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Lieber Matthias

Ich habe Deine Ausführungen mit grossem Interesse gelesen und möchte dazu
ein wenig Stellung nehmen. Damit Du mich aber richtig verstehst, vielleicht
noch einiges zu meiner Person. Ich habe eigentlich den umgekehrten Weg
gemacht wie Du. Ich bin heute 40 Jahre alt und Vater von zwei Teenagern,
doch die ersten ca. 20 Jahre meines Lebens habe ich als Ungläubiger in der
"Welt" verbracht. Aber mein Weg zum Glaube war gar nicht einfach. Ich bin
eine sehr intellektuelle Person, bei mir ist, vor allem früher, sehr viel
nur über den "Ratio" gelaufen. Man musste mich zuerst intellektuell
befriedigen, bevor ich etwas angenommen habe. Ich bin also nicht in irgend
einer Brüdergemeinde oder Versammlung "gross" geworden.

Vielleicht dazu aber eine Bemerkung. Ich habe gemerkt, dass wir Menschen von
unserer Psyche her immer dazu neigen, in Extremen zu denken. Wenn wir etwas
unser Vertrauen geschenkt haben, und dies unsere Bedürfnisse nicht
befriedigt, sind wir eher dazu geneigt, alles, was wir bis anhin als "Wahr"
angenommen haben, über Bord zu werfen. Wir schütten also sozusagen gerne das
Kind mit dem Bade aus. Dies hängt vielfach mit unserer Enttäuschung mit der
Sache zusammen. Es benötigt doch sehr viel Reife, bis wir bereit sind, eine
eher ausgeglichene Haltung diesbezüglich einzunehmen. Vor allem deshalb,
weil wir uns durch etwas, das uns "betrogen" hat, verletzt und enttäuscht
fühlen. Das verstehe ich sehr gut.

Anderseits bin ich sehr glücklich darüber, dass Du bereit bist, ehrlich mit
Dir selber zu sein. Du hattest scheinbar schon länger sehr starke Zweifel an
dem, was Du geglaubt hast und in dem Du erzogen worden bist. Nun wolltest Du
diesen "blinden" Glauben endlich absagen und Antworten auf Deine viele
Fragen finden. Bravo! Wenn das Wort Gottes wirklich eine Kraft ist, die
brennend ist wie Feuer bzw. wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert (Jer.
23, 29), wird es einer solch rationalen Prüfung gewiss standhalten. Tut es
das nicht, war es das nicht wert, auch wenn man dabei 30 Jahre seines Lebens
dafür geopfert hat. Da stimme ich völlig mit Dir überein.

Nun bin ich aber ein wenig über Deine Vorgehensweise erstaunt. Du bist also
Post-Doc am MIT. Die USA sind ja meine Heimat, darum kann ich Dich nur
beneiden, dass Du jetzt in Massachusetts wohnen darfst, denn meine Tante
kommt von dort, und ich (wie auch meine Frau) haben ja immer wieder solches
Heimweh! Wenn du möchtest, können wir auch gerne in meiner Muttersprache,
Englisch, korrespondieren. Dann haben aber die Anderen auf dieser Website
nicht sehr viel davon.

Als Post-Doc solltest Du jedoch mit der wissenschaftlichen Vorgehensweise
zur Genüge vertraut sein. Während Deines Doktorates musstest du ja genügend
Informationen durchackern, damit Du wusstest, was in Beziehung zu Deiner
Arbeit alles schon geschrieben wurde. Damit Du nicht Quatsch, sondern eine
wirklich ausgeglichene Arbeit schreibst, die in akademischen Kreisen auch
akzeptiert wird und auf den neusten Erkenntnissen beruht.

In Deiner Bibliographie bezüglich Deiner Absage an den Glauben (von der Du
behauptest, sie beruhe rein auf rationalen Gründen) sehe ich nur drei Werke
angegeben, nämlich diejenigen von Michael Martin, Dan Baker und Robert
Price. Entschuldige, wenn ich dies sage, aber als Wissenschaftler müsstest
Du *ALL* diejenigen noch zu Worte kommen lassen, die ebenfalls einiges zu
diesem Thema geschrieben haben, aber eben auch von der anderen Seite. Es
gibt genügend logisch, rational denkende Personen, die ihren Glauben auf
rein rationalen Gründen aufbauen. Welches sind diese Gründe? Kennst Du sie
denn und hast Du Dich damit auseinandergesetzt? Wenn nicht, kann ich Deine
Schlussfolgerungen schon rein aus akademischen Gründen nicht akzeptieren
(ich bin übrigens Informatiker). Oder beruht Dein neu-gefundender Unglaube
eventuell doch auch auf emotionalen Gründen? Nämlich auf dem Frust und
Zwang, dem Du so lange ausgesetzt worden bist, weil Du Deine (berechtigten)
Zweifel so lange unterdrücken musstest, und der darauf folgenden
Enttäuschung als Du merktest, dass es vielleicht doch andere Standpunkte
gibt, die rational befriedigend sein könnten?

