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Das 2. Kommen des Herrn

Die Wiederkunft Christi

Einteilung der Offenbarung

 

Zukünftigen Ereignisse

Zusammenschnitt aus diversen Artikeln
JND WJO Mü WK HPW

 

Die Zukunft der Stadt des großen Königs

 

W.J.O.

 

VORGESCHICHTE

 

Einleitung

 

Es gibt keine Stadt der Welt, die mich mehr fesselt als Jerusalem. Sie ist eine Stadt, die mehr als 3500 Jahre alt ist; eine der ältesten Städte, die wir kennen, eine Stadt, die den größten Reichtum und auch das tiefste Elend gekannt hat ‑ vernichtet und stets wieder auf­geblüht, zertreten und doch wieder aufgelebt, eine Stadt, die gerade in diesen Jahren im Mittelpunkt des Weltinteresses steht wegen der Wunder, die das alte jüdische Volk dort vollbringt. Eine Stadt, wo sich uralte Kulturen begegnen, wo sich seit Jahrhunderten die gro­ßen Handelsstraßen kreuzen, eine Stadt, die wirklich auf dem Nabel der Erde liegt (Hes 38, 12), die wirklich inmitten der Nationen gesetzt ist und Länder rings um dieselbe her (Hes 5, 5). Aber nicht das hohe Alter oder die interessante Geographie dieser Stadt ziehen mich in erster Linie an, auch nicht die Rolle, die sie in der Weltgeschichte oder in der gegenwärtigen politischen Entwicklung spielt. Was mich vor allem fesselt, ist der besondere Platz, den diese wunderbare Stadt in der Heilsgeschichte Gottes mit dieser Welt, in den Plänen und Ratschlüssen des Allmächtigen einnimmt. Der Schauplatz, auf dem sich diese Pläne und Ratschlüsse entfalten, ist die Erde ‑ aber alles wird von dem Gebiet aus gesehen, das nach Gottes Gedanken der Mittelpunkt der Erde ist: Palästina mit dem herrlichen Mittelpunkt Jerusalem, der Stadt Gottes (Ps 48, 1). Wer die Bibel, und besonders die Propheten, studiert, wird bald feststellen, daß diese Stadt wirklich den Mittelpunkt der Wege Gottes bildet, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch besonders in der Zu­kunft. Und gerade in der Zeit, wo sich Jerusalem auf die letzten tiefgreifenden und erschütternden Ereig­nisse vorbereitet, die über sie kommen werden, sollten wir mit dem Platz vertraut sein, den Gott dieser Stadt zugedacht hat. Mehr denn je haben Christen in unseren Tagen Einsicht nötig in die Prophetie, um zu begreifen und praktisch zu verwirklichen, was ihre Stellung ist hinsichtlich der Welt, der Juden und des jüdischen Staa­tes, der Entwicklung in der Christenheit, der Zukunft der Versammlung, der Erwartung des sehr nahen Kom­mens des Herrn, der dringenden Notwendigkeit der Verkündigung des Evangeliums und eines geheiligten Lebens. Oder anders ausgedrückt: wir müssen unsere Aufmerksamkeit im besonderen auf zwei Dinge len­ken: erstens auf den wahren Charakter der Versamm­lung Gottes und auf die Art und Weise, wie sie sich in der heutigen Zeit offenbaren soll; das steht im Zeichen des neuen Jerusalem (Offb 21, 2. 9. 10) und des himm­lischen Jerusalem, das droben ist (Hebr 12, 22; Gal 4, 26), und zweitens auf den wahren Charakter dieser Welt, auf die Zukunft, der sie entgegengeht und worin Israel eine zentrale Stellung einnehmen wird. Hierin ist dann de Mittelpunkt, um den sich alles drehen wird, das alte, irdische Jerusalem, das auf der Erde ist (vgl. Gal 4, 24‑26).

 

So wollen wir uns nun mit diesem Jerusalem beschäfti­gen als dem Ort, auf den sich die Wege Gottes mit der Erde konzentrieren. Da uns in der Bibel die Wege Got­tes beschrieben werden, wollen wir uns auch fast aus­schließlich damit beschäftigen, was die Heilige Schrift uns über diese Stadt mitteilt. Vergangenheit und Zu­kunft gehören zusammen ‑ wir können das eine nur aus dem anderen gut verstehen. In unseren Betrachtun­gen müssen wir deshalb zu dem Anfang zurückgehen, den uns die Bibel von dieser Stadt nennt, um dann sehr kurz einigen Hauptpunkten der Geschichte dieser Stadt nachzugehen, die wesentlich sind, um ihre Zu­kunft zu begreifen. Die Zukunft dieser Stadt läuft auf ein großes Endziel hinaus: die Regierung des großen Königs in Seiner Stadt (Mt 5, 35) in den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, von welchen Gott durch den Mund Seiner heiligen Propheten von jeher gespro­chen hat (Apg 3, 21). Erst dann wird Jerusalem wirk­lich "die Stadt des Friedens" sein, wenn der Friedefürst in ihrer Mitte residiert in Recht und Gerechtigkeit (Jes 9, 6. 7).

 

Älteste Geschichte der Stadt

 

Es ist sehr bezeichnend, daß wir zu Beginn der Ge­schichte Jerusalems zwei deutliche Vorbilder von dem Herrn Jesus finden, die bereits auf die glorreiche Zukunft dieser Stadt hinweisen. Als erstes sehen wir in 1.Mose 14 die Person Melchisedeks, des Königs von Salem (dem späteren Jerusalem), der, dem Sohn Got­tes verglichen, Priester auf immerdar ist (Hebr 7, 1‑3). Er ist ein Vorbild auf den Herrn Jesus als König und Priester, wie Er das vor allem im Tausendjährigen Frie­densreich sein wird (Sach 6, 13; Ps 110, 4). Das zweite, was wir über Jerusalem finden, steht in 1. Mose 22, wo Abraham seinen Sohn Isaak im Land Morija auf einem der Berge opferte; und da wir wissen, daß Salomo den Tempel in Jerusalem auf dem Berg Morija baute, muß also auch dieses Ereignis in dem späteren Jerusalem stattgefunden haben. So sehen wir am Anfang der Ge­schichte dieser Stadt einen Hinweis auf die Regierung des Herrn, aber auch auf das schreckliche Ereignis, wenn der Messias außerhalb der Tore Jerusalems an ein Kreuz genagelt werden würde, ein Ereignis, das die Zukunft und das Schicksal Jerusalems mehr als alles andere bestimmt hat. Danach finden wir sehr wenig über Jerusalem. Die Stadt hieß lange Zeit Jebus" und wurde von einem kanaanitischen Volksstamm, den Jebusitern, bis zu dem Augenblick bewohnt, als David diese Stadt einnahm und zu seiner Residenz machte. Seitdem trägt die Stadt den Namen "die Stadt Davids". Er erweiterte sie gewaltig und befestigte sie, so daß Jerusalem wirklich die würdige Hauptstadt Israels wurde. Ein äußerst bedeutender Zeitabschnitt brach an, als David beschloß, die Bundeslade nach Jerusalem zu bringen. Ich will hierauf etwas näher eingehen, weil auch dieses Ereignis große Bedeutung in Verbindung mit der Heilsgeschichte Gottes hat und ebenfalls ein Vorbild auf zukünftige Ereignisse in Verbindung mit Zion ist.

 

Als Gott Israel durch die Wüste leitete, schenkte Er dem Volk die Stiftshütte, um in der Mitte Seines Volkes zwischen den Cherubim auf dem Versöhnungsdeckel, der auf der Lade war, wohnen zu können (2. Sam 7, 6) * Die Stiftshütte war jedoch ein Zelt und kein fester Wohnort, also beweglich und dem Umherziehen des Volkes angepaßt. Deshalb kündigte Gott an, daß das Volk im Gelobten Land, wo es nicht mehr umherzie­hen, sondern in Frieden wohnen würde, einen festen Ort für den Gottesdienst haben würde. Dorthin wollte Jehova Seinen Namen setzen und in der Mitte der Israeliten einen festen Wohnort haben. Dieser Ort wird in 5. Mose 12 beschrieben. Nachdem aller Götzendienst aus dem Land entfernt sein würde, würde das Volk einen Ort finden, einen von Gott auserwählten Ort, der jedoch nicht namentlich genannt wird, wo es sei­nem Gott opfern könnte. Die Israeliten würden diesen Ort suchen müssen. Nachdem sie Ruhe von allen ihren Feinden haben würden, würde Gott diesen Ort errich­ten, um in der Mitte des Volkes zu wohnen und ihn zum Mittelpunkt Seiner Regierung zu machen. Als das Volk dann tatsächlich in das Land einzog, wurde einige Zeit später die Stiftshütte ‑ eigentlich aus rein prak­tischen Gründen ‑ in Silo errichtet (Jos 18, 1). Ab die­sem Zeitpunkt wurde Silo der Ort, wohin die Israeliten zogen, um Gott zu begegnen (l. Sam 1, 3). Dort wur­den die Opfer dargebracht und der Priesterdienst ausgeübt. Aber es konnte nicht der endgültige Platz der Anbetung sein, denn es war noch immer ein Zelt, das zeitlichen und veränderlichen Charakter trug. Doch in der Erwartung eines festen Ortes kam das Volk stets an den Ort, wo die Bundeslade stand «Jos 18, 1; Ri 20, 26‑28), um Gott zu nahen. Wir wis­sen jedoch, daß für die Vermittlung zwischen Gott und dem Volk die Söhne Aarons, das sind die Priester, von Gott bestimmt waren. Und wir wissen auch, wie die Priesterschaft leider hoffnungslos versagt hat. Das war bereits in der Wüste so, und das war noch weitaus stär­ker so in dem Land. Das Haus Elis kam zu Fall, und Gott mußte es abschneiden, aber erwählte Sich zur gleichen Zeit einen anderen Priester nach Seinem Her­zen (l. Sam 2, 35), Zadok, aus dem Haus Eleasars (2. Sam 8, 17; 1. Chron 24, 3). Das Priestertum Zadoks sollte ewig sein, ja, im Tausendjährigen Reich werden die Söhne Zadoks wieder den Priesterdienst ausüben (Hes 40, 46; 43, 19; 44, 15). In der Zwischenzeit, bis Zadok kommen würde, erweckte Gott einen Prophe­ten, nämlich Samuel. Wir sehen auch, wie die Lade von den beiden gottlosen Söhnen Elis in den Kampf mitgenommen und von den Philistern erbeutet wurde. Das ist ein derart wichtiger Augenblick in der Geschichte Israels, daß wir seine Bedeutung nicht unterschätzen dür­fen. Was sagte nämlich die Frau des Pinehas, als sie von dem großen Unglück hörte, das Israel getroffen hatte? "Die Herrlichkeit ist von Israel gewichen, denn die Lade Gottes ist genommen!" (l. Sam 4, 22). Die Herrlich­keit Jehovas wohnte in der Mitte Israels auf dem Ver­söhnungsdeckel der Lade (2. Mo 25, 22; 40, 34‑38; 3. Mo 16, 2; Jos 7, 6). Die Lade war der Mittelpunkt des Gottesdienstes Israels. Als die Lade weggeführt worden war, war in der Tat die Herrlichkeit Jehovas aus Israel gewichen. Jkabod" stand auf dem Volk geschrie­ben: "Nicht‑Herrlichkeit". In gewisser Beziehung war Gott aus der Mitte Seines Volkes weggegangen, und wenn auch die Lade nach kurzer Zeit wieder in das Land zurückkehrte, kehrte doch die Herrlichkeit Jeho­vas nicht früher zurück, als bis Salomo Ihm ein Haus gebaut hatte (2. Chron 7, 2). Verschwunden ist die Herrlichkeit, verschwunden ist die Lade, verschwun­den ist auch der Platz, den Silo in der Mitte Israels ein­nahm. Silo konnte nicht länger der Mittelpunkt der Regierung Gottes sein. "Denn gehet doch hin nach meiner Stätte, die zu Silo war, woselbst ich zuerst mei­nen Namen wohnen ließ, und sehet, was ich ihr getan habe wegen der Bosheit meines Volkes Israel" (Jer 7, 12. 14; 26, 6. 9). Unter diesen Umständen mußte Gott Silo beiseitestellen. Israel wich zurück und handelte "treulos wie ihre Väter ... und sie erbitterten ihn durch ihre Höhen ... Gott hörte es und ergrimmte, und er verachtete Israel sehr. Und er verließ die Woh­nung zu Silo, das Zelt, welches er unter den Menschen aufgeschlagen hatte" (Ps 78, 56‑60). Gewichen ist die Herrlichkeit und auch der Ort des Gottesdienstes!

 

Die Erwählung Zions als Ort der Königsherrschaft und des Gottesdienstes

 

Wo blieben nun die Verheißungen Gottes, der ein Heiligtum und einen Ort des Gottesdienstes verheißen hatte? In 1. Samuel 4 ist davon nichts übrig geblieben. Aber "die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar" (Röm 11, 29). Und Gott erfüllt Seine Ver­heißungen zu Seiner Zeit und auf Seine Weise. Wo Israel versagt hat, da richtet Gott ein neues Zeugnis auf, und zwar durch den Mann nach Seinem Herzen. Zuerst nimmt das Volk zwar noch das Recht in eigene Hände: anstelle der Herrlichkeit und der Autorität, die von Israel gewichen sind, bitten sie um einen König, wie ihn die umliegenden Nationen hatten (l. Sam 8). "Und von da an begehrten sie einen König, und Gott gab ihnen Saul, den Sohn Kis', einen Mann aus dem Stamme Benjamin, vierzig Jahre lang. Und nachdem er ihn weggetan hatte, erweckte er ihnen David zum König, welchem er auch Zeugnis gab und sprach: Ich habe David gefunden, den Sohn Isais, einen Mann nach meinem Herzen, der meinen ganzen Willen tun wird"' (Apg 13, 21. 22; Ps 89, 20; 1. Sam 13, 14). Saul, der König nach dem Herzen des Menschen, versagt; doch dann stellt Gott David vor, den Mann nach Sei­nem Herzen (l. Sam 12, 22. 23; 16, 1). Wunderbarer Augenblick! Denn dieser David ‑ und seine Nachkommenschaft bis in Ewigkeit ‑ wird der Vertreter Gottes auf Erden; er wird das Zentrum der Regierung Gottes in Israel und von da aus über die ganze Welt. Und nicht nur das: Mit diesem ewigen Königtum verbindet Gott auch für ewig den beständigen Ort der Anbetung, den Ort, wo die Herrlichkeit Gottes auf der Erde wohnt. Zion, die Stadt Davids, wird zugleich die Stadt Gottes (Ps 48, 1). Nach dem Beiseitestellen Elis erwählt Gott den Priester Zadok, nach dem Beiseitestellen Sauls erwählt Gott den König David, und nach dem Beiseite­stellen von Silo erwählt Gott Zion, die Stadt Davids. "Und er (Gott) verließ die Wohnung zu Silo, das Zelt, welches er unter den Menschen aufgeschlagen hatte ... Da erwachte, gleich einem Schlafenden, der Herr ... Und er verwarf das Zelt Josephs, und den Stamm Ephraim erwählte er nicht; sondern er erwählte den Stamm Juda, den Berg Zion, den er geliebt hatte. Und er baute gleich Höhen sein Heiligtum, gleich der Erde, die er auf ewig gegründet hat. Und er erwählte David, seinen Knecht und nahm ihn von den Hürden der Schafe; hinter den Säugenden weg ließ er ihn kommen, um Jakob, sein Volk, zu weiden, und Israel, sein Erbteil. Und er weidete sie nach der Lauterkeit seines Herzens, und mit der Geschicklichkeit seiner Hände leitet er sie" (Ps 78, 60‑72). Wie Melchisedek, der erste biblische König von Jerusalem, in gewissem Sinn ein ewiger König‑Priester war, so verband Gott auch in David für ewig Sein Heiligtum auf Zion mit dem Königtum Davids. Die Parallele sehen wir in Psalm 76, 2: "In Salem ist seine Hütte, und seine Wohnung in Zion."

 

Die ganze Entwicklung der Wege Gottes mit Seinem Volk kommt eigentlich schon zu ihrem Beginn in dem Lied der Hanna zum Ausdruck. Sie besingt in der schö­nen Prophezeiung die Wege Gottes mit Israel bis in die ferne Zukunft. "Denn Jehovas sind die Säulen der Erde" (l. Sam 2, 8). Ihm gehört die Erde, wie es im kommenden Friedensreich vollkommen gesehen wer­den wird. Dann werden die Gottlosen umkommen, und die Frommen Gottes werden bewahrt werden. Dann wird Jehova die Erde richten und Seinem König Stärke geben und das Horn Seines Messias (Gesalbten) erhöhen (Verse 9 und 10). Was Christus im Friedens­reich sein wird, das finden wir im Buch Samuel bei David dem Grundsatz nach schon verwirklicht. David ist der große Gegenstand dieses Buches. Christus ist der große Sohn Davids, der große König‑Priester. Dieser Gedanke gibt gerade der Geschichte Davids ihr Gepräge. Wenn David die Bundeslade nach Zion bringt, ist dadurch Zion für ewig die Stadt Gottes ge­worden, die mit dem Haus Davids verbunden ist. Gott Selbst verheißt David diese ewige Verbindung. "Wenn deine Tage voll sein werden . . . so werde ich deinen Samen nach dir erwecken ... und werde sein König­tum befestigen. Der wird meinem Namen ein Haus bauen; und ich werde den Thron seines Königtums be­festigen auf ewig. Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein" (2. Sam 7, 12‑14). Wenn jemand denkt, daß der königliche Thron Davids nun doch unbesetzt ist und bleiben wird, dann kennt er die Schrift nicht. "Denn so spricht Jehova: Nie soll es dem David an einem Manne fehlen, der auf dem Throne des Hauses Israel sitze" (Jer 33, 17). Und wer wird dieser Mann sein? Hebräer 1, 5 gibt darauf Antwort, wo der Apostel dort diese Weissagung aus 2. Samuel 7, 14 auf den Herrn Jesus anwendet. Dieser ist der Sohn Davids, der auf dem Thron Israels sitzen wird und der einmal die Weissagung aus Psalm 132 erfüllen wird: Jehova hat dem David geschworen in Wahrheit, er wird nicht davon abweichen: Von der Frucht deines Leibes will ich auf deinen Thron setzen ... Denn Jehova hat Zion erwählt, hat es begehrt zu seiner Wohnstätte: Dies ist meine Ruhe immerdar; hier will ich wohnen, denn ich habe es begehrt . . . Dort will ich das Horn Davids wachsen lassen, habe eine Leuchte zugerichtet meinem Gesalb­ten. Seine Feinde will ich bekleiden mit Schande, und auf ihm wird seine Krone blühen" (Verse 11‑18). Auch hier sehen wir wieder Zion verbunden mit David, und zwar vor allem im Friedensreich. "In jenen Tagen und zu jener Zeit werde ich dem David einen Sproß der Gerechtigkeit hervorsprossen lassen, und er wird Recht und Gerechtigkeit üben im Lande. In jenen Tagen wird Juda gerettet werden und Jerusalem in Sicherheit woh­nen ... Nie soll es dem David an einem Manne fehlen, der auf dem Thron des Hauses Israel sitze. Und den Prie­stern, den Leviten, soll es nie an einem Manne vor mir fehlen, der Brandopfer opfere und Speisopfer anzünde und Schlachtopfer zurichte alle Tage" (Jer 33, 15‑18).

 

Der Berg der Gnade

 

So wird Zion der zweite Berg, der in der Geschichte Israels eine Rolle spielt. Der erste Berg ist Sinai, und er steht seinem Charakter nach in direktem Gegensatz zu Zion. Auf dem Sinai wurde das Gesetz gegeben, das für das Volk ein Zuchtmeister war (Gal 3, 24), die Norm, der Gott das Volk unterwarf. Zion jedoch ist der Berg der Gnade, der Ort, wo Gott dem Gericht über Israel (drei Tage Pest) Einhalt gebot und wo David aus Dankbarkeit einen Altar errichtete. Es ist der Ort, der von den unveränderlichen Verheißungen Gottes zeugt, die ewig sind und nicht verändert werden durch den Unglauben und das Versagen des Menschen; der Ort, wo Gott Seinen König eingesetzt hat (Ps 2,6‑12) und wo Sein Heiligtum steht. Zion ist der Ort, mit dem stets der Überrest verbunden ist, den Gott in Seiner Gnade in einer Zeit des Verfalls bildet, im Gegensatz zum Sinai, dem Ort des Gesetzes und des Gerichts. Dieser Gegensatz kommt deutlich in Hebräer 12 zum Ausdruck: "Denn ihr seid nicht gekommen zu dem Berge, der betastet werden konnte und zu dem entzün­deten Feuer, und dem Dunkel und dem Sturm, und dem Posaunenschall, und der Stimme der Worte, deren Hörer baten, daß das Wort nicht mehr an sie gerichtet würde, denn sie konnten nicht ertragen, was geboten wurde ... Sondern ihr seid gekommen zum Berg Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem" (Verse 18‑22). Hier sehen wir den christ­lichen Überrest des Volkes Israel, der von der ungläubi­gen Masse abgesondert ist (Hebr 13, 12‑14). In Zu­kunft wird es einen anderen Überrest aus Israel geben: die Juden, die durch die große Drangsal gegangen sind. "Und ich sah: und siehe, das Lamm stand auf dem Berge Zion und mit ihm hundertvierundvierzigtausend, welche seinen Namen und den Namen seines Vaters an ihren Stirnen geschrieben trugen" (Offb 14, 1). Sie tragen den Charakter derer, die wir in Psalm 125 finden: "Die auf Jehova vertrauen, sind gleich dem Berge Zion, der nicht wankt, der ewiglich bleibt", und Psalm 126: "Als Jehova die Gefangenen Zions zurück­führte, waren wir wie Träumende. Da ward unser Mund voll Lachens, und unsere Zunge voll Jubels." Die letzteren bilden den Überrest aus den zehn Stämmen; vereinigt mit dem Überrest auf Zion aus Offen­barung 14, werden sie unter der Herrschaft des wahren David ewigen Segen empfangen.

 

Vorbild der zukünftigen Geschehnisse um Zion

 

Machen alle diese Überlegungen nicht deutlich, daß die Geschichte Davids und die vorhergehenden Ereig­nisse ein besonders schönes Bild abgeben von den zu­künftigen Erlebnissen des Volkes? Die Grundsätze, die wir in den Büchern Samuel bis Chronika finden, sind so fundamental und so allgemein, sie sprechen so deut­lich von der Zukunft, daß Gott uns hier zugleich eine auffällige Skizze der zukünftigen Ereignisse gibt. Da wir diese Ereignisse später ausführlich betrachten wer­den, brauchen wir sie nur kurz anzudeuten. In gewisser Hinsicht können wir eigentlich sagen, daß die Geschichte Israels nach der Regierung Salomos, was ihren Charak­ter betrifft, wieder ganz neu mit 1. Samuel 1 beginnt.

 

Denn schon mit Salomo versagt das Königtum durch seine Abgötterei. Nach ihm, als das Königreich zwei­geteilt ist, sehen wir das Volk immer mehr von Gott abfallen. Auch das Priestertum gerät wieder in Verfall, genau wie das bei den Söhnen Elis war (2. Chron 36, 14). Und auch jetzt sehen wir wieder, wie Gott Propheten erweckt, wie Er es in Samuel tat. Diese Propheten, namentlich Jesaja, Hosea, Amos, Micha und Zephanja müssen das Gericht ankündigen, aber sie führen auch gleichzeitig den Messias vor die Blicke, wie einst Samuel David einführte. Dann sehen wir, wie die Herr­lichkeit Israels weggenommen wird, so wie einst die Bundeslade weggeführt wurde. Die Herrlichkeit Jehovas verläßt den Tempel, und Nebukadnezar erobert die Stadt. Mit Nebukadnezar ändert Gott dann die Regie­rung über diese Erde. Diese "Zeiten der Nationen", die mit Nebukadnezar beginnen, werden durch die Zeit vorgebildet, in der die Bundeslade bei den Philistern ist. Gleichzeitig mit der Wegführung der Bundeslade werden auch die Priester umgebracht (2. Kön 25, 18‑21). Aber diese Zeiten der Nationen finden ihr Ende. Die Bundeslade kehrt zurück, obschon noch nicht die Rede von der Herrlichkeit Jehovas ist. So sind nun auch die Juden wieder in das Land zurückgekehrt, ohne daß Gott schon in ihrer Mitte ist. Dann wird ein König nach dem Herzen des Menschen eingesetzt: Saul, ein Bild des Antichristen. Dieser wird sich dem zukünf­tigen jüdischen Überrest gegenüber zuerst freundlich verhalten, wie auch Saul David zuerst freundlich be­handelte. David ist nicht nur ein Bild von dem Mes­sias, sondern auch von dem Überrest aus Juda, mit dem der Messias so eng verbunden ist in dem Matthäus-­Evangelium, in den Prophezeiungen und vor allem auch in dem zweiten Buch der Psalmen. In seinem Kampf gegen Goliath ist David ein Bild des Messias, der den Satan überwunden hat. Später aber ändert sich die Haltung Sauls: der Antichrist offenbart seine wahre Gestalt und beginnt, den Überrest zu verfolgen. End­lich kommt auch der Antichrist zu seinem Ende; aber bevor der Messias, verbunden mit Seinem Überrest, in Frieden regieren kann, müssen noch viele Feinde er­schlagen werden. Jerusalem wird aus der Hand des Feindes zurückerobert, und der Messias hält Seinen Einzug. Auf Zion gibt es eine Zuflucht (davon spricht die dorthin überführte Bundeslade), aber der Tempel kann noch nicht gebaut werden, solange nicht alle Feinde vernichtet sind; der Messias muß noch gegen die umliegenden Völker kämpfen. Psalm 60, der nach den Kriegen in 2.Samuel 8 geschrieben worden ist, ist ein deutlicher Hinweis auf diese zukünftigen Kriege: Moab wird dann das Waschbecken Gottes sein, und auf Edom wird Er Seine Sandale werfen und Philistäa wird ihm zujauchzen.

Zum Schluß, wenn der letzte Kampf ausgetragen ist, wird der Messias nach Seiner "Davidsregierung" als der wahre Salomo, als der Friedefürst herrschen. Dann wird Sein Name ausgehen über die ganze Erde, und es werden ‑ wie einst die Königin von Scheba ‑ die Na­tionen kommen, um die Herrlichkeiten des Messias anzuschauen. Dann wird der in Hesekiel beschriebene Tempel gebaut werden, und die Herrlichkeit Jehovas wird auf Zion herabkommen, um inmitten des auser­wählten Volkes unter der gesegneten Herrschaft des Sohnes Davids zu wohnen.

 

Einst erfüllte die Herrlichkeit Jehovas das Haus, das Salomo Ihm gebaut hatte (2. Chron 7, 1); Gott Selbst kam auf die Tenne des Jebusiters Arawna, wo das ge­rechte Gericht Gottes durch Gnade beendet worden war und wo David vor Jehova einen Altar gebaut hatte, um dort an der Stätte zu wohnen, die Er zu Seiner Wohnung gemacht hatte, in dem Heiligtum, das Seine Hände bereitet hatten (2. Mo 15, 13‑18), an der Stätte, die schon so lange vorher verheißen war. Das war der größte Augenblick, als Jerusalem die Stadt Gottes wurde (Ps 48, 1), die Stätte, wo der Name Jeho­vas war (l. Kön 8, 29) ‑ die heilige Stadt (Jes 52, 1; Mt 27, 53).

 

Der Verfall

 

Wenn Gott in Seiner Gnade den Menschen in eine neue Stellung bringt, dann sehen wir immer, wie bei­nahe unmittelbar danach der Verfall eintritt. So war es auch bei der Stadt Jerusalem, die Gott Sich erwählt hatte, wo Sein Heiligtum stand und wo Er in der Mitte Seines Volkes wohnte. Ich will nicht ausführlich darauf eingehen. Wir sehen jedoch, wie trotz der Warnungen Gottes der innere Verfall der Stadt immer mehr zu­nahm, bis Gott schließlich das endgültige Gericht ankündigen mußte. Wie die Propheten es angekündigt hatten, so geschah es auch. Gottes Gericht traf das Königshaus und die Gottlosen in der Stadt Jerusalem, die sich weigerten, die Stadt zu verlassen, um zu den Feinden überzugehen, die die Zuchtrute in der Hand Gottes waren. Schließlich findet ein wichtiges, aber trauriges Ereignis in Jerusalem statt, das auch von sehr großer Bedeutung ist, wenn es darum geht, die Zukunft zu verstehen. Gott offenbart dem Propheten Hesekiel in dem entfernten Babel den Schrecken dieser Ereignisse. Wir finden nämlich nicht nur in Hesekiel 4 und 5, wie Jerusalem belagert und erobert werden würde, sondern in den Kapiteln 8 bis 11 steht etwas, was noch weitaus schlimmer ist als diese äußerliche Verwüstung. Dort sehen wir nämlich, daß der Tempel Gottes so verun­reinigt worden ist, daß die Herrlichkeit Jehovas den Tempel verlassen und daß Gott Sich in Seinen Himmel zurückziehen muß. "Und die Herrlichkeit Jehovas begab sich von der Schwelle des Hauses hinweg und stellte sich über die Cherubim. Und die Cherubim erhoben ihre Flügel und hoben sich vor meinen Augen von der Erde empor, als sie sich wegbegaben; . . . und die Herrlichkeit des Gottes Israels war oben über ihnen" (Hes 10, 18. 19). "Und die Cherubim erhoben ihre Flügel, und die Räder waren neben ihnen; und die Herrlichkeit des Gottes Israels war oben über ihnen. Und die Herrlichkeit Jehovas erhob sich aus der Mitte der Stadt und stellte sich auf den Berg, welcher gegen Osten der Stadt ist“ (Hes 11, 22. 23).

 

Dieses Ereignis, das hier ganz schlicht beschrieben wird, ist von so großer Bedeutung in der Heilsge­schichte Gottes, daß die ganze Geschichte Israels, ja der ganzen Welt, bis auf den heutigen Tag dadurch bestimmt worden ist. Denn diese Herrlichkeit Jehovas ist seit Hesekiel 10 und 11 nicht mehr nach Israel zurückgekehrt. Sie wird erst in der Zukunft zurück­kehren, in umgekehrter Reihenfolge wie sie weggegan­gen ist. Wenn nämlich Jesus Christus ‑auf den Ölberg ' der östlich der Stadt liegt, wiederkommen wird, wird die Herrlichkeit Jehovas zu Seinem Volk zurückkehren, in die Stadt hineingehen und den neuen Tempel betre­ten. Erst dann, aber nicht früher! Als Moses einst die Stiftshütte gebaut hatte, kam die Herrlichkeit Jehovas herab in die Mitte des Volkes und ruhte auf dem Ver­söhnungsdeckel. Später, als Salomo den Tempel gebaut hatte, wurde der Tempel die lang vorhergesagte Wohn­stätte der Herrlichkeit Gottes in Israel. Aber als dieses Heiligtum durch den greulichen Götzendienst des Vol­kes verdorben war, mußte Gott dieses Heiligtum verlas­sen. Seitdem steht schon gut 2500 Jahre wieder das Wort Ilikabod" auf dem Volk geschrieben: "Nicht‑Herrlich­keit". Bereits 2500 Jahre ist Israel ein Volk "ohne Kö­nig . . . ohne Fürsten, und ohne Schlachtopfer und ohne Bildsäule, und ohne Ephod und Teraphim" (Hos 3, 4). Alle diese Jahrhunderte hindurch ist Israel äußerlich ein Volk wie alle anderen Völker, ohne besondere Herr­lichkeit, ohne die gesegnete Anwesenheit Jehovas in ihrer Mitte.

Aber, könnte man fragen, ist das Volk nicht wieder aus Babel zurückgekehrt? Die Juden haben doch Stadt und Tempel wieder aufgebaut, und Gott hat Sich doch wie­der mit dem Volk beschäftigt! Das ist wohl wahr, a er bedeutet das, daß auch die Herrlichkeit Gottes zu dem Volk zurückgekehrt ist? Besagt das, daß Israel nach der Gefangenschaft wieder das Volk Gottes genannt wird? Die Schrift lehrt uns das Gegenteil. Der Prophet Haggai klärt uns auf über den wirklichen Stand der Dinge nach der Gefangenschaft. In Esra 3, 12 lesen wir, wie viele alte Menschen weinten, als der Grund zu dem neuen Tempel gelegt wurde. An sie richtet sich die Frage Jehovas durch den Propheten Haggai: "Wer ist unter euch übriggeblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? und wie sehet ihr es jetzt? Ist es nicht wie nichts in euren Augen?" (Hag 2, 3). Nein, die Herrlichkeit, die der Tempel früher besessen hatte, besaß er nicht mehr, und die Alten waren sich dessen bewußt. Und diese Herrlichkeit würde auch nicht so bald zurückkehren. Aber es wird gewiß geschehen. Einmal wird der herr­liche Augenblick kommen, sagt Haggai, daß alle Na­tionen erschüttert werden und daß das "Ersehnte aller Nationen" (der Messias) kommen wird und daß Je­hova Sein Haus mit Herrlichkeit erfüllen wird. Ja, die zukünftige Herrlichkeit des Hauses wird sogar noch größer sein als die vergangene, denn an diesem Ort will Jehova Frieden geben, wenn der Friedefürst er­scheinen wird (Hag 2, 6‑9).

 

Hesekiel berichtet von diesem Augenblick, wo die Herrlichkeit Jehovas wieder in den Tempel zurückkeh­ren wird. In demselben Buch, wo uns berichtet wird, daß die Herrlichkeit Jehovas aus dem Tempel wegzieht, finden wir auch die Beschreibung ihrer Rückkehr (Kap. 43, 1‑9).

 

Es ist sehr bedeutsam, daß die Propheten, die nach der Gefangenschaft prophezeiten (Haggai, Sacharja und Maleachi), das Volk in dieser Zeit nirgends das Volk Gottes nennen. Das war auch nicht möglich, so­lange Gott nicht in der Mitte Seines Volkes wohnte. Hosea sagte sogar ausdrücklich, daß das Volk in dieser Zwischenzeit von Gott "Lo‑Ammi", das heißt "Nicht-mein-Volk" genannt wird: "denn ihr seid nicht mein Volk, und ich, ich will nicht euer sein." Wohl werden sie später "Kinder des lebendigen Gottes" genannt wer­den werden (Hos 1, 8‑11). Aber so gewiß, wie einmal Juda und Israel durch das Erbarmen Gottes zurück­kehren werden und wieder Sein Volk genannt werden, so gewiß ist das jetzt noch nicht der Fall. Es ist also ein Zwischenzustand entstanden seit dem Weggehen bis zur Rückkehr der Herrlichkeit Jehovas, eine Zwischen­zeit, die nicht nach Israel genannt werden kann, denn e ist nicht mehr das Volk Gottes. Das Zeugnis Gottes inmitten Seines Volkes als Jehova der ganzen Erde, der von Israel aus regiert, ist für lange Zeit zu Ende. Gott hat Sich gleichsam von Seinem Volk in den Himmel zurückgezogen, und von da an wird Er "der Gott des Himmels" genannt (Esra 5, 11. 12; 7, 12. 21‑23; Dan 2, 18. 19. 28. 37. 44). Natürlich bleibt auch nach der Gefangenschaft eine gewisse Beziehung zwischen Gott und Seinem Volk bestehen. Er sendet noch Seine Propheten, Er läßt das Haus wieder aufbauen, das noch immer Sein Haus genannt wird, Er verbindet Sich mit dem Überrest nach Seinem Herzen, der aus Babel zurückkehrt, so daß Esra Ihn in Verbindung mit Sei­nem Haus und Seinem Überrest noch den Gott Israels nennt, der in Jerusalem wohnte. Aber nichtsdestoweni­ger müssen wir uns doch der großen Veränderung, die stattgefunden hatte, bewußt bleiben.

 

Die Zeiten der Nationen

 

Noch deutlicher wird das, wenn wir uns vergegenwärti­gen, welches Zeugnis an die Stelle Israels getreten war, oder vielmehr, auf wen die Regierung Gottes auf der Erde übergegangen war. Wir lesen in Daniel 2, 37, was Daniel zu Nebukadnezar sagt: "Du, o König, du König der Könige, dem der Gott ‑ des Himmels das Königtum, die Macht und die Gewalt und die Ehre gegeben hat; und überall, wo Menschenkinder, Tiere des Feldes und Vögel des Himmels wohnen, hat er sie in deine Hand gegeben und dich zum Herrscher über sie alle gesetzt." Das Zeugnis, die Regierung Gottes in Israel, war auf die Nationen übergegangen, und zwar auf den, der von Gott zum Haupt der Nationen gesetzt worden war, Nebukadnezar. Dieser Mann, der von Gott als Zuch­trute gesandt worden war, um das göttliche Gericht über das Volk zu bringen, hatte nicht nur ein Volk er­obert, sondern durch die Hand Gottes auch die Welt­herrschaft. Er hatte sich nicht selbst zum Weltherrscher gemacht, sondern Gott Selbst hatte ihm diesen Platz gegeben, um ihn und seine Nachfolger zu prüfen, ob die Nationen in dem treu sein würden, worin Israel ver­sagt hatte. Seit diesem Zeitpunkt sprechen wir nun mit Lukas 21, 24 von den "Zeiten der Nationen". Sie haben mit Nebukadnezar begonnen und enden, wenn der Messias in Jerusalem Seine Weltherrschaft antritt. Er ist der Stein, der die Herrschaft der Völker vernich­ten wird und der ein himmlisches, göttliches König­reich auf der Erde errichten wird (Dan 2, 44). Damals, als Jehova inmitten Israels regierte, wurde Er der Herr der ganzen Erde genannt (Jos 3, 11). Jetzt ist Er der Gott des Himmels; und Sein "Statthalter", Sein Stell­vertreter auf der Erde ist Nebukadnezar, das Haupt der Nationen, sowie seine Nachfolger. Ab diesem Zeit­punkt wird auch die Zeit nicht mehr nach den Königen von Israel und Juda gerechnet, sondern nach den Regenten der Nationen (2. Kön 24, 12; 25, 1. 8; Dan 1, 21; 2, 1; 7, 1; 8, 1; 9, 1; 10, 1; 11, 1).

 

In Jesaja 5 spricht Gott voller Trauer zu Seinem Volk, Seinem Weinberg, von dem Er erwartet hatte, daß er gute Früchte hervorbrächte, der aber nur wilde Trauben brachte: "Nun denn, Bewohner von Jerusalem und Män­ner von Juda, richtet doch zwischen mir und meinem Weinberge! Was war noch an meinem Weinberge zu tun, das ich nicht an ihm getan hätte? Warum habe ich erwartet, daß er Trauben brächte, und er brachte Her­linge? Nun, so will ich euch denn kundmachen, was ich meinem Weinberge tun will: seinen Zaun wegnehmen, daß er abgeweidet werde, seine Mauer niederreißen, daß er zertreten werde" (Verse 3‑5). Der Prophet fügt dann noch hinzu: "Denn der Weinberg Jehovas der Heerscharen ist das Haus Israel, und die Männer Judas sind die Pflanzung seines Ergötzens" (Vers 7). Und durch Jeremia sagt Jehova: "Und ich hatte dich gepflanzt als Edelrebe, lauter echtes Gewächs; und wie hast du dich mir verwandelt in entartete Ranken eines fremden Weinstocks! Ja, wenn du dich mit Natron wüschest und viel Laugensalz nähmest: schmutzig bleibt deine Ungerech­tigkeit vor mir, spricht der Herr, Jehova" (Jer 2, 21. 22). Durch den Propheten Hesekiel, der mit dem Wein­stock im besonderen auf Jerusalem hinweist, wird dann das vollständige Gericht angekündigt: "Darum, so spricht der Herr, Jehova: Wie das Holz des Wein­stocks unter den Bäumen des Waldes, welches ich dem Feuer zur Speise gebe, also gebe ich die Bewohner von Jerusalem dahin; und ich werde mein Angesicht wider sie richten: aus dem Feuer kommen sie heraus, und Feuer wird sie verzehren. Und ihr werdet wissen, daß ich Jehova bin, wenn ich mein Angesicht wider sie richte. Und ich werde das Land zur Wüste machen, weil sie Treulosigkeit begangen haben, spricht der Herr, Jehova" (Hes 15, 6‑8). In Kapitel 16 folgt dann die ganze Geschichte Jerusalems: ihr Ursprung, ihre Schönheit, ihr Abfall, ihr Untergang, ihre Erlösung und ihre Segnung am Ende. Und wenn dann das Ge­richt über Jerusalem gekommen ist, schildert Jeremia noch die Schrecknisse, in denen sich der Weinberg durch das Gericht befindet: "Viele Hirten haben mei­nen Weinberg verderbt, mein Ackerstück zertreten; sie haben mein köstliches Ackerstück zur Öde gemacht: verwüstet trauert es um mich her. Das ganze Land ist verwüstet, weil niemand es zu Herzen nahm. Über alle kahlen Höhen in der Steppe sind Verwüster ge­kommen; denn ein Schwert von Jehova frißt von einem Ende des Landes bis zum anderen Ende des Landes: kein Friede allem Fleische!" (Jer 12, 10‑12). Und die Klagelieder sind natürlich voll davon ‑ zu viel, um alles anzuführen. Darin besingt der Prophet die große Stadt, die so leidvoll untergegangen ist durch die strafende Hand Gottes, der sie um ihrer Sünde willen züchtigen mußte.

 

Zweierlei Heilsprophezeiungen

 

Mit der Verwüstung Jerusalems scheint wohl sehr radi­kal jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft für Israel zu­nichte gemacht worden zu sein. Aber das ist unmöglich. "Die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbe­reubar" (Röm 11,29). Die bedingungslosen Verheißun­gen, die den Vätern gegeben worden sind, haben nichts mit der Verantwortlichkeit Israels zu tun, weil sie aus­schließlich auf die souveräne Gnade Gottes gegründet sind. Deshalb bleibt selbst während des größten Abfalls und der schwersten Gerichte eine unerschütterliche Verheißung bestehen, die in Gott Selbst verankert liegt (vgl. Micha 7, 18‑20). Letzten Endes wird die Gnade Gottes alles zum Guten wenden (vgl. Hebr 4, 1. 9). Darum sprechen die Propheten in ihren Gerichtsankün­digungen doch auch immer wieder über den letztlich folgenden Segen, sogar die Propheten Hesekiel und Jeremia, die in der Zeit des Untergangs Jerusalems prophezeiten. Wir müssen dabei scharf zwischen zweier­lei Heilsprophezeiungen unterscheiden, die bei diesen Propheten, trotz dieses Unterschiedes, eng miteinander verbunden sind. Warum das so ist, werden wir gleich sehen.

Erstens gab es eine Verheißung der Wiederherstellung, die innerhalb kurzer Zeit erfüllt werden sollte. Jeremia nennt sogar den genauen Zeitpunkt: er empfängt von Jehova das Wort, daß die Juden siebzig Jahre lang dem König von Babel dienen und danach in ihr Land zurück­kehren würden (Jer 25, 11. 12; 29, 10; vgl. 2. Chron 36, 21; Dan 91 2). Für diese Rückkehr nennt Jehova drei Gründe, die sehr bedeutsam sind:

 

a) Mit den 70 Jahren würden dem Land Palästina seine Sabbathe erstattet, die es so lange durch die Untreue des Volkes gegenüber dem Gesetz hatte entbehren müssen. Jedes siebte Jahr sollte ein Sabbathjahr sein (3. Mo 25, 1‑7); damit hatte das Land ein Anrecht auf Entschädigung für sieben mal siebzig, das sind 490 Jahre. Das war ungefähr die Zeit seit dem Beginn des König­tums. Der Keim der Untreue lag also schon zu Beginn der Geschichte Jerusalems.

 

b) Nach 70 Jahren würde das Maß der Ungerechtigkeit des Königs von Babel und seines Volkes voll sein, und Gott mußte das Gericht über sie bringen. Auch der, dem Gott einen solch erhabenen Platz geschenkt hatte ‑ die Regierung über alle Nationen ‑ hatte sich gegen Gott erhoben und verfiel dem Gericht. Sein Volk sollte dem König von Persien dienstbar werden, und der würde Gottes Werkzeug sein, um die Juden in ihr Land zurückzubringen. Babel und das Land der Chaldäer aber würden verwüstet werden.

 

c) Der wichtigste Grund aber für die Rückkehr des Überrestes sollte die unwandelbare Treue Gottes sein: "Denn ich weiß ja die Gedanken, die ich über euch denke, spricht Jehova, Gedanken des Friedens und nicht zum Unglück, um euch Ausgang und Hoffnung zu gewähren . . . Und ich werde . . . euch sammeln aus allen Nationen und aus allen Orten, wohin ich euch ver­trieben habe, spricht Jehova; und ich werde auch an den Ort zurückbringen, von wo ich euch weggeführt habe."  (Jer 29, 11‑14). Über dieses Volk, das alle Rechte auf Segen verwirkt hatte, hegte Gott Gedanken des Frie­dens. Seine Gnade würde ihre Rückkehr bewirken.

 

Diese Verheißung auf eine Rückkehr bringt uns zu der zweiten Art der Heilsprophezeiungen, nämlich auf die Prophezeiungen, die Bezug nehmen auf die Gescheh­nisse, die noch viel weiter in der Zukunft liegen, ja, die auch heute noch nicht erfüllt sind. Freilich sind viele Weissagungen bereits teilweise erfüllt worden, aber in gewissem Sinn ist keine einzige Prophezeiung vollstän­dig erfüllt, das heißt in ihrem ganzen Umfang und in ihrer Ganzheit betrachtet. Das ist auch nicht möglich, weil jede Weissagung erst ihre vollständige Erfüllung in dem Herrn Jesus findet. Keine einzige Weissagung kann in sich selbst und auf dem Hintergrund der damaligen Geschehnisse völlig erklärt werden (vgl. 2. Petr 1, 20‑21 ' ) , denn jede Weissagung kann nur verstanden werden, wenn wir Christus als ihren Mittelpunkt sehen. Der Geist der Weissagung ist das Zeugnis Jesu (Offb 19, 10), und dann nicht nur des Herrn Jesus in Seinem ersten Kommen, denn die Prophetie spricht nicht nur über Sein erste5 Kommen (von den Leiden, die auf Chri­stum kommen sollten), sondern auch von den Herrlich­keiten danach (l. Petr 1, 11). Sie sprechen daher zu uns von der "Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Chri­stus" (2. Petr 1, 16). Wir können die Prophetie deshalb auch nur verstehen lernen, wenn wir sie immer auf dem Hintergrund des großen Heilsplans Gottes be­trachten, nämlich in bezug auf die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das was in den Himmeln und das was auf der Erde ist (Eph 1, 10). Darum kann auch keine einzige Weissagung vollständig erfüllt sein, solange Christus nicht in Herrlichkeit geoffenbart worden ist. Wohl ist es so, daß eine Anzahl Weissagungen in den Regierungswegen Gottes schon erfüllt ist. Dabei müs­sen wir aber immer bedenken, daß das eigentliche Thema der Prophetie niemals Gottes Handlungen durch die Vorsehung sind (also nicht unmittelbar und nicht für alle Menschen sichtbar), sondern Seine direk­ten Taten, sowohl in Gnade als auch im Gericht. Wenn wir diese einfachen Grundsätze festhalten, haben wir den schriftgemäßen Schlüssel zum Verständnis der Pro­phetie in Händen.

 

Christus, der Mittelpunkt der Prophezeiungen

 

Wir finden also in dieser Zeit des Untergangs der Stadt Jerusalem auch Heilsprophezeiungen, die sich direkt auf die Endzeit und den Segen am Ende beziehen, und Christus ist ihr Mittelpunkt. In den Worten Jeremias und Hesekiels sehen wir Ihn häufig in schroffem Ge­gensatz zu den gottlosen Königen, Seinen Vorfahren, die damals regierten. In Jeremia 23, 5 ist Er der gerechte und verständige Sproß Davids, der das arme Volk, das durch seine verdorbenen Hirten zerstreut war, beschirmen und segnen wird. In Hesekiel 17 fin­den wir eine besonders schöne Prophezeiung über den Messias. In diesem Kapitel wird das Königshaus Davids mit einer Zeder verglichen, deren oberster Schößling (Jojakin) von einem Adler (dem König von Babel) in eine Stadt von Kaufleuten (nach Babel) gebracht wird. Dieser Adler nimmt dann einen von den Setzlingen des Landes (Zedekia), der durch seine Pflege ausschlägt und zu einem üppigen Weinstock wird. In Undankbar­keit und Untreue jedoch streckt dieser Weinstock seine Wurzeln aus zu einem anderen Adler (dem König von Ägypten) und kommt zum Aufstand gegen Babel, das ihm wohlgetan hatte. Der Urteilsspruch lautet dann, daß der Weinstock völlig verdorrt. Doch dann sagt Gott: "Ich werde von dem Wipfel der hohen Zeder einen Schößling nehmen und ihn setzen; von dem ober­sten ihrer Schößlinge werde ich einen zarten abbrechen und ihn pflanzen auf einen hohen und erhabenen Berg. Auf den hohen Berg Israels werde ich ihn pflanzen, und er wird Zweige treiben und Frucht tragen und zu einer herrlichen Zeder werden" (Hes 17, 22. 23).

 

Auch in Hesekiel 21 finden wir einen wichtigen Hin­weis auf Christus im Kontrast zu Zedekia. Dieses Kapitel umfaßt das Gericht über Israel und endet wie folgt: "Weil ihr ‑eure Ungerechtigkeit in Erinnerung bringet, indem eure Übertretungen offenbar werden, so daß eure Sünden in allen euren Handlungen zum Vorschein kommen ‑ weil ihr in Erinnerung kommet, werdet ihr von der Hand ergriffen werden. Und du, du Unheiliger, Gesetzloser, Fürst Israels, dessen Tag gekommen ist zur Zeit der Ungerechtigkeit des Endes! so spricht der Herr, Jehova: Hinweg mit dem Kopf­bund und fort mit der Krone! Dies wird nicht mehr sein. Das Niedrige werde erhöht und das Hohe er­niedrigt! Umgestürzt, umgestürzt will ich sie machen; auch dies wird nicht mehr sein ‑ BIS DER KOMMT, welchem das Recht gehört: dem werde ich's geben" (Hes 21, 29‑32).

 

Sowohl in Jeremia als auch in Hesekiel finden wir einen besonderen Abschnitt, wo die letzten Gescheh­nisse über Jerusalem und Juda ausführlich behandelt werden, nämlich Jeremia 30‑33 und Hesekiel 33‑39; darüber werden wir später sprechen. Auch in diesen Abschnitten nimmt der verheißene Messias wieder den hervorragenden Platz ein: " . . . Sie werden Jehova, ihrem Gott, dienen und ihrem König David, den ich ihnen erwecken werde" (Jer 30, 9). "Und sein Herr­licher wird aus ihm sein, und sein Herrscher aus seiner Mitte hervorgehen" (Jer 30, 21). "In jenen Tagen ... werde ich dem David einen Sproß der Gerechtigkeit hervorsprossen lassen, und er wird Recht und Gerech­tigkeit üben" (Jer 33, 15). Und in Hesekiel: "Und ich werde einen Hirten über sie erwecken, und er wird sie weiden ‑ mein Knecht David: der wird sie weiden, und der wird ihr Hirt sein ... mein Knecht David wird Fürst sein in ihrer Mitte" (Hes 34, 23. 24; siehe auch 37, 24. 25).

 

Die Verbindung zwischen der ersten und zweiten Gefangenschaft

 

So sehen wir inmitten des Verfalls und der Gerichte diese Verheißungen unendlichen Segens, Verheißun­gen, die noch auf ihre Erfüllung warten. Nun ist es sehr wichtig, zu beachten, daß diese Verheißungen für das Ende häufig eng in Verbindung stehen mit der Rückkehr aus der ersten Gefangenschaft nach den 70 Jahren. Wenn über diese Rückkehr gesprochen wird, dann werden häufig Segnungen genannt, die das Volk damals überhaupt nicht empfangen hat, sondern die es in Zukunft empfangen wird, zum Beispiel einen König aus dem Haus David, die Vereinigung von Juda und Israel, den Untergang aller Feinde des Volkes, die zentrale Stellung, die das Volk auf Erden einnehmen wird usw. Die erste Rückkehr wird also sehr häufig in den Prophezeiungen als eins gesehen mit der zukünf­tigen Rückkehr, und das hat auch wieder zur Folge, daß die erste Gefangenschaft, also die 70 Jahre in Babel, als eins betrachtet wird mit der zweiten Gefan­genschaft, die mit der zweiten Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 begann und noch immer andauert. Wir fin­den das zum Beispiel in dem erwähnten Abschnitt Jeremia 30 und 31, wo die Rückkehr aus der babyloni­schen Gefangenschaft mit den zukünftigen Segnungen in Verbindung gebracht wird. Das gleiche finden wir in Hosea 3, wo das Volk in die Gefangenschaft zieht und diese Gefangenschaft erst mit dem zukünftigen König "David" endet. Auch in 5. Mose 28; 30 und 32, der großen Weissagung Moses, finden wir denselben Grundsatz: Wegen ihrer Untreue und ihres Abfalls wird die große Stadt fallen; das deutet sowohl auf die erste als auch auf die zweite Belagerung Jerusalems hin. Danach finden wir die (erste und die zweite) Gefangenschaft als eins gesehen und die Rückkehr mit dem Segen am Ende und der Wiederherstellung. Wir sehen zum Beispiel auch in Sacharja 2, 7. 8, wie Gott Sich nach der babylonischen Gefangenschaft wieder über das Volk erbarmt und das Volk von Babel nach Zion zurückkehrt; aber auch hier wird der erwähnte Segen erst in der Zukunft Wirklichkeit werden. Wir lesen dort: "Siehe, ich komme und werde in deiner Mitte wohnen ... und sie werden mein Volk sein; und ich werde in deiner Mitte wohnen" (Verse 10‑11). Wir haben bereits gesehen, daß das noch zukünftig ist.

 

Hier finden wir auch sogleich den Schlüssel zum Ver­ständnis dieser Verbindung der ersten und zweiten Gefangenschaft. Wie wir gesehen haben, ist das Volk in der Zeit zwischen der ersten und zweiten Gefangen­schaft ohne Herrlichkeit, ohne die Anwesenheit Gottes in seiner Mitte, und ist es nicht mehr das Volk Gottes. Lo‑Ammi ist nun sein Name. Wir müssen auch im Auge behalten, daß dieser Zeitabschnitt, über den wir nun sprechen, noch immer in die "Zeiten der Nationen" fällt, die erst mit dem Ende der zweiten Gefangenschaft auf­hören werden. Die Rückkehr des Überrests aus Babel ist auch keine Wiederherstellung der Nation, keine Wiederherstellung der besonderen Verbindung zwi­schen Israel und seinem Gott. Und wie gering war die Zahl der Menschen, die wirklich aus Babel zurück­kamen! Es war nur ein Bruchteil aller Juden, während der weitaus größte Teil in Babel blieb. Das war keine Wiederherstellung eines gesamten Volkes, sondern nur die Rückkehr einer kleinen Gruppe Juden, um einen jüdischen Staat zu errichten, der nach kurzer Zeit wieder zerschlagen wurde und aufs neue in Gefangen­schaft ging. "Kurze ZeiC, denn in der Heilsgeschichte der Bibel wird nur sehr wenig über diesen Zeitab­schnitt mitgeteilt. Vierhundert Jahre bleiben sogar völ­lig im Dunkeln. Was war denn der Zweck der Wieder­errichtung eines jüdischen Staates, der nach Gottes Gedanken doch kurze Zeit später wieder aufhören würde zu bestehen? Es hatte nur einen Zweck, und der ist äußerst wichtig! Gott bringt einen Überrest in das Land zurück, um diesem kleinen Überrest den Messias vorzustellen ‑ nicht in königlicher Würde, die Er in Zukunft öffentlich besitzen wird, sondern als den leidenden Knecht Jehovas. Das, und das allein ist nach dem Ratschluß Gottes der große Zweck der Rückkehr aus Babel: Ein zeitweiliger Aufenthalt eines jüdischen Volkes in dem verheißenen Land, damit in seiner Mitte der Messias geboren werden konnte. Und das, um einen Teil des Volkes einer letzten und zugleich größten Probe Gottes auszusetzen: ihr Verhalten gegenüber dem Gesalbten Jehovas. Wir wissen, wie das Volk in dieser größten Probe auch am schlimmsten gesündigt hat. Es verwarf seinen Messias und brachte Ihn um. Deshalb wurde das Volk durch das Gericht Gottes erneut vertrieben und Jerusalem erneut verwüstet. Dieses alles geschah während der Herrschaft der Na­tionen, während der "Zeiten der Nationen".

 

Die vier Weltreiche

 

Nachdem wir nun in aller Kürze versucht haben, den Charakter der Rückkehr aus Babel und den Wiederauf­bau Jerusalems zu schildern, können wir uns ein besse­res Bild von diesen Ereignissen machen. Vielleicht ist es gut, zuerst noch ein paar Worte über die "Zeiten der Nationen" zu sagen, in denen Gott die Regierung über die Erde in die Hände des Hauptes der Nationen gelegt hat. Wie bereits erwähnt, erstrecken sich diese "Zei­ten" von der Verwüstung Jerusalems durch Nebukad­nezar bis zur Wiederkunft des Messias, wenn Er das Friedensreich aufrichtet und der Macht der Nationen ein Ende bereitet. Diese "Zeiten der Nationen" kön­nen wir nach den vier bekannten aufeinanderfolgenden Weltreichen, nämlich dem babylonischen, dem medo­persischen, dem griechisch‑mazedonischen und dem römischen Weltreich in vier Zeitabschnitte einteilen. Die Zahl vier ist die Zahl der Erde. Man denke an die vier Himmelsrichtungen und die vier Enden der Erde. Sie umfaßt somit die Erde, und das ist passend, wenn wir an die vier Weltreiche denken, die in Gottes Heils­geschichte alle Völker umfassen, die innerhalb des prophetischen Gesichtskreises liegen. Aber die Zahl vier deutet auch noch auf etwas anderes hin: sie zeigt uns, daß die Weltmacht nicht in den Händen eines Volkes geblieben ist, in einer Dynastie, sondern im Lauf der Jahrhunderte auf vier Völker übergegangen ist. Gott, der die Weltherrschaft in die Hände der Völker gelegt hat, mußte sie dreimal einem anderen Volk übergeben, weil sich eins nach dem anderen dieser Macht un­würdig erwies, weil sie Dem, durch den sie diese Macht empfangen hatten, nicht die entsprechende Ehre gaben, sondern ihren eigenen Weg gingen. Die Untreue und der Ungehorsam, die Israel zu Fall brach­ten, sind auch den Herrschern über die Nationen nicht fremd geblieben, und darum kommt Gottes Gericht über sie genauso wie über Israel. Darum zeigen die zukünftigen Endszenen Gottes Gericht sowohl über Israel als auch über das letzte Weltreich, das Römische Reich. Beide haben ein gottloses Haupt: den Antichri­sten bzw. das Tier, die beide zusammen durch den Herrn Jesus bei Seinem Kommen vernichtet werden (Offb 19). Es ist ebenfalls wichtig zu sehen, daß sowohl Israel als das Haupt der Nationen (der römische Kaiser in seinem Stellvertreter Pilatus) an dem Tod des Messias schuldig geworden sind. Somit haben beide ge­meinsam das Maß ihrer Ungerechtigkeit voll gemacht und werden beide vertilgt werden. Wenn dann sowohl Israel als auch die Nationen in ihrem Auftrag versagt haben, was ist dann die Antwort Gottes? Dann wird Er Selbst einen Mann nach Seinem Herzen erwählen, einen Fürsten aus dem Haus Davids erwecken. Der wird ein Königreich aufrichten, das in Ewigkeit nicht zerstört werden wird und dessen Herrschaft keinem an­deren Volk überlassen werden wird (Dan 2, 44). Dieser wird herrschen über den Überrest Israels und den Überrest der Nationen.

 

Die Geschichte der Weltreiche finden wir bei den Pro­pheten, die von der Beiseitesetzung Israels ausgehen und über die Zwischenzeit sprechen, die Zeit, in der die Nationen die Herrschaft über die Erde von Gott empfangen haben, und das sind Daniel, Johannes (in der Offenbarung) und indirekt auch Sacharja. Sie sind somit scharf zu trennen von den Propheten, die wäh­rend der Zeit weissagten, als Israel noch mehr oder weniger von Gott als Sein Volk anerkannt wurde und als Sein Thron noch in Jerusalem stand. Hier ist der Feind des Volkes vor allem Assur, die Rute Gottes, die Jehova benutzt, um das abtrünnige Volk zu züchtigen wegen seiner Abgötterei, während zugleich über Assur selbst das Gericht ausgesprochen wird, als es sich eben­falls gegen Gott erhebt (u. a. durch Nahum). Daniel und Johannes sehen die Herrschaft in den Händen der Nationen, und zwar in den Händen des Hauptes der vier Weltreiche, und das bedingt natürlich ein völlig anderes Verhältnis zu Israel, das hier Lo‑Ammi ist, unter der Regierung des Hauptes der Nationen. (Siehe bezüglich des Unterschiedes dieser Weissagungen vor allem Kapitel 6).

 

Kurz, aber sehr übersichtlich finden wir die Geschichte der vier Reiche und des darauf folgenden Reiches Chri­sti in Sacharja 6, 1‑8 u. 13. Sie werden dort vorgestellt durch ihre vier Wagen. Der erste Wagen mit den roten Pferden stellt das babylonische Reich dar. Der zweite Wagen mit den schwarzen Pferden (die Meder und Per­ser) geht aus in das Nordreich, das heißt, daß diese Völker unter Cyrus Chaldäa und Babylon eroberten. Der Wagen mit den weißen Pferden geht ihm nach, das bedeutet, daß das griechisch‑mazedonische Reich unter Alexander dem Großen das gesamte medo‑persische Reich verschlang. Zum Schluß zieht der vierte Wagen mit gefleckten Pferden herauf nach Süden. Die Römer zogen in der Tat viel weiter südlich als die anderen Reiche; aber nicht nur der Süden zog sie, sondern die "starken" Pferde, mit größerer Macht ausgestattet als jedes andere Reich (obschon sie weniger eine Einheit bildeten, denn sie sind gefleckt ‑ vgl. Dan 2, 41), trachten danach, die Erde zu durchziehen. Das wird ihnen auch zugestanden.

 

Ausführlicher finden wir die ganze Geschichte in Da­niel, natürlich nicht aus rein historischem Blickpunkt betrachtet, sondern nach Gottes Gedanken hinsichtlich dieser Welt. So werden uns in diesen Kapiteln 3 und 4 von dem ersten und größten Haupt der Nationen, Ne­bukadnezar, gerade seine Selbstüberhebung und sein Hochmut sehr ausführlich geschildert. Er, dem Gott die höchste Ehre auf der Erde hatte zuteil werden lassen, reißt die Ehre an sich. Glücklicherweise kam er durch das Gericht Gottes wieder zur Besinnung und gab Gott die Ehre, die Ihm gebührt (Dan 4, 34‑37), aber der Schaden war schon entstanden und offenbarte sich in seinen Nachfolgern immer stärker. Sein "Sohn" (En­kel) Belsazar hat die Kenntnis von dem Gott des Him­mels offenbar völlig mißachtet, denn er rühmte "die Götter von Gold und Silber", so daß Daniel ihn an das Gericht erinnerte, das einst über Nebukadnezar kam, und ihm dann sagte: "Und du, Belsazar, sein Sohn, hast dein Herz nicht gedemütigt, obwohl du dieses alles gewußt hast. Und du hast dich über den HERRN DES HIMMELS erhoben; . . . Und du hast die Götter von Silber und Gold ... gerühmt, die nicht sehen und nicht hören und nicht wahrnehmen; aber den Gott, in dessen Hand dein Odem ist, und bei dem alle deine Wege sind, hast du nicht geehrt ... Gott hat dein Kö­nigtum gezählt und macht ihm ein Ende ... Du bist auf der Waage gewogen und zu leicht erfunden wor­den ... Dein Königreich wird zerteilt und den Medern und Persern gegeben" (Dan 5, 4. 22‑28). In derselben Nacht wurde Belsazar, der König der Chaldäer, getö­tet, dadurch, daß Babylon überraschend eingenommen wurde durch Cyrus oder Kores, den Perser (Vers 30). Das ist das Gericht, von dem Sacharja in Kapitel 6, 8 spricht, als der Engel zu ihm sagte: "Siehe, diejenigen, welche nach dem Lande des Nordens ausgezogen sind, lassen meinen Geist Ruhe finden im Lande des Nor­dens." Cyrus war so die Rute Gottes, um Belsazar zu strafen und auf diese Weise den Geist Gottes zur Ruhe zu bringen.

 

Cyrus ist der einzige Semit unter den Häuptern der Nationen, die uns in der Schrift genannt werden. So ist es auch ‑ menschlich gesprochen ‑ nicht verwunder­lich, daß gerade er es war, der den Juden die Erlaubnis gab, in ihr Land zurückzukehren und den Tempel wie­deraufzubauen (2. Chron 36; Esra 1). Auch an anderen Stellen spricht die Bibel über diesen Hirten und Ge­salbten Jehovas (Jes 44, 28; 45, 1). Die Eroberung des medo‑persischen Reiches durch Alexander wird von Daniel ausführlich geschildert, lange bevor sich diese Dinge ereigneten. In Kapitel 8 finden wir das Empor­kommen des dritten Reiches: Der Widder wird durch den aus Westen kommenden Ziegenbock zertreten, wogegen in Kapitel 11 direkter darüber gesprochen wird: "Siehe, es werden noch drei Könige in Persien aufstehen, und der vierte wird größeren Reichtum erlangen als alle; und wenn er durch seinen Reichtum stark geworden ist, wird er alles gegen das Königreich Griechenland aufregen. Und ein tapferer König wird aufstehen, und er wird mit großer Macht herrschen und nach seinem Gutdünken handeln. Und sobald er aufgestanden ist, wird sein Reich zertrümmert und nach den vier Winden des Himmels hin zerteilt wer­den . . . " (Verse 2‑4). Das spricht für sich selbst und wird durch die Geschichtsschreibung voll bestätigt. Nach Alexander zerfällt das Reich in vier Teile, und der Prophet geht der Geschichte von zwei Teilen nach, dem syrischen und dem ägyptischen Teil. In Vers 30 kommt zum erstenmal das vierte Reich zum Vorschein, wenn nämlich die "Schiffe von Kittim" von dem sy­rischen Fürsten herkommen. Vers 35 versetzt uns schließlich in die Endzeit; wir kommen darauf noch zu sprechen.

 

Es würde zu weit außerhalb unseres Themas liegen, wenn wir auf Einzelheiten dieser Geschichte weiter ein­gehen wollten. Es sei aber noch zum persönlichen Stu­dium die allgemeine Darstellung der vier Reiche emp­fohlen, nämlich erstens das große Bild in Daniel 2, mit dem Haupt von Gold, der Brust und den Armen von Silber, dem Bauch und den Lenden von Erz, und den Füßen mit den zehn Zehen, teils von Eisen und teils von Ton. Übereinstimmend damit finden wir in Kapitel 7 (doch mehr in ihrem wahren Charakter, so wie Gott sie sieht) die vier Tiere; den Löwen (vgl. Vers 4 mit Kap. 2, 37. 38 und 4, 16), den Bären mit den zwei Sei­ten (vgl. Vers 5 mit Kap. 2, 39: zwei Arme; und Kap. 8, 3. 4. 20: zwei Hörner), den Pardel mit vier Köpfen) vgl. Vers 6 mit Kap. 2, 39 und 8, 5. 21. 22; 11, 4: vier Hörner) und zum Schluß das schreckliche Tier mit den zehn Hörnern) vgl. Vers 7 mit Kap. 2, 40. 41: zehn Zehen). Dieses letzte Reich ist eines der großen The­men der Offenbarung, wenn wir in Kapitel 13 zehn Hörner und zehn Diademe finden und in Kapitel 17 zehn Hörner, die zehn Könige sind. In allen Beschrei­bungen ‑ und das ist sehr wichtig ‑ wird deutlich, daß die Geschichte der vier Reiche heute noch nicht abge­laufen ist, sondern daß sie ihr Ende bei dem Wieder­kommen Christi finden wird, wenn Er das vierte Reich ‑ und in diesem letzten auch die vorausgegangenen Reiche ‑ völlig vernichtet und Sein Friedensreich auf­richtet. In Daniel 2 ist es der Gott des Himmels, der dieses Königreich aufrichtet, in Daniel 7 der Sohn des Menschen (vgl. Mt 26, 64), in Sacharja 6 der Sproß, der große König‑Priester, in Offenbarung 17 ist es das Lamm, und zum Schluß, in Offenbarung 19, der Treue und Wahrhaftige, das Wort Gottes, der König der Kö­nige und Herr der Herren.

 

Die Prophezeiung über die siebzig Wochen

 

Soviel mag zu den vier Reichen genügen. Vor allem geht es um ihre Beziehung zu Israel, das wir während der Heilsgeschichte allen Reichen unterworfen sehen, bis der Überrest Israels bei der Wiederkunft Christi aus der Macht der Nationen erlöst wird und ‑ aufs neue ‑der Mittelpunkt der Regierung Gottes auf der Erde wird, nun in der Person des Messias Selbst. Bis zu diesem Augenblick ist Jerusalem seit seinem Fall im Jahr 589 v. Chr. eine Stadt ohne die Herrlichkeit Gottes im Tempel, ja sogar meistens ohne einen Tem­pel. Und doch ist diese Stadt auch in dieser Zeit ‑ oder besser gesagt: in diesen "Zeiten der Nationen" ‑ häufig der Gegenstand besonderer Offenbarungen Gottes ge­wesen. Denn während dieser "Zeiten" ist der Überrest aus Babel in die Stadt zurückgekehrt und ferner der Messias erschienen, nicht in erster Linie in königlicher Würde, sondern als demütiger Erlöser (Sach 9, 9). In dieser Stadt ist auch die Versammlung entstanden und das erste christliche Zeugnis aufgerichtet worden, von den dramatischen Endereignissen, die in dieser Stadt noch stattfinden werden, bevor "die Zeiten der Na­tionen erfüllt sein werden" (Lk 21, 24) und der Messias kommt, ganz zu schweigen.

