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Auslegung zum 1. Buche Moses

von Benedikt Peters Arbon

1. Mose Kapitel 1

1. Mose Kapitel 2

1. Mose Kapitel 3

1. Mose Kapitel 4

1. Mose Kapitel 5

1. Mose Kapitel 6-8

1. Mose  Kapitel 9-11

 

1. Mose 1

“Am Anfang schuf Gott...”

 

Mit dieser Erklärung beginnt das erste Buch der Bibel. Dieser einleitende Satz ist so einfach wie genial. Gott ist am Anfang. Zuerst der Schöpfer, dann die Geschöpfe, das ist die Reihenfolge.

 

Gott ist am Anfang.

 

Das ist die wichtigste Wahrheit, die es überhaupt gibt. Es ist das erste, was wir wissen müssen, wenn wir Welt begreifen und über das Leben und den Menschen richtig denken wollen. Will ich nämlich richtig leben, dann muss ich zuerste einmal richtig über mich und über die Welt denken. Das 20. Jahrhunderte hat uns deutlich genug gezeigt, was passiert, wenn man über Gott, den Menschen und die Welt falsch denkt. Was der Kommunismus und der Faschismus an seelischer, wirtschaftlicher und landschaftlicher Verödung angerichtet haben, ist unsäglich. Wir müssen wissen, dass Gott am Anfang war.

          Wie wichtig das Wissen über die Anfänge ist, ist dem Menschen eigentlich schon immer klar gewesen, und darum haben Menschen schon immer über die Anfänge nachgedacht.

 

1. Altorientalische Vorstellungen vom Ursprung der Welt

Die Babylonier

Es sind einige altorientalische Schöpfungs– und Göttermythen auf Keiltafeln erhalten geblieben. Der ausführlichste ist der um 1200 v. Chr. in Babylon entstandene Mythos ENUMA ELISCH. In ihm wird die Entstehung der Götter, der Welt und der Menschen beschrieben:

 

“Als droben der Himmel noch nicht genannt,

Drunten der Grund noch nicht benamt war,

Als der uranfängliche Apsu, ihr Erzeuger,

Und Mutter Tiamat, die alles gebiert,

ihre Wasser zusammenfliessen liessen...

 

Da wurden in ihrer Mitte die Götter erschaffen,

Als erste erschienen Lachmu und Lachamu und wurden mit Namen benannt...

 

Marduk trat auf die Beine der Tiamat,

Mit seiner schonungslosen Keule zermalmte er ihren Schädel...

 

Sie banden Kingu, brachten ihn vor Ea,

Legten ihm die Strafe auf und schnitten ihm die Adern durch.

Aus seinem Blut formte er die Menschheit...”

 

Beachten wir, was hier gesagt wird:

 

a) Am Anfang ist die Materie.

b) Aus der Materie entstehen zuerst die Götter, dann die Welt.

c) Mehrere Götter kämpfen um den Vorrang.

 

Die Ägypter

Wie die Babylonier glaubten auch die Ägypter dass , am Anfang das Wasser gewesen sei. Sie nannten das Urmeer Nun . Woher dieses Meer kam, darüber haben sie sich keine weiteren Gedanken gemacht. Dann stieg Ra, die Sonne, auf. Als die liebe Sonne das Urmeer lange genug angelacht hatte, stieg aus dem Meer der Urhügel auf, und aus dem Urhügel begann sich, durch den lebenspendenden Ra befruchtet, alles Leben zu regen.

          Vielleicht denken einige, das sei reichlich primitiv. Aber was anders lernen wir heute in den Schulbüchern? Am Anfang sei das Wasser gewesen, in dem allerhand Mineralien schwammen. Das ist die Ursuppe. Und dann muss es wohl geblitzt haben, und Himmelskörper sind durchs All gesaust, und die Sonne hat ungeheure Aktivitäten entfaltet und gewaltige Mengen von Energie abgestrahlt. Das geschah einfach lange genug, und dann entstand aus der Ursuppe das Leben, und daraus wurden immer kompliziertere Lebewesen, die schliesslich das Urmeer verliessen und an Land krochen und anfingen, den Urhügel zu bevölkern.

          Wo ist, ausser in der Terminologie, der Unterschied zu den alten ägyptischen und babylonischen Mythen?

 

2. Was dachten die alten Griechen über die Anfänge?

Die klassische Darstellung über die Entstehung der Welt, der Götter und des Menschen hat Hesiod (ca. 700 v. Chr.) in seiner THEOGONIE  geschrieben. Es finden sich dort die gleichen Vorstellungen wie bei den Ägyptern und Babyloniern, nämlich:

 

a) am Anfang ist Raum, Materie und Energie: Chaos, Gaia und Eros

b) Aus der Verbindung von Materie (Gaia) und Energie (Eros) entstanden die Götter.

c) Die Götter kämpfen um den Vorrang

 

Auch die Väter aller Philosophie, die griechischen Naturphilosophen Thales, Anaximenes und  Heraklit  (alle 5. Jahrhundert v. Chr.) waren Materialisten. Für sie stand am Anfang aller Dinge

 

         das Wasser (Thales)

         das Feuer (Heraklit)

         die Luft (Anaximenes)

 

Anaximander glaubte der Urgrund aller Dinge sei to apeiron to apeiron, “das Grenzenlose”. Wie der bestimmte Artikel to zeigt, ist das etwas Unpersönliches. Pythagoras glaubte an die Zahl als das Urprinzip aller Dinge. Das Grenzenlose ist reiner Raum, die Zahl ist reines Quantum, also beides physikalische Gegebenheiten.  Daher können wir sagen, dass alle frühen griechischen Philosophen reine Materialisten waren, wie später Marx und Darwin, Stalin und Hitler und viele andere.

 

3. Die hebräische Bibel sagt etwas ganz anderes

Die Bibel sagt genau das Gegenteil von allem, was die Ägypter, die Babylonier und die Griechen glaubten. Die Hebräer sind mit ihren Vorstellungen vom Ursprung ein absoluter Sonderfall. Alle andern dachten, im Anfang sei etwas Stoffliches gewesen: Wasser oder Feuer oder Luft. Und vor allem viel Zeit, viel, viel Zeit.

          Und jetzt kommen die Hebräer und sagen: Zuerst war Gott. Zuerst war Wort. Nicht Stoff. Und dann sagen sie