Generalangriff
gegen den
Sehr geehrter Herr
Weblink zur Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel
Generalangriff
gegen den
Von
verschiedensten Seiten aus werden heute die «Fundamentalisten,. oder der «Fundamentalismus»
bekämpft. Wenn dies von aussen geschieht, d.h. von Menschen, die nicht im
biblischen Sinne gläubig sind, versteht man dies noch. Aber warum
distanzieren sich auch sogenannte «Evangelikale», d.h. Gläubige, die sich
zu den biblischen Heilswahrheiten bekennen, vom «Fundamentalismus»?
Warum
wird z. B. über den am 11. November 2001 in sein Amt als neuer Direktor der
Pilgermission St. Chrischona eingesetzten Dr. Markus Müller in der Riehener
Zeitung vom 9. November 2001 folgendermaßen geschrieben:
«Er
macht in diesem Zusammenhang keinen Hehl aus seiner Kritik an gewissen
fundamentalistischen christlichen Gruppierungen. Den bisweilen von aussen an
die Pilgermission heran- , getragenen Vorwurf, ihrerseits fundamentalistische
Positionen zu vertreten, hält Markus Müller für unberechtigt.»
Warum
muss Walter Gut, der als Journalist für den Evangeliumsrundfunk arbeitet, an
lässlich des Artikels von Dr. Friedhelm Jung «Sind christliche
Fundamentalisten gewalttätig?» 1, was letzterer verneint, diesen massiv
angreifen?
So schreibt Walter Gut:
«Der
Anspruch, einen 'guten' christlichen Fundamentalismus im
gesellschaftlich-kulturellen Gespräch anzubieten, ist eine folgenschwere
Verkennung biblisch-geistlicher Eckwerte. Ein Versuch, der schon in seinem
Ansatz verfehlt ist und deshalb dem Leib Christi schweren Schaden zufügt.»
Walter Gut ruft
«die
verantwortlichen Leiter unserer Freikirchenverbände, der biblischen
Ausbildungsstätten und die Leiter von SEA (2), VFG (3),
In:
idea-Spektrum 42/2001, vom 17. Oktober 2001. (2) SEA = Schweizerische
Evangelische Allianz. (3) VFG = Verband Freikirchlicher Gemeinden.
AEM4
und Idea dazu auf, als verantwortliche Hirten Stellung zu nehmen zu der bis
heute unwidersprochen hingenommenen Propagierung eines christlichen
Fundamentalismus.»5
Der
Bibelbund Schweiz befasste sich am 3. Nov. 2001 mit dem Begriff «bibeltreu».
Die Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten hat als Konferenzthema im
November 2001 den Begriff «bibeltreu», wobei einige Lehrer theologischer
Seminare letztlich nichts anderes versuchen, als das «fundamentalistische»
Verständnis von «bibeltreu» in sein Gegenteil zu verwandeln. Dieser Angriff
auf die «fundamentalistische» Bibelhaltung erfolgt weltweit. Das ICBI (6, zu
dessen Beirat für das deutschsprachige Europa ich gehörte, hat sich während
10 Jahren gezielt mit diesem Thema befasst. Das war deswegen nötig, weil
manche sog. evangelikale Vertreter von Ausbildungsstätten u.a. sich von der
sog. «fundamentalistischen» Position entfernten, oder in Gefahr waren,
dies zu tun. Sie meinten, nicht mehr an der Wahrheit der Bibel in jeder Hinsicht
(Ge- schichte, Naturwissenschaft u.a.) festhalten zu können, oder glaubten,
Widersprüche in der Bibel feststellen zu müssen.
In
der Zeitschrift «Diakrisis» (7) findet sich in einem Beitrag von Pfr. Sven
Findeisen zum 100. Geburtstag von Prof. Hellmuth Frey ein Seitenhieb gegen den
«Fundamentalismus»: Bekanntlich hat Frey die vom biblischen «Fundamentalismus»
abgelehnten sog. historisch-kritischen Methoden und Hypothesen in seinem
Auslegungswerk «Die Botschaft des Alten Testaments» grundsätzlich
eingebaut. Wohl mit Bezug darauf schreibt Findeisen:
«Das
gab Frey die Sicht und die Kraft, andere Fundamente und Begründungen, also
die gängigen Fundamentalismen aufzudecken, die alle nicht den Weg in der
'Kleinen Kraft' gehen: die Vorstellungen und Bedingungen des bibelkritischen
Fundamentalismus wie der idealistisch-gesetzlichen sog. Bibeltreue, des
institutionalen Fundamentalismus bei den Kirchen wie des enthusiastischen
Fundamentalismus, der sich auf eigene Erfahrungen gründet. Es ist Freys
einsamem Kampf zu danken, daß nach dem Kriege der rationalistische
Fundamentalismus aus
(4)AEM = Arbeitskreis Evangelikaler Missionen.
(5)
Brief von Walter Gut an idea, 10.
Nov. 2001.
(6) ICBI =
International Council on Biblical Inerrancy (Internationaler Rat tür Biblische
Irrtumslosigkeit). Arbeitete von 1978-1988 zusammen und gab die
Chicago-Erklärungen
zur biblischen Irrtumslosigkeit heraus.
(7)
Diakrisis
4/2001 vom November 2001, S. 226.
Seite
6
USA nicht über den Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz bei uns
als Bibeltreue normativ wurde.»
Mit
grosser Besorgnis muss auch festgestellt werden, dass einer der früher selbst
eine «fundamentalistische» Bibelhaltung vertrat und verteidigte, Prof. Dr. Dr.