 

Das erste dieser Ereignisse, die Rückkehr aus Babel, verdient nun ein eingehenderes Studium. Wir haben be­reits betont, daß diese Rückkehr eines sehr kleinen Tei­les des Volkes durchaus nicht die wesentliche Erfüllung der Prophezeiungen ist (natürlich mit Ausnahme der Prophezeiung Jeremias über die siebzig Jahre), sondern lediglich eine zeitweilige Wiederherstellung einer klei­nen Gruppe von Juden in ihrem Land, um ihnen den Messias vorzustellen, nicht als den König, sondern als den leidenden Knecht Jehovas. Sie ziehen jedoch, wie wir wissen, das Oberhaupt der Nationen (den Rö­mischen Kaiser) ihrem Messias vor (Joh 19, 15), stellen sich unter seine Autorität, erleiden dafür durch ihn das Gericht. Danach wird auch dieser letzte Teil des Volkes bis zum Ende der Zeiten völlig der Herrschaft der Nati­onen überliefert, die sie selbst erwählt hatten. Diese Grundsätze sind wesentlich für das Verstehen der "Rückkehr"‑Prophezeiungen und der Wiederherstellung des Volkes nach der babylonischen Gefangenschaft. Übri­gens war auch diese Wiederherstellung nichtsdestoweni­ger das Werk Gottes Selbst, denn sie war von Jeremia prophezeit. Da wir nun hinter der Geschichte stehen und das ganze geoffenbarte Wort Gottes besitzen, ken­nen wir auch die Gründe für diese Rückkehr.

 

Die Vorbereitung zu dieser Rückkehr aus Babel besteht im besonderen aus einem Werk Gottes in den Herzen der Juden in Babel, die ihrem Gott treu sind. Dafür haben wir besonders ein Vorbild in der Person des Pro­pheten Daniel, der nicht nur nach der Rückkehr in das Land und damit nach der Erfüllung der Prophezeiun­gen verlangte, sondern der auch insbesondere über die Schuld und den verdorbenen Zustand des Volkes Leid trug. In Daniel 9 finden wir sein demütiges Schuldbe­kenntnis. Aber wir sehen da auch, wie Gott jemandem, der in solch großer Not zu Ihm ruft, eine herrliche Ant­wort gibt, die mit der Prophezeiung über die siebzig Jahrwochen verbunden ist. Die Antwort an diesen viel­geliebten Mann (Dan 9, 23; 10, 11. 19) ist so tief und so wichtig, daß sogar wir diese Antwort noch immer nötig haben, um auch nur etwas von der weiteren Geschichte Jerusalems, ja von der ganzen Prophetie zu verstehen. Daniel ist der begnadigte Mann, der diese Schlüsselpro­phezeiung empfängt, eine Prophezeiung über die Stadt und den Tempel, die ihm so nahe am Herzen lagen, eine Prophezeiung, die sich bis in die ferne Endzeit erstreckt, bis zu dem Augenblick, da die Ungerechtigkeit des Vol­kes und der Stadt gesühnt werden. Es ist eine Prophezei­ung, die sogar von Dem spricht, durch den Gerechtig­keit über das Volk und die Stadt kommen wird.

 

Wir wollen uns mit dieser so wichtigen Prophezeiung et­was näher beschäftigen. Sie umfaßt einen Zeitabschnitt von siebzig "Siebenergruppen", die über das Volk Israel und die Stadt Jerusalem bestimmt sind. Aus dem Zusam­menhang und durch einen Vergleich mit 3. Mose 25, 8 ist deutlich, daß mit diesen "Siebenergruppen" Zeitab­schnitte von sieben Jahren gemeint sind. Noch deutlicher wird das, wenn wir sehen, daß mit der letzten halben "Jahrwoche", wie aus anderen Schriftstellen ersichtlich ist, dreieinhalb Jahre gemeint sind (Dan 7, 25; 12, 7. 11. 12; Offb 11, 2. 3; 12, 6. 14). Um nun diesen Zeitabschnitt von siebzig Jahrwochen (das sind also siebzig mal sieben ‑‑ 490 Jahre) gut zu verstehen, müssen wir fragen, wann dieser Zeitabschnitt beginnt und wann er endet.

 

a) Der Beginn

In Daniel 9, 25 lesen wir deutlich, daß die siebzig Jahr­wochen mit dem Zeitpunkt beginnen, wenn das Wort ausgeht, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen. Wann war dieser Zeitpunkt? Wir lesen in der Bibel, daß Serubbabel nach Palästina zurückkehrte mit dem Ziel und dem Befehl Kores', den Tempel wiederaufzu­bauen, aber wir lesen nichts von einem Befehl zum Wiederaufbau der Stadt. Man begann zwar mit dem Wiederaufbau der Stadt, aber das geschah gegen den Befehl des Königs von Babel (Esra 4). Esra erhielt ebenfalls lediglich einen Befehl, den Tempel wiederauf­zubauen. Erst Nehemia bekommt von dem König einen Befehl und die Zustimmung, die Stadt selbst wie­deraufzubauen, wie wir in Nehemia 2 lesen. Also ist das 20. Jahr des Königs Artasasta (Neh 2, 1) der Be­ginn der siebzig Jahrwochen. Das muß ungefähr das Jahr 445 vor Christus gewesen sein.

 

b) Das Ende

In Daniel 9, 24 lesen wir, daß die siebzig Wochen sich bis zu dem Augenblick erstrecken, da die Übertretung zum Abschluß gebracht, der Sünde ein Ende gemacht und die Ungerechtigkeit gesühnt ist. Es ist deutlich, daß das im Grundsatz auf dem Kreuz von Golgatha ge­schehen ist. Aber das Volk als Ganzes ist noch nicht mit Gott versöhnt, obwohl viele Juden bereits versöhnt und in die Versammlung aufgenommen sind. Hier geht es jedoch um die Versöhnung des gesamten Volkes, und wir wissen aus Römer 11, 25. 26, daß das erst gesche­hen wird, wenn die "Vollzahl der Nationen" eingegan­gen ist und wenn aus Zion der Erretter kommen und die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden wird, dann wird ganz Israel errettet werden. Darüber hinaus sagt Daniel 9, 24, daß die siebzig Wochen durch das Einfüh­ren einer ewigen Gerechtigkeit, durch das Versiegeln (Abschließen) von Gesicht und Propheten (also das Ende und die Erfüllung der Prophetie) und durch die Salbung eines Allerheiligsten (des neuen Heiligtums) abgeschlossen werden. Es steht außer Zweifel, daß diese Rechte allein Bezug haben können auf die Wie­derkunft Christi, in dem alle Prophezeiungen ihre Erfüllung finden, der eine ewige Gerechtigkeit auf der Erde stiften und einen neuen Tempel errichten wird. Zusammenfassend sehen wir also, daß die siebzig Wochen mit dem Wort Artasastas, Jerusalem wiederauf­zubauen, beginnen und mit der Errichtung des Frie­densreiches bei dem Kommen Christi enden.

 

Hier stoßen wir jedoch auf eine scheinbare Schwierig­keit. Es ist wahr, daß siebzig Wochen 490 Jahre sind. Aber seit Nehemia sind schon viel mehr als 490 Jahre vergangen (nämlich ungefähr 2400 Jahre), und noch immer hat die Wiederkunft Christi nicht stattgefunden. Wenn wir diese siebzig Wochen jedoch etwas näher be­trachten, löst sich die Schwierigkeit schnell. Wir sehen nämlich, daß die ersten neunundsechzig Wochen zu­sammengehören, während die siebzigste Woche einen völlig gesonderten Platz einnimmt. Die allerersten sie­ben Wochen (49 Jahre) umfassen den Zeitabschnitt der Wiederherstellung Jerusalems; diese Periode wird uns im Buch Nehemia beschrieben und führt uns zu dem Ende der geschichtlichen Linie des Alten Testaments. Die zweiundsechzig Wochen, die dann auf diese sieben Wochen folgen, schlagen die Brücke zum Neuen Testa­ment. Ja, wir lesen, daß die zweiundsechzig Wochen sich bis auf den Messias, den Fürsten, erstrecken, so daß also die ersten neunundsechzig Wochen mit dem Kommen Christi enden ("Christus" heißt Gesalbter und bedeutet dasselbe wie "Messias").

 

Danach finden wir eine sehr bemerkenswerte Tatsache. Nach neunundsechzig Wochen wird nämlich die ge­schichtliche Linie offensichtlich unterbrochen, denn es werden eine Reihe von Ereignissen genannt, die aus­drücklich nach den neunundsechzig Wochen stattfin­den, aber zugleich vor der siebzigsten Woche, über die erst in Vers 27 gesprochen wird. Das ist sehr merk­würdig, und wir müssen uns das gut einprägen. Die eigentlichen Ereignisse der Verse 26 und 27 werden später ausführlich besprochen, aber schon jetzt weisen wir auf die Hauptlinie hin, die durch diese Prophezei­ungen läuft, damit die wichtige Tatsache des Aufschubs der siebzigsten Woche ganz deutlich wird. Vielleicht denken einige, daß es wohl etwas sonderbar ist, daß diese siebzigste Woche nicht direkt auf die anderen Wochen folgt, sondern für so lange Zeit aufgeschoben wird (bis kurz vor die Wiederkunft Christi). Die Pro­phetie gibt jedoch selbst die Lösung für diese sonder­bare Tatsache. Wir lesen ja in Vers 26, daß nach den neunundsechzig Wochen der Messias weggetan wird. Gerade das ist das Sonderbare dieser Prophezeiung; denn ein Messias‑Fürst, ein gesalbter König, regiert eigentlich über ein Königreich, doch dieser Messias wird weggetan. Deshalb folgt dann auch: " . . . und wird nichts haben". Christus war gekommen, um das Friedensreich aufzurichten, doch statt dessen wird Er von Seinen Untergebenen verworfen und muß für eine Zeitlang auf Sein Königreich verzichten und es den Händen der Menschen überlassen. Ohne Königtum und ohne Königreich zu besitzen,‑ wird der Messias durch Sein Volk weggetan (ausgerottet). Deshalb wird die Errichtung des Friedensreiches für lange Zeit auf­geschoben, und damit auch die siebzigste Woche, die ja direkt dem Friedensreich vorausgeht (vgl. Vers 24). Erst in der Endzeit, nach den umwälzenden Ereignis­sen von Vers 26, die immer noch anhalten, beginnt die siebzigste und letzte Woche, die mit der "Einführung einer ewigen Gerechtigkeit" abgeschlossen wird, durch die Wiederkunft des ausgerotteten (aber auferstande­nen) Messias. Wir lesen deutlich in Vers 26, daß in die­ser Zwischenzeit die Stadt und der Tempel verwüstet würden (was auch in der Tat im Jahr 70 n. Chr. durch den römischen Feldherrn Titus geschehen ist) und daß danach Krieg sein würde BIS ANS ENDE. Dann erst, in der Zeit des Endes, beginnt die siebzigste Woche. Woran nun wird man sicher erkennen können, daß die siebzigste Woche beginnt? Weil sie beginnt mit einem Bündnis zwischen dem "er" aus Vers 27 (das bezieht s auf den Fürsten des römischen Volkes, der im Jahre nach Christus die Stadt und den Tempel verwüstet hatte) und "den Vielen" (das ist in Daniel immer Masse des jüdischen Volkes, siehe 11, 33. 39; 12, 3). Wenn also einmal ein Bündnis für sieben Jahre schlossen werden wird zwischen dem Fürsten des wiederhergestellten Römischen Reiches und dem jüdischen Volk, das in sein Land zurückgekehrt ist, dann werden wir wissen, daß die siebzigste Woche begonnen hat ‑ wenn die Versammlung dann nicht überhaupt schon aufgenommen ist. Für unser weiteres Studium ist es also wichtig zu verstehen, daß die siebzigste Woche noch nicht vorbei ist und noch völlig auf ihre Erfüllung wartet, und zwar aus folgenden Gründen:

a) der Tempel ist noch immer verwüstet,

b) "das Ende" ist noch nicht gekommen,

c) es gibt noch keinen römischen Fürsten über ein wiederhergestelltes Römisches Reich, also auch noch kein Bündnis mit dem jüdischen Volk,

d) die Sünde des jüdischen Volkes als Volk ist noch nicht abgeschlossen,

e) die ewige Gerechtigkeit über das jüdische Volk noch nicht gekommen,

f) es gibt noch kein wiederhergestelltes Heiligtum, das gesalbt worden wäre.

 

Die Ereignisse in dieser letzten Jahrwoche umfassen einen großen Teil der Prophezeiungen. Die Bespre­chung dieser Prophezeiungen müssen wir auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

 

Der große König

 

Einige Jahrhunderte, nachdem ein Überrest Israels aus Babel zurückgekehrt ist, sehen wir, wie Gott Seinen Messias dem Volk vorstellt. Aber wir sehen leider auch, daß Jerusalem den König verwirft, wie es bereits von den Propheten vorhergesagt worden war (siehe z. B. Jes 8, 13‑15 und noch ausführlicher Sacharja 11). Die Verdorbenheit der Herzen der Isra­eliten, ja auch die der Nationen, wird völlig offen­bar, als der Messias, der Herr Jesus, außerhalb der Tore Jerusalems von dem Volk in Verschwörung mit den Nationen an das Kreuz genagelt wird und dort stirbt. Dies ist die Erfüllung der Worte aus Daniel 9, wo gesagt wird, daß der Messias ausgerottet werden und nichts haben würde. Aber wir sehen, wie der Messias nach drei Tagen aus dem Grab aufersteht und Seinen Jüngern erscheint, um ihnen zu erklären, warum dies Leiden und Sterben nötig war und wie es die Grundlage für die zukünftige Herrlichkeit sein würde, die Er haben wird, wenn Er zu Seinem Volk zurückkehrt.

 

In diesem Zusammenhang wird ein letztes Zeugnis durch die Apostel an Jerusalem und an das ganze Volk gerichtet mit der Verheißung, daß, wenn sie jetzt noch den Messias annehmen würden, Er vom Himmel wie­derkäme, um das Friedensreich aufzurichten. Erst nachdem dieses Zeugnis abgewiesen ist, wird Jerusa­lem für lange Zeit aufs neue beiseite gestellt. Das neue Gericht über Israel findet seinen Höhepunkt in einer erneuten Verwüstung Jerusalems. Einst hatten die Juden gerufen: "Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!" (Mt 27, 25).

 

Damit zogen sie sich das Gericht zu, über das die Pro­pheten bereits gesprochen hatten. An verschiedenen Stellen in den Prophezeiungen sehen wir, wie die Ver­werfung des Messias mit der Verwüstung der Stadt und der Zerstreuung der Juden verbunden ist. Wir nannten als Beispiel schon Daniel 9, 26, wo wir beide Tatsachen finden: "Und nach zweiundsechzig Wochen wird der Messias weggetan werden und nichts haben. Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören, und das Ende davon wird durch die überströmende Flut sein; und bis ans Ende: Krieg, Festbeschlossenes von Verwüstungen." Hier wird über das römische Volk gesprochen (das in Zukunft einen Fürsten haben wird, von dem in Vers 27 die Rede ist), das Jerusalem und den Tempel verwüstet hat, nachdem der Messias ausgerottet war, ohne Sein Königreich in Besitz zu nehmen.

 

In Sacharja 13 finden wir etwas Ähnliches (Verse 5‑7), doch hier wird der Verwerfung durch die Juden auch das Gegenstück hinzugefügt: die Verwerfung des Hir­ten von Gott Selbst: "Und er [der Messias] wird spre­chen: Ich bin kein Prophet, ich bin ein Mann, der das Land bebaut; denn man [Adam = ein Mensch] hat mich erkauft [als Sklaven] von meiner Jugend an. Und wenn jemand zu ihm spricht: Was sind das für Wunden in deinen Händen? so wird er sagen: Es sind die Wun­den, womit ich geschlagen worden bin im Hause derer, die mich lieben. Schwert erwache wider meinen Hirten und wider den Mann, der mein Genosse ist! spricht Jehova der Heerscharen; schlage den Hirten, und die Herde wird sich zerstreuen. Und ich werde meine Hand den Kleinen zuwenden." Christus ist der Mann, der kam, um auf einem verfluchten Erdboden die "Müh­sal seiner Seele" zu erdulden, verworfen vom Hause de­rer, die Ihn liebten; man ließ Ihm die Nägel durch Seine Hände schlagen. Er wurde von Jehova in das Gericht ge­bracht, obwohl Er Sein Genosse war. Die Folgen sind zweifach: eine Zerstreuung der Schafe (wie es im Jahr 70 geschehen ist), und zugleich eine Heilsbotschaft an die "Kleinen", die Geringen, die "Elenden" der Herde (Kap. 11, 7), den Überrest aus Israel.

 

In Micha finden wir wieder neue Aspekte. Sehr be­kannt ist natürlich der erste Vers aus Kapitel 5, doch wird er sehr wenig in seinem richtigen Zusammenhang gelesen. Es ist ein Zwischensatz, der über den mensch­lichen Ursprung (aus Bethlehem) und den göttlichen Ursprung (von Ewigkeit) des Messias spricht, des Herr­schers über Israel; dieser Zwischensatz steht in der Mitte eines Abschnittes, der von den Juden und ihrem Messias handelt. Ab Kapitel 4, 14 beginnt nämlich eine Art Anhang (bis Kap. 5, 14), in dem Assur als der große zukünftige Feind Israels im Mittelpunkt steht; in Zukunft wird er gegen den jüdischen Staat ziehen, und es ist Gott Selbst, der in Kapitel 4, 14 zu ihm sagt: "Nun dränge dich zusammen, Tochter des Gedränges." Das geschieht auch, denn der Überrest sagt dann: "Man hat eine Belagerung gegen uns gerichtet." Der Assyrer wird Jerusalem einschließen, wie wir später se­hen werden; aber sofort darauf folgt ein wichtiger Satz, mit dem der Prophet selbst die Ursache alles Elends angibt, das über Jerusalem kommt: "Mit dem Stabe schlagen sie den Richter Israels auf den Backen!" Die Verwerfung des Richters Israels durch die Juden ist die Ursache des Elends über Jerusalem und das Volk; und nach dem Zwischensatz in Kapitel 5, 1 fährt der Pro­phet fort: "Darum wird er sie dahingeben bis zur Zeit, da eine Gebärende geboren hat." Nach der Verwerfung des Messias wird das Volk sich selbst überlassen und kommt in große Kindesnöte, über die Kapitel 4, 9. 10 spricht; das ist die gegenwärtige Zeit, und vor allem der letzte Teil dieser Haushaltung, die also schließlich mit dem Einfall des Assyrers und der Erlösung durch den Messias endet (Kap. 5, 2b‑5).

 

Weitere alttestamentliche Zeugnisse

 

Es gibt noch weitere direkte alttestamentliche Zeug­nisse über die Verwüstung Jerusalems, aber die stehen doch immer in Verbindung mit der ersten Verwüstung durch Nebukadnezar. In der prophetischen Linie der Heilsgeschichte werden diese beiden Verwüstungen im­mer als eine gesehen, und das ist auch gut zu verste­hen. Die erste Verwüstung war nämlich ‑ wie bereits er­wähnt ‑ noch keine endgültige Verwüstung, denn es gab eine Verheißung der Wiederherstellung nach kurzer Zeit (nämlich nach 70 Jahren), wenn auch diese Wie­derherstellung letzten Endes nur einen sehr kleinen Teil der Gefangenen aus Babel betraf. Erst nachdem dieser kleine Teil den Messias verworfen hatte und das Maß der Schuld auf diese Weise vollgemacht war, wurde diese Verwüstung vollständig und endgültig, mit einer Verheißung der Wiederherstellung, die erst in der Endzeit erfüllt werden würde.

Genau wie die "Rückkehrprophezeiungen" eine teil­weise Erfüllung bei der Rückkehr aus Babel hatten und erst vollständig in der Endzeit erfüllt werden, ebenso haben auch die "Verwüstungsprophezeiungen" mehrere Erfüllungen: teilweise sind sie erfüllt wor­den im Jahre 589 v. Chr., und vollständig im Jahre 70 n. Chr., während wir daneben noch sehr gut die Pro­phezeiungen unterscheiden müssen, die von den beiden Belagerungen (nicht völligen Verwüstungen) sprechen, die Jerusalem in naher Zukunft noch durchmachen muß; darüber werden wir noch sprechen. Gute Bei­spiele solch einer "Verwüstungsprophezeiung" haben wir in Hesekiel 16 und 22, wo wir natürlich in erster Linie an die Verwüstung durch Nebukadnezar denken müssen; doch in beiden Fällen erstreckt sich die Pro­phezeiung bis zur Endzeit. In Hesekiel 16 sehen wir, daß es unendlichen Segen für Jerusalem geben wird, denn Jehova sagt: "Doch ich will gedenken meines Bundes mit dir in den Tagen deiner Jugend, und ich will dir einen ewigen Bund errichten" (Vers 60); das ist in Zukunft, denn der neue, ewige Bund wird im Frie­densreich geschlossen (Jer 31, 32). Aber dann hat die Prophezeiung also auch Bezug auf die Verwüstung im Jahr 70 n. Chr., denn damals wurde das Gericht erst vollständig ausgeführt. Dasselbe sehen wir in Kapitel 22, 1‑22, wo gesagt wird, daß Jerusalem nach dem Ge­richt über die Stadt den Nationen zum Hohn und allen Ländern zum Spott werden würde (Vers 4), daß die Be­wohner unter die Nationen versprengt und in die Länder zerstreut werden würden und durch ihr eigenes Dazutun vor den Augen der Nationen entweiht würden (Verse 15. 16); auch das ist erst vollständig Wirklichkeit geworden nach der Verwüstung im Jahr 70 n. Chr.

 

Vielleicht finden wir in 5. Mose 28 in der Rede Moses' wohl die unmittelbarste und genaueste Beschreibung des Falles Jerusalems im Jahr 70 n. Chr., besonders in den Versen 49‑68. Da sehen wir ein Volk, das von ferne gegen die Städte Israels heraufzieht; herbeifliegend wie ein Adler (den die Römer als Nationalsymbol auf ihrer Flagge hatten) würde es das Volk zugrunde richten. Die Mauern der Städte würden nach einer Belagerung fallen. Das Volk würde so schrecklich bedrängt werden, daß sie die Frucht ihres Leibes essen würden! Sie würden vertilgt werden und zu wenigen übrigbleiben, die unter die Nationen zerstreut werden würden, ohne jemals Ruhe zu finden. Viele von ihnen würden nach Ägypten geführt werden, ohne daß ein Käufer da sein würde. Das alles ist buchstäblich im Jahr 70 n. Chr. und nachher in Erfüllung gegangen.

 

Die Voraussagen des Herrn

 

Die ausführlichsten Prophezeiungen über die Zerstö­rung durch Titus finden wir natürlich im Neuen Testa­ment, und zwar aus dem Mund des Herrn Jesus. Zu allererst nennen wir das Gleichnis vom Hochzeitsmahl in Matthäus 22, 1‑14. Da ist die Rede von einer Stadt, die von ihrem König zum Hochzeitsmahl des Königs­sohnes eingeladen wird. Die Bürger der Stadt lehnen jedoch die Einladung ab und töten sogar die Knechte des Königs. Was muß der König mit der sündigen Stadt tun? "Der König aber ward zornig und sandte seine Heere aus, brachte jene Mörder um und steckte ihre Stadt in Brand" (Vers 7). Das ist das Gericht über Jerusalem: die Stadt würde ein Raub der Flammen wer­den, weil sie die Botschaft des Heils verworfen hatte. In direkter Weise spricht der Herr über dieses Gericht in Lukas 19: "Denn Tage werden über dich kommen, da werden deine Feinde einen Wall um dich aufschüt­ten und dich umzingeln und dich von allen Seiten einengen; und sie werden dich und deine Kinder in dir zu Boden werfen und werden in dir nicht einen Stein auf dem anderen lassen, darum daß du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast" (Verse 43. 44). Sie begriffen nicht, was sie verachteten und schlugen in ihrer Verdorbenheit das Heil Christi aus. Darum mußte diese Stadt zerstört werden, weil sie die Gnadenzeit nicht erkannt hatte.

 

Die Zerstörung war also unumgänglich ‑ die Schuld des Volkes war groß und der Herr Selbst hatte es voraus­gesagt. Wir müssen jedoch bedenken, daß diese Ankündi­gung des Gerichts nie und nimmer die Verheißungen ungeschehen machen konnte, die einmal den Erzvätern gegeben worden sind. Gott hatte Seinen Auserwählten diese Verheißungen ohne Bedingungen und in Gnade gegeben. Sie sind der unerschütterliche Grund für die zukünftige Segnung des Volkes (Micha 7, 18‑20). Ge­rade hierauf gründet Paulus seine Beweisführung in Römer 9‑11. Das Volk Israel konnte unmöglich auf im­mer von Gott beiseite gestellt worden sein, denn sie sind "hinsichtlich der Auswahl aber Geliebte, um der Väter willen. Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar" (Röm 11, 28. 29). Deshalb bleibt eine Verheißung des Segens für Israel bestehen, obwohl das Volk nun gefallen und das Heil zu den Na­tionen gekommen ist. "Denn ich will nicht, Brüder, daß euch dieses Geheimnis unbekannt sei ... : daß Verstockung Israel zum Teil widerfahren ist, BIS die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird; und also wird ganz Israel errettet werden, wie geschrieben steht: ,Es wird aus Zion der Erretter kommen, er wird die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden; und dies ist für sie der Bund von mir, wenn ich ihre Sünden wegneh­men werde"' (Röm 11, 25‑27). Israel ist heutzutage größtenteils verhärtet, aber das bleibt nicht so. Wenn eine Vollzahl aus den Nationen Teil bekommen hat an dem Baum der Verheißung, dann wird das wahre Israel ganz errettet werden. Es bleibt also ein "BIS", und dieses bedeutungsvolle Wort ist der Schlüssel für den zukünftigen Segen Israels. Auch der Herr Jesus gebraucht dieses Wort, wenn Er über die bevorste­hende Verwüstung Jerusalems spricht, um das Ende des Zeitabschnitts der Beiseitestellung Israels zu be­zeichnen. So lesen wir in Matthäus 23, 37‑39 (vgl. auch Lk 13, 34. 35): "Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen; denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, BIS ihr sprechet: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!‑ Diese Prophezeiung umfaßt drei Teile: erstens die Verwerfung durch das Volk; zweitens würde das Haus der Juden (denn es war nicht mehr das Haus Seines Vaters) verwüstet werden und lange Zeit ver­wüstet bleiben, und drittens würden sie den Herrn nicht mehr sehen. Doch einmal würde das Volk wieder dasselbe ausrufen, was auch bei Seinem Einzug in Jerusalem gerufen wurde (Mt 21, 9), wenn nämlich der Messias wiederkommt und aufs neue Seinen Einzug in Jerusalem hält (Ps 24 und 118). Erst bei diesem Ein­zug wird wirklich den Völkern Frieden verkündet wer­den, und Er wird herrschen bis an die Enden der Erde (Sach 9, 9. 10).

 

Verheißungen der Wiederherstellung

 

Dieses hoffnungsvolle "BIS", das das Ende der Verwü­stung Jerusalems und der Verwerfung Israels in sich schließt, finden wir genauso im Alten Testament. Wir führen einige Prophezeiungen an, die über die Verwü­stung Jerusalems sprechen, verbunden mit der endgülti­gen Wiederherstellung in der Endzeit. In Jesaja 32 haben wir ab Vers 9 eine eindringliche Ankündigung des bevorstehenden Gerichts, das über Jerusalem kommen würde. Sie endet folgendermaßen: "Denn der Palast ist aufgegeben, verlassen das Getümmel der Stadt; Ophel und Wartturm dienen zu Höhlen auf ewig, zur Freude der Wildesel, zum Weideplatz der Herden ‑ BIS der Geist über uns ausgegossen wird aus der Höhe" (Verse 14. 15). Diese Einsamkeit der Stadt wird beendet wer­den, wenn der Heilige Geist auf dieses Volk ausgegossen wird, wie es in Joel 2, 28‑32 und Hesekiel 36, 27 be­schrieben ist. Dann wird die herrliche Zeit des Segens beginnen, in der Friede und Gerechtigkeit auf der Erde wohnen und das Volk Gottes ungestört Ruhe genießt. Dasselbe finden wir in Hesekiel 21, 18‑27 wo die Verwü­stung durch Nebukadnezar und die durch Titus als eins gesehen werden. Schrecklich würde das Gericht Gottes über diese Stadt sein, und schließlich würde nur ein Trümmerhaufen übrig bleiben. Doch dann lesen wir in Vers 32: "Auch dies wird nicht mehr sein ‑ BIS der kommt, welchem das Recht gehört: dem werde ich's ge­ben." Der Fluch, der auf dieser Stadt ruht, wird erst weggenommen werden, wenn der Messias kommt, der über sie herrschen wird.

 

Wenn auch nicht das Wort "bis", so finden wir doch denselben Gedanken in Micha 3, 9 ‑ 4, 5. Wichtige Grundsätze, die wir schon an anderer Stelle kennenge­lernt haben, werden auch hier wieder nacheinander entfaltet. Zuerst der schreckliche Zustand der Führer des Volkes, die Zion mit Blut und Jerusalem mit Un­recht bauten; Verderbtheit und Scheinheiligkeit be­herrschten die Stadt. Was also muß die Antwort Gottes sein? "Darum wird euretwegen Zion als Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Trümmerhaufen und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden" (Vers 12). Aber ist das das Ende? Nein, denn Kapitel 4 folgt un­mittelbar darauf: "Und es wird geschehen AM ENDE DER TAGE, da wird der Berg des Hauses Jehovas feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein über die Hügel“ Danach folgt die Beschreibung des Friedensreiches (die wir auch aus Jesaja 2 kennen), wenn der Jehova‑Messias zwischen vielen Völkern rich­ten wird, wenn sie den Krieg nicht mehr lernen werden und das Volk Gottes wandeln wird im Namen Jehovas, seines Gottes, immer und ewig.

 

Wie können dann so viele Menschen in unseren Tagen sagen, daß es für das irdische Volk Gottes keine Zu­kunft mehr gibt? Ist nicht die Verheißung an Abraham unbereubar? Ist nicht das Wort des Herrn unerschütter­lich? Und kann das Wort des Propheten verändert wer­den? Das Gegenteil stimmt! Die Christen ‑ und es gibt leider zahllose davon ‑, die sich anmaßen, alle Segnun­gen Israels übernommen zu haben, verstehen nicht, wie die Lage wirklich ist. Denn entsprechend der un­mißverständlichen Prophezeiung in Römer 11 sehen wir zwar, daß von dem Baum der Verheißung einige Zweige abgebrochen worden sind wegen ihres Un­glaubens (der verhärtete Teil Israels) und daß wir als wilde Zweige eingepfropft worden sind; doch wenn diese wilden Zweige auch nicht in der Güte Gottes bleiben (was inzwischen tatsächlich der Fall ist!), wer­den sie Seine Strenge kennenlernen, die Er auch den natürlichen Zweigen zeigte. Sie werden nicht ver­schont, sondern abgehauen werden, wonach Israel aufs neue eingepfropft wird. Ein Überrest aus Israel und die Vollzahl aus den Nationen wird in der gegenwär­tigen Zeit verschont, aber dann wird die Christenheit abgehauen und ganz Israel gerettet. Die Wirklichkeit verläuft manchmal anders, als der Mensch denkt; nicht die Christenheit hat die Zukunft (abgesehen natürlich von der himmlischen Zukunft der wahren Versamm­lung), sondern Israel. Das ist die wunderbare, uner­schütterliche Verheißung der Prophezeiungen.

 

Jetzt leben wir in der Zeit nach der Verwüstung Jerusa­lems, in der Zeit, in der die Versammlung gesammelt wird. Das finden wir vorbildlich in Jesaja 8, 14‑18; auch hier sehen wir wieder zuerst das Gericht über die Be­wohner Jerusalems (Verse 14. 15) und danach den Menschen Christus als den verworfenen, der auf Jehova vertraut, mit den Kindern, die Jehova ihm gegeben hatte, die zu Zeichen in Israel sein würden. Entspre­chend dem deutlichen Hinweis in Hebräer 2, 11‑13 handelt es sich hier um die Zeit der Versammlung, in der nur ein Überrest aus Israel errettet wird (Röm 11, 5); und wenn wir diesen Abschnitt aus Hebräer 2 hier her­anziehen, dann sehen wir auch hier wieder den Gedan­ken des erwartungsvollen "Bis"; ja, in den Versen 5‑9 wird uns dargelegt, daß der Herr, der nun inmitten der Versammlung gesehen wird, noch nicht als Derjenige gesehen wird, dem alles unterworfen ist. Aber einmal wird Er, der verworfene Menschensohn aus Psalm 8, der für eine kurze Zeit unter die Engel erniedrigt war, über den zukünftigen Erdkreis herrschen; Gott stellt Ihn über die Werke Seiner Hände.

 

Zum Schluß gibt uns die Prophezeiung des Herrn in Lukas 21 eine gute Gelegenheit zu einer Zusammenfas­sung des Besprochenen. Diese übersichtliche Prophe­zeiung umfaßt die folgenden Ereignisse (Verse 20‑27):

1. Jerusalem wird von Kriegsheeren umzingelt werden; das bedeutet die Verwüstung der Stadt.

2. Der gläubige Überrest in Judäa und Jerusalem wird auf die Berge fliehen.

3. Dann folgen die Tage der Rache über Jerusalem, in Übereinstimmung mit der Prophetie.

4. Die Juden fallen durchs Schwert und werden als Ge­fangene unter alle Völker weggeführt.

5. Jetzt leben wir in der Zeit, in der Jerusalem von den Nationen zertreten wird.

6. Aber es gibt wieder ein "BIS"! Das Gericht über Jerusalem endet, wenn "die Zeiten der Nationen" erfüllt sind; wie bereits früher gesagt, ist dies der Zeitabschnitt der Herrschaft der Nationen, im be­sonderen der vier Weltreiche. Die gegenwärtige Wiederherstellung des Staates Israel weist darauf hin, daß diese Zeiten der Nationen bald erfüllt sein werden (vgl. Verse 29‑31).

7. Das Ende dieser Zeiten wird durch furchtbare Zei­chen gekennzeichnet, durch Angst unter den Völ­kern und ein Wanken der Kräfte des Himmels.

 8. Dann folgt die Wiederkunft des Sohnes des Men­schen in Macht und großer Herrlichkeit. Er wird die Weltreiche vernichten und Sein Volk und die Stadt erlösen.

Der rote Faden läuft also von dem Kommen und der Verwerfung des Messias, der darauffolgenden Beiseite­stellung Israels und der Verwüstung Jerusalems, der Heilsbotschaft an die Nationen, dem Sammeln der Versammlung (während Jerusalem wüst liegt) bis zur Endzeit: diese letzten Ereignisse, die über Jerusalem kommen, und die Wiederkunft Christi bilden die The­men der folgenden Kapitel.

 

DIE WIEDERHERSTELLUNG DER JÜDISCHEN NATION

 

Wenn in der Endzeit die Ereignisse stattfinden, von de­nen in den Prophezeiungen die Rede ist, finden wir das Volk als eine wiederhergestellte jüdische Nation wieder im Land. Auch die "BIS"‑Prophezeiungen im Alten und im Neuen Testament setzen voraus, daß das Volk nach der dritten großen Gefangenschaft wieder im Land ist. Das ist zum Beispiel in Daniel 9 der Fall, in welchem Kapitel wir in Vers 26 die Verwüstung der Stadt Jerusalem und des Tempels finden und die über­strömende Flut. Doch in Vers 27 ist mit einem Mal wieder ein Volk im Land (das sind die "Vielen"), das einen Bund mit den Römern schließt und offensichtlich auch den Tempeldienst ausübt. Wir finden also einerseits in den Prophezeiungen die Verwüstung der Stadt und die Zerstreuung der Juden unter die Na­tionen, andererseits aber in der Endzeit, bevor die Endereignisse beginnen, ein wiederhergestelltes Volk in einer wiederhergestellten Stadt. Die Frage ist nun, auf welche Weise und unter welchen Umständen diese vor­bereitende Wiederherstellung der jüdischen Nation stattfinden wird. Wir können auch sagen: stattgefunden hat, denn wir wissen, daß diese Wiederherstellung in der gegenwärtigen Zeit durch die Errichtung des jü­dischen Staates im Jahr 1948 inzwischen zustande ge­kommen ist. Wir sind jedoch in dieser Studie in erster Linie daran interessiert, zu erfahren, was die Schrift uns hierüber zu sagen hat. Wir werden also die jüng­sten Ereignisse größtenteils außer Betracht lassen, soweit sie nicht schon in der Bibel vorausgesagt sind.

 

Das Ausschlagen der Bäume

 

Wann soll nach der Bibel die Wiedererrichtung des jü­dischen Staates stattfinden? Der Herr sagt: "Sehet den Feigenbaum und alle Bäume; wenn sie schon ausschla­gen, so erkennt ihr von selbst, indem ihr es sehet, daß der Sommer schon nahe ist. So auch ihr, wenn ihr dieses geschehen sehet, erkennet, daß das Reich Gottes nahe ist" (Lk 21, 29‑31). Das "Ausschlagen" des Feigenbaums (Israel) geschieht gleichzeitig mit dem Ausschlagen alter Bäume; das Wiederaufleben des schlafenden Baumstam­mes Israel geht einher mit einer allgemeinen heftigen Unruhe unter den Völkern: viele neue Staaten, die jahr­hundertelang geschlummert haben, erwachen wieder zum Leben (vor allem im Mittleren Osten), um die Rolle zu spielen, die ihnen von der Prophetie zugedacht ist: Syrien, Ägypten, Philistäa (Gazastreifen, die Palästinen­ser), Ammon, Moab (Jordanien) und Edom (Saudi‑Ara­bien?) (vgl. Jer 12, 14. 15). Gleichzeitig schlagen auch an­dere "Bäume" aus: Das frühere Römische Reich beginnt wieder aufzuleben, wenn auch in einer anderen Form, mehr als ein Staatenbund, wie das von den Propheten (Daniel, Johannes) vorhergesagt worden ist. Es ist die Endform des uralten "Baumes", den wir bereits in Daniel 4 in der Person Nebukadnezars finden. Weiter ist da der gewaltige "Baum" Assur, die große endzeitliche Macht des Nordens, die in Hesekiel 31 beschrieben wird, und schließlich die Christenheit, die als ein Senfkorn begann, als das kleinste aller Samenkörner, die aber in der End­zeit zu einem gewaltigen Baum aufwächst (Mt 13, 31. 32). Die große Entwicklung all dieser Bäume leitet die End­zeit ein und ist das unfehlbare Zeichen für das Aus­schlagen des Feigenbaumes: die Wiederherstellung des jüdischen Staates.

 

Rückkehr im Unglauben

 

Wie wird diese Wiederherstellung stattfinden? Wir sehen eine Übereinstimmung mit früheren Malen, wenn das Volk zum Land Kanaan heraufzog, um dort eine Wohnstätte zu finden. Psalm 107 gibt uns eine Übersicht über die Wege Gottes mit Seinem Volk bezüg­lich der Erlösung und Wiederherstellung. Alles deutet auf eine große Erlösung der Treuen des Volkes in der Endzeit hin, doch dieser Psalm gibt im Vorbild alle Wege Gottes wieder. Als erstes haben wir da nach dem Auszug aus Ägypten den Durchzug durch die Wüste und den Weg nach Kanaan, der schließlich in der "Wohnstadt" en­det, das ist Jerusalem, wo der Tempel erbaut wird (vgl. 2 Mose 15, vor allem die Verse 13 und 17). Dann fin­den wir in Vers 10 die Rückkehr aus Babel, wo das Volk in Elend und Eisen war (vgl. Ps 137; Jes 45, 2), weil sie sich gegen Gott empört hatten. Dann wird ab Vers 17 über die dritte Gruppe gesprochen: die Sünder, zu denen das Wort Gottes (Christus) gesandt wird, durch das sie geheilt und erlöst werden; sie werden in die Versammlung eingeführt und opfern Jehova Lob­opfer. Zum Schluß sind da die Juden, die sich mit Schiffen aufs Meer begeben. Das sind also die, die unter die Nati­onen zerstreut sind (vgl. Jes 17, 12; Offb 17, 15). Dann wird uns dargelegt, was das Los der Treuen unter ihnen sein wird: in großem Elend, das ihnen von seiten der Nationen zuteil wird, rufen sie zu Jehova, der sie zur Ruhe bringt und sie in den ersehnten Hafen einführt (Palästina).

 

Doch ab Vers 33 wird beschrieben, auf welch einem schwierigen Weg sie endlich den Segen im Land errei­chen. Zuerst sehen wir dort den Zustand, in den Gott andere Länder bringt wegen der Bosheit ihrer Bewoh­ner; möglicherweise sind dies die Länder des christ­lichen Zeugnisses, deren Wohlstand abnehmen wird. Die Verse 33 und 34 weisen vielleicht auch auf den Zustand hin, in dem das Land sich seit dem Jahre 70 n. Chr. bis vor kurzem befunden hat. Die Wüste wird in einen Wasserteich verwandelt und das dürre Land in Wasserquellen; unter der Leitung Gottes kom­men Hungrige, um daselbst zu wohnen, um eine Wohn­stadt zu gründen: Jerusalem (Vers 36). Sie besäen Felder und pflanzen Weinberge, und durch den Segen Gottes mehren sie sich. Aber wird hier von Glauben und wirklicher Erlösung gesprochen? Es ist eine äußer­liche Wiederherstellung im Land, zwar im Segen, doch der Segen ist äußerlich, ohne eine völlige Herzensände­rung. Darum bringt Gott über diese Menschen, die in Frieden und Wohlstand in ihrem Land wohnen, eine große Angst, und dadurch kommen viele "Arme und Aufrichtige" ans Licht, die Gott beschützen wird. Der Vers 43 enthält einen sehr wichtigen Grundsatz. Der wirklich Weise ist der, der nicht nur die Segnungen genießt, sondern der auch beachtet, daß diese Segnun­gen von Jehova sind. Das muß Bekehrung bewirken , und das geschieht in der Drangsal, wenn der Segen wieder weggenommen wird (vgl. Hosea 14, 9). Es wird uns also hier in kurzen Worten gezeigt, daß es sich zuerst um eine äußerliche Wiederherstellung des Volkes im Lande handelt, wobei auch Jerusalem wiederherge­stellt wird, doch ohne Veränderung des Herzens. Erst in der Drangsal werden die wahren Gläubigen offen­bar. Sie sind es, die dann auch herausgerettet werden. Davon spricht der Psalmist in Psalm 119, 67: "Bevor ich gedemütigt ward, irrte ich; jetzt aber bewahre ich dein Wort." Das wird der gläubige Israelit im Tausend­jährigen Reich sagen. Wir werden später auf Psalm 107 zurückkommen, wenn wir die dort kurz angedeuteten Hauptlinien anhand anderer Schriftstellen ausführlich untersucht haben.

 

Es findet also eine Rückkehr des Volkes und eine Wiederherstellung der Nation statt, anfänglich jedoch im Unglauben. Das sehen wir auch in dem bekannten Abschnitt Hesekiel 37, in dem das Tal der verdorrten Totengebeine beschrieben wird, eine symbolische Dar­stellung der Wiederherstellung Israels in der Endzeit. Wir sehen hierin deutlich, daß diese Wiederherstellung in zwei verschiedenen Phasen erfolgt: Wenn der Pro­phet darüber zu prophezeien beginnt, tritt die erste Phase ein: die verdorrten Totengebeine rücken zusam­men und werden mit Sehnen, Fleisch und Haut über­zogen. Aber es ist noch kein Odem in ihnen. Die Erklärung dafür wird in Vers 12 genannt: Das Volk Israel kommt aus seinen Gräbern hervor und wird in sein Land zurückgebracht. Das ist die Errichtung des Staates Israel im Jahre 1948, nämlich ein Zusammen­fügen der Gebeine, ohne daß jedoch Odem in ihnen ist. Die Herzen der Israelis sind noch nicht von dem Geist Gottes erfüllt. Dann jedoch muß der Prophet aufs neue prophezeien, und danach beginnt die zweite Phase der Wiederherstellung: Es kommt Geist in sie, wodurch sie zu neuem Leben erwachen und auf ihren Füßen stehen, wie Vers 14 sagt: Gottes Geist wird ihnen gegeben werden, so daß sie leben und (nach der Drangsal) einen festen Wohnort in ihrem Land bekom­men. Auch hier finden wir wieder, daß das anerkannt wird, was Jehova getan hat. Das ist die geistliche Wiederherstellung, die, wie wir auch weiterhin noch sehen werden, erst nach der großen Drangsal stattfindet.

 

Eine dritte Schriftstelle, die uns zeigt, daß die natio­nale Wiederherstellung im Unglauben der geistlichen Wiederherstellung vorausgeht, finden wir in Jesaja 18. Hier spricht der Prophet von einem Volk, das "weithin geschleppt und gerupft ist", und von einem Volk, "wunderbar, seitdem es ist und hinfort, der Nation von Vorschrift auf Vorschrift [oder Maß; das bedeutet: gemessen durch die Gerichte Gottes], und von Zer­tretung, deren Land Ströme beraubt haben." Das ist das Volk Israel, verstreut unter die Nationen, seines Landes und Besitzes beraubt, ein gefürchtetes und wunderbares Volk, das jetzt schon Jahrhunderte auf seine Wiederherstellung wartet, nachdem das Gericht Gottes über dieses Volk ergangen ist, als das Land ver­wüstet wurde. Aber siehe da, es kommt ein Augen­blick, in dem es das Panier auf den Bergen errichtet und in die Posaune stoßen wird. Alle Bewohner der Welt werden es sehen und hören und bestürzt da­stehen. Israel wird das Land wieder in Besitz nehmen. Dabei wird ihm ein Land jenseits der Ströme Äthi­opiens (Nil und Euphrat) helfen, also ein fernes Land, außerhalb des gewöhnlichen prophetischen Gesichts­kreises Israels. Meines Erachtens ist dieses "Land" Westeuropa (vielleicht in Verbindung mit Amerika), wie ich später zu zeigen hoffe.

 

Auf welche Weise findet nun diese nationale Wiederher­stellung statt? Das Panier wird auf den Bergen errich­tet, aber hier steht nicht, daß Gott das tut. Das Volk tut es in eigener Kraft. Und was muß Gott dazu sagen?

 

Er sagt zu dem Propheten: "Ich will still sein und will zuschauen in meiner Wohnstätte, wie heitere Wärme bei Sonnenschein, wie Taugewölk in der Ernte Glut" (Jes 18, 4). Gott hält Sich zurück und läßt sie begin­nen. Er greift nicht ein, weil Er in diesem zurückge­kehrten Volk den Überrest sieht, der einmal gebildet wird, und das wird geschehen "wie heitere Wärme bei Sonnenschein" und "wie Taugewölk bei der Ernte Glut". Bevor dieser Überrest in den Segen und die Ruhe eingehen wird, bevor die Ernte stattfindet, bei der der Weizen in die Scheunen gesammelt wird, muß das Gericht über das ungläubige Volk kommen: Sie werden abgeschnitten und ausgerottet, eine Beute der Raubvögel (Offb 14, 18‑20; 19, 15. 17. 18). Das Volk ist in sein Land zurückgekehrt und hat den Staat Israel errichtet. Das ist gewiß eine wunderbare Erfüllung der Prophezeiungen, aber es geschieht in einem Zustand des Unglaubens, über den noch das Gericht kommen muß, um die Gottlosen auszurotten und den Überrest zu läutern. Schließlich wird jedoch der Segen kommen; dann werden die Israeliten als eine Opfergabe nach Zion gebracht werden ‑ der Überrest aus den zehn Stämmen (Zeph 3, 10; Jes 66, 20), und dann wird der Name Jehovas wieder an seinem Ort, auf dem Berg Zion, wohnen.

 

Die Aufnahme des Antichristen

 

Wir wollen nun etwas genauer die Ereignisse besehen, die dieses Volk mitmachen wird, das im Unglauben zu­rückgekehrt ist. Dabei wollen wir von vornherein deut­lich auf eine Sache hinweisen. Die Rückkehr Israels ist für uns Christen eine wichtige Warnung, daß das Kom­men des Herrn für Seine Versammlung sehr nahe bevorsteht. Denn die weiteren prophetischen Ereignisse bezüglich dieses Volkes werden größtenteils, oder sogar vollständig, stattfinden, nachdem die Versammlung auf­genommen ist. In jedem Fall bricht die letzte halbe Jahrwoche (siehe Kapitel 3) nach der Entrückung der Versammlung an, denn wir wissen, daß diese halbe Woche mit der Aufrichtung des Greuels der Verwüstung im Tempel beginnt (Dan 9, 27). 2. Thessalonicher 2 lehrt uns gerade, daß dies erst nach dem großen Abfall der Christenheit und der Offenbarung des Menschen der Sünde (des Antichristen) geschehen wird, und wir wissen, daß diese Dinge nicht stattfinden können, wenn nicht zuvor der, "welcher zurückhält", weggenom­men ist, und das ist der Heilige Geist, der bei dem Kom­men des Herrn für die Seinen zusammen mit der Ver­sammlung in den Himmel aufgenommen wird (Verse 6 und 7; vgl. Vers 1). Erst wenn der Geist der Wahrheit weggenommen ist, kann der Geist des Irrtums sich völ­lig offenbaren (vgl. Vers 11; siehe 1. Joh 4, 6). Die Ereignisse, mit denen wir uns also jetzt beschäftigen werden, werden größtenteils oder insgesamt nach der Aufnahme der Versammlung stattfinden.

 

Wie bereits erwähnt, wird in der Mitte der Woche der Mensch der Sünde den Greuel der Verwüstung aufrich­ten (siehe später) und sich in seiner wahren Gestalt offenbaren. Vor dieser Zeit wird sein wahrer Charakter noch nicht ans Licht kommen. Eines der wichtigsten bevorstehenden Ereignisse in Israel wird sein, daß sie diesen Mann als Staatsoberhaupt, ja, als Messias an­nehmen werden. Der Herr Jesus hatte die gottlosen Führer Jerusalems bereits gewarnt: "Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmet mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen" (Joh 5, 43). Den wahren Messias, der nicht Seine eigene Ehre suchte, sondern die Ehre Dessen, der Ihn gesandt hatte, hatten sie schmählich verworfen. Aber den Mann, der in seinem eigenen Namen kommen wird, ja, der von Satan selbst beseelt sein wird, den werden sie mit Freuden auf­nehmen und als Messias verehren. Dasselbe finden wir in Sacharja 11: Zuerst wird der wahre Hirte vorgestellt, dem die elenden Schafe zu Herzen gehen, der jedoch von dem Volk verworfen und überliefert wird. Danach das Gegenstück: der törichte Hirte, den Gott Selbst zu einem Gericht in das Land setzt (Verse 15‑17). Dieser wird sich nicht um die Schafe kümmern, sondern wird die, die ihn angenommen haben, verzehren und zer­reißen; er wird die Schafe verlassen, aber danach verdorren und umkommen "durch den Hauch seines Mundes" (2. Thess 2, 8). Welch eine Stellung wird dieser Mann bekleiden! Er ist nicht nur der falsche Messias, der Ausdruck des abgefallenen Judentums, sondern auch die Verkörperung des tiefsten Abfalls der Christenheit. Ja, von ihm wird gesagt, daß er der Antichrist ist, der den Vater und den Sohn leugnet (l. Joh 2, 22b). Dieses Leugnen der erhabensten christ­lichen Wahrheit, dieser wunderbaren Verbindung des Vaters und des Sohnes, Christi, des Sohnes Gottes und Gottes, der in Seinem tiefsten Wesen als Vater geoffen­bart ist, dieses Leugnen ist der Keim des Verfalls in unserer Zeit und des Abfalls in der Endzeit. Das ist das Wesen der Namenchristen in der Endzeit, während wir das Kennzeichen dieses falschen Juden" in 1. Johan­nes 2, 22a finden: "der da leugnet, daß Jesus der Christus ist".

 

Der Charakter des Antichristen

 

Der Antichrist ist also ein jüdischer Christ, der sowohl vom Judentum als auch vom Christentum abfällt. Schon sein Name deutet an, daß er der große Feind Christi ist. Diesen Mann werden die Juden zu ihrem König machen. In Daniel 11 finden wir eine recht aus­führliche Beschreibung von ihm (in den Versen 36‑40). Es ist einleuchtend, daß gerade in Sacharja und Daniel ausführlich über den Antichristen gesprochen wird, weil diese Bücher ‑ zusammen mit der Offenbarung, auf die wir noch zurückkommen ‑ über die vier Welt­reiche sprechen, von denen das Römische Reich das letzte ist. Wenn wir nun davon ausgehen, daß der Anti­christ der große Freund und Bundesgenosse des Für­sten des wiederhergestellten Römischen Reiches sein wird', dann paßt der Antichrist in der Tat gerade in diese Bücher. Wie gesagt, wird er seinen wahren Cha­rakter erst in der zweiten halben Jahrwoche offenbaren (siehe später in Kapitel 3), so daß wir ihn dann näher kennenlernen. Hier jedoch, vor der zweiten halben Woche, müssen wir ihn in dem Charakter studieren, den er bis dahin hat.

 

Im Neuen Testament, das während der neuen Haushal­tung in Verbindung mit der Versammlung geschrieben worden ist, finden wir den Antichristen vor allem in seinem religiösen Charakter als Führer der falschen Religion, wenn auch in der Offenbarung auf seine politische Macht hingewiesen wird. Im Alten Testament jedoch, dem Buch des Volkes Israel, sehen wir deutlich seinen politischen Charakter, nämlich als König Israels (auch wenn dort bereits auf seine religiösen Züge hin­gewiesen wird). Wir nannten bereits Daniel 11, 36‑40.

 

Daniel 11 ist die Geschichte Syriens und Ägyptens, ge­sehen als zwei der vier Teile des früheren griechischen Reiches. Bis Vers 35 ist die Prophezeiung vollständig erfüllt, wenn auch noch eine vorbildliche Bedeutung für die Endzeit darin enthalten ist, besonders im letzten Abschnitt. Ab Vers 36 befinden wir uns aber deutlich in der Endzeit selbst, wie aus dem letzten Teil von Vers 35 und Vers 40 ersichtlich ist. Daniel schreibt, wie bereits gesagt, über die "Zeiten der Nationen", und die Endzeit ist bei ihm die letzte Phase dieser Zeiten, also kurz vor der Wiederkunft (siehe 8, 17. 19. 26; 12, 4. 6. 9. 13). Darüber hinaus finden wir hier zwei Stichworte, die sich im besonderen auf die Zeit des Endes beziehen, nämlich die "Zeit des Zornes" (Dan 8, 19; Jes 10, 25) und "Festbeschlossenes" (Dan 9, 26.27; Jes 10, 22. 23; 28, 22). In diesem Abschnitt wird über "den König" ge­schrieben, und es ist deutlich, daß dies nicht der König des Nordens oder des Südens sein kann, denn die wer­den nirgendwo in diesem Kapitel nur "der König" ohne einen Zusatz genannt. Weiterhin sagt Daniel 11, 40, daß sowohl der König des Nordens als auch der König des Südens mit "dem König" Krieg führen werden. Dieser König kann also kein anderer sein als der König Israels in der Endzeit; auch an anderen Stellen wird er mit diesem geheimnisvollen Namen "der König" be­zeichnet (Jes 30, 33; 57, 9, vorbildlich in Jer 4, 9). Daß er tatsächlich kein anderer sein kann als der König Isra­els, ist auch aus seinen Kennzeichen ersichtlich: a) "das Festbeschlossene" bezieht sich in den Prophezeiungen immer auf Israel, vor allem auf Jerusalem, b) er achtet nicht auf die "Sehnsucht der Weiber"; dies kann sich nur auf den Messias beziehen, dessen Mutter jede jü­dische Frau zu werden begehrte; das zeigt auch wieder seinen" antichristlichen" Charakter; c) er setzt Herrscher ein über "die Vielen ", das ist in Daniel ohne Ausnahme die Masse des jüdischen Volkes (9, 27; 11, 33. 39; 12, 3); d) er wird "das Land" als Belohnung verteilen; was die­ses "Land" ist, finden wir, wenn wir dasselbe hebräische Wort in 2. Mose 20, 12; 5. Mose 4, 1; Hesekiel 7, 2 usw. aufsuchen.

Dieser König Israels in der Endzeit ist der Antichrist. Das ist aus vielen Punkten ersichtlich. Erstens sieht man im Neuen Testament, daß der Antichrist im Tem­pel in Jerusalem residieren wird (2. Thess 2, 4). Weiter­hin finden wir in Daniel 11 folgende Kennzeichen des Antichristen wieder: Er handelt nach seinem Gutdün­ken; er ist der, der in seinem eigenen Namen kommt (Joh 5, 43). Er erhebt sich über jeden Gott; auch das finden wir in 2. Thessalonicher 2, 4 wieder. Er miß­achtet den Messias (Vers 37); er leugnet, daß Jesus der Christus ist (l. Joh 2, 22). Er ehrt den Gott der Fe­stungen (nach vielen Auslegern der Hauptgott der Rö­mer; Vers 38); das ist m.E. das, was wir in Offen­barung 13, 12‑16 finden: er bringt die Menschen dazu, das Bild des Hauptes des Römischen Reiches anzubeten. Er tritt auf mit Hilfe des fremden Gottes (Vers 39); dies ist, was Offenbarung 13, 12 sagt: Er übt die ganze Macht des ersten Tieres aus. Wer den fremden Gott aner­kennt, kommt zu Ehren, den macht er zum Herrscher und gibt ihm Land; so sagt Offenbarung 13, 16. 17, daß er denen, die das Bild anbeten, Handelsrechte gibt. Unversehens sind wir hiermit doch in der zweiten hal­ben Jahrwoche angekommen; das ist aber auch unver­meidlich, wenn man den Antichristen kennenlernen will. Vor dieser Zeit, wenn er den Greuelsgottesdienst noch nicht eingeführt hat, wird er sich noch wie ein wahrer Jude verhalten. Voller Begeisterung werden die Juden ihn annehmen, weil er die Machtfigur ist, die sie gerade brauchen. Genau wie heute wird auch dann die fortwährende Bedrohung von seiten der umliegenden Völker da sein, und gerade deshalb nehmen sie den Mann an, der diesen gewaltigen römischen Machtblock zu seinem Bundesgenossen gemacht hat. Obschon er ein Christ sein wird (wenn auch natürlich nur ein Namenchrist) und er vermutlich mehr in Rom als in Je­rusalem sitzen wird (siehe später), ist er doch ein Jude, der das Wohl seines Volkes im Auge hat; so erscheint es wenigstens nach außen. Ist er nicht genau der Mann, der sie gegen die drohende Gefahr beschützen wird? Zwei Schriftstellen werfen auf die hier genannten Fakten ein helleres Licht.

 

Das Bündnis mit dem Tod und dem Scheol

 

In Jesaja 55‑57 finden wir die Verkündigung des Heils an alle Treuen auf der Erde, das heißt, des Heils im Friedensreich, aber zugleich die Gerichtsankündigung für alle Feinde Gottes. Die treuen Juden werden "das Land" erben und Zion besitzen, aber die Gottlosen werden hinweggenommen (Jes 57, 13). Wenn Jehova ihre Sünden aufzählt, sagt er: "Und du zogest mit Öl zu dem König und machtest viel deiner wohlriechen­den Salben; und du sandtest deine Boten in die Ferne und erniedrigtest dich bis zum Scheol. Durch die Weite deines Weges bist du müde geworden, doch du sprachst nicht: Es ist umsonst! Du gewannst neue Kraft, darum bist du nicht erschlafft. Und vor wem hast du dich ge­scheut und gefürchtet, daß du gelogen hast, und mei­ner nicht gedachtest, es nicht zu Herzen nahmst? Habe ich nicht geschwiegen, und zwar seit langer Zeit?" (Jes 57, 9‑11) Prächtige Verdeutlichung! Hier spricht Gott über die Zeit, als Er schwieg und ruhig achtgab auf die Handlungen des ungläubigen Volkes. Wir sahen schon in Jesaja 18, wie das Volk im Unglauben in das Land zurückkehrte und das Panier auf den Bergen errich­tete, während Gott Sich ruhig hielt. In diesem Abschnitt hier sehen wir, was das Volk tun wird. Sie sind besorgt und fürchten sich vor ihren Feinden ringsum, denken aber nicht daran, Gott um Hilfe zu bitten (Vers 11). Nein, sie setzen ihr Vertrauen lieber auf Menschen. Um sich zu schützen, schließen sie zwei Bündnisse: erstens kommen sie mit Öl zu "dem König", das heißt, daß sie den Antichristen zum König salben und ihn als Messias (das ist: Gesalbter) anerkennen; sie ehren ihn mit einem Überfluß an Salben. Sie schließen aber noch ein zweites Bündnis: Sie senden Boten in ein fernes Land und finden nach ihrer weiten Reise neue Kraft, indem sie ein erniedrigendes Bündnis mit dem Scheol (Totenreich) schließen. Was bedeutet das? Was ist hier mit "Scheol" oder "Totenreich" gemeint? Ist es nicht das Bündnis mit dem, der die Macht des Todes hat (Hebr 2, 14), das ist der Teufel, der alte Drache, der sich auf der Erde in der Gestalt des Römischen Rei­ches offenbaren wird (Offb 12, 3; vgl. 13, l)? Dieses ferne Land" (vgl. Jes 18, 1) wird der Bundesgenosse Israels werden, wie wir schon in unserer Zeit Annähe­rungsversuche zwischen Israel und Europa sehen. Israel schließt also ein Bündnis mit dem Antichristen und eines mit dem Römischen Staatsoberhaupt; diese beiden sind übrigens sehr eng verbunden, wie wir be­reits sahen und noch sehen werden (vgl. Offb 13, 11. 12; 16, 13; 19, 20). Der Antichrist wird ebenfalls ein Werkzeug Satans sein, denn er wird wie ein Drache re­den (Offb 13, 11).

 

in diese beiden Bündnisse wird vor allem Jerusalem, das Thema unserer Betrachtungen, einbezogen. Der Antichrist wird sich in den Tempel in Jerusalem setzen (2. Thess 2, 4). Sehr deutlich spricht hierüber ein anderer Abschnitt des Buches Jesaja, nämlich Kapitel 28, wo wir ab Vers 14 lesen: "Darum höret das Wort Jehovas, ihr Spötter, Beherrscher dieses Volkes, das in Jerusalem ist! Denn ihr sprechet: Wir haben einen Bund mit dem Tode geschlossen und einen Vertrag mit dem Scheol gemacht: wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, wird sie an uns nicht kommen; denn wir haben die Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in der Falschheit uns gebor­gen . . . " usw. Auch hier sehen wir wieder genau die­selben Elemente: Sie haben Furcht vor der überströmen­den Geißel, die in das Land einfallen wird, wie die Führer Jerusalems vermuten, doch sie hoffen, daß Jerusalem selbst von dieser Geißel verschont bleibt (die, wie wir später noch sehen werden, der Assyrer ist), und zwar deshalb, weil sie zwei Bündnisse geschlossen haben, die sie gegen diese Geißel beschützen sollen, nämlich mit dem Tod (das ist mit dem Antichristen, der wie der Drache, wie der Fürst des Todes spricht) und ein Bünd­nis mit dem Scheol (das ist der Ort, an dem der Tod seine Macht ausübt, der Bereich des Todes; das ist das römische Reich, mit dem der Drache sich identifizieren wird, wie wir sahen, und wo der Antichrist die Macht des ersten Tieres ausüben wird; Offb 13, 12).

 

Nähere Angaben über dieses Bündnis mit dem römischen Staatsoberhaupt finden wir in den bereits genannten Versen 26 und 27 in Daniel 9. In Vers 26 haben wir ge­lesen, daß das römische Volk die Heilige Stadt und den Tempel verwüstet hat (im Jahre 70 n. Chr.). Dieses selbe römische Volk würde, diesem Vers zufolge, einen Fürsten haben, der damals noch nicht da war, der aber einmal kommen würde. Und nun, in Vers 27, ist er da. Offensichtlich ist auch das Volk wieder in das Land zurückgekehrt (auf welche Weise, das haben wir an anderen Stellen gesehen), und es hat offensichtlich wie­der einen Tempel, zumindest werden Schlachtopfer und Speisopfer dargebracht. Dann steht hier, daß der römi­sche Fürst ein Bündnis mit den Vielen schließt (das ist immer die Masse des ungläubigen jüdischen Volkes), und zwar für eine Periode von sieben Jahren. Das ist die siebzigste und letzte Jahrwoche Daniels, die über das Land und die Heilige Stadt kommen wird, um die Übertretung zum Abschluß zu bringen, den Sünden ein Ende zu machen und eine ewige Gerechtigkeit einzu­führen (Vers 24). Der Rest dieses Verses macht deut­lich, daß diese sieben Jahre sich in zwei Perioden von je dreieinhalb Jahren aufteilen. Vor allem die letzten dreieinhalb Jahre bilden ein sehr wichtiges Thema in den Prophezeiungen. Diese Periode wird unterschied­lich benannt: 1) als "eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit (Dan 7, 25; 12, 7; Offb 12, 14). Daniel 7 ist in aramäisch geschrieben, und ein Vergleich mit Kapitel 4, 16 macht deutlich, daß das aramäische Wort für "zeit“ auch Jahr" bedeutet. In Kapitel 12, 7 ist es he­bräisch, und da ist es dasselbe Wort wie zum Beispiel in 3. Mose 23, 2, was eine "bestimmte zeit“ bedeutet, die Periode zwischen zwei Jahrfesten, d. i. also ein Jahr. Der Ausdruck "eine Zeit, Zeiten und eine halbe zeit“ bedeutet also dreieinhalb Jahre. Weiterhin finden wir zweiundvierzig Monate (Offb 11, 3; 12, 6). Ver­gleiche noch Daniel 12, 11. 12, wo es um die Ereignisse geht, die dreißig

bzw. fünfundsiebzig Tage nach der siebzigsten Woche noch stattfinden werden.

 

Assyrische Kollaborateure

 

Vorläufig beschränken wir uns noch auf die erste halbe Jahrwoche und die Geschehnisse, die während dieser Zeit stattfinden werden, obwohl die Schrift bei weitem nicht so ausführlich darüber spricht wie über die zweite Hälfte der "Woche". Wir haben bis hierher gefunden, daß die Führer Jerusalems aus Angst vor einer Invasion des Assyrers, des Königs des Nordens, ein Bündnis mit dem Antichristen und dem römischen Staatsoberhaupt schließen werden. Im übrigen gibt es Hinweise in der Schrift, daß es nicht undenkbar ist, daß dieser König des Nordens versuchen wird, eine Partei unter dem jü­dischen Volk zu bilden, um dadurch seine Invasion zu erleichtern. Es wird also eine Art "Kollaborateure" geben, die mit der feindlichen Macht paktieren wer­den, eine Anhängerschaft unter dem jüdischen Volk, die helfen sollen, ihm das Land in die Hände zu spie­len. Einige Hinweise, die wir hierzu gefunden haben, werden hier zitiert.

 

In Daniel 8 haben wir das Gesicht von dem Widder und dem Ziegenbock, eine Darstellung der Geschichte des medo‑persischen Reiches und des griechisch‑maze­donischen Reiches; aus diesem letzten Reich werden vier kleinere Reiche hervorkommen, und aus einem von diesen kommt ein kleiner König hervor, von dem wir wissen (aus der Beschreibung), daß es Antiochus Epiphanes gewesen ist, ein König aus dem Norden (Syrien). Aber die Verse 17, 19 und 26 belehren uns deutlich darüber, daß dieses Gesicht nicht nur eine historische Erfüllung hat, sondern auch eine wichtige Erfüllung in der Endzeit haben wird, in der Zeit des Zorns (vgl. 11, 36 und Jesaja 10, 25). Deshalb geht die Bedeutung dieses Gesichtes ab Vers 20 eigentlich weiter als das Gesicht selbst (wie wir das häufiger in der Schrift finden). Vorbildlich ist hier also die Rede von dem König des Nordens in der Endzeit, wie wir ihn ausführlich in Kapitel 11 finden. Über diesen König ist folgendes geschrieben (8, 23‑25): "Und am Ende ihres Königtums [nämlich der vier Königreiche], wenn die Frevler das Maß vollgemacht haben werden, wird ein König aufstehen, frechen Angesichts und der Ränke [oder: Schlauheiten] kundig. Und seine Macht wird stark sein, aber nicht durch seine eigene Macht ‑,­und er wird erstaunliches Verderben anrichten, und Ge­lingen haben und handeln; und er wird Starke und das Volk der Heiligen verderben. Und durch seine Klugheit wird der Trug in seiner Hand gelingen; und er wird in seinem Herzen großtun und unversehens viele verder­ben . . . " usw. Dieser Mann wird also als ein schlauer Intellektueller vorgestellt, der in verborgene Dinge Einsicht hat, der erstaunlich handelt, der aber auch eine Quelle des Verderbens für das Volk der Heiligen (Israel) sein wird. Er wird nicht nur in das Land ein­fallen ‑ das geschieht erst gegen Ende der letzten Jahr­woche ‑, sondern er wird ebenfalls durch Schlauheit und Betrug Verderben stiften. Ohne Zweifel wird er viele durch seine schlauen Reden zu betören wissen, ohne daß sie es selbst merken: "unversehens" (wört­lich: "in sicherer Ruhe"). Die Führer in Jerusalem werden seine Absichten erkennen und zum Schutz ihre Bündnisse mit "Tod und Scheol" schließen, aber viele aus dem Volk werden die Schlauheiten des Assyrers nicht durchschauen. Desto größer wird ihr Entsetzen sein, wenn er plötzlich in das Land einfallen und schrecklich unter ihnen wüten wird. Dann werden sie verzweifelt ausrufen: "Siehe, ihre Helden schreien draußen, die Friedensboten weinen bitterlich. Die Stra­ßen sind verödet, der Wanderer feiert. Er hat den Bund gebrochen, die Städte verachtet, keines Men­schen geachtet!" (Jes 33, 7. 8) Diese herbe Enttäu­schung werden die Juden erleben, wenn der "Ver­wüster" in das Land einfällt (Jes 33, 1). Der Verwüster ist in den Prophezeiungen ein sehr geläufiger Name für den Assyrer, den König des Nordens (siehe u. a. Jes 28, 2; Jer 6, 22. 26; Dan 9, 27). Wenn der Assyrer in das Land einfällt, werden die Juden erfahren, daß sein Bündnis nur Schein und schlauer Betrug war. Und schlau ist er sicherlich; in Daniel 11 sehen wir noch besser, wie schlau er zu Werke geht. Ab Vers 35 befinden wir uns deutlich in der Endzeit, aber auch die unmittelbar vor­ausgehenden Verse weisen bereits über die historische Erfüllung hinaus und werden ihre vollständige Erfül­lung in der Zukunft finden, wie übrigens im Grundsatz auch das ganze Kapitel. Wir lesen dann in Vers 32: "Und diejenigen, welche gottlos handeln gegen den Bund, wird er durch Schmeicheleien zum Abfall verlei­ten; aber das Volk, welches seinen Gott kennt, wird sich stark erweisen und handeln." Worin dieser Bund besteht, lesen wir in Vers 30: Der König des Nordens wird "gegen den heiligen Bund ergrimmen ... und sein Augenmerk auf diejenigen richten, welche den hei­ligen Bund verlassen." Das bedeutet soviel, daß er ein Feind dieses Bundes ist, den Gott mit Seinem Volk geschlossen hat, und ein Feind derer, die treu an die­sem Bund festhalten. Er wird sein Interesse auf die­jenigen richten, die diesen Bund verlassen, ja, die gott­los gegen diesen Bund handeln. Er wird sie durch schlaue und listige Schmeicheleien zu betören suchen und sie zu vollständigem Abfall von dem lebendigen Gott bringen. Dazu lesen wir in Nahum 1, 11 über Assur: "Von dir ist ausgegangen, der Böses sann wider Jehova, ein nichtswürdiger Ratgeber."