Nun, ich will Dich dafür nicht in den Zwinger nehmen. Ich verstehe deine
Haltung. Doch hoffentlich verstehst Du auch, was ich Dir damit sagen will.
Ich habe Deinen Bericht ausgedruckt (er umfasst bei mir 12 Seiten) und habe
ihn einmal in Ruhe durchgelesen. Viele Deiner Argumente sind mir, wie Du Dir
wahrscheinlich vorstellen kannst, zur Genüge bekannt. Es ist mir auch klar,
dass man so viel Material kaum auf 12 Seiten, geschweige denn auf 120 oder
1200, darstellen kann. Da sind wir uns sicher einig. Ich könnte nun Punkt
für Punkt auf Deine Argumente eingehen (werde das später vielleicht auch
teilweise tun) und sie wiederlegen. Doch werde ich das auf eine andere Art
tun, als Du es vielleicht von den Brüderversammlungen her gewohnt bist.
Vergiss nicht, ich bin nicht in den Brüderversammlungen "gross" geworden,
und habe deshalb ein völlig anderes Verhältnis, wie auch Verständnis, vom
Glaube. Ich bin auch nicht Anhänger der Calvinistischen Lehre der "Ewigen
Sicherheit". Ich glaube Dir also gern, dass Du, bevor Du "abgefallen" bist,
wirklich gläubig warst und eine echte Beziehung zum Herrn hattest.

Eine Glaubensschwester, die über ein völlig anderes Thema geschrieben hat,
war auch sehr enttäuscht darüber, wie wenig die Christen bereit sind, sich
mit Andersdenkenden auseinanderzusetzen. Wenn die Christen wirklich den
wahren Glauben haben, warum dann so schüchtern? Sind wir denn in unserem
Glauben so einfach zu erschüttern? Leider aber ist dies eine Tatsache. Das
hat sehr viel damit zu tun, dass nur wenige Christen gelehrt werden, sich
mit ihrem Glauben auch richtig auseinanderzusetzen. Dies bedeutet, dass wir
echte, ehrliche Antworten auf die Fragen kennen sollten, die uns, wie auch
Andere, beschäftigen. Hierzu werden wir zwar in der Bibel direkt
aufgefordert (Kol. 4, 6; 1. Petr. 3, 15-16). In der Auseinandersetzung mit
anderen Gedanken wird unser eigener Glaube gestärkt, weil wir dadurch von
der Rationalität unseres Glaubens immer mehr überzeugt werden können. Ich
gebe aber zu, dass nicht jeder in dieser Beziehung die gleichen Gaben und
Veranlagungen hat. Ich kenne leider sogar Gemeinden, in denen es den
Mitgliedern verboten wurde zu studieren, weil man Angst hatte, diese
Gemeindeglieder würden dadurch vom Glauben abfallen oder könnten sich durch
ihr Wissen über die anderen Gemeindeglieder überheben. Stelle dir nur so
etwas vor! Schrecklich! Aber eben: wir müssen uns der Realität stellen.
Trotz all dieser Missstände und dem Fehlverhalten vieler Gläubigen muss ich
selber wissen, warum ich glaube.

Vielleicht also zuerst einmal zum Begriff "Glaube". Ich habe von diesem Wort
ein anderes Verständnis, als Du es vielleicht kennst. Für mich ist Glaube
niemals "blind". Glauben ist für mich meine Antwort auf das, was Gott mir
sagt. Wenn ich von Gott her nichts gehört habe, muss ich auch nichts
glauben. Kannst Du das verstehen? Zuerst muss also Gott etwas sagen. Ich
muss mir auch bewusst sein, dass Gott geredet hat. Ich werde also niemals
einfach etwas von jemanden akzeptieren, ohne zuerst selber zu prüfen, ob ich
damit einverstanden sein kann. Mein Gewissen wie auch mein Verstand muss ja
diesbezüglich irgendwie befriedigt sein. Sonst geht das nicht. Darum
verzweifeln so viele Geschwister immer wieder an mir. Ich bin nicht bereit,
etwas von ihnen anzunehmen, wenn ich nicht völlig davon überzeugt bin, was
sie sagen. Und ich sage das auch ganz offen, wenn ich anderer Meinung bin.
Vielleicht hättest Du das auch so machen sollen. Ich bin also gar nicht der
Meinung, dass kindlicher Glaube, Vertrauen und Unterordnung, wie Du das
sagst, in der Bibel so gross geschrieben werden. Vielleicht verstehen wir
diese Begriffe auch völlig anders. Darüber liesse sich noch diskutieren.