Dr. Willem Ouweneel in den Niederlanden, nun In der Zeitschrift
«Bijbel en Wetenschap» (8) , deren leitender Redaktor er ist, einen
Hauptangriff ausgerechnet gegen die «fundamentalistische» Bibelhaltung
richtet, die er zugleich kritisiert.
Wegen
all den hier erwähnten Tatsachen gehen wir in dieser Nummer unserer Zeitschrift
grundsätzlich auf die Auseinandersetzung um den sog. «Fundamentalismus» ein.
Damit geben wir zugleich eine Klärung der Bezeichnung «Bibeltreue».
S.
R. Külling
(8)
Bijbel en Wetenschap Nr 226. März/April 2001.
Die
Bedeutsamkeit eines «fundamentalistischen» Bibelbekenntnisses
Die
Bedeutsamkeit eines
«fundamentalistischen»
Bibelbekenntnisses
Prof.
Dr. Samuel R. Külling
(Biographische
Angaben finden sich in FUNDAMENTUM 1/2001, S. 17)
I.
Zur Definition des Begriffs
Schon
1965 habe ich an der Europäischen Evangelischen Allianz-Konferenz und
Ratstagung in Zürich die Forderung an den Anfang meines Vortrags (1)
gestellt, dass jeder, der sich über «Fundamentalismus» äussert, erst eine
Definition abgibt, was er darunter versteht.
1.
Gebrauch der Bezeichnung «Fundamentalismus», «Fundamentalismus als
negative Schlagworte
«Fundamentalismus»
wird oft als Schlagwort benutzt, ohne Beziehung zu einem bestimmten
Glaubensinhalt. Es wird als Schimpfwort eingesetzt. Walter Gut vom
Evangeliumsrundfunk (Schweiz) bezeichnet es als «Götzendienst» und «ideologisches
Denkraster», «zu meiden wie die Pest».(2) Das Wort gilt als ideologisches
Schreckgespenst zur Bezeichnung von Militanz, gewalttätiger Durchsetzung
seiner Überzeugung. von Aggression, Sturheit und Fanatismus. Man kann das
Wort mit Hansjörg Hemminger «im weiteren Sinne ...für eine bestimmte
Haltung zur Umwelt, zur Religion, zur Politik usw., im besten Fall für eine
bestimmte soziale oder seelische Befindlichkeit einer religiösen Gruppe»
gebrauchen. (3)
S.R. Külling, Sollen wir den "Fundamentalismus" verteidigen?, Riehen/Basel: Immanuel, 1987
(2) Leserbrief an Idea Schweiz, 10. Nov. 2001
(3) H.Hemminger, Fundamentalismus in der verweltlichten Kultur, Stuttgart: Quell, 1991 S6
S 24
2: Die Entstehung des Begriffs "Fundamentalismus"
Mit
obigen Schlagworten und Charakterisierungsversuchen hat der
biblische «Fundamentalismus»
nichts zu tun.
Entstanden ist der Begriff nach der Publikation von zwölf Bändchen 1910-1915 in den USA (4) mit dem Titel "The Fundamentals" (=Die Grundlagen). In ihnen werden fünf unaufgebbare "fundamentals "hervorgehoben:
1.
Die Inspiration und Irrtumslosigkeit der Bibel
2.
Die Gottheit von Jesus Christus ' .
3. Seine Jungfrauengeburt
4.
Sein stellvertretendes Sühneopfer am Kreuz
5. Seine leibliche Auferstehung und persönliche Wiederkunft
Die
sich auf Jesus Christus beziehenden Fundamentalaussagen 2-4 sind auch in den
altkirchlichen Glaubensbekenntnissen enthalten, namentlich im nizänischen,
während die 1. Glaubensaussage zur Bibel heute den Hauptstreitpunkt in der
Auseinandersetzung mit dem «Fundamentalismus» bildet.
3.
Zerrbild und Kritik des «Fundamentalismus.»
von christlicher
Seite
a.)
Der Angriff Bergmanns auf die erste Fundamentalaussage der Irrtumslosigkeit
und Inspiration.
Pfr.
Dr. Gerhard Bergmann hat 1963 in Deutschlands grösstem evangelischem
Vereinshaus, der Hammerhütte in Siegen, vor 3500 Zuhörern ein Grundsatzreferat
im Rahmen der Allianzkonferenz gehalten, das erweitert und überarbeitet unter
dem Thema «Vom Geheimnis der Bibel. vom damaligen Vorsitzenden der
Deutschen Evangelischen Allianz. Pfr. Paul Deitenbeck, herausgegeben wurde.
Hier greift er das angeblich «fundamentalistische» Bibelverständnis an,
das die sog. «Knechtsgestalt . der Bibel, ihre «Unebenheiten»
(gemeint: Widersprüche) nicht sehen wolle. Die «Fundamentalisten» würden
Vogel-Strauss-Politik treiben. Sie steckten den Kopf in den Sand und würden
über die menschliche Knechtsgestalt
(gemeint: menschlich-irrtümliche Gestalt) der Schrift schweigen, statt sie
anzuerkennen. Bergmann stellt den Satz auf:
(4)Finanziert
durch eine Spende von 250.000 Dollar von den beiden Ölmilliardären L und M.
Stewart.
Seite 25
«Die
Heilige Schrift ist irrtumsfrei in allem, was notwendig ist ad fidem (= zum
Glauben). Die Bibel aber erhebt nicht den Anspruch rationaler Irrtumslosigkeit.»