 

So erhalten wir also folgendes Bild: Ein großer Teil der beiden Stämme (Juden) wird im Unglauben in das Land Palästina zurückkehren, wo der Staat Israel er­richtet wird. Sie werden jedoch von ihren Nachbarn bedrängt und schließen deshalb ein Bündnis mit dem Antichristen, einem Mann, der sowohl vom Judentum als auch vom Christentum abgefallen ‑ ist, und mit dem Haupt des wiederhergestellten römischen Reiches. Das werden vor allem die Führer Jerusalems tun. Der mächtigste ihrer Nachbarn jedoch, der König des Nor­dens (Syrien, vermutlich in Verbindung mit der Türkei und/oder dem Irak), wird auf raffinierte Weise seinen verderblichen Einfluß unter dem Volk ausüben und viele in seine Hand bekommen, die meinen, daß er ihr Bundesgenosse sei. Wenn er jedoch in das Land einfällt, werden sie genauso grausam behandelt wie die anderen Juden. Ein Beispiel für diese gemeine Handlungsweise finden wir viele Jahrhunderte zuvor bei einem anderen Assyrer, der dasselbe tat (2. Kön 18, 14‑17): nämlich der assyrische König Sanherib, der vorgab, Hiskia könne sich von weiteren Eroberungen durch hohen Tribut freikaufen. Als Hiskia diesen tatsächlich herbei­brachte und sogar zahllose Tempelschätze abtrat, brach Sanherib sein Wort und zog gegen Jerusalem herauf.

 

DIE BILDUNG DES ÜBERRESTES

 

Ein Überrest in Zion

 

Nach diesen mehr politisch orientierten Ereignissen kommen wir nun zu einem sehr wichtigen Thema, näm­lich der Bildung eines gläubigen "Überrestes" inmitten des gottlosen Volkes. Bei allen prophetischen Ereignis­sen, die stattfinden werden, richtet der Geist Gottes unsere Aufmerksamkeit auf die kleine, schwache und unterdrückte Gruppe Juden, die sich inmitten dieses Verfalls zu dem Herrn bekehren wird. Diese Treuen sind bei der Unterdrückung und Angst der Gegenstand des Erbarmens Gottes. Und wenn sie schließlich durch die Gerichte Gottes hindurchgegangen sind, werden sie in den Segen des Friedensreiches eingehen, und Gott wird aus ihnen das neue Israel bilden. Wir wollen nun untersuchen, wie dieser Überrest entsteht und was mit ihm geschieht, bevor die letzte halbe Jahrwoche an­bricht. Als Anleitung dazu nehmen wir die soeben angeführte Geschichte aus 2. Könige 18 und 19, die uns den Kampf des Königreiches Juda gegen den eingefal­lenen König von Assur schildert. Diese ganze Ge­schichte ist ein Vorbild von dem zukünftigen Kampf Judas gegen Assur, und das ist übrigens auch der Grund, weshalb wir dieselbe Geschichte ebenfalls in Jesaja 36‑39 finden, wo sie mithin einen Teil der Pro­phezeiungen ausmacht. In dieser Geschichte finden wir im Vorbild, daß es in der Endzeit einen Überrest geben wird, vornehmlich in Jerusalem. Er wird durch den Eifer Jehovas entstehen und zu großer Herrlichkeit kommen, wenn der Assyrer umgekommen ist: "Denn von Jerusalem wird ein Überrest ausgehen, und ein Entronnenes vom Berge Zion. Der Eifer Jehovas wird solches tun!" (2. Kön 19, 31; Jes 37, 32). In Jesaja 10 wird dieser Überrest ebenfalls in Verbindung mit dem Fall des Assyrers gesehen. Ab Vers 5 wird dargelegt, daß der Assyrer, der die Rute des Zornes Gottes war, um das Volk zu züchtigen, sich gegen Gott erhob und deshalb auch selbst zugrunde gehen wird. "Und es wird geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk an dem Berge Zion und an Jerusalem vollbracht hat, so werde ich heimsuchen die Frucht der Überhebung des Her­zens des Königs von Assyrien" (Vers 12). ‑ " . . . Und es wird geschehen an jenem Tage, da wird der Überrest Israels und das Entronnene des Hauses Jakob sich nicht mehr stützen auf den, der es schlägt; sondern es wird sich stützen auf Jehova, den Heiligen Israels, in Wahrheit. Der Überrest wird umkehren, der Überrest Jakobs zu dem starken Gott. Denn wenn auch dein Volk, Israel, wie der Sand des Meeres wäre, nur ein Überrest davon wird umkehren. Vertilgung ist fest­beschlossen, sie bringt einherflutend Gerechtigkeit. Denn der Herr, Jehova der Heerscharen, vollführt Ver­nichtung und Festbeschlossenes inmitten der ganzen Erde. Darum spricht der Herr, Jehova der Heerscha­ren, also: Fürchte dich nicht, mein Volk, das in Zion wohnt, vor Assur ... Denn noch um ein gar Kleines, so wird der Grimm zu Ende sein und mein Zorn sich wenden zu ihrer Vernichtung" (Verse 20‑25). Es wird also ein Überrest gebildet werden, der auch hier wieder besonders in Verbindung mit Zion gesehen wird.

 

Er wird bis zum Ende der Jahrwoche gelernt haben, in­mitten der Unterdrückung seitens Assurs auf Gott zu vertrauen. Vernichtung und Festbeschlossenes (vgl. Dan 9, 26. 27) werden auf die Gottlosen des Volkes Israel und auf den Assyrer ausgegossen werden; aber der Überrest wird errettet werden, wenn die Zeit des Zornes zu Ende ist (vgl. Dan 8, 19; 11, 36).

 

Die Verbindung des Überrestes mit Jerusalem sehen wir auch in Psalm 107, über den wir bereits gesprochen haben. Es sind vor allem die Treuen unter den Juden, die der Geist Gottes dort vor Augen hat. In Vers 30 lesen wir, wie sie aus den Völkermassen in den ersehn­ten Hafen gebracht werden, und in Vers 36 steht, daß Gott die Hungrigen in dem Land wohnen läßt, das aus einer Wüste zu einem Wasserteich geworden ist; in die­sem Land errichten sie eine Wohnstadt, und das ist Jerusalem.

Die Nlaskilim

Wie wird nun genau dieser Überrest gebildet werden? Im Buch Daniel finden wir, daß seine Bildung durch eine Gruppe besonderer Gottesmänner, "Maskilim" ge­nannt, beginnen wird. "Maskilim" bedeutet "Verstän­dige" oder "Lehrer". Dieses Kennzeichen, "Verstand" oder "Einsicht" zu besitzen, wie wir das insbesondere auch bei Daniel selbst finden (1, 4. 17; 5, 11. 12. 14), schließt in sich, daß diese Männer Einsicht in die Ge­danken und Wege Gottes bekommen werden. Gerade in dieser Zeit des großen Verfalls wird Gott nach sol­chen Männern Ausschau halten (Ps 14, 2; 53, 2; 94, 8) und zu dem Volk sprechen: " . . . sondern wer sich rühmt, rühme sich dessen: Einsicht zu haben und mich zu erkennen, daß ich Jehova bin, der Güte, Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde; denn daran habe ich Gefallen, spricht Jehova" (Jer 9, 24). Der Herr Jesus selbst wird durch diese "Einsicht" gekennzeichnet, so­wohl bei seinem Umherwandeln auf der Erde (Jes 52, 13), als auch in Zukunft im Friedensreich (Jer 23, 5). Und genauso werden in Zukunft auch unter dem Volk Israel solche Menschen gefunden werden, von denen gesagt werden kann: "Die Furcht Jehovas ist der Weisheit Anfang; gute Einsicht haben alle, die sie ausüben" (Ps 111, 10; vgl. Spr 1, 1‑7).

 

Diese "Verständigen" werden nicht in erster Linie ver­suchen, den gottlosen Zustand des Volkes zu verbes­sern, denn "darum schweigt der Einsichtige in dieser Zeit, denn es ist eine böse Zeit" (Amos 5, 13). Sie werden vielmehr Zeugen Gottes sein, und ihn unter dem Volk predigen und dadurch "die Vielen zur Ge­rechtigkeit weisen" (Dan 12, 3), das will sagen, daß eine große Menge durch ihre Predigt zum Glauben an Gott kommen wird. Oder, wie Daniel 11, 32b. 33 es ausdrückt: "Das Volk, welches seinen Gott kennt, wird sich stark erweisen und handeln. Und die Verständigen des Volkes werden die Vielen unterweisen." Durch die Verkündigung der Maskilim werden viele sich "reinigen und weiß machen und läutern, aber die Gottlosen wer­den gottlos handeln; und keine der Gottlosen werden es verstehen, die Verständigen aber werden es ver­stehen" (Dan 12, 10). Inmitten des gottlosen Volkes wird Jehova auf diese Treuen achten, die Seinen Na­men fürchten, und sie in ein Gedenkbuch schreiben, damit sie verschont werden (Mal 3, 16. 17).

 

Verstand und Einsicht in die Wege Gottes und in Sein Wort werden diesen Überrest kennzeichnen. Vor allem in Psalm 119 finden wir ihr Zeugnis. Durch die Erleuchtung des Geistes Gottes können sie dort sogar sagen: "Verständiger bin ich als alle meine Lehrer, denn deine Zeugnisse sind mein Sinnen. Mehr Einsicht habe ich als die Alten, denn deine Vorschriften habe ich bewahrt" (Verse 99 und 100). Bevor diese Treuen im Land waren, gehörten sie auch noch zu den Ungläu­bigen, aber nun haben sie Gott kennengelernt. "Bevor ich gedemütigt ward, irrte ich; jetzt aber bewahre ich dein Wort ... Es ist gut für mich, daß ich gedemütigt ward, damit ich deine Satzungen lernte" (Verse 67 und 71). Vor allem in den Drangsalen, die sie durchmachen müssen, werden sie lernen, auf Gott zu vertrauen. "Ich bin umhergeirrt wie ein verlorenes Schaf; suche deinen Knecht! denn ich habe deine Gebote nicht vergessen" (Vers 176).

 

Und so könnten wir diesen ganzen Psalm zitieren, der so lehrreich und ausführlich über die Treue des Überre­stes inmitten der Drangsale spricht. Deutlich ist jeden­falls, daß das Wort Gottes von den Treuen Jehovas wieder untersucht und bewahrt werden wird. Sie werden die Verkündigung Jehovas annehmen, bevor Sein Zorn ausgegossen wird, und sie werden Recht wirken, Ge­rechtigkeit und Demut suchen (Zeph 2, 1‑3).

 

Die Versiegelung der Knechte Gottes

 

Bevor die große Drangsal über dieses Volk kommt, trifft Gott Vorsorge, um Seinen Überrest von vorn­herein vor den herannahenden Gerichten zu schützen. Das finden wir in Offenbarung 7. Gott sendet einen Engel (das ist Christus; vgl. 8, 3; 10, 1), der das Siegel des lebendigen Gottes hat. Mit diesem Siegel werden die Knechte Gottes an ihren Stirnen versiegelt, bevor die Gerichte beginnen (vgl. Hes 9, 4). Hierdurch macht Gott diese Israeliten zu Seinem unverlierbaren Eigen­tum. Beachte, daß es aus jedem Stamm zwölftausend sind, und nicht nur aus den beiden Stämmen; auch diejenigen aus den zehn Stämmen, die erst nach der Wiederkunft zurückkehren und errettet werden, wer­den hier schon versiegelt. Wenn sie auch noch ver­schollen sind und noch im "Staube der Erde schlafen" (Dan 12, 2), sieht Gott sie doch und versiegelt seine Auserwählten. Vorläufig sind sie noch unsichtbar, aber nach der Errichtung des Friedensreiches wird Er sie von den vier Ecken der Erde versammeln (vgl. Mt 24, 31).

Bei der Aufzählung der Stämme werden Manasse und Joseph nebeneinander genannt, obwohl Manasse eigent­lich zu Joseph gehört. Offensichtlich ‑steht Joseph für Ephraim, und wahrscheinlich wird hier der Name Ephraim verschwiegen, weil dieser Name an die schrecklichen Sünden des Zehnstämmereiches erinnert (siehe vor allem das Buch Hosea). Auch wird der Stamm Dan gar nicht genannt; das heißt nicht, daß es keine Daniter im Friedensreich geben wird; wir wissen das nämlich positiv aus Hesekiel 48, 1. 2. 32. Viele vermuten, daß der Name dieses Stammes in Offen­barung 7 weggelassen ist, weil aus diesem Stamm der Antichrist hervorkommen könnte. Das ist zwar eine Vermutung, doch sie ist nicht ganz unbegründet. In der prophetischen Geschichte Israels, wie sie uns in 1. Mose 49 in dem Segen der Söhne Jakobs vorgestellt wird, ist Dan deutlich das Vorbild des Antichristen: "Dan wird sein Volk richten [Dan bedeutet "Richter"], wie einer der Stämme Israels. Dan wird eine Schlange sein am Wege, eine Hornotter am Pfade, die da beißt in die Fersen des Rosses, und rücklings fällt sein Reiter." Deshalb sagt Jakob sofort danach (und in ihm der Überrest der Zukunft): "Auf deine Rettung harre ich, Jehova!" (l. Mo 49, 16‑18). Ein anderes Argument ist, daß es gerade die Daniter waren, die als erste öffentlich den Namen Jehovas gelästert haben (3. Mo 24, 11) und die als erster der Stämme öffentlich den Götzendienst eingeführt haben (Richter 18), ja, deren Stadt Dan ein Zentrum der Abgötterei wurde (l. Kön 12, 29. 30). Nun, Lästerung und Abgötterei sind die großen Kennzeichen des Antichristen (Dan 11, 36‑39; Offb 13, 11‑17).

 

Wir kehren zu unserem Thema zurück. Aus jedem Stamm wird eine Anzahl versiegelt, die Knechte Got­tes, Seine Auserwählten. Das heißt nicht von selbst, daß sie auch bis zur Wiederkunft auf der Erde bleiben; denn wir werden sehen, daß viele von diesem Überrest getötet werden; aber das bedeutet wohl, daß der Tod keine Macht mehr über sie hat; sie werden nämlich zu Beginn des Friedensreiches auferstehen und mit Chri­stus tausend Jahre herrschen (Offb 20, 4). Ja, sie wer­den mit ihren himmlischen Auferstehungsleibern sogar größere Herrlichkeit besitzen als diejenigen, die ohne zu sterben ins Friedensreich eingehen. Es ist eine Frage, ob wir bei der Zahl 144000 an eine wörtliche Zahl denken müssen. In jedem Fall wird es für Gott eine Fülle von Auserwählten sein, die Er aus jedem Stamm retten wird. Diese Zahl darf nicht mit den 144000 in Offenbarung 14 verwechselt werden, die durch die große Drangsal gegangen sind und aus­schließlich aus den beiden Stämmen Juda und Benja­min sind.

 

Tempeldienst und Predigen

 

Wir wollen nun der weiteren Geschichte derer nach­gehen, die in Israel zur Bekehrung gekommen sind. Wir haben gesehen, daß dieser Überrest sich vor allem in Jerusalem konzentrieren wird. In dieser Stadt wer­den sie einen Tempel haben (Offb 11, 1). Das kann ein bestehendes Gebäude sein oder ein Tempel, den sie bauen, vielleicht sogar auf dem ursprünglichen Platz, auf dem heute noch die Omar‑Moschee steht. Wie es auch sein mag, es wird ein Gebäude sein, das Gott in dieser Zeit als Seinen Tempel anerkennt, wo wieder ein Altar stehen wird und wo Seine Treuen anbeten wer­den. Diesen Platz wird Gott als einen heiligen Platz anerkennen, an dem heilige Anbeter Ihm nahen. Wo dieser heilige Platz ist, spricht er sogar von einer heili­gen Stadt (Vers 2). Was jedoch um ‑den Tempel herum­liegt, der Vorhof, das erkennt Gott nicht an; das wird der Bereich sein, in dem das gottlose Volk wohnt, ver­bunden mit den Völkern, die über sie herrschen werden und die die heilige Stadt während der letzten halben Jahrwoche zertreten.

 

Der treue Überrest wird zwar sein Zentrum in Jerusa­lem haben, aber sie werden dort nicht fortwährend bleiben. Nein, sie werden ausgehen, um ihren Glauben zu ihren Volksgenossen und zu allen Völkern auf der Erde hinauszutragen. Was ist ihr Glaube? Sie haben aufs neue gelernt, auf das zu vertrauen, was Gott in Seinem Wort gesagt hat. Sie werden auf die sehr nahe Ankunft des Messias warten, der ja den Prophezeiungen zufolge auf der Erde erscheinen wird , um das König­reich zu errichten. Genauso wie Johannes der Täufer das tat, werden auch sie ausgehen, um die Herzen der Menschen für die Ankunft des Messias vorzubereiten, damit viele mit ihnen das Friedensreich erwarten und sich von ihrem sündigen Wandel bekehren und in Buße ihre Augen auf den Heiligen Israels richten. Im Matthäus­evangelium finden wir bekanntlich den Herrn Jesus als den König Israels vorgestellt, der zu Seinem Volk kommt, um das Friedensreich anzukündigen. Sein Vor­läufer Johannes predigte: Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen" (3, 2), und auch der Herr Jesus Selbst predigte diese Botschaft (4, 17); Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk (4, 23). In den Kapiteln 5‑7 legt Er die Grundsätze dar, auf die das Reich gegründet sein wird, und Er zeigt, wer an diesem Reich teilhaben wird. In den Kapiteln 8 und 9 wird diese Predigt der Grundsätze durch die Zeichen des Reiches bekräftigt. Es ist deshalb zu erwarten, daß wir gerade in diesem Buch eine deutliche vorbildliche Darstellung von dem Predigen des Reiches finden, wie die treuen Juden das in der Endzeit tun werden. In der Tat sind die Jünger des Herrn durch dieses ganze Evan­gelium hin ein Vorbild des zukünftigen Überrestes. In den Kapiteln 5‑7 richtet Er Sich ausschließlich an sie (Kap. 5, 1. 2), belehrt sie, wie sie sich in der Endzeit ihren Feinden gegenüber verhalten müssen; aber Er be­ginnt Seine Predigt damit, die glückselig zu nennen, die inmitten dieser Drangsale treu sein werden.

 

Dann sehen wir, wie der Herr Jesus mit dem Predigen des Evangeliums des Reiches fortfährt und durch alle Städte und Dörfer zieht (9, 35). Genauso werden die treuen Juden in der Zukunft schon vor der großen Drangsal ausgehen und das Evangelium des Reiches predigen, aber dann nicht nur in Israel, sondern auf der ganzen Erde, zu einem Zeugnis für alle Völker, bis das Ende gekommen ist (Mt 24, 14; siehe ab Vers 3). Im Vorbild sehen wir das in den Kapiteln 9 und 10. Der Herr geht umher und predigt das Reich; doch die Ernte ist sehr groß, und der Arbeiter sind wenige (9, 37). Deshalb sendet der Herr in Kapitel 10 auch Seine Jünger aus. Auch sie gehen aus, um das Evan­gelium des Reiches zu predigen, so wie sie das in der Zukunft tun werden. Auch damals waren die Israeliten wie Schafe, die keinen Hirten haben, und das wird auch in Zukunft der Fall sein (Sach 10, 2; 11, 16. 17; Hes 34, 6‑10; vgl. 4. Mo 27, 17; 1. Kön 22, 17; 2. Chron 18, 16; Ps 119, 176). Dann gehen die Jünger aus, und ihr Dienst ist so sehr mit dem des Überrestes in der Zukunft verbunden, daß die Worte, die der Herr an sie richtet, nur dann verstanden werden können, wenn wir an diesen Überrest denken; vor allem in den Versen 16‑23. Sie würden an Synedrien überliefert werden, vor Statthal­ter und Könige geführt werden, um Seinetwillen und zu einem Zeugnis für diese Könige, ja, für alle Völker. Der Geist ihres Vaters würde sie begleiten. Und dann lesen wir wörtlich von der Endzeit: "Es wird aber der Bruder den Bruder zum Tode überliefern, und der Vater das Kind; und die Kinder werden sich erheben wider die Eltern und sie zum Tode bringen. Und ihr werdet von allen gehaßt werden um meines Namens willen. Wer aber ausharrt bis ans Ende, dieser wird er­rettet werden. Wenn sie euch aber verfolgen in dieser Stadt, so fliehet in die andere; denn wahrlich, ich sage euch, ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Sohn des Menschen gekommen sein wird!" Hier wird geradewegs auf die Wiederkunft des Herrn für Sein Volk hingewiesen. Wenn Er zurück­kommt, werden die treuen Juden nicht einmal Zeit gehabt haben, in allen Städten das Evangelium zu predigen, so groß und so schwierig wird ihr Werk sein. In vieler Hinsicht ähnelt diese Beschreibung der in Kapitel 24, vor allem ab Vers 9, die dann endet mit: "Wer aber ausharrt bis ans Ende, dieser wird errettet wer­den. Und dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreis, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das Ende kommen."

 

Der Sendungsauftrag von Matthäus 28

 

Den letzten Hinweis auf das zukünftige Predigen des Überrestes an alle Völker finden wir in Kapitel 28 ab Vers 16. Man denkt häufig, daß wir hier den Auftrag an die Versammlung haben, das Evangelium der Gnade Gottes in Christus allen Völkern zu verkündigen, aber darum kann es hier unmöglich gehen. Der Herr spricht hier zu den Jüngern, die stets Vorbilder des Überrestes sind, und zwar auf dem Berg in Galiläa, dem Ort der Verwerfung und Verachtung. Aus Galiläa stammten Seine Jünger, verachtete Juden aus einem verachteten Landstrich, die die Seite eines verworfenen Messias gewählt hatten (und verworfen ist der Herr in diesem Evangelium in der Tat). Und diese Szene findet auf dem Berg statt, der in Matthäus immer in Verbindung mit dem Reich steht, wie wir bereits früher gesehen haben (siehe 5, 1; 15, 29; 17, 1).

 

Weicher Teil dieser Szene hat denn Bezug auf die Ver­sammlung? Es ist deutlich, daß wir die Versammlung hier nicht suchen dürfen, denn was geschieht weiter?

 

Die Jünger sehen den Herrn und huldigen Ihm; Sie anerkennen Ihn als den König. Und der Herr nimmt diesen Titel auch an, denn Er betont Seine königliche Würde: "Mir ist alle Gewalt [oder: Recht, Autorität] gegeben im Himmel und auf Erden. Gehet nun hin". Achte auf das "nun", das sich nämlich auf das Vorher­gehende bezieht. Die Jünger mußten ausgehen und Ihn als König der ganzen Erde predigen. In Matthäus fin­den wir nicht die Himmelfahrt, sondern den Herrn auf der Erde als den irdischen König; und wir finden den Überrest, der diesen irdischen König predigt. Das ist nicht der Auftrag der Versammlung.

 

Sodann: "Gehet nun hin und machet alle Nationen zu Jün­gern." Das ist bestimmt kein christlicher Auftrag! Es ist zwar wahr, daß zu Beginn der Versammlung die Predigt der Zwölf tatsächlich den Charakter des Evangeliums des Reiches hatte (siehe den Anfang der Apostelgeschichte), aber nachdem Paulus das Geheimnis von der Versamm­lung als dem Leib Christi geoffenbart worden war, der ver­bunden ist mit einem himmlischen, verherrlichten Haupt, bekam das Evangelium einen anderen Charakter.

 

Das Evangelium in unserer Zeit besteht nicht darin, Völker zu Jüngern zu machen, sondern die Jünger Christi aus den Völkern abzusondern zu einem neuen, ab­gesonderten Volk. Gott hat die Nationen heimgesucht, "um aus ihnen ein Volk zu nehmen für seinen Namen" (Apg 15, 14; siehe auch Titus 2, 14; 1. Petr 2, 9. 10). Völkern zu Jüngern zu machen ist dagegen ein Ge­danke, der vollkommen in den Rahmen des Reiches paßt. Ja, im Friedensreich werden die Völker als Völker gesegnet werden (siehe u. a. Jes 25, 6. 7; 42, 6; 49, 6. 7; 56, 7; 60, 3; 62, 2. 10; Jer 3, 17; 4, 2; 33, 9; Micha 4, 14; 7, 16. 17; Zeph 3, 10. 20; Sach 8, 20. 23; 14, 16‑19; vgl. Mt 25, 31‑46; Offb 20, 8). Wer in der Endzeit von den Völ­kern zur Bekehrung kommt, wird weiter zu den Völkern gehören ‑ erst auf der neuen Erde wird es keine Völker mehr geben, sondern nur "Menschen" (Offb 21, 3); wer sich aber in unserer Zeit bekehrt, gehört ‑ genau ge­nommen ‑ nicht mehr zu den Völkern, sondern zu dem Volk (vgl. die Unterscheidung in 1. Kor 10, 32).

 

Deshalb ist auch der Schluß von Matthäus 28 so wich­tig: "Und so taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." Wer sind diese "sie"? Um das zu verstehen, müssen wir wissen, daß im Griechischen hier wörtlich steht: "Zu‑Jüngern‑machet alle Nationen [Völker], sie taufend"; das Hauptwort Jünger" kommt also nicht darin vor, so daß "sie" sich direkt auf Völker bezieht. Die treuen Juden werden ausgehen, um die Völker zu "Jüngern‑zu‑machen" und zu taufen, das heißt, sie werden versuchen, alle Völker auf die Ankunft des Königs vorzubereiten, der über die ganze Erde Gewalt hat (Vers 18) und der über alle Völker regieren wird. Sie versuchen, die Völker zur Bekehrung zu bringen, damit sie den Messias würdig empfangen, und sie taufen sie, nicht nur, weil sie ihre Sün­den bekannt haben, sondern vor allem im Blick auf die baldige Ankunft des Messias. Christlich ist es, ein Volk aus den Völkern abzusondern; jüdisch ist es, alle Völ­ker zu Jüngern zu machen und sie zu taufen (daß sich nicht alle Völker bekehren werden, ist eine andere Sache, das ändert aber diesen Grundsatz nicht). Es ist eine Taufe, die mit der Taufe des Johannes vergleichbar ist, mit dem großen Unterschied, daß sich die Taufe des Johannes auf Israel beschränkte. Das Ziel ist aber das­selbe: Menschen zur Bekehrung aufzurufen im Blick auf den kommenden König und das Reich und sie als solche zu taufen, indem sie ihre Sünden bekennen (3, 1‑12). Die Taufe geschieht übrigens immer im Blick auf das, was vor uns liegt, nicht im Blick auf das, was hinter uns liegt. Diese Juden werden getauft, nicht weil sie ihre Sünden bekennen, sondern damit sie bereit sind, den Messias zu empfangen, indem sie ihre Sünden beken­nen. Als Christen werden wir nicht getauft, weil wir zum Glauben gekommen sind, sondern damit wir in Neuheit des Lebens wandeln (Röm 6,4), damit wir durch die Taufe unter die Autorität Christi kommen (Apg 2, 38; 8,12; 19, 5), damit wir Christus anziehen (Gal 3, 27), da­mit wir errettet werden, nämlich für die Erde (Mk 16, 16; 1, Petr 3, 21; vgl. Apg 2, 41. 47) usw. Genauso werden in der Zukunft viele getauft werden, damit sie bereit sind, den Messias zu empfangen und damit sie die Gebote des Messias bewahren (Mt 28, 20); das sind in Mat­thäus die Grundsätze des Reiches (Kap. 5‑7).

 

Schließlich noch: Der Herr würde bei Seinen Jüngern sein bis zur Vollendung des Zeitalters. Auch hier kön­nen die Jünger nichts anderes sein als ein Vorbild des zukünftigen Überrestes, denn sie selbst sind nicht bis zum Ende dieser Haushaltung auf der Erde geblieben. Der Überrest darf jedoch auf die Nähe Christi rechnen, bis die Haushaltung abgelaufen ist, das heißt, bis Er persönlich wiederkommt und das Friedensreich errichtet (vgl. 10, 22; 24, 13). Die Verheißung an die Versammlung hat einen völlig anderen Charakter: Wir haben die Ver­heißung in Vers 20 nicht nötig, denn vor der Vollendung des Zeitalters ist die Versammlung schon in den Himmel aufgenommen. Für uns gilt: und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein" (l. Thess 4, 17).

 

Der Glaube des Überrestes

 

Wir ersehen hieraus also, daß es in der Endzeit gläubige Juden geben wird, die ausgehen, um zu verkündigen, daß der Messias und Sein Königreich nahe sind. Sie werden in allen Städten und Dörfern Israels predigen, aber damit nicht zu Ende kommen. Andere werden über die ganze Welt ausgehen und überall die Völker aufrufen, sich zu bekehren und Seine Gebote zu hal­ten. Viele werden ihr Wort annehmen und auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft werden. Diese Taufformel verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Es ist nämlich auf­fallend, daß wir diese Taufformel nirgends in der Apostel­geschichte finden; immer finden wir "auf" (2, 38; 8, 16; 19, 5) oder "in dem Namen des Herrn" (10, 48); und anderswo "auf Christum" (Röm 6, 3; Gal 3, 27) oder "auf seinen Tod" (Röm 6, 3). Die Taufe auf den drei­einigen Gott jedoch finden wir nur in Matthäus 28, und das hat eine ganz besondere Bedeutung, gerade für die Endzeit. Die Jünger haben das verstanden und haben nicht den Auftrag von Matthäus 28 ausgeführt, sondern den von Lukas 24, 47. Dort finden wir den christlichen Auftrag. Dort wird der Herr als der verherrlichte Herr im Himmel (nach der Himmelfahrt) vorgestellt, dort werden nicht die Gebote Christi allen Völkern gepre­digt, sondern "Buße und Vergebung der Sünden ... al­len Nationen, anfangend von Jerusalem." Das haben die Jünger getan; der Auftrag von Matthäus 28 steht noch aus bis zur Endzeit. Dann wird der Herr den Überrest als Seine Brüder anerkennen (Vers 10; vgl. 25, 40); dann werden sie nicht in Jerusalem anfangen, das dann den Völkern übergeben ist (23, 37‑39; Lk 21, 24), sondern ausgehen bis zu den Enden der Erde, um Gott als den Vater (in dem Sinn von "Schöpfer"; 5. Mo 32, 6; Jes 64, 8; Mal 2, 10) zu verkünden, um Jesus als den Mes­sias, den Sohn Gottes (im Sinn von Ps 2, 7; Lk 1, 35) zu predigen, und das alles in der Kraft des Heiligen Gei­stes (obwohl dieser nicht in ihnen wohnt).

 

Tatsächlich wird ein Überrest aus den Juden nach der Auf­nahme der Versammlung Jesus als ihren Messias anerken­nen und Ihn predigen. Ja, von ihnen steht geschrieben, daß sie den Glauben Jesu bewahren (Offb 14, 12), das bedeutet, daß sie Ihn als den Gegenstand ihres Glau­bens kennen. Wir lesen auch, daß sie das Zeugnis Jesu haben (Offb 12, 17; 20, 4). Und was ist das? "Der Geist der Weissagung ist das Zeugnis Jesu" (19, 10), das bedeutet, daß der Geist, der in den Propheten wirksam ist, Jesus ist, der Sein Zeugnis gibt (es war der Geist Christi, der in ihnen war und zuvor zeugte; 1. Petr 1, 11). Auch die Offenbarung ist Prophetie und gehört zu dem Zeugnis, das Jesus von Gott empfangen und Seinem Knecht Johannes gegeben hat (1, 1‑3; vgl. 22, 18. 19). Und diese prophetischen Worte, die Jesus in dem Geist durch Seine Propheten und durch Johan­nes bezeugt hat, wird der Überrest besitzen und ken­nen. Sie werden Gott kennen als Den, der auf Seinem Thron sitzt und bereit ist, die Gerichte über diese Erde zu senden. Und sie werden Christus als den Sohn des Menschen kennen, der einmal verworfen war, aber nun mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist, der bereit steht, die Herrschaft anzutreten. Dieser Glaube des Über­restes wird in Psalm 8 ausgedrückt, in dem sie mit dem verworfenen, aber verherrlichten Sohn des Menschen verbunden sind. Sie bekennen aber nicht nur den Glau­ben an Jehova, sondern auch den Glauben an Jesus als den Messias. Was sie jedoch nicht wissen werden, ist, daß Jesus der Messias, Jehova Selbst ist. Das werden sie erst erkennen, wenn erfüllt wird, was Jehova Selbst gesprochen hat: "Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben" (Sach 12, 10). Es ist also auch klar, daß sie an den typisch christlichen Wahrheiten kein Teil haben: Sie kennen Gott als den Vater des Herrn Jesus, aber nicht als ihren Vater in Christo; sie kennen Jesus als den Sohn Gottes und als Messias, aber nicht in Sei­ner erhabenen Beziehung zur Versammlung: als Haupt des Leibes und als den Bräutigam Seiner Braut; dieses Vorrecht ist lediglich für uns bestimmt, die wir in der gegenwärtigen Haushaltung zum Glauben gekommen sind.

"Der Anfang der Wehen"

 

Wenn wir uns weiter in das Schicksal dieses Überrestes vor der letzten halben Jahrwoche Daniels vertiefen, dann werden wir feststellen, daß sie auch schon in dieser Zeit keine geringen Verfolgungen zu erdulden haben, ja, daß viele von ihnen dann bereits getötet wer­den, und zwar in der Periode, die der Herr lediglich als den "Anfang der Wehen" bezeichnet (Mt 24, 8). Wenn Sie ausgehen, um das Reich der Himmel im eigenen Land zu predigen, dann wird man sie von einer Stadt zur anderen verfolgen, aber sie werden keine Furcht kennen, denn ihre Feinde können lediglich den Leib tö­ten, aber die Seele ist bei Gott geborgen. Sie werden in ihrem Dienst treu sein, indem sie an das Wort des Herrn denken, das besonders ihnen gilt: "Ein jeder nun, der mich vor den Menschen bekennen wird, den werde auch ich bekennen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist" (Mt 10, 7. 23. 28. 32. 33). Die falschen Christi, die aufstehen werden, die Kriege und Ge­rüchte über Kriege, Hungersnöte, Seuchen und Erd­beben werden für sie zu Zeichen sein, daß das Ende nahe ist (Mt 24, 3‑8). Sie werden überliefert werden, um bedrängt und getötet zu werden, und sie werden von allen Völkern um des Namens ihres Herrn willen gehaßt werden (Mt 24, 9. 10). Das ist die Periode, in der die Maskilim unter dem Volk die Vielen zur Ein­sicht bringen, aber sie werden eine Zeitlang fallen durch Schwert, Flamme, Gefangenschaft und Raub. Einige unter den Maskilim werden fallen, um die vie­len zu läutern und zu reinigen und weiß zu machen bis zur Zeit des Endes (Dan 11, 33. 35).

 

Diese Verfolgungen halten an bis zum Ende der Jahr­woche; Daniel 7 gibt uns ein Bild dieser ganzen Peri­ode, wenn "das kleine Horn", das aus dem vierten Tier hervorkommt (das ist das erste Tier in Offenbarung 13, das römische Staatsoberhaupt), mit der Masse des jü­dischen Volkes ein Bündnis für sieben Jahre geschlos­sen hat, sich jedoch, gestützt durch den Antichristen, gegen die "Heiligen der höchsten Örter" richten wird (Verse 18. 21. 22. 25). Daß das jüdische Gläubige sein werden, wenigstens in erster Linie, ist aus Vers 27 ersichtlich, wo "das Volk der Heiligen der höchsten Örter" zu Beginn des Friedensreiches zu dem mächtig­sten unter den Völkern gemacht wird. Die Heiligen in die­sem Volk sind in besonderer Weise mit dem Himmel ver­bunden ‑ deshalb der Ausdruck "die höchsten Örter" ‑, weil sie an ein himmlisches Reich glauben und an einen Messias, der aus dem Himmel wiederkommt, und vor allem, weil sie als himmlische Heilige mit Christus im Friedensreich regieren werden (Offb 20, 4. 6). Diese Hei­ligen wird das Tier bedrängen und töten (Dan 7, 21. 25). Viele werden bis ans Ende ausharren, und wenn das gottlose Volk durch die Gerichte Gottes ausgerottet ist, bleiben diese Heiligen übrig (Sach 13, 8. 9), und ihre Brüder, die getötet sind, werden auferstehen, und sie werden zusammen das "Volk der Heiligen" bilden, das ist "ganz Israel", das wahre Israel in den Augen Gottes (Röm 11, 26).

 

Märtyrer vor der letzten halben Jahrwoche

 

Die Treuen, die vor der letzten halben Jahrwoche getö­tet werden, finden wir besonders auch in der Offen­barung. In Kapitel 6 werden die Ereignisse beschrieben, die mit dem Öffnen der ersten sechs Siege] in Verbindung stehen; diese Ereignisse sind noch keine direkten Ge­richte, sondern warnende, welterschütternde Dinge, die in der Vorsehung stattfinden, sei es durch politische Umwälzungen, sei es durch Naturkatastrophen. Das ist also "der Anfang der Wehen" (Mt 24, 8) vor der letz­ten halben Woche, die in Matthäus 24, 15 und in Offen­barung 8, 13 beginnt, wo die drei großen Wehe der Endzeit angekündigt werden (vgl. 9, 1; 11, 2; 12, 6). Wir lesen in Offenbarung 6, 9, daß in dieser Periode, während das fünfte Siegel geöffnet wird, Seelen unter dem Altar gesehen werden. Das sind Seelen von Men­schen, die wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie hatten, geschlachtet worden waren. Das können natürlich keine christlichen Märtyrer sein, weil die gesamte Versammlung schon ab Kapitel 4, 4 im Bild der Ältesten in verherrlichtem Zustand im Himmel gesehen wird. Zudem ist auch deutlich, daß es keine Christen sind, weil sie Gott um Rache an ihren Feinden bitten, und das ist ja gerade nicht christlich, wohl aber in Übereinstimmung mit dem Alten Testa­ment, mit dem Judentum. Es müssen Menschen sein, (wahrscheinlich Juden, zumindest größtenteils), die wegen ihres Zeugnisses getötet worden sind ‑ nicht ver­herrlichte Heilige, sondern Seelen ‑ und die nun im Geist des Alten Testaments um Rache bitten. Ihre Ge­bete und die Gebete ihrer Brüder auf der Erde werden von den Gläubigen im Himmel (5, 8) und von Christus (8, 3. 4) Gott dargebracht. Nach ihrem Ruf um Rache wird ihnen ein weißes Kleid gegeben und gesagt, daß sie noch eine kurze Zeit ruhen sollten, bis ihre Mit­knechte und ihre Brüder, die wie sie getötet werden würden, vollzählig wären.

 

Wir können also deutlich zwei Gruppen von Märtyrern unterscheiden: Die erste Gruppe ist in der ersten halben Woche umgekommen und wird hier unter dem Altar gesehen; die zweite Gruppe wird innerhalb kurzer Zeit getötet werden, also während der zweiten halben Woche. Danach wird die Anzahl der Märtyrer vollständig sein. Diese Gestorbenen werden zu Beginn des Tausend­jährigen Reiches auferstehen (20, 4). Wir finden die erste Gruppe Märtyrer, die vor der letzten halben Woche umkommen, auch in Offenbarung 12, 10. 11. In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie der Teufel aus dem Himmel auf die Erde geworfen wird, und wir werden im weiteren Verlauf noch sehen, daß dieses Ereignis die letzte halbe Jahrwoche einleitet. Weiter sehen wir in Vers 10, daß der Satan, wenn er hinabge­worfen ist, nicht länger der "Verkläger der Brüder" sein wird, weil er nicht länger in die Nähe Gottes kom­men kann, um sie zu verklagen. Und wer sind diese Brüder? Das sind die, die ihn überwunden haben UM des Blutes des Lammes und um des Wortes ihres Zeug­nisses willen, ja, die ihr Leben nicht geliebt haben bis zum Tod. Es sind also die Gläubigen, die nach der Aufnahme der Versammlung und bevor der Teufel auf die Erde geworfen wird, auf der Erde sein und zeugen werden. Die Kraft dazu finden sie im Blut des Lam­mes, und sie werden dadurch wirklich Überwinder sein, obwohl sie scheinbar Verlierer sind, da sie um­gebracht werden. In der Offenbarung sind die gläu­bigen Überwinder stets die, die wegen ihres Zeugnisses gestorben sind, aber gerade darin den Sieg erlangt haben, weil sie auferstehen und mit Christus tausend Jahre herrschen (12, 11; 15, 2; vgl. 2, 7. 11. 17. 26; 3, 5. 12. 21; 5, 5; 20, 4; 21, 6. 7).

 

Das erste Psalmbuch

 

Nun bleibt noch ein umfangreicher Punkt übrig, der in diesem Zusammenhang unsere Aufmerksamkeit ver­dient. Ein nicht zu unterschätzender Teil des gesamten prophetischen Zeugnisses der Heiligen Schrift ist näm­lich das Buch der Psalmen. Ein näheres Studium zeigt, daß nicht nur einige Psalmen sehr deutliche messiani­sche Psalmen sind, wie die Psalmen 2; 16; 22; 45; 69; usw., sondern daß alle Psalmen, besonders auch in ihrem fortlaufenden Zusammenhang betrachtet, über Christus sprechen, dann aber nicht gesehen als Haupt Seiner Versammlung, sondern verbunden mit dem treuen Überrest aus den Juden in der Zukunft, in Übereinstimmung mit dem Charakter des Alten Testa­ments. Wir sehen Ihn in Seiner Verherrlichung und Seinem Königtum, aber auch hauptsächlich in Seinem Leiden, nicht nur in Seinem sühnenden Leiden und Seinem Sterben, sondern vor allem auch in Seinem Leiden von seiten der Menschen, in dem Leiden um der Gerechtigkeit willen. Die Psalmen unterteilen sich, wie bekannt, in fünf Bücher: Das erste Buch (Ps 1‑41) schildert den Überrest, wenn er noch im Land ist, näm­lich vor der letzten halben Jahrwoche (also das Thema, mit dem wir uns jetzt beschäftigen), während er noch mit dem Tempel und mit Jerusalem verbunden ist und Jehova noch als solcher angerufen wird und noch in Verbindung mit dem Volk steht. Das erste Buch behan­delt also (nicht in historischer, sondern in sittlicher Weise) die erste halbe Jahrwoche, und da diese Periode Übereinstimmungen mit den dreieinhalb Jahren des Dienstes Christi zeigt, ist auch das ein wichtiges Thema im ersten Buch.

 

Im zweiten Buch (Ps 42‑72) sind die Treuen aus dem Land vertrieben, und lediglich ein kleiner Überrest ist in Jerusalem zurückgeblieben; es ist nicht mehr Jehova, der angerufen wird, sondern im allgemeinen ist es Gott.

 

Im dritten Buch (Ps 73‑89) geht es nicht mehr allein um die Juden, sondern um ganz Israel, alle zwölf Stämme; ihre ganze Geschichte, vom Beginn an, wird behandelt.

 

Das vierte Buch (Ps 90‑106) bezieht auch die Völker, ja, alle Geschöpfe, mit ein in die Ereignisse und führt Christus ein, gesehen in der Herrlichkeit Seines Wiederkommens und in allen Phasen Seines Kommens.

 

Das fünfte Buch (Ps 107‑150) führt das Tausendjährige Reich ein und gibt zugleich eine Übersicht über alle Wege, die zu dem Endziel geführt haben; es endet in einer Reihe von Lobpreisen.

 

Unser Thema führt uns nun zum ersten Psalmbuch, von dem wir natürlich nur eine äußerst knappe Über­sicht geben können, und nur im Zusammenhang mit unserem Thema. Das erste Buch kann man in drei Teile unterteilen: Die Psalmen 1‑8 schildern die Salbung des Königs, Seine Verwerfung und Erniedrigung und schließlich Seine Königsherrschaft als Sohn des Men­schen; verbunden mit Ihm wird der Überrest gesehen, dem dieselbe Erniedrigung und Verwerfung zuteil wer­den wird. Die Psalmen 1 und 2 stellen die beiden großen Grundsätze des ganzen Buches vor: erstens die Treue und den Gehorsam Christi und des Überrestes und zweitens den Sohn Gottes, der zum König in Zion gesalbt wird. Aber sowohl die Treuen als auch der König werden verworfen, und deshalb finden wir in den Psal­men 3‑7 die Übungen des Glaubens in diesem Zustand der Verwerfung; dabei wird das Auge auf Jerusalem und den Tempel gerichtet (3, 4; 4, 6; 5, 7). In Psalm 8 sind Christus alle Dinge unterworfen, und Er wird in Seiner Verwerfung als Sohn des Menschen gesehen.

 

Im zweiten Teil des ersten Psalmbuches (Ps 9‑15) sehen wir den Überrest in seinem Verhältnis zu Gott, zu dem Feind und zu den Gottlosen des Volkes. Psalm 9 sieht im Glauben auf den Allerhöchsten, das ist Gott, wie man Ihn im Friedensreich kennen wird. Im Gegensatz dazu spricht Psalm 10 über "den Gottlosen". Das ist in den Psalmen ein typischer Ausdruck, der sich vor allem auf den Menschen der Sünde, den Gesetzlosen (2. Thess 2, 3. 8) bezieht, das ist der Antichrist. Die Psalmen 11‑13 spre­chen über das Vertrauen auf Gott, wenn auch nur wenige Treue übriggeblieben sind; wir finden in diesen Psalmen auch die Verfolgung durch den Feind. Diese Drangsal hält an bis zum Friedensreich, wenn" der Tor" (der Anti­christ) abgeschnitten wird (Ps 14) und der Überrest in Sicherheit wohnen wird (Ps 15).

 

Der dritte Teil (Ps 16‑41) spricht über Christus, in Dem alles Heil zu finden ist und geoffenbart werden wird. Die Psalmen 16‑24 nennen die großen Grundsätze hier­von; die Psalmen 16‑18 die Grundsätze des wahren, göttlichen Lebens (Psalm 16 spricht im besonderen über Christus als den vollkommenen, gehorsamen Knecht); in den Psalmen 19‑21 sehen wir den Glauben, der auf Gottes Zeugnisse (Schöpfung und Gesetz) ver­traut und auf die Erlösung durch den verheißenen Mes­sias (bzw. Gebet und Danklied für den König); das führt uns direkt zu den Psalmen 22‑24, in denen wir Christus am Kreuz sehen und die Folgen Seines sühnenden Lei­dens: Lobgesang in der Versammlung, Bewahrung eines Überrestes (23) und letztlich die Herrschaft (24). Der folgende Unterabschnitt vom 3. Teil des ersten Psalm­buches (Ps 25‑39) ist das große Zeugnis des Überrestes, immer in Verbindung mit dem Tempel. Der Überrest drückt hier seinen Glauben an die endgültige Rettung aus, weil die Grundlage dazu auf dem Kreuz gelegt worden ist. Die Psalmen 25‑29 enthalten die Grundlage für dieses Vertrauen, von der Seite des Menschen aus gesehen: Anerkennung der Schuld (25), untadeliger Wandel (26), Anbetung (27), und von Gottes Seite: Sein Schutz und Seine Allmacht (28 und 29). Die Psalmen 30‑34 sind die Folge davon: der Lobgesang für die Erlösung und die Vergebung und Gottes Unterweisung und Seine Führung (vor allem 32). Als Gegenstück zu der Erlösung des Überrestes finden wir Gottes Gericht in Gerechtigkeit über die Gottlosen. Diese Gegenüber­stellung behandeln die Psalmen 35‑39. Da sehen wir den Untergang der Feinde, vor allem den des "Gott­losen". Die Sanftmütigen erben das Land (vor allem 37) nach der Drangsal (38 und 39). Zum Schluß werfen die Psalmen 40 und 41 einen Blick zurück auf den Weg, auf dem die Gnade Gottes erwiesen wird: Christus, der Sich Selbst ohne Flecken durch den ewigen Geist Gott geopfert hat (Hebr 9, 14). Dadurch kann der Überrest das Heil empfangen. Dieses Psalmbuch endet mit einem allgemeinen Lobgesang.

 

DIE DRANGSAL JAKOBS

 

In der Geschichte Jerusalems sind wir nun zu einem besonders einschneidenden Ereignis gekommen, das seinen Stempel auf die ganze weitere Geschichte drük­ken wird. Wir haben gesehen, wie die Juden (aus den beiden Stämmen) in Palästina einen jüdischen Staat errichtet haben, ohne sich bekehrt zu haben. Weiter­hin haben wir gesehen, wie sie das Land wieder zur Blüte bringen und Jerusalem in die Hand bekommen. Dann werden sie ein Bündnis mit dem Antichristen und mit dem Staatsoberhaupt des wiederhergestellten Römischen Reiches (dem vereinigten Europa) schlie­ßen, um sich gegen ihren großen nördlichen Feind Assur zu schützen. Wir haben aber auch gesehen, daß inmitten dieser Gottlosigkeit ein Überrest von Treuen in Jerusalem gebildet wird, der durch das Untersu­chen der Schrift Jesus als Messias erwarten und das Evangelium des bevorstehenden Reiches predigen wird, nicht nur in den Städten Israels, sondern allen Nationen. Viele werden durch ihre Predigt zur Bekeh­rung kommen, aber es werden auch viele von ihnen verfolgt und getötet werden. Die übrigen werden da­durch geläutert und passend gemacht, die furchtbaren Ereignisse mitzumachen, die wir nun beschreiben müssen. Mehr als je steht hier Jerusalem im Mittel­punkt alles Geschehens. Bevor wir uns jedoch Jerusalem zuwenden, müssen wir die Ursache all des Schrecklichen, das geschehen wird, suchen; und diese Ursache liegt nicht in Jerusalem, sondern in tiefgrei­fenden Ereignissen im Himmel.

 

Satan wird aus dem Himmel geworfen

 

Diese Dinge werden in Offenbarung 12 beschrieben, wo wir eine Übersicht über die gesamte Geschichte Israels finden. Es wird dort als eine Frau dargestellt; sie umfaßt zwölf Stämme (zwölf Sterne) und ist mit höchster Autorität (der Sonne) bekleidet. Ihr großer Gegenspieler ist der Drache. Das ist Satan selbst (Vers 9), hier aber dargestellt in der Gestalt des Rö­mischen Reiches (Vers 3). Dieses Reich hat sein Zen­trum auf den sieben Bergen Roms und hat auch sie­ben Regierungsformen erlebt (17, 9. 10). In seiner Endform wird es ein Zehnstaatenbund sein (zehn Ze­hen, Dan 2; Offb 12; 13; 17) und ein Drittel der pro­phetischen Erde ausmachen (12, 4). In den Versen 4 und 5 sehen wir, daß die Römer ihre Wut gegen den großen König, der aus der Frau hervorgekommen war, gerichtet haben; aber obwohl sie ihn töteten, konnten sie nichts gegen ihn ausrichten. Er ersteht aus dem Tode auf und wird zu Gott und Seinem Thron entrückt. In dieser Entrückung ist zweifellos auch die Entrückung der Versammlung einbegriffen, die ebenfalls die Nationen mit eiserner Rute weiden wird (2, 26. 27), während aus Vers 6 ersichtlich ist, daß die Geschichte Israels mit den Ereignissen wieder aufgenommen wird, die nach der Aufnahme der Ver­sammlung stattfinden. In diesem Vers ist die Rede von den 1260 Tagen der letzten halben Jahrwoche, während die darauffolgenden Verse 7‑17 uns mitteilen, was in dieser Periode stattfinden wird. Zuerst wird be­schrieben, wodurch diese Periode eingeleitet wird. Im Himmel entsteht ein Kampf zwischen Michael und sei­nen Engeln einerseits und dem Drachen und seinen Engeln andererseits. Dieser Kampf verläuft zuungunsten der letzteren, denn sie werden aus dem Himmel auf die Erde geworfen. So ist ihnen fortan der Zugang zum Himmel versagt (vgl. Hiob 1, 6; 2, 1). Das ist der zweite große Fall, den der Satan erleben muß; der erste fand nach seinem Sündenfall statt (Jes 14, 12‑15; Hes 28, 12‑17; Lk 10, 18); der dritte findet zu Beginn des Frie­densreiches statt (Offb 20, 1‑3) und der vierte am Ende des Friedensreiches (20, 10).

 

Hier in Kapitel 12 wird der Teufel auf die Erde geworfen. Was das bedeutet, können wir uns kaum vorstellen. Auch in unserer Zeit ist er schon der Fürst dieser Welt (Joh 12, 31; 14, 30; 16, 11), der Gott dieses Zeitlaufs (2. Kor 4, 4), aber er hält sich noch in himmlischen Ör­tern auf (Eph 2, 2; 6, 12). Wenn er jedoch auf die Erde geworfen ist und seine direkte Macht den Großen der Erde verleihen wird (wie wir noch sehen werden), und der Heilige Geist nicht mehr auf der Erde ist, um die Gesetzlosigkeit zurückzuhalten (2. Thess 2, 7. 8), wird sein teuflisches Wirken furchtbar sein, um so mehr, als Gott dann das Gericht der Verhärtung an denen ausge­führt hat, die dem Evangelium ungehorsam gewesen sind (2. Thess 2, 9‑12). Die Wirksamkeit Satans auf der Erde wird aber nur kurze Zeit dauern ‑ lediglich drei­einhalb Jahre (vgl. Vers 14), und gerade deshalb wird seine Wut um so heftiger sein, weil er weiß, daß er nur wenig Zeit hat (Vers 12).

 

Die Verfolgung des "Weibes"

 

Sobald er auf die Erde geworfen ist, richtet sich seine Wut gegen dieses "Weib". Wir müssen bedenken, daß dieses Weib nicht das gesamte Volk einschließlich der Gottlosen darstellt, sondern nur das wahre Volk, wie Gott es sieht, also den Überrest. Mit der gottlosen Masse des jüdischen Volkes steht das römische Staats­oberhaupt ‑ in dieser Periode die Personifikation des Teufels ‑ auf gutem Fuß, denn er hat ein Bündnis von sieben Jahren mit ihnen geschlossen (Dan 9, 27). Da­von ist dann inzwischen die Hälfte abgelaufen. Wie schon gesagt, wird das römische Staatsoberhaupt hier als das direkte Werkzeug Satans gesehen; wir haben das im Prinzip schon in Vers 3 gefunden. Sein Haß gegen die treuen Juden ist in Wirklichkeit der Haß Satans gegen Gott. Wir lesen in Kapitel 13, 2, daß der Drache (der Teufel) seine Macht, seinen Thron und große Gewalt dem Tier (dem römischen Staatsober­haupt) geben wird, eine Macht, die so groß ist, daß die ganze Erde sich über das Tier verwundern und den Drachen anbeten wird, der dem Tier die Gewalt gege­ben hat und sagen wird: "Wer ist dem Tiere gleich? Und wer vermag mit ihm zu kämpfen?" (13, 3. 4) Daß das Tier von dem Teufel beseelt sein wird, ist daraus ersicht­lich, daß es in den zweiundvierzig Monaten große Dinge und Gotteslästerungen aussprechen wird, ja, daß es Gott, dessen Namen, dessen Wohnung und die Bewohner des Himmels (die Versammlung und die Engel) lästern wird (Dan 7, 8. 20. 25; Offb 13, 5. 6).

 

Wir erkennen also deutlich, daß das Römische Reich seinen eigentlichen, satanischen Einfluß erst in der letz­ten halben Jahrwoche haben wird, nachdem der Teufel auf die Erde geworfen ist. In Vers 5 steht, daß ihm Gewalt gegeben wurde, zweiundvierzig Monate zu han­deln. In Daniel 7 sehen wir dasselbe: Das Tier wird darauf aus sein, die "Zeiten" (das sind die Festzeiten Jehovas) und das Gesetz zu ändern, und sie werden tatsächlich in seine Macht gegeben werden während einer Zeit und Zeiten und einer halben Zeit (dreieinhalb Jahre). Hieraus wird deutlich, daß er durch das Bünd­nis mit Israel (Jes 28, 15; 57, 9. 10; Dan 9, 27) dort einen großen Einfluß hat, so groß, daß er sogar in den jüdischen Gottesdienst eingreifen kann, der in Jerusalem im Tempel ausgeübt wird (Offb 11, 1). Anfänglich wird er diesen Gottesdienst noch erlauben, wenn aber der Teufel sich seiner bemächtigt hat, macht er diesem Gottesdienst ein Ende (diesen Gottesdienst übte natür­lich der Überrest aus) und beginnt, die Heiligen schwer zu verfolgen (Dan 7, 21. 25). Auch Daniel 9, 27 spricht hierüber: "Und zur Hälfte der Woche wird er Schlacht­opfer und Speisopfer aufhören lassen." Die letzte halbe Woche ist also die Zeit der schwersten Verfolgung für den Überrest, so schwer, daß diese Periode nicht länger dauern dürfte, weil sonst alle Treuen umkommen wür­den (Mt 24, 22). Deshalb sagt auch Daniel 12, 11. 12: "Und von der Zeit an, da das beständige Opfer abge­schafft wird . . . sind tausend zweihundertundneunzig Tage. Glückselig der, welcher harrt und tausend drei­hundertundfünfunddreißig Tage erreicht!" Glückselig wird derjenige genannt, der in dieser schweren Zeit ausharrt und das Ende erreicht, sogar das Ende der Ereignisse, die kurz nach den dreieinhalb Jahren statt­finden. Ja, Ausharren und Glauben (Offb 13, 10) wer­den nötig sein, um standzuhalten, wenn das Tier Krieg gegen die Heiligen führen und sie überwinden wird (Offb 13, 7).

 

Kurz zusammengefaßt: Nachdem der Satan aus dem Himmel auf die Erde geworfen ist, wird er das rö­mische Staatsoberhaupt beseelen, das in Jerusalem den Gottesdienst aufhören lassen und die Verfolgung gegen die Heiligen in ungekanntem Maß steigern wird, so daß viele umkommen. Nun wissen wir, daß eng mit dem römischen Staatsoberhaupt verbunden ein Mann da sein wird, ein abgefallener Christ‑Jude, der von den gott­losen Juden als Messias angenommen werden wird: der Antichrist. Die Führer Jerusalems haben mit ihm und mit dem Tier ein Bündnis geschlossen (Jes 28, 15; 57, 9. 10). Der Antichrist wird als eine Art Propagandaminister für das römische Staatsoberhaupt fungieren, denn wir lesen in Offenbarung 13, 11‑15, daß er die ganze Gewalt des ersten Tieres vor ihm ausüben und die Auf­merksamkeit aller Nationen auf das Tier richten wird.

 

Der Antichrist in seiner wahren Gestalt

 

Dieser Mann nun wird noch mehr als das römische Staatsoberhaupt die Verkörperung Satans sein; das Tier wird die große Macht besitzen, die es von dem Dra­chen empfangen hat, aber der Antichrist wird die geist­liche Machtfigur sein, die die Macht des Tieres ausübt. Wir lesen von ihm, daß er wie ein Drache reden wird (Offb 13, 11); er übt nicht nur die Macht des Drachen aus, sondern sein Geist und seine Worte sind die des Drachen ‑ er ist der fleischgewordene Teufel, und er wird sich als solcher offenbaren, sobald der Teufel auf die Erde geworfen ist. Vor dieser Zeit akzeptierte er noch, daß es fromme Juden in Jerusalem gab, die in ihrem Tempel Schlachtopfer darbrachten, aber nun ist das vorbei. Zusammen mit seinem Bundesgenossen, dem Tier, wendet er sich gegen allen Gottesdienst: Wir lesen in Offenbarung 17 und 18, wie die zehn Könige (die Staatsoberhäupter der zehn Staaten des Römi­schen Reiches) zusammen mit dem Tier (dem großen politischen Führer, dem die zehn Könige alle Macht geben) die große römisch‑katholische Kirche völlig zu­grunde richten, wahrscheinlich zu Beginn der letzten halben Jahrwoche. Die Kirche, deren Machtgebiet größtenteils mit dem Gebiet des alten weströmischen Reiches zusammenfällt, wird völlig vernichtet werden. Dagegen ist aus Offenbarung 3, 3 ersichtlich, daß die großen protestantischen Staatskirchen, deren Gebiet größtenteils außerhalb des Römischen Reiches liegt, bis zur Wiederkunft bestehen bleiben, wenn der Herr sie richten wird. (Wenn wir hier über Kirchen spre­chen, denken wir natürlich an Namenchristen, denn die wahren Gläubigen sind dann ja schon lange in den Himmel aufgenommen). Außer dem römisch‑katholi­schen wird auch, wie gesagt, der jüdische Gottesdienst abgeschafft werden. Was werden das Tier und der falsche Prophet (das römische Staatsoberhaupt und der Antichrist) dem entgegensetzen? Einen schrecklichen Götzendienst! Der Herr Jesus Selbst zeichnet hiervon ein sehr deutliches Bild in Matthäus 12, 43‑45 und in Lukas 11, 24‑26 in dem Gleichnis von dem unreinen Geist, der von einem Menschen ausfährt, aber keine Ruhe findet und deshalb mit sieben anderen Geistern, böser als er selbst, das Haus betritt und bewohnt. So wird es mit diesem bösen Geschlecht geschehen. Ja, mit der babylonischen Gefangenschaft hatte der Göt­zendienst sein Ende gefunden; das Volk kannte keine Götzen mehr, auch nicht zur Zeit des Herrn Jesus. Aber das Haus war leer ‑ an die Stelle des Götzendien­stes war nicht der Dienst Jehovas getreten. Deshalb wird der Endzustand des Volkes noch viel schlimmer sein als sein Anfang. Der Götzendienst wird zurück­kehren, und zwar in einer viel ausgedehnteren und schrecklicheren Form als es ihn jemals gegeben hat. Das ist dann die Zeit des Antichristen.

 

Der Greuel der Verwüstung

 

Was wird der Antichrist dann tun? Wir haben gesehen, daß er (auf das Geheiß des Tieres) in dieser Zeit den Opferdienst im Tempel aufhören lassen wird. In diesem Tempel wird er nun, geradeso wie Antiochus Epipha­nes es damals tat (Dan 8, 11. 12; 11, 31), an der Stelle des Altars einen Greuelgötzen errichten. Im Buch Daniel wird dieser Götze der "Greuel" genannt. Übri­gens deutet in der ganzen Bibel das Wort "Greuel" auf Götzen hin. In Daniel 12, 11 lesen wir, daß zu Beginn der letzten halben Jahrwoche das tägliche Opfer abge­schafft wird und daß anstelle davon ein verwüstender Greuel aufgestellt wird. Und in Daniel 9, 27 (ein be­reits häufig zitierter Vers) finden wir dasselbe: "Und zur Hälfte der Woche wird er [der römische Fürst] Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. Und wegen der Beschirmung [wörtlich: "Flügel", vgl. Jes 8, 8; andere übersetzen: "über dem Beschirmer] der Greuel [also der Götzen] wird ein Verwüster kommen." Die Juden werden in ihrem Wahn denken, daß dieser Götze sie gegen eine drohende Invasion schützen kann, aber gerade dieser Götzendienst wird ihnen eine von Gott gesandte Invasion bringen (siehe vor allem Jes 10, 5‑11). Eine andere, ebenso gute Übersetzung dieses Verses lau­tet: " . . . und neben dem Flügel [nämlich der Cheru­bim] werden Greuel der Verwüstung [oder: Verwüster] stehen" (siehe Fußnote in der Elberfelder Überset­zung). Im Allerheiligsten wird ein verwüstender Greuel errichtet werden. Es ist klar, daß von diesem Augen­blick an Gott diesen Tempel nicht mehr als Seinen Tempel anerkennen kann (vgl. vorher Offb 11, 1). Er wird ihn verabscheuen (Jes 66, 1‑4) und ihn schließlich bei der Wiederkunft Christi vernichten (Jes 66, 5. 6).

 

Wer ist nun dieser Verwüstung bringende Greuelgötze? Aus dem Vorhergehenden können wir es wohl ver­muten: Die Juden werden bei diesem Götzen Schutz suchen gegen die drohende Invasion des "Verwüsters" (das ist in den Prophezeiungen stets der Assyrer), und wir haben schon gesehen, daß die jüdischen Führer sich gegen diese Invasion durch ein Bündnis mit dem Tier zu schützen suchen (Jes 28, 15; 57, 9. 10). Es ist also wahrscheinlich, daß dieser Götze das römische Tier ist. Genau das lehrt uns auch Offenbarung 13. Dort lesen wir, daß der Antichrist die Menschen dazu bringt, dem Tier ein Bild zu machen; er selbst wird Macht besitzen, diesem Bild des Tieres Odem zu geben, so daß dieses teuflische Bild sprechen und bewirken kann, daß jeder, der das Bild des Tieres nicht anbetet, getötet wird. Aus all diesen Gegebenheiten können wir erkennen, daß der Antichrist im Tempel, im Allerheiligsten, ein Bild des römischen Staatsoberhauptes errichten wird, so daß die gottlosen Juden, die ihr ganzes Vertrauen auf das Tier setzen und bei ihm Schutz suchen, ein greif­bares Bild dieses Mannes haben, das sie verehren und anbeten, weil sie sonst getötet werden. Viele der Heili­gen, die die Gebote Gottes und den Glauben Jesu be­wahren (Offb 14, 12), und viele andere, die bis dahin nicht geglaubt haben, sich aber nun doch weigern, diesen Götzen anzubeten, und die das ewige Evangelium von Gott als Schöpfer annehmen (14, 6. 7), werden zu Tode gebracht werden (Offb 13, 15; 14, 13; 15, 2; 20, 4). So weit wird der Götzendienst des Antichristen gehen, daß er widersteht und sich selbst erhöht über alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, daß er Gott sei (2. Thess 2, 4).

 

Aufgrund dieser Schriftabschnitte können wir nun auch Daniel 11, 37‑39 besser verstehen. Wir haben schon ge­sehen, daß es ab Vers 36 deutlich um die Endzeit und den Antichristen geht. In den Versen 36 und 37 finden wir dasselbe, was wir soeben in 2. Thessalonicher 2 ge­lesen haben: "Auf den Gott seiner Väter wird er nicht achten, und weder auf die Sehnsucht der Weiber noch auf irgend einen Gott wird er achten, sondern er wird sich über alles erheben." Gegen den Gott der Götter wird er Erstaunliches (oder: Abscheuliches) reden. Wen wird er denn statt dessen ehren? Den Gott der Festungen, "den Gott, den seine Väter nicht gekannt haben, wird er ehren mit Gold und mit Silber und mit Edelsteinen und mit Kleinodien!" Wer ist dieser fremde "Gott der Festungen"? Das muß das römische Tier sein, und zwar aus folgenden Gründen: Der Gott der Festungen weist deutlich hin auf den Hauptgott der Römer, Jupiter Capitolinus. Das ist der Gott des Capi­tols, der römischen Festung. Weiterhin ist hier eine deutliche Parallele zu Vers 31, wo wir eine Beschrei­bung davon finden, wie Antiochus Epiphanes im Tem­pel den Greuel errichtet hat, und das war, wie wir wissen, ebenfalls Jupiter Capitolinus. Drittens zeigt Vers 39, daß er mit Hilfe dieses fremden Gottes zu An­sehen kommen wird, und wir wissen ja, daß seine große Stütze und sein Bundesgenosse das römische Staatsoberhaupt ist. Dabei ist es interessant zu beden­ken, daß der wichtigste politische Grund für die Christenverfolgungen der war, daß die Christen den römi­schen Kaiser nicht als Gott anerkannten und ihm nicht opfern wollten. Geradeso wie in Ägypten und Japan wurde der Kaiser als jemand betrachtet, der von gött­lichem Geschlecht abstammte und der angebetet wer­den mußte. Genauso wird der Antichrist ein Bild des Tieres machen lassen und das als einen Götzen im Tem­pel aufstellen, wie auch Antiochus das tat. Deutlich vergleichbar mit dem, was Offenbarung 13, 16. 17 sagt, steht hier, daß jeder, der den fremden Gott anerkennen wird, Ehre und Herrschaft empfängt und zum Lohn Land ausgeteilt bekommt.

 

Die große Drangsal

 

Was wird währenddessen mit dem gläubigen Überrest geschehen? Für sie ist diese Zeit eine Zeit schreck­licher Drangsal und Verfolgung, in der viele getötet werden. Das ist die "Zeit der Drangsal für Jakob", über die Jeremia spricht (30, 7) und von der Daniel sagt: "Und es wird eine Zeit der Drangsal sein, der­gleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit" (12, 1). Der Herr Jesus gebraucht ähnliche Worte, wenn Er über diese Zeit spricht: "Denn alsdann wird große Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzthin nicht gewesen ist, noch je sein wird" (Mt 24, 21; vgl. Mk 13, 19). Siehe auch Ps 20, 1; 37, 39; 50, 15; Jes 33, 2; 37, 3; Jer 15, 11; 16, 19; Ob 12. 14; Nah 1, 7; Hab 3, 16; Zeph 1, 15. Nun müssen wir gut verstehen, worauf sich diese Ausdrücke "die Zeit der Drangsal" und die "große Drangsal" be­ziehen. Sie sind zum Beispiel nicht genau identisch mit der "Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erd­kreis kommen wird" (Offb 3, 10) und der "großen Drangsal" in Offenbarung 7, 14 (vgl. 2, 22). Diese Aus­drücke umfassen zwar ungefähr dieselbe Zeitspanne, aber die zuletzt genannten Ausdrücke haben eine wei­tergehende Bedeutung, weil sie sich auf die ganze Erde und auf alle Völker beziehen. Dahingegen haben die zuerst genannten Ausdrücke nur Bezug auf den Überrest Israels; sie beziehen sich nicht einmal auf den gottlosen Teil der Juden!

