenbar, welche die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels sind" (1. Joh. 3,10). Es muß zu einer Änderung in der Autor- und Urheber­schaft kommen, damit der Sohn Gottes offenbar werde, damit er „die Werke des Teufels zerstöre" (1. Joh. 3, 8). Der Herr Jesus Christus kam, um den falschen Men­schen hinauszubringen und den richtigen hinein.

Als der Herr Jesus Christus am Kreuz starb, bezahlte er nicht allein deine Schuld. Er legte auch den Strick um Hamans Hals. Danach erstand er vom Tode und fuhr auf zum Vater, um wieder zurückzukommen, wie er es versprochen hatte. In der Zwischenzeit möchte er durch den Heiligen Geist Wohnung in dir machen. So wollte er weiter auf dieser Erde leben. Diesmal aber in dir.

Das, was von Gott in dir geboren ist, ist Jesus Chri­stus. Er ist in dir, der nicht sündigt, weil er nicht sündigen kann; denn Gott ist Gott! Das meinte Jo­hannes, wenn er schrieb: „Was er von Gott empfangen hat, das bleibt in ihm." Es ist der göttliche Lebenskeim, das eigentliche Wesen Gottes. Und dieser göttlichen Na­tur kannst du durch seinen Sohn teilhaftig werden. Das ist Gottes Wille.

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Wirst du aber Christi Art teilhaftig, so wirst du auch seines Sieges teilhaftig. Du brauchst das alles nicht selbst zu tun. Du empfängst es. Es heißt doch: „Jesus Christus ist uns gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung, auf daß, wie geschrie­ben steht (Jer. 9, 22. 23): Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn" (1. Kor. 1, 30. 31).

Der gekreuzigte Herr Jesus legte die Schlinge um Ha-mans Hals. Wenn nun Haman an seinem eigenen Gal­gen hochgezogen werden soll, dann brauchst du den Herrn Jesus am andern Ende des Strickes. Er allein ist es, der durch den Heiligen Geist, den „mächtigen Mardochai", mit Haman fertigwerden kann. Er kann ihn dahin bringen, wohin er gehört. Du kannst diese Hinrichtung nicht allein vornehmen. Aber auf dir ruht die Verantwortung, das Todesurteil zu bestätigen.

Die Entscheidung, die Gott von dir erwartet, besteht darin, innerhalb seines Herrschaftsbereiches zu leben, eingeschränkt und begrenzt durch das Gesetz des Glau­bens, welches dich fähig macht, ihn zu erkennen und zu Heben.

Sei darum bereit, allem abzusterben, was seinen Ur­sprung in dir selbst und nicht in Christus hat. Danke ihm, daß es sein Wunsch ist, dieses in dir zur wirklichen Erfahrung werden zu lassen. Dann wirst auch du in der Lage sein, aus freudigem Herzen zu sagen: „Nun weiß ich erst, was es heißt, daß nicht nur ich in Chri­stus bin, sondern daß er in mir ist. Ich bin gewiß; es gibt für mich keinen andern Weg mehr!"

Du wirst Gott in einer für dich selbst neuen und aufre­genden Weise kennenlernen. Dein Leben wird genau das Abenteuer werden, zu dem Gott es bestimmt hat. Und obwohl tausend Hamans dich hart bedrängen,

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darfst du doch teilhaben am Überwinderleben Jesu Christi und an einem Sieg, wenn du dein Ich in den Tod gibst und Gott lebst.

Du wirst, wie er, voller Erbarmen für die Verlorenen werden und damit brauchbar für den Dienst an der Menschheit. Christus besser und tiefer kennenzulernen, wird die verzehrende Leidenschaft deines Herzens sein. Du wirst wünschen, ihn auch bei den andern Menschen bekannter zu machen.

Wir ruhn bei dir, du unser Schild und Schutzherr, wir kämpfen mit dem Feinde nicht allein! Gestärkt durch deine Kraft, durch deine Wacht behütet, ruhn wir bei dir und gehn auf deinen Ruf.

In deinem Namen, ja, Vollender der Erlösung, der über alle andern Namen wert, du sichres Fundament, Gerechtigkeit uns, Jesus, du unser Ehrenprinz und Herzensfürst.

Wir gehn im Glauben, unsere Schwachheit fühlend, und brauchen täglich mehr von deiner Gnad. Doch schallt Triumphgesang aus unsern Herzen: Wir ruhn in dir und gehn auf deinen Rat!

Wir stehn bei dir, du unser Schild und Schutzherr! Dein ist der Kampf und dein wird sein der Preis, wenn wir, durch strahlend Perlentore eingezogen, als Sieger ruhn bei dir in Ewigkeit!

Edith Gilling Cherry

Selbst im Angesicht des Todes, dem auch du einmal Tribut wirst zahlen müssen, darfst du, wie einst Esther, sprechen: „Komme ich um, so komme ich um! Gott trägt die Konsequenzen !a

Und er wird sie tragen!

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Lieber Herr Jesus Christus!

Ich danke dir für deinen Heiligen Geist, dem ich meinen menschlichen Geist willig unterordnen will,

und durch dessen segensreiche Gegenwart ich schon hier, auf dieser Erde, teilhaben darf an deinem Auferste­hungsleben und an deinem Sieg!

Ich weiß, daß ich aus eigener Kraft

mit der Erbsünde in mir nicht fertig werden

und das Fleisch nicht töten kann.

Aber ich danke dir dafür, daß du es kannst.

Ich danke dir dafür, daß du es tatest,

als du am Kreuz für mich starbst,

so daß ich dort mit dir gekreuzigt bin!

Hab Dank für deinen Heiligen Geist,

der allein es in mir zur wirklichen Erfahrung werden

lassen kann,

daß alle Werke meines Leibes endlich absterben,

die ihren Ursprung in Satan haben!

Nun bitte ich dich, ganz von meiner Seele Besitz zu

ergreifen,

meinen Verstand, meine Gefühle und meinen "Willen

zu leiten,

damit jede Entscheidung meines Herzens

in völliger Übereinstimmung mit dir getroffen werde

und daß mein Geist in Harmonie mit dir bleibe!

Hilf du mir bitte,

daß so mein ganzes Leben dich preise,

und daß ich etwas bin zum Lobe deiner Herrlichkeit.

Herr Jesus Christus, ich kann das nicht aus eigener

Kraft,

aber du kannst es. Dafür danke ich dir!              Amen

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