(5)
Er
zitiert Adolf
Schlatter:
«Es
hat Gott gefallen, uns in der Bibel nicht ein fehlerfreies Buch zu geben, aber
ein Buch, das uns fehllos zu Gott heimbringt.» (6)
Es folgt dann auch die
Definition der Redaktion:
«'Fundamentalisten'
sind streng buchstabengläubige Kreise, die in gesetzlich verengter Sicht die
Unfehlbarkeit der Bibel auch in geschichtlichen und naturkundlichen
Nebenfragen behaupten.» (7)
Bergmann
stellt sich dann in einem ambivalenten, widersprüchlichen Satz gegen den
<{Fundamentalismus», so wie er ihn definiert, und von dem er sagt:
<{Der Fundamentalismus ist wirklich von der Heiligen Schrift her nicht
haltbar.» (8) Er hebt hervor: <{Dem unbiblischen Fundamentalismus stellt die
Gemeinde Jesu die unbedingte Bibeltreue entgegen.» (9) als ob
{{Fundamentalismus»
und «Bibeltreue» Gegensätze wären!
Bergmann
greift in diesem Vortrag auch massiv die Inspiration der Bibel an, die er nur
für teilinspiriert hält. Unter dem Titel «Es gibt keine durchgängige
Verbalinspiration» sagt er: {{Die Inspiration ist aber nicht mechanisch und
nicht durchgängig von 1. Mose 1, 1 bis Off. 22, 21 zu verstehen.» 10 Aber
er wird noch massiver, wenn er auf die sog. <{Rachepsalmen» zu sprechen
kommt, die man meiner Meinung nach besser <{Psalmen mit strafenden
Vergeltungsworten» oder {<Gerechtigkeitspsalmen» nennen würde; denn es
geht ja darin nicht um <{Rache». Bergmann masst sich an, Ps 137, 9 mit
folgenden Worten zu kritisieren:
{{Was
hat das mit dem Geist Jesu zu tun? Gar nichts! Er sagt: 'Liebet eure Feinde.'
Was hat das mit dem Hohen Lied der Liebe in 1. Kor. 13 zu tun? Gar nichts!
Solche Hass- und Rachegelüste sind wahrhaftig nicht vom Geiste Gottes
inspiriert. Sondern das offenbart den giftig-schwelenden Herzenspfuhl des
uner- lösten Menschen. Wären solche Hassausbrüche aber von Gott inspiriert
-oh, welch eine Absonderlichkeit! -, dann könnten sich tatsächlich die Mörder
der Hitler-Diktatur auf die Bibel be-
(
5) Gerhard
Bergmann, Vom Geheimnis der Bibel, Gladbeck: Schriftenmissions-Verlag.
1964
S.15.
6)
Ebd.
7)
Ebd.,
S. 16
8)
Ebd.
9) Ebd
10) Ebd., S. 10.
Seite 26
rufen
und sagen: wir erfüllen Gottes Befehl, wenn wir Judenkinder der an Steinen
zerschmettern.» (11)
Als
ob es hier um Judenkinder ginge! Ich habe in FUNDAMENTUM zu den Fragen dieser
sog. «Rachepsalmen» Stellung genommen. (12)
Wir
könnten solche Urteile über gewisse Bibelteile, die aus derselben Quelle
stammen wie das «Sollte Gott gesagt haben» der Schlange In Gen 3, 1 zur
Seite legen, wenn sie nicht noch heute in dieser oder jener Form in den Köpfen
heutiger sich «evangelikal» oder «bibeltreu» nennender Theologen
herumspukten. Ich erwähne hier nur gewisse Vertreter der CTL-Seminare13, und
unter ihnen Dr. Heinzpeter Hempelmann mit seiner Veröffentlichung «Nicht auf
der Schrift, sondern unter ihr. (4)
In
der Gegenschrift von Pfr. Reinhard Möller (15) sehen wir u.a., dass er den
bisherigen Begriff von «Bibeltreu» in sein Gegenteil zu verkehren sucht
(vgl. dazu den Gegensatz bei Bergmann zwischen «bibeltreu» und
«fundamentalistisch»!).
b. Ouweneels Kritik am «Fundamentalismus»
In der letzten Nummer von «Bijbel en
Wetenschap» (= Bibel und Wissenschaft), deren Chefredaktor Prof. W.
Ouweneel ist, geht es um die Frage der Unfehlbarkeit und historischen Zuverlässigkeit
der Schrift. Die Artikel, sagt Ouweneel, seien gegensätzlich. Der Leser solle
entscheiden, einerseits, wo jeder der Autoren stehe, und andererseits, wo er
sich selbst wiederfinde. (16) In seinem Leitartikel «Historische Zuverlässigkeit zwischen
Fundamentalismus und Modernismus» nimmt er aber keine neutrale Stellung ein. Er
stellt sich
eindeutig gegen die «Fundamentalisten», wie ich noch ausführen werde.
Zunächst sucht er nachzuweisen, dass die Diskussion zwischen
Modernisten
und Klassisch-Evangelikalen als solche veraltet sei, weil beide gleichermassen
unter dem Fehler leiden, dass sie den Rationalismus (17)
11) Ebd.,
S. 10f.
12)
FUNDAMENTUM 4/1993, S. 45ft. 13St. Chrischona,
Tabor Liebenzell.