 

Das müssen wir gut unterscheiden; die Zeit der Drangsal für Jakob ist die Zeit, in der der gläubige Überrest wegen seines Glaubens und seiner Treue zum Wort Gottes und wegen des Glaubens an Jesus ver­folgt, bedrängt und getötet werden wird. Diese Be­drängnis findet ein Ende, wenn der Messias sie bei Seiner Wiederkunft erlösen wird. Es ist zwar wahr, daß auch die gottlosen Juden in große Bedrängnis kommen werden, aber das ist eine ganz andere Bedrängnis. Ihre Drangsal wird beginnen, wenn der Assyrer in das Land einfällt und es besetzt, Jerusalem belagert und ein­nimmt. Diese Bedrängnis ist keine Verfolgung um des Glaubens willen, sondern die richtende Hand Gottes über ein gottloses Volk. Assur ist die Zuchtrute in der Hand Gottes (Jes 10, 5). Diese Gerichte wird der Über­rest nicht mitmachen, denn er ist dann längst aus dem Land geflüchtet, gehorsam der Warnung Gottes, so daß er sicher ist vor dem Gericht. Ihre Bedrängnis ist kein Gericht, sondern eine heilsame Prüfung und Läuterung von seiten Gottes (vgl. Sach 13, 8. 9). Lediglich in Jerusalem wird eine Gruppe Treuer übrigbleiben. Sie fliehen nicht aus dem Land, sondern harren durch die Gerichte hin bis zum Ende aus und werden schließlich von Gott gebraucht, um zusammen mit dem Überrest, der aus den umliegenden Ländern (wohin er geflüchtet war) zurückkehrt, den Assyrer zu schlagen. Also noch­mals: Es gibt zwei "Drangsale", die Drangsal des Über­restes durch die Bedrängnis von seiten der Gottlosen, im besonderen von seiten des Antichristen und des Tieres, und die Drangsal des gottlosen Volkes, wenn der Assyrer (trotz des Bündnisses der Juden mit dem Tier) das Land verwüsten wird. Das ist die große Linie der Ereignisse. Ich hoffe, daß eine weitere Darlegung dieser Ereignisse ein besseres Bild Zeichnet, als diese große Linie es vermag.

 

Die Flucht der Gläubigen in Judäa

 

Wenn wir nun etwas ausführlicher dem Verlauf der letz­ten halben Woche nachgehen und fragen, was das erste Ereignis ‑nach der Einführung des Greueldienstes ist, dann gibt der Herr uns Selbst die Antwort: "Wenn ihr nun den Greuel der Verwüstung, von welchem durch Daniel, den Propheten, geredet ist [Dan 12, llj, stehen sehet an heiligem Orte (wer es liest, der beachte es), daß alsdann die in Judäa sind auf die Berge fliehen; wer auf dem Dache ist, nicht hinabsteige, um die Sachen aus seinem Hause zu holen; und wer auf dem Felde ist, nicht zurückkehre, um sein Kleid zu holen. Wehe aber den Schwangeren und den Säugenden in jenen Tagen! Betet aber, daß eure Flucht nicht im Winter ge­schehe, noch am Sabbath; denn alsdann wird große Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt­hin nicht gewesen ist, noch je sein wird; und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch geret­tet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden" (Mt 24, 15‑22; Mk 13, 14‑20). Unmittelbar nach Einführung des Greueldienstes wird der Überrest Judäas die Flucht in die Berge ergreifen, indem er sich an das Wort des Herrn erinnert. (Das ist also ein erneuter Hinweis, daß sie auch das Neue Testa­ment kennen werden. Ja, gerade für sie gilt die Ermah­nung: "Wer es liest, der beachte es".) Beachte, daß hier steht: "die in Judäa sind"! Diese werden fliehen; wir werden sogleich sehen, daß der Überrest in Jerusalem in der Stadt zurückbleibt.

 

Was wird mit dem Überrest Judäas geschehen, nach­dem er geflohen ist, und wohin wird er fliehen? Er wird sich verbergen müssen, um den schrecklichen Ver­folgungen zu entkommen. Gott Selbst sagt zu Seinen Treuen: "Geh hin, mein Volk, tritt ein in deine Ge­mächer und schließe deine Tür hinter dir zu; verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorüber­gehe! Denn siehe, Jehova tritt hervor aus seiner Stätte, um die Ungerechtigkeit der Bewohner der Erde an ihnen heimzusuchen; und die Erde enthüllt ihr Blut und bedeckt nicht länger ihre Ermordeten" (Jes 26, 20. 21). Während der Zorn über die Erde kommt, wird der Überrest verborgen sein. Der "Zorn" (zaäm) ist häu­fig in den Prophezeiungen ein Hinweis auf die Gerichte Gottes an dem gottlosen Volk während der letzten hal­ben Woche; siehe Dan 8, 19; 11, 36; Hes 22, 24; mittels Assur: Jes 10, 5. 25; vgl. 13, 5; auch gegen Assur selbst: Jes 30, 27; vgl. Jer 50, 25; und mehr allgemein: Jer 10, 10; Hes 21, 36; Nah 1, 6; Hab 3, 12; Zeph 3, 8. Manchmal steht es in Verbindung mit Festbeschlosse­nem" (necheratsah), nämlich in Jes 10, 22‑25 und Dan 11, 36; das ist ein anderes kennzeichnendes Wort für die Endzeit (siehe hierzu Jes 28, 22; Dan 9, 26. 27), in diesen Texten und in Jes 10, 23 verbunden mit einem dritten, sehr typischen Wort für die Endzeit: "Vernich­tung" (Kalah),*) (mit der Grundbedeutung "Vollen­dung"): siehe Hes 13, 13; Dan 11, 16 "und Vertilgung wird in seiner Hand sein": Jes 10, 23; Jer 4, 27; 5, 10. 18; 30, 11; 46, 28; Hes 11, 13; 20, 17; Nah 1, 8. 9; Zeph 1, 18.

*) Kalah wird teilweise auch mit "Vertilgung", "zerstören", "zu Grunde richten" und „den Garaus machen" übersetzt, (Anm. d. Üb.).

 

Der Zufluchtsort des Überrestes

 

Nach diesen "technischen" Angaben über die Prophetie kehren wir zu unserem Thema zurück. Wir haben gesehen, daß der Überrest in der Zeit der Gerichte verborgen sein wird. So ist es immer gewesen, wenn Jerusalem in Drangsal kam: Während der Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezar war der Überrest längst in Babel, und während der Belagerung durch Titus waren die Christen ebenfalls außer Landes; in allen drei Fällen verließen die Treuen auf das Wort Gottes hin rechtzeitig den Ort, der gerichtet werden sollte, und zogen außer Landes. Eine Ausnahme bildet der Überrest, der in der Zukunft in Jerusalem zurück­bleiben und standhalten wird. Der Überrest, der aus dem Land flieht, wird von Jehova Selbst verborgen werden. Bereits bei dem Aufruf zur Bekehrung hatte Gott gesagt: "Suchet Jehova, alle ihr Sanftmütigen des Landes, die ihr sein Recht gewirkt habt; suchet Gerech­tigkeit, suchet Demut; vielleicht werdet ihr geborgen am Tage des Zornes Jehovas" (Zeph 2, 3). Dasselbe finden wir als Grundsatz auch in den Psalmen: "Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tage des Übels, er wird mich verbergen in dem Verborgenen seines Zeltes; auf einen Felsen wird er mich erhöhen" (Ps 27, 5; 31, 20). Fern von Jerusalem, fern von dem Gottes­dienst, fern von den feierlichen Zusammenkünften (vgl. Zeph 3, 18) wird Gott sie bewahren. Und wo ge­nau? Verschiedene Stellen werden uns im Wort Gottes genannt. Als erstes wenden wir uns zu Psalm 107.

 

Wir haben schon über diesen besonderen Psalm gespro­chen, aber eigentlich nur bis Vers 38; bis zu diesem Vers (ab Vers 23) sehen wir die Rückkehr der Juden in das Land, das Errichten der Wohnstadt und das Be­bauen des Landes. Das ist die Wiederherstellung der jüdischen Nation, anfänglich in sicherer Ruhe und Gedeihen, auch für den Überrest. Aber dann kommt die große Drangsal: "Und sie vermindern sich [diejeni­gen, die Gott angehören, die Gegenstände dieses Psal­mes] und werden gebeugt durch Bedrückung, Unglück und Jammer. Er schüttet Verachtung auf Fürsten und läßt sie umherirren in pfadloser Einöde; und er hebt den Armen empor aus dem Elend, und macht Herden gleich seine Geschlechter" (Verse 39‑41). Hier sehen wir, daß der Überrest während der großen Drangsal in der Wüste umherirren wird, Jehova ihn dort aber bewahren wird. Dasselbe finden wir in Offenbarung 12: "Und das Weib floh in die Wüste, woselbst sie eine von Gott bereitete Stätte hat, auf daß man sie daselbst ernähre tausend zweihundertsechzig Tage ... Und es wurden dem Weibe die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, auf daß sie in die Wüste fliege, an ihre Stätte, woselbst sie ernährt wird eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit, fern von dem Angesicht der Schlange. Und die Schlange warf aus ihrem Munde Wasser, wie einen Strom, hinter dem Weibe her, auf daß sie sie mit dem Strome fortrisse. Und die Erde half dem Weibe, und die Erde tat ihren Mund auf und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Munde warf" (Verse 6, 14‑16). Gott wird Seinen Überrest schützen und ihn in der Wüste unantastbar machen.

 

Nun ist die Frage, ob wir den Begriff "Wüste" wörtlich auffassen müssen oder ob es ein symbolischer Aus­druck ist, wo ein Bereich gemeint ist ohne jede Erquik­kung, ohne einen lebendigen Brunnen, also ohne jeden geistlichen Genuß. So sagt Psalm 63, 1: "Nach dir schmachtet mein Fleisch in einem dürren und lechzen­den Lande ohne Wasser." Dieser Psalm (aus dem zwei­ten Psalmbuch) muß, genauso wie Psalm 42 (siehe Verse 1. 2. 6.), in die letzte halbe Jahrwoche eingeord­net werden (siehe später). Außer diesem Gesichtspunkt der Dürre gibt es noch eine andere Bedeutung des Wortes "Wüste"; diese Bedeutung finden wir in Hesekiel 20, 35: "Die Wüste der Völker, und in Hosea 2, 14 in Verbin­dung mit der Zerstreuung unter die Völker: " . . . ich werde sie locken und sie in die Wüste führen." Sicher ist in jedem Fall, daß die Prophezeiungen uns deutlich lehren, daß der Überrest tatsächlich inmitten bestimm­ter Völker in der Umgebung Palästinas bewahrt werden wird. Wir lesen nämlich in Jesaja 16, daß zu Moab ge­sagt wird: "Sendet die Fettschafe des Landesherrschers von Sela [von der felsigen Gegend] durch die Wüste nach dem Berge der Tochter Zion ... verbirg die Ver­triebenen, den Flüchtling entdecke nicht! laß meine Vertriebenen bei dir weilen! sei Moab ein Schutz vor dem Verwüster! ‑ Denn der Bedrücker hat ein Ende, die Zerstörung hat aufgehört, die Zertreter sind aus dem Lande verschwunden. Und ein Thron wird durch Güte aufgerichtet werden; und auf ihm wird im Zelte Davids einer sitzen in Wahrheit, der da richtet und nach Recht trachtet und der Gerechtigkeit kundig ist (Verse 1‑5).

 

Hier sehen wir, daß der Überrest, die Vertriebenen Gottes, einen Zufluchtsort im Lande Moab finden, wo sie bewahrt werden bis "der Verwüster“ (der Assyrer, vgl. Jes 33, 1) sein Ende gefunden hat (Dan 11, 45) und „der Bedrücker“ (der Antichrist) verschwunden ist; da­nach werden die Fettschafe aus Sela und der Wüste (!) gesammelt und nach Jerusalem zurückgebracht. Moab wird also ein Zufluchtsort für die geflüchteten Juden sein, wie das auch in der Zeit Nebukadnezars der Fall war (Jer 40, 11. 12). Darauf bezieht sich wahrscheinlich auch der Ausdruck in Psalm 60, 8 und 108, 9: "Moab ist mein Waschbecken", d. h. ein Läuterungsort für den Überrest.

 

Vielleicht gehört auch Philistäa zu den Völkern, die den Heiligen als ein Zufluchtsort dienen werden, denn Ze­phanja 2, 7 sagt: "Und es wird ein Landstrich sein für den Überrest des Hauses Juda: sie werden darauf weiden und am Abend sich lagern in den Häusern Askelons, denn Jehova, ihr Gott, wird sich ihrer annehmen und ihre Gefangenschaft wenden"; das scheint mir jedoch mehr Bezug auf die Zeit zu haben, wenn der Überrest wieder in das Land zurückgekehrt ist (vgl. V 9). Das um so mehr, als die Flucht auf die Berge (Mt 24; Mk 13; Ps 42, 6) eher in östlicher als in westlicher Richtung er­folgt. Schließlich finden wir noch einen Hinweis in Psalm 120, dem ersten Psalm der Stufenlieder (Auf­gangslieder nach Jerusalem), in denen wir eine fesselnde Übersicht über die Endgeschichte Jerusalems haben. Die Psalmen 120‑122 zeigen uns die Gefühle des Überrestes, der aus dem Land geflüchtet ist und in der Fremde weilt: "Wehe mir, daß ich weile in Mesech, daß ich wohne bei den Zelten Kedars! Lange hat meine Seele bei denen gewohnt, die den Frieden has­sen" (Ps 120, 5. 6). Das hebräische Wort für "weilen" hat die Bedeutung von "irgendwo als Gast oder Schütz­ling weilen". Ein Teil des Überrestes wird sich also in Mesech aufhalten, nördlich von Palästina in Kleinasien und östlich davon. Ein anderer Teil wohnt in den "Zel­ten Kedars", das im nordwestlichen Teil der arabischen Halbinsel liegt und an den Süden Palästinas grenzt.

 

Mesech finden wir auch in 1. Mose 10, 2, wo es ‑ als Nachkomme Japhets ‑ dasselbe Gebiet umfaßt, wäh­rend es in Hesekiel 38, 2. 3 ebenfalls genannt wird, wo es aber eine weitergehende Bedeutung hat, nämlich Im äußersten Norden" (V 6), und wo es mit Rosch, das ist Rußland, verbunden ist. Kedar finden wir auch in Jesaja 21, 13‑17, wo es deutlich zu dem arabischen Gebiet gehört, weiterhin in Jesaja 60, 7, wo es mit seinem Brudervolk Nebajoth verbunden ist, dem Sohn Ismaels, dem Vater der Araber (l. Mo 25, 13). Siehe auch Hohel 1, 5; Jes 42, 11; Jer 2, 10; 49, 28; Hes 27, 13. 21; 32, 26. Bei diesen Völkern wird der geflüchtete Überrest einen Zufluchtsort finden, aber sie werden sich dort be­stimmt nicht zu Hause fühlen. Obwohl Gott sie be­schützt, leiden sie doch unter der Gottlosigkeit derer, bei denen sie Zuflucht gefunden haben: "Lange hat meine Seele bei denen gewohnt, die den Frieden hassen. Ich will nur Frieden; aber wenn ich rede, so sind sie für Krieg" (Ps 120, 6. 7). Denn auch diese Völker, unter denen sich der Überrest aufhält, werden an dem Kampf gegen Jerusalem teilnehmen (Ps 83, 4‑8). Aber die Hoffnung de Überrestes gründet sich inzwischen völlig auf Jehova, de Himmel und Erde gemacht hat, und im Vertrauen richte sie ihr Glaubensauge auf Zion (Ps 121; 125, 1. 2).

 

Der Überrest, der in Jerusalem zurückbleibt

 

Wir wollen nun den Überrest aus Judäa, der aus dem Land geflüchtet ist, dort lassen, wo er ist, und unsere Aufmerksamkeit auf die kleine Gruppe von Treuen richten, die in Jerusalem zurückgeblieben ist. Gerade zu denen, die so nahe bei dem Greuel der Verwüstung leben, hatte der Herr nicht gesagt, daß sie auf die Berge fliehen sollen! Gottes Wort ist äußerst genau, und es ist sehr bedeutsam, diesen Unterschied zwi­schen den Treuen aus Judäa und den Treuen in Jerusalem zu sehen; die eine Gruppe außer Landes, die an­dere in Jerusalem zurückgeblieben. Das ist also völlig verschieden von dem Zustand im Jahre 70 n. Chr., wie wir ihn in Lukas 21 angekündigt finden. Damals muß­ten auch diejenigen, die in der Stadt waren, auf die Berge fliehen: "Daß alsdann, die in Judäa sind, auf die Berge fliehen, und die in ihrer Mitte sind [d. i. Jerusalem, s. V 20], daraus entweichen, und die auf dem Lande sind, nicht in sie eingehen" (V. 21). Das finden wir aber nicht in Matthäus 24, und das ist einer der vie­len Hinweise, daß es dort unmittelbar auf die Zukunft Bezug hat, zumindest auf ein anderes Ereignis als in Lukas 21. Denselben Unterschied haben wir in Offen­barung 12. Zuerst sehen wir dort die Frau, die in die Wüste flieht und da eintausend zweihundertsechzig Tage lang gegen die Angriffe Satans beschützt wird, und dann finden wir am Ende des Kapitels eine andere Gruppe, die "übrigen ihres Samens, welche die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu haben" (V 17). Es ist deutlich, daß das Juden sind, denn sie gehören zu dem Samen der Frau. Aber sie sind nicht in der Wüste, das wird aus dem Zusammenhang deutlich. Wer sind sie denn? Ja, wir kennen eben zwei Gruppen gläubiger Juden: solche, die in Judäa sind, und solche, die in Jerusalem sind. Die erste Gruppe flieht in die Wüste, also muß die Gruppe in Vers 17 der Überrest in Jerusalem sein, der in den letzten Tagen die Zielscheibe besonderer Angriffe Satans ist, wie wir noch sehen werden.

 

Über diesen Überrest in Jerusalem schreibt das Wort Gottes sehr ausführlich, aber, und das ist auch ver­ständlich, nahezu nur in Verbindung mit dem großen Angriff des Assyrers und seiner Bundesgenossen auf Jerusalem. Sonst finden wir nur allgemeine Angaben darüber. Bedeutsam ist die Frage, weshalb eine Gruppe Treuer in der Stadt zurückbleiben muß, wäh­rend das bei früheren Belagerungen nicht der Fall war. Es ist vielleicht gut, kurz der Geschichte vorzugreifen, um diese Frage zu verstehen. Bei allen früheren Be­lagerungen war es so, daß ein sehr durchgreifendes Gericht eintrat, dessen Folgen lange Zeit in Kraft bleiben würden. In der Zeit Nebukadnezars sollten siebzig Jahre für die Verwüstung Jerusalems vollendet werden "bis die Zeiten der Nationen erfüllt“ wären (Lk 21, 24). Unter solchen Umständen konnten keine Gläubigen an dem Ort zurückbleiben, wo das Gericht so endgültig war, sondern es mußten alle Gläubigen diesen Ort verlassen. Aber in der Zukunft wird das anders sein. Auch dann wird wirklich eine Belagerung stattfinden (und zwar durch den Assyrer), und auch diese Belagerung wird ein Gericht Gottes über das gottlose Volk sein, aber das wird lediglich eine sehr kurze Zeit dauern. Wenn der Assyrer nämlich kurz danach aufs neue Jerusalem einkreisen wird, dann wird der Herr Jesus ihn vernichten, und Er wird Je­rusalem befreien, d. h. den Überrest in dieser Stadt. Es handelt sich also nicht um ein Gericht über einen längeren Zeitraum, sondern um einen kurzen Augen­blick der Drangsal, um die Gottlosen zu töten und den Überrest zu läutern und zu befreien. Und was noch wichtiger ist: Noch vor dem Kommen des Herrn auf die Erde wird gerade dieser Überrest in der Regierung Gottes als ein Gegengewicht gegen das ver­nichtende Wirken des Assyrers gebraucht werden; er ist ein wichtiges Werkzeug in der Hand Gottes, um schließlich auch den Assyrer selbst zu seinem Ende zu bringen.

 

Vielleicht fragt jemand: Warum muß dann der Überrest aus Judäa fliehen? Möglicherweise deshalb, weil der Einfluß und die Macht des Assyrers in den Landstrichen viel größer sein wird als in der befestigten und vertei­digten Stadt. Die Gläubigen aus Judäa sind deshalb besser in der Fremde geschützt, von wo aus sie jedoch in den letzten Tagen ebenfalls ein wichtiges Werkzeug in der Hand Gottes sein werden, um nach der Erobe­rung durch den Assyrer diesen in Palästina anzugreifen und zu vertreiben. Zwei Machtzentren also: der Über­rest als eine Macht von innen heraus, um dem Assyrer zu widerstehen, und der zurückkehrende Überrest aus Judäa als eine Macht von außen her, um dem Feind in den Rücken zu fallen. Diesen sehr kurzgefaßten Abriß wollen wir nun anhand der Schrift weiter verdeutlichen.

 

Besonders das Buch der Offenbarung macht uns einige allgemeine Angaben über den Überrest, der in Jerusalem zurückbleibt. In Kapitel 11 werden wir in die 11zweiundvierzig Monate" oder auch "tausend zweihun­dertsechzig Tage" der letzten halben Jahrwoche ver­setzt. Einige haben angenommen, daß es sich hier um die erste halbe Jahrwoche handle (so auch anfänglich Bruder Darby, der jedoch später seine Meinung geän­dert hat), aber das erscheint uns nicht richtig. Denn nirgends in den Prophezeiungen wird diese Zeitspanne als zweiundvierzig Monate oder tausend zweihundert­sechzig Tage oder drei und eine halbe "zeich beschrie­ben; immer haben diese Ausdrücke Bezug auf die letzte halbe Jahrwoche; wir hätten dann hier eine son­derbare Ausnahme. Siehe dazu Dan 7, 25; 12, 7; (vgl. 9, 27; 12, 11. 12) Offb 11, 2. 3; 12, 6. 14; 13, 5. In den Stellen in Daniel folgt der Ausdruck "das Ende"; also müssen sie sich auf die letzte halbe Woche beziehen; die Stellen in Offenbarung 12 haben ebenfalls deutlich Bezug auf die letzten dreieinhalb Jahre, was aus einem Vergleich mit Matthäus 24, 15‑22 und Daniel 9, 26. 27 deutlich wird; ebenso Offb 13, 5 vgl. Dan 7, 25 und 9, 27. Sollte dann Offenbarung 11, 2. 3 hierin eine Ausnahme bilden? Dazu kommt noch ein wichtiges Argument. Diese dreieinhalb Jahre sind die einzige genaue Zeit­angabe, die wir von der Endzeit haben, und das ist auch verständlich, wenn wir bedenken, daß gerade dies die Zeitspanne ist, in der Gott nicht mehr in Seiner Vorsehung, sondern unmittelbar mit dem Volk Israel handelt, während gleichzeitig auch ein unmittelbares Wirken Satans erfolgt. Das ist zur gleichen Zeit auch die Periode, in der das Römische Reich sich als das sa­tanische Tier und der Antichrist sich als der Sohn des Verderbens offenbart, während andererseits dies zu­gleich der Zeitraum ist, in dem Gott Seine Zuchtrute zu dem Volk sendet, nämlich den Assyrer, und es ist drittens die Zeit, in der der Überrest durch Drangsal geläutert wird. Es ist also deutlich, daß der Glaube, der die Prophezeiungen kennt, nur noch auf diese drei­einhalb Jahre wartet, die zum Ende und zu dem neuen Anfang führen werden. Der Glaube anerkennt, daß die ersten dreieinhalb Jahre längst erfüllt sind in den drei­einhalb Jahren, die der Herr Jesus auf der Erde wan­delte, an deren Ende der Messias ausgerottet wurde (Dan 9, 26. 27). Nur das gottlose Volk, das den Mes­sias verworfen hat, muß auch die ersten dreieinhalb Jahre noch einmal durchmachen, und das wird gesche­hen, wenn sie für sieben Jahre ein Bündnis mit dem römischen Staatsoberhaupt schließen. Aber diese er­sten dreieinhalb Jahre erkennt Gott nicht als einen Teil Seiner unmittelbaren Taten auf der Erde an, und des­halb wird dieser Zeitabschnitt nicht näher bezeichnet, also auch nicht in Offenbarung 11. Ziehen wir beispiels­weise Kapitel 12 zum Vergleich heran; dort haben wir im Blick auf die lange Geschichte Israels keine einzige Zeitangabe vor Anbruch der letzten halben Jahrwoche.

 

In Kapitel 11 sehen wir in Vers 1 zuallererst die gläubi­gen Juden, die während der ersten halben Woche (ohne Zeitangabe) im Tempel anbeten, den Gott dann noch als Seinen Tempel anerkennt. Danach wird jedoch der Tempelvorhof und die gesamte Stadt den Nationen übergeben, und zwar für zweiundvierzig Monate. Wir wissen (und werden sehen), daß es der Assyrer mit sei­nen Bundesgenossen ist, der die Stadt während der letzten halben Woche erobert. Dementsprechend finden wir den Überrest bezeichnet, der sich in diesem Zeitraum in der heiligen Stadt befinden wird, und war in zwei Zeugen. Es ist offensichtlich, daß diese beiden Zeugen nicht den gesamten Überrest darstellen, denn wir lesen, daß sie nach den dreieinhalb Jahren getötet werden und nach dreieinhalb Tagen auferstehen, und das wird sicherlich nicht mit dem gesamten Überrest geschehen; andererseits ist es auch nicht sicher, daß es buchstäblich zwei Personen sind, die zu dem Überrest gehören. Von diesen beiden Zeugen lesen wir, daß sie Gewalt haben, zu weissagen vor dem Angesicht des Herrn der ganzen Erde (das ist Gott in einer anerkann­ten Verbindung mit der Erde; vgl. Jos 3, 11 und Offb 11, 13). Feuer aus ihrem Mund verzehrt ihre Feinde. Sie haben die Kennzeichen der beiden Gesalbten in Sacharja 4, 1‑14 und von Mose und Elias. Am Schluß ihres Zeugnisses werden sie von dem römischen Staats­oberhaupt getötet; ihre Leichname liegen dreieinhalb Tage in den Straßen Jerusalems, danach werden sie auf­erstehen und während eines schweren Erdbebens zum Himmel fahren.

 

Was den in Jerusalem zurückgebliebenen Überrest be­trifft: In mehr allgemeinem Sinn lehrt uns das Buch der Offenbarung, daß viele der Treuen im Land während der letzten halben Jahrwoche getötet werden. Das sind die "Brüder, die den Toten hinzugefügt werden, die vor den letzten dreieinhalb Jahren umgekommen sind (6, 11). Viele Gläubige werden in dieser Zeit getötet werden, weil sie sich weigern, das Bild anzubeten, das der Antichrist errichtet hat (13, 15); hierzu gehören auch viele aus den Nationen. Wenn es auch so scheint, als wären diese Menschen besiegt, so zeugt doch der Heilige Geist von ihnen: "Glückselig die Toten, die im Herrn sterben, von nun an! Ja, spricht der Geist, auf daß sie ruhen von ihren Arbeiten, denn ihre Werke fol­gen ihnen nach" (14, 13). Diese empfangen Lohn nach ihren Werken (22, 12), die Ungläubigen jedoch werden nach ihren Werken gerichtet werden (20, 13). Die Treuen haben teil an dem "Glückselig", das siebenmal in diesem Buch ausgesprochen wird (1, 3; 14, 13; 16, 15; 19, 9; 20, 6; 22, 7. 14).

 

DER ERSTE ANGRIFF DES ASSYRERS

 

Wenn wir nun zu der Besprechung der politischen Ereignisse in Jerusalem übergehen, die kurz vor der Wiederkunft des Herrn stattfinden, dann ist es gut, wenn wir uns zuvor noch eine deutliche Übersicht über die Situation verschaffen. Die Juden der beiden Stämme sind in das Land Palästina zurückgekehrt und haben dort trotz der Feindschaft der umliegenden Staa­ten einen Staat errichtet. Sie kommen zu Wohlstand, aber sie bleiben im Unglauben gegen Gott. Es entsteht jedoch ein treuer Überrest, der seine Hoffnung auf Gott richtet. Dieser Überrest muß aber ins Ausland fliehen, wenn das Staatsoberhaupt Israels, der Anti­christ (verbunden mit dem Staatsoberhaupt des wieder­hergestellten Römischen Reiches), im Tempel in Je­rusalem einen Götzendienst einführt. Die gläubigen Juden fliehen; lediglich in Jerusalem bleibt eine kleine Gruppe Treuer übrig.

 

Das assyrische Bündnis

 

Währenddessen bleiben die feindlichen Nachbarstaaten nicht still, sondern befinden sich in Aufruhr. Davon spricht Psalm 2: "Warum toben die Nationen und sin­nen Eitles die Völkerschaften? Es treten auf die Könige der Erde, und die Fürsten ratschlagen miteinander wider Jehova und wider seinen Gesalbten: Lasset uns zerreißen ihre Bande, und von uns werfen ihre Seile!" (Verse 1‑3). In diesem "Eitles sinnen" spielt der Assy­rer von Anfang an eine entscheidende Rolle. "Von dir [das ist Ninive, die Hauptstadt Assyriens] ist ausgegangen, der Böses sann wider Jehova, ein nichtswürdiger Ratgeber" (Nah 1, 11). Wir werden sehen, daß der Assyrer darauf aus ist, allein die Beute zu bekommen; um aber dieses Ziel zu erreichen, verbündet er sich anfänglich mit seinen Nachbarstaaten, und zusammen ersinnen sie einen Anschlag gegen Jerusalem. Die Treuen, die das gewahr werden, rufen in dieser Zeit zu Jehova: "Gott, schweige nicht; verstumme nicht und sei nicht stille, o Gott! Denn siehe, deine Feinde toben, und deine Hasser erheben das Haupt. Wider dein Volk machen sie listige Anschläge und beraten sich wider deine Geborgenen. Sie sprechen: Kommet und lasset uns sie vertilgen, daß sie keine Nation mehr seien, daß nicht mehr gedacht werde des Namens Isra­els! Denn sie haben sich beraten mit einmütigem Her­zen, sie haben einen Bund wider dich gemacht: Die Zelte Edoms und die Ismaeliter, Moab und die Hage­riter, Gebal und Ammon und Amalek, Philistäa samt den Bewohnern von Tyrus; auch Assur hat sich ihnen angeschlossen; sie sind zu einem Arm geworden den Söhnen Lots" (Ps 83, 1‑8).

 

Die folgenden Verse (9‑11) beschreiben in wunderschö­ner Weise die Gerichte, die die Nationen treffen wer­den, die in den letzten Tagen gegen Israel und gegen den Messias heraufziehen werden. Wir greifen den Er­eignissen vor und geben hier anhand dieses Psalms einen kurzen Überblick über diese Gerichte. Die Ge­richte teilen sich in drei Phasen auf: erstens Vers 9, 10, zweitens Vers Ila und drittens Vers llb. Den ersten Feinden, die geschlagen werden, wird das geschehen, was Midian geschah, als es unter der Führung seines Heerobersten Sisera am Bach Kison, das ist bei Meggido, geschlagen wurde (vgl. Ri 4, 7; 5, 19‑21); das weist natürlich unmittelbar auf die Heere des wieder­hergestellten Römischen Reiches und seiner Bundes­genossen hin, die sich in Harmagedon versammeln wer­den (Offb 16, 16) ‑ Harmagedon bedeutet: "Gebirge von Meggido" ‑ und die nach Offenbarung 19, 19‑21 an diesem Ort vernichtet werden. Das sind die ersten Feinde, mit denen abgerechnet werden wird. Der zwei­ten Gruppe wird es ergehen wie den Edlen der Midia­niter, Oreb und Seeb. Sie wurden nach Richter 7, 23‑25 auf den Bergen Ephraims getötet. Wer wird uns in die­sen Edlen vorgestellt? Wir finden eine deutliche Ant­wort in Jesaja 10, 24‑26: fürchte dich nicht, mein Volk, das in Zion wohnt, vor Assur ... Denn noch um ein gar Kleines . . . Und Jehova der Heerscharen wird über ihn die Geißel schwingen wie in der Niederlage Midians am Felsen Oreb." Diese zweite Phase des Gerichts an den feindlichen Völkern umfaßt also die Niederlage Assurs; Assur wird auf den Bergen zertre­ten werden (siehe Jes 14, 24. 25). Auch Gog, der Fürst von Rosch (Rußland), die große Macht hinter dem König des Nordens, wird kurz danach auf den Bergen Israels geschlagen werden (Hes 39, 1‑6).

 

Schließlich folgt die dritte Phase: Die durch Sebach und Zalmunna dargestellten Völker werden geschlagen. Diese midianitischen Fürsten wurden nach der Ge­schichte in Richter 8 außerhalb Kanaans geschlagen, und das unterscheidet sie direkt von den vorausgegan­genen Gerichten. Welches Gericht wird in Zukunft außerhalb des Landes ausgeübt werden, nachdem die übrigen Gerichte ausgeführt sind? Es ist die gewaltige Schlacht, die im Land Edom stattfinden wird. Aus den Beschreibungen in Jesaja 34 und 63, 1‑6 sehen wir, daß es das Gericht an den Feinden Jehovas ist, die bis da­hin noch nicht geschlagen sind. In Jesaja 34, 6b lesen wir: "Denn Jehova hat ein Schlachtopfer in Bozra und eine Schlachtung im Lande Edom." Das Wort "Schlacht­opfer" ist das hebräische "sebach". Das ist also genau dasselbe Wort wie der Name des einen der beiden Für­sten. Das ist um so merkwürdiger, als dieses Wort für "Schlachtopfer" in der Bedeutung eines Gerichtes Gottes nur dreimal im Alten Testament vorkommt: einmal für Israel (Zeph 1, 7. 8), einmal für Gog (Hes 39, 17. 19; vgl. Jer 46, 10) und hier in Jesaja 34. Daß es auch in bezug auf Gog gebraucht wird, weist auf die enge Ver­bindung zwischen diesen beiden letzten Gerichten, die auch in Psalm 83, 11 klar erkennbar ist ‑ obwohl also das erste Gericht in Israel und das zweite außerhalb stattfinden wird. Dieser Zusammenhang ist auch da­durch deutlich, daß das Wort "Oreb", das "Rabe" be­deutet, in Jesaja 34 vorkommt, nämlich in Vers 11, während die Kelter in Jesaja 63, 2. 3 auf Seeb hinweist, der in einer Kelter getötet wurde. Zum Schluß wird dieser Zustand, in den Edom durch das Gericht kommt, durch den Namen Zalmunna ausgedrückt. Die­ser Name bedeutet: "Schatten (oder: Schutz) wird (ihm) vorenthalten." Edom ist das einzige Land, das völlig und nie mehr einen Segen empfangen, sondern eine Beute der wilden Tiere sein wird (Jes 34, 10. 11; Hes 25, 13; 35, 1‑15; Joel 3, 19; Mal 1, 3‑4).

 

Der Charakter des Assyrers

 

Wir haben also nun gesehen, daß der Assyrer einen An­schlag gegen Israel plant. Bevor wir diesen Anschlag weiter beschreiben, müssen wir zuerst der Frage nachgehen, wer dieser Assyrer eigentlich ist und in welchem Charakter er uns in den Prophezeiungen vorgestellt wird. Dazu müssen wir uns klarmachen, daß die pro­phetischen Bücher in zwei völlig verschiedene Gruppen aufgeteilt werden können. Die erste Gruppe der Pro­pheten hat in einer Zeit prophezeit, als Israel noch mehr oder weniger als das Volk Gottes anerkannt war und Gott noch in der Mitte Seines Volkes die Re­gierung ausübte; das war also in der Zeit vor dem Fall Jerusalems im Jahre 589 v. Chr. Die zweite Gruppe der Propheten redete in der Zeit, als das Volk nicht mehr als das Volk Gottes anerkannt war, sondern für eine Zeitlang beiseitegestellt war. Die Regierung Gottes hatte nicht länger ihren Sitz in Jerusalem, sondern bei dem Haupt der Völker, beginnend mit Nebukadnezar. Diese Prophezeiungen stehen also mit den Zeiten der Nationen in Verbindung. Die Propheten, die zu dieser zweiten Gruppe gehören, sind Daniel, Johannes (Offen­barung) und zum Teil auch Sacharja. Sie gehen davon aus, daß die Herrschaft über die Erde den Nationen an­vertraut ist, schildern uns ferner die Geschichte dieser Nationen in Form der vier Weltreiche und zeigen schließ­lich, wie auch diese Nationen versagt haben, mitschuldig werden am Tod des Messias und dann zusammen mit dem gottlosen Israel (mit Israel durch ein Bündnis ver­bunden) dem Endgericht anheimfallen.

 

Die übrigen Propheten gehören also zu der ersten Gruppe, zu der Zeit, als Israel noch anerkannt war. Ihre Themen sind nicht die Weltreiche, sondern sie zeigen uns den Verfall Israels, und zwar in zweifacher Weise: erstens den schrecklichen Götzendienst und die Auflehnung gegen Jehova, und zweitens die Verwerfung des Messias. In diesen Propheten nun ist der Assyrer die Geißel, die Gott sendet, um Israel wegen seiner Sünden zu richten. Dieses Gericht traf an erster Stelle die zehn Stämme, die nach Assyrien weggeführt wur­den. Dort sind sie bis zum heutigen Tag verschwunden und bleiben es, bis Gott Selbst sie wieder zurückbrin­gen wird. Aber das Gericht über die zwei Stämme durch Assur hat noch immer nicht stattgefunden. Es ist ja auffallend, daß die Assyrer nie in Jerusalem gewesen sind, obwohl sie diese Stadt manchmal belagert haben (Jes 36 und 37). Dieses Gericht ist aufgeschoben bis zur Endzeit, während die früheren Gerichte (in den Jahren 589 v. Chr. und 70 n. Chr.) durch die Häupter der Weltreiche ausgeführt wurden. Dieses Gericht durch Assur über die Juden finden wir vor allem in Jesaja, Micha, Joel, Nahum und Zephanja, wo wir auch sehen, wie Assur selbst ebenfalls gerichtet wird, weil es sich gegen Gott erhoben hat.

 

Aus diesem allem wird deutlich, daß wir den König des Nordens, den wir in Daniel finden, nicht ohne weiteres mit dem Assyrer, z. B. in Jesaja, gleichsetzen können. Beide Propheten sprechen über völlig verschiedene Dinge und haben ganz verschiedene Ausgangspunkte. Darüber hinaus müssen wir uns klarmachen, daß der König des Nordens in Daniel aus dem vierten Teil des dritten Weltreiches hervorkommt (8, 20‑23; vgl. 7, 6; 11, 2‑4. 40) und also dem Haupt der Völker unterstellt war. Es besteht jedoch keinerlei Verbindung mehr zwi­schen ihm und den Weltreichen, denn er steht den „Schiffen der Kittäer" (Dan 11, 30), das sind dort die Römer, feindlich gegenüber. Weiterhin ist der König des Nordens, genau genommen, nur König über Syrien (den nördlichen Teil des griechisch‑mazedonischen Rei­ches), während Assur ein weitaus größeres Gebiet umfaßt. Es scheint deshalb so zu sein, daß der König des Nordens ein Teil Assurs ist, und zwar die Vorhut, die erste Heeresmacht, die als erste heraufzieht, wäh­rend die große Macht im Hintergrund, das eigentliche "Assur", erst viel später heraufzieht. Hierfür gibt es viele Bestätigungen in der Schrift. Als erstes erfahren wir aus Daniel 8, 24, daß der König des Nordens (in Dan 8 wird er nicht so genannt, obwohl aus dem Zu­sammenhang ersichtlich ist, daß er derselbe ist wie der König des Nordens in Daniel 11, 40‑45) große Macht besitzen wird, aber daß es nicht seine eigene Macht sein wird: Er wird sich auf die Macht eines anderen stützen, also auf eine Macht im Hintergrund.

 

Wer ist diese große Macht, die anfänglich im Hinter­grund bleibt, aber später als der letzte der Feinde Got­tes einen großen Angriff auf Israel macht? Das muß Gog, der Fürst von Rosch (Rußland) sein, den wir in Hesekiel 38 und 39 finden. Das geht aus mehreren Stel­len hervor. Erstens wird auch er als eine Macht des Nordens bezeichnet, aber dann als die Macht "aus dem äußersten Norden", also hinter dem König des Nordens (siehe 38, 6. 15; 39, 2). Es ist die gewaltige Macht nördlich von Kleinasien und Syrien, also Rußland. Jehova sagt jedoch in Kapitel 38, 17: "Bist du der, von welchem ich in vergangenen Tagen geredet habe durch meine Knechte, die Propheten Israels, welche in jenen Tagen Jahre lang weissagten, daß ich dich wider sie heranbrin­gen würde?" Man wird allerdings vergeblich in den übri­gen Prophezeiungen den Namen Gog suchen, es sei denn, daß dieser Gog der Assyrer der Endzeit ist.

 

Die Bezeichnung "Assur" scheint also ein allgemeiner prophetischer Begriff für die nördliche Macht zu sein, die Israel in der Endzeit angreifen wird, wobei wir dann unterscheiden müssen zwischen "dem König des Nordens", dem Vasallen Gogs, der die ersten Angriffe ausführt, und Gog, dem Fürsten Rußlands im äußer­sten Norden, der den letzten großen Angriff ausführt. (Siehe hierzu ausführlicher Kapitel 8).

Die Zuchtrute Gottes

Wir kehren nun zu den endzeitlichen Ereignissen in Israel zurück. Dabei müssen wir die genannten Grund­sätze im Gedächtnis behalten: Einerseits ist Israel noch Lo‑Ammi, ist im Wirkungsbereich des Hauptes der Na­tionen (hier des römischen Staatsoberhauptes) und mit Rom in dem letzten großen Abfall, dem Götzendienst im Tempel und der Verwerfung des Messias verbunden. Diese Verwerfung hat nun zur Folge, daß die verfolgt werden, die den wahren Messias erwarten. So werden beide, das gottlose Israel unter der Führung des Anti­christen und das römische Tier, die Gegenstände des Gerichts. Andererseits ist das Ende der Zeiten der Nationen nahe und beginnt Gott wieder, unmittelbar mit dem Volk zu handeln. Er anerkennt einen Teil des Volkes als Ihm gehörend. Er sendet den Assyrer, um das gottlose Volk zu züchtigen wegen seines Götzen­dienstes und der Verwerfung des Messias. Und wenn sich dann der Assyrer selbst gegen Gott erhebt, kommt auch er unter Gericht, doch klar unterschieden von dem Tier und dem falschen Propheten, die zuvor ge­richtet werden. Der große Unterschied zwischen dem Gericht über das Tier und dem Gericht über Assur wird später ausführlicher besprochen werden.

 

Wir zitieren nun zwei Schriftstellen, die zeigen, daß Gott den Assyrer wegen der zwei großen Sünden Isra­els sendet. Die erste ist der schon öfter angeführte Text aus Daniel 9: "Und er [der römische Fürst] wird einen festen Bund mit den Vielen [mit der Masse des jü­dischen Volkes] schließen für eine Woche [sieben Jahre]; und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. Und wegen der Be­schirmung [wörtlich: Flügel] der Greuel [Götzen] wird ein Verwüster kommen, und zwar bis Vernichtung und Festbeschlossenes über das Verwüstete ausgegossen werden" (Vers 27). Hier hören wir, daß die gottlosen Juden ihren Schutz bei dem Greuelgötzen im Tempel suchen, der, wie wir gesehen haben, das römische Staatsoberhaupt darstellt. Wegen dieses Götzendienstes wird der Verwüster kommen, und Kapitel 11 lehrt uns, daß das der König des Nordens ist. Das Bündnis mit dem römischen 'Vier wird nichts ausrichten, denn der Verwüster wird das Land überfluten, bis es verwüstet ist. "Und euer Bund mit dem Tode wird zunichte wer­den, und euer Vertrag mit dem Scheol nicht bestehen: wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, so werdet ihr von derselben zertreten werden", sagt Jesaja über Jerusalem (28, 18).

 

Der zweite Text, den wir zitieren, nennt uns die zweite Sünde Jerusalems: "Nun dränge dich zusammen, Toch­ter des Gedränges: Man hat eine Belagerung gegen uns gerichtet; mit dem Stabe schlagen sie den Richter Israels auf den Backen" (Mi 4, 14). Wie häufig in Micha, reden hier in einem Text mehrere Sprecher. Zuerst ist es Gott, der den Assyrer auffordert, sich in Scharen zusammenzudrängen und gegen Israel zu ziehen (zu den Ausdrücken "dränge" und "Tochter des Ge­dränges 1' vergleiche 1. Mose 49,19 und Habakuk 3,16. *» Dann nennt der Überrest, der in Jerusalem ist, was die Folge dieses Heraufziehens ist: Der Assyrer wird Jeru­salem belagern. Und schließlich gibt der Prophet selbst die Ursache dieser Belagerung an: Es geschieht, weil sie den Richter Israels auf den Backen geschlagen haben (vgl. Jes 50, 6; Klgl 3, 30). Wer dieser Richter ist, erklärt er näher in einem Zwischensatz (Kap. 5, 1), und danach fährt er fort mit einer Beschreibung des­sen, was geschehen wird, wenn Assur in das Land kommt.

*) Wörtlich steht in Hab 3, 16: "Wenn derjenige gegen das Volk heranzieht, der sich in Scharen zusammendrängt" (vgl. englische Übersetzung von JND ‑ Anmer­k .9 des Übersetzers)

 

So wird dann der Assyrer, unterstützt von seinen Bun­desgenossen, in das Land Israel einfallen. Doch von Anfang an zeigt sich, in welch einer hochmütigen Gesinnung er das tut. Wichtig ist in Verbindung hiermit Jesaja 10, 5‑11. Dort sehen wir, daß Assur die Rute des Zornes Gottes sein wird, und daß der Stock in der Hand Assurs der Grimm Gottes ist. Gott wird ihn sen­den gegen ein Volk, das Ihn vergessen hat und gegen die Nation, über die Er ergrimmt ist, um Raub zu rauben und das Volk in den Straßen zu zertreten. Wird aber der Assyrer sich auch wirklich wie ein williges Werkzeug Gottes betragen? Weit gefehlt! Seine Pläne gehen viel weiter als die Pläne Gottes, denn er wird be­absichtigen, zahllose Völker auszurotten, und denkt: "Sind nicht meine Fürsten allesamt Könige? Ist nicht Kalno wie Karchemis? nicht Hamath wie Arpad? nicht Samaria wie Damaskus? (vgl. Amos 6, 1. 2; Jes 37, 13). So wie meine Hand die Königreiche der Götzen er­reicht hat ‑ und ihre geschnitzten Bilder waren mehr als die von Jerusalem und von Samaria ‑ werde ich nicht, wie ich Samaria und seinen Götzen getan habe, ebenso Jerusalem und seinen Götzen tun?" Doch die Verse 12‑19 zeigen uns, daß Jehova diesen Hochmut Assurs richten wird, wenn Er Sein Werk in Zion vollen­det hat. Wir sehen also aus diesem Abschnitt, daß das Interesse Assurs sich auf weitere Völker richtet. Aus diesem Grund ist uns auch bei der Besprechung von Psalm 83 schon aufgefallen, daß Assur sich nur für eine Zeitlang mit den Nachbarstaaten verbünden wird und auf seine Chance wartet, auch sie zu erobern.

 

Deshalb sagt auch Daniel 11, 41, daß Edom, Moab und Ammon (die nach Psalm 83 seine Bundesgenossen sind) seiner Hand entrinnen werden.

 

Der Einfall in das Land

 

In verschiedenen Stellen in Jesaja wird der Einfall As­surs mit einer Überschwemmung oder mit einem Strom verglichen. Um mit dem letzten zu beginnen: "Wenn der Bedränger kommen wird wie ein Strom, so wird der Hauch Jehovas ihn in die Flucht schlagen" (59, 19). "Darum, siehe, läßt der Herr über sie [Israel] herauf­kommen die Wasser des Stromes, die mächtigen und großen ‑ den König von Assyrien und alle seine Herr­lichkeit; und er wird über alle seine Betten steigen und über alle seine Ufer gehen. Und er wird in Juda eindringen, überschwemmen und überfluten; bis an den Hals wird er reichen. Und die Ausdehnung seiner Flügel wird die Breite deines Landes füllen, Immanuel!" (8, 7. 8). Mit einer Überschwemmung wird Assur hier in Kapitel 8, 8 verglichen, weiter mit einer "überflu­tenden Geißel" in 28, 15. 18; und in Vers 2 dieses Kapi­tels lesen wir: "Siehe, der Herr hat einen Starken und Mächtigen, gleich einem Hagelwetter, einem verderben­den Sturmwinde; wie ein Wetter gewaltiger, überfluten­der Wasser reißt er zu Boden mit Macht." Siehe weiter auch Jeremia 47, 2, wo er im Vorbild dargestellt wird, und schließlich Daniel 11, 40. 41, was direkt Bezug hat auf den Einfall des Assyrers in der Endzeit: "Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm [näm­lich "dem König", das ist der Antichrist] zusammensto­ßen, und der König des Nordens wird gegen ihn [der­selbe] anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen; und er wird in die Länder eindringen und wird sie überschwemmen und überfluten. Und er wird in das Land der Zierde (siehe 8, 9) eindringen und viele Länder werden zu Fall kommen; diese aber werden seiner Hand entrinnen: Edom und Moab und die Vor­nehmsten der Kinder Ammon" (vgl. auch die Verse 10, 22 und 26). Genau dasselbe Wort "überfluten" wird auch mehrere Male gebraucht, um das Gericht Gottes über Assur auszudrücken (Jes 30, 28; Nah 1, 8).

 

Jesaja 28, 2 und Daniel 11, 40 haben außer dem gleichen Wort "überschwemmen" (schathaph) eine weitere Übereinstimmung. In beiden Versen wird nämlich eine sehr seltenes hebräisches Wort für "Sturm" oder "anstür­men" (sa‑ar) gebraucht, um den Einfall des Assyrers zu charakterisieren. In der ersten Stelle kommt er als ein "verderbender Sturmwind", und in der zweiten lesen wir, daß er "anstürmt" gegen den Antichristen (vgl. das nahezu gleiche Wort in Habakuk 3, 14). Auch in Nahum 1, 3 wird

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dasselbe Wort (Sturmwind, vgl. Ps 58, 9) gebraucht, um das Gericht Gottes über Assur zu bezeichnen.

Wie ein überflutender Strom, wie ein daherfegender Sturmwind wird der Assyrer einfallen. Verschiedene Schriftstellen malen uns die ratlose Angst vor Augen, die Israel dabei überfallen wird: "Er kommt gegen Aijath, zieht durch Migron; in Mikmas legt er sein Gepäck ab. Sie ziehen über den Paß, zu Geba schlagen sie ihr Nacht­lager auf. Rama bebt, Gibea Sauls flieht. Schreie laut, Tochter Gallims! Horche auf, Lais! Armes Anathoth! Madmena eilt davon, die Bewohner von Gebim flüchten. Noch heute macht er halt in Nob; ‑ er schwingt seine Hand gegen den Berg der Tochter Zion, den Hügel Jeru­salems" (Jes 10, 28‑32). Diese Orte liegen fast alle etwas nördlich von Jerusalem, immer näher auf die Stadt zu. Immer weiter wird die schreckliche Invasion zu ihrem eigentlichen Ziel heraufrücken: Jerusalem! Auch dort wird die Angst die Bevölkerung packen und sich ihres Hauptes, des Antichristen bemächtigen. Das wird uns vorbildlich in Jeremia 4 dargestellt: "Verkündiget in Juda und laßt in Jerusalem vernehmen, und sprechet: Stoßet in die Posaune im Lande! rufet aus voller Kehle und spre­chet: Versammelt euch und laßt uns in die festen Städte ziehen! Erhebet ein Panier gegen Zion hin; flüchtet, blei­bet nicht stehen! denn ich bringe Unglück von Norden her und große Zerschmetterung. Ein Löwe steigt herauf aus seinem Dickicht, und ein Verderber der Nationen bricht auf; er zieht von seinem Orte aus, um dein Land zur Wüste zu machen, daß deine Städte zerstört werden, ohne Bewohner. Darum gürtet euch Sacktuch um, klaget und jammert! denn die Glut des Zornes Jehovas hat sich nicht von uns abgewendet. Und es wird geschehen an jenem Tage, spricht Jehova, da wird das Herz des Königs und das Herz der Fürsten vergehen; und die Priester wer­den sich entsetzen, und die Propheten erstarrt sein" (Verse 5‑9). Dieser Abschnitt läßt vermuten, daß viele Juden aus Juda einen Zufluchtsort in Jerusalem suchen werden, um dem Verderber aus dem Norden zu entkommen. Aber es wird sich als unmöglich erweisen, dem Zorn Jehovas zu entrinnen, und deshalb geschieht es zurecht, daß den Anti­christen und seine Fürsten das Entsetzen packt.

 

Belagerung und Einnahme Jerusalems

 

Der Assyrer wird bis vor die Mauern Jerusalems kom­men und dort eine Belagerung errichten, wie wir be­reits in Micha 4, 4 gesehen haben. In Jesaja 22, 6‑11, wo der Einfall Kirs beschrieben wird (das ist Assur, siehe 2. Kön 16, 9; Am 1, 5; 9, 7), lesen wir, wie die Täler sich mit Wagen füllen und die Reiter sich in Schlachtordnung gegen das Tor aufstellen. Die Bewoh­ner der Stadt versuchen, sich gegen den Belagerer zu verteidigen, aber suchen nicht da Hilfe, wo sie allein zu finden ist: bei Jehova. Deshalb müssen ihre Ver­suche mißglücken, und das finden wir in Joel 2, das wir zu lesen empfehlen. Wir lesen dort von einem "großen und mächtigen Volk" (Vers 2), und aus Vers 20 ist ersichtlich, daß dies der Feind aus dem Norden ist. Unaufhaltsam ist sein Ansturm gegen die Stadt: "Sie rennen wie Helden, wie Kriegsleute ersteigen sie die Mauer; und sie ziehen ein jeder auf seinem Wege, und ihre Pfade wechseln sie nicht; und keiner drängt den anderen, sie ziehen jeder einzeln auf seiner Bahn; und sie stürzen zwischen den Waffen hindurch und verwun­den sich nicht. Sie laufen in der Stadt umher, rennen auf die Mauer, steigen in die Häuser; durch die Fenster dringen sie ein wie der Dieb . . . denn groß ist der Tag Jehovas und sehr furchtbar, und wer kann ihn ertra­gen?" (Verse 7‑11). Aber auch jetzt noch ist es möglich, sich zu bekehren. Gott bleibt ein Gott der Gnade und des Erbarmens (Verse 12‑14).

 

Jerusalem wird fallen. "Wenn Assyrien in unser Land kommen und wenn es in unsere Paläste treten wird . . . " (Mi 5, 4). "Wenn die überflutende Geißel hindurch­fährt [nämlich durch Jerusalem, siehe Jes 28, 14], so werdet ihr von derselben zertreten werden. Sooft sie hindurchfährt, wird sie euch hinraffen; denn jeden Morgen wird sie hindurchfahren, bei Tage und bei Nacht. Und es wird eitel Schrecken sein, die Botschaft zu vernehmen" (Jes 28, 18. 19). Einen großen Anteil an diesem Schrecken wird Edom haben, einer der Bun­desgenossen des Assyrers, wie Obadja ihn beschreibt: "An dem Tage, da du gegenüber standest, an dem Tage, da Fremde sein [Jakobs] Vermögen [d. i. Streit­mächte] hinwegführten, und Ausländer zu seinen Toren eingezogen und über Jerusalem das Los warfen, da warst auch du wie einer von ihnen . . . " Mit großer Schadenfreude nimmt Edom teil an dem Unglück Isra­els, und ist dabei, in die Stadt einzuziehen, ja, steht sogar bereit, diejenigen, die aus der Stadt entrinnen, zu vertilgen (Verse 11‑14). Kein Wunder, daß der Psal­mist von ihm sagt: "Gedenke, Jehova, den Kindern Edom den Tag Jerusalems, die da sprachen: Entblößet, entblößet sie bis auf ihre Grundfeste!" (Ps 137, 7).

 

Sacharja 14 schildert uns das, was als erstes mit Jerusa­lem geschieht, der Reihenfolge nach: "Siehe, ein Tag kommt für Jehova, da wird deine [Israels] Beute verteilt werden in deiner Mitte. Und ich werde alle Na­tionen nach Jerusalem zum Kriege versammeln; und die Stadt wird eingenommen und die Häuser werden geplündert und die Weiber geschändet werden; und die Hälfte der Stadt wird in die Gefangenschaft ausziehen, aber das übrige Volk wird nicht aus der Stadt ausgerot­tet werden" (Verse 1. 2).

 

Die Stadt wird geplündert werden. Vor allem der ab­scheuliche Tempel, in dem der Götzendienst des Anti­christen in voller Blüte stand, wird dem Boden gleich­gemacht werden. In Jesaja 66 sehen wir, wie sehr Gott diesen Tempel verabscheut und deshalb das Gericht über diesen Tempel und über die gottlosen Opferer an­kündigen muß. Dieses Gericht wird ein Trost sein für die Treuen: "Höret das Wort Jehovas, die ihr zittert vor seinem Worte! Es sagen eure Brüder, die euch hassen, die euch verstoßen um meines Namens willen: Jehova erzeige sich herrlich, daß wir eure Freude sehen mö­gen! Aber sie werden beschämt werden. Stimme eines Getöses von der Stadt her! Stimme aus dem Tempel! Stimme Jehovas, der Vergeltung erstattet seinen Fein­den!" (Verse 5. 6). "Darum wird euretwegen Zion als Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Trüm­merhaufen und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden (Mi 3, 12; Jer 26, 18). Hierüber sprechen auch die Psalmen, in denen der Tempel solch eine bedeut­same Rolle spielt: "Gott! die Nationen sind in dein Erbteil gekommen, haben deinen heiligen Tempel ver­unreinigt, haben Jerusalem zu Trümmerhaufen ge­macht. Die Leichen deiner Knechte haben sie den Vögeln des Himmels zur Speise gegeben, das Fleisch deiner Frommen den wilden Tieren der Erde. Sie haben ihr Blut wie Wasser vergossen, rings um Jerusalem, und niemand war da, der begrub" (Ps 79, 1‑3). Hier sieht der Glaube den Tempel noch als "heilig", was der Tempel vor der letzten halben Jahrwoche auch war, als dort die Treuen opferten. Dasselbe Thema haben wir in Psalm 74: "Alles im Heiligtum hat der Feind verderbt ... Sie haben dein Heiligtum in Brand gesteckt, zu Boden entweiht die Wohnung deines Namens. Sie spra­chen in ihrem Herzen: Laßt uns sie niederzwingen alle­samt! ‑ verbrannt haben sie alle Versammlungsstätten Gottes im Lande. Unsere Zeichen sehen wir nicht; kein Prophet ist mehr da, und keiner bei uns, welcher weiß, bis wann" (Verse 3‑9).

 

Das Volk wird gezüchtigt

 

Diese Psalmen bringen uns zu dem armen Überrest, der inmitten dieser schrecklichen Gerichte in Jerusalem standhalten wird. Wir haben bereits darauf hingewie­sen, daß die Psalmen vor allem die Stimme des Über­restes sind. Wenn wir verstehen, daß es der zukünftige Überrest ist, der in den Psalmen spricht, dann haben wir zugleich den Schlüssel zu diesem Buch. Natürlich ist das Hauptthema, wie überall, Christus, aber hier nicht als Haupt der Versammlung gesehen (das ist erst im N. T. geoffenbart worden), sondern als Messias Isra­els, verworfen und getötet von der gottlosen Masse, aber von einer kleinen Gruppe Treuer angenommen. Mit diesem gläubigen Überrest macht Christus sich in den Psalmen eins, sowohl in ihrer Bedrängnis von sei­ten des Antichristen als auch in ihrer nachfolgenden Verherrlichung. Die Psalmen zeigen uns also das Lei­den Christi während Seines Lebens und Sterbens auf der Erde, zugleich aber auch das Leiden des Überrests in der Zukunft. Inmitten all dieses Druckes vertrauen sie auf Jehova: "Gott ist ja mein König von alters her, der Rettungen schafft inmitten des Landes" (Ps 74, 12). Sie anerkennen ihre Schuld gegen Jehova und bitten um Vergebung; zugleich verlangen sie nach der Rache Gottes über ihre Feinde, ihre Nachbarstaaten: "Und gib unseren Nachbarn ihren Hohn, womit sie dich, Herr, gehöhnt haben, siebenfach in ihren Busen zu­rück! So werden wir, dein Volk, und die Herde deiner Weide, dich preisen ewiglich, dein Lob erzählen von Geschlecht zu Geschlecht" (Ps 79, 8‑13). Was ist denn eigentlich das Geheimnis ihres gläubigen Vertrauens, ihrer inneren Ruhe trotz der Schrecknisse der Züchti­gung Gottes? Es ist die unerschütterliche Verheißung Gottes: "Darum, so spricht der Herr, Jehova: Siehe, ich gründe einen Stein in Zion, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, auf festeste gegründet; wer glaubt, wird nicht ängstlich eilen" (Jes 28, 16).

 

Assur, die Rute Gottes, wird in der Tat das Volk schrecklich züchtigen. Gott hatte so ernst gewarnt: "Wehe der Widerspenstigen und Befleckten, der be­drückenden Stadt! Sie hat auf keine Stimme gehört, keine Zucht angenommen ... Ich sprach: Möchtest du mich nur fürchten, möchtest du Zucht annehmen! und ihre Wohnung würde nicht ausgerottet werden ‑ alles was ich über sie verhängt habe" (Zeph 3, 1. 2. 7). Aber Israels Wunde ist unheilbar: Gott wird sie doch schla­gen müssen wegen der Größe ihrer Ungerechtigkeit und weil ihre Sünden zahlreich sind (Jer 30, 12‑15). In Zephanja 1 lesen wir, wie gründlich Gott alle schmutzi­gen Flecken aus Jerusalem entfernen wird: Er wird Seine Hand gegen alle Bewohner Jerusalems richten und daraus Götzen und Gottlosen wegtun; am Tag Jehovas (das ist bei der Wiederkunft Christi, dann werden alle diese Gerichte vollendet werden) wird Er drei verdor­bene Stellen ausmerzen: die Wohlfahrt (Vers 8), die Ge­walt (Vers 9) und die falsche Ruhe (Vers 12). In allen Ek­ken der Stadt wird panische Angst sein (Verse 10 und 11). So lesen wir auch in Jesaja 33, 14: "Die Sünder in Zion sind erschrocken, Beben hat die Ruchlosen ergriffen. ,Wer von uns kann weilen bei ewigen Gluten?' ‑ . . . Deine Augen werden den König schauen in seiner Schön­heit ... Deine Augen werden Jerusalem sehen, eine ru­hige Wohnstätte, ein Zelt, das nicht wandern wird ... Je­hova unser König; er wird uns retten" (Verse 15‑22).

 

Was den Terror des Assyrers in Israel betrifft, so ist es wichtig, Jesaja 17 zu studieren. Wir sehen dort zuerst, daß der Assyrer in der Vergangenheit Damas­kus und Ephraim in die Gefangenschaft geführt hat (siehe 2. Kön 16, 9; 17, 5. 6). Aber die weitere Prophe­zeiung reicht deutlich bis zur Endzeit; das geht aus Jesaja 17, 10. 11 hervor. Dort sehen wir, wie das Volk im Unglauben in das Land zurückkehren wird und „liebliche Pflanzungen" anlegt und sie mit "auslän­dischen Reben" (Hilfe aus dem Ausland) bepflanzt; es wird ihnen sehr wohl ergehen, aber nach kurzer Zeit wird alle diese Wohlfahrt vernichtet werden. Das wird in den Versen 4‑6 beschrieben. Die Herrlichkeit Jakobs wird gering und das Fett seines Leibes mager werden (seine Wohlfahrt geht zugrunde), ja, sie werden nieder­gemäht wie bei der Getreideernte und lediglich eine kleine Nachlese (wörtlich: "der Überrest") wird übrig­bleiben: einige Ähren, einige Früchte (vgl. zu der Ge­treideernte, dem Bild des Gerichts, bei dem die Stoppeln, das Stroh und das Unkraut verbrannt werden und das Korn gesammelt wird: Mal 4, 1; Mt 13, 29. 30. 38‑43; Offb 14, 14‑16). Von dem ganzen großen Volk, das dann nach Palästina zurückgekehrt ist, wird durch die Gerichte schließlich bei der Wiederkunft nichts anderes übrig sein als einige Ähren, die den treuen Überrest bilden. Eine andere Stelle spricht hiervon, und zwar als eine Folge der Ermordung des Messias: "Und es wird geschehen im ganzen Lande, spricht Jehova: zwei Teile davon werden ausgerottet werden und verscheiden, aber der dritte Teil davon wird übrigbleiben. Und ich werde den dritten Teil ins Feuer bringen, und ich werde sie läutern, wie man das Silber läutert und sie prüfen, wie man das Gold prüft. Es wird meinen Namen anrufen, und ich werde ihm antworten; ich werde sagen: Es ist mein Volk; und es wird sagen: Jehova ist mein Gott" (Sach 13, 8. 9).Von diesem Überrest sagt Jesaja 17, 7: "An jenem Tage wird der Mensch auf den hinschauen, der ihn gemacht hat, und seine Augen werden auf den Heiligen Israels blicken." Dieser Überrest wird erlöst werden, während uns die Verse 12‑14 zeigen, wie die Feinde vernichtet werden.

 

Das erste Wehe aus Offenbarung 9

 

Vorläufig noch ein letztes Wort über den Einfall des Assyrers in Palästina, und zwar in Verbindung mit Offenbarung 9. Das ist sicher kein einfaches Kapitel, und der Zusammenhang mit dem Assyrer wird auch nicht sofort deutlich, so daß ein intensives Studium dieses Abschnitts nötig ist. Die Kapitel 8 und 9 gehören zusammen. Nach den vorausgegangenen Unruhen, die das römische Reich in Kapitel 6 (Kapitel 7 ist eine Ein­schaltung) getroffen haben, finden wir in den Kapiteln 8 und 9 Gottes unmittelbare Gerichte über dieses Reich. Die ersten vier Posaunen (Kap. 8) richten sich gegen den irdischen Wohlstand und gegen die großen Männer des römischen Reiches, und zwar im eigentlichen Teil des Reiches, dem Westen ("dem dritten Teil der Erde" ‑ vgl. Offb 12, 3. 4). Danach führt uns Kapitel 9 zu dem östlichen Teil des Reiches, wo die Menschen woh­nen, die "nicht das Siegel Gottes an ihren Stirnen haben" (Vers 4) (fünfte Posaune), und zu den Mäch­ten am Euphrat (sechste Posaune). Uns geht es jetzt um die fünfte Posaune, um die Menschen ohne das Siegel Gottes; das ist also das gottlose jüdische Volk, das hier infolge seines Bundes mit dem römischen Staatsoberhaupt als ein Teil des römischen Einfluß­bereiches gesehen wird (Jes 28, 15; 57, 9; Dan 9, 27). Wir sehen hier, daß dieses gottlose Volk von dämoni­schen Mächten angegriffen wird, die es fünf Monate lang peinigen. Welche Heeresmacht ist das, die in der Endzeit das gottlose Israel angreifen wird, obwohl Israel ein Bündnis mit dem römischen Staatsoberhaupt geschlossen hat? Wer ist dieser Feind, den Gott als ein Gericht sendet, der aber gleichzeitig durch dämonische Mächte getrieben wird? Es kann kein anderer sein als der König des Nordens; er wird hier nicht mit Namen (Assyrer) genannt, wie das ja auch nicht in den beiden anderen prophetischen Büchern der Fall ist, die über die Zeiten der Nationen sprechen: Daniel und (teil­weise) Sacharja. Finden wir in diesem Kapitel eine Be­stätigung, daß der Heilige Geist hier tatsächlich den Assyrer meint? Wir denken wohl.

 

Wie gesagt, ist der Assyrer die Rute des Zornes Gottes (Jes 10, 5), und Jehova wird vor ihm her Seine Stimme erschallen lassen (Joel 2, 11). Ebenso wird er auch hier als Gericht von seiten Gottes gesandt (Offb 8, 13; 9, 1. 4. 5); gleichzeitig jedoch wird er durch dämonische Mächte getrieben (Verse 1‑3), die ihn mit Hochmut und Haß erfüllen (Jes 10, 12‑15), so daß er schließlich dasselbe Gericht wie der Teufel erfahren wird (Jes 30, 33a; Offb 20, 10).

 

Weiterhin sehen wir, daß er Macht über die gottlosen Juden bekommt, aber nicht über die, die das Siegel Gottes haben (den Überrest); tatsächlich wissen wir, daß bei dem Einfall des Assyrers die treuen Juden aus Judäa schon ins Ausland geflüchtet sind, während der zurückgebliebene Überrest in Jerusalem von Gott Selbst bewahrt wird.

 

Über die gottlosen Juden bekommt er fünf Monate Macht, sie zu peinigen; das könnte sehr gut die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Belagerung sein, die er gegen Jerusalem durchführen wird (über die erste haben wir gesprochen, die zweite folgt noch). In dieser Zeit wird er das Land besetzt halten und sie furchtbar unterdrücken, aber es wird noch nicht die Zeit sein, sie zu töten (Verse 5 u. 6). So haben wir in Sacharja 14, 2 gesehen, daß die Hälfte der Bewohner Jerusalems in die Gefangenschaft geführt wird (nach der ersten Belagerung), daß aber der Rest des Volkes in der Stadt nicht ausgerottet wird. Dazu müssen wir bedenken, daß die wirkliche Schlachtung (die Getrei­deernte in Jesaja 17) erst bei der Wiederkunft Christi stattfinden wird (vgl. die angeführten Stellen in Mal 4; Mt 13 und Offb 14). Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Gottlosen die schreckliche Unterdrückung des Assyrers durchmachen müssen, ohne daß sie daraus durch den Tod erlöst werden können (Vers 6; vgl. Jer 8, 3).