Genauso wenig glaube ich, dass Gott möchte, dass wir unsere Zweifel
unterdrücken und verleugnen. Was jedoch gefährlich ist, ist wenn wir zu
schnell zu einem vernünftigen Schluss kommen wollen. Ein logischer,
vernünftiger Schluss kann man erst dann treffen, wenn wir sämtliche
Informationen zu einer Sache gesammelt haben. Ansonsten ist es immer nur
eine Vermutung. An "academic guess". Wir raten so gut wir können mit denen
uns zur Verfügung stehenden Informationen. Darum war ich eigentlich auch von
Deinem Bericht eher enttäuscht. Ich hätte hier eine grössere Herausforderung
erwartet.

Lass mich dies anhand eines Beispiels verdeutlichen: Als wir in Oklahoma
City wohnten, wollten wir nach Denver ziehen. Wir hatten uns ganz
interessante Vorstellungen von dieser Stadt gemacht. Und zwar rein anhand
von dem, was wir gehört und durch Photos gesehen hatten. Als ich dann einmal
hinfuhr (10 Std. fahrt), war ich völlig enttäuscht. Ich hatte mir unter
Denver ganz etwas anderes vorgestellt. Ziemlich ernüchternd! Nun stell Dir
einmal vor, wie uns das mit den ewigen, übersinnlichen Dingen geht. Wir
machen uns anhand von einigen Dingen in der Bibel, die uns aufgeschrieben
wurden, irgendwelche Vorstellungen. Es muss da alles in unser Denkschema
hineinpassen, sonst nehmen wir es nicht an. Aber ist denn das so vernünftig?
Ich weiss natürlich nicht, was Du an der MIT studierst, aber hattest Du
schon einmal Quantenmechanik oder die Allgemeine Relativitätstheorie? Wie
vernünfitg sind die denn, bis man einmal wirklich damit gearbeitet hat und
sie besser kennt? Und wie steht es mit den einfachsten axiomatischen
Postulaten? Können wir denn überhaupt beweisen, worauf sich unsere Logik
beruft? Kein Wunder, dass die Pharisäer, nachdem sie da ihre theologischen
Systemen aufgebaut haben, den Messias nicht erkennen konnten. Wie sollten
sie auch? Sie waren ja in ihren Vorstellungen und Gedanken so festgefahren.
Nun möchte ich Dir als Grundsatzfrage folgendes entgegnen: Bist Du denn
sicher, dass Du (wie auch Deine Kollegen) die Bibel mit Deiner
unvollkommenen Logik richtig verstanden hast? Ich studiere sie jetzt seit
über 20 Jahren und mir scheint, ich habe immer weniger Ahnung. Na ja.

Leider werde ich nun langsam ein wenig müde (es ist schon fast 23:00), muss
also so allmählich für das erste Mal zu einem Schluss kommen. Hier also,
sozusagen als kleines Bettmümpferli, eine kleine Frage. Du schreibst bei den
angeblich wissenschaftlichen Fehlern der Bibel folgendes:

"Die Erde schwebt im Universum, sie dreht sich um sich selbst und um die
Sonne."

Kannst Du das beweisen? Mir ist bis heute kein einziger, echter Beweis
dieser Tatsache bekannt. Der letzte Versuch in dieser Richtung war das
berühmte Experiment von Michaelson und Morley Ende letzten Jahrhunderts,
welches ja völlig fehlgeschlagen ist. Aus diesem Grund hat Einstein dann
seine Relativitätstheorie postuliert, um ein Versuch zu unternehmen, das
Missglücken dieses Experiments zu erklären. Doch seine Theorie ist und
bleibt eine Theorie. Wir können auch sie nicht beweisen. Also können wir
nach wie vor auch nicht beweisen, dass die Erde um die Sonne kreist, oder
gar um sich selbst. Galileio lässt grüssen. Oder kennst du einen einzigen,
echten, wissenschaftlichen Beweis dieser Tatsache? Würde mich schon sehr
interessieren.

Tut mir leid, wenn ich hier ein wenig hart rede, aber wissenschaftliche
Auseinandersetzungen sind manchmal hart. Denn dort ist nur das erlaubt, was
wirklich beweisbar oder bewiesen ist. Noch schwieriger wird es, wenn wir uns
mit metaphysischen Fragen auseinandersetzen. Hier muss ich meine Definition
des Glaubens etwas differenzieren. Glaube ist und bleibt unbeweisbar. Sonst
wäre es ja nicht Glaube, sondern Wissen. Trotzdem kann der Glaube sehr
vernünftig sein. Ich glaube auch, dass er es ist. Aber darüber wollen wir
dann ein anders Mal diskutieren.

Ganz liebe Grüsse

Peter