14)
Heinzpeter
Hempelmann. Nicht auf der Schrift, sondern unter ihr -Grundsatze und
Grundzüge
einer Hermeneutik der Demut, Lahr: VLM, 2000.
15) Reinhard
Möller, An Bibeltreue nicht zu überbieten?, Dornach: Onesimus, 2001.
16) Bijbel en Wetenschap, Nr. 230, Oktober 2001.
17)
Rationalismus
= Geisteshaltung, die das rationale, d.h. vernunftmässige, Denken als einzige Erkenntnisquelle ansieht.
Seite 27
bezw.
Szientismus (18) überschätzen. Die Diskussion finde nicht länger zwischen «Bibeltreuen»
statt, denn der Begriff «bibeltreu» sei doch arrogant 'er bestimme, ob
jemand das sei?), und zudem missachte der Begriff e heute besser erkennbare
Tatsache, dass die Bezeichnung «Bibeltreue» von der Umwelt bestimmt sei,
d.h. durch den Kontext (Zeitgeist, Kultur, Erkenntnishorizont) des Lesers,
insbesondere des Theologen. Auf dem Hintergrund von theologischen Diskussionen
spielten philosophische, kulturelle, psychologische und soziologische Faktoren
immer die entscheidende Rolle. Mit anderen Worten meint Ouweneel, wir wüssten
heute besser, wie begrenzt unsere Auffassungen über die Schrift und über
Bibeltreue und über die Zuverlässigkeit der Schrift seien. Nur starre Fundamentalisten
und Konfessionalisten würden glauben, dass bestimmte grosse Theologen in
der Vergangenheit ein für allemal festgestellt hätten, was «Inspiration»,
«Unfehlbarkeit» und «Zuverlässigkeit> der Schrift genau beinhalten würden.
Ouweneel relativiert jede Definition über e Unfehlbarkeit der Schrift als
fehlbares Menschenwerk.
In
der
Aussage, dass die Inspiration der Schrift ein transzendentes Geheimnis
ist, stimme ich Ouweneel zu. Aber er geht dann weiter und sagt, die Diskussion zwischen Kreationismus (19) und Evolution sei veraltet. Es gehe im
Evangelium um viel mehr oder um viel höhere Fragen. Und dann kommen
die bedenklichen Fragen Ouweneels:
«Ist
die Annahme eines wörtlich verstandenen historischen Adams wirklich genauso
wichtig wie der wörtlich, verstandene historische Christus? Geht es
bei der Glaubwürdigkeit der Schrift auch, oder sogar vor allem um die
Frage, ob die geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Aussagen 'stimmen',
also um existentielle Fragen? Oder sind dies falsche GegenübersteIlungen?»
an
scheine immer mehr Mühe zu haben mit wörtlichen Schöpfungstaten von 24
Stunden, mit einer wörtlichen, sprechenden Schlange im Paradies, mit einem
Jona, der drei wörtlich genommene Tage im Fisch war )w. Unter dem Thema Fundamentalismus
ordnet er den rechten Flügel ~r klassischen Evangelikalen ein. Und gegen
diese richtet er seinen Angriff, was schon aus seiner Definition hervorgeht:
«Mit
'Fundamentalismus' meinen wir, nach dem inzwischen üblichen Sprachgebrauch,
einen frömmelnden und verkrampften Konservativismus.»
18)
Szientismus = Die auf Wissen und Wissenschaft gegründete
Geisteshaltung.
19) Kreationismus
= biblische Schöpfungslehre.
Seite 28
Ouweneel
distanziert sich sowohl von den «Modernisten» (gemeint: liberale,
bibelkritische Theologen, Red.) als auch von den «Fundamentalisten».
Die
«Modernisten» würden grenzenlos der «modernen Wissenschaft» vertrauen und
würden uns erzählen, was in der Bibel historisch glaubwürdig sei und
was nicht, was von Daniel, Jesaja, Jesus und Paulus selbst stamme, und
was später ihnen zugeschrieben worden sei, was der moderne Mensch noch von
der Bibel glauben könne und was nicht usw.
Und
jetzt kommt wieder eine Spitze gegen den «Fundamentalismus»: Sowohl die eben
beschriebene liberale Theologie als auch der «Fundamen- talismus» würden an
der Überschätzung der «modernen WIssenschaft» leiden.
Falsche
Charakterisierungen des «Fundamentalismus»
Die
eine Richtung meine wissenschaftlich belegen zu können, dass die Bibel nicht
das unfehlbare Wort Gottes sei, die andere, dass sie es doch sei. Oder anders
gesagt: Der «Fundamentalismus» verfalle stets wieder in den Fehler, die
Zuverlässigkeit der Schrift im wissenschaftlichen Sinn verstehen zu wollen.
«Die
Bibel ist so vertrauenswürdig, dass 'sogar' wissenschaftlich
(naturwissenschaftlich und geschichtskundlich) keine Stecknadel dazwischen zu
kriegen ist ...»
Die Bibel sei historisch völlig vertrauenswürdig, aber die «Fundamentalisten» würden nach Ouweneel von einer veralteten (tatsächlich durch und durch positivistischen (20) Definition von historischer Glaubwürdigkeit ausgehen.
Ouweneel
schreibt wörtlich:
«Die
Bibel ist historisch durch und durch glaubwürdig -aber nicht von vorneherein
im Sinn des Fundamentalismus.»
Ouweneel
sagt leider nicht, in welchem Sinn sie naturkundlich und historisch glaubwürdig
ist und in welchem Sinne nicht.