 

Vergleichen wir weiterhin diese Beschreibung der gro­ßen feindlichen Heeresmacht, die in Israel einfallen wird (Verse 7‑9), mit anderen Beschreibungen, dann fällt uns die Übereinstimmung mit (z. B.) Joel 1, 6 und 2, 2‑10 auf, wo wir das assyrische Heer finden. Der Charakter dieses Heeres ist königlich, denn sie tragen auf ihren Köpfen wie Kronen gleich Gold; das deutet hin auf die königliche Würde des assyrischen Staatsoberhauptes (siehe Jes 8, 7; Nah 3, 18; Dan 8, 23‑25; 11, 40‑45). Es ist aber kein unabhängiges Königtum: es sind wie Kronen gleich Gold, und was noch wichtiger ist: von vorne waren sie männlich (Kraft), aber von hinten schienen sie Haar wie Frauenhaar zu haben, und wir wissen, daß das auf Abhängigkeit und Unterwerfung hinweist (4. Mo 6, 5; 1. Kor 11, 1‑16). Tatsächlich wird der König des Nordens nicht durch seine eigene Macht stark sein, sondern er stützt sich auf die große Macht, die hinter ihm steht: Gog, den Fürsten Rußlands (Dan 8, 24). Und schließlich befindet sich in ihrem Schwanz das Skorpionengift, mit dem sie das Volk vergiften und beschädigen werden. Das sind teuflische Ideen (um nicht zu sagen Ideologien), womit er Macht ausübt (siehe Verse 3 und 5). Angesichts der heutigen politischen Lage könnte dies auf den Kom­munismus wie auch auf den Islam hinweisen, aber hier­über sollten wir besser nicht spekulieren. Auf jeden Fall scheint dieses teuflische Gift in Verbindung zu stehen mit der Schlauheit, der List und den Schmeicheleien, die wir von dem König des Nordens in Daniel 8, 23‑25 und 11, 32 finden. Damit wird er das Volk in den Griff be­kommen und verderben.

 

Die Not des Überrestes

 

Nach dieser Beschreibung des Einfalls des Assyrers in Palästina und der Eroberung Jerusalems wollen wir uns am Ende dieses Kapitels mit einem Thema beschäftigen, das einen sehr breiten Raum in den Prophezeiungen einnimmt, nämlich mit den tiefen Gefühlsregungen, die den Überrest während der letzten halben Jahrwoche beherrschen. Auf welch unglaublich schwere Weise wird der Glaube der treuen Israeliten in dieser Zeit geprüft werden! Wir sind selbst ergriffen, wenn wir sehen, was sie durchmachen müssen, bevor sie in die verheißene Herrlichkeit eingehen. In ihrer furchtbaren Not werden sie rufen, ja, zu ihrem Gott um Rettung schreien, indem sie ihre Sünden bekennen und an den Messias glauben, den sie aus dem Himmel erwarten. Wie wichtig ist es auch für unseren Glauben zu sehen, wie diese treuen Juden trotz der schweren Prüfungen standhalten! Wir haben bereits mehrere Male gesehen, daß vor allem die Psalmen uns zeigen, mit welchen Empfindungen die Gläubigen noch mit Jerusalem und dem Tempel verbunden sind, und wie Christus dort der Gegenstand ihrer Gedanken ist.

 

Im zweiten Psalmbuch befinden wir uns jedoch in de, letzten halben Woche, wenn die Treuen in Judäa aus dem Land flüchten werden. Hier sind sie weit vom Tempel entfernt und seufzen inmitten der Völker, unter denen sie sich aufhalten. Gleichzeitig verspüren sie die Gottlosigkeit des Volkes mit seinem Führer, dem Anti­christen. Diesen Zustand der Gefangenschaft, aus dem Land vertrieben ', finden wir im Vorbild in der Ge­schichte Jonas wieder. Das Buch Jona ist als ganzes genauso "Prophetie" wie jedes andere Buch der kleinen Propheten. Der Hilferuf Jonas aus dem Bauch des Fisches (Kap. 2) ist derselbe Hilferuf wie der des Über­restes in den Psalmen (vor allem also im zweiten Buch): "Denn du hattest mich in die Tiefe, in das Herz der Meere geworfen, und der Strom umschloß mich; alle deine Wogen und deine Wellen fuhren über mich hin. Und ich sprach: Verstoßen bin ich aus deinen Augen; dennoch werde ich wieder hinschauen nach deinem heiligen Tempel" (Verse 4 und 5). Er befand sich unter den gottlosen Götzendienern des Volkes: "Die auf nichtige Götzen achten, verlassen ihre Gnade [d. h. ihren gnädigen Gott]. Ich aber werde dir opfern mit der Stimme des Lobes; was ich gelobt habe, werde ich be­zahlen. Bei Jehova ist die Rettung" (Verse 9 und 10). Wir wollen nun ganz kurz diesen Gedanken im zweiten Psalmbuch nachgehen; dabei verweisen wir immer auf einige kennzeichnende Stellen.

 

Das zweite Psalmbuch

 

Eine kurze Inhaltsangabe dieses Buches finden wir in den beiden ersten Psalmen. Beachte, daß in diesem Buch der Name des Bundesgottes Jehova kaum vor­kommt, weil die öffentliche Verbindung zwischen Gott und dem Volk durch den Götzendienst und die Flucht des Überrestes unterbrochen ist. Wir sehen hier, wie sie von dem Heiligtum Gottes weit entfernt sind (Ps 42, 2. 4; in Vers 6 sind sie auf der Flucht: 43, 3‑5), aber ihr Ver­trauen richtet sich auf Gott. In Psalm 42 erdulden sie den Druck der feindlichen Völker (Verse 3b. 9. 10), und in Psalm 43 geht es um die gottlosen Juden (Vers 1). In Psalm 44 vergleichen sie die ruhmreiche Vergangen­heit mit der Schmach der Gegenwart inmitten der Nationen (Vers 14); sie sind die zerstreuten Schafe (Vers 11 und 22) aus Sacharja 13, 7. Die Psalmen 45‑49 zeigen dann, wie der Messias erscheint, um die Treuen zu erlösen und Seine Regierung anzutreten; Psalm 45 spricht von der Herrlichkeit Seiner Person, Psalm 46 von der Erlösung des Volkes (Verse 1. 4‑6. 9‑ 11); Psalm 47 stellt die Königsherrschaft Gottes über die Erde vor (der Messias ist Gott), Psalm 48 zeigt die Art und Weise, wie die Erlösung zustande kommen wird: das Gericht über die Nationen (Verse 4‑8) und die wieder­hergestellte Herrlichkeit Zions und des Tempels (Verse 1‑3. 8. 9. 11‑14); Psalm 49 zeigt, was wahre Erlösung bedeutet: Gott erlöst die Seele von dem ewigen Verder­ben (Verse 7. 8. 12‑16).

 

Nachdem in den Psalmen 45‑49 die allgemeinen Grund­sätze angegeben worden sind, werden diese in dem Rest des Buches ‑ noch ausführlicher behandelt. Die Psalmen 50 und 51 enthalten den Kern der Sache: Gott hat einen Rechtsstreit mit Seinem Volk wegen ihrer Sünden (Ps 50, 4. 14. 15), aber es besteht ein Unter­schied zwischen den Treuen und den Gottlosen (Verse 16‑23). Die Grundlage, auf der der Jude Gott nahen kann, wird das völlige Schuldbekenntnis sein (Ps 51). Diese beiden Psalmen enthalten den Rahmen der übri­gen Psalmen dieses Buches: In den Psalmen 52‑54 sehen wir die Gottlosigkeit in Jerusalem unter dem Anti­christen (vgl. Ps 50, 16‑21), und in den Psalmen 55‑68 finden wir die Schuldgefühle des Überrestes wie auch ihren Glauben und ihre Hoffnung, danach den Frieden am Ende (das stimmt mit Psalm 51 überein). In Psalm 52 sehen wir den Antichristen als den "Gewaltigen" und den "Betrüger", in Psalm 53 als den "Toren", der Gott nicht anerkennt, und in Psalm 54 sehen wir ihn als den "Fremden" und "Gewalttätigen", und das alles ständig mit Bezug auf die Not des Überrestes.

 

In Psalm 55 sieht der Gläubige (obwohl er sich auf der Flucht befindet, Verse 2. 6‑8) die Gewalt in Jerusalem (Vers 9) und trauert darüber. In Psalm 56 klagt der Gläubige, während er ängstlich umherirrt (Vers 8), doch Gott ist eine Zuflucht (Ps 57). Besonders auf­fallend ist, daß viele dieser Psalmen zur Zeit der Flucht Davids vor Saul (der ein Vorbild des Antichristen ist) geschrieben worden sind; siehe die Überschriften der Psalmen 52; 54; 56; 57; 59; 60; 63. In Psalm 58 beruft der Glaube sich auf das Recht bei Gott, in Psalm 59 auf die Hilfe Gottes und Sein Gericht: die Nationen werden geschlagen (Verse 14‑17). Psalm 60: der Über­rest war verstoßen, ist aber erlöst, und die Feinde sind vernichtet (Verse 2. 5‑9). Aber das alles ist erst für den Glauben eine Wirklichkeit geworden; tatsächlich befin­den sie sich immer noch in der Gefangenschaft (Ps 61, 2); zugleich aber hoffen sie auf den König (Verse 6 und 7) und auf Gott, dessen Treue unwandelbar ist (Ps 62). In Psalm 63 sind sie noch in einem dürren und lechzenden Land, doch hier beseelt sie die Hoffnung auf den Mes­sias (Verse 1 und 11).

 

Dann wird der Glaube Wirklichkeit: die Gottlosen werden gerichtet (Ps 64) und die Gläubigen befreit (Ps 64, 10), ihre Sünden gesühnt (Ps 65, 3); sie werden zum Tempel zurückgebracht (Vers 4) und reich geseg­net (Verse 9‑13). Die ganze Erde teilt ihre Freude (Ps 66), und allen Nationen wird die Erlösung Israels verkündet (Ps 67). Psalm 68 ist der Höhepunkt: Christus erscheint in Herrlichkeit und zerstreut die Feinde, erlöst Sein Volk und tritt Seine Regierung an. Wunderschön ist dann zu sehen, wie sich an die Beschreibung der Herr­lichkeit des Messias direkt ein Überblick über den schweren Weg bis zu dieser Herrlichkeit anschließt, ein Weg der Erniedrigung, der Schmach, der Leiden und des Sterbens (Ps 69). Er, der Sündlose in den Händen sündiger Menschen! Was sie Ihm antun, das sehen wir in den Psalmen 69‑71. Und dieses Leiden ‑ natürlich nur, soweit es nicht um sühnendes Leiden, sondern zum Leiden der Gerechtigkeit wegen geht ‑ wird der Überrest teilen; im besonderen sehen wir in Psalm 71 den Überrest in der Gewalt des Antichristen (Vers 4). Aber es gibt eine Erlösung (Ps 69, 30‑36; 71, 21‑24), und schließlich wird der wahre Salomo (der Friede­fürst) in Recht und Gerechtigkeit regieren. Dann wer­den alle Nationen Ihn ehren und Israel wird die Seg­nungen des Tausendjährigen Reiches genießen (Ps 72).

 

Andere Schriftstellen, die von der Drangsal der Treuen sprechen

 

Nach dieser sehr gestrafften Übersicht, die nur als Leit­faden dienen kann, um diese Psalmen selbst etwas näher im Licht der Prophetie zu studieren, wollen wir noch kurz sehen, was die übrigen Psalmen und die Propheten von dieser Seelennot des Überrestes sagen. Psalm 107 haben wir schon früher angeführt und gesehen, wie der Überrest in die Gefangenschaft gehen wird (Verse 38‑42); die wahrhaft Weisen werden auf die Gütigkeiten Jeho­vas achten (Vers 43). Äußerst wichtig ist für uns auch Psalm 123, weil wir dort den bedrängten Überrest in Jerusalem finden, während wir bisher mehr den Über­rest in der Gefangenschaft gesehen haben. Die Psal­men 120‑134 sind, wie gesagt, die sogenannten "Stufenlieder"; sie stehen in Verbindung mit dem "Hinauf­ziehen" nach Jerusalem. Nun, diese fünfzehn Psalmen geben uns einen besonders schönen Überblick über die Erlösung Jerusalems in der Endzeit, wenn der Überrest aus der Gefangenschaft nach Jerusalem hinaufziehen wird, um die Stadt zu befreien (das hoffen wir noch ausführlicher zu besprechen). Diese fünfzehn Psalmen bestehen aus fünf Gruppen von je drei Psalmen; die er­sten drei zeigen uns den Überrest in der Gefangenschaft (siehe die bereits angeführte Stelle in Psalm 120, 5), doch der Überrest sehnt sich nach Jerusalem (122, 11). In den Psalmen 123‑125 sehen wir den bedrängten Überrest in Jerusalem und seine Erlösung. In Psalm 123 seufzen sie unter dem Spott der "Sorglosen" (oder: Über­mütigen; das sind die Assyrer, siehe 2. Kön 19, 28) und unter der Verachtung der "Hoffärtigen" (das ist das Volk des Antichristen, siehe Jes 33, 14. 19). In Psalm 124 prei­sen sie Jehova, daß sie dem "überflutenden Strom" ent­kommen sind. Wir sahen bereits, daß der Strom ein Bild des Assyrers ist (Jes 8, 7. 8; 28, 2. 15. 18; 59, 19), und die "stolzen Wasser“ sind ebenso wie die Hoffärtigen in Psalm 123 das gottlose Volk unter dem Antichristen; diese beiden Mächte werden, gleich Vogelstellern, den Treuen Schlingen legen (Vers 7; siehe Ps 64, 5; 91, 3; 140, 5; 141, 9. 10; Jer 5, 26).

 

Was die Propheten betrifft, so können wir unmöglich auf all die vielen Schriftstellen ausführlich eingehen. Auch hier beschränken wir uns auf eine Auswahl, was jedoch nicht die Bedeutung dieses Themas schmälern soll. Verschiedenartig sind die Gefühle und die Aus­sprüche, die wir während dieses Zeitabschnittes bei dem Überrest finden. Manchmal ist da ein Ton der Verzweiflung (im Vorbild in Jer 20, 14‑18), aber häufi­ger ist es der Ton des festen Vertrauens und der Hoff­nung auf Gott in der Zeit der Drangsal (Jes 25, 9; 33, 2), ein Glaube, daß der Assyrer und andere Feinde geschlagen werden (Mi 7, 7‑13; Hab 3, 16‑19) und daß Jehova der Treuen gedenken wird (Mal 3, 16). Manchmal finden wir auch, daß sie sich auf ihre eigene Treue berufen (Jer 15, 15‑18), zugleich aber (und daß ist häufiger der Fall) anerkennt das Volk seine große Schuld und ebenfalls die Gerechtigkeit Gottes im Gericht über das Volk; Schuldbekenntnis und Bekehrung führen dazu, daß sie sich nicht auf ihre eigenen Rechte berufen, sondern auf die Gnade Gottes (lies Jes 42, 24. 25; 59, 9‑15; Hos 5, 15; Joel 2, 12‑14; Mi 7, 9).

 

Am stärksten ist der anhaltende Ruf nach Rettung in der schrecklichen Not; ein Ruf nach Heilung, Erlösung und Rache (Jer 17, 14‑18; 18, 19‑23). Die Treuen in Jerusalem werden Jehova gemeinsam um Rettung an­flehen (Joel 2, 15‑17) und Ihn fragen: "Wie lange, Jehova, habe ich gerufen, und du hörst nicht! Ich schreie zu dir: Gewalttat! und du rettest nicht“ (Hab 1, 2‑4). In einigen dieser Schriftstellen (siehe auch Jes 66, 5) lesen wir, daß die Gottlosen fragen: Wo ist denn euer Gott? Wo bleibt denn das Wort Jehovas? Jehova erzeige sich herrlich! Ja, von seiten des Assyrers erleiden die gott­losen Juden die Drangsal genauso wie die Treuen in Jerusalem; beide Gruppen sind in Not, aber die Gläu­bigen spüren darüber hinaus noch den furchtbaren Haß ihrer eigenen Volksgenossen: des Antichristen und seiner Genossen, die sie spottend fragen, wo denn ihr Gott sei, auf den sie vertraut haben. Sie haben geglaubt, und nun sind sie trotz des Glaubens in die gleiche Drangsal gekommen; wo bleibt jetzt ihr Glaube? Es ist dasselbe, was die Juden zu dem Herrn Jesus am Kreuz sagten: "Er vertraut auf Jehova! der errette ihn, befreie ihn, weil er Lust an ihm hat!" (Ps 22, 8; Mt 27, 43; siehe auch Ps 42, 3. 10; 79, 10; 115, 2)

 

Der Trost Gottes

 

Wird Gott denn tatsächlich schweigen und den Über­rest seinem Schicksal überlassen? Keinesfalls! Zahl­reich sind die Trostworte, die Jehova an Seine Treuen richtet, zahlreich auch die unerschütterlichen Vorher­sagen des Gerichts über die Feinde und des Segens für den Überrest. Wenn das Volk sich bekehren würde, dann würden sie wie eine feste eherne Mauer sein, und die Feinde würden wider sie streiten, sie aber nicht überwältigen (Jer 15, 19‑21). Ja, es wird geschehen, daß jeder, der den Namen Jehovas anruft, errettet wird, denn auf dem Berg Zion und in Je­rusalem wird Errettung sein, wie Jehova gesagt hat (Joel 2, 32). Häufig sprechen die Propheten ermun­ternde Worte zu dem bedrängten Volk: "Stärket die schlaffen Hände und befestigt die wankenden Knie! Saget zu denen, welche zaghaften Herzens sind: Seid stark, fürchtet euch nicht! siehe, euer Gott kommt, Rache kommt, die Vergeltung Gottes! er selbst kommt und wird euch retten" (Jes 35, 3. 4). Jehova ist gütig, er ist eine Feste am Tage der Drangsal; und er kennt die, welche auf ihn vertrauen. Und mit einer überschwemmenden Flut wird er ihre [das ist Ninives] Stätte gänzlich zerstören" (Nah 1, 7. 8). Und der große Grundsatz für diese furchtbare Zeit, solange der Friede noch nicht da ist, lautet: "Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben" (Hab 2, 4). Wo keine Aussicht auf einen unmittelbaren Frieden ist, wo die Gottlosigkeit überhand nimmt, überall Be­drängnis und Krieg herrscht, da kann allein der Glaube standhalten ‑ Glaube, der keinen Ausweg sieht, sondern hofft und auf die unverbrüchlichen Verheißungen Gottes vertraut. Herrliche Verheißun­gen, wie wir beispielsweise in Jesaja 33 lesen, daß die Zukunft dem Aufrichtigen und Treuen gehört (Verse 14‑24); sie werden den König in Seiner Schönheit sehen, sie werden Jerusalem als eine feste Wohnstätte sehen, wenn Jehova herrlich vor ihnen steht, weil Jehova ihnen Erlösung und Vergebung schenken wird; Er wird ihr König sein.

 

Gott Selbst gibt Seinen Treuen die sichere Verheißung der Erlösung; mehrmals ruft Er sie auf, sich nicht vor dem Feind zu fürchten (besonders nicht vor dem Assy­rer), weil Er den Feind vernichten wird.

„Fürchte dich nicht, mein Volk, das in Zion wohnt, vor Assur, wenn er dich mit dem Stocke schlagen und sei­nen Stab wider dich erheben wird nach der Weise Ägyptens! Denn noch um ein gar Kleines, so wird der Grimm zu Ende sein und mein Zorn sich wenden zu ihrer Vernichtung. Und Jehova der Heerscharen wird über ihn die Geißel schwingen wie in der Niederlage Midians am Felsen Oreb; und sein Stab wird über das Meer sein, und er wird ihn erheben, wie er ihn über Ägypten erhob. Und es wird geschehen an jenem Tag, daß seine Last weichen wird von deiner Schulter und sein Joch von deinem Halse" (Jes 10, 24‑27).. . Siehe, es sollen beschämt und zu Schanden wer­den alle, die wider dich entbrannt sein; es sollen wie nichts werden und umkommen deine Widersacher

 

Denn ich, Jehova, dein Gott, ergreife deine Rechte, der ich zu dir spreche: Fürchte dich nicht, ich helfe dir!" (Jes 41, 8‑20; 43, 1‑8). "Höret auf mich, die ihr Gerechtigkeit kennet, du Volk, in dessen Herzen mein Gesetz ist: Fürchtet nicht der Menschen Hohn Denn wie ein Kleid wird sie verzehren die Motte aber meine Gerechtigkeit wird in Ewigkeit sein, und mein Heil durch alle Geschlechter hindurch" (Jes 51, 7. 8). "Wer aber zu mir seine Zuflucht nimmt, wird das Land er­ben und meinen heiligen Berg besitzen" (Jes 57, 13).

 

Von den Treuen sagt Jehova: "Und sie werden mir, spricht Jehova der Heerscharen, zum Eigentum sein an dem Tage, den ich machen werde [vgl. Ps 118, 24]; und ich werde ihrer schonen, wie ein Mann seines Sohnes schont, der ihm dient. Und ihr [die Gottlosen] werdet wiederum den Unterschied sehen zwischen dem Ge­rechten und dem Gesetzlosen, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient [vgl. Offb 3, 9]. Denn siehe, der Tag kommt, brennend wie ein Ofen; und es werden alle Übermütigen und jeder Täter der Gesetzlosigkeit zu Stoppeln werden; und der kom­mende Tag wird sie verbrennen, spricht Jehova der Heerscharen, so daß er ihnen weder Wurzel noch Zweig lassen wird. Aber euch, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen mit Heilung in ihren Flügeln ... Und ihr werdet die Ge­setzlosen zertreten, denn sie werden Asche sein unter euren Fußsohlen an dem Tage, den ich machen werde, spricht Jehova der Heerscharen" (Mal 3, 17‑4, 3).

 

Aufgrund dieser Verheißungen kann der Überrest mit dem vollsten Vertrauen der Zukunft entgegensehen; sie erkennen die Gerichte als von Gott kommend an, sie schauen aus nach dem Frieden und erwarten die Aufer­stehung ihrer Toten. Es ist der Mühe wert, in diesem Zusammenhang Jesaja 26 ausführlich zu betrachten, aber wir können hier nur auf einige Punkte hinweisen. Es ist das Lied, das die Erlösten in Juda singen werden (vgl. Offb 14, 1‑5), aber die Erlösung ist hier noch nicht vollständig: es ist noch Nacht (Vers 9), sie sind noch verborgen (Vers 20); der Ausweg steht für sie schon fest (Verse 9. 11. 21 ); die Herren, die über sie geherrscht haben (Vers 13) werden gerichtet; sie selbst werden Frieden haben (Vers 12). Ihre Toten werden auf­leben (Vers 19; vgl. Hes 37; Dan 12, 2), aber die gott­losen Toten werden nicht wieder auferstehen (Vers 14).

Diese Gedanken finden wir auch in den wichtigen Ver­sen in Hosea 6, 1‑3: "Kommt und laßt uns zu Jehova umkehren; denn er hat zerrissen und wird uns heilen, er hat geschlagen und wird uns verbinden. Er wird uns nach zwei Tagen [zweitausend Jahren, vgl. Joh 4, 43] wieder beleben, am dritten Tage uns aufrichten; und so werden wir vor seinem Angesicht leben. So laßt uns Jehova erkennen, ja, laßt uns trachten nach seiner Erkenntnis! Sein Hervortreten ist sicher wie die Mor­gendämmerung; und er wird für uns kommen wie der Regen, wie der Spätregen die Erde benetzt."

 

Oder wie Joel es ausdrückt: "Und ihr, Kinder Zions, frohlocket und freuet euch in Jehova, eurem Gott! denn er gibt euch den Frühregen nach rechtem Maße, und er läßt euch Regen herabkommen: Frühregen und Spätregen wie zuvor. Und die Tennen werden voll Ge­treide sein, und die Kufen überfließen von Most und Öl ... Und ihr werdet wissen, daß ich in Israels Mitte bin, und daß ich, Jehova, euer Gott bin, und keiner sonst. Und mein Volk soll nimmermehr beschämt wer­den" (Kap. 2, 23‑27).

 

DIE LETZTEN TAGE

 

Wir sind jetzt bei der allerletzten Phase der Ereignisse angekommen, die der Wiederkunft unseres Herrn Jesus, zusammen mit Seiner Versammlung, unmittel­bar vorausgehen. Mehr als je ist Jerusalem hier der Mittelpunkt der Ereignisse. Zu dem Zeitpunkt, mit dem dieses Kapitel beginnt, wird das Land Palästina, in dem die zurückgekehrten Juden einen jüdischen Staat errichtet haben, besetzt sein von den assyrischen Heeren (vermutlich Syrien und Irak), zusammen mit ihren Bundesgenossen (mit ihren gegenwärtigen Na­men wahrscheinlich Jordanien, Saudi‑Arabien u. a.), und zwar unter der Führung des "Königs des Nor­dens". Dieser König hat mit seinen Heeren das Land überflutet, eine Belagerung vor Jerusalem errichtet und die Stadt eingenommen, jedoch nicht völlig ver­wüstet; die Hälfte der Bevölkerung ist zwar in Gefan­genschaft gezogen, die übrigen aber sind nicht aus­gerottet.

 

Die Gläubigen aus Judäa sind außerhalb des Landes verhältnismäßig sicher, doch in Jerusalem ist eine Handvoll Treuer übriggeblieben, die schwer geprüft werden und zu Gott um Rettung rufen; dabei haben sie das Schlimmste noch nicht erlebt. Schwer lastet die Hand des Assyrers auf der Bevölkerung des Landes, soweit sie sich ihm nicht unterworfen hat. Zugleich ver­sucht er durch listige Betrügereien, die Sympathie vie­ler zu gewinnen. Seine "Bundesgenossen" behält er aufmerksam im Auge, ob er nicht auch sie unter seinen Einfluß bekommen kann. Hinter ihm steht die große russische Macht, die beobachtet, wie die Lage sich im Nahen Osten entwickelt. Ja, die Augen der ganzen Welt, und besonders die des römischen Staatsoberhauptes, sind auf dieses spannungsgeladene Gebiet gerichtet.

 

Die römischen Heere ziehen herauf

 

Natürlich wird der Antichrist in dieser Periode nicht untätig sein. Wir haben ja gesehen, daß die Führer Je­rusalems ein Bündnis mit dem römischen Reich ge­schlossen haben (Jes 28, 15; 57, 9; Dan 9, 27), um sich gegen die Invasion des Assyrers zu schützen. Da der Assyrer aber nun so plötzlich das Land überflutet hat, rufen die gottlosen Juden unter Führung ihres Königs voller Furcht ihren großen Bundesgenossen zu Hilfe. Aus dem Folgenden können wir erkennen, daß der Antichrist offensichtlich die Stadt zeitig zu verlassen wußte, um bei seinem starken Freund unterzukommen. Er wird sein Volk allein lassen. So kommt er, auf der Flucht vor der Besatzungsmacht, als ein König ohne Land in Rom an. Sein Königtum ist endgültig zu Ende (wenn er selbst es auch noch nicht weiß), und das ist der Grund, weshalb er ab Offenbarung 16 nicht mehr "das Tier aus der Erde" genannt wird ‑ was auf sein Königtum hinweist ‑, sondern "der falsche Prophet" (16, 13; 19, 20), was auf seine geistliche Macht hin­deutet: auf die teuflischen Einflüsse, womit er die Men­schen in seinen Griff zu bekommen wußte und womit er sie zu seinem abscheulichen Götzendienst verleitet hat (Mt 12, 43‑45; 24, 24; Joh 5, 43; 2. Thess 2, 3‑10; Dan 11, 36‑39). Aufgrund ihres Bündnisses wird er sei­nen Freund dazu bewegen, ein großes Heer aufzustel­len und aufzumarschieren, mit dem Ziel, das Land von dem Joch des Assyrers zu befreien, aber darüber hinaus, um den Überrest auszurotten und die bevorste­hende Regierung Christi zu verhindern, wie wir sehen werden.

 

In Offenbarung 16 haben wir die sieben Schalen des Grimmes Gottes. Das ist die letzte Phase der Gerichte Gottes über die Erde, unmittelbar bevor Christus aus dem Himmel herniederkommt. Es ist nicht mehr der Zorn Gottes, sondern der Zorn des Lammes, der über die Menschen ausgegossen wird. Ab Vers 12 lesen wir: "Und der sechste [Engel] goß seine Schale aus auf den großen Strom Euphrat; und sein Wasser vertrocknete, auf daß der Weg der Könige bereitet würde, die von Sonnenaufgang herkommen. Und ich sah aus dem Munde des Drachen und aus dem Munde des Tieres und aus dem Munde des falschen Propheten drei un­reine Geister kommen, wie Frösche; denn es sind Geister von Dämonen, die Zeichen tun, welche zu den Königen des ganzen Erdkreises ausgehen, sie zu ver­sammeln zu dem Kriege [jenes] großen Tages Gottes, des Allmächtigen . . . Und er versammelte sie an den Ort, der auf hebräisch Armagedon heißt."

 

In den vorhergehenden fünf Schalen ‑ in Kap. 15 wa­ren die Überwinder vorgestellt worden, die durch die Gerichte hindurchgegangen sind ‑ sehen wir Gerichte Gottes über die verschiedenen Teile der Erde: zuerst über "die Erde" im engeren Sinn, das ist in der Offen­barung im allgemeinen das Gebiet des öffentlichen Zeugnisses Gottes, das in einer festen Beziehung zu Ihm steht, also vor allem die Christenheit und oft zu­gleich der politische Bereich, in dem sich die römische Kirche befindet, also das römische Reich. Dann die zweite Zornesschale über das Meer, die ungeordneten Völkermassen außerhalb des Römischen Reiches, da­nach die Wasserquellen, die gesonderten Völker; da­nach über die Sonne: die Lebensquelle der Menschen, die zu einer tödlichen Kraft wird. Darauf über das Tier selbst und sein Reich.

 

Wir kommen dann zu der sechsten Zornesschale. Zu­nächst wird erwähnt, daß der Weg für die Könige aus dem Fernen Osten bereitet wird, die also offensichtlich ebenfalls an dem großen Aufmarsch des römischen Führers und seiner Bundesgenossen beteiligt sind: die Könige der Erde; sehr wahrscheinlich ist das auch wie­der die "Römische Erde" (vgl. Lk 2, 1; Offb 17, 11‑14). Vielleicht besteht ein Zusammenhang zwischen diesen Königen aus dem Fernen Osten und den "vier En­geln", die an dem großen Strome "Euphrat" gebunden sind (Offb 9, 13‑16). Wie dem auch sei, deutlich ist, daß die westeuropäischen (römischen) Heere sich be­reit machen, nach Palästina zu ziehen, um gegen Gott Selbst zu streiten. Sie versammeln sich an einem Ort, genannt "Armagedon", d. h. "Har Megiddo", d. i. der Berg (oder Gebirge) von Megiddo.

 

Wenn wir diese Verse mit Kapitel 19, 19 vergleichen, scheint mir die Annahme auf der Hand zu liegen, daß das auch der Ort ist, an dem die römischen Heere ge­richtet werden ‑ wozu sollte auch sonst das Nennen des Namens dieses Sammlungsortes dienen? Wenn das das Gebiet der großen Schlacht ist, dann werden wir so­gleich an die großen Schlachten erinnert, die in frühe­ren Zeiten in den Ebenen von Megiddo geführt wur­den. Gerade dieses berüchtigte Schlachtfeld ist der Ort, an dem viele Könige gefallen sind. Zunächst lesen wir in der Bibel von einem König von Megiddo selbst, der von Josua geschlagen wurde (Jos 12,7.21). Danach hören wir von einer Schlacht, die Barak gegen Jabin, den König von Hazor, mit seinem Heerobersten Sisera führte; beide wurden geschlagen (Ri 4, 7. 24; 5, 19). Auch Gideon hat in dieser Gegend eine Schlacht geführt, und zwar gegen die Midianiter, bei der ihre Fürsten getötet wur­den (Ri 6, 33; 7, 1. 25). Saul hat in dieser Gegend, auf dem Gebirge Gilboa, seinen letzten Kampf gekämpft und ist dort gefallen (l. Sam 31, 1); er ist eines der deutlichsten Vorbilder von dem Antichristen. Zur Zeit Salomos war Megiddo einer der wichtigsten strategi­schen Stützpunkte (l. Kön 9, 15‑19). Megiddo ist auch der Ort, wohin der König Ahasja von Juda flüchtete und wo er starb, nachdem er von Jehus Soldaten ver­wundet worden war (2. Kön 9, 27). Zum Schluß lesen wir noch in der Schrift, daß es dieser Ort war, an dem der König Josia im Kampf gegen den Pharao Neko fiel (2. Kön 23, 29); das Klagelied, das Israel über ihn anhob, klingt bis in die Endzeit hinein: wenn sie die Wehklage an­stimmen werden, wenn sie Den anschauen, den sie durch­stochen haben (2. Chron 35, 25; Sach 12, 11). Danach ist Megiddo noch häufig der Schauplatz von Gerichten und Kriegen gewesen; in der Zeit der Makkabäer, später zur Zeit der römischen Herrschaft, und dann wieder viel spä­ter während der langjährigen Einfälle der Türken, und schließlich im ersten Weltkrieg.

 

Das Gericht über das Tier und den falschen Propheten (1)

 

Diese Ebene von Megiddo, umgeben von Bergen, Schlachtfeld durch Jahrhunderte, wo schon so viele Kö­nige gefallen sind, wird auch der Ort sein, an dem das römische Staatsoberhaupt und der Antichrist ihre Heere versammeln werden und wo der Herr Jesus sie vernichten wird. Wenn sie auch im Sinn haben, Palä­stina zu befreien und den Assyrer zu vertreiben, so ist ihre Hauptabsicht doch, gegen den Messias und Seine Treuen zu kämpfen. "Es treten auf die Könige der Erde, und die Fürsten ratschlagen miteinander wider Jehova und wider seinen Gesalbten: Lasset uns zer­reißen ihre Bande, und von uns werfen ihre Seile" (Ps 2, 2. 3). "Diese [die zehn Könige] haben einen Sinn und geben ihre Macht und Gewalt dem Tiere. Diese werden mit dem Lamme Krieg führen, und das Lamm wird sie überwinden; denn er ist Herr der Her­ren und König der Könige, und die mit ihm sind Beru­fene und Auserwählte und Treue" (Offb 17, 13. 14). Ihr Kampf ist gegen das Lamm, wenn Er, der Gott Selbst ist (vgl. 1. Tim 6, 14‑16), zusammen mit den himm­lischen Heiligen und den Engeln vom Himmel kommen wird, um sie zu schlagen. Das finden wir in Offen­barung 19: "Und ich sah den Himmel geöffnet, und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß, [genannt] Treu und Wahrhaftig, und er richtet und führt Krieg in Gerechtigkeit ... Und die Kriegsheere, die in dem Himmel sind, folgten ihm auf weißen Pferden, angetan mit weißer, reiner Leinwand. Und aus seinem Mund geht hervor ein scharfes, zweischneidiges Schwert, auf daß er damit die Nationen schlage; und er wird sie wei­den mit eiserner Rute [siehe 2, 27; 12, 5; Ps 2, 9], und er tritt die Kelter des Weines des Grimmes des Zornes Gottes, des Allmächtigen [siehe 14, 191 . . . Und ich sah das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere versammelt, Krieg zu führen mit dem, der auf dem Pferde saß, und mit seinem Heere. Und es wurde ergriffen das Tier und der falsche Prophet ... lebendig wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt. Und die übrigen wurden getötet mit dem Schwerte dessen, der auf dem Pferde saß, welches Schwert aus seinem Munde hervorging; und alle Vögel wurden von ihrem Fleische gesättigt" (Verse 11. 14. 15. 19‑21). Das ist das plötzliche und radikale Ende dieser beiden teuflischen Männer, die es wagen, gegen Gott aufzustehen. Wenn sie alle ihre Macht zusammengeballt haben, um gegen das Lamm zu kämpfen, werden sie von ihm vernichtet, bevor sie überhaupt etwas unternehmen können. Dadurch werden sie von den weiteren Ereig­nissen ausgeschaltet ‑ ihre Rolle ist ausgespielt. Völlig getrennt von dem, was weiterhin geschehen wird (in Verbindung mit dem Assyrer), werden sie vorzeitig von dem Schauplatz weggenommen.

 

Der Unterschied zwischen dem Assyrer und dem Tier

 

Dieser letzte Punkt ist besonders wichtig. Es ist näm­lich wesentlich, das Gericht über das Tier und den fal­schen Propheten von dem Gericht über den Assyrer zu unterscheiden, sowohl was seinen Charakter, als auch was den Ort und den Zeitpunkt betrifft. Häufig wird angenommen, daß die römischen Heere und der Assy­rer mit seinen Mächten sich an einem Ort versammeln werden und der Herr sie zusammen schlägt, aber es scheint mir klare Hinweise zu geben, daß das falsch ist. Als erstes fällt schon auf, daß nirgends in der Schrift die Römer und die Assyrer in dem Endkampf zusam­men genannt werden. Das kann übrigens auch nicht sein, denn wir haben ja gesehen, daß es zwei Arten von Prophezeiungen gibt: solche, die über die "Zeiten der Nationen" sprechen, wenn Israel nicht mehr von Gott als Volk anerkannt wird und die Weltmacht den auf­einander folgenden Häuptern der Nationen übertragen wird (von denen das römische Tier das letzte ist), und sol­che, die von der Zeit sprechen, in der Israel noch als Volk anerkannt ist, aber in Sünde lebt und das Gericht durch die Rute Gottes, das ist der Assyrer, erfährt. Sowohl das Haupt der Nationen als auch der Assyrer haben sich ge­gen Gott erhoben und werden gerichtet, aber aus völlig verschiedenen Gründen: die Assyrer, weil sie sich gegen Israel gebrüstet haben, als Gott Israel noch anerkannte und es noch einen Überrest gab; die Häupter der Natio­nen wegen ihres Hochmuts und ihrer Unterdrückung des "Lo‑Ammi", als sie von Gott die Macht bekommen hat­ten. Es ist daher sehr vereinfacht zu sagen, daß beide Ge­richte ein und dasselbe sind, um so mehr als die Bibel sie nun gerade so streng unterscheidet und sie durch ganz ver­schiedene Propheten behandeln läßt. Der Irrtum ist zwar begreiflich, weil bei dem Versammeln der römischen Heere alle "Könige der Erde" versammelt werden und beim Aufzug des Assyrers alle "Nationen der Erde". Aber diese Begriffe bedeuten gewiß nicht dasselbe. In der prophetischen Sprache der "Lo‑Ammi‑Propheten" ist "die Erde" hauptsächlich die römische Erde, wie schon früher gesagt, also das Zentrum der Regierung des letzten Weltreiches; aber in den "Ammi‑Propheten" ist die Erde der prophetische Gesichtskreis Israels, denn dort steht die Regierung Gottes in Israel im Mittelpunkt. Im ersten Fall geht es also um die römischen Könige (Offb 17, 12‑14), im zweiten Fall um die Nationen rings um Palästina.

 

Hiermit in Übereinstimmung ist auch, daß Christus bei beiden Gerichten in einem völlig unterschiedlichen Charakter auftritt. In bezug auf die römischen Mächte geht es um die Herrschaft über die Nationen: dort ist Er der "Menschensohn", der als der Löwe aus dem Stamm Juda, als das Lamm, das die Welt von Sünde befreit, aus der Hand Gottes die Weltmacht empfängt (Dan 7, 13. 14; Offb 5, 1‑7).(Gleichzeitig aber ist Er Gott, vgl. Dan 7, 13. 22; 1. Tim 6, 14‑16 mit Offb 19, 16). Als der König der Könige schlägt Er das Haupt der Na­tionen, vernichtet die menschliche Herrschaft und rich­tet ein eigenes Königreich auf, das in Ewigkeit nicht zerstört wird (Dan 2, 44. 47; Offb 20,4c). In bezug auf den Assyrer geht es nicht um die Weltherrschaft, son­dern um die Beschützung des von Gott anerkannten Überrestes, der von dem Assyrer bedrängt wird. Des­halb wird Christus hier immer Jehova, der Bundesgott, genannt. Hier wird Israel wieder aufs neue von Gott anerkannt, d. h. der treue Teil des Volkes, der sich bekehrt hat. Mit diesem Überrest macht der Herr Sich eins, wie wir gesehen haben, und Er wird kommen, um ihn zu erlösen und seine Feinde zu schlagen. Daher wird in Verbindung mit der Vernichtung des Assyrers auch stets von der Erlösung des Überrestes gespro­chen. Die Heiligen werden zwar auch von dem rö­mischen Tier bedrängt (siehe Dan 7), aber dort ist das Kennzeichen, daß das Haupt der Nationen, das von Gott die Macht bekommen hat, jetzt die Treuen Gottes verfolgt, sich gegen sie erhebt und sie verspottet, weil Gott ja nicht mehr mit ihnen ist. Der Charakter der Unterdrückung von seiten Assurs aber ist, daß er gegen Gottes Volk gesandt ist, gegen das Volk, mit dem Gott wieder in einer festen Beziehung steht (das ist der Überrest, das wahre Israel), gegen das der Assyrer sich aber brüstet.

 

Das bringt uns wieder zu einem anderen Punkt: Das Gericht über das Tier führt Christus allein aus (abgese­hen von den himmlischen Heeren), denn hierbei geht es um die Vernichtung aller menschlichen Herrschaft (die der Nationen in dem Tier und die Israels in dem falschen Propheten), wobei Israel selbst keine Rolle spielen kann, weil es Lo‑Ammi ist. Aber wo es um den Assyrer geht und wo also die Rede von einem aner­kannten Überrest ist, da hat der Überrest selbst einen wesentlichen Anteil an dem Kampf gegen Assur (wenn auch das eigentliche Gericht über den König des Nor­dens dem Herrn Selbst vorbehalten bleibt). Das wer­den wir noch ausführlicher besprechen. Im letzten Fall ist es genauso wie in alttestamentlichen Zeiten, als Gott für Sein Volk stritt und zusammen mit ihnen die Feinde schlug (siehe vorläufig Sach 14, 3).

 

Zwei Punkte können dieses Thema noch vereinfachen, nämlich die Verschiedenheit bezüglich des Ortes und der Zeit dieser beiden Gerichte. Das Gericht über das Tier und den falschen Propheten findet in der Ebene von Megiddo ("Ausrottungs‑ oder Versammlungs­platz") statt, das Gericht über den Assyrer und seine Bundesgenossen aber findet in Tal Josaphat statt ("Tat, wo Jehova richtet", Joel 3, 2. 12; vgl. 2. Chron 20); das ist dicht bei Jerusalem (Sach 14, 3. 4).

 

Diese Gerichte müssen auch zu verschiedenen Zeit­punkten stattfinden; in Offenbarung 19 kommt der Herr auf einem weißen Pferd aus dem Himmel hernie­der, aber es steht durchaus nicht da, daß Er auf die Erde kommt. Es ist ein himmlisches Gericht, denn es geht um das himmlische Königreich, das aufgerichtet werden wird. Doch bei dem Gericht über den Assyrer kommt Christus als Jehova auf den Ölberg hernieder; Er betritt das Land, um Sein Volk zu befreien und für sie zu streiten. Hier ist es ein irdisches Gericht, denn es geht um das irdische Volk Gottes und ein irdisches Königreich in Israel.

 

Das Gericht über das Tier und den falschen Propheten (II)

 

Wir haben also gesehen, wie das römische Staatsober­haupt und der Antichrist zu ihrem Ende kommen wer­den. Einige Schriftstellen berichten uns etwas mehr über dieses Gericht. Das Buch Daniel beschreibt uns verschiedene Male den Untergang des wiederherge­stellten römischen Reiches und dessen Ablösung durch das himmlische Königreich Gottes. "Und in den Tagen dieser [nämlich der römischen] Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, welches ewig­lich nicht zerstört und dessen Herrschaft keinem ande­ren Volke überlassen werden wird; es wird alle jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber ewiglich bestehen" (Dan 2, 44; lies Verse 31‑45). Durch die Vernichtung des römischen Reiches kommt also alle Herrschaft des Menschen zu ihrem Ende, und Gott wird für ewig König über die Erde sein. Kapitel 7 lehrt uns jedoch, daß Gott, der König, auch zugleich der Menschensohn ist . . . "Ich schaute in Gesichten der Nacht: und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn; und er kam zu dem Alten an Tagen und wurde vor denselben gebracht. Und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Kö­nigtum gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen dienten ihm; seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird" (Verse 13 und 14); und in den Versen 26 und 27: "Aber das Gericht wird sich setzen; und man wird seine Herrschaft weg­nehmen, um sie zu vernichten [das ist das römische Tier] und zu zerstören bis zum Ende. Und das Reich und die Herrschaft und die Größe der Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volke der Heili­gen der höchsten Örter gegeben werden. Sein Reich ist ein ewiges Reich, und alle Herrschaften werden ihm dienen und gehorchen." Hier sehen wir noch etwas Neues: Wenn das römische Tier vernichtet ist, wird ein göttliches Königreich aufgerichtet, und sein Mittel­punkt ist dann Israel, denn "das Volk der Heiligen der höchsten Örter" wird an dieser Herrschaft beteiligt sein. Das sind die himmlischen, jüdischen Heiligen, die zu den auferstandenen Heiligen in Offenbarung 20, 4 gehören, die mit dem Christus tausend Jahre leben und herrschen werden.

 

Was den Antichristen betrifft, so wird der Herr Jesus ihn verzehren "durch den Hauch seines Mundes" und ihn vernichten "durch die Erscheinung seiner Ankunft" (2. Thess 2, 8; vgl. Jes 11, 4). Er wird den Feind weg­fegen (Zeph 3, 15); "Sein Arm [der des nichtigen Hir­ten, des Antichristen] soll gänzlich verdorren, und sein rechtes Auge völlig erlöschen" (Sach 11, 17). Bemer­kenswert ist die finstere Sprache in Jesaja 30, 33. In diesem Abschnitt (Verse 27‑33) lesen wir von dem Ge­richt über Assur (Vers 31) bei der Wiederkunft des Herrn (Vers 27). Dann sagt Vers 33: "Denn vorlängst ist eine Greuelstätte [Tophet; siehe 2. Kön 23, IOJ zuge­richtet; auch für den König ist sie bereitet." Tophet (was "verächtlich anspeien" oder "Feuerplatz" bedeu­tet) ist ein Bild von der Hölle (vgl. Jer 3, 31‑33); das Feuer der Hölle ist also bereitet für den Assyrer, aber auch für "den König". Diese geheimnisvolle Person ist dieselbe wie in Jesaja 57, 9, Daniel 11, 36 und vorbild­lich in Jeremia 4, 9; es ist merkwürdig, daß er hier er­wähnt wird, aber der Zusammenhang wird deutlicher, wenn man bedenkt, daß diese Prophezeiung ein Teil des zusammenhängenden Abschnittes von Kapitel 28‑35 ist, worin schon früher das Gericht über den hochmütigen Herrscher Jerusalems vorhergesagt wurde, nämlich in Kapitel 28, 14‑22, und zwar gleichfalls in Verbindung mit dem Einfall des Assyrers (Verse 2. 15. 18. 19). Aus unserem Vers geht also hervor, daß der Antichrist in die Hölle geworfen wird, wie auch Offenbarung 19, 20 beweist.

 

Wie gesagt, handelt es sich bei dem Gericht über das Tier und den falschen Propheten und dem Gericht über den Assyrer um zwei voneinander getrennte Gerichte, aber es ist klar, daß doch das Kommen aus dem Him­mel, um die beiden ersten Mächte in Armagedon zu richten, unmittelbar mit dem Kommen auf den Ölberg verbunden ist, um die zu Jerusalem versammelten Na­tionen zu richten. Es ist ein Kommen, eine Erschei­nung, aber aus verschiedenen Gesichtspunkten betrach­tet und in unterschiedlichen Phasen; sogar das Kom­men des Herrn, um die Versammlung aufzunehmen, ist schon die erste Phase Seiner Wiederkunft, obwohl das einige Jahre vor Seinem Kommen auf den Ölberg statt­findet. Dieses letzte Ereignis wollen wir nun betrach­ten, indem wir auf das letzte Schicksal Jerusalems ein­gehen.

 

Die Rückkehr des geflüchteten Überrestes

 

Der Assyrer hält noch immer das Land Palästina besetzt; viele von dem gottlosen jüdischen Volk sind schon durch seine Hand umgekommen, aber der Überrest hält noch stand, obwohl auch viele von ihnen getötet worden sind, hauptsächlich durch den Antichristen und das Tier. Währenddessen befindet sich der Überrest aus Judäa mitten unter den umliegenden Völkern und sam­melt dort neue Kraft und neue Hilfsmittel, um in sein Land zurückzukehren und den Kampf gegen die Besat­zungsmacht aufnehmen zu können (vgl. Sach 14, 14). Gott Selbst kommt mit der Aufforderung zu ihnen, in ihr Land zurückzukehren, unmittelbar, nachdem Er dem Überrest in Jerusalem eine Ermunterung gegeben hat: "Und du [das ist Zion] ‑ um des Blutes deines Bundes willen entlasse ich auch deine Gefangenen aus der Grube, in welcher kein Wasser ist. Kehret zur Festung [d. i. Jerusalem] zurück, ihr Gefangenen der Hoffnung! Schon heute verkündige ich, daß ich dir das Doppelte erstatten werde" (Sach 9, 11. 12; vgl. Jes 61, 7). Zuerst bekommen also die Treuen in Zion, die als Gefangene in einer Grube eingeschlossen saßen, die Verheißung, daß sie freigelassen werden würden, und danach ebenfalls die Treuen, die fern von Jerusalem waren, die jedoch noch Hoffnung hegen durften, denn Jehova würde ihnen Doppeltes zurückgeben; sie muß­ten nach Jerusalem zurückkehren, um es zu befreien.

 

Diese Nachricht wird der Überrest in der Fremde mit Freude aufnehmen. Ihre Gefühle werden (wie es stets der Fall ist bei den inneren Gefühlen des Überrestes) hauptsächlich in den Psalmen beschrieben. Wir haben schon auf die Reihe der "Stufenlieder" (Ps 120‑134) hingewiesen, die von dem "Hinaufziehen" der gläubi­gen Juden nach Jerusalem berichten, also die Rück­kehr des Überrestes nach Jerusalem und die Erlösung Zions beschreiben. Die ersten drei zeigen uns den Auf­enthalt der Treuen in der Gefangenschaft (Ps 120), ihr Vertrauen auf Gott (Ps 121) und ihre Rückkehr nach Jerusalem. Damit beschäftigen wir uns also jetzt in Psalm 122: Sie drücken ihre Freude aus über die Auf­forderung, zurückzukehren! "Ich freute mich, als sie zu mir sagten: Lasset uns zum Hause Jehovas gehen! Un­sere Füße werden in deinen Toren stehen, Jerusalem! Jerusalem, die du aufgebaut bist als eine fest in sich ge­schlossene Stadt, wohin die Stämme hinaufziehen, die Stämme Jahs, . . . Bittet um die Wohlfahrt Jerusalems! Es gehe wohl denen, die dich lieben! ... Um meiner Brüder und meiner Genossen willen will ich sagen: Wohlfahrt sei in dir!"

 

Drei Dinge möchten wir besonders betonen: die Freude über die Rückkehr, den Friedenswunsch, weil Jerusalem in Krieg und Bedrängnis ist, und das Mit­leiden mit den armen Brüdern, die in Jerusalem Angst ausstehen. Auch das Hohelied beschäftigt sich prophe­tisch mit dem Überrest, mit seiner Zuneigung zu dem Bräutigam. Lenkt nicht Kapitel 8, 5 unsere Gedanken unmittelbar auf die Rückkehr der gläubigen Juden aus der Gefangenschaft? (vgl. Ps 107, 40; Offb 12, 6. 14). Das ganze Buch ist übrigens eine prophetische Schilde­rung der Drangsal, der Erlösung und der Herrlichkeit des Überrestes, insbesondere der Stadt Jerusalem.*)

*) Siehe hierzu mein Buch "Das Lied der Lieder".

 

Wenn die Juden aus der Gefangenschaft zurückkehren, werden sie Führer anstellen, die sie in dem Kampf ge­gen den Assyrer anführen. Das finden wir in Micha 5. In Vers 1 wird die Geburt des Messias angekündigt, und wir sehen dort auch, daß Er nicht sofort regieren wird, denn zuvor werden die Israeliten für lange Zeit hingegeben (weil sie den Richter Israels auf den Backen geschlagen haben; 4, 14), bis sie in Kindesnöte kom­men werden, das ist die große Drangsal (siehe z. B. Kapitel 4, 9. 10). Dann wird der Rest seiner Kinder zu­rückkehren zu den Kindern Israel (Vers 2), und erst da­nach folgt die Regierung des Friedefürsten (Vers 3). Wie das geschieht, wird in den folgenden Versen beschrieben. "Wenn Assyrien in unser Land kommen und wenn es in unsere Paläste treten wird, so werden wir sieben Hirten und acht Menschenfürsten gegen dasselbe aufstellen." Das sind die jüdischen Führer, denen wir in Sacharja als den „Fürsten von Juda" begegnen (Sach 12, 5. 6). Sie kehren nach Jerusalem zurück mit dem Vermögen der um sie her wohnenden Nationen: Gold und Silber und Kleider in großer Menge (Sach 14, 14).

 

Wir weisen nebenbei noch auf einige Psalmen hin, in denen wir die Gefühle des Überrestes nach ihrer Rück­kehr in das Land finden, wenn sie den Kampf gegen den Assyrer aufnehmen: es sind die Psalmen 142‑145. Wir greifen nur einige Punkte zum weiteren Nachsin­nen heraus. In Psalm 142 ist der Überrest in das Land Palästina zurückgekehrt (das "Land der Lebendigen", Vers 5). Sie bitten um Hilfe gegen den Feind auf dem Weg, den sie wandeln (Verse 3 und 6). In Psalm 143 wer­den sie mit dem Feind konfrontiert, der sie angreift; deshalb bitten die Gläubigen um Rettung und darum, daß Er ihnen den Weg kundtun möge, den sie wandeln sollen (Verse 3. 6‑9): "Dein guter Geist leite mich in ebenem Lande" (Vers 10)! In Psalm 144 beginnt der Kampf (Vers 1); Gott unterwirft ihnen die Völker (Vers 2). Die Treuen verlangen nach dem Kommen Jehovas aus dem Himmel (Vers 5) und nach der Befreiung aus der Hand der Söhne der Fremde (Verse 7. 11); Er befreit Da­vid, Seinen Knecht (den Überrest; siehe Sach 12, 8), und das Volk wird im Land gesegnet werden (Verse 12‑15); diesen Segen finden wir auch in den "Stufenliedern" 127 und 128 (vgl. 127, 3‑5 und 128, 3 mit 144, 12). Schließlich zeigt uns Psalm 145 den segensreichen Zustand im Frie­densreich, wenn Gott König ist (Verse 10‑13) und die Gottlosen vertilgt werden (Vers 20). Die Psalmen 146‑150 sind die große Zusammenfassung des Lobes Gottes, wie es im Tausendjährigen Reich erschallen wird.

 

Der Assyrer erobert Ägypten

 

Wir wollen nun zu den Ereignissen in Palästina zurück­kehren. Bevor wir den weiteren Kampf des Überrestes beschreiben, müssen wir auf einige andere Ereignisse hinweisen. Unter dem schweren Druck des Assyrers glauben viele der gottlosen Juden, ihr Heil bei Ägyp­ten suchen zu müssen (siehe Jes 30, 1‑6; 31, 1). Sie wer­den aber dem Assyrer nicht entkommen, genausowenig wie die Juden, die nach dem Einfall Nebukadnezars und der Eroberung Jerusalems nach Ägypten flohen; auch sie wurden schließlich von Nebukadnezar in Ägypten eingeholt (Jer 41, 16‑43, 13). So wird auch der Assyrer, der König des Nordens, nach Ägypten weiter­ziehen, nachdem er Palästina besetzt und Jerusalem eingenommen hat.

 

"Und er wird seine Hand an die Länder legen, und das Land Ägypten wird nicht entrinnen; und er wird die Schätze an Gold und Silber und alle Kostbarkeiten Ägyptens in seine Gewalt bringen" (Dan 11, 42. 43). Siehe auch Jesaja 19 und 20, wo das Schicksal Ägyp­tens ausführlich beschrieben wird. Diese Prophezeiung hat bereits eine Erfüllung gefunden, hat aber darüber hinaus Bezug auf die Endzeit, wie uns Kapitel 19, 19‑25 deutlich zeigt. In Kapitel 19, 4 sehen wir den Einfall des Assyrers in Ägypten: "Und ich will die Ägypter überliefern in die Hand eines harten Herrn; und ein grausamer König wird über sie herrschen, spricht der Herr, Jehova der Heerscharen." Am Ende des Kapitels sehen wir aber, daß im Friedensreich ein Überrest, sowohl aus Ägypten als auch aus Assur da sein wird, der Jehova dienen wird. Zusammen mit Israel werden alle drei "ein Segen inmitten der Erde" sein.

Der zurückgekehrte Überrest vertreibt die Besatzungsmacht

 

Während nun der König des Nordens mit seinen Stoß­truppen nach Ägypten durchgezogen ist und sich dieses Land unterwirft, ist natürlich in Palästina eine Besat­zungsmacht übriggeblieben, um die Juden in Schach zu halten. Diese assyrische Besatzungsmacht wird mit dem zurückgekehrten Überrest konfrontiert, wie wir das schon in Psalm 144 gesehen haben. Zusammen mit dem Assyrer sind auch andere Völker aus der Umgebung Palästinas eingefallen, wie aus Psalm 83, 3‑9 hervor­geht. Der Ausdruck "die Völker" oder "die Nationen" hat in den Prophezeiungen, die über die zukünftige Drangsal Jerusalems sprechen, Bezug auf diese Völker aus der Umgebung, von denen Assur das wichtigste ist, so daß Assur sehr oft allein genannt wird. Einige solche Stel­len, in denen von "den Völkern" oder "den Nationen" ge­sprochen wird, sind: Jes 8, 5‑10; 17, 12‑14; 29, 8; 30, 27‑33; Joel 3, 1‑3. 9‑14; Obadja 15. 16; Micha 4, 11‑13; 5, 14; Zeph 3, 8; Sach 12, 2‑9; 14, 1‑3. 12‑19.

 

Es ist sehr wichtig, über diese Prophezeiungen nachzu­denken, um das gut zu verstehen; auf verschiedene die­ser Prophezeiungen werden wir noch näher eingehen. Zunächst auf Micha 4 und 5: Die "Nationen" finden wir in Kap. 4, 11: "Und nun haben sich viele Nationen wider dich versammelt, die da sprechen: Sie werde entweiht, und unsere Augen mögen an Zion ihre Lust sehen! Aber sie kennen nicht die Gedanken Jehovas und verstehen nicht seinen Ratschluß; denn er hat sie gesammelt, wie man Garben auf die Tenne sammelt. Mache dich auf und drisch, Tochter Zion! denn ich werde dein Horn zu Eisen und deine Hufe zu Erz machen, und du wirst viele Völker zermalmen; und ich werde ihren Raub dem Jehova verbannen, und ihr Vermögen dem Herrn der ganzen Erde." Das ist eine deutliche Sprache; der Überrest*) zieht herauf und wird von Jehova im Kampf gegen die Besatzungsmacht unterstützt und erringt einen großen Sieg.

*)Hier steht eigentlich "Tochter Zion"; vielleicht ist hiermit also der Überrest in Jerusalem gemeint, der der Besatzungsmacht Widerstand leistet; aber es kann auch der zurückgekehrte Überrest sein, der sich im Geist mit Zion verbindet

(vgl. Jes 49, 14‑23).

 

Kapitel 5 geht noch weiter: "Wenn Assyrien in unser Land kommen und wenn es in unsere Paläste treten wird, so werden wir sieben Hirten und acht Menschenfürsten gegen dasselbe aufstellen. Und sie werden das Land Assyrien mit dem Schwerte weiden und das Land Nimrods in seinen Toren; und er [das ist der Friedefürst aus den Versen 1‑3] wird uns von Assyrien erretten, wenn es in unser Land kommen und wenn es in unsere Grenzen treten wird" (Verse 4 und 5). Aus diesen Versen ist ersichtlich, daß der Überrest, der zurück­gekehrt ist (Vers 2), zunächst Führer anstellt; danach beginnt der Kampf, der offensichtlich so günstig ver­läuft, daß die Besatzungstruppen in ihr eigenes Land zurückgeschlagen werden, in ihre eigenen "Tore" (Grenzen), denn der Überrest wird sie sogar auf ihrem eigenen Grund und Boden bekämpfen. Der endgültige Sieg ist jedoch dem Friedefürsten vorbehalten, wie wir noch sehen werden.

 

Wir wollen uns nun zuerst Sacharja zuwenden, der uns zu diesem Thema viele Hinweise gibt. Den Kampf des Überrestes haben wir bereits in Kapitel 10: "Mein Zorn ist wider die Hirten entbrannt, und die Böcke werde ich heimsuchen; denn Jehova der Heerscharen wird seiner Herde, des Hauses Juda, sich annehmen und sie machen wie sein Prachtroß im Streite. Von ihm kommt der Eckstein, von ihm der Pflock, von ihm der Kriegsbogen, von ihm werden alle Bedränger hervorkommen insgesamt. Und sie werden wie Hel­den sein, die den Kot der Straßen im Kampfe zer­treten; und sie werden kämpfen, denn Jehova ist mit ihnen, und die Reiter auf Rossen werden zu Schan­den" (Verse 3‑5).

 

Hier haben wir den Kampf nur noch als einen allgemei­nen Grundsatz: Gott sucht sowohl die Hirten (die falschen Führer Israels) wie auch "die Reiter auf Rossen" heim, das ist die Besatzungsmacht. Das Haus Juda, also der jüdische Überrest, wird Kraft gewinnen zum Kampf, und Jehova wird mit ihnen sein. Und was ihre große Kraft ist: aus Juda kommt der Eckstein hervor, von ihm der Pflock, von ihm der Kriegsbogen. Das ist Christus, was letztlich auf die Endschlacht bei Seiner Wiederkunft hinweist (vgl. besonders Ps 118, 22; Sach 3, 8. 9; 4, 10; Jes 22, 23. 25; Esra 9, 8; Jes 41, 2; Hab 3, 9). In Kapitel 12 haben wir eine ausführliche Beschreibung der Ereig­nisse um Jerusalem, in der Reihenfolge, wie sie nach der Rückkehr des Überrestes stattfinden werden. Vers für Vers wird in unserer Betrachtung an die Reihe kom­men. Vers 2 führt uns mitten auf den Schauplatz: "Siehe, ich mache Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker ringsum: und auch über Juda wird es kom­men bei der Belagerung von Jerusalem. Und es wird geschehen an jenem Tage, da werde ich Jerusalem zu einem Laststein machen für alle Völker: alle, die ihn aufladen wollen, werden sich gewißlich daran verwun­den. Und alle Nationen der Erde werden sich wider dasselbe versammeln."

 

Die Rückkehr des Assyrers aus Ägypten

 

Wie hat sich die Lage in der Zwischenzeit entwickelt? Der König des Nordens ist nach Ägypten weitergezo­gen, holt dort die geflüchteten Juden ein und unter­wirft und plündert gleichzeitig Ägypten. Inzwischen ist der Überrest aus den umliegenden Völkern nach Palä­stina zurückgekehrt, hat dort den Kampf gegen die assyrischen Besatzungstruppen aufgenommen und sie auf ihr eigenes Gebiet zurückdrängen können. Auch haben wir gesehen, daß im Norden die römischen Heere mit dem Antichristen versammelt sind; die wer­den aber von dem Herrn Jesus vernichtet.

Diese Ereignisse, die in Palästina stattfinden, werden dem König des Nordens, der sich in Ägypten aufhält, natürlich nicht entgehen. "Aber Gerüchte von Osten und von Norden her werden ihn erschrecken; und er wird ausziehen in großem Grimm, um viele zu vernich­ten und zu vertilgen. Und er wird sein Palastgezelt aufschlagen zwischen dem Meere und dem Berge der heiligen Zierde. Und er wird zu seinem Ende kommen, und niemand wird ihm helfen" (Dan 11, 44. 45) In Ägypten hört er Gerüchte aus dem Osten ‑ das wird also die Rückkehr des Überrestes sein, der die Beset­zer vertrieben hat; und weiterhin Gerüchte aus dem Norden ‑ das wird die wunderbare Vernichtung der römischen Heere sein. Deshalb wird er in großer Eile und in großer Wut ohne Umschweife nach Palästina zu­rückkehren, um der Lage wieder Herr zu werden. Er lagert sich zwischen dem Mittelmeer und Jerusalem, um die Stadt nun endgültig in seine Hand zu bekom­men; sein Grimm gegen Jerusalem ist nun größer als je zuvor.

 

Das ist die zweite Belagerung Jerusalems; nach unserer Betrachtung über Offenbarung 9 kann vielleicht ange­nommen werden, daß diese zweite Belagerung fünf Monate nach der ersten stattfinden wird. Die erste Be­lagerung fand statt, als der Assyrer aus dem Norden in das Land einfiel und es besetzte, danach Jerusalem be­lagerte und einnahm. Danach übt der Assyrer für eine Zeit Gewaltherrschaft über die Bevölkerung aus. Dann zieht er weiter nach Ägypten und erobert dieses Land, während inzwischen aus dem Osten der geflüchtete jüdische Überrest zurückkehrt und die Besetzer ver­treibt. Dann kehrt der Assyrer in großer Wut zurück und belagert sofort wieder Jerusalem.

 

Man muß also die Prophezeiungen über die erste und die zweite Belagerung Jerusalems genau unterscheiden; um das zu verdeutlichen, werden wir eine Anzahl Schriftstellen untersuchen. Die Unterscheidung ist nicht schwer, wenn wir bedenken, welche Unterschiede zwischen beiden Belagerungen bestehen. Die erste Be­lagerung findet nach dem Einfall des Assyrers aus dem Norden statt (Jes 28, 14‑19; Joel 2, 9‑11); die zweite Belagerung findet nach der Rückkehr des Assyrers aus Ägypten statt (Dan 11, 44. 45). Darüber hinaus ‑ und das macht den Unterschied sehr deutlich ‑ wird Jerusa­lem nach der ersten Belagerung wohl eingenommen und unterdrückt (Jes 28, 18. 19; Obadja 11. 12; Zeph 1; Sach 14, 1. 2), aber bei der zweiten Belagerung wird Je­rusalem nicht eingenommen, sondern durch das Kom­men des Messias befreit (Jes 10, 24‑27; 29, 1‑8; 31, 4‑9; 33, 14‑19; vgl. Kap. 37; Dan 11, 45; Joel 3, 1. 2. 12; Obadja 15‑17; Mi 5, 5b; Sach 12, 2‑9; 14, 3‑5).

 

Noch deutlicher wird es, wenn wir beachten, daß die Propheten manchmal beide Belagerungen hintereinan­der behandeln, wie Jesaja 28 und 29, Joel 2 und 3 und Sacharja 14, 1. 2 und 3‑5. In der letzten Stelle (Sach 14) ist der Unterschied schwer zu erkennen, und wir kön­nen ihn nur durch Vergleich mit anderen Schriftstellen feststellen. Es gibt auch viele Prophezeiungen, die ebenfalls beide Belagerungen hintereinander behan­deln, ohne direkt von einer Belagerung zu reden. Auch hier leiten wir das durch Vergleich mit anderen Prophe­zeiungen ab, siehe Dan 11, 40. 41 und 11, 44. 45; Obadja 11‑14 und 15.16; Mi 4,14 und 5,5b; Zeph l und3.

 

Wenn wir den Unterschied zwischen beiden Belagerun­gen noch verdeutlichen wollen, können wir sagen, daß die erste Belagerung das Gericht Jehovas mittels Assy­rien an den gottlosen Juden ist (wobei der Überrest geläu­tert wird); bei der zweiten Belagerung ist es umgekehrt: sie führt zu dem Gericht Jehovas gegen den Assyrer (und endgültig gegen die gottlosen Juden) durch die treuen Juden, und letzten Endes durch Christus Selbst.

 

Die zweite Belagerung Jerusalems

 

Wenn der Unterschied zwischen beiden Belagerungen deutlich geworden ist, können wir zu einer näheren Be­trachtung der zweiten. Belagerung übergehen. Jesaja 29, 1‑8 gibt die ausführlichste Beschreibung hierzu. Wie gesagt, finden wir in Kapitel 28 die erste und in Kapitel 29 die zweite Belagerung.

 

Das gesamte Buch besteht aus zwei Hauptteilen: Kapitel 1‑39 und 40‑66; die Kapitel 36‑39 des ersten Teils bilden einen gesonderten historischen Abschnitt, allerdings von großer prophetischer Bedeutung. Die Kapitel 1‑35 be­stehen aus drei großen Teilen: der erste, Kapitel 1‑12, beschreibt den damaligen Verfall und das Gericht Gottes durch den Assyrer, obwohl die Prophezeiungen (wie jede andere Prophezeiung) bis zur Endzeit durchlaufen; siehe Kapitel 11: das Friedensreich. Die Kapitel 13‑27 beschreiben die Gerichte über die Nationen, sowohl geschichtlich als auch zukünftig; schließlich folgt unser Abschnitt, Kapitel 28‑35, der ganz zukünftig ist und die großen Schlußphasen der Drangsale und Befreiung Isra­els beschreibt. In dreifacher Weise wird das beschrieben, stets von einem anderen Gesichtspunkt aus, und stets erstrecken sich diese Prophezeiungen bis zum Friedens­reich; die Kapitel 34 und 35 sind ein besonderer An­hang. Die Dreiteilung ist folgende: Kapitel 28 und 29 (die beiden Belagerungen); 30, 1‑26 (Ägypten oder Jehova als Zuflucht; und Kap. 30, 27 bis Kap. 33, 24) (der König des Nordens und der König des Südens).

 

Wir haben diese Einteilung bewußt aufgezeigt, weil manchmal behauptet wird, daß das Studium der Pro­phezeiungen darauf hinausläuft, daß verschiedene Schriftstellen aneinandergereiht werden. Die Gefahr ist tatsächlich vorhanden, darum muß einem gezielten Stu­dium ein genaues Studium der prophetischen Bücher vorausgehen, und zwar bezüglich ihres unterschied­lichen Charakters, ihrer Einteilung und ihrer Bedeu­tung. Erst wenn wir etwas von den Büchern in ihrer Gesamtheit verstehen, können wir sie miteinander in Beziehung bringen. Dabei zeigt sich dann, daß gerade das Vergleichen der Schrift eigentlich erst die tiefere Bedeutung jeder einzelnen Prophezeiung deutlich macht. Es ist äußerst wichtig, zu bedenken, "daß keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist" (oder: sich selbst auslegt) (2. Petr 1, 20). Das Verglei­chen einer Schriftstelle mit einer anderen Schriftstelle (aber dann jede Schriftstelle in ihrer besonderen Ver­bindung und in ihrem Textzusammenhang) erklärt uns erst wirklich die Schrift.

 

Nun zurück zu Jesaja 29: "Wehe Ariel, Ariel, Stadt wo David lagerte!" Das ist das zweite der sechs Wehe in diesem Abschnitt (siehe 28, 1; 29, 15; 30, 1; 31, 1; 33, 1); es ist das "Wehe" über Ariel, die Stadt Davids. Der Name Ariel weist hier also auf Jerusalem hin. Die Bedeu­tung dieses Namens ist nicht ganz sicher: wahrscheinlich bedeutet er "Gottesherd", wie auch in Hesekiel 43, 16 (vgl. Jes 31, 9). Andere Stellen aber erklären diesen Namen als "Gotteslöwen", wie auch 2. Samuel 23, 20 und 1. Chronika 11, 22 (in der Bedeutung von "mäch­tige Helden", vgl. das verwandte Wort in Jesaja 33, 7); der Name kann auch "Berg Gottes" bedeuten. Alle Be­deutungen sind interessant: Jerusalem, der alte Löwe, der auf dem Berg Gottes liegt, wird zu einer Feuer­stätte, wenn Gott zum letztenmal, und zwar auf das heftigste, mit dem Volk ins Gericht geht: "Und ich werde dich im Kreise umlagern, und dich mit Heeres­aufstellung einschließen, und Belagerungswerke wider dich aufrichten. Und erniedrigt wirst du aus der Erde reden, und deine Sprache wird dumpf aus dem Staube ertönen; und deine Stimme wird wie die eines Geistes aus der Erde hervorkommen, und deine Sprache wird aus dem Staube flüstern. ‑ Aber wie feiner Staub wird die Menge deiner Feinde sein, und wie dahinfahrende Spreu die Menge der Gewaltigen; und in einem Augen­blick, plötzlich, wird es geschehen" (Jes 29, 3‑5).

 

Größer als je zuvor wird die Not des Überrestes sein, und dann wird plötzlich das Ende da sein. Das ist die Wiederkunft Christi, wie wir noch sehen werden. Er bringt das Gericht und das Ende für alle Nationen, die Zion belagert haben, und für das gottlose jüdische Volk selbst, und Er ist es, der auch der Drangsal Seiner Treuen ein Ende macht. Jesaja 10, 24‑27 findet seine höchste Erfüllung gerade während der zweiten Belagerung, wenn die Drangsal am größten und die Erlösung am nächsten ist. Nur für die Treuen ist Hoffnung da. "Die Sünder in Zion sind erschrocken, Beben hat die Ruchlosen ergriffen" (Jes 33, 14); denn für sie gibt es keine Hoffnung mehr, sondern nur das Gericht, aber die Gerechten werden den König schauen in Seiner Schönheit (Verse 14‑24).

 

Die Verteidigung des Überrestes

 

Die Drangsal der Treuen wird groß sein. Psalm 123 läßt uns etwas von der Not fühlen (prophetisch hat dieser Psalm auf die zweite Belagerung Bezug): "Ich hebe meine Augen auf zu dir, der du thronst in den Him­meln! ... Sei uns gnädig, Jehova, sei uns gnädig! denn reichlich sind wir mit Verachtung gesättigt; Reichlich ist unsere Seele gesättigt mit dem Spotte der Sorglosen, mit der Verachtung der Hoffärtigen." Die Diener Jeho­vas werden die Treuen zusammenrufen, um gemeinsam Gott um Rettung zu bitten (Joel 2, 17), und Jehova schenkt eine hoffnungsvolle Verheißung: "Und ich werde den von Norden Kommenden von euch entfer­nen und ihn in ein dürres und wüstes Land vertreiben, seinen Vortrab in das vordere Meer und seinen Nach­trab in das hintere Meer; und sein Gestank wird aufsteigen, und aufsteigen sein übler Geruch, weil er Großes getan hat (Vers 20).

 

In Sacharja 12 haben wir gesehen, welchen Verlauf die Ereignisse nehmen: alle umliegenden Völker sind um Jerusalem versammelt, aber von vornherein steht schon fest, daß sie sich dort gewiß verwunden werden (Vers 3). Sie werden sich in ihrer Wut nicht allein gegen Jerusalem wenden, sondern sie werden auch mit "dem Haus Juda" zu tun bekommen, dem aus den um­liegenden Ländern zurückgekehrten Überrest Judas, der von außen versuchen wird, Jerusalem zu befreien, nachdem der König des Nordens aus Ägypten zurück­gekehrt ist (V 2). Und Gott wird mit ihnen sein und für sie streiten: "An jenem Tage, spricht Jehova, werde ich alle Rosse mit Scheuwerden und ihre Reiter mit Wahnsinn schlagen; und über das Haus Juda werde ich meine Augen offen halten und alle Rosse der Völker mit Blindheit schlagen" (Vers 4).

 

Von außen her werden also die zurückgekehrten Gläu­bigen die Belagerer angreifen, aber auch die Treuen, die in der Stadt sind, werden sich kräftig verteidigen, so kräftig sogar, daß sie den von außen angreifenden Stammesgenossen zu einer großen Hilfe sein werden: "Und die Fürsten von Juda werden in ihrem Herzen sprechen: Eine Stärke sind mir die Bewohner von Jerusalem in Jehova der Heerscharen, ihrem Gott“ (Vers 5). Vers 6 zeigt dann den Sieg, der mit der Wie­derkunft des Herrn in Verbindung steht; dieser Sieg kommt später zur Sprache (vgl. Sach 14, 3‑5. 12‑15).

 

Wenn wir die Lage noch einmal zusammenfassen, sehen wir, daß der Assyrer sich mit vielen anderen Nachbar­staaten rund um Jerusalem gelagert hat; die zurück­gekehrten Juden greifen sie von außen an, und die be­lagerten Gläubigen verteidigen sich von innen heraus. Das ist der Zustand unmittelbar vor der Wiederkunft des Herrn Jesus, der mit Seinem Volk den Endsieg da­vontragen wird und das Gericht an den versammelten Völkern ausüben wird, vor allem aber an dem Assyrer. "Und über dich [d. i. den Assyrer] hat Jehova geboten, daß von deinem Namen nicht mehr gesät werden soll . . . ich werde dir ein Grab machen, denn verächtlich bist du." "Deine Hirten schlafen, König von Assyrien, deine Edlen liegen da; dein Volk ist auf den Bergen zerstreut, und niemand sammelt es" (Nah 1, 14; 3, 18; vgl. Zeph 2, 13).

 

DIE WIEDERKUNFT CHRISTI

 

Das Thema, das uns nun beschäftigt, ist eines der wich­tigsten und umfangreichsten in der ganzen Prophetie. Seine Behandlung ist nicht deshalb so schwierig, weil es so kompliziert wäre, sondern weil es so umfangreich ist. Wenn die Verbindung mit unserem eigentlichen Thema ‑ die Erlösung Jerusalems ‑ uns deutlich vor Augen steht, dann haben wir einen Leitfaden für die Bespre­chung. Das beinhaltet allerdings zugleich, daß wir uns beschränken müssen und nicht von unserem Thema ab­weichen dürfen. So fällt beispielsweise die Rückkehr der Versammlung zusammen mit Christus nicht darunter, wie wichtig diese Tatsache auch für uns persönlich ist und wie groß auch der Raum ist, den sie in den neutesta­mentlichen Briefen einnimmt (siehe Röm 8, 17‑19; Kol 3, 4; 1. Thess 3, 13; 2. Thess 1, 10; 2. Tim 2, 11. 12; 2. Joh 3, 2 usw.). Wir halten jedoch fest, daß die Versamm­lung die Herrlichkeit Christi auf der Erde (wie wir sie in den Propheten finden) teilen wird, weil wir mit Ihm erben und auch mit Ihm herrschen werden (Gal 3, 29; 4, 7; Kol 3, 24; Tit 3, 7; Jak 2, 5 usw.). In Verbindung mit unserem Thema wollen wir drei große Phasen dieser Wiederkunft besprechen: zunächst das Gericht über die Völ­ker und insbesondere über die Assyrer, zweitens die Erlö­sung des Hauses Juda und des Überrestes in Jerusalem und drittens den Einzug in Jerusalem, die Errichtung der Herrschaft und das Gericht über das gottlose Volk.

 

Das Gericht über den Assyrer

 

Wenn die Not des Überrestes ihren Höhepunkt erreicht hat und ihre einzige Hoffnung noch auf den Himmel gerichtet ist, wird ihr Glaube in Erfüllung gehen. Die Wolkendecke wird durchbrochen werden, und Christus wird herniederkommen auf den Wolken, in großer Macht und Herrlichkeit. Das wird mit großen Naturer­eignissen an Sonne, Mond und Sternen gepaart gehen (Offb 1, 7; Mt 24, 27‑31; 26, 64; Mk 13, 24‑27; 14, 62; Lk 9, 26b; 17, 22‑25; 21, 27). Mit einer gewaltigen Hee­resmacht von Engeln und Heiligen stürmt Er gegen Seine Feinde, von denen der Assyrer das erste Opfer ist. "Und Jehova wird hören lassen die Majestät seiner Stimme, und sehen lassen das Herabfahren seines Armes mit Zornesschnauben und einer Flamme verzehrenden Feuers ‑ Wolkenbruch und Regenguß und Hagelsteine. Denn vor der Stimme Jehovas wird Assur zerschmet­tert werden, wenn er mit dem Stocke schlägt. Und es wird geschehen, jeder Streich der verhängten Rute, die Jehova auf ihn herabfallen läßt, ergeht unter Tamburin ­und Lautenspiel; und mit geschwungenem Arm wird er gegen ihn kämpfen. Denn vorlängst ist eine Greuel­stätte zugerichtet" (Jes 30, 30‑33). Das ist die Wieder­kunft Christi: "Siehe, der Name Jehovas kommt von fernher" (Vers 27). Fast überall in den Propheten sehen wir Ihn wiederkommen als Jehova Selbst; Er, der hier als der verworfene Sohn des Menschen umhergewan­delt ist, wird Sich dann als der Ewige Selbst offen­baren. Manchmal sehen wir Ihn jedoch im Alten Testa­ment bei Seiner Wiederkunft auch als Menschen, siehe Jesaja 7, 14; 9, 5. 6; 11, 1 (hier jedoch auch mit einer ersten Erfüllung bei Seinem ersten Kommen, Seiner Geburt); Daniel 7, 13. 14 (aber in Vers 22 ist Er der Alte an Tagen); weiter in Micha 2, 12. 13 der Durchbrecher (aber es ist Jehova Selbst, Vers 13b); Sacharja 9, 9. 10; 12, 10. In Jesaja 30 sehen wir, wie Jehova herniederkommt, um den Assyrer in den "Tophet" zu wer­fen; so auch Kapitel 31: "Wie der Löwe und der junge Löwe, wider den der Hirten Menge zusammengerufen wird, über seinem Raub knurrt, vor ihrer Stimme nicht erschrickt und sich vor ihrem Lärmen nicht ergibt, also wird Jehova der Heerscharen herniedersteigen, um auf dem Berge Zion und auf seinem Hügel zu streiten. Gleich schwirrenden Vögeln, also wird Jehova der Heerscharen Jerusalem beschirmen: beschirmen und er­retten, schonen und befreien ... Und Assyrien wird fallen durch ein Schwert, nicht eines Mannes; und ein Schwert, nicht eines Menschen [das heißt: von Jehova Selbst], wird es verzehren. Und es wird vor dem Schwerte fliehen, und seine Jünglinge werden fron­pflichtig werden" (Verse 4‑8). Nicht ein menschlicher Bundesgenosse (Ägypten, Verse 1‑3), sondern Jehova allein ist in der Lage, Sein Volk zu befreien. Er hat ein Feuer in Zion und einen Ofen in Jerusalem (Vers 9), und das bringt uns zu Kapitel 29, wo Ariel, der Feuer­herd, belagert wird. Aber "in einem Augenblick, plötz­lich" wird Christus Sein Volk erlösen. "Von seiten Jehovas der Heerscharen wird sie [Ariel] heimgesucht werden mit Donner und mit Erdbeben (vgl. Sach 14, 4. 5] und großem Getöse, ‑ Sturmwind und Gewitter und eine Flamme verzehrenden Feuers. Und wie ein nächt­liches Traumgesicht wird die Menge all der Nationen sein, welche Krieg führen wider Ariel, und alle, welche sie und ihre Festung bestürmen und sie bedrängen ... also wird die Menge all der Nationen sein, welche Krieg führen wider den Berg Zion" (Verse 5‑8). Schließlich noch Jesaja 59, 19. 20: "Und sie werden den Namen Jehovas fürchten vom Niedergang an, und vom Sonnenaufgang seine Herrlichkeit. Wenn der Bedränger kommen wird wie ein Strom [wir haben gesehen, daß das der Assyrer war; Kap. 8, 7; 28, 2. 15. 181 so wird der Hauch Jehovas ihn in die Flucht schlagen Und ein Erlöser wird kommen für Zion und für die welche in Jakob von der Übertretung umkehren spricht Jehova. "

 

Das Gericht über die versammelten Nachbarvölker

 

Hiervon hat Maleachi prophezeit: "Denn siehe, der Tag kommt, brennend wie ein Ofen; und es werden alle Übermütigen und jeder Täter der Gesetzlosigkeit zu Stoppeln werden; und der kommende Tag wird sie verbrennen ... so daß er ihnen weder Wurzel noch Zweig lassen wird. Aber euch, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen mit Heilung in ihren Flügeln. Und ihr werdet ausziehen und hüpfen gleich Mastkälbern; und ihr werdet die Ge­setzlosen zertreten, denn sie werden Asche sein unter euren Fußsohlen an dem Tage, den ich machen werde, spricht Jehova der Heerscharen" (4, 1‑3).

 

Wir haben gesehen, daß häufig in den Prophezeiungen im allgemeinen Sinn die Rede von den um Jerusalem versammelten Nationen ist, wobei wir dann immer hauptsächlich an die Nachbarvölker denken müssen (also die Völker im Gesichtsfeld des Propheten, scharf von den römischen Königen unterschieden), und im besonderen an den Assyrer. Als Beispiel hierzu diene die bekannte Prophezeiung in Joel 3: "Denn siehe, in jenen Tagen und zu jener Zeit, wenn ich die Gefangen­schaft Judas und Jerusalems wenden werde, dann werde ich alle Nationen versammeln und sie in das Tal Josaphat [das ist die Talebene, wo Jehova richtet] hinabführen; und ich werde daselbst mit ihnen rechten über mein Volk und mein Erbteil Israel, welches sie unter die Nationen zerstreut haben; und mein Land haben sie geteilt (Verse 1. 2). Aus Vers 4 geht hervor, daß es tatsächlich, wie immer, um die Nachbarvölker geht (vgl. Ps 83, 2‑8). Dann fährt Vers 11 fort: "Eilet und kommet her, alle ihr Nationen ringsum, und ver­sammelt euch. Dahin, Jehova, sende deine Helden hinab. "

 

Hier haben wir einen Hinweis darauf, daß die gläubigen Juden einen wesentlichen Anteil an dem Kampf gegen und dem Gericht über die versammelten Nationen haben werden, und zwar unter der Leitung des Messias; wir werden das noch ausführlicher in Sacharja sehen. "Die Nationen sollen sich aufmachen und hinabziehen in das Tal Josaphat; denn dort werde ich sitzen, um alle Nationen ringsum zu richten." Beachte den Ausdruck "ringsum". "Getümmel, Getümmel im Tale der Ent­scheidung; denn nahe ist der Tag Jehovas im Tale der Entscheidung. Die Sonne und der Mond verfinstern sich, und die Sterne verhalten ihren Glanz. Und Jehova brüllt aus Zion und läßt aus Jerusalem seine Stimme erschallen, und Himmel und Erde erbeben. Und Jehova ist eine Zuflucht für sein Volk und eine Feste für die Kinder Israel" (Joel 3, 11. 12. 14‑16).

 

Wichtige und übersichtliche Angaben finden wir in Sacharja. Kapitel 14 beschreibt das große, zentrale Ereignis: das Kommen Jehovas mit allen Seinen Hei­ligen, wenn Seine Füße auf dem Ölberg stehen werden, um gegen die Nationen zu streiten (Verse 3‑5; vgl. Apg 1, 11. 12): "Und Jehova wird ausziehen und wider jene Nationen streiten, wie an dem Tage, da er streitet, an dem Tage der Schlacht. Und seine Füße werden an jenem Tage auf dem Ölberge stehen, der vor Jerusalem gegen Osten liegt ... Und kommen wird Jehova, mein Gott, und alle Heiligen mit dir." Die Kapitel 12 und 14, 12‑15 nennen uns nähere Einzelheiten über den Kampf Jehovas gegen die versammelten Nationen und zeigen darüber hinaus die wichtige Rolle, die der Überrest da­bei spielen wird. Wir haben bereits in Kapitel 12, 1‑5 gesehen, wie das Haus Juda die versammelten Natio­nen angreift und wie auch der Überrest in Jerusalem sich kräftig verteidigt. Vers 6 sagt dann weiter: "An je­nem Tage werde ich die Fürsten von Juda machen gleich einem Feuerbecken unter Holzstücken und gleich einer Feuerfackel unter Garben; und sie werden zur Rechten und zur Linken alle Völker ringsum ver­zehren. Und fortan wird Jerusalem an seiner Stätte wohnen in Jerusalem." Was also an einigen Stellen Jehova zugeschrieben wird, tut an anderen Stellen der Messias und wieder an anderen Stellen, so wie hier, der Überrest. Der Messias ist ja Jehova Selbst und ist zu­gleich unverbrüchlich mit den Treuen unter dem Volk verbunden, die Seinen Sieg teilen werden.

 

Im folgenden sehen wir die Erlösung, sowohl die von Juda als auch die von Jerusalem: "Und Jehova wird die Zelte Judas zuerst retten, auf daß die Pracht des Hau­ses Davids und die Pracht der Bewohner von Jerusalem sich nicht über Juda erhebe. ‑ An jenem Tage wird Jehova die Bewohner von Jerusalem beschirmen; und der Strauchelnde unter ihnen wird an jenem Tage wie David sein, und das Haus Davids wie Gott, wie der Engel Jehovas vor ihnen her. Und es wird geschehen an jenem Tage, da werde ich alle Nationen zu vertilgen suchen, die wider Jerusalem heranziehen" (Sach 12, 7‑9). Schließlich finden wir in Kapitel 14, 12‑15 noch einige Besonderheiten dieses Kampfes; Vers 14 ist hierbei sehr wichtig: wir sehen hier Juda", das aus den Völ­kern zurückgekehrt ist, unter denen es sich aufgehalten hatte. Es kommt mit den Reichtümern dieser Völker. Wir sehen sie in Jerusalem ankommen, wo sie der Krieg gegen die versammelten Heere erwartet, ein Kampf, den Jehova für sie in Sieg verwandelt, indem Er die Feinde mit furchtbaren Plagen schlägt.

 

Es gibt noch eine Anzahl anderer Prophezeiungen, die über die Vernichtung des Assyrers mit seinen Bundes­genossen sprechen, ohne dabei ausdrücklich die Rück­kehr Christi zu nennen. Wir haben bereits Daniel 8, 25 und 11, 45 erwähnt. Dort sehen wir, daß der König des Nordens sich gegen den „Fürsten der Fürsten" auf­lehnen, aber ohne Menschenhand zerschmettert wer­den wird: "und er wird zu seinem Ende kommen, und niemand wird ihm helfen." So gibt es auch in Jesaja verschiedene Stellen, die allgemein über die Vernich­tung des Assyrers sprechen; mehrere dieser Stellen sind bereits erwähnt worden, wie 8, 9. 10 (das Gericht durch Immanuel); 10, 12 (das Gericht über den König von Assyrien, wenn der Herr Sein ganzes Werk an dem Berg Zion und an Jerusalem vollbracht hat); 10, 25‑27 (das Gericht, wenn der Zorn zu Ende ist; vgl. Dan 8, 19; 11, 36), ferner auch Jesaja 14, 25, wo Jehova sagt: "Also wird es zustande kommen: daß ich Assyrien in meinem Lande zerschmettern und es auf meinen Ber­gen zertreten werde. Und so wird sein Joch von ihnen [Israel] weichen, und seine Last wird weichen von ihrer Schulter." Auch die Kapitel 36 und 37 zeigen vorbild­lich das kommende Gericht über den Assyrer (diese Kapitel sind nämlich Prophezeiung, genauso wie das ganze Buch). Siehe Kapitel 37, 36.

 

Das Gericht über die Nationen im allgemeinen

 

Die Wiederkunft des Herrn wird uns in der Prophetie unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten vorgestellt: erstens in dem Charakter des Gerichts sowohl über die versammelten Nationen, als auch über den gottlosen Teil Israels, und zweitens in dem Charakter der Er­lösung, nämlich des gläubigen Überrestes Judas und Jerusalems. Nachdem wir uns nun länger mit dem Ge­richt über den Assyrer beschäftigt haben, wollen wir diesen beiden Charakterzügen in der Schrift nachgehen, und zwar zunächst dem Gericht über die Nationen im allgemeinen Sinn.

 

In Apostelgeschichte 17, 31 sagt Paulus, daß Gott einen Tag bestimmt hat, an dem Er den Erdkreis in Gerech­tigkeit richten wird durch einen Mann, den Er dazu bestimmt hat. Das ist der Gerichtscharakter! In Apo­stelgeschichte 3, 19‑21 spricht Petrus über die Zeiten der Erquickung, die kommen werden, wenn Gott Jesus Christus senden wird, der den Juden zuvor verordnet war, den aber der Himmel aufnehmen muß bis zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge. Das ist der Charakter des Segens und der Erlösung. Beide Charak­terzüge finden wir in der Offenbarung. In Kapitel 1, 7 finden wir die allgemeine Ankündigung: "Siehe, er kommt mit dem Wolken, und jedes Auge wird ihn se­hen, auch die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes" (siehe Sach 12, 10‑14). Das hat das Loblied im Himmel zur Folge, wie wir es in Offenbarung 11, 15 finden. In Kapi­tel 14 sehen wir beide Charakterzüge: zunächst in den Versen 1‑5 die Erlösten aus Juda, auf dem Berg Zion, verbunden mit dem Lamm; in den Versen 14‑20 finden wir jedoch die Wiederkunft im Charakter des Gerichts. Zuerst die "Ernte der Erde", die immer Bezug hat auf die Sammlung des guten Elements (des Korns) und die Verbrennung des wertlosen Teils (Spreu und Stoppeln); vgl. dazu Mal 4, 1; Jes 17, 4‑6; 18, 5; Jer 51, 33; Hos 6, 11; Joel 3, 13; Mt 13, 30‑43; Mk 4, 29. Dann das "Treten der Kelter" (Verse 18‑20), was immer auf eine vollständige Vernichtung hinweist (Jes 24, 13; 63, 2. 3; Jer 25, 30; Klgl 1, 15; Joel 3, 13; Offb 19, 15).

 

Im Alten Testament wird häufig über das Gericht ge­sprochen, das Gott über die gottlosen Nationen brin­gen wird: Christus wird wiederkommen und das Ge­richt ausführen. Siehe u. a. Jes 17, 12‑14; 43, 9‑21; 66, 6. 15; Mi 5, 8. 14; Hab 3, 12. 13; Zeph 3, 19; Mt 16, 27. 28 ; Lk 9, 26; 11, 29‑32; 17, 26‑36. Die Wiederkunft selbst kommt etwas deutlicher in den Schriftstellen zum Ausdruck, in denen von Jehova gesprochen wird, der aus dem Himmel brüllt, wo die Majestät Gottes auf der Erde sichtbar wird und wo Er auf die Erde kommt, um Gericht zu üben (siehe beispielsweise Jes 24, 13‑15; Jer 25, 30‑33; 30, 23. 24). Jesaja 24 nennt man schon mal die "kleine Offenbarung": dieses Kapitel spricht über die, die auf der Erde wohnen (Verse 1. 5. 17) und beschreibt die Gerichte Gottes über die Erde; die Wei­nernte (Vers 14 Offb 14, 18‑20; 19, 15); die Wieder­kunft (Vers 14 Offb 19, 11‑16); das Gericht über Satan und seine Engel (Verse 21. 22 ‑ Offb 20, 1. 2); den König auf dem Berg Zion (Vers 23 ‑ Offb 11, 15‑18). Dieser große Tag der Gerichte über die Nationen ist der „Tag Jehovas", von dem so oft in der Schrift die Rede ist (Jes 2, 12‑18; 13, 5‑11; Joel 1, 15; Jes 61, 2; Hes 13, 5; Joel 2, 1‑11. 31; 3, 14; Amos 5, 18‑20; Obadja 15; Zeph 1, 7. 14. 18; 2, 2; Mal 3, 17; 4, 1‑3; siehe auch im Neuen Testa­ment: in 1. Thess 5, 2‑10; 2. Thess 2, 2. 3; 2. Petr 3, 10).

 

Die Erlösung des Überrestes

 

Nachdem wir nun so viele Stellen zitiert haben, in denen über die Gerichte gesprochen wird, wollen wir jetzt zu dem weitaus erfreulicheren Charakter der Erlösung des Volkes Gottes übergehen. Wir haben bereits gesehen, daß durch das Kommen des Herrn der Überrest von den Feinden erlöst wird. Viele Stellen sprechen darüber in sehr allgemeiner Bedeutung; siehe beispielsweise Jes 35, 4; 42, 13‑14; 62, 11 (vgl. Offb 22, 12); Hab 3, 3‑15; Mal 4, 2. Sehr schön sind die tröstenden Worte aus Je­saja 40. Nach der prophetischen Schilderung des Ein­falls des Assyrers und nach seinem Untergang (Kap. 36‑37) finden wir hier die Befreiung des Überrestes durch das Kommen des Messias, der Jehova Selbst ist. Die Verse 1 und 2 kündigen das Ende der Leidenszeit Jerusalems an; ihre Schuld ist abgetragen, denn sie hat übermäßig für ihre Sünden gelitten. Dann spricht Vers 3 von dem Kommen des Messias; dieser Vers steht eng in Verbindung mit dem ersten Kommen (Mt 3, 3; Mk 1, 3; Lk 3, 4; Joh 1, 23), denn er bezieht sich auf Jo­hannes den Täufer, der der Wegbereiter des Messias war. Aber wir wissen, daß in den Prophezeiungen das erste und das zweite Kommen des Herrn nie unter­schieden werden (vgl. Mal 4, 5. 6; Mt 11, 14; Lk 1, 17; Joh 1, 21), und tatsächlich geht die Prophezeiung hier in ihrer vollen Erfüllung über das erste Kommen weit hinaus (Verse 4. 5). Beachte, daß es hier heißt, "eine Straße für unseren Gott"; der Sohn des Menschen wird Sich bei Seinem Kommen als der Ewige offen­baren, in Ihm wird die Herrlichkeit Jehovas allen Lebendigen offenbar werden (Vers 5). Wenn Er kommt, wird ein Freudenruf Jerusalems entgegenschal­len: "Siehe da, euer Gott! Siehe, der Herr, Jehova, kommt mit Kraft, und sein Arm übt Herrschaft für ihn; siehe, sein Lohn ist bei ihm, und seine Vergeltung geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirt, die Lämmer wird er in seinen Arm nehmen und in sei­nem Busen tragen, die Säugenden wird er sanft leiten" (Verse 10. 11).

 

Die Frommen des Volkes, die durch große Übungen ge­gangen sind, die so lange auf Erlösung warten mußten und nichts als ihren Glauben besaßen, durch den sie lebten, werden die Erfüllung der unwandelbaren gött­lichen Verheißungen sehen (Hab 2, 1‑4); "Denn ihr bedürfet des Ausharrens, auf daß ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontraget. Denn noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen" (Hebr 10, 36. 37). Das Kommen Christi ist also nach Hebräer 10, 37 die eigentliche Erfüllung von Habakuk 2, 3. Das Kommen des Messias ist erst die wahre Erlösung des Überrestes. Und wenn wir dann über die Befreiung der Gläubigen sprechen, was wird dann erhabener sein als die wunder­bare Erlösung derer, die am schrecklichsten durch die Drangsal gehen mußten, des armen, elenden Grüpp­chens von Treuen, die in Jerusalem übriggeblieben sind, ausgemergelt und am Ende ihrer Kräfte, jedoch mit einer unwandelbaren Hoffnung auf Gott! Sie sind schwer geprüft worden, aber herrlich werden sie erlöst; siehe die große Gegenüberstellung zwischen ihren Lei­den und ihrer Befreiung in Jesaja 29, 4. 5; 30, 18‑21; 31, 5. 9; 40, 1. 2; Sach 9, 11. Jerusalem wird durch die furchtbaren Drangsale in eine Ruine verwandelt wer­den, aber nicht für immer. Da ist das hoffnungsvolle "BIS" der Verheißung ‑ "bis der Geist über uns ausge­gossen wird aus der Höhe" (Jes 32, 14. 15; vgl. Joel 2, 28‑32); es ist dasselbe "BIS" wie beispielsweise in Jesaja 6, 11 (die Verhärtung des Volkes, bis das Gericht vollendet ist); Hesekiel 21, 30‑32 (Israel ein Trümmer­haufen , bis Er kommt, der ein Recht auf die Krone Israels hat und dem Gott sie geben wird) und Hosea 5, 15 (Gott zieht Sich an Seinen Ort zurück, bis sie ihre Schuld büßen und Sein Angesicht suchen); und vor allem natürlich auch Römer 11, 25. 26 (die Verstockung Israels, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird; und also wird ganz Israel errettet werden).

 

Erhaben ist auch die Ankündigung Gottes über die Erlösung Jerusalems in Jesaja 51 (ab Vers 17) und 52. Sowohl die Drangsal des Volkes (51, 19. 20), die Be­drückung von seiten des Assyrers (52, 4) als auch die Wiederkunft Christi (52, 7‑10) werden hier in Erinne­rung gebracht. Und nachdem der Grund der Erlösung genannt worden ist, nämlich das Leiden des Knechtes Jehovas (53), fährt der Prophet in Kapitel 54 fort mit der Beschreibung der herrlichen Erlösung und der Segnung Zions (siehe vor allem in Verse 6‑8; vgl. Röm 11, 26‑32). Dasselbe finden wir in Jesaja 4, 3‑6: "Und es wird ge­schehen, wer in Zion übriggeblieben und wer in Jerusalem übriggelassen ist, wird heilig heißen, ein jeder, der zum Leben eingeschrieben ist in Jerusalem: wenn der Herr den Unflat der Töchter Zions abgewaschen und die Blutschulden Jerusalems aus dessen Mitte hinweg­gefegt haben wird durch den Geist des Gerichts und durch den Geist des Vertilgens. Und Jehova wird über jede Wohnstätte des Berges Zion und über seine Ver­sammlungen eine Wolke und einen Rauch schaffen bei Tage, und den Glanz eines flammenden Feuers bei Nacht; denn über der ganzen Herrlichkeit wird eine Decke sein. Und eine Hütte wird sein zum Schatten bei Tage vor der Hitze, und zur Zuflucht und zur Bergung vor Sturm und vor Regen." Und schließlich noch zwei Stellen, die im besonderen über den erlösten Überrest in Jerusalem sprechen: "An jenem Tage wird Jehova die Bewohner von Jerusalem beschirmen" (Sach 12, 8); und ich werde in deiner [d. i. Jerusalems] Mitte ein elendes und armes Volk übriglassen, und sie wer­den auf den Namen Jehovas vertrauen. Der Überrest Israels wird kein Unrecht tun und keine Lüge reden ‑ * denn sie werden weiden und lagern, und niemand wird sie aufschrecken. ‑ Jubele, Tochter Zion: jauchze, Israel! freue dich und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! Jehova hat deine Gerichte weg­genommen, deinen Feind weggefegt; der König Israels, Jehova, ist in deiner Mitte, du wirst kein Unglück mehr sehen. An jenem Tage wird zu Jerusalem gesagt wer­den: Fürchte dich nicht! Zion, laß deine Hände nicht erschlaffen! Jehova, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein rettender Held" (Zeph 3, 12‑17).

 

Das Gericht über das gottlose Volk

 

So herrlich auch die Erlösung des Überrestes ist, so ernst ist das Gericht über das gottlose Volk. Jahrelang hatten sie schon wegen der Unterdrük­kung durch den Assyrer zu leiden, und viele sind dadurch bereits umgekommen, aber diejenigen, die übriggeblieben sind, erwartet ein noch schlimmeres Los, wenn sie nämlich in die Hände Dessen fal­len, den sie verachtet haben. "Die Sünder in Zion sind erschrocken, Beben hat die Ruchlosen ergrif­fen. Wer von uns kann weilen bei verzehrendem Feuer? wer von uns kann weilen bei ewigen Glu­ten?" (Jes 33, 14).

 

In Sacharja 14 sehen wir, daß das gottlose Volk von Jerusalem zuerst versuchen wird zu flüchten; ja, bei dem Kommen des Herrn wird der Ölberg in zwei Hälften gespalten werden; das Volk wird dann die Flucht durch das so entstandene Tal nehmen. Doch wie könnten sie Dem entkommen, der alle Macht hat? Wie ernst waren sie schon lange zuvor gewarnt worden. Es ist wie zur Zeit des Amos: Bereits zwei Jahre vor dem Erdbeben zur Zeit Ussijas hatte er das Volk gewarnt, aber sie glaubten nicht, und als das Erdbeben kam, mußten sie flüchten (Amos 1, 1; Sach 14, 5); genauso wird es in der Zukunft sein: das gewarnte Volk wird versuchen, vor dem Gericht zu flüchten, aber es wird ihnen nichts nützen. Die Berge werden beben, und die Leichname werden mitten auf der Straße liegen wie Kehricht (Jes 5, 25). Das ganze Volk wird aufgerieben werden, allein eine Handvoll Treuer wird übrigbleiben (Jes 17, 4‑6; 18, 4‑6; Sach 13, 8; lies aufmerksam Jes 56, 9 ‑ 57, 13). Diejenigen, die "hinter einem her" (dem Antichristen) gingen, um ihren greulichen Götzendienst auszuüben, werden alle ein plötzliches Ende nehmen (Jes 66, 17;  vgl. Jes 57, 9‑13). *) Furchtbar wird das Gericht über die Städte sein, die sich nicht bekehrt haben. Bereits zu der Zeit, als der Herr auf der Erde war, wurde der sündige Zustand des Volkes offenbar, ein Zustand, der anhält, bis ihm bei Seiner Wiederkunft durch Gericht ein Ende gemacht wird. Der Herr Selbst hat die Städte, die Ihn verwarfen, bereits ernst gewarnt, welche große Schuld sie auf sich laden würden durch ihre Verstockung; sogar für die sündigen Städte Tyrus, Sidon und Gormorrha würde das Gericht erträglicher sein als für die gottlosen Städte Israels (Mt 11, 20‑24; Lk 10, 13‑16). Die Gottlosen werden es bereuen und um Gnade bitten, aber es wird vergeblich sein; sie werden Abraham und Isaak und Jakob sehen und alle Propheten im Reich Gottes, selbst aber hinausgewor­fen sein (Lk 13, 22‑30). Diese Zeit nennt der Herr die "Wiedergeburt" (Mt 19, 28; vgl. dasselbe Wort "palin­genesia" in Titus 3, 5), das bedeutet: eine völlige Veränderung eines Zustandes (vgl. Apg 3, 19‑21); in der "Wiedergeburt" wird der Sohn des Menschen auf Seinem Thron der Herrlichkeit sitzen, und auch die zwölf Apostel werden auf zwölf Thronen sitzen, um die zwölf Stämme Israels zu richten, d. h. zu regieren.

*) Der Vers aus Jesaja 66 zeigt deutlich, daß der letzte Rest des gottlosen Volkes erst nach der Wiederkunft gerichtet wird und daß nicht alle Gottlosen dann schon umgekommen sind, wie einige annehmen (Verse 15‑17).

 

Wir sehen also, daß bei der Wiederkunft des Herrn der Überrest erlöst, das gottlose Volk aber vertilgt wird. Diese Gegenüberstellung finden wir auch in den Wor­ten des Herrn in Matthäus 24, 37‑41. Da wird das Volk mit den Menschen zur Zeit Noahs verglichen. Auch damals war die große Masse ungläubig: sie feierten Feste, ohne dabei an Gott zu denken; lediglich Noah wan­delte mit Gott. So kam das Gericht, das die Gottlosen vernichtete, aber die Gerechten wurden in die Arche gerettet, die ein Bild von Christus ist (l. Petr 3, 20. 21). So wird auch das Kommen des Sohnes des Menschen sein. Das Volk wird dann aus zwei Gruppen bestehen solche, die weggerafft werden durch das Gericht, und solche, die zurückbleiben, um das Reich zu ererben; überall werden die Gottlosen durch das Gericht weg gefegt, und was übrigbleibt, ist das wahre Israel, das wahre Volk Gottes, das das Land in seiner vollen Aus­dehnung (l. Mo 15, 18) besitzen wird. Siehe Psalm 37, 9‑11. 20. 22. 28. 29. 34. Dann werden die "Glück­seligen", die uns in ihrem siebenfachen Charakter in Matthäus 5, 3‑9 gezeigt werden, den vollen Segen emp­fangen, auf den sie so lange gehofft haben. Vergleiche bezüglich dieses siebenfachen Charakters Jes 57, 15. 18; Ps 37, 11. 29. 37; 24, 4. 5; Hos 1. 10. Was das Los des gottlosen Volkes betrifft, weisen wir nochmals auf Of­fenbarung 14, 17‑20 hin, wo wir das Gericht der Kelter finden, in der der Zorn Gottes die Weintrauben tritt. Die "Erde" ist in der Offenbarung stets der Platz des Zeugnisses Gottes auf der Erde. Der Weinstock ist Israel, wie immer in den Prophezeiungen (Ps 80, 8; Jes 5, 1‑7; Jer 2, 21; 8, 13; 12, 10; Hes 15; Hos 14, 7; Joel 1, 7. 12; Mt 21, 33‑46). Er wurde von Gott ge­pflanzt, damit er Frucht hervorbrächte, aber als die Zeit der Frucht da war, wurde keine Frucht an ihm ge­funden. Lediglich der eine Mensch, der der wahre Weinstock war, brachte hier auf der Erde Frucht für Gott (Joh 15, 1‑8; vgl. Jes 53, 10). Der unnütze Wein­stock wird jedoch hinausgeworfen werden, und nur solche, die Zweige an dem wahren Weinstock gewor­den sind, werden errettet werden.

 

Der Einzug in Jerusalem

 

Das war eine kurze Schilderung der beiden großen Aspekte der Wiederkunft Christi: Gericht über Seine Feinde (sowohl die aus den Heiden wie die aus Israel) und die Befreiung des bedrängten Überrestes. Wenn diese zweifache Aufgabe ausgeführt ist, kann der Herr Seinen herrlichen Einzug in Jerusalem halten. Wie wir wissen, hat Er einen Einzug in Jerusalem gehalten "sit­zend auf einer Eselin". Auch damals wurde Er von einem jubelnden Volk aufgenommen, das Ihn als einen König willkommen hieß. Wie verschieden waren ihre Motive jedoch von denen, die das Volk in der Zukunft haben wird! Damals war es nur äußerer Schein, eine aufflackernde Begeisterung in der Hoffnung auf Be­freiung von den Römern; wie oberflächlich und unauf­richtig diese Jubelrufe waren, sieht man daran, daß dasselbe Volk einige Tage später rief: "Kreuzige ihn!" In der Zukunft aber, wenn Sacharja 9, 9. 10 zum zwei­tenmal, und dann endgültig, in Erfüllung geht, werden die jauchzenden Volksmengen nicht dem Schein nach Anhänger sein, sondern dann wird es der erlöste Über­rest sein, der seinen Messias aufnimmt.

 

Dann wird Er erst wirklich als König Seinen Einzug halten und den Thron Seines Vaters David besteigen. Wie deutlich hat der Herr Selbst gefühlt, als Er zum erstenmal in Jerusalem einzog, daß es lediglich eine Huldigung zum Schein war, die ein gottloses Volk dar­brachte! Anstatt Sich über die Ihm erwiesene Huldi­gung zu freuen, weint der Herr, als Er Sich der Stadt Jerusalem nähert und sagt: "Wenn auch du erkannt hät­test, und selbst an diesem deinem Tage, was zu deinem Frieden dient! Jetzt aber ist es vor deinen Augen ver­borgen" (Lk 19, 42). Dann muß Er über die Stadt, die Ihn als König aufnimmt, das Urteil aussprechen: Be­lagerung und Verwüstung. Die Stadt, die Ihn verworfen hatte, würde dem Erdboden gleichgemacht werden, und ihr Haus würde ihnen öde gelassen.

 

Ist das jedoch ein ewiges Gericht? Nein! Hier steht wieder das Wörtchen "bis", auf das wir schon früher hingewiesen haben: "Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprechet: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!‑ (Mt 23, 37‑39; Lk 13, 34. 35) Lange Zeit würde Jerusalem verwüstet bleiben, aber ihr Elend wird einmal aufhören, wenn sie den Messias ein zweites Mal aufnimmt, dann aber in Aufrichtigkeit und Glauben. Dann wird diese Stadt erkennen, daß der verworfene Messias, "der Stein, den die Bauleute verworfen haben", ihr Erlöser und König war. Siehe Psalm 118, 19‑29; dieser ganze Psalm ist ein großes Jubellied, das bei der Wiederkunft Christi gesungen werden wird, wenn Er in Jerusalem einzieht. Natürlich auch der bekannte Psalm 24, in dem der Überrest dem König der Herrlichkeit zujubelt, der durch die Tore Jerusalems einzieht: "Erhebet, ihr Tore, eure Häupter, und erhebet euch, ewige Pforten, daß einziehe der König der Herrlichkeit! Wer ist er, dieser König der Herrlichkeit? Jehova der Heerscharen, er ist der König der Herrlichkeit!"

 

Vielleicht ist das die wunderbarste Entdeckung des Überrestes, daß ihr Messias Jehova Selbst ist, Jehova, gewaltig im Streit. Das bringt uns zu einem anderen Abschnitt, der die Erlösung des Überrestes innerhalb Jerusalems beschreibt ("wie eine Herde inmitten ihrer Trift"), nämlich Micha 2, 12. 13. Hier sehen wir, wie der "Durchbrecher" vor dem Überrest herzieht, alle Hindernisse vor ihnen aus dem Weg räumt und sie hin­ausführt, zum Tor hinaus, weg von dem gottlosen Volk Jerusalems (vgl. Joh 10, 1‑4!). Wir finden also das Ge­genteil von dem, was wir soeben gesehen haben: Hier ist es nicht der siegreiche Einzug in die Stadt, sondern ein Hinausführen des belagerten Überrestes aus der Drangsal und aus der gottlosen Stadt (vgl. Sach 9, 11, die Erlösung aus der Grube).

 

Die Reihenfolge ist also: das Herausführen des Über­restes (wozu der "Durchbrecher" die feindlichen Stel­lungen "durchbrechen" muß), das Ausrotten der Gott­losen und der Einzug in eine gereinigte Stadt. Aber worum es uns vor allem geht, ist, daß wir hier, genauso wie in Psalm 4, die Verbindung König‑Jehova sehen: "Und ihr König zieht vor ihnen her, und Jehova an ihrer Spitze." Der Messias‑Jehova wird den Überrest erlösen und aus der gottlosen Stadt herausführen, und der Messias‑Jehova wird sie danach in die gereinigte Stadt hineinbringen. Welch großartige Entdeckung wird das für sie sein, daß ihr Erlöser Gott Selbst ist! Er ist Immanuel, "Gott mit uns" (Jes 7, 14; 8, 8. 10), der von Gott gezeugte und gegebene Sohn (Ps 2, 7; Jes 9, 6). Er ist Jehova, unsere Gerechtigkeit" (Jer 23, 6; 33, 16). Er ist nicht nur der Menschensohn, Er ist der Alte an Tagen Selbst (Dan 7, 14. 22). Sein menschlicher Ur­sprung ist in Bethlehem, aber Seine göttlichen Aus­gänge sind vor der Urzeit, den Tagen der Ewigkeit her (Mi 5, 1). Der König, der nach Zion kommt, gerecht und ein Retter, demütig und auf einem Esel reitend, ist Derselbe wie Jehova, der erscheinen wird, um die Feinde zu vernichten und die Treuen zu erlösen (Sach 9, 9. 14‑16). Jehova, ihr Gott, der Heilige Israels, ist ihr Erlöser, außer Ihm ist kein Retter (Jes 41, 14; 43, 3. 11. 14. 15; 44, 6; 45, 21; 47, 4; 49, 26; 54, 5).

 

Die erste Auferstehung

 

Als Schluß dieses Kapitels bleibt noch ein wichtiges Thema übrig, nämlich die Auferstehung der Gläubigen aus den Nationen und aus Israel, die nach der Auf­nahme der Versammlung und vor der Wiederkunft Christi in den Drangsalen umgekommen sind. Wenn das Friedensreich anbricht, dann wird angekündigt wer­den, daß Gott den Tod für ewig zunichte gemacht hat (Jes 25, 8). Und zu dem Überrest in der Drangsal wird gesagt: "Deine Toten werden aufleben, meine Leichen wieder erstehen. Wachet auf und jubelt, die ihr im Staube lieget! Denn ein Tau des Lichtes ist dein Tau; und die Erde wird die Schatten auswerfen" (Jes 26, 19). Gott Selbst hat es verheißen: "Von der Gewalt des Scheols [Totenreich] werde ich sie erlösen, vom Tode sie befreien! Wo sind, o Tod, deine Seuchen? wo ist, o Scheol, dein Verderben?" (Hos 13, 14). Und hat nicht der Herr Jesus gesagt: "Denn dies ist der Wille meines Vaters, daß jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben habe; und ich werde ihn aufer­wecken am letzten Tage" (Joh 6, 40. 44. 54).

 

Wann werden sie denn auferweckt? Das finden wir in Offenbarung 20. Dort sehen wir, daß es zwei völlig ver­schiedene Auferstehungen gibt, zwischen denen eine Zeitspanne von 1000 Jahren liegt. Die "erste Auferste­hung" (Verse 5 und 6) findet vor dem Tausendjährigen Reich statt, und nachher die zweite Auferstehung (auf die der "zweite Tod" folgt, siehe Vers 6). Es gibt aber nicht nur einen großen Unterschied in der Zeit, son­dern auch im Charakter. An der ersten Auferstehung nehmen nämlich ausschließlich Gläubige teil ("glück­selig und heilig", Priester Gottes, mit Christus regie­rend, Vers 6), während bei der zweiten Auferstehung, nach den 1000 Jahren, die Ungläubigen auferstehen werden, um mit "Seele und Leib" verdorben zu werden in der Hölle (vgl. Mt 10, 28). Deshalb wird diese zweite Auferstehung auch der zweite Tod genannt. Ihr "Lebendigwerden" besteht lediglich darin, daß sie einen Leib erhalten, um damit in die Hölle geworfen zu werden; deshalb stehen sie, obwohl auferstanden, als "Tote" vor dem großen weißen Thron (Verse 11‑15). Im allgemeinen Sinn spricht die Schrift oft von der "Auf­erstehung der Toten", um anzudeuten, daß jeder Tote ein­mal auferstehen wird (siehe Mt 22, 31; Apg 17, 32; 23, 6; 24, 21; 26, 23; 1. Kor 15, 12. 13. 21. 42; Hebr 6, 2). Diesen Ausdruck muß man genau von dem Begriff "die Auferstehung AUS den Toten" unterscheiden, d. h. die Heraus‑Auferstehung aus den Toten, das ist also die er­ste Auferstehung (Lk 20, 35; Apg 4, 2; 1. Kor 15, 20; Phil 3, 11), wobei die Gläubigen aus den Ungläubigen heraus‑auferstehen, während die Ungläubigen im Grab bleiben.

 

Andere Bezeichnungen für die beiden Auferstehungen in der Schrift sind: die Auferstehung der Gerechten und die Auferstehung der Ungerechten (Lk 14, 14; Apg 24, 15); die Auferstehung des Lebens und die Auferstehung des Gerichts (Joh 5, 29). Vers 28 in Johannes 5 scheint Schwierigkeiten zu bereiten, weil dort von der "Stunde" die Rede ist, "in welcher alle, die in den Grä­bern sind, seine Stimme hören" werden, was darauf hindeuten könnte, daß alle Gestorbenen, die Guten und die Bösen, zu gleichen Zeit auferstehen. Aber das ist eine unrichtige Folgerung. Wenn nämlich die Stunde des Evangeliums in Vers 25 jetzt schon fast 2000 Jahre währt, gibt es keinen Grund, weshalb "die Stunde" aus Vers 28 nicht eine Zeitspanne von 1000 Jahren um­schließen kann, zu deren Beginn die Gläubigen und zu deren Ende die Ungläubigen auferstehen.

 

Nicht zuletzt macht auch 1. Korinther 15 den Unter­schied zwischen den beiden Auferstehungen deutlich. In Vers 23 sehen wir sehr klar, daß bei dem Kommen Christi ausschließlich diejenigen auferstehen, die "des Christus sind", also nicht die Ungläubigen (vgl. die "Toten in Christo", 1. Thess 4, 16). Wann findet denn nach Aussage dieses Schriftabschnittes die Auferste­hung der Ungläubigen statt? Nun, am Ende des Tau­sendjährigen Reiches wird Christus das Reich dem Gott und Vater übergeben; dann werden alle Feinde weggetan sein. Der letzte Feind, der weggetan werden wird (das muß also am Ende Seiner tausendjährigen Regierung sein), wird der Tod sein. Christus muß herrschen, bis Er alle Feinde unter Seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod, und zwar am Ende Seiner Regierung. Das stimmt also völlig mit Offenbarung 20 überein, wo wir lesen, daß die "übrigen der Toten" (also diejenigen, die nicht glauben) nicht lebendig werden, bis die 1000 Jahre vollendet sind. Danach, wenn die Toten auferstanden und gerichtet sind, wird auch der Tod selbst, zusam­men mit dem Hades, in den Feuersee geworfen (Verse 5 u. 14).

 

Unser Thema ist jetzt die erste Auferstehung, die also bei dem Kommen Christi stattfindet. Das ist jedoch ein nicht ganz einfaches Thema, und wir stoßen sehr schnell auf Schwierigkeiten. Das liegt daran, daß der Herr Jesus zweimal kommen wird, oder besser gesagt, daß Sein Kommen in zwei Phasen verlaufen wird, zwischen denen, wie man annimmt, mindestens sieben Jahre liegen. Zu­nächst wird Er in die Luft kommen, um Seine Versamm­lung zu Sich zu nehmen, und danach wird Er mit der Ver­sammlung auf Wolken wiederkommen, um die Feinde zu richten, die Treuen zu erlösen und das Friedensreich auf­zurichten. Bei jeder dieser beiden Phasen des Kommens Christi werden Gläubige auferstehen. Genauso, wie also das Kommen des Herrn in Phasen verläuft, so verläuft auch die erster Auferstehung in Phasen. Die erste Phase ist die Auferstehung Christi, der der Erstling ist, weil Er als erster aus den Toten auferstanden ist (l. Kor 15, 20. 23; Röm 1, 4; 1. Petr 1, 3). Danach werden bei der Aufnahme der Versammlung zwei Gruppen von Gläubigen aufer­weckt, nämlich "die durch Jesum Entschlafenen" oder "die Toten in Christo" (l. Thess 4, 13‑17; 1. Kor 15, 51‑54); das sind die Gläubigen, die zur Versammlung gehören, aber auch die alttestamentlich Gläubigen (siehe Hebr 11, 40), die ebenso "des Christus" sind (l. Kor 15, 23); sie sind die "Freunde des Bräutigams" (vgl. Joh 3, 29), die "zum Hochzeitsmahl des Lammes" Geladenen (Offb 19, 9). Zu­sammen mit den Gläubigen der Versammlung werden sie in Offenbarung 4, 4 im Himmel als vierundzwanzig Älte­ste dargestellt (vgl. Offb 21, 12. 14).

 

Die letzte Phase der ersten Auferstehung

 

Und nun die dritte und letzte Phase der ersten Aufer­stehung, mit der wir wieder zu unserem Ausgangspunkt zurückkehren. Auch hier, bei der Wiederkunft Christi, gibt es wieder zwei Gruppen von Gläubigen, die auferstehen, und auch diese beiden Gruppen haben nachein­ander gelebt: die alttestamentlich Gläubigen haben vor den neutestamentlich Gläubigen gelebt, und so werden bei der Wiederkunft auch zwei Gruppen von Gläubigen auferstehen, die nacheinander gelebt haben. Wir finden sie beide deutlich in Offenbarung 20, 4 beschrieben.

 

Die erste Gruppe besteht aus denen, die um des Zeug­nisses Jesu und um des Wortes Gottes willen enthaup­tet worden sind. Wir haben bereits früher ausführlich darauf hingewiesen, daß diese Gruppe vor Beginn der letzten halben Jahrwoche umkommen wird (siehe noch einmal Mt 24, 9; Offb 5, 8b; 6, 9‑lla; 12, 10. 11).

 

Die zweite Gruppe, die in Offenbarung 20, 4 genannt wird und auch auferstehen wird, besteht aus denen, die das Tier und sein Bild nicht angebetet haben und nicht das Malzeichen an ihre Stirn und an ihre Hand ange­nommen haben. Das sind diejenigen, die während der letzten halben Woche, nach der Errichtung des Greuel­götzen im Tempel zu Beginn dieser Periode, getötet werden, weil sie sich weigern, diesen Götzen anzu­beten. Siehe Offb 6, llb; 13, 15; 14, 13; 15, 2.

 

Nach dem Erstling Christus werden also vier Gruppen von Gläubigen an der ersten Auferstehung teilnehmen, zwei Gruppen bei der Entrückung der Versammlung und zwei bei der Wiederkunft Christi; die erste Gruppe umfaßt die Gläubigen, die vor dem Kreuz gelebt ha­ben, die zweite Gruppe die Gläubigen nach dem Kreuz bis zur Entrückung der Versammlung, die dritte Gruppe umfaßt die Gläubigen von der Entrückung bis zur letzten halben Jahrwoche und die vierte Gruppe die Gläubigen der letzten halben Woche. Jede dieser vier Gruppen besteht sowohl aus Juden als auch aus Heiden. Die erste Gruppe umfaßt hauptsächlich Isra­eliten, aber wir kennen auch Gläubige aus den Heiden, wie Melchisedek und Hiob. Die zweite Gruppe ist die Versammlung, die sowohl aus Juden als auch aus Hei­den besteht (Eph 2, 11‑22). Die dritte und vierte Gruppe, die wir vor allem in der Offenbarung finden, werden stets ohne Unterscheidung zwischen Juden und Nationen beschrieben (siehe z. B. Offb 13, 14. 15). Aller­dings haben einige andere Stellen speziell Bezug auf Israel: Mt 24, 9; Dan 7, 20‑25; 11, 33. 35; Offb 11, 3‑11.

 

Die Gläubigen, die bei der Wiederkunft Christi aufer­stehen, werden 1000 Jahre mit Ihm herrschen, genauso wie die Versammlung (die aber auch danach herrschen wird; Offb 22, 5). Sie werden also über ihre Brüder er­hoben sein, die nicht umgekommen sind, sondern die ohne zu sterben in das Reich eingehen. Das ist auch verständlich, denn die gestorbenen und auferstandenen Gläubigen werden himmlische, verherrlichte Leiber haben (l. Kor 15, 35‑50; vgl. Röm 8, 11. 23; Phil 3, 20. 21 ‑e 2. Kor 5, 1‑4), während die Gläubigen auf der Erde noch ihre irdischen, sterblichen Leiber haben werden. Sie werden erst am Ende des Tausendjährigen Reiches verwandelt werden und danach auf die Erde kommen. Insgesamt wird das neue Volk Israel im Tausendjähri­gen Reich aus vier Teilen bestehen: erstens den auferstandenen, himmlischen Heiligen, die über die Erde herrschen werden, zweitens dem unterdrückten und er­lösten Überrest aus Judäa und Jerusalem, der wegen seiner Drangsal ebenfalls einen hohen Platz einnehmen wird, aber doch auf der Erde. Drittens werden die übri­gen der zwei und auch der zehn Stämme, die sich noch unter den Völkern aufhalten, nach Palästina zurück­geführt, und sie werden das Land erben, und viertens wird es eine Menge Kinder geben, die nach der Wieder­kunft im Friedensreich geboren werden. Aber hiermit sind wir schon bei dem Thema des folgenden Kapitels.

 

DIE DAVIDSREGIERUNG GOTTES

 

Christus ist auf den Wolken wiedergekommen. Er hat Seine Feinde, die gegen Ihn versammelt waren, ver­nichtet und die Seinen erlöst. Er hat den bedrängten Überrest befreit und die gestorbenen Heiligen aufer­weckt. Das ist der Beginn des Tausendjährigen Rei­ches. Das bedeutet aber nicht, daß jetzt unmittelbar Friede und Gerechtigkeit auf der Erde sein werden. Die Heere des Tieres und des falschen Propheten und die Heere des Assyrers sind nicht die einzigen Feinde, die Christus schlagen muß. Noch viele andere Mächte stehen einer Friedensherrschaft im Weg, und die voll­kommene Ruhe kann erst eintreten, wenn diese Feinde ebenfalls geschlagen sind. Anders ausgedrückt: bevor der Herr Jesus als Salomo, der Friedefürst, regieren kann, muß Er zuerst noch eine geraume Zeit als David regieren: David war zwar als König in Zion bestätigt, mußte aber bis zum Ende kämpfen, vor allem gegen die Feinde, die sich im eigenen Land aufhielten: die Philister (2. Sam 21). David und Salomo zusammen sind ein Vorbild von der Regierung Christi. In David sehen wir den Mann nach dem Herzen Gottes, der an­fänglich von dem König nach dem Willen des Men­schen verworfen und bedrängt wird. Saul ist ein Bild des "Menschen der Sünde", des Antichristen. Dieser König verfolgt mit seinen Untergebenen den, der zum König über Israel gesalbt war und dessen Gefolgsleute, die Ausgestoßenen des Volkes. Doch dieser verworfene König ist es, der das Volk aus den Händen des Gewalt­menschen Goliath (ein Bild Satans) erlöst. Nachdem der gottlose Fürst gefallen ist, wird David zunächst nur über Hebron König. Aber nachdem das ganze Haus Sauls geschlagen ist, wird er König über alle zwölf Stämme. So wird auch Christus, anfänglich verworfen (und mit Ihm Seine Treuen, der Überrest der Zukunft), König über Israel werden; zunächst nur über zwei Stämme, d. h. über den Überrest der zwei Stämme, den Er erlöst hat, aber später wird Er dann ‑ wie wir sehen werden ‑ auch den Überrest der zehn Stämme in das Land Israel zurückkehren lassen und sie zu einem Volk machen. Danach muß der Kampf gegen die übriggebliebenen Feinde aufgenommen werden. "Denn er muß herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat“ (l. Kor 15, 25); der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod (Vers 26), und das wird erst nach dem Friedensreich geschehen. Wir sehen also, daß im Tausendjährigen Reich nur bis zu einem gewissen Grad wirklich Friede da sein wird: es ist ein Friede, der durch die Unterwerfung der Feinde zustandekommt. Doch diese Unterwerfung geschieht mit "Schmeichelei" (Ps 18, 44. 45; 66. 1‑3), und das wird am Ende der tau­send Jahre deutlich, wenn sie erneut gegen Christus heraufziehen werden (Offb 20, 7‑9). Es ist also ein er­zwungener Friede. Auf der neuen Erde wird Gerech­tigkeit wohnen (2. Petr 3, 13), im Tausendjährigen Reich aber wird die Gerechtigkeit unter Zwang auf­rechterhalten (Jes 9, 7; 32, 1; siehe Psalm 101, 6‑8).

 

König über Zion

 

Eins der wichtigsten Ereignisse im Leben Davids war, daß er die Bundeslade zum Berg Zion brachte, in das von ihm eroberte Jerusalem. Ja, dieser Berg war von Gott auserwählt; dort wollte Gott Seinen Namen wohnen lassen (Ps 78, 68‑72). Es ist der Berg, der von der Gnade spricht, im Gegensatz zum Berg Sinai, dem Berg der Gesetzgebung; das sehen wir deutlich in Hebräer 12, 18‑22a. Auf dem Berg Sinai gab Gott dem Volk ein Gesetz, das lediglich bewies, daß das Volk sündig war und Strafe verdiente; aber Zion ist der Berg, wohin die Bundeslade gestellt ist, die Lade mit dem Sühndeckel, das ist jetzt der "Gnadenthron"

(Röm 3, 20‑25; vgl. Hebr 4, 16). Den Tempel darf David nicht bauen, das kann nur der Friedefürst nach ihm tun; aber grundsätzlich werden die Beziehungen zwischen dem Volk und Gott schon dadurch enger, daß die Bundeslade auf die Grundlage der Gnade gestellt wird. Das geschieht, als es noch viele Feinde gibt, der Segen noch nicht völlig da ist und auch noch kein Haus für Gott gebaut ist. Das geschieht im Glauben an die Verheißung Gottes (Ps 132). Wie wunderschön spricht das alles von Christus. Er ist die Bundeslade, der "Gnadenthron" (Röm 3, 25; vgl. Hebr 9, 5). Er ist als König über Zion gestellt, den heiligen Berg Gottes (Ps 2, 6; vgl. Ps 132, 11‑18). Bevor David die Lade nach Zion brachte, hatte Gott keine Wohnung mehr in Israel, seit Silo verworfen war (Ps 78, 59‑62), und im Vorbild hatten "die Zeiten der Nationen" begonnen, als die Philister die Bundeslade erbeuteten. Aber das Aufstellen der Lade in Zion machte dem ein Ende; so wird Christus Seine Königsherrschaft in Zion errichten und dadurch den Zeiten der Nationen ein Ende ma­chen. Wenn dann auch noch lange nicht alle Seine Feinde geschlagen sind und somit der Segen des Frie­densreiches noch nicht angebrochen ist, wird Er doch Seine Herrschaft in Zion errichten, in einer gnädigen Verbindung mit Seinem Volk, das Er erlöst hat. Das ist die wunderschöne Szene in Offenbarung 14, wo das Lamm auf dem Berg Zion steht und mit Ihm hundert­vierundvierzigtausend; das ist der gläubige Überrest aus Juda, der wie sein Messias gelitten hat, aber jetzt Seine Herrlichkeit teilt. So ist es früher mit denen ge­schehen, die die Verwerfung Davids geteilt haben.

 

In Gnade und Herrlichkeit thront Christus in Zion, zusammen mit Seinen Treuen. Jetzt beginnt der Kampf gegen die, die danach trachten, der Gründung des Segens zu widerstehen. Psalm 110 sagt: Jehova sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße! Den Stab deiner Macht wird Jehova aus Zion senden; herrsche inmitten deiner Feinde!", und weiter sehen wir dann, wie die jungen Männer des Volkes des Königs (vgl. Ps 127, 3‑5) ausziehen, um den Feind zu schlagen, im besonderen "das Haupt über ein großes Land" (Ps 110, 6), das ist Gog, über den wir noch sprechen werden. Im Vertrauen auf ihren König, der in Zion regiert, nehmen sie den Kampf auf. "Die auf Jehova vertrauen, sind gleich dem Berge Zion, der nicht wankt, der ewiglich bleibt. Jerusalem ‑ Berge sind rings um sie her: so ist Jehova rings um sein Volk, von nun an bis in Ewigkeit. Denn die Rute der Ge­setzlosigkeit [das bezieht sich auf den Antichristen und den Assyrer] wird auf dem Lose der Gerechten nicht ruhen, damit die Gerechten ihre Hände nicht aus­strecken nach Unrecht" (Ps 125, 1‑3). "Mögen be­schämt werden und zurückweichen alle, die Zion hassen! Mögen sie sein wie das Gras der Dächer, welches verdorrt, ehe man es ausrauft" (Ps 129, 5. 6; auch das bezieht sich wieder auf den Assyrer, siehe als Beweis Jes 37, 22. 27).

 

Die Rückkehr der Zerstreuten nach Zion

 

Es wird eine der ersten Regierungshandlungen Christi sein, alle Auserwählten Israels, sowohl aus den zwei wie aus den zehn Stämmen, die sich noch unter den Völkern aufhalten, in ihr Land zurückzubringen, und insbesondere zum Berg Zion, wo Seine Gnade und Seine Herrlichkeit sich niedergelassen haben. Wie wir wissen, kehren von zwei Stämmen bereits viele vor der Wiederkunft Christi zurück, und zwar im Unglauben, um dort dem Gericht entgegenzugehen, aus dem ein kleiner Überrest errettet wird. Die übrigen, die sich noch unter den Nationen befinden, kehren nach Seiner Wiederkunft zurück. Auch die Auserwählten aus den zehn Stämmen, die jetzt noch verschollen sind, werden von Gott zurückgebracht werden. Einige Stellen spre­chen deutlich von dieser zweifachen Rückkehr, sowohl der zwei als auch der zehn Stämme.

 

"Und er wird den Nationen ein Panier erheben und die Vertriebenen ISRAELS zusammenbringen, und die Zerstreuten JUDAS wird er sammeln von den vier Enden der Erde" (Jes 11, 12).

 

"In jenen Tagen wird das Haus JUDA mit dem Hause ISRAEL ziehen, und sie werden miteinander aus dem Lande des Nordens in das Land kommen, welches ich euren Vätern zum Erbteil gegeben habe" (Jer 3, 18).

 

"Denn siehe, Tage kommen, spricht Jehova, da ich die Gefangenschaft meines Volkes ISRAEL und JUDA wenden werde, spricht Jehova; und ich werde sie in das Land zurückbringen, welches ich ihren Vätern gegeben habe, damit sie es besitzen" (Jer 30, 3).

"Und ich werde das Haus JUDA stärken und das Haus JOSEPH retten, und werde sie wohnen lassen; denn ich habe mich ihrer erbarmt" (Sach 10, 6).

 

Die besondere Verbindung zwischen diesen Zurück­geführten und dem Berg Zion finden wir an verschie­denen Stellen: "In jener Zeit wird Jehova der Heer­scharen ein Geschenk dargebracht werden: ein Volk, das weithin geschleppt und gerupft ist ... nach der Stätte des Namens Jehovas der Heerscharen, nach dem Berge Zion" (Jes 18, 7).

 

"Und die Befreiten Jehovas werden zurückkehren und nach Zion kommen mit Jubel, und ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entflie­hen" (Jes 35, 10).

 

"Höret das Wort Jehovas ... : Der Israel zerstreut hat, wird es wieder sammeln und es hüten wie ein Hirt seine Herde. Denn Jehova hat Jakob losgekauft und hat ihn er­löst aus der Hand dessen, der stärker war als er. Und sie werden kommen und jubeln auf der Höhe Zions, und her­beiströmen zu den Gütern Jehovas" (Jer 31, 10‑12).

 

In jenen Tagen und zu jener Zeit, spricht Jehova, wer­den die Kinder ISRAEL kommen, sie und die Kinder JUDA zusammen; fort und fort weinend werden sie gehen und Jehova, ihren Gott, suchen. Sie werden nach Zion fragen, indem ihr Angesicht dahin gerichtet ist: Kommet und schließet euch an Jehova an mit einem ewigen Bunde, der nicht vergessen werde!" (Jer 50, 4. 5)

 

Besondere prophetische Bedeutung in diesem Zusam­menhang hat der Ausdruck, den wir soeben schon aus Jeremia 30, 3 angeführt haben, nämlich: "die Gefan­genschaft wenden" (Schub Schebut); dieser Ausdruck hat meistens Bezug auf die Beendigung der Gefangen­schaft oder der Unterdrückung des Volkes Israel, einige Male auch auf die Öde des Landes Israel (Jer 33, 11; vgl. 30, 18). In den folgenden Schriftstellen bezieht sich dieser Ausdruck auf Israel: 5. Mo 30, 3; Ps 85, 2; Jer 29, 14; 31, 23; 32, 44; 33, 7. 26; Hes 16, 53; Hos 6, 11; Joel 3, 1; Amos 9, 14; Zeph 2, 7; 3, 20. Als Gebet für Israel wird es mit dem Ort in Verbindung gebracht, von dem stets Gnade und Erlösung kommen: Zion! "0 daß aus Zion die Rettung Israels da wäre! Wenn Jehova die Gefangenschaft seines Volkes wendet, soll Jakob froh­locken, Israel sich freuen" (Ps 14, 7; vgl. 53, 6). "Als Jehova die Gefangenen Zions zurückführte, waren wir wie Träumende ... Führe unsere Gefangenen zurück, Jehova, gleich Bächen im Mittagslande" (Ps 126, 1‑4). In diesem letzten Psalm sehen wir, daß sich dieser Ausdruck auf die vollständige Wiederherstellung des Segens in Verbindung mit Zion bezieht, aber auch auf die Rückkehr der Gefangenen. Die Verse 1‑3 sprechen von denen, die schon in Verbindung mit Zion sind: der erlöste Überrest aus Juda, der wegen seiner Befreiung jubelt; Vers 4 spricht von denen, die noch zurück­kehren müssen, damit das Volk Israel vollzählig wird, nämlich die Auserwählten aus den zehn Stämmen. Dar­über wollen wir jetzt etwas ausführlicher sprechen.

 

Der Zeitpunkt der Rückkehr der zehn Stämme

 

Wegen ihren großen Sünden gegen Jehova wurde die Hauptstadt des Zehnstämmereiches, Samaria, 721 v. Chr. von König Sargon 11. von Assyrien erobert, der fast alle Bewohner des Reiches nach Assur verschleppen ließ (2. Kön 17). Dort wurden die Israeliten in die Be­völkerung aufgenommen, und seitdem sind sie spurlos verschwunden, zumindest für das Auge des Menschen. Aber Gott wird sie zu finden wissen, und der Segen des Friedensreiches wird erst vollkommen sein, wenn auch diese Verlorenen des Hauses Israel wieder ins Land zu­rückgebracht sind. Sehr viele Schriftstellen sagen deut­lich voraus, daß das geschehen wird. Offenbarung 7 zeigt uns, daß aus jedem Stamm Israels ein Überrest versiegelt wird, um der Herrlichkeit teilhaftig zu wer­den (nur Dan wird dort nicht genannt; darüber haben wir bereits gesprochen). "Siehe, Tage kommen, spricht Jehova, da ich dem David einen gerechten Sproß erwek­ken werde ... In seinen Tagen wird JUDA gerettet wer­den und ISRAEL in Sicherheit wohnen" (Jer 23, 5. 6). "In jenen Tagen und zu jener Zeit, spricht Jehova, wird ISRAELS Missetat gesucht werden, und sie wird nicht da sein, und die Sünden JUDAS, und sie werden nicht gefunden werden; denn ich will denen vergeben, die ich übriglasse" (Jer 50, 20). Siehe dazu noch: Ps 80; Hes 28, 25. 26; 34, 11‑16; 39, 25‑29; Micha 2, 12; Nahum 2, 2. Aus Jesaja 11 wird ersichtlich, daß diese Rückkehr der zehn Stämme nach dem Wiederkommen des Herrn stattfinden wird; die Verse 1‑10 beschreiben die Errichtung des Friedensreiches und die Einsetzung des Königtums (Vers 10), danach lesen wir von der Rückkehr der Vertriebenen aus Israel. Aus vielen Schriftstellen, die wir noch zitieren werden, geht eben­falls diese Reihenfolge hervor: die Errichtung des Frie­densreiches, danach die Rückkehr der Auserwählten der zehn Stämme. Das stimmt mit dem überein, was wir im Vorbild in Psalm 73 finden. Dieser Psalm ist der erste Psalm des dritten Psalmbuches, das im wesent­lichen von dem Überrest aus Israel handelt; es geht nicht mehr allein um Judäa und Jerusalem, wie in den ersten beiden Psalmbüchern, sondern um das ganze Volk, alle zwölf Stämme, vom Beginn ihrer Geschichte an gesehen (siehe vor allem Psalm 78), und in ihrem Verhältnis zur Heiligkeit und dem Heiligtum Gottes. Psalm 73 gibt hiervon eine kurze Übersicht: ungeachtet der zeitweiligen Wohlfahrt der Gottlosen, bleibt Gott "Israel" gut, und der Glaube sagt, daß die Treuen einmal wieder von Gott angenommen werden. Man muß Vers 24 gut verstehen: "Durch deinen Rat wirst du mich leiten, und nach der Herrlichkeit wirst du mich aufnehmen", das ist die genaue Übersetzung. Das hat nichts mit der Aufnahme in die Herrlichkeit im Himmel zu tun (die­ser Gedanke ist im A. T. unbekannt), sondern mit der Annahme des ganzen Volkes Israel nach der Herrlich­keit, das heißt: nach der Wiederkunft Christi. Daß der Ausdruck "nach der Herrlichkeit" (achar kabod) das tatsächlich bedeutet, geht aus der einzigen anderen Stelle hervor, wo dieser Ausdruck noch vorkommt, nämlich Sacharja 2, 8: "Denn so spricht Jehova der Heerscharen: Nach der Herrlichkeit hat er mich zu den Nationen gesandt, die euch geplündert haben". Aus dem Zusammenhang ist deutlich, daß es auch hier um das Versammeln der Vertriebenen Israels nach der Wiederkunft Christi geht (vgl. Mt 24, 30. 31).

 

Wie kehrt der Überrest der zehn Stämme zurück?

 

Von vielen Orten der Erde werden die Auserwählten der zehn Stämme zurückkehren. Einige Stellen sagen sogar, daß sie "aus allen Nationen" kommen: Jes 11, 12; 66, 20. 21; Hes 20, 34. Des "Meeres Fülle" (Jes 60, 5) wird sich nach Zion wenden (möglicherweise ist das "Meer" hier eine bildliche Darstellung der Nationen, siehe Jes 17, 12; Offb 17, 15; vgl. Sach 10, 11); "der Reichtum der Nationen": Midian, Epha, Scheba, Kedar, Nebajoth und die Inseln des Mittelmeeres (Jes 60, 1‑9). Besonders werden in der Schrift aufgeführt: Ägypten, Assur und Äthiopien. "Die Vertriebenen im Lande ÄGYPTEN werden kommen" (Jes 27, 13); sie werden daraus losgekauft und die Meereszunge Ägyptens wird zerstört werden (Jes 11, 11‑15); "alle Tiefen des Stro­mes [Nil] werden versiegen", um sie hindurchzulassen (Sach 10, 10. 11); wie Vögel werden sie aus Ägypten kommen (Hos 11, 11). "Die Verlorenen im Lande Assy­rien" werden zurückkehren (Jes 27, 13; 11, 11. 16), sie werden aus Assur gesammelt (Sach 10, 10. 11). Wie Tauben kommen sie aus Assur (Hos 11, 11). Von jen­seits der Ströme ÄTHIOPIENS (sowohl der Nil als auch der Euphrat) (l. Mo 10, 6‑12) werden sie zurück­gebracht werden (Jes 11, 11. 15; 18, 1. 2. 7; 27, 12; Zeph 3, 10). Ferner werden sie aus dem Land der Chi­nesen zurückkehren (Jes 49, 12), aus Pathros, Elam, Si­near, Hamath und den Inseln des Meeres (Jes 11, 11), aus dem Norden (Jes 43, 1‑8; 49, 12; Jer 3, 18; 23, 8; 31, 8), aus dem Westen (Jes 43, 1‑8; 49, 12; Hos 11, 11), aus dem Süden und aus dem Osten (Jes 43, 1‑8).

 

Die Schiffe von Tarsis werden die ersten sein, die sie zurückbringen (Jes 60, 9), die Nationen werden sie als ein Geschenk in das Land Israel bringen (Jes 14, 1. 2; 43, 1‑8; 49, 8‑12. 22; Zeph 3, 10), und die Auserwählten unter ihnen werden von Engeln gesammelt (Mt 24, 31; Mk 13, 27). Nicht nur diejenigen, die zum Haus Israel gehören, werden in das Land kommen. Gott wird sie in die Wüste bringen und zu ihrem Herzen reden (Hos 2, 14. 15); wenn sie in der "Wüste der Völker“ gesam­melt sind, wird Gott dort mit ihnen ins Gericht gehen. Er wird die Empörer und die von Ihm Abgefallenen aus ihnen ausscheiden (Hes 20, 30‑44, möglicherweise hat "Wüste" hier ebenfalls eine sinnbildliche Bedeu­tung wie "Meer" ‑ siehe oben ‑ vgl. dazu Offb 17, 3a). Wie "Getreide" werden die Kinder Israel ausgeschlagen "von der Strömung des Euphrat bis zum Bache Ägyp­tens" (Jes 27, 12. 13). Nur die Auserwählten (Mt 24, 31), diejenigen, die das Siegel des lebendigen Gottes an ihren Stirnen tragen (Offb 7, 3‑8), werden in das Land kommen und da in Frieden, Sicherheit und Freude wohnen (Jes 35, 3‑10; Jer 23, 6; 31, 1‑14; Hes 28, 25. 26; 34, 11‑16). Ihre Ungerechtigkeiten werden gesühnt wer­den (Jer 50, 19. 20). Und was sehr wichtig ist: sie wer­den mit dem Haus Juda zu einem Volk Israel vereinigt werden! (Jer 3, 18). Sie werden sich zusammenscharen und ein Haupt über sich setzen (Hos 1, 10. 11). Das wird ausführlich in Hesekiel 37, 15‑28 beschrieben: die Israeliten werden aus den Nationen gesammelt und in ihr Land gebracht, und da werden sie zu einem Volk gemacht, das nie wieder getrennt wird; auch wird ein König über sie herrschen aus dem Geschlecht Davids (hier wird Er sogar "David" genannt), und Gott wird mit ihnen einen Bund des Friedens schließen.

 

Das vereinigte Volk, das wahre Israel, wird Gott als Sein Volk annehmen, und sie werden "Kinder des le­bendigen Gottes" genannt werden (Hos 1, 10). Gott wird die Wiedergeburt Seines Volkes bewirken, ihnen ein neues Herz in ihr Inneres geben und Seinen Geist über sie ausgießen (Jes 32, 15; 44, 1‑5; Hes 11, 17‑20; 36, 24‑28; Joel 2, 28. 29). Aus diesen Schriftstellen geht ebenfalls hervor, daß diese Wiedergeburt die Reinigung des Volkes beinhaltet: ihre Ungerechtigkeiten werden gesühnt, ihre Sünden abgewaschen, ihre Wunden ge­heilt. Gott wird sie mit Gerechtigkeit bekleiden und für ewig Seinen Zorn von ihnen abwenden; für ewig wer­den sie Sein Volk, und Er wird ihr Gott sein (Jes 27, 9; 33, 24; 40, 2; 44, 22; 54, 7; 57, 15. 16; 60, 10. 21; 61, 10; Jer 33, 8; 50, 20; Dan 9, 24; Hos 14, 2‑9; Joel 3, 21; Micha 7, 18‑20; Sach 3, 9; 13, 1. 9; Röm 11, 26‑32). Aller Götzendienst wird aus dem Lande fortgeschafft werden (Jes 27, 9; 42, 13‑17; Hos 2, 16; 14, 4; Micha 5, 12. 13; Sach 13, 2). Gott wird mit ihnen einen ewigen Bund des Friedens schließen, der nie wieder gebrochen wird (Jer 31, 31‑34; 32, 40; 50, 4; Hes 16, 59‑63; 34, 25; 37, 26). Diesen Stellen könnten noch viele aus den Psalmen hinzugefügt werden.

 

Der Kampf gegen die Nachbarvölker

 

Nachdem das Volk Israel ins Land zurückgekehrt ist und sich unter seinem Messias vereinigt hat, wird es unter Seiner Führung den Kampf gegen die umliegen­den Völker aufnehmen, die der Errichtung des Frie­densreiches noch im Wege stehen. Das sind hauptsäch­lich die beiden Völker Ägypten und Edom. Allen Völ­kern, unter die Gott Israel zerstreut hatte, wird Er den Garaus machen (Jer 30, 11. 16); Er wird in Zorn und in Grimm Rache üben an den Völkern, die nicht gehört haben (Micha 5, 14). "An jenem Tage werde ich die Fürsten von Juda machen gleich einem Feuerbecken unter Holzstücken und gleich einer Feuerfackel unter Garben; und sie werden zur Rechten und zur Linken alle Völker ringsum verzehren. Und fortan wird Jerusalem an seiner Stätte wohnen in Jerusalem" (Sach 12, 6). Nach dem Zusammenhang bezieht sich diese Stelle in erster Linie auf das Schlagen des Assyrers nach der zweiten Belagerung Jerusalems, aber es gibt darüber hinaus eine weitere Anwendung, die sich auf alle Völ­ker rundherum erstreckt. Wie Jehova zu Jeremia gesagt hat: "So spricht Jehova über alle meine bösen Nach­barn, welche das Erbteil antasten, das ich mein Volk Israel habe erben lassen: Siehe, ich werde sie aus ihrem Lande herausreißen, und das Haus Juda werde ich aus ihrer Mitte reißen. Und es soll geschehen, nachdem ich sie herausgerissen habe, werde ich mich ihrer wieder erbarmen und sie zurückbringen, einen jeden in sein Erbteil und einen jeden in sein Land. Und es soll geschehen, wenn sie die Wege meines Volkes wirklich lernen, so daß sie bei meinem Namen schwören: So wahr Jehova lebt! gleichwie sie mein Volk gelehrt haben, bei dem Baal zu schwören, so sollen sie inmitten meines Volkes aufgebaut werden. Wenn sie aber nicht hören, so werde ich selbige Nation ausreißen, ausreißen und ver­tilgen, spricht Jehova" (Jer 12, 14‑17).

 

Diese Schriftstelle enthält wichtige Grundsätze: Gott wird sowohl mit Juda als auch mit den Nationen um Juda her handeln; beide werden wegen ihrer Sünden aus ihren Ländern herausgerissen, aber nach Verlauf einer Zeit wird Er nicht nur Juda in dessen Land wieder­herstellen, sondern auch dessen Nachbarvölker. Davon spricht der Herr Jesus: "Sehet den Feigenbaum und alle Bäume; wenn sie schon ausschlagen, so erkennet ihr von selbst, indem ihr es sehet, daß der Sommer schon nahe ist. So auch ihr, wenn ihr dies geschehen sehet, erkennet, daß das Reich Gottes nahe ist“ (Lk 21, 29‑31). Nicht nur Israel ist "ausgeschlagen", sondern auch seine Nachbarvölker sind wiederhergestellt. Aber was sagt Jehova dann? Es wird für diese wiederhergestell­ten Völker nur eine Zukunft geben, wenn sie sich an die Wege des Volkes Gottes gewöhnen.

 

Das Gericht über die Nachbarvölker

 

Ob und wie das geschehen wird, ist im weiteren Verlauf des Buches Jeremia dargelegt, nämlich im dritten Teil des Buches (Kap. 46‑51), wo wir die Gerichte über diese Völker finden. Diese Gerichte haben dort eine doppelte Bedeutung: zunächst haben sie nämlich schon eine geschichtliche Erfüllung gefunden durch die Hand Nebukadnezars, des Königs von Babel, aber aus vielen Punkten geht hervor, daß ihre eigentliche und endgül­tige Erfüllung (wie es ja nahezu allen anderen Prophe­zeiungen ist) noch in der Zukunft liegt. Die große Hauptlinie, die durch diese Kapitel läuft, ist nämlich, daß zuerst alle genannten Reiche dem babylonischen Weltreich Platz machen müssen, aber danach wird auch Babel selbst verwüstet (und das für immer); darauf folgt die Wiederherstellung Israels (50, 4‑7. 19. 20. 33‑40), aber auch die Wiederherstellung bestimmter Reiche (46, 26; 48, 47; 49, 6. 39). Israel wird der Hammer sein, mit dem Gott die Nationen züchtigen wird, aber Babel wird Er Selbst vernichten (51, 20‑26). Alle diese Ereignisse weisen auf die Endzeit hin: Babel wird, geistlich gesehen, seinen letzten Repräsentanten in dem großen Babylon der Offenbarung haben (vgl. Jer 51, 25. 26. 47‑53 mit Offb 17‑19, 3), und, politisch ge­sehen, in dem letzten Haupt der Weltreiche: dem Tier (Offb 13, 1‑10). Und alle Nachbarvölker Israels werden ebenfalls wieder eine Rolle spielen. Wie gesagt, einige von ihnen werden später wiederhergestellt, andere jedoch nicht. Philistäa, Edom, Damaskus und Hazor werden völlig vernichtet werden, weil sie zum Hoheits­gebiet Israels gehören; dagegen werden Ägypten, Moab, Ammon und Elam, nachdem sie von Gott durch die Hand Israels gerichtet sind, wiederhergestellt wer­den und an den Segnungen des Friedensreiches unter der Herrschaft Christi teilhaben. Wir wollen jede ein­zelne der Nationen kurz behandeln und zunächst die Völker nennen, die wiederhergestellt werden. Was ÄGYPTEN betrifft, so haben wir in Daniel 11, 40‑45 gesehen, daß es von dem Assyrer geplündert werden wird; danach kehrt der Assyrer nach Palästina zurück. Etwas Ähnliches (einen Angriff einer Macht aus dem Norden) finden wir auch in Jesaja 19 und 20 und in Jeremia 46, 20. Daß Gott Selbst das Gericht vollziehen wird, finden wir darüber hinaus noch in Jes 30 und 31; Hes 29‑32; Joel 3, 19; Jes 11, 15; Jer 9, 26; Sach 10, 11. Danach wird Ägypten wiederhergestellt werden und ein Segen sein inmitten der Erde, zusammen mit dem wiederhergestellten Assur und Israel (Jes 19, 19‑25; Jer 46, 25. 26; vgl. Micha 7, 12), vorausgesetzt, daß es jedes Jahr hinaufzieht, um das Laubhüttenfest zu feiern (Sach 14, 18. 19).

 

Auch MOAB wird durch Israel sein Gericht empfangen. Das geht hervor aus Jes 11, 14; Jes 15 und 16 (man denke auch an die historische Erfüllung ‑ siehe Amos 2, 1‑3); Jes 25, 10‑12; Jer 9, 26; Hes 25, 8‑11; Zeph 2, 8. 9; ja, der Messias Selbst wird sie züchtigen (Ps 60, 8; 108, 9), aber danach wird es eine Wiederherstellung geben (Jer 48, 47). Dem "Brudervolk" Ammon wird es ebenso ergehen: zuerst Gericht (Jes 11, 14; Jer 9, 26; Hes 25, 1‑7; Amos 1, 13‑15; Zeph 2, 8. 9), danach Wiederherstel­lung (Jer 49, 6). Über Elam finden wir einige Hinweise in Jer 25, 25; 49, 34‑39 und Hes 32, 24.

 

Ähnliche Gerichte, ohne Wiederherstellung, werden in bezug auf viele andere Nachbarvölker erwähnt. Bei­spielsweise über TYRUS und SIDON in Jes 23; Hes 26‑28; Joel 3, 4 und Amos 1, 9. 10 (siehe auch Jer 25, 22; 47, 4 und Sach 9, 2. 3). Was ÄTHIOPIEN betrifft, siehe Jes 20, 3‑5; Hes 30, 4. 5. 9 und Zeph 2, 12.

 

So bleiben die vier Völker übrig, über die Jeremia den völligen Untergang vorausgesagt hat. Erstens DAMAS­KUS (das Volk ARAM), siehe 49, 23‑27, und weiter Jes 17, 1‑3; Amos 1, 3‑5 und vgl. Sach 9, 1; vergleiche weiterhin die historische Erfüllung in 2. Kön 16, 9. Zwei­tens KEDAR und HAZOR im Land ARABIEN, siehe Jer 49, 28‑33, und weiter Jes 21, 13‑17 und Jer 25, 24. Sehr ausführlich spricht die Schrift von dem Gericht über die PHILISTER, im besonderen über ihre vier Städte Askalon, Asdod, Ekron und Gasa. Die Philister sind von alters her die großen Feinde des Volkes Got­tes, Feinde, die so gefährlich sind, weil sie mehr als irgendein anderes Volk auf dem Gebiet Israels wohnen und ihr verderblicher Einfluß mehr zu fürchten ist als der aller anderen Völker. Abraham und Isaak hatten schon mit ihnen zu schaffen, als sie im Land der Ver­heißung waren (l. Mo 20 und 26); sie sind Eindring­linge in (lern Land, das den Auserwählten Gottes ge­hört (Jos 13, 2; 2. Mo 23, 31), und es sind auch die er­sten Feinde, mit denen David, als Vorbild von Chri­stus, zu tun bekam (2. Sam 3, 18; 5, 17‑25; 8, 1; 19, 9; vor seinem Königtum: 1. Sam 17; 18, 6 usw.). Schon oft hat Philistäa das Gericht Gottes erfahren müssen: unter Hiskia (2. Kön 18, 8; Jes 14, 28‑31; Amos 1, 6‑8), durch Pharao (Jer 47, 1), durch Nebukadnezar (Zeph 2, 4‑7; Hes 25, 15‑17; Jer 25, 20) und durch Alexander den Großen (Sach 9, 5‑8), aber all die Einzelheiten dieser Prophezeiungen kann man nur begreifen, wenn man weiß, daß die endgültige Erfüllung noch aussteht (siehe vor allem Zeph 2, 7 und Sach 9, 5‑8). Christus Selbst wird am Ende der Tage den Becher Zornwein allen Kö­nigen des Landes der Philister geben (Jer 25, 15. 20), und Er wird die Vergeltung, die sie Ihm zugedacht hat­ten, auf ihren eigenen Kopf bringen (Joel 3, 4) und den Jubel über Philistäa anheben (Ps 60, 8; 108, 9). Sein Volk Israel wird Ihm bei dem Gericht behilflich sein: sie werden den Philistern auf die Schultern fliegen (Jes 11, 14), die Bewohner der Schephelah (Niederung) werden die Philister in Besitz nehmen (Obadja 19). Die Küste wird dem Überrest des Hauses Juda gehören; sie werden darauf weiden, in den Häusern Askalons werden sie sich am Abend lagern (Zeph 2, 7; vgl. Sach 9, 5 und Jer 47, 1‑7).

 

Das Gericht über Edom

 

Schließlich noch das Gericht über EDOM, das in den Prophezeiungen solch großen Platz einnimmt. Die Edo­miter sind die Nachkommen Esaus (l. Mo 36, 1. 9), und deshalb das Brudervolk Israels. Aber "Jakob" (Israel) wurde von Jehova geliebt und "Esau" (Edom) gehaßt, weil seine Werke böse waren (Mal 1, 2‑5; Röm 9, 13; Hebr 12, 16. 17). Stets blieb Edom einer der großen Feinde Israels (4. Mo 20, 14‑21; 1. Sam 14, 47; 2. Sam 8, 13. 14; 1. Kön 11, 14; 2. Kön 8, 20‑22; 14, 7). Auch hierbei sind verschiedene Prophezeiungen schon vorläufig er­füllt, aber immer wieder wird deutlich, daß die end­gültige Erfüllung in Christus stattfinden wird und also noch kommen muß. Gerade weil Edom seinen eigenen Bruder gehaßt und bedrängt hat und mit Schaden­freude auf den Untergang seines Bruders geachtet und ihn gefördert hat, wird er unmöglich dem Gericht Got­tes entkommen können (Amos 1, 11. 12; Obad 12‑14; Mal 1, 2‑5). Jehova Selbst (das ist Christus) wird das Gericht über dieses gottlose Volk ausüben (4. Mo 24, 17. 18; Jer 9, 26; 25, 21; Klgl 4, 21. 22; Hes 36, 5‑7; Ps 60, 8; 108, 9; 137, 7). Auch hier wird Sein Volk Is­rael Ihm helfen, denn Gott sagt, daß Er Seine Rache über Edom bringen wird durch die Hand Seines Volkes (Hes 25, 12‑14; siehe auch Jes 11, 14; Amos 9, 12; Ob 21). Für Edom wird es niemals mehr Wiederherstellung geben; es wird zu einer ewigen Wüste werden (Jes 34, 9‑17; Jer 49, 13; Hes 32, 29; 35, 1‑15; Joel 3, 19; Mal 1, 3. 4).

 

Die Bedeutung des Gerichts über Edom wird aus der Tatsache ersichtlich, daß ein ganzes Buch der Bibel sich ausschließlich hiermit befaßt, nämlich das Buch Obadja, das übrigens starke Übereinstimmung zeigt mit Jeremia 49, 7‑22, wenn auch kennzeichnende Unterschiede da sind. Beide zeigen deutlich, daß das Gericht in der Endzeit stattfinden wird: es wird am Tag Jehovas statt­finden, und darauf folgt das "Königtum Jehovas", die Regierung Christi, was für Israel Befreiung und Frie­den bedeutet. So auch Hesekiel 35, das über die "Zeit der Ungerechtigkeit des Endes" (Vers 5) spricht. So auch Klagelieder 4, 21. 22, was erst erfüllt wird, wenn Zions Ungerechtigkeit ein Ende hat. Und vor allem die wichtigen Abschnitte in Jesaja 34 und 63, die das Ge­richt über Edom mit den prophetischen Ereignissen der Endzeit, sowohl mit dem Gericht über alle Völker als auch mit der Erlösung Israels in Verbindung bringen. Das Gericht in Edom steht in Zusammenhang mit dem Schicksal Zions, denn Jehova wird in Edom einen Tag der Rache haben, ein Jahr der Vergeltungen für die Rechtssache Zions (Jes 34, 8; vgl. 63, 4). Das Gericht dort erstreckt sich auf viele Völker, die dort versammelt werden und ein völliges Ende finden (34, 1‑3. 6; 63, 3. 6). Vergleiche die Beschreibung in Kapitel 34, 3. 6. 7 und 63, 2‑4 mit Offenbarung 19, 13. 15. 17; die Gerichte ähneln sich, ob es aber um genau dasselbe Ereignis geht, halte ich für sehr unwahrscheinlich wegen des bereits früher besprochenen Unterschiedes in dem pro­phetischen Charakter zwischen Daniel und der Offen­barung einerseits und den übrigen Propheten anderer­seits. Es müssen also andere, vermutlich östliche Völker sein, die im Land Edom gerichtet werden. Es sind nicht die westlichen Mächte, denn die werden in Armagedon geschlagen (Offb 16, 16; 19, 19); es ist auch nicht der König des Nordens mit seinen Bundes­genossen, denn Edom wird deutlich von ihm unter­schieden (Dan 11, 41); es ist auch nicht Gog, denn der wird auf den Bergen Israels fallen (Hes 39, 4). Wir müssen das Gericht über Edom, wie es vor allem in Jesaja 34 und 63, 1‑6 beschrieben wird, also völlig getrennt sehen als den bedeutsamen Abschluß der Ge­richte über die Völker ringsherum; bedeutsam deshalb, weil das Schicksal Zions eng damit verbunden ist, und Jehova (Christus) es ganz allein ausführen wird. Daß das tatsächlich die Schlußphase des Gerichtes über die Be­dränger Zions ist, wird daraus ersichtlich, daß Jesaja 34 auf die erste Gründung der Regierung Christi in Kapi­tel 33 folgt; aber erst wenn dann die "Rechtssache Zions" in Kapitel 34 ganz vollendet ist, folgt Kapitel 35 mit dem vollkommenen Segen. Das sehen wir auch in den Kapiteln 62 und 63, 1‑6: zuerst wird Zion die Rettung durch das Kommen des Erlösers angekündigt, aber dann fragt Zion in Kapitel 63, 1, wer es ist, der in blutgefärbten Gewändern von Edom kommt. Christus gibt die Antwort: Er hat die Völker allein geschlagen, und als der große Endsieger kommt Er von Edom nach Zion; dann ist die Erlösung vollständig. Mehrmals sehen wir in der Schrift, daß die Erlösung des Volkes zustande gebracht wird durch Gott, der von Edom her­aufkommt: siehe 5. Mo 33, 2; Ri 5, 4 und Hab 3, 3. 13 (Teman liegt in Edom, siehe Jer 49, 7. 20; Hes 25, 13; Amos 1, 12; Ob 9).

 

Bisher haben wir also drei große Gerichte unterschie­den (abgesehen von dem noch zu besprechenden Ge­richt über Gog, das aber eigentlich den Schluß der Gerichte über Assur bildet), wie wir es schon in Ver­bindung mit Psalm 83, 9‑11 besprochen haben, näm­lich: das Gericht über die römischen Heere unter der Führung des Tieres und des Antichristen bei Harmage­don (Offb 19; Christus kommt vom Himmel hernieder, aber noch nicht auf die Erde), zweitens das Gericht über den Assyrer und seine Bundesgenossen: die ver­sammelten Völker im Tal Josaphat (Christus kommt auf den Ölberg herab und errichtet Seine Regierung in Zion); und drittens das Gericht über die Völker in Bozra, in Edom, wonach Christus siegreich aus Edom zurückkehrt, um dem Land endlich Ruhe zu ver­schaffen.

 

Der Einfall Gogs

 

Dann wird tatsächlich Ruhe im Land einkehren, aber doch wird diese Ruhe noch nicht endgültig sein. Es ist die Ruhe, von der wir in Hesekiel 38, 8 lesen; dort ist die Rede von dem Land, "das vom Schwerte wieder­hergestellt" ist, "das aus vielen Völkern gesammelt ist, auf die Berge Israels, welche beständig verödet waren; und es ist herausgeführt aus den Völkern, und sie woh­nen in Sicherheit allesamt" (siehe auch die Verse 11 und 12). Aber derselbe Vers sagt auch, daß diese Ruhe grausam durch den Einfall der letzten feindlichen Macht gestört werden wird, die vernichtet werden muß, nämlich den Einfall der Heere Gogs. Diesen Ein­fall wollen wir jetzt besehen und dazu drei Fragen be­handeln:

 

1. Wann wird der Einfall Gogs stattfinden?

2. Wer ist Gog?

3. Wie wird er zu seinem Ende kommen?

 

Erstens also: Wann wird Gog in das Land Israel einfallen? Es hat sehr gute Schriftausleger gegeben, die mein­ten, daß der Einfall Gogs zu einem viel früheren Zeit­punkt stattfinden werde; sie dachten, daß Gog derselbe sei wie der Assyrer und daß sich Hesekiel 38 und 39 auf die zweite Belagerung Jerusalems beziehen. Sie fas­sen die Ruhe in Kapitel 38, 8 also als die zeitliche Ruhe auf, die Israel im Land genießen würde, nach­dem es im Unglauben den Staat Israel gegründet habe, wie wir das ja auch in Psalm 107 finden (Verse 34‑38); danach würde dann der König des Nordens diese Ruhe stören. Wir glauben aber, begründete Bedenken gegen diese Auffassung zu haben. Kann man denn nun von den Juden sagen, daß sie völlig vom Schwert wieder­hergestellt sind, ohne daß es ihnen jemals wieder etwas anhaben wird? Müssen sie nicht vielmehr noch die große Drangsal durchmachen? Kann man sagen, daß sie herausgeführt sind (also nicht aus sich selbst zurück­gekehrt, sondern von Jehova zurückgebracht) und daß sie in Sicherheit wohnen?

Aber was viel beweiskräftiger ist, ist die große geschicht­liche Linie, die wir sehr deutlich in Hesekiel 33‑39 entdek­ken können, und sogar noch weiter; diese geschichtliche Linie macht es uns möglich, daß wir die Ereignisse in diesen Kapiteln an ihren richtigen historischen Platz stellen können.

 

Kapitel 33 gibt uns den großen Grundsatz der Wege Gottes in der Endzeit, nämlich das persönliche Verhält­nis zu Gott.

Kapitel 34 enthält das Gericht über die falschen Hir­ten Israels und die Rettung der Schafe Gottes, über die Gott Seinen Knecht David als Hirten bestellen wird.

Kapitel 35 ist eine Einschaltung, die das Gericht über den großen Feind Israels behandelt: Edom.

Kapitel 36 spricht über die geistliche Wiederherstel­lung.

Kapitel 37 spricht von der nationalen Wiederherstel­lung Israels, wobei der besondere Nachdruck auf der Vereinigung der zwei und der zehn Stämme liegt.

 

Erst danach, ganz am Ende des geschichtlichen Teils der Prophetie, finden wir das Gericht über Gog, wäh­rend wir dann, ab Kapitel 40, den Bau des neuen Tem­pels im Tausendjährigen Reich finden.

 

Das alles spricht sehr dafür, daß der Einfall Gogs erst nach der Wiederkunft stattfinden wird, wenn der wahre David über das Volk regiert, wenn Israel und Juda wie­der vereinigt sind, wenn die Israeliten wiedergeboren sind und den Geist Gottes besitzen. Dann erst, wenn die Heeresmächte, die gegen das Volk heraufziehen, bei der Wiederkunft geschlagen werden und wenn die umliegen­den Nationen sodann gleichfalls gerichtet werden und das Volk zur Ruhe kommt, dann erst wird der allerletzte Feind, der noch übrig ist, in das Land einfallen.

 

Wer ist Gog?

 

Wer ist nun dieser Gog? Wir dürfen ihn auf keinen Fall mit dem Gog in Offenbarung 20, 8 verwechseln, denn dieser wird erst am Ende des Tausendjährigen Reiches heraufziehen, während wir jetzt über den Beginn des Reiches sprechen. In Hesekiel 38 wird er mit seinem vollständigen Namen genannt: "Gog vom Lande Ma­gog, den Fürsten von Rosch, Mesech und Tubal' Gog kommt weiter nicht in der Bibel vor, außer als Eigen­name in 1. Chronika 5, 4. Magog, Mesech und Tubal finden wir in 1. Mose 10, 2 und 1. Chronika 1, 5 als die Söhne Japhets; Mesech und Tubal kommen noch in He­sekiel 27, 13 und 32, 26 vor, Mesech in Psalm 120, 5 und Tubal in Jesaja 66, 19. Rosch begegnen wir weiter nicht in der Schrift außer als Eigenname in 1. Mose 46, 21, es sei denn daß solche recht haben, die ihn mit Tiras in 1. Mose 10, 2 und 1. Chronika 1, 5 gleichsetzen.

 

Viele Anknüpfungspunkte haben wir also nicht, es sei denn, daß wir auch historische Angaben hinzuziehen. Aber kann Hesekiel 38 selbst uns nicht weiterhelfen? Vers 17 scheint mir sehr wichtig zu sein: "So spricht der Herr, Jehova: Bist du [das ist Gog] der, von welchem ich in den vergangenen Tagen geredet habe durch meine Knechte, die Propheten Israels, welche in jenen Tagen Jahre lang weissagten, daß ich dich wider sie her­anbringen würde?" Nun, wer ist dieser Feind, über den die Propheten so viel geredet haben? Jeder, der die Prophezeiungen liest, weiß, daß das der Assyrer sein muß. Andererseits ist es jedoch sofort deutlich, daß Gog nicht derselbe sein kann wie der König des Nor­dens. Wie können wir diese Schwierigkeiten lösen? Ist der König des Nordens nicht auch der Assyrer?

 

Wir können das so sehen; tatsächlich ist der König des Nordens ein Repräsentant der assyrischen Macht, aber wir haben auch deutlich gesehen, daß er nicht die Hauptfigur ist. In Daniel 8, 24 lesen wir, daß er große Macht hat, aber daß diese Macht nicht von ihm selbst kommt (vgl. Offb 9, 7. 8). Hinter diesem König des Nordens (der in Daniel übrigens auch niemals Assyrer genannt wird) steht die eigentliche Hauptmacht, der eigentliche "Assyrer". Anfangs zieht nur der König des Nordens herauf, der über Syrien regiert, und vielleicht die Türkei und/oder der Irak; dieser König ist es auch, der die erste Belagerung vor Jerusalem durchführt und später die zweite Belagerung. Dann kommt er jedoch zu seinem Ende, ohne daß jemand ihm hilft (Dan 11, 45). Diese Niederlage ist die Niederlage Assurs, wie wir das in anderen Propheten finden (vornehmlich Jesaja und Micha). Aber diese letzten Propheten unterscheiden nicht zwischen der Niederlage des Königs des Nordens und der Vernichtung der später einfallenden Haupt­macht Assurs. Sie vereinigen diese unterschiedlichen Einfälle und Niederlagen zu einer Beschreibung der Vernichtung Assurs. In Daniel und Hesekiel wird die­ser Unterschied wohl gemacht; der erste beschreibt die Geschichte Gogs (die große Macht hinter dem König des Nordens), und zusammen bilden diese beiden den "Assur" der anderen Propheten.

 

Vielleicht finden wir in Jesaja einen versteckten Unter­schied zwischen diesen beiden Mächten in Kapitel 33, wo von einem Verwüster und einem Räuber (oder: einem treulos Handelnden) die Rede ist; es ist eine Macht, aber in zwei unterschiedlichen Charakteren vor­gestellt. Der "Verwüster" wäre dann der König des Nordens (vergleiche dasselbe hebräische Wort ',scha­ded" in Jer 6, 2. 26 und 15, 8, und vor allem in Jes 16, 4), und der "Verräter" (boged) wäre dann Gog. Bemer­kenswert ist jedenfalls, daß auch in Jesaja 33 diese Macht in das Land einfällt, nachdem bereits eine ge­wisse Ruhe im Land eingetreten ist (vgl. Hes 38, 8), denn wir lesen in Vers 5: "Jehova ist hocherhaben; denn er wohnt in der Höhe, er füllt Zion mit Recht und Gerechtigkeit. Und es wird Festigkeit deiner Zeiten, Fülle von Heil, von Weisheit und Erkenntnis geben; die Furcht Jehovas wird sein Schatz sein."

 

Wenn nun das Gebiet des Königs des Nordens schon einen großen Teil Kleinasiens und des Mittleren Ostens umfaßt, wie groß und wo muß dann wohl das gewaltige Gebiet seines großen Meisters sein, der Gog heißt? Auch das teilt Hesekiel uns mit. Der König in Daniel kommt aus dem Norden, aber der Fürst, den wir in He­sekiel 38 finden, kommt von "den Seiten des Nordens", ein hebräischer Ausdruck (jarket  zafön) für den äußersten Norden (siehe 38, 6. 15; 39, 2). Wir müssen Gog also noch viel nördlicher suchen als Kleinasien, also gegen Norden des Schwarzen Meeres, und so ge­langen wir von selbst zu dem unermeßlichen russischen Reich mit seinen zwei Hauptstädten Moskau (europäi­sches Rußland) und Tobolsk (asiatisches Rußland). Doch ist diese Schlußfolgerung gerechtfertigt? Dürfen wir ohne weiteres sagen, daß Gog derselbe wie Ruß­land ist? Auch das wird in diesem Kapitel deutlich, denn dort steht: Gog, Fürst von Rosch, Mesech und Tubal. Rosch ist ein alter Name für die Russen, der Fluß Dnjestr hieß früher Tiras, und Mesech und Tubal (in der Septuaginta‑Übersetzung "Mosoch" und "Tho­bel" genannt) sind deutlich dasselbe wie Moskau und Tobolsk.

 

Nun tritt da eine scheinbare Schwierigkeit auf; denn wenn wir die anderen Schriftstellen aufschlagen, wo die Namen Mesech und Tubal vorkommen, und auch, wenn wir sie in der profanen Geschichte nachschlagen, müssen wir zu der Schlußfolgerung kommen, daß diese Namen in erster Linie doch auf Völker hinweisen, die südlich vom Schwarzen Meer gewohnt haben und nicht nördlich (siehe vor allem Ps 120, 5; Hes 27, 13; 32, 26). Das kann tatsächlich richtig sein, aber es ist doch ganz klar, daß sie in den Kapiteln 38 und 39 eine andere Be­deutung haben, und zwar eine viel weitergehende, denn sie weisen auf weiter weg gelegene Völker oder Städte hin. Daß das so ist, wird aus der Tatsache er­sichtlich, daß wenigstens dreimal gesagt wird, daß sie im äußersten Norden wohnen, während sie darüber hinaus in unmittelbarem Zusammenhang mit Rosch stehen, das Rußland bedeutet und sonst nicht mehr in der Bibel vorkommt.

 

Übrigens ist eine derartige Bedeutungsverschiebung eines prophetischen Namens in der Schrift gar nicht un­gewöhnlich. Denken wir beispielsweise an Babel oder Babylon, das im Wort Gottes immer dieselbe geistliche Bedeutung hat, aber zuerst eine Stadt war, danach ein Weltreich und in Zukunft ein religiöses System sein wird. So zum Beispiel auch die Kittäer, womit in erster Linie die Bewohner der Stadt Kittion oder Cyprus ge­meint sind, danach die ganze Insel Cypern (4. Mo 24, 24; Jes 23, 1. 12) und später sogar die Küsten des Mittel­meeres im allgemeinen (Jer 2, 10; Hes 27, 6; vgl. 1. Mo 10, 4. 5) und schließlich sogar die Römer (Dan 11, 30). Wir müssen also bei der Bestimmung der geographi­schen Grenzen eines prophetischen Namens vorsichtig sein.

 

Die Vernichtung Gogs

 

Die Geschichte des Einfalls und der Niederlage Gogs wird sehr klar in Hesekiel 38 und 39 beschrieben und braucht hier nicht ausführlich kommentiert zu werden. Wenn sein Strohmann, der König des Nordens, umge­kommen ist (wobei er selbst unbeschadet bleibt), ruft er seine ganze Heeresmacht zusammen und alle seine Bundesgenossen (die Perser, Äthiopier, Putäer, Gomer und Togarma), so daß es ein unsagbar großes Heer wird, das wie eine Wolke die Erde bedeckt (38, 9). Aber Jehova (das ist Christus) wird ihm entgegentre­ten, sobald er in das Land Israel eingefallen ist. Der Herr wird sie auf die Berge Israels hinauftreiben und sie dort mit Erdbeben, Pest, Blut, Regen, Hagel, Feuer und Schwefel überfallen. Dort auf dem Gebirge wird Gog auf schreckliche Weise zu Fall kommen und zu einer Beute der Tiere werden. Sieben Monate werden die Israeliten benötigen, um die Leichen zu begraben, und sieben Jahre werden sie mit ihrem Kriegsgerät Feuer machen. Dieser letzte Sieg, den Christus während Seiner Davidsregierung erringen wird, ist sehr bedeut­sam; es wird der Tag sein, an dem Christus Sich verherr­lichen wird (39, 13). Wenn die allergrößte Heeresmacht unter der Anführung Gogs heraufziehen wird, um das Volk, das Jehova Selbst in das Land zurückgebracht hat und das Er in Ruhe wohnen läßt, zu überfallen, dann wird Er Sich an allen Völkern heilig erweisen (38, 23; 39, 7. 27‑29). Er wird nicht zulassen, daß Sein Name noch länger entheiligt wird, sondern Er wird Seinen Namen verherrlichen, einerseits, indem Er alle Seine unheiligen Feinde endgültig schlägt, und andererseits, indem Er über das Volk, das einmal verunreinigt war, nun aber wieder in Gnaden angenommen ist, Seinen Geist ausgegossen hat. Dieser letzte große Krieg ist die vollkommene Offenbarung des Gottes Israels, der allen Völkern kundtut, daß Er Jehova ist, heilig in Israel. Dann werden alle Völker Ihn anerkennen und loben (vgl. PS 100).

 

Die Schafe und die Böcke

 

So haben wir nun gesehen, welche großen Mächte der Herr überwinden muß, nachdem Er wiedergekommen ist und Seine herrliche Regierung auf Zion in Jerusalem errichtet hat. Mit dem Einfall und der Vernichtung Gogs sind diese großen Schlachten nun aber vorbei; die lang erwartete Ruhe kann endlich anbrechen. Wir müssen lediglich noch auf zwei Aspekte der Davids­regierung Christi hinweisen, da sie sehr wichtig sind; weil sie aber nicht in direkter Verbindung mit Jerusalem stehen, erwähnen wir sie nur kurz.

 

Der erste Punkt ist das Gericht über die lebenden Völker vor dem Thron Christi, und das finden wir in Matthäus 25, 31‑46. Die Gerichte Christi nach Seiner Wiederkunft sind zweierlei Art: erstens wird Er durch Kriege Gericht an denen üben, die mit feindlichen Heeresmächte gegen Ihn heraufziehen; das haben wir bis jetzt in diesen Kapiteln behandelt. Zweitens werden Gerichte stattfinden mittels einer Gerichtssitzung, und das finden wir in Matthäus 25.

 

Das ist also kein Gericht über Menschen, die mit feind­lichen Absichten gegen Ihn heraufziehen, sondern über alle übrigen Menschen, die zwar nicht öffentlich ihre Feindschaft bezeugen, bei denen aber doch festgestellt werden muß, ob sie würdig sind, in das Königreich ein­zugehen. Diese Beurteilung findet vor dem Thron der Herrlichkeit des Sohnes des Menschen statt (Vers 31). "Und er wird richten zwischen den Nationen und Recht sprechen vielen Völkern" (Jes 2, 4).

 

Alle Völker der Erde werden dann vor Ihm versammelt und in zwei große Gruppen eingeteilt, so wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. Beachte, daß hier tatsächlich steht, daß die Völker voneinander geschie­den werden, nicht einzelne Personen. Wird es nicht Völker geben, die eine viel größere Verantwortung tragen als andere Völker? Wie groß ist doch die Verantwortung der Völker, die sich jetzt in unserer Zeit christ­lich nennen, aber das Evangelium verwerfen; die die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, um er­rettet zu werden, und die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit! Ihnen wird Gott nach der Aufnahme der Versammlung eine wirksame Kraft des Irrwahns senden, daß sie der Lüge glauben (2. Thess 2, 10‑12). Wieviel größer ist ihre Verantwortung als die der Völker, die niemals von Christus und dem Heil in Ihm gehört haben und davon erst nach Seiner Wiederkunft hören werden (Jes 66, 18. 19).

 

Die Brüder des Königs

 

Wonach werden diese Völker, die vor dem Thron der Herrlichkeit stehen, beurteilt? Die große Frage, um die es gehen wird, ist, wie sie sich "den Brüdern des Kö­nigs" gegenüber verhalten haben (Vers 40). Diese Brü­der bilden also eine von den Völkern unterschiedene Gruppe. Es sind natürlich die, die während des Zeit­abschnitts nach der Aufnahme der Versammlung und vor der Wiederkunft des Herrn aus den Juden zur Bekehrung gekommen sind und die den König erwar­ten und deshalb von Ihm als Seine Brüder anerkannt werden (vgl. auch den wichtigen Vers in Mt 28, 10 und weiterhin Ps 22, 22; Hebr 2, 12. 17; Offb 12, 10).

 

Wir haben gesehen, daß diese Brüder vor der großen Drangsal über die ganze Erde ausgehen werden, um das Evangelium des Reiches zu verkündigen, und die wichtige Frage ist nun, wie die Völker auf dieses Evan­gelium reagieren (Mt 2, 14). Wenn auch dieses Zeugnis schwächer wird durch die Stunde der Versuchung (NIt 24, 15; Ofb 3, 10), dann wird trotzdem noch das letzte Zeugnis Gottes da sein, das sich an die richtet, die auf der Erde wohnen, nämlich das ewige Evan­gelium, das den großen Schöpfer des Himmels und der Erde betrifft (Offb 14, 6. 7; vgl. Ps 96!).

 

Viele aus den Völkern werden glücklicherweise diese letzten Zeugnisse Gottes annehmen und getauft wer­den (Mt 28, 19; auch hier wieder genau genommen: "Völker“, die getauft werden, und nicht so sehr einzelne Personen aus den Völkern). Sie werden die Brüder des Königs freundlich und gastfrei behandeln (Nft 10, 14‑42; 25, 34‑40). Diese Gläubigen aus den Völkern werden während der großen Drangsal sehr leiden müssen, aber viele werden ausharren bis ans Ende und errettet werden. Das ist die große Volksmenge, die nie­mand zählen kann (Offb 7, 9‑17). Der Vater wird sie segnen und ihnen das Reich geben, das ihnen von Grundlegung der Welt an bereitet ist (Nft 25, 34; vgl. Offb 13, 8 und siehe den Unterschied zur Versamm­lung, die auserwählt ist vor Grundlegung der Welt; Eph 1, 4).

 

Die übrigen Völker werden dagegen für das ewige Feuer bestimmt werden, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist (Nft 25, 41; vgl. 7, 23; 18, 8), und nach dem Gericht vor dem großen weißen Thron, tau­send Jahre später (Offb 20, 11‑15), werden sie dorthin geworfen werden. Ebenso wie die Heere werden sie noch nicht sofort in die Hölle geworfen, sondern getötet (Offb 19, 21); das bedeutet, daß sie noch nicht mit Seele und Leib in die Hölle geworfen werden (vgl. Mt 10, 28), sondern daß ihre Seelen zum Totenreich (Hades) gehen, wo sie auf das Gericht vor dem großen weißen Thron warten (Offb 20, 11‑15), während die gestorbenen Leiber der Soldaten auf der Erde liegen werden (Offb 19, 17. 18; Jes 34, 6. 7; Hes 39, 11‑20 usw.).

 

Doch die Treuen gehen ins Reich ein, das hier das "ewige Leben" genannt wird (Nft 25, 46); das ist natürlich alttestamentliche Sprache und bedeutet hier dasselbe wie in Psalm 133, 3 und Daniel 12, 2, wo es ebenfalls mit der Erde in Verbindung steht und Bezug hat auf die Segnungen der Regierung Christi im Tausendjähri­gen Reich und auf der neuen Erde. Das ist also eine völlig andere Bedeutung als die, die Paulus dem Aus­druck "ewiges Leben" gibt als der Hoffnung der Ver­sammlung (Tit 1, 2; 3, 7). Wir werden es am Ende unseres Wandels als ein Erbe im Himmel empfangen (Röm 5, 21; 6, 22. 23; vgl. 2, 7; Gal 6, 8; 1. Tim 1, 16; 6, 12). Johannes gibt diesem Begriff sogar noch eine viel tiefere Bedeutung; er beschreibt es als etwas, das wir jetzt schon besitzen, denn das ewige Leben ist in Ihm, dem Sohn Gottes Selbst (l. Joh 1, 2; 5, 20); wir haben Ihn als unser Leben, und durch Ihn kennen wir den Vater (Joh 17, 3). Wir müssen also immer gut auf­passen, daß wir bestimmte Ausdrücke nicht aus dem Zusammenhang lösen, sondern genau untersuchen, was der Heilige Geist uns in einem bestimmten Zu­sammenhang damit sagen will.

 

Der Platz der Menschen und der Dämonen im Frie­densreich

 

Wir haben nun gesehen, welche Personen in das Reich eingehen werden, und um einen guten Überblick über die verschiedenen Gruppen zu bekommen, die es sowohl auf der Erde als auch im Himmel und unter der Erde geben wird, ist es sehr nützlich, an dieser Stelle eine Übersicht darüber zu geben.

 

1. Das Vaterhaus: Das ist der ewige, unerschaffene Him­mel, der Wohnort des Vaters und des Sohnes, wo der Sohn nun auch als Mensch weilt und wohin Er uns, die Versammlung, einführen wird (Joh 14, 1‑3). Die Gläubi­gen des A. T und die Gläubigen, die nach der Entrük­kung der Versammlung auferstehen, werden nie dorthin kommen, denn obwohl sie wiedergeboren sind, haben sie kein ewiges Leben in der Bedeutung, die ihm Johan­nes gibt; die Wiedergeburt ist ja eine irdische Sache, aber das ewige Leben ist eine himmlische Sache, das nur die bekommen, die durch den Geist dem ewigen Sohn Gottes glauben und Ihn bekennen (Joh 3, 5‑16. 36). Die gestorbenen und auferstandenen Gläubigen, die nicht zur Versammlung gehören, werden im

 

2. Himmel sein, ‑ also nicht im Vaterhaus, sondern in den himmlischen Sphären, wo auch die Engel sind (Mt 22, 30). Das sind die "höchsten Örter“ aus Daniel 7, die mit den himmlischen Örtern im Epheserbrief ver­gleichbar sind. Vergleiche weiterhin 2. Thess 1, 7. Obwohl sie nicht in das Vaterhaus kommen, sind sie doch weit über die Erdbewohner erhoben, denn sie werden einen himmlischen, verherrlichten Auferstehungsleib haben.

 

3. Die Erde: Hier gibt es zwei Gruppen, nämlich die Israeliten und die Nationen. Bei beiden wird es eine bestimmte Gruppe geben, die den ersten Platz ein­nimmt, nämlich diejenigen, die die Leiden der großen Drangsal durchgemacht haben. In Israel ist das der erlöste Überrest aus Juda, und unter den Nationen ist das die große Volksmenge aus Offenbarung 7, die Schafe aus Matthäus 25. Zweitens wird es sowohl in Israel als auch unter den Nationen eine große Gruppe geben, die erst nach der Wiederkunft von dem Messias hören wird, und Er wird sie dann in die Segnungen des Reiches einführen. In Israel ist das der Überrest aus den zehn Stämmen, und unter den Nationen ist das die Volksmenge, die nach der Wiederkunft von fernher hin­zugefügt werden wird (Jes 66, 18. 19). Drittens wird es sowohl in Israel als auch unter den Nationen eine große Schar Kinder geben, die während des Friedens­reiches geboren wird; das ist das Volk, welches geboren wird, von dem beispielsweise Psalm 22, 30. 31 spricht.

 

4. Der Hades: Während des Tausendjährigen Reiches wird kein einziger Gläubiger mehr im Paradiese sein, denn sie sind alle auferstanden, sei es bei der Auf­nahme der Versammlung, oder sei es bei der Wieder­kunft (Offb 20, 4). Dieser Teil des Hades*) ist also leer, in dem anderen Teil jedoch werden wohl noch Milliar­den von Seelen sein, nämlich an dem "Ort der Qual" (Lk 16, 23. 26. 28) oder "im Gefängnis" (l. Petr 3, 19). Ja, die Ungläubigen werden nicht auferstehen, bis die tausend Jahre vollendet sind (Offb 20, 5). Sogar während des Friedensreiches werden noch viele Seelen zu den Bewohnern dieser Stätte hinzugefügt werden (Ps 101, 8; Jes 65, 20 und Offb 20. 9).

*) Vorausgesetzt, daß das Paradies ein Teil des Hades ist. Zwar heißt es auch von den alttestamentlichen Gläubigen, daß sie im Scheol oder Hades sind (siehe z. B. 1. Mo 37, 35; Hi 17, 16; Ps 88, 3; Ps 89, 48; Hos 13, 14), aber im N. T. hat das Wort "Hades" eine andere Bedeutung (siehe z. B. den Unterschied zwischen Lk 16, 22 und Vers 23).

 

5. Der Feuersee: Das ist die Hölle. Hier halten sich während der tausend Jahre nur das Tier und der fal­sche Prophet auf (Offb 19, 19. 20). Nach den tausend Jahren, wenn die Toten vor dem großen weißen Thron gerichtet sind, werden auch sie in die Hölle geworfen werden.

 

6. Der tiefste Abgrund (tartarus): Diese Stätte wird in 2. Petrus 2, 4 genannt. Hier werden die Engel, die ge­sündigt haben, indem sie ihren ursprünglichen Zustand nicht bewahrt, sondern ihre eigene Behausung verlas­sen haben (Judas 6), mit ewigen Ketten unter der Fin­sternis zum Gericht des großen Tages verwahrt. Dieses Gericht findet sehr wahrscheinlich nach dem Friedens­reich statt, wenn auch der Teufel in die Hölle geworfen werden wird (Offb 20, 10).

 

7. Der Abgrund (abyssus): Dieser Ort wird in Offenba­rung 20, 1‑3 genannt, der "Abgrund", in dem der Teu­fel während der tausend Jahre gebunden sein wird. Einmal, als der Satan in Hochmut verfiel, erlebte er seinen ersten Fall, als Gott ihn aus dem Himmel warf (Jes 14, 12‑15; Hes 28, 12b‑17; Lk 10, 18). Seinen zwei­ten Fall wird er erleben, wenn er in der Mitte der letzten Jahrwoche auf die Erde geworfen wird (Offb 12, 7‑9). Sein dritter Fall wird stattfinden, wenn er zu Beginn des Friedensreiches gebunden in den Abgrund gewor­fen wird, und sein vierter Fall wird stattfinden, wenn er in den Feuersee geworfen wird (Offb 20, 10). Jesaja 24, 21‑23 beschreibt uns mit auffallend großer Überein­stimmung dasselbe Ereignis wie Offenbarung 20, 1‑3: die Heerschar der Höhe (Satan und seine Engel) wird heimgesucht und in den Kerker eingeschlossen; dann wird Jehova der Heerscharen herrschen auf dem Berg Zion und in Jerusalem, und vor Seinen Ältesten wird Herrlichkeit sein.

 

Wir sehen also, daß der Teufel während des Friedens­reiches nicht in der Lage sein wird, die Menschen zu verführen, so daß auch in dieser Hinsicht nichts dem vollen Segen der Regierung Christi im Weg steht. An­dererseits ist dieses "Binden" auch notwendig, damit der Mensch, der im Genuß dieses herrlichen Segens ist, auf die Probe gestellt werden kann, ohne daß Satan seinen Einfluß ausübt. Dadurch wird der natürliche Mensch während dieser letzten Haushaltung, bei der letzten Prüfung dessen, was im Menschen ist, nicht die Schuld auf Satan schieben können, sondern es wird sich deutlich zeigen, daß trotz des Segens im Friedens­reich und trotz der Abwesenheit Satans das Herz des natürlichen Menschen sich nicht verändert, sondern stets böse bleibt. Das werden wir in den folgenden Kapiteln sehen.

 

CHRISTUS, DER WAHRE SALOMO

 

Der König und Seine Braut

 

Endlich Ruhe, endlich Frieden! Endlich der Segen, auf den Jerusalem so lange gewartet hat! Endlich wird dann der Messias in vollkommener, ungestörter Ruhe auf Zion inmitten Seines geliebten Volkes herrschen! Wird das nicht die Zeit sein, in der Jerusalem das herr­liche Lied aus Psalm 45 singen wird? Dort finden wir an erster Stelle die Herrlichkeit des Königs, aber auch die Herrlichkeit Jerusalems, Seiner irdischen Braut. Das himmlische Jerusalem ist die Braut des Lammes (Offb 21, 9. 10), aber das irdische Jerusalem ist die Braut des Königs*).

*) Siehe hierzu die ausführliche Betrachtung über Jerusalem als die Braut des Kö­nigs in meinem Buch über das Hohelied.

Wie herrlich ist der König hier! Er ist der Sohn des Menschen, über die anderen erhaben, und Holdseligkeit ist ausgegossen über Seine Lippen (vgl. Lk 4, 22). Gott hat Ihn zu Seiner Rechten ewig gesegnet (Ps 45, 2). Er wird zurückkehren, um als der wahre David in den Kampf zu ziehen; Seine Rechte wird Ihn Furchtbares lehren, und Völker fallen unter Ihm. Danach wird Er als der wahre Salomo in Aufrich­tigkeit thronen. Er ist der einzige Jude, der je wahrhaft Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehaßt hat, und deshalb hat Gott Ihn mit Freudenöl gesalbt, mehr als Seine Genossen, mehr als den Überrest, der mit Ihm verbunden ist. In orientalischer Bildersprache wird Seine Herrlichkeit als König beschrieben, aber auch die Seiner Braut. Wer ist diese Braut? Kommt sie mit allerlei Ansprüchen auf ihre königliche Ehre? Kann sie Rechte geltend machen, weil ihrer die "Väter" waren (vgl. Röm 9, 5)? Nein. Ihre große Schuld hat ihr alle Rechte genommen (Hes 16), und sie hat ebensowenig Recht auf die königliche Würde wie irgendeine andere Stadt. "Vergiß deines Volkes und deines Vaters Hauses!" Sie wird auf der Grundlage der Gnade angenommen.

 

Der König wird sie begehren, wenn sie ihre Rechte auf­gibt und Ihn als ihren Herrn anerkennt. Das ist Auser­wählung aufgrund der Barmherzigkeit (siehe die wich­tige Belehrung in Römer 9, 1‑29). Sie wird über alle Städte auf der ganzen Erde erhoben werden, sogar über die anderen Städte Judas (Vers 14). Wir wollen aber, bevor wir weiter über das Jerusalem des Friedens­reiches sprechen, erst unsere Aufmerksamkeit auf den König Selbst richten. Wie ausgiebig sprechen die Pro­pheten über Ihn, wenn sie Seine Herrlichkeit an­schauen, die Er im Friedensreich besitzen wird! Er, der König mit menschlicher Abstammung, die Wurzel Isais (Jes 11, 1. 10; vgl. 5, 5; 22, 16), ist gleichzeitig der König­ Jehova der Heerscharen (Sach 14, 9. 17). Er ist König, Gesetzgeber und Richter (Jes 33, 22); ja, der Richter der Lebendigen und Toten (Apg 10, 42; 17, 31). Er ist der König‑Priester auf Seinem Thron, wie Melchisedek Ihn im Vorbild darstellt (Sach 6, 13; 1. Mo 14, 18). Je­der von diesen Titeln gibt uns soviel Stoff zum Nach­denken, weil uns jeder neue Titel die Herrlichkeit unse­res Herrn zeigt, aber leider können wir sie hier nur auf­zählen. Er ist der verheißene Sproß (Sach 3, 8‑10; 6, 12; Jes 4, 2; 11, 1; 53, 2; Jer 23, 5; 33, 15). Er ist der große Sohn Davids, manchmal sogar mit David gleichgesetzt (Jes 55, 3; Jer 23, 5; 30, 9. 21; 33, 15‑26; Hes 34, 23. 24; 37, 24. 25; Hos 3, 5; Amos 9, 11; Lk 1, 32. 33; Ps 89, 3. 4; 132, 10‑17). Laßt uns nachlesen, was die Schrift über unseren Herrn sagt, und uns in die Herrlichkeit Seiner Person vertiefen, vor allem, wenn wir Seine Lieblich­keit in bezug auf Sein Volk entdecken! Er, der ihr Fels der Ewigkeiten ist (Jes 26, 4; vgl. 28, 16; Sach 3, 9; 4, 7) und ihr ewiges Licht (Jes 60, 19; vgl. Vers 1; Sach 2, 5); Er, der der Hirte Seines Volkes sein wird (Jes 40, 11; Mi 5, 3; Hes 34, 23; Ps 23, 1) und ihr Beschützer (Jes­27, 3; 32, 2; Jer 31, 10).

 

Die Herrschaft Christi

 

Um einen Eindruck von der Herrschaft Christi zu be­kommen, die Christus als der wahre Salomo ausüben wird, versuchen wir, Punkt für Punkt zu betrachten.

 

1. Zunächst ist Er König über Zion oder auf Zion. Das ist wichtig, denn Zion ist die Grundlage der Gnade, sowohl für Israel wie für die Nationen. Gott Selbst sagt durch den Geist in Seinem Wort: "Habe doch ich meinen König gesalbt [oder: eingesetzt, vgl. Spr 8, 23] auf Zion, meinem heiligen Berge!" (Ps 2, 6). Wenn Sein Königtum sich auch auf Zion gründet, wird sich Seine Macht doch bis zu den Enden der Erde er­strecken (Vers 8; siehe Punkt 3). Wie oft sprechen die Propheten doch über Zion als die Grundlage der Kö­nigsherrschaft (Jes 24, 23; 25, 10; Obad 21; Mi 4, 7; Zeph 3, 15‑17; Sach 2, 5‑11; 9, 9; Ps 48, 1. 2; Ps 99, 2; 132, 11‑18; 146, 10; 149, 2)! Und mit Ihm vereinigt auf dem Berg der Gnade wird der Überrest stehen, ange­nommen aufgrund der Gnade (Offb 14).

 

2. Von Zion aus wird Christus über Israel regieren. Er ist der "Schößling", der auf den hohen Berg Israel gepflanzt werden wird, "und er wird Zweige treiben und Frucht tragen und zu einer herrlichen Zeder werden" (Hes 17, 22. 23). Als den König Israels sieht Matthäus Ihn (vgl. Punkte 3 und 4; Mt 1, 6. 21‑23; 2, 2. 6; 3, 2; 4, 17. 23 usw.). Beachte, daß es nicht Israel ist, wie es früher war, sondern es wird größer sein als selbst zur Zeit Salomos. Dann wird es seine eigentlichen Grenzen haben, wie sie schon in 1. Mose 15, 18 und in Sa­charja 9, 10 und anderen Stellen angegeben sind: Chri­stus wird über Sein Volk herrschen vom Nil bis zum Euphrat. Dann wird Israel erst wirklich der "Mittel­punkt der Erde" sein, wenn Christus von Israel aus über die Welt regieren wird (5. Mo 32, 8. 9; Hes 38, 12). Dann wird Jerusalem als Königin auf der Erde erstrah­len, und die anderen Städte Judas werden "Jungfrauen hinter ihr her, ihre Gefährtinnen" sein (Ps 45, 11. 14). Wahrscheinlich wird es einen Unterkönig aus dem Ge­schlecht Davids geben, der auf der Erde im Namen des Königs über Israel regieren wird (Hes 44, 3; 45, 13‑17; vgl. Jer 30, 21).

 

3. Aber Christus ist nicht nur König über Israel, Er ist auch das Panier der Völker und das Licht der Nationen (Jes 11, 10; 42, 6; 49, 6. 7; 51, 4; 55, 4; Sach 9, 10). Er wird bis an die Enden der Erde regieren und König über alle Völker sein (Jes 54, 5; Sach 14, 9; Ps 2, 8; 72, 8). Er wird die Nationen richten in Gerechtigkeit und Geradheit (Jes 11, 3‑5; 32, 1. 2; 51, 4‑8; 60, 17; Jer 23, 6; 33, 15. 16; Mi 4, 3; Ps 72, 1‑7. 12‑17; 85, 8‑13; 96, 10‑13; 99, 4; 101, 6‑8). Er ist nicht nur der König der Juden, der über die Juden herrscht, Er ist auch der Sohn des Menschen, der über alle Menschen regiert; so sieht Lukas Ihn, obwohl nicht direkt als König im Friedensreich, sondern mehr in moralischer Hinsicht: als den letzten Adam (Lk 3, 38), den wahren Sohn des Men­schen, der der ganzen Menschheit die Gnade Gottes offenbart (4, 22; 23, 14. 47); aber doch auch als Denjenigen, der in Sein Reich kommen wird und alle Menschen mit Furcht erfüllen wird (23, 42; 21, 25‑27). Wenn wir jedoch über Seinen Titel "Sohn des Menschen" spre­chen, müssen wir eigentlich noch weiter denken als allein an die Erde, denn Psalm 8 bezieht unter diesem Titel das ganze Universum ein. Das ist Punkt 4.

 

4. In Matthäus 28, 18 sagt Christus: "Mir ist alle Ge­walt gegeben im Himmel und auf Erden. "Wir sehen Ihn hier als den König, der Sich an der Stätte der Ver­achtung (Galiläa) an den Überrest aus Israel wendet, an dem Berg, der vorbildlich von dem Reich spricht, wie wir schon früher gesehen haben; dort erscheint der Herr den Elfen, gibt ihnen den Auftrag, das Reich zu verkündigen, und verheißt ihnen Seine Treue bis zur Vollendung des Zeitalters. Was wir hier finden, geht weiter als Punkt 3, denn nicht nur die Erde steht unter Seiner Regierung, sondern auch über die Himmel, über die ganze Schöpfung wird Er regieren. Es ist das Geheimnis des Willens Gottes gewesen in bezug auf die Verwaltung der Fülle der Zeiten, alles, was in den Him­meln und was auf der Erde ist, unter ein Haupt zusam­menzubringen in dem Christus (Eph 1, 9. 10). Gott hat den Sohn zum Erben aller Dinge gemacht (Hebr 1, 2), aber nicht nur das: wir, die zur Versammlung gehören, sind zu Miterben gemacht und werden mit Christus 11ber alle Dinge regieren (Eph 1, 11; Röm 8, 17); Chri­stus ist uns als Haupt über alles gegeben (Eph 1, 22), und wir gehören nicht mehr zu dieser Schöpfung, dem "Kosmos", über den wir mit Ihm regieren werden (Joh 17, 14. 16; 2. Kor 5, 17; Gal 6, 15). Ja, das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Of­fenbarung der Söhne Gottes (Röm 8, 19‑22; Kol 3, 4; 1. Joh 3, 2). Aber wir wollen nicht über unsere zukünf­tige Herrlichkeit sprechen, sondern über die Herrlich­keit Christi. Aufgrund wovon wird Christus bald in Herrlichkeit regieren? Sicher, Er ist der Schöpfer aller Dinge, und als solcher hat Er Recht auf die Schöpfung und auf die Herrschaft darüber, denn nicht allein ist alles durch Ihn, sondern auch für Ihn geschaffen (Joh 1, 3; Kol 1, 16. 17; Hebr 1, 2. 10‑12; Offb 3, 14). Aber wir müssen gut verstehen, daß Christus nicht ohne weiteres über die Schöpfung regieren wird, sondern über eine gereinigte*) Schöpfung, in der Gerechtigkeit herrschen wird (Röm 8, 20‑21; Jes 65, 17; 66, 22; 32, 1. 15‑17 usw.).

*) Das ist noch nicht die vollkommene Reinigung, denn die findet statt, wenn der neue Himmel und die neue Erde kommen werden. Die Reinigung beginnt mit dem Gericht über die Feinde und endet mit der Beseitigung des Todes (l. Kor 15, 24‑28).

 

Es ist äußerst wichtig, zu verstehen und zu begreifen, aufgrund wovon Christus diese Schöpfung reinigen wird. Denn es ist zwar so, daß Christus allein durch das Wort Seiner Macht die Welten ins Dasein gerufen hat (Hebr 11, 3; Ps 33, 9), aber es ist unmöglich, daß Er durch nichts anderes als Sein Wort die Schöpfung, die unter den Folgen der Sünde seufzt, reinigen konnte. Gott ist es Seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit schuldig, die Sünde zu richten. Er kann die Sünde nicht aus der Schöpfung fortschaffen, ohne sie zu richten. Und dieses Gericht hat Er auf Christus kommen lassen, der der einzige Reine und Sündlose war. "Denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in ihm zu wohnen und durch ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen, ‑ indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes ‑ durch ihn, es seien die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln" (Kol 1, 19. 20). Nur durch das Blut Christi, der das vollkommene Wohlgefallen der ganzen Gottheit war (vgl. Kol 2, 9), wird die Schöpfung, die Gott durch die Ungerechtigkeit entfremdet war, mit Gott versöhnt wer­den. Beachte: alle Dinge, nicht alle Menschen (Offb 21, 4‑8). Gerade weil Er Gerechtigkeit liebte, konnte Gott Ihn mehr als Seine Genossen salben (Ps 45, 7; Hebr 1, 9). Gerade weil Er gehorsam war bis zum Tod am Kreuz, und aus keinem anderen Grund, hat Gott Ihn über die Maßen erhöht und "ihm einen Namen ge­geben, der über jeden Namen ist, auf daß in dem Na­men Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge be­kenne, daß Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters" (Phil 2, 8‑11; vgl. Jes 42, 8; 45, 23; 48, 11; 66, 23). Gerade weil Er die Reinigung der Sün­den bewirkt hat, ist Er zur Rechten der Majestät in der Höhe erhöht worden (Hebr 1, 3). Es war nicht genug, daß Er der Erstgeborene der ganzen Schöpfung wurde (Kol 1, 15), indem Er Blut und Fleisch annahm (Hebr 2, 14), sondern Er mußte auch der Erstgeborene aus den Toten werden, auf daß Er in allem den Vorrang habe (Kol 1, 18; vgl. Hebr 1, 6‑, Offb 1, 5). Als Der­jenige, der tot war und lebendig geworden ist, hat Er Recht auf Herrschaft (Offb 1, 18). Einst wird Er alle Dinge versöhnen, aber wir sind jetzt schon mit Gott versöhnt und werden mit Ihm herrschen (Kol 1, 19‑22). Wie wichtig sind diese Dinge! Nicht nur als der ewige Sohn Gottes wird Er regieren, sondern vor allem auch als der verworfene Sohn des Menschen, wie Psalm 8 Ihn schildert. "Denn nicht Engeln hat er unterworfen den zukünftigen Erdkreis, von welchem wir reden; es hat aber irgendwo jemand bezeugt und gesagt: Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, oder des Menschen Sohn, daß du auf ihn siehst? Du hast ihn ein wenig unter die Engel erniedrigt; mit Herrlichkeit und Ehre hast du ihn gekrönt und ihn gesetzt über die Werke deiner Hände; du hast alles seinen Füßen unterworfen.' Denn indem er ihm alles unterworfen, hat er nichts gelassen, das ihm nicht unterworfen wäre; jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen. Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ‑ so daß er durch Gottes Gnade für alles den Tod schmeckte" (Hebr 2, 5‑9). Eine deutlichere Übersicht über das, was wir behandelt haben, ist nicht denkbar. Hier sehen wir Christus, der mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist, nachdem Er für alles den Tod geschmeckt hat. Der Tod des verworfenen Menschen­sohnes ist die Grundlage zur Reinigung der Schöpfung und für die Herrschaft Christi über sie. Aber die Fortsetzung von Hebräer 2 lehrt uns, was wir auch schon in Kolosser 1 gesehen haben: uns hat Christus jetzt schon erlöst, ja, gerade im Hinblick auf uns ist Er in den Tod gegangen, obwohl sich die segensreichen Folgen Seines Todes auf die ganze Schöpfung erstrek­ken. Nirgends lesen wir, daß Christus die Schöpfung geliebt hat, sondern Er hat die Versammlung geliebt und Sich Selbst für sie hingegeben (Eph 5, 25; vgl. Vers 2; Gal 2, 20; Joh 15, 13). Aber ist es nicht herr­lich, daß dann, wenn diese Versammlung verherrlicht sein wird und sie der Schöpfung offenbar werden wird,

auch die Schöpfung den Segen des Werkes Christi er­fahren wird?

 

5. Doch es gibt noch einen fünften Punkt; die Macht und die Herrlichkeit des Herrn reichen noch weiter als die Herrschaft über alle Dinge, und das lehrt uns der Apostel Johannes. Jesus, wissend, daß der Vater ihm alles in die Hände gegeben" hatte, und: "Der Vater liebt den Sohn und hat alles in seine Hand gegeben" (Joh 13, 3; 3, 35). Ist dieses "alles" denn nicht dasselbe wie in Epheser 1, 10 oder Kolosser 1, 16‑20? Nein. Die­ser Unterschied wird uns sofort deutlich, wenn wir den Unterschied verstehen zwischen dem, was Gott Chri­stus schenkt und dem, was der Vater dem Sohn schenkt. Christus (der Gesalbte) ist von Gott als König über Zion gesalbt (Ps 2), und als Sohn des Menschen wird Er diesen Platz tatsächlich einnehmen, ja, Er wird über die ganze Schöpfung herrschen, weil Er als der verworfene Menschensohn für alles den Tod ge­schmeckt hat (Ps 8; Hebr 2). Aber das sind irdische Dinge, die sich weit von den himmlischen Dingen un­terscheiden, den Geheimnissen des Vaterhauses (vgl. Joh 3, 12). Es ist so, daß der Vater dem Sohn Macht gegeben hat, Gericht zu halten, weil Er des Menschen Sohn ist (Joh 5, 27), aber was Vers 20 sagt, geht dar­über hinaus: "Der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er selbst tut." Gott hat den Menschen­sohn wirklich mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt, aber was ist das, verglichen mit der ewigen Herrlichkeit, die Christus als der ewige Sohn von Ewigkeit her bei dem Vater hatte, ehe die Welt war! (Joh 17, 5. 24). Aber jetzt kommt das Wunderschöne: Christus ist Mensch geworden, und obwohl Er zur gleichen Zeit im Himmel war und in gewisser Hinsicht nie den Schoß des Vaters verlassen hat (Joh 1, 18; 3, 13), so war Er doch zugleich vollkommener Mensch auf der Erde und hat hier auf der Erde das Werk vollbracht, das der Vater Ihm zu tun gegeben hatte (Joh 17, 4). Und dieses Werk war: uns das Herz des Vaters vollkommen zu offen­baren und Ihn darin zu verherrlichen (Joh 1, 18; 3, 17; 15, 15; 17, 3; 1. Joh 1, 2; 5, 20; Mt 11, 27). Weil Er die­ses Werk vollbracht hat (Joh 19, 30), hat Gott die Herr­lichkeit, die Christus als der ewige Sohn von Ewigkeit her besaß, jetzt auch Christus als dem wahrhaftigen Menschen gegeben. Christus besitzt jetzt im Himmel als Mensch dieselbe Herrlichkeit, die Er von Ewigkeit her als Gott der Sohn besaß. Und nicht nur das ‑ Er hat dieselbe Herrlichkeit, die Er jetzt als Mensch be­sitzt, uns gegeben. Es wird eine Zeit kommen (das Friedensreich), in der der ganze Kosmos Seine Herr­lichkeit sehen wird, und daran wird der Kosmos erken­nen, daß der Vater den Sohn gesandt und uns geliebt hat, wie Er den Sohn geliebt hat (Joh 17, 22. 23). Welch ein Wunder der Liebe! Das ist sogar noch herr­licher als die Tatsache, daß wir Miterben Christi sind und mit Ihm herrschen werden. Alles, was in dem Her­zen des Vaters war und was Seine Liebe ausdenken konnte, hat Er Seinem Sohn geschenkt, weil dieser als Mensch das Wohlgefallen des Vaters vollkommen er­füllt hat; aber dieses ganze Werk des Sohnes wird uns aus Gnade zugerechnet, so daß wir dieselben Segnun­gen empfangen wie Christus. Wir sind gesegnet mit je­der geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo und begnadigt in dem Geliebten (Eph 1, 3. 6). Sollten diese Dinge keine Anbetung in dem Herzen eines jeden Kindes Gottes bewirken?

 

Der Wiederaufbau Jerusalems und des Tempels

 

Wir wollen nun unsere Gedanken lösen von der himm­lischen Herrlichkeit des Friedensreiches und uns mit den Segnungen der irdischen Braut, mit Jerusalem, be­schäftigen. Obwohl das alles irdisch ist, wird doch auch ihr Segen alles übertreffen, was sie bis jetzt besessen hat, und zum Schluß dieses Kapitels wollen wir uns, in Übereinstimmung mit unserem eigentlichen Thema, damit beschäftigen. Das erste, was unsere Aufmerk­samkeit in Anspruch nimmt, ist natürlich das, was als erstes mit der Stadt geschieht, nachdem der völlige Friede eingeführt ist. Das ist der Wiederaufbau der Stadt und aller anderen Städte Judas (Ps 69, 35). Dieser Wiederaufbau wird von verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet. In erster Linie wird es das Werk Jehovas Selbst sein: Er wird Jerusalem bauen (PS 147, 2; vgl. Jer 33, 4. 6) und alle ihre Trümmer trösten (Jes 51, 3). Manchmal wird dieser Wiederaufbau mehr im allge­meinen Sinn erwähnt, aber dann doch immer mit dem Segen Jehovas im Hintergrund: die Stadt wird dem Jehova wiederaufgebaut werden, und wir finden sogar einen Hinweis auf ihren Umfang: mit dem Turm Hananel, dem Ecktor, dem Hügel Gareb, Goah, dem Bach Kidron, dem Roßtor, dem Tor Benjamin und den Keltern des Königs (Jer 30, 16‑18; 31, 38‑40; Sach 14, 10. 11). Aber Jehova ist Christus, und so wird auch Er als der Erbauer vorgestellt, wie im Vorbild in Kores (Jes 44, 26‑28; 2. Chron 36, 23; Es 1, 2). Er wird natürlich nicht allein bauen, Sein Volk wird Ihm dabei helfen, ja, sie werden genannt werden: Vermaurer der Lücken, Wiederherstel­ler bewohnter Straßen (Jes 58, 12; 61, 4). Auch wird es Fremdlinge geben, die kommen, um bei dem Bau mit­zuhelfen (Jes 60, 10).

 

Diese Fremdlinge werden nicht nur bei dem Wiederauf­bau der Stadt helfen, sondern auch bei dem Wiederauf­bau des Tempels (Jes 60, 12. 13; Sach 6, 15). Das ist sehr wichtig, denn der Tempel wird eine Vorrangstellung im Friedensreich einnehmen und die Pracht Jerusalems noch erhöhen. Es ist der Vorsatz Jehovas, daß dieser Tempel wieder gebaut wird (Hes 37, 26‑28; Sach 1, 16), und der Messias Selbst wird an ihm bauen (Sach 6, 12. 13; vgl. Jes 44, 28). Wie wir gesehen haben, wird in der letzten Jahrwoche auch ein Tempel da sein, anfänglich von Gott noch anerkannt, weil der Überrest dort an­betet (Offb 11, 1), aber später, wenn in der Mitte der Woche der Opferdienst eingestellt wird und der Greuel­dienst des Antichristen aufgerichtet wird, verabscheut Gott diesen Tempel (Offb 11, 2; Jes 66, 1‑6); dieser Tempel wird bei der Einnahme Jerusalems vernichtet (Ps 74, 3. 7; 79, 1).*)

*) Insgesamt wird es also sieben Tempel geben: den Tempel Salomos, den Serub­babels, den des Herodes, den stofflichen Leib des Herrn Jesus (Joh 2, 19‑21), die Ver­sammlung (l. Kor 3, 16), den Tempel des Antichristen und den Tempel in Hesekiel.

 

Aus Daniel 12, 11 kann vielleicht gefolgert werden, daß von der Aufrichtung des Greuels bis zur Wiederherstellung des neuen Tempels 1290 Tage vergehen werden. Wie wichtig dieser neue Tempel ist, wird aus der ausführlichen Beschreibung klar, die wir in Hesekiel 40‑43 von ihm finden. Dort sieht der Pro­phet im Geist nacheinander die Tore und Vorhöfe, da­nach das eigentliche Tempelgebäude, die Zellen der Priester und schließlich "das Gesetz des Hauses". Es wird wieder einen Altar geben, auf dem geopfert wird, aber die Bundeslade wird man dort vergeblich suchen (Jer 3, 16), denn wenn der Messias, "das Ersehnte aller Nationen" (Hag 2, 7‑10) kommt, wird Er das Haus mit Herrlichkeit füllen, und die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste.

 

Die Rückkehr der Herrlichkeit Gottes

 

Das führt uns zu einem wichtigen Punkt. Wie wir wis­sen, verließ die Herrlichkeit Jehovas den Tempel wäh­rend der Regierung des gottlosen Königs Zedekia, als die Sünde Israels und Judas ihren Höhepunkt er­reichte. Wir finden das deutlich beschrieben in Hese­kiel 10, 18‑22; 11, 22. 23. Seitdem lesen wir nirgends, daß die Herrlichkeit Jehovas den Tempel jemals noch erfüllt hat. Das ist auch nicht möglich, denn Israel war danach "Lo‑Ammi", d. h. "Nicht‑mein‑Volk" (Hos 1, 9), und die Herrschaft über die Erde war auf die Nationen übergegangen (Dan 2, 37. 38). Erst wenn diese "Zeiten der Nationen" (Lk 21, 24) erfüllt sind, wird die Herr­lichkeit Jehovas wieder zum Tempel zurückkehren, wie das ausführlich in Hesekiel 43, 1‑9 beschrieben wird. Von dem Augenblick an wird der Tempel wieder der Ort des Thrones Jehovas sein und der Ort Seiner Fußsohlen, wo Er inmitten der Kinder Israel ewig wohnen wird (Hes 43, 7; Jer 3, 17; vgl. Jes 2, 2‑5; Mi 4, 1‑5; Hab 2, 20). Wie auch aus den letzten Versen hervorgeht, wird sich der Segen des Tempels zu allen Völkern hin erstrecken, denn das Haus Gottes wird ein Bethaus genannt werden für alle Völker (Jes 56, 7), ja, viele werden kommen, um dem Haus Ehre zu er­weisen (Jes 60, 7‑13). Das Volk wird den Most trinken in den Vorhöfen des Heiligtums Gottes (Jes 62, 9), und ihre Opfergabe wird Jehova angenehm sein (Mal 3, 4; Ps 51, 18. 19). Der Opferdienst wird von levitischen Priestern ausgeübt werden (Jer 33, 18. 21. 22; Mal 3, 3), und zwar von den Söhnen Zadoks (Hes 40, 46; 43, 19; 44, 15; 48, 11), entsprechend der Verheißung in 1. Sa­muel 2, 35. Auch in den Psalmen finden wir diese The­men ausführlich behandelt; die Wiederherstellung des Tempels beispielsweise in Psalm 127, 1 (ein Psalm von Salomo!), Psalm 132, 13‑18, und das Priestervolk in den Psalmen 133 und 134. Und was den Segen des einzel­nen Gläubigen in dem neuen Tempel betrifft, siehe u. a. Psalm 65, 4; 116, 17‑19; 135, 1‑4; 138, 2. Sie wer­den das Gesetz und das Wort Jehovas halten, das vom Heiligtum ausgehen wird (Jes 2, 3; Mi 4, 2), und sie werden auch das Laubhüttenfest feiern (Hos 12, 10; Sach 14, 16‑21), das in sich selbst solch ein schönes Bild vom Tausendjährigen Reich ist (vgl. 2. Mo 23, 16; 3. Mo 23, 33‑36; 4. Mo 29, 12‑38; 5. Mo 16, 13‑15; Neh 8, 14‑19; Joh 7, 2. 37).

 

Ist es ein Wunder, daß Jerusalem tatsächlich im Friedens­reich die Königin der Erde sein wird, wenn wir sehen, daß die Herrlichkeit Jehovas den Tempel erfüllen wird, daß der Messias auf Zion den Sitz Seiner Herrschaft grün­den wird und daß Jehova in Jerusalem inmitten Seines Volkes wohnen wird? Jauchze und jubele, Bewohnerin von Zion! denn groß ist in deiner Mitte der Heilige Isra­els" (Jes 12, 6). "Und ihr werdet erkennen, daß ich, Jehova, euer Gott bin, der auf Zion wohnt, meinem hei­ligen Berge. Und Jerusalem wird heilig sein, und Fremde werden es nicht mehr durchziehen" (Joel 3, 17). Jubele und freue dich, Tochter Zion! denn siehe, ich komme und werde in deiner Mitte wohnen, spricht Je­hova. Und an jenem Tage werden viele Nationen sich an Jehova anschließen, und sie werden mein Volks sein; und ich werde in deiner Mitte wohnen" (Sach 2, 10. 11). Die Nationen werden nach Jerusalem hinaufziehen, um Jehova der Heerscharen in Jerusalem zu suchen und die Gunst Jehovas zu erflehen (Sach 8, 20‑23; vgl. 14, 16; Ps 68, 29).

 

Die neuen Namen der Stadt

 

Diese Gegenwart Jehovas in der "geliebten Stadt“ (Offb 20, 9) ist der Anlaß, die Stadt mit herrlichen neuen Namen zu schmücken, von denen wir fünf nennen wol­len (Jes 62, 2).

1. Ir Jahweh Zion Qadosch Israel ‑"Stadt Jehovas, Zion des Heiligen Israels" (Jes 60, 14). Das ist der Name, mit dem die Bedrücker Israels die Stadt benennen werden, wenn sie demütig zu ihr kommen.

2. Kiss Jahweh ‑ "Der Thron Jehovas" (Jer 3, 17; vgl. 1. Chron 29, 23). So werden die Nationen sie nennen, wenn sie dorthin hinaufziehen, um Jehova zu suchen.

3. Jahweh Schammah ‑"Jehova daselbst" (Hes 48, 35). Hier sagt der Heilige Geist Selbst, daß das fortan der Name der Stadt sein soll.

4. Ir Ha‑emet, Har Haqodesch ‑ "Stadt der Wahrheit, der heilige Berg" (Sach 8, 3). Das ist der Name, den Jehova der Stadt gibt, wenn Er Seine Verheißung gibt, nach Zion zurückzukehren und inmitten Jerusalems zu wohnen.

5. Qirjat Melech Rav (Polis tou Megalou Basileos)

 

"Die Stadt des großen Königs" (Ps 48, 2; Mt 5, 35). So nennt der Herr Jesus Jerusalem.

 

Vier von diesen Namen deuten direkt auf die Gegen­wart Jehovas in Jerusalem hin, zwei auf das, was Er dort ist (Thron, König) und zwei auf Seine Eigenschaf­ten (der Heilige, Wahrheit).

 

Der Segen Jerusalems

 

Welch ein Segen wird es sein, in dieser Stadt wohnen zu dürfen! Es wird dann keine Stadt auf der Erde ge­ben, die als Wohnort begehrter sein wird als diese. "Als offene Stadt wird Jerusalem bewohnt werden [oder: als Stadt ohne Mauern] wegen der Menge Men­schen und Vieh in seiner Mitte. Und ich, spricht Jehova, werde ihm eine feurige Mauer sein ringsum, und werde zur Herrlichkeit sein in seiner Mitte" (Sach 2, 4. 5). "Es werden noch Greise und Greisinnen in den Straßen von Jerusalem sitzen, ein jeder mit seinem Stabe in seiner Hand vor der Menge der Tage [vgl. Jes 65, 20]. Und die Straßen der Stadt werden voll sein von Knaben und Mädchen, die auf seinen Straßen spielen. So spricht Jehova der Heerscharen: Wenn es wunder­bar ist in den Augen des Überrestes dieses Volkes in jenen Tagen, wird es auch in meinen Augen wunderbar sein? spricht Jehova der Heerscharen. So spricht Jehova der Heerscharen: Siehe, ich werde mein Volk retten aus dem Lande des Aufgangs und aus dem Lande des Untergangs der Sonne; und ich werde sie herbeibringen, und sie werden wohnen inmitten Jerusalems; und sie werden mein Volk, und ich werde ihr Gott sein in Wahrheit und in Gerechtig­keit" (Sach 8, 4‑8).

 

Welch ein herrlicher Abschnitt! Welch ein Trost für Je­rusalem! Was für eine gnädige Zukunft für diese be­drängte Stadt! Ja, Jehova verlangt brennend danach, diese Verheißung zu erfüllen, denn Er eifert für diese Stadt mit einem großen Eifer (Vers 2; vgl. 1, 12‑17). Er verlangt danach, das Volk Jerusalems mit großer Pracht zu bekleiden, so daß sie zum Schmuck werden für die ganze Welt, eine prachtvolle Krone in der Hand Jehovas und ein königliches Diadem in der Hand Gottes (Jes 4, 2; 46, 13; 62, 2‑5; Sach 2, 5). Dem gerechten Volk Jerusalems wird Er große Macht ver­leihen (Jes 60, 21. 22; Mi 4, 8). Er wird die Stadt beschützen vor dem Wetter und vor den Feinden (Jes 4, 5. 6; Sach 2, 5), so daß sie eine sichere Wohn­stätte sein wird, ein Zelt, das nicht wandern wird (Jes 33, 20). Er wird ihre Bewohner mit ewiger Freude erfüllen und kein Kummer wird sie mehr befallen (Jes 35, 10; 51, 11; 66, 10‑14; Jer 31, 12; 33, 10. 11; Zeph 3, 16. 17). Dann werden sie ein Lied anstimmen über ihre starke Stadt und über Gott, der Rettung setzt zu Mauern und zum Bollwerk (Jes 26, 1. 2). Ja, dann wird das herrliche Lied gesungen werden, das wir durch die ganze Schrift hin finden, aber das erst im Friedensreich wirklich seinen Platz einnimmt: Hodu Le‑Jahweh Ki‑Tov, Ki Le‑olam chasdö! "Preiset Jehova, denn er ist gütig, denn seine Güte währt ewiglich!" (siehe 1. Chron 16, 34. 41; 2. Chron 5, 13; 7, 3. 6; 20, 21; Es 3, 11; Ps 100, 5; 106, 1; 107, 1; 118, 14; 136, 1‑26, und vor allem Jer 33, 11). Jehova wird dem Volk Jerusalems alle irdischen Segnungen schenken, über die Mose schon in 5. Mose 28, 1‑6 ge­sprochen hatte. Es gibt zahllose Stellen in der Schrift, wo wir von den Segnungen der Fruchtbarkeit und der Wohlfahrt lesen, die die Israeliten im Friedensreich ge­nießen werden, aber eine Anzahl spricht gerade gezielt über die besonderen Segnungen der Bewohner Jerusa­lems. Jehova wird sie überreich segnen mit Schafen, Rindern, Eseln, mit dem Regen für die Äcker, Korn, Most, Öl, Brot, mit Weiden, Gärten, Wasserströmen, Licht, Sicherheit und Frieden (Jes 30, 23‑26; 32, 15‑20; 51, 3; 60, 13; 66, 12‑14; Jer 31, 12; Joel 2, 23‑27; Ps 72, 16; 147, 12‑14). Ja, es wird Segen und Frieden herrschen im Pflanzen‑ und Tierreich, Israel und allen Nationen zuliebe (Jes 11, 6‑9; 29, 17; 35, 1. 2. 8. 9; 41, 18‑20; 43, 19. 20; 55, 12. 13; 65, 10. 25; Hes 34, 25‑31; Hos 2, 18; Joel 2, 22; Sach 3, 10).

 

Die Segnung der Nationen

 

Welch herrliche Ausblicke werden hier überall geöff­net! Zwar haben wir eine bessere Hoffnung, aber für den gläubigen Juden, der die große Drangsal durch­machen wird, müssen doch diese Segnungen zu einer herrlichen Erwartung werden. Dann werden die Nati­onen, die ihn jetzt unterdrücken, zitternd herbeikom­men und sich dem Messias unterwerfen (Mi 7, 16. 17). Jetzt noch sind die Juden zur Spottrede unter allen Völkern (5. Mo 28, 37; 1. Kön 9, 7; 2. Chron 7, 20; Ps 44, 14; Jer 24, 9; 29, 18; 42, 18). Aber dann wird Jerusalem zu einem Loblied unter den Nationen wer­den (Jer 33, 9; Zeph 3, 20; Jes 46, 4‑11; 48, 9‑14‑1 vgl. die Psalmen 96‑100). Wir haben gesehen, daß der Messias bis an die Enden der Erde regieren wird und daß Er alle Nationen in Geradheit richten wird; wir haben auch gesehen, daß der Sitz Seiner Herrschaft in Jerusalem sein wird. Läßt uns das nicht erkennen, welch hohen Platz Jerusalem dann unter den Nationen einnehmen wird? Man wird Jerusalem den Thron Je­hovas nennen, wie wir dort gesehen haben, und alle Nationen werden sich dorthin versammeln wegen des Namens Jehovas in Jerusalem (Jer 3, 17).

 

Ist das nicht gewaltig? Jetzt wohnt Gott im Him­mel, und Er offenbart Sich als der Gott des Himmels (Dan 2, 37. 38 zeigt uns den Grundsatz); aber dann wird Er der Gott Israels sein, der in Jerusalem wohnt. Und wenn die Nationen Gott nahen wollen, dann wer­den sie nicht in ihren eigenen Tempeln und Gottes­häusern zu Gott beten, sondern sie werden nach Jerusalem hinaufziehen! Gottes Tempel in Jerusalem wird ein Bethaus genannt werden für alle Nationen (Jes 56, 7). Von dort werden das Wort und die Gerichte Jehovas ausgehen (Jes 2, 2. 3); dort werden die Nationen den Messias finden (Jes 11, 10); dort finden sie Licht und Herrlichkeit (Jes 60, 3); dorthin werden sie ihren Reichtum bringen und für die Israeliten Arbeit verrich­ten (Jes 60, 10‑14; 61, 5); dort sehen sie auch die furcht­bare Erinnerung an das Gericht Jehovas (Jes 66, 24); dort werden sie vor Jehova anbeten (Jes 66, 23; Zeph 2, 11) und Ihm opfern (Jes 56, 6. 7); dort werden sie Gemeinschaft mit Jehova suchen (Sach 2, 11); dort werden sie die Gunst Jehovas erflehen (Sach 8, 20‑22); und dorthin werden sie Jahr für Jahr hinaufziehen, um das Laubhüttenfest zu feiern (Sach 14, 16).

 

Dort, an diesem herrlichen Ort, auf Zion, dem heiligen Berg, wird Jehova der Heerscharen für alle Nationen ein Festmahl bereiten von „Fettspeisen, ein Mahl von Hefenweinen, von markigen Fettspeisen, geläuterten Hefenweinen. Und er wird auf diesem Berge den Schleier vernichten, der alle Völker verschleiert, und die Decke, die über alle Nationen gedeckt ist. Den Tod verschlingt er auf ewig; und der Herr, Jehova, wird die Tränen abwischen von jedem Angesicht, und die Schmach seines Volkes wird er hinwegtun von der ganzen Erde. Denn Jehova hat gesprochen" (Jes 25, 6‑8). Und alsdann wird Er die Lippen der Völker in reine Lippen umwandeln, damit sie alle den Namen Jehovas anrufen und Ihm einmütig dienen (Zeph 3, 9). Dann wird die Erde voll sein der Erkenntnis der Herrlichkeit Jehovas, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedek­ken (Jes 11, 9; Hab 2, 14; vgl. 4. Mo 14, 21).

 

"Du aber, Jehova, bleibst auf ewig, und dein Gedächt­nis ist von Geschlecht zu Geschlecht. Du wirst auf­stehen, wirst dich Zions erbarmen; denn es ist Zeit, es zu begnadigen, denn gekommen ist die bestimmte Zeit; denn deine Knechte haben Gefallen an seinen Steinen und haben Mitleid mit seinem Schutt. Und die Nati­onen werden den Namen Jehovas fürchten, und alle Könige der Erde deine Herrlichkeit. Denn Jehova wird Zion aufbauen, wird erscheinen in seiner Herrlichkeit; Er wird sich wenden zum Gebet des Entblößten, und ihr Gebet wird er nicht verachten. Das wird aufge­schrieben werden für das künftige Geschlecht; und ein Volk, das erschaffen werden soll, wird Jehova loben. Denn er hat herniedergeblickt von der Höhe seines Heiligtums, Jehova hat herabgeschaut vom Himmel auf die Erde, um zu hören das Seufzen des Gefangenen, um zu lösen die Kinder des Todes; damit man den Na­men Jehovas verkündige in Zion, und in Jerusalem sein Lob, wenn die Völker sich versammeln werden allzumal, und die Königreiche, um Jehova zu dienen" (PS 102, 12‑22).

 

DIE ENDGESCHICHTE JERUSALEMS

 

Die Sünde wohnt noch auf der Erde

 

Eigentlich hätten wir wünschen können, mit dem vori­gen Kapitel zu enden, wo wir die Herrlichkeit Jerusa­lems im Friedensreich gesehen haben. Aber die Ge­schichte Jerusalems ist noch nicht abgelaufen, und wir müssen sie bis zu ihrem Ende verfolgen. Es ist nämlich so, daß das Ende des Friedensreiches sehr verschieden sein wird von seinem ruhmreichen Anfang. Es wird tat­sächlich während der tausend Jahre auf der Erde Herr­lichkeit sein, aber es ist die Herrlichkeit Christi und Seiner Versammlung und die Herrlichkeit derer, die auf der Erde wirklich wiedergeboren sind. Und es wird tat­sächlich auf der Erde Gerechtigkeit sein, aber es ist die Gerechtigkeit Christi, mit der Er über die Erde regie­ren wird. Gerechtigkeit wird dann auf der Erde herr­schen, aber die Sünde wird dort wohnen. Erst auf der neuen Erde wird Gerechtigkeit wohnen (2. Petr 3, 13), wenn die Sünde von der Erde weggetan ist; aber im Friedensreich herrscht die Gerechtigkeit mit Gewalt und hält so die Äußerungen der Sünde im Zaum. Der Zustand im Friedensreich gleicht mehr der Zeit Noahs nach der Sintflut, als er über eine gereinigte Erde herrschte; aber die Sünde wohnte noch dort, und das Böse mußte durch die Obrigkeit im Zaum gehalten werden. Der Zustand auf der neuen Erde stimmt mehr mit dem Paradies vor dem Sündenfall überein, als der Mensch die Gemeinschaft mit Gott ohne Anwesenheit der Sünde genoß; mit dem Unterschied, daß der Mensch damals wohl sündigen konnte, die Menschen auf der neuen Erde jedoch werden alle eine neue Natur haben, die das nicht kann. Daß die Gerechtigkeit wäh­rend des Friedensreiches auf der Erde herrscht, sehen wir z. B. in Jesaja 32, 1: "Siehe, ein König wird regie­ren in Gerechtigkeit"; Jesaja 60, 17: "Und ich werde den Frieden setzen zu deinen Aufsehern, und die Ge­rechtigkeit zu deinen Vögten." Das also ist kennzeichnend für das Friedensreich, im Unterschied zur neuen Erde. Deshalb ist es gut, darauf hinzuweisen, daß der Ausdruck "neue Himmel und neue Erde" leicht irre­führen kann. In Jesaja 65, 17 und 66, 22 bezieht er sich auf das Tausendjährige Reich und bedeutet nicht das­selbe wie in Offenbarung 21, 1. Das Alte Testament geht nie über das Friedensreich hinaus und teilt uns auch nicht mit, daß die Dauer des Friedensreiches auf tausend Jahre beschränkt ist; das lehrt uns das Neue Testament. Der Grund dafür ist, daß das Alte Testa­ment in erster Linie die Offenbarung der Wege Gottes mit Israel ist, Seiner Ratschlüsse hinsichtlich dieses Volkes, und Christus wird vor allem in Verbindung mit Israel dargestellt. Deshalb geht das Alte Testament nicht über das Friedensreich hinaus, weil das zugleich das Ende Israels als Volk ist. Doch auf der neuen Erde wird es nur "Menschen" geben, keine Nationen mehr (Offb 21, 3). Die Aufteilung in Völker ist nämlich eine Folge der Sünde und steht darüber hinaus in Beziehung zu Israel (l. Mo 10, 32; 11, 1‑9; 5. Mo 32, 8). Das Alte Testament geht nicht weiter als der "siebte Tag", der Sabbath, der Ruhetag Gottes, ein Vorbild des Tausend­jährigen Reiches (siehe z. B. das siebte Fest von sieben Tagen, nämlich das Laubhüttenfest, ein Vorbild des Friedensreiches; 3. Mo 23; Sach 14; der achte Tag dieses Festes ist das Bild eines neuen Anfangs; 3. Mo 23, 36; vgl. Joh 7, 37; so auch das Sabbathjahr und das Jubeljahr, die auch die "siebten" sind; weiterhin z. B. Ps 95, 11). Aber das Neue Testament offenbart uns den "achten Tag", das Bild eines neuen Anfangs; das ist der Tag der Auferstehung Christi; am achten Tag erschien Er Sei­nen Jüngern, am achten Tag wurde der Heilige Geist ausgegossen, und die Gläubigen in der Apostelge­schichte hatten ihre Zusammenkünfte am achten Tag. Es ist zugleich "der erste Tag", der auf den Abschluß einer Periode von "sieben" folgt, und das ist hier also die Periode der Ratschlüsse Gottes bezüglich dieser Erde, eine Periode, die in der Schrift siebentausend prophetische Jahre zu umfassen scheint.

 

Verdeckte Feindschaft

 

Wir sehen also hier den kennzeichnenden Unterschied zwischen der Erde im Friedensreich und der neuen Erde. Wie findet nun der Übergang zwischen diesen beiden Zuständen statt? Es ist ein Übergang der Ge­richte, als Folge der Tatsache, daß sogar während der Segnungen des Friedensreiches noch immer die Sünde auf der Erde wohnt, wenngleich der Fluch von der Erde weggenommen sein wird (Röm 8, 18‑22). Es wer­den während des Friedensreiches viele Menschen auf der Erde wohnen, die sich Christus nur mit "Schmei­chelei" unterwerfen (Ps 18, 43‑50; 66, 3; 81, 15), und viele werden sich Ihm nicht freiwillig und freudig über­geben, sondern gezwungen und mit Furcht und Zittern (Ps 72, 9; Mi 7, 17). Deshalb dient die Regierung Christi mit dazu, auch diese Feinde schließlich ins Gericht zu bringen (vgl. 1. Kor 15, 25). Hierzu gehört selbstver­ständlich nicht das Volk Israel, das ja ganz aus Gerech­ten bestehen wird (Jes 60, 21), einem auserwählten Überrest der Gnade; das ganze Volk wird wiedergebo­ren sein, und der Geist wird auf sie ausgegossen wer­den. Aber aus den Völkern wird es viele geben, die nicht wiedergeboren sind und sich unter die zwingende Hand Christi beugen. Sobald Christus am Ende des Friedensreiches diesen Zwang wegnimmt und ihnen freie Hand läßt, damit sich offenbart, was in ihrem Herzen ist, lehnen sie sich gegen Ihn auf und ergreifen Partei für Satan.

 

Wir wollen sehen, wie sich während des Friedensrei­ches die Dinge bis zu diesem schrecklichen Endzustand hin entwickeln. Erstens werden während der tausend Jahre viele, viele Menschen geboren werden, die nur durch Hörensagen von der Wiederkunft Christi und den damit verbundenen Gerichten wissen. Daher wer­den ihre Herzen schon weit weniger zu dem König hin­gezogen, und dadurch sind sie auch weniger unter dem Eindruck Seiner Macht (vgl. Ri 2, 10). Weiterhin bewirkt diese große Bevölkerungszunahme, daß die Völker nicht mehr rings um Jerusalem wohnen bleiben und so leicht zum Tempel hinaufziehen können, son­dern die Völker werden immer weiter von der Stadt wegziehen, so daß sie schließlich an den "vier Ecken der Erde" gefunden werden (Offb 20, 8). In den Psal­men wird zwar auch im guten Sinn über dieses kom­mende Geschlecht, das geboren wird, gesprochen, aber dann mit Bezug auf Israel (Ps 22, 30. 31; 48, 13; 78, 4. 6; 102, 18; 109, 13; 145, 4).

 

Offenbare Sünde

 

Es gibt einen zweiten Punkt, der uns zeigt, daß während des Friedensreiches die Sünde noch immer auf der Erde wohnt, nämlich die Tatsache, daß im Friedensreich die­jenigen, die offenbar sündigen, getötet werden. Nicht solche, die im Verborgenen sündigen, denn dann wür­den möglicherweise wohl alle umkommen, denn wo Menschen sind, die die sündige Natur noch in sich tragen, sind zumindest sündige Gedanken. In dieser Periode jedoch wird die Sünde nicht von der Erde weg­genommen, sondern nur unterdrückt und im Zaum ge­halten, wozu Satan ja auch eigentlich gebunden wird (Offb 20, 1‑3). Jeder sündige Gedanke und jede verbor­gene sündige Tat, die im Friedensreich begangen wird, wird deshalb erst vor dem großen weißen Thron ans Licht gebracht werden «Offb 20, 11‑15; vgl. Eph 5, 11‑13); aber sobald die Sünde im Friedensreich offen zutage tritt, wird sie dadurch weggetan, daß der Sünder getötet wird. Wir lesen hiervon an mindestens vier Stellen im Alten Testament, und bemerkenswert dabei ist, daß diese vier Stellen alle in Verbindung mit Jerusalem stehen. Dort, wo auf der Erde das Heiligtum steht und wo der Heilige wohnt, wird Seine Heiligkeit in erster Linie und am durchgreifendsten strafen. In Psalm 101 sagt der Herr Jesus: "Das Tun der Abtrünnigen hasse ich ... Ein verkehrtes Herz soll von mir weichen, den Bösen will ich nicht kennen. Wer seinen Nächsten heimlich verleumdet, den will ich vertilgen; wer stolzer Augen und hochmütigen Herzens ist, den will ich nicht dulden ... Nicht soll wohnen im Innern meines Hau­ses, wer Trug übt; wer Lügen redet, soll nicht bestehen vor meinen Augen. Jeden Morgen will ich vertilgen alle Gesetzlosen des Landes, um aus der Stadt Jehovas aus­zurotten alle, die Frevel tun" (Verse 3‑5. 7. 8). Diesen letzten Gedanken finden wir auch in Zephanja 3, 5: "Jehova ist gerecht in ihrer [nämlich Jerusalems] Mitte, er tut kein Unrecht; Morgen für Morgen stellt er sein Recht ans Licht."

 

In beiden Abschnitten sehen wir Christus im Friedens­reich, der jeden Morgen aufs neue das Gericht an denjenigen ausübt, die Ungerechtigkeit tun; und das haupt­sächlich in Verbindung mit Jerusalem und dem Tempel. Jesaja 65 zeigt uns hierzu einige bemerkenswerte Besonderheiten: "Und dort [in Jerusalem] wird kein Säugling von einigen Tagen und kein Greis mehr sein, der seine Tage nicht erfüllte; denn der Jüngling wird als Hundertjähriger sterben, und der Sünder als Hundert­jähriger verflucht werden ... denn gleich den Tagen der Bäume sollen die Tage meines Volkes sein ... Nicht vergeblich werden sie sich mühen, und nicht zum jähen Untergang werden sie zeugen; denn sie sind der Same der Gesegneten Jehovas, und ihre Sprößlinge werden bei ihnen sein" (Verse 20‑23).

 

Hieraus wird deutlich, daß im Friedensreich wie üblich Kinder geboren werden, aber sie werden viel lang­samer altern. Ein Mensch wird mit hundert Jahren noch ein junger Mann genannt werden. Auch die Kin­dersterblichkeit ist zu Ende. Das Alter wird dem von Bäumen gleichkommen, und es gibt viele Bäume, die mehr als tausend Jahre alt werden. Lediglich eine Todesursache wird es geben: der Sünder wird verflucht werden, das heißt, derjenige, der offenbar sündigt, denn Sünder von Natur wird es viele geben. Wer an­ders sind die Sünder, die am Ende des Friedensreiches gegen Jerusalem heraufziehen? Obwohl aber diese Stelle über Jerusalem spricht, können diese Sünder doch schwerlich Israeliten sein, denn auch hier werden sie der "Same der Gesegneten Jehovas" genannt. Es geht augenscheinlich um Heiden, die in Jerusalem of­fenbar sündigen. Es werden ja viele Heiden regelmäßig nach Jerusalem kommen, insbesondere zur Zeit des Laubhüttenfestes (Sach 14, 16). Dieser letzte Schrift­abschnitt ist die vierte Stelle, die über Strafe während des Friedensreiches spricht. Alle die, die nicht nach Jerusalem hinaufziehen, um sich dort vor dem König, Jehova der Heerscharen, niederzubeugen, werden von einer Plage getroffen werden (Verse 17‑19).

 

Geistlicher Niedergang

 

Tatsächlich wird während des Tausendjährigen Frie­densreiches eine allmähliche geistliche Erschlaffung eintreten und eine immer größer werdende Entfrem­dung von Jehova. So wie wir gesehen haben, können wir das alles aus den Strafen ableiten, die Gott aus­führen wird, aus der Unterwerfung mit Schmeichelei, aus der Tatsache, daß es Millionen geben wird, die nach der Wiederkunft und den Gerichten geboren wer­den, und auch daraus, daß die Sünde noch auf der Erde wohnt und aus dem Ort, wo die Völker am Ende des Friedensreiches gefunden werden (Offb 20, 8 usw.).

 

Finden wir diese Erscheinung nicht durch die ganze Schrift hindurch? Mit welcher Offenbarung Gott auch immer zu dem Menschen kommt, wie sehr Er den Menschen auch segnet, es nützt alles nichts, der Mensch beweist immer wieder aufs neue, wie verdor­ben sein natürliches Herz ist (l. Mo 6, 5; Mk 7, 21‑23). Im Paradies, wo der Zustand so herrlich und so geseg­net war, muß der Mensch schon früh zu Fall gekommen sein. Und seit diesem Augenblick wiederholt sich diese Erscheinung immer wieder. Noah wird auf eine neue, gereinigte Erde gestellt, aber er fällt schon kurz danach in Sünde, und seine Nachkommenschaft offenbart die Natur des Menschen in Gewalttat (Nimrod) und Ver­dorbenheit (Babel). Dann sondert Gott Sich ein Volk aus den Nationen ab und erlöst es aus der Knechtschaft Ägyptens, aber anstatt Gott zu dienen, bleibt es den Götzen treu (Hes 20, 6‑9). Er gibt diesem Volk Sein Gesetz, aber kaum hat Er das getan, als das Volk sich das goldene Kalb macht und dadurch das Gesetz schon vom allerersten Augenblick an bricht (Hes 20, 10‑26; Ps 78, 17‑55). Gott setzt das Priestertum zugunsten Seines Volkes ein, aber es versagt schon, bevor seine Einweihung stattgefunden hat (3. Mo 10, 1‑5). Danach gibt Gott das Königtum, aber der König nach dem Menschen (Saul) ist ein Gottloser, und die Könige aus dem Haus Davids haben das Land ins Verderben ge­führt. Dann muß Gott Israel beiseite stellen und gibt den Nationen die Königsherrschaft. Aber die Häupter der Nationen lehnen sich unmittelbar gegen Gott auf, angefangen mit Nebukadnezar. Und dann sehen wir schließlich die erhabenste Tat von seiten Gottes den Menschen gegenüber: die Offenbarung der Liebe, die in Seinem Herzen ist, indem Er Seinen eigenen, viel­geliebten Sohn sendet. Aber einmütig wird dieser sowohl von Juden als auch von den Nationen verwor­fen und voller Haß ans Kreuz geheftet (Joh 1, 9‑11). Dann wird die Versammlung aus den Nationen gebil­det. Aber auch ihre Geschichte ist kennzeichnend durch allmählichen Verfall, der bereits zu Lebzeiten der Apostel einsetzte und auf den großen Abfall in 2. Thessalonicher 2, 3 hinauslaufen wird. Sollte nun das Herz der Menschen während des Friedensreiches besser geworden sein, oder werden sie denselben geist­lichen Niedergang erleben wie einmal Israel und gegen­wärtig die Kirche?

 

Vorbilder des Niedergangs

 

Hierüber spricht die Schrift nicht direkt, möglicher­weise, um nicht einen Schatten auf die Herrlichkeit Christi im Friedensreich und auf die Segnungen zu werfen. Aber es gibt einige sehr bemerkenswerte Schriftabschnitte, die im Vorbild über diesen geistlichen Niedergang während des Friedensreiches sprechen. Zu­nächst nennen wir 4. Mose 29, wo wir ab Vers 12 die Vorschriften für das Laubhüttenfest finden. Wir haben schon gesehen, daß dieses Fest von der Versöhnung Israels zu Beginn des Friedensreiches spricht. Wenn wir nun die Vorschriften des Laubhüttenfestes betrachten, dann fällt auf, daß am ersten Tag des Festes dreizehn junge Farren, zwei Widder und vierzehn einjährige Lämmer geschlachtet wurden. Diese dreizehn Stiere bilden beinahe eine Vollkommenheit (14 = 2 x 7) und weisen auf die nahezu vollkommene Kraft im Dienst Gottes während des Friedensreiches hin. Die Widder sprechen, wie immer, von der Hingabe (vielleicht deu­tet die Zahl 2 auf Israel und die Nationen), und die vierzehn Lämmer erinnern an das vollkommene Opfer Christi. Doch dann sehen wir, daß am zweiten Tag und den darauf folgenden Tag zwar immer zwei Widder ge­opfert werden (denn die Zweiheit Israel ‑ Nationen bleibt bestehen), und auch die vollkommene Erinne­rung an das vollkommene Opfer Christi bleibt beste­hen, aber es ist eine allmähliche Abnahme in der Kraft des Gottesdienstes und der Darbringung der Opfer zu bemerken; jeden Tag wird ein Farren weniger geopfert. Zwar bleibt eine vollkommene Anzahl übrig, denn Gott Selbst wird den Gottesdienst im Friedensreich ein­setzen, aber die Freude und der Genuß an den Segnun­gen werden zurückgehen.

 

Dieselbe Erscheinung sehen wir im Buch der Sprüche. Dort finden wir Gott als Jehova, und das weist auf eine gefestigte und anerkannte Beziehung zu Gott hin, in der Gott mit Autorität über die Umstände des Lebens spricht und urteilt. Es ist die Regierung Gottes. Dar­über hinaus spricht dieses Buch von Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit (l. Kor 1, 24). Das alles deutet darauf hin, daß dieses Buch eine versteckte, vorbildliche Darstellung von der Gründung des Frie­densreiches gibt, der Regierung Christi und der Weis­heit Gottes. Da das Buch uns aber die Umstände des Lebens schildert, zeigt es uns auch die Menschen, die im Friedensreich auf der Erde wohnen. Alle diese Dinge werden uns deutlich, wenn wir in diesem Buch einmal untersuchen, wo über "den König" (in der Einzahl) gesprochen wird. Wir finden das Wort in der Einzahl 21 mal (= 3 x 7), abgesehen von der negativen Bedeutung in Kapitel 30, 27. Die ersten 14 Stellen stehen im ersten Teil des Buches (Kapitel 1‑24), und die übrigen sieben Stellen in den restlichen Kapiteln. Des Zusammenhangs wegen geben wir kurz die Bedeu­tung der ersten 14 Male an.

1) Sprüche 1, 1; der König, vgl. Jes 9, 6;

2) 14, 28; die Treuen, vgl. Joh 11, 52; 12 24; Kol

2. Thess 1, 10;

3) 14, 35; ihre Belohnung, vgl. Mt 3, 17; 25, 21;

4) 16, 10; die Untreuen, vgl. Offb 2 und 3;

5) 16, 14; Beginn des Gerichts, vgl. Offb 6, 16. 17; Mt 24, 8;

6) 16, 15; die Gläubigen in der großen Drangsal, vgl. Offb 7, 2. 3. 9. 17; Hos 6, 3; Joel 2, 23;

7) 19, 12; die Gerichte, vgl. Offb 10, 3;

8) 20, 2; die große Schlacht, vgl. Offb 19;

9) 20, 8; die Gerichtsverhandlung, vgl. Mt 25; Joel 3, 12;

10) 20, 26; die Verurteilung; vgl. Mt 25;

11) 20, 28; der Segen für den König am Ende; vgl. Ps 40, 11. 12; 61, 6. 7;

12) 21, 1; Gehorsam, vgl. Joh 4, 3. 4; Hebr 10, 7. 10;

13) 22, 11; der Charakter des Königs, vgl. Mt 5, 8; Ps 45, 2;

14) 24, 21; abschließende Grundsätze.

 

In Kapitel 25 aber beginnt der Umbruch. Vers 1 spricht über den "König" Hiskia, bei dem die Geschichte des Königtums schon weit fortgeschritten war. Und dann lesen wir, daß jetzt Sprüche folgen, die auch von Sa­lomo stammen, aber nicht direkt aus seinem Mund, sondern in viel späterer Zeit aufgeschrieben worden sind. Das ist also nicht eine direkte Offenbarung der Weisheit, sondern eine indirekte. Sie ist weniger erha­ben und weniger kraftvoll. Das ist im Vorbild der Fall gegen Ende des Friedensreiches, wenn der geistliche Zustand der Menschen schwächer geworden ist. Und daß das hier darauf hinweist, wird aus folgendem deut­lich: zunächst beginnt Vers 2 damit, über "Gott“ zu sprechen, und das ist das einzige Mal, daß in diesem Buch in solche einem abstrakten Sinn über Gott gesprochen wird; sonst ist es ja immer Jehova, der Bun­desgott, aber dann in der Form "ihr Gott", und das ist auch persönlich. Aber hier in Kapitel 25, 2 ist es un­persönlich, und das erklärt sich nur aus dem stark geschwächten geistlichen Band zu Gott. Und sehen wir auch, in welch einem Sinn hier über "den König" ge­sprochen wird! Das sechzehnte Mal in Kapitel 25, 5, und da ist es schon sofort im ungünstigen Sinn: Gesetz­lose, die gegen den König aufstehen und die weggetan werden müssen; das erinnert uns an Psalm 101, 8. Wei­ter weist auch Kapitel 25, 6 auf eine geistlich verkehrte Gesinnung des Hochmuts hin (vgl. Lk 14, 9. 10). Kapi­tel 29, 4 sagt schon nicht mehr, daß der König in Recht regiert, sondern daß er dem Land durch Recht Bestand gibt; das weist auf inneren Widerstand gegen das Recht hin. Das Opfer davon sind die Geringen, und diesen muß in Wahrheit Recht gesprochen werden (29, 14).

 

Schließlich sehen wird, wohin dieser Zustand führt, nämlich zu dem großen Endkampf nach dem Friedens­reich, über den Offenbarung 20 spricht; er wird dann in Sprüche 30, 31 angedeutet. Und als letztes finden wir dann, wenn der Sohn des Menschen Gott alles übergibt (l. Kor 15, 28).

 

Die letzte Belagerung Jerusalems

 

Zum Schluß wollen wir nun noch sehen, was die Schrift uns weiter über diese letzten Punkte sagt: die End­gerichte und den Endzustand, vor allem in Verbindung mit Jerusalem. In Offenbarung 20 lesen wir, daß nach den tausend Jahren der Satan aus dem Gefängnis losge­lassen wird und ausgeht, um die Völker zu verführen, die an den vier Ecken der Erde sind. Satan wird eine völlig vorbereitete Erde finden, da der Mensch dann weit von Gott abgewichen ist, wie wir gesagt haben. Satan wird auch nicht losgelassen als eine Plage, um die Menschen ihres einst empfangenen Segens zu berauben, sondern durch diese Freilassung bringt Gott den Zu­stand des menschlichen Herzens ans Licht, das durch eine segensreiche Regierung von tausend Jahren noch nicht verändert ist, ja, sich erneut von Gott abgewendet hat. Die Folge ist dann auch, daß es Satan gelingen wird, die Nationen zum Krieg zu versammeln, und er wird sie gegen Jerusalem heraufziehen lassen, gegen das Heer­lager der Heiligen und die geliebte Stadt.

 

Erneut lehnt sich der Mensch einmütig gegen Gott auf; wie einst bei dem Turmbau zu Babel oder in Israel wäh­rend der Wüstenreise oder bei der Verwerfung Christi, immer ist der Mensch damit beschäftigt, eine Verschwö­rung anzuzetteln gegen Jehova und Seinen Gesalbten. So wird es auch sein, wenn sie vor dem Friedensreich gegen Jerusalem heraufziehen und ebenso nach dem Friedens­reich (vgl. Ps 2, 1‑3). Und erneut ist Jerusalem die Ziel­scheibe, denn es ist die Wohnstätte Gottes auf der Erde und die Wohnstätte des heiligen Volkes. Was Nebukad­nezar und Titus getan haben und was der Assyrer tun wird, das wird auch nach dem Friedensreich geschehen: die heilige Stadt wird belagert. *)

*) Siebenmal wird Jerusalem nach der Schrift belagert, und zwar nacheinander von David, Sanherib, Nebukadnezar, Titus, zweimal von dem König des Nordens und schließlich nach dem Friedensreich. Viermal lesen wir von der Einnahme der Stadt.

 

Aber was dreimal glückte, die Einnahme der Stadt, das wird beim letzten Mal nicht geschehen. Feuer wird vom Himmel herniederfallen und die versammelten Heere vernichten. Das bedeutet, daß diese Heere getötet wer­den und also ihren Weg in den Hades nehmen; das aber ist nur für kurze Zeit, denn sofort danach findet das Gericht vor dem großen weißen Thron statt. Der Teufel aber, der sie verleitete, wird nicht getötet, son­dern ohne weiteres in den See geworfen, der mit Feuer und Schwefel brennt, wo das Tier und der falsche Pro­phet sich bereits tausend Jahre befinden.

 

Wir müssen darauf achten, daß es nicht heißt, daß alle Nationen heraufziehen werden, um Jerusalem zu bela­gern. Es sind nur die Nationen, die so weit wie möglich von Jerusalem entfernt sind, an den vier Ecken der Erde, und die werden mit dem Namen "Gog und Ma­gog" angegeben, der nicht mit dem Namen aus Hese­kiel 38 und 39 verwechselt werden darf. Nicht alle Na­tionen werden heraufziehen, denn es wird während des Tausendjährigen Reiches doch auch viele Wiedergebo­rene geben, besonders die in Offenbarung 7 genann­ten: die große Volksmenge, die durch die große Drangsal gegangen ist, solche, die ihre Kleider gewa­schen haben in dem Blut des Lammes. Diese Gerech­ten werden nicht an dem großen Endkampf teilneh­men. Wenn die versammelten Heere vernichtet sind, werden diese Gerechten aus den Nationen zusammen mit dem Volk Israel auf der Erde übrigbleiben.

 

Die große Neuschöpfung

 

Das ist dann das Ende der Geschichte dieser Erde und damit der Geschichte Jerusalems, der wichtigsten Stadt auf der Erde. Denn nun wird Gott das große Werk aus­führen, das mit den Worten umschrieben wird: "Siehe, ich mache alles neu" (Offb 21, 5). Alles, was zu der ersten Schöpfung gehört, wird ein Ende finden. Zu dieser Veränderung gehört natürlich nicht das Nicht­-Erschaffene und das bereits Neu‑Erschaffene. Zu dem Nicht‑Erschaffenen gehört Gott Selbst und das Haus Seiner Wohnung; die Engel sind zwar erschaffen (vgl. Kol 1, 16; Hes 28, 14‑16), aber sie gehören nicht zu der "ersten, stofflichen" Schöpfung, um die es hier geht. Weiterhin gehören zu dieser Neuschöpfung nicht die­jenigen, die bereits neu erschaffen sind; das sind die, die bei der ersten Auferstehung auferstanden sind; sie haben einen himmlischen Leib. Von den Gläubigen wird sogar gesagt, daß sie schon jetzt auf der Erde eine neue Schöpfung sind (2. Kor 5, 17; Gal 6, 15) und schon jetzt nicht mehr zu diesem Kosmos gehören (Joh 17, 15. 16), obwohl das bezüglich ihres Leibes noch nicht stimmt (Röm 8, 11. 23; 2. Kor 5, 1. 2; Phil 3, 20. 21). Diejenigen nun, die bei der Aufnahme der Versammlung verwandelt werden, und die, die teilhaben an der ersten Auferstehung, sind über dieses "Ich mache alles neu" erhaben. Aber die Gläubigen, die während des Friedensreiches auf der Erde sind, werden wohl am Ende des Friedensreiches erneuert werden müssen, weil sie erst mit neuen, unverwes­lichen Leibern passend sind, um auf der neuen Erde zu wohnen. Auch alle Heiligen, die an der ersten Auf­erstehung teilhaben, die' aber nicht zu der Versamm­lung gehören und also keinen Platz im Vaterhaus haben, werden auf der neuen Erde wohnen. Kurzum: alle Gläubigen aller Zeiten, mit Ausnahme der Ver­sammlung, werden mit neuen Leibern auf der neuen Erde wohnen, sei es, daß sie diese Leiber bei der ersten Auferstehung empfangen haben, sei es, daß das nach dem Friedensreich geschehen ist. Der Platz der Versammlung aber ist bis in alle Ewigkeit im Vater­haus.

 

Nicht nur die gläubigen Erdbewohner, sondern auch die Erde selbst und alle geschaffenen Himmel, das ist das ganze Universum (l. Mo 1, 1), werden neu erschaf­fen werden. " . . . Vor dessen Angesicht die Erde ent­floh und der Himmel, und keine Stätte wurde für sie gefunden ... Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen, und das Meer ist nicht mehr ... denn das Erste ist vergangen" (Offb 20, 11; 21, 1. 4). Jetzt aber hat er verheißen und gesagt: ,Noch einmal werde ich nicht allein die Erde bewegen, sondern auch den Himmel'. Aber das noch einmal' deu­tet die Verwandlung der Dinge an, die erschüttert wer­den als solche, die gemacht sind, auf daß die, welche nicht erschüttert werden, bleiben" (Hebr 12, 26. 27; vgl. Hag 2, 7). Von dem Tag Gottes heißt es: "dessent­wegen die Himmel, in Feuer geraten, werden aufgelöst und die Elemente im Brande zerschmelzen werden. Wir erwarten aber, nach seiner Verheißung, neue Himmel und eine neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt ... den Tag der Ewigkeit" (2. Petr 3, 12. 13. 18).

 

Das ist also, auf verschiedene Weise beschrieben, die Verwandlung aller stofflichen Dinge in "unerschütter­liche" Dinge. Alles, was mit der ersten Schöpfung in Verbindung steht, findet sein Ende. Alles tierische und pflanzliche Leben, wenigstens wie wir es jetzt kennen, wird aufhören zu bestehen. Es wird einen neuen Him­mel und eine neue Erde geben, wo der Tod nicht mehr ist, noch Trauer, noch Schmerz (Offb 21, 4), und wo die Gerechtigkeit wohnt und die Sünde vollkommen ver­schwunden ist.

 

Die zweite Auferstehung

 

Aber wie wir hier lesen, ist noch etwas da, das mit der ersten Schöpfung in Verbindung steht, das vor allem weggetan werden muß, und das ist der Tod. Auf der neuen Erde wird der Tod nicht mehr sein. In 1. Korinther 15 lesen wir: "Denn er [Christus] muß herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod" (Verse 25. 26). Aber bevor der Tod für ewig zunichte gemacht werden kann (Jes,25, 8), müssen erst alle diejenigen, die noch im Tode sind, herausgenommen werden und auferstehen.

 

Wir haben gesehen, daß bei der ersten Auferstehung alle Gläubigen, die bis zu dem Augenblick gestorben sind, auferstehen, und daß die Gläubigen aus der Zeit danach verwandelt werden; das bedeutet, daß am Ende des Friedensreiches nur ungläubig Gestorbene im Hades sein werden, und zwar die Ungläubigen aller Zeiten von Beginn der Menschheit ab. Nach dem Friedensreich wer­den diese Menschen zum Gericht auferstehen (Joh 5, 29; Apg 24, 15; Offb 20, 5. 12. 13); bevor die Erde neu erschaffen wird, werden ihre Leiber Unverderblichkeit anziehen; sogar das Meer wird seine Toten zurückgeben. Danach werden diese Auferstandenen, die wegen ihres Verlorenseins noch immer Tote genannt werden (Offb 20, 12. 13), vor den großen weißen Thron geführt, auf dem Christus sitzt (vgl. Joh 5, 22; Offb 11, 15. 18); vor Seinem Angesicht entfliehen die Erde und der Himmel.

 

Das ist es, was Hiob ausspricht: "Der Mann aber stirbt und liegt da ... bis die Himmel nicht mehr sind, er­wachen sie nicht und werden nicht aufgeweckt aus ihrem Schlafe" (14, 10‑12).

 

Die Auferstehung der "Menschen" (der Ungläubigen) findet also statt, wenn die Himmel "vergehen" (vgl. Mt 5, 18). Vor dem großen weißen Thron werden die Toten nach ihren Werken gerichtet (siehe Pred 12, 14; Röm 2, 5‑8. 16; 14, 9; Apg 10, 42; 2. Tim 4, 1; Hebr 6, 2; 1. Petr 4, 5; Offb 11, 18; 20, 12‑15), und aufgrund ihrer Werke werden alle gemäß dem gerechten Urteil für schuldig befunden werden; darüber hinaus stehen sie nicht in dem Buch des Lebens geschrieben (vgl. Dan 12, 1; 2. Mo 32, 32. 33; Ps 69, 28; Offb 13, 8; 21, 27). Deshalb werden sie in den Feuersee geworfen, wo auch das Tier und der falsche Prophet und der Satan sind. Dann werden auch der Tod und der Hades in den Feuersee geworfen; der "Tod" ist der Zustand der ge­storbenen Menschen; und der "Hades" der Ort, wo sie sich währenddessen aufhalten; beide werden in den Feuersee geworfen. Der Feuersee ist auch ein Ort, während der Zustand, in dem die Personen im Feuer­see sich befinden, mit dem Begriff "der zweite Tod" umschrieben wird. Der Mensch ist erst ein vollständi­ges Wesen, wenn Geist, Seele und Leib vereinigt sind; deshalb ist der Tod ein abnormaler, vorläufiger Zustand und der Hades ein vorläufiger Ort; sie gehören der er­sten Schöpfung an und passen nicht in den ewigen Zu­stand; deshalb werden sie in den Feuersee geworfen. Wenn die Ungläubigen auferstanden sind, haben sie wieder einen Leib und werden mit Seele und Leib in die Hölle geworfen (Mt 5, 29; 10, 28).

 

Der Endzustand

 

Wenn dann alles, was zur ersten Schöpfung gehört, weggetan ist, kommt der neue Himmel und die neue Erde, und dann bricht der ewige, unveränderliche End­zustand an. Alle Dinge sind dann erneuert, aber in dem Sinn, daß die Ungläubigen erneuert sind, um in das ewige Gericht zu gehen. Das ist das große "aber" von Offenbarung 21, 8.

 

Es wird also am "Tag der Ewigkeit" drei Gruppen von Menschen geben, nämlich die Versammlung, die ewig im Vaterhaus wohnen wird, die übrigen Gläubigen, die ewig auf der neuen Erde wohnen werden, und die Un­gläubigen, die ewig in dem Feuersee sein werden. Wir wissen, daß die Gläubigen ewig in der Herrlichkeit sein werden (Joh 14, 3; 17, 24) und daß die Ungläubigen ewig in der Hölle leiden werden (Mt 18, 8; 25, 41. 46; Mk 9, 43‑48; Jud 7, 13; Offb 14, 11; 20, 10); aber wie die Menschen auf der neuen Erde leben werden, dar­über sagt die Schrift sehr wenig. So außerordentlich viel über das Friedensreich geschrieben steht, so wenig lesen wir über den ewigen Zustand. Wir lesen wohl in bezug auf diese Menschen: "Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen. . ." (Offb 21, 3. 4). Es wird also ein sehr gesegneter Zustand sein, bei dem eine direkte Ver­bindung zwischen Gott und Menschen besteht. Be­achte, es ist keine Rede mehr von "Nationen", sondern von Menschen. Es gibt keinen Unterschied mehr zwi­schen den Nationen, und auch das Volk Israel wird es als solches nicht mehr geben.

 

Das führt uns zu einem wichtigen Punkt, denn daraus wird ersichtlich, daß Christus im ewigen Zustand nicht mehr als Messias über Israel und in Jerusalem regieren wird. Hierüber gibt uns 1. Korinther 15 Aufschluß: "Dann [eine Zeit nach Seiner Wiederkunft] das Ende, wenn er das Reich dem Gott und Vater übergibt, wenn er weggetan haben wird alle Herrschaft und alle Gewalt und Macht. Denn er muß herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der weg­getan wird, ist der Tod. Denn alles hat er seinen Füßen unterworfen. Wenn er aber sagt, daß alles unterworfen sei, so ist es offenbar, daß der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst dem unter­worfen sein, der ihm alles unterworfen hat, auf daß Gott alles in allem sei" (Verse 24‑28).

 

Hieraus sehen wir, daß, wenn den Rechten Gottes ent­sprochen ist und alle Gewalten einschließlich des Todes Ihm unterworfen sind, Seine irdische Herrschaft als Sohn des Menschen aufhören wird. Wenn alles ver­schwindet, was zur ersten Schöpfung gehört, endet auch die Regierung Christi über diese erste Schöpfung: dann übergibt Er Gott das Reich. Heißt das, daß Chri­stus dann nicht mehr regieren wird? Nicht mehr als Sohn des Menschen, aber selbstverständlich bleibt Er als Gott, der Sohn, für ewig der König der Könige und Herr der Herren (Offb 19, 16; vgl. 1. Tim 6, 15). Wenn da auch steht: Gott wird alles in allem sein, dann bedeutet Gott hier: Vater, Sohn und Heiliger Geist (vgl. Dan 2, 44; 7, 14). Ja, sogar von der Versammlung steht geschrieben, daß sie herrschen wird von Ewigkeit zu Ewigkeit (Offb 22, 5).

 

Die menschliche Herrschaft Christi endet also, aber Seine Herrschaft über das Universum als der ewige Sohn, zusammen mit den Gläubigen der Versammlung, die in Ihm Miterben sind, wird nie aufhören (vgl. Röm 5, 17; Eph 1, 11). Die Versammlung wird in der Offenbarung als das neue Jerusalem vorgestellt (es ist nicht die Stätte, wo die Versammlung wohnen wird, sondern es ist die Versammlung selbst, also von dem himmlischen Jerusalem ‑ Hebr 12, 22 ‑ unterschieden), und wir sehen, daß dieses neue Jerusalem nicht nur im Tausendjährigen Reich seine Herrlichkeit über die Erde ausstrahlen wird (Offb 21, 9‑22, 5), sondern auch über die neue Erde (Offb 21, 2). Wenn das irdische Je­rusalem aufgehört hat zu bestehen, wird nur das neue Jerusalem noch übrigbleiben. Es wird nicht auf der Erde sein, denn sein Platz ist im Himmel; aber es wird wohl aus dem Himmel herniederkommen (nicht auf die Erde), damit die Menschen seine Herrlichkeit sehen. Auch sehen wir, daß die Versammlung als die Hütte Gottes bei den Menschen sein wird; nicht als Sein Tem­pel, denn das würde bedeuten, daß wir einen festen Ort auf der neuen Erde hätten. Aber die Versammlung ist dort wie ein Zelt, das (wie in der Wüste) nur eine vorläufige Wohnstätte in der Fremde ist. Unser Platz ist im Vaterhaus, aber wir werden von Zeit zu Zeit hernie­derkommen zu denen, die auf der neuen Erde wohnen. Dann wird des irdischen Jerusalems nicht mehr gedacht werden, denn nur das neue Jerusalem im Himmel wird übrigbleiben, um ewig mit Gott zu herrschen und bei dem Vater zu sein.

 

SCHLUSS

 

Wir haben versucht, in großen Zügen die Geschichte und die Zukunft Jerusalems wiederzugeben. Wir dür­fen ihre Zukunft kennen, weil Gott sie uns geoffenbart hat (Jes 46, 10), und wir dürfen sie studieren, damit die Person Christi, der diese Stadt erlösen und mit Seiner Herrlichkeit erfüllen wird, größer und herrlicher für uns wird, aber auch, damit wir die Zeit, in der wir leben, besser im Licht des Wortes Gottes beurteilen lernen, uns von der Welt abgesondert halten und unser Auge auf das nahe Kommen des Herrn richten.

 

PSALM 87

 

Von den Söhnen Korahs, ein Psalm, ein Lied.

"Seine Gründung ist auf den Bergen der Heiligkeit; Jehova liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen Jakobs. Herrliches ist von dir geredet, du Stadt Gottes. (Sela.) Erwähnen will ich Rahabs und Babels bei denen, die mich kennen; siehe, Philistäa und Tyrus samt Äthi­opien: dieser ist daselbst geboren. Und von Zion wird gesagt werden: Der und der ist darin geboren; und der Höchste, er wird es befestigen. Jehova wird schreiben beim Verzeichnen der Völker: Dieser ist daselbst ge­boren. (Sela.) Und singend und den Reigen tanzend werden sie sagen: Alle meine Quellen sind in dir!"

 

DIE GESCHICHTE JERUSALEMS IN ZAHLEN

19. Jh. v. Chr. Erwähnung Jerusalems in ägyptischen Texten.

18. bis. 16. Jh. Hyksos‑Zeit.

1000‑961

Jerusalem Hauptstadt des unter König David vereinigten Israel.

961‑922

Herrschaft König Salomos. Errichtung des ersten Tem­pels.

922  Jerusalem wird Hauptstadt von Juda nach Teilung des Königreiches.

715‑687 Hiskia König von Juda. Bau des Tunnels von Gihon nach Siloah.

701 Hiskia widersteht dem Angriff Sanheribs auf Jerusalem.

587 Nebukadnezar zerstört Jeru­salem und den Tempel. Die Juden werden ins Exil geführt.

Persische Epoche (537‑332)

537 Rückkehr der Juden aus Babylon nach Jerusalem. Wiederaufbau des Tempels.

515 Einweihung des Zweiten Tempels.

445‑433 Nehemia und Esra kommen aus dem babylonischen Exil zurück.

Hellenistische Epoche (332‑167)

332 Alexander der Große besucht Jerusalem.

312‑167 Unter Ptolemäern und Seleu­kiden.

169 Antiochus IV Epiphanes (175‑164) plündert den Tempel.

Hasmonäer‑Epoche (167‑37)

167‑141 Befreiungskrieg der Makka­bäer.

164 Die Makkabäer erobern den Tempelberg.

166‑135

Judas Makkabäus, Jonathan,

Simon Führer der Makkabäer.

Römische Epoche (63 v. Chr. ‑ 324 n. Chr.)

63 Jerusalem von Pompejus

37‑4 v. Chr. Herrschaft König Herodes des Großen, Bau von Befesti­gungsanlagen, Palästen, Türmen und Tempeln.

26‑36 n. Chr. Pontius Pilatus römischer Prokurator von Judäa.

33 Kreuzigung Jesu.

41‑44 Agrippa, König von Judäa, errichtet eine neue Stadt­mauer.

66‑70 Jüdischer Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht.

70 Fall Jerusalems ‑Titus zer­stört den Zweiten Tempel.

132‑135

Aufstand Bar‑Kochbas.

Jerusalem wieder zur jüdischen Hauptstadt erklärt.

135 Zerstörung Jerusalems durch erobert. Hadrian. Wiederaufbau der Stadt; sie erhält den Namen Aelia

Capitolina.

Byzantinische Epoche

(324‑638)

326 Helena, Mutter Kaiser Kon­stantins, besucht Jerusalem  und legt den Grundstein zur Grabeskirche.

614 Perser erobern Jerusalem.

628 Byzantiner vertreiben die Perser.

Islamische Epoche (638‑1099)

638 Kalif Omar erobert Jerusalem.

691 Bau des Felsendoms (Omar­Moschee).

Kreuzfahrer‑Epoche (1099‑1244)

1099 Kreuzfahrer erobern Jerusalem.

1165 Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonides) besucht Jerusalem.

1187 Saladain besiegt die Kreuz­fahrer und erobert Jerusalem.

1229 Kaiser Friedrich Il. erwirbt vom Sultan von Ägypten die Stadt und krönt sich selbst zum König von Jerusalem.

1244 Tataren erobern die Stadt für den Sultan von Ägypten.

Mamelucken‑Epoche (1250‑1516)

1267 Rabbi Mosche ben Nachman wirkt innerhalb der jüdischen Gemeinde Jerusalems.

Türkische Epoche (1516‑1917)

1517 Türkische Eroberung Jerusalems.

1538‑1540 Sultan Suleiman L errichtet neue Stadtmauern.

1700 Rabbi Jehuda Hassid baut die "Churva"‑Synagoge.

1836 Erster Besuch des Sir Moses Montefiore.

1860 Erste jüdische Aussiedlung außerhalb der Mauern.

1898 Dr. Theodor Herzl, Gründer der zionistischen Weltorgani­sation, besucht Jerusalem.

Brit. Nlandatsherrschaft (1917‑1948)

1917 Britische Streitkräfte unter General Allenby besetzen Jerusalem.

1918 Dr. Chaim Waizmann legt den Grundstein der Hebräischen Universität.

1947 Die vereinten Nationen empfehlen Teilung Palästinas in arabischen und jüdischen Staat.

Die geteilte Stadt (1948‑1967)

14. 5. 1948 Ende der britischen Mandats herrschaft. Gründung des Staates Israel. Beginn des Befreiungs­krieges.

28.5. 1948 Das jüdische Alt‑Jerusalem unter jordanischer Herrschaft.

April 1949 Jerusalem wird zwischen Israel und Transjordanien geteilt.

13. 12. 1949 Jerusalem zur Hauptstadt Israels erklärt.

5. 6. 1967 Jerusalem unter jordanischem Feuer zu Beginn des Sechs­Tage‑Krieges.

7.6. 1967 Israelische Streitkräfte erobern die Altstadt.

Die wiedervereinigte Stadt (1967)

23.6. 1967 Juden, Moslems und Christen wird freier Zugang zu den "heiligen Städten" zugesichert.