Am
Schluss versucht Ouweneel noch am Buch Jesaja zu illustrieren, dass man
zurecht auch vom bibeltreuen Standpunkt aus Fragen an die Einheit des
Jesajabuches stellen könne: «Gibt es nicht grosse Unterschiede zwischen Jes
1-39 und 40-66?», fragt er.
20
positivistisch = zweifellos feststehende Tatsachen betreffend, unter
Ausschluss von allem Übernatürlichen. Hier
gemeint: Es gäbe neben der wirklichen historischen Glaubwürdigkeit im
Sinne von exakter Geschichtswissenschaft noch
eine andere, undeutlicher, die allerdings nicht naher definiert wird.
Seite 29
«Gibt
es keine grossen literarischen Unterschiede, ja müsste man nicht sogar von
einem bestimmten «Stilbruch» sprechen? Historisch: spricht nicht
jeder Prophet, auch wenn er noch so viel Voraussagen macht, immer die Menschen
seiner eigenen Zeit an? Ist es dann nicht fremd und absonderlich, dass
Jesaja in Kap. 40ft. eine Generation anzusprechen scheint (nämlich die
Generation gegen das Ende der Babylonischen Gefangenschaft), die erst einige
Jahrhunderte nach ihm leben wird? Wohlverstanden, er weissagt dieser
Generation nicht (in dieser Frage gibt es kein Problem), aber er spricht
sie an, als ob er in ihrer Zeit lebte. Wohlverstanden: Ich sage
nicht, dass es auf diese Fragen keine genialen Antworten gibt, und ich
behaupte bestimmt nicht, dass das Buch Jesaja nicht doch eine Einheit sein könnte.
Bei Gott sind alle Dinge möglich. Aber ist das blosse Stellen von diesen unvermeidlichen
exegetischen Fragen als solchen bereits nicht mehr 'bibeltreu,!?»21
Was will
Ouweneel mit diesem Beispiel des sog. Deuterojesaja? Er betont, dass er an
supranaturale Gottesoffenbarung und echte Prophetie glaubt. Natürlich darf
man alle Fragen stellen. Aber Ouweneel scheint das Beispiel zu brauchen, um zu
belegen, dass abgesehen vom Anti-Supra- naturalismus (22) noch andere gute Gründe
dafür bestehen würden, um die erwähnten literarischen und historischen
Fragen zu stellen. Bezeichnend ist seine gegen die konservative (oder «fundamentalistische»)
Bibelwissenschaft gerichtete Schlussfolgerung:
«Und dabei
sind die konservativen Antworten nicht aus sich selbst heraus besser als die
Annahme eines späteren Propheten ('Deuterojesaja').»
Am
Schluss seines Artikels lobt Ouweneel noch die Alttestamentler, die, obwohl
von konservativer Herkunft, nicht mehr von einem simplizistischen (eigentlich
modernistischen!) Schema «bibeltreu gegen bibelkritisch» ausgehen, sondern
im Gegenteil die akademische Debatte nicht scheuten.
Mit diesen
Äusserungen kreiert Ouweneel aber selbst ein simplizistisches Feindbild von
konservativen Bibelwissenschaftlern (sog. «Fundamentalisten») und beweist
zugleich, wie wenig er von ihrer Arbeit und von der Geschichte der Kritik
kennt, welche zu Deutero- und Tritojesaja und zur Ausscheidung weiterer Teile führte, von welchen Voraussetzungen die
21) Bijbel
en Wetenschap, Hervorhebung S. K.
22)
Anti-Supranaturalismus
= Auffassung, die bestreitet, dass Gott sich auf übernatürliche Art und
Weise offenbart.
Seite 30
Kritiker
ausgegangen sind und in welche Probleme sie infolge ihrer kritischen Resultate
verwickelt haben.
Die sog.
historisch-kritischen Voraussetzungen und Methoden führten dazu, dass -
wie eine Seminararbeit bei mir im Alten Testament schon vor mehr als 30
Jahren nachgewiesen hat - wenn man alle als unecht geltenden Stellen abziehen würde,
die die verschiedenen Kommentare erwähnen, am Ende vom ganzen Buch
Jesaja nur noch kümmerliche Reste übrigbleiben würden. (23) Sagt
Ouweneel dann noch, die konservativen Antworten seien nicht besser als
die kritischen? Versucht er auf diese Weise die konservative
("fundamentalistische") Bibelarbeit zu misskreditieren? Warum die
kritischen Bemerkungen über die Kreatio nisten, zu denen er früher
selbst gehörte? Warum stört der Begriff «bibeltreu» ?
Dieser Vorstoss Ouweneels gegen den
"Fundamentalismus" geht eindeutig in eine
falsche Richtung. Er karikiert die "Fundamentalisten" in in
mehrfacher Hinsicht, u.a. auch dann, wenn er meint, sie worden wie die
liberalen Theologen an Überschätzung der «modernen» Wissenschaft leiden.
II..
Was ist biblischer «Fundamentalismus»?
Der
biblische «Fundamentalismus» bezeugt die Glaubensaussage. dass die Bibel
uneingeschränkte, absolute Offenbarung von Gott ist, mit allen Konsequenzen
(göttlich inspiriert, Wahrheit in jeder Hinsicht, Einheit ohne wirkliche
Widersprüche).
Der
biblische «Fundamentalismus» bezeugt, dass wir es in der Bibel nicht mit
menschlich- irrtümlichen, zeitbedingten Vorstellungen zu tun haben,
die veralten würden, sondern vielmehr mit zeitlos gültiger, göttlicher
Wahrheit. Die Heilige Schrift hat daher für den, der diese Glaubensaussage
teilt, bindende und bestimmende, göttliche Autorität.
Der
biblische «Fundamentalismus» geht ganz und ausschliesslich vom Selbstzeugnis
der Bibel aus. Die Bibelschreiber bezeugen, dass sie mit göttlicher
Autorität sprechen, dass ihre Worte von Gottes Geist eingegeben sind.
Die
Scofield-Bibel macht bei 1. Kor 2, 9-14 vier erklärende Aussagen hierzu:
23) Jes 1,1-26; 2,1; 2, 6-21; 3,1-25;
4,1;5.6; 7,1-13; 1,18-25; 8,1-22; 9, 7-10, 4; 28,1-22.
Seite
31
a)
Die unsichtbaren Dinge Gottes sind vom natürlichen Menschen nicht
wahrnehmbar. (V. 9)
b) Diese
hat Gott seinen dazu erwählten Menschen offenbart. (Verse 10-12)
c) «... übermittelt
in vom Geist gelehrten Worten» - also kein mechanisches Diktat; kein
Auslöschen der Persönlichkeit des Schreibers, sondern der Geist leitet in
der Wortwahl aus des Schreibers eigenem Wortschatz. (V. 13)
d) Diese
geistgelehrten Worte, in denen die Offenbarung ausgedrückt wurde, werden wahrgenommen
nur durch geistliche Gläubige. (V. 15f.)
biblische
«Fundamentalismus» nimmt dieses und andere Selbstzeug- ,e der
Bibel, die den Anspruch erheben, dass dies göttliche Offenbarung ist,
ernst (z.B. 2. Petr 1,19-21; 2. Kor 2,17; Ga11, 11f.; 2, 5; Heb ; 4, 12; Offb
1, 1 u.a.). Wenn der biblische «Fundamentalist» also die Bibel als
Offenbarung Gottes ernst nimmt, ist dies ein Glaubensstandpunkt , der auf dem
Selbstzeugnis der Schrift selbst beruht.
Der
biblische «Fundamentalist» versucht aber nicht, einen anderen Men-en mit
Gewalt zu dieser Haltung zu bekehren. Er hält es mit Calvin:
«Töricht
handelt aber, wer dem Ungläubigen beweisen will, die Schrift sei Gottes Wort;
denn es kann ohne den Glauben nicht erkannt werden. » (24)
«Wenn
jemand seinen Willen tun will, wird er erkennen, ob diese Lehre von Gott ist
oder ob ich aus mir selbst rede!» (Joh
17, 17)
Es gibt
für den «Fundamentalismus» keine
ausserbiblischen Lehrautoritäten.
Unterschied
zur römisch- katholischen Kirche gibt
es für biblische Fundamentalisten» keine der Bibel übergeordnete Autorität.
Gegenüber röm.-kath. Kirche hat die Reformation das sola scriptura25 betont.
um
anerkennen wir keine verbindliche kirchliche Tradition zur
Auslegung oder zum Verständnis der Schrift und keine päpstliche
Lehrautorität, der Schrift übergeordnet ist, und erst recht keine
unfehlbare lehre ex cathedra. ( 26) 26.
24) Calvin,
Institutio I, 8, 12.
25) sola
scriptura (lat.) = allein die Schrift.
26) ex cathedra (lat.) = vom «Heiligen Stuhl» aus
Hat der «Fundamentalismus» eine Schismatische Wirkung?
Solange
der biblische «Fundamentalismus» in den Kirchen wirken kann und akzeptiert
(nicht nur toleriert) wird, gibt es seinetwegen kein Schisma. Zu dieser
Auffassung führe ich einen «unverdächtigen» Zeugen an, nämlich Prof. Dr.
Helmut Thielicke, der, obwohl er die naiven «Fundamentalisten» aus ihren
vielen «Verdrängungen» und «Verklemmungen» befreien will, ihnen
folgendes Zeugnis ausstellt:
«Ich
habe dankbar und respektvoll bemerkt, dass die Fundamentalisten in diesem
Lande (28) die Substanz des christlichen Glaubens bewahren möchten und dass sie
nicht selten die verlässlichsten und zu jedem Opfer bereiten Glieder ihrer
Gemeinden sind.» (29)
«Und
ich übersehe keineswegs, dass sie die Güter des Glaubens unverletzt von
Geschlecht zu Geschlecht weitergeben wollen und sie deshalb dem Wind des
jeweiligen Zeitgeistes nicht aussetzen möchten. Sie haben wirklich ein
grosses geistliches Kapital in Händen.» (30)
Thielicke
sieht auch gut, dass der Verlust der «Fundamentalisten» schwerwiegende
Folgen haben könnte:
«Wenn
die amerikanische Christenheit diese oft lebendigsten Glieder an ihrem Leibe
verliert ..., dann könnte das tödlich für sie sein.»31
Positive
Folgen der «fundamentalistischem" Bibelhaltung
Weil
die «Fundamentalisten» die Bibel als Offenbarung Gottes ernstnehmen, gibt
sie ihnen echte Antworten auf Fragen des Lebens und des Sterbens. Der
biblische «Fundamentalismus» bekennt sich nicht zu einer Kirche, sondern zu einer Bibel in verschiedenen Kirchen und
Denominationen. Die Existenz verschiedener Kirchen und Denominationen ist nichts
Negatives, solange sich diese dem Wort Gottes unterstellen.
Die Bibel
gibt uns, wenn sie göttliche Autorität und Norm für uns ist, auch, Wertmassstäbe
für das eigene Leben und das gesellschaftliche Zusammenleben. Wenn
unsere Wertmassstäbe verbindlich von Gottes Offenba-
27)
schismatisch
= spaltend.
28) Anm.:
Gemeint sind die USA
29) H. Thielicke, Gespräche zwischen Himmel und Erde, Stuttgart: Quell, 1965 (2.
Auflage),
:
S.9.
3O) Ebd,
S. 29. ,
31 .; Ebd., S. 10.
Seite 33
rung,
der Bibel, kommen, sind sie zu unserem Wohl; denn Gott meint es gut mit uns.
In unserer Welt braucht es Strukturen und Ordnungen. Wo das
nicht der Fall ist, oder wo göttliche Ordnungen nicht mehr gelten, gereicht
dies dem Einzelnen und der Gesellschaft zum Nachteil.
Wenn Gottes
Wertmassstäbe nach der biblischen Norm nicht mehr gelten, lesen wir in den
Zeitungen und hören in den Nachrichten von:
Morden,
Einbruchsdiebstählen, Entreissungsdiebstählen, Fahrzeugdiebstählen, Raub,
Erpressung, Attentaten, Entführungen, Vergewaltigungen, Verbrecherbanden, «Kriminaltourismus»,
Zunahme krimineller Delikte usw.
Die Bürger
werden mehr und mehr beunruhigt, verunsichert, er- schreckt, oder, wenn
verbindliche göttliche Wertmassstäbe nichts mehr gelten, kommen andere,
neue, oder aber gar keine Wertmassstäbe mehr zur Geltung, wie wir dies heute
am laufenden Band erleben (z.B. Auflösung des verbindlichen Zusammenlebens
in der Ehe, Sanktionieren von sündigen Verbindungen usw.). Unsere
Gesellschaft erlebt heute schon die verheerenden Folgen des Verlassens der göttlichen
Ordnungen.
Es
braucht heute ein grundsätzliches Umdenken über das, was biblischer
«Fundamentalismus» ist und was er nicht ist. Es handelt sich bei ihm
nicht um eine Gewalt anwendende, sture, extreme, fanatische Bewegung. Das
einzige Eigenschaftswort, das meines Erachtens passt, ist konsequent. Er
ist eine konsequente Bewegung.
Biblischer «Fundamentalismus»
ist konsequent
Diejenigen,
die, wie Bergmann u.a., sagen wollen, was in der Bibel inspiriert ist und
was nicht, was echte Worte Jesu und was unechte, ihm von aussen in
den Mund geschobene Äusserungen sind, verkennen die Konsequenz einer
solchen Behauptung. Wenn ein Mensch sich anmasst, zu bestimmen, was inspiriert
ist und was nicht, was echt ist und was nicht, dann ergibt sich daraus, dass
jeder für sich wieder etwas anderes für 'nicht inspiriert' oder 'unecht'
erklären kann. In letzter Konsequenz endet diese Haltung in einem völlig
unverbindlichen Relativismus32. Damit unter- gräbt man die Autorität der
Heiligen Schrift und vertauscht sie mit der Autorität von sterblichen
Menschen. Wenn man mit Ouweneel Werturteile über die Historizität gewisser
biblischer Aussagen abgibt (vgl. die Frage über die Historizität Adams im
Vergleich mit derjenigen von Jesus), so kann man in der Konsequenz nicht
verhindern, dass andere historische Aussagen ebenfalls bezweifelt oder in
Frage gestellt werden. Wenn man
32Relativismus
= Anschauung, die das Vorhandensein von absoluten Werten leugnet.
Seite 34
geschichtliche
und naturwissenschaftliche Aussagen mit Bergmann als «Nebenfragen»
bezeichnet, die man von Heils- und Glaubensfragen als nicht massgebend trennen
will, dann folgt daraus, dass auch die letzteren bezweifelt werden, weil sie
untrennbar mit den ersteren verknüpft sind.
So sagt Jauncey:
«Glaube,
Naturwissenschaft und Geschichte sind ja nicht getrennte Gebiete unseres
Wissens, sondern lediglich Kategorien, die wir der besseren Verständigung
wegen benutzen. Zum Bei- spiel betrifft der Bericht von der Auferstehung Jesu
den Glauben, die Naturwissenschaft und die Geschichte, je nachdem von
welchem Gesichtspunkt aus wir diesen Bericht betrachten. Nehmen wir einen
Aspekt fort, so stürzt das Ganze zusammen.» (33)
Francis
Schaeffer
schreibt über die Folgen davon, wenn man die oben genannte
konsequente Schrifthaltung verlässt:
«Wenn
das geschieht, wird die nächste Generation hinweggefegt werden, und die
Gemeinde Christi wird den absoluten Massstab verloren haben ...» (34)
Und John H.
Gerstner
schreibt: «Wenn die Bibel nicht das Wort Gottes ist, besitzt sie
keine
göttliche Autorität. Wir wissen, dass einige, die mit der Irrtumslosigkeit der Bibel
nicht einverstanden sind, doch für
Teile der Bibel, für die sogenannten heilsnotwendigen Teile,
an der
Inspiration festhalten. Nun gut, aber dann können sie ihren Standpunkt nicht
als Festhalten
an der biblischen Autorität, sondern nur als
Festhalten an einer eingeschränkten, partiellen biblischen Autorität bezeichnen»
«Sie sprechen zwar von den
'heilsnotwendigen Teilen', aber sie teilen uns
nicht mit, wo sich diese Teile be- finden und wie wir sie von den nicht
inspirierten, mit Irrtum behafteten und nicht heilsnotwendigen Teilen
unterscheiden können.» (35)
33) J. H. Jauncey, Naturwissenschaft auf den Spuren Gottes, Kassel: Oncken, 1964,
S. 24.
34) Francis Schaeffer, Gott gibt seinem Volk eine zweite Gelegenheit, in:
James N. Bolce,
Die
Unfehlbarkeit der Bibel, Riehen:
Immanuel, 1995 (2. Auflage). S. 161f.
35) John H.
Gerstner, Die kirchliche Lehre über die Inspiration der Bibel, in: James N.
Boice, a.a.O., S. 9.
Seite 35
In
der Konsequenz geht es um ein Entweder-Oder: Entweder hat sich Gott
offenbart, oder er hat sich nicht offenbart. Eine Halboffenbarung ist unmöglich.
Ouweneel
meint, man dürfe doch Fragen stellen. Aber welches Ziel haben solche Fragen?
Warum z.B. die Frage nach der Historizität Adams? Die Schlange hat auch Fragen
gestellt. Damit fing die Versuchungsgeschichte und der Sündenfall an. Welches
Ziel hatten die Fragen der Schlange?
Das
Entweder-Oder, für das wir uns entscheiden müssen, möchte ich so formulieren:
«Entweder
die grundsätzliche, kritische Infragestellung je- der Aussage der Bibel, die
Anerkennung und konsequente Anwendung der sogenannten 'historisch-kritischen'
Methoden und ihrer Resultate bis hin zur völligen Auflösung jeder Norm und
Autorität und damit zur Auflösung jeder Dogmatik, Ethik, jeden
Bekenntnisses, jeder Überzeugung jeder vollmächtigen Predigt und schliesslich
auch jeder Theologie.»
Schlusswort
Nachdem
wir uns grundsätzlich mit dem sogenannten «Fundamentalismus»
auseinandergesetzt haben, möchte ich am Schluss betonen, dass es mir nicht um
die Verteidigung eines «-ismus» geht, sondern um die Bezeugung der «ganzen
Inspiration, ganzen Wahrheit in jeder Hinsicht und der ganzen geistgewirkten
Einheit» der Bibel als göttlicher Offenbarung. Mit biblischem Fundamentalismus
meine ich lediglich diese Bibelhaltung (ich sage bewusst nicht dies «Bibelverständnis»;
es geht nicht um ein besseres oder schlechteres Verständnis!).
; Wenn man
diese Bibelhaltung als blossen Konfessionalismus abtun und r in diesem Sinne mit
den erwähnten, 1910 entstandenen «fundamentals» in den USA argumentiert,
so zeugt dieses einfach von mangelnder Kenntnis der
Bibel- und Kirchengeschichte. Diese Bibelhaltung (oder biblische «Fundamentalismus»)
war die Haltung von Jesus und den Aposteln.
Jesus hat
ohne jede Einschränkung die Inspiration und Autorität der Heiligen Schrift
anerkannt. «Die Schrift sagt» war für ihn gleichbedeutend mit «Gott sagt».
Der Apostel Paulus bekennt vor dem Stadthalter Felix:
«Ich
bekenne dir aber dies, dass ich gemäss der Glaubensrichtung,
die sie eine Sekte nennen, dem Gott der Väter diene, in- dem ich allem Glauben
schenke, was dem Gesetz gemäss ist, und was in den Propheten geschrieben steht.»
(Apg 24, 14)
(Damit ist der ganze Inhalt des Alten Testaments zusammengefasst.) '"
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Die
«fundamentalistische» Bibelhaltung kennzeichnet auch die Reformation.
Im Berner Synodus (36) von 1532
«<Ordnung, wie sich die Pfarrer und
Prediger zu Stadt und Land Bern in Lehre und Leben halten sollen»)
steht:
«so
soll das Buch aufgetan und gelesen werden als Gottes Wort, das es
wahrlich auch ist,
und nicht als Menschenwort
Das
Zweite Helvetische Bekenntnis, verfasst vom Reformator Heinrich
Bullinger, erstmals erschienen 1566 als Bekenntnis der schweizerischen
reformierten Kirchen, ist im oben definierten Sinn ein «fundamentalistisches»
Bekenntnis. Auf dieses wurden die Pfarrer und Kirchen bis zur
Für
die oben beschriebene «fundamentalistische» Schrifthaltung gingen die Hugenotten
nach Aufhebung des
Edikts von Nantes (1685) auf die Galeeren, in die Gefängnisse,
auf die Flucht und in den Tod.
Der «biblische Fundamentalismus» war also von
Anfang der Kirchengeschichte an ihr
Glaubensfundament; wenn er darin
keinen Platz mehr hat, bedeutet dies das Ende dieser Kirche.
Mit
obiger Abhandlung haben wir auch eine Antwort auf die Frage, was «Bibeltreue»
he isst, die an der KBA (38)
behandelt wurde. Die oben beschriebene Bibelhaltung
des biblischen «Fundamentalismus» beschreibt genau, was wir
unter «bibeltreu»
verstehen sollten.
36)
Synodus
= kirchliche Versammlung, Synode, bzw. Beschluss derselben.
37) Berner Synodus,
Base/: Niklaus MülIer, 1532, S. 94.
38) KBA = Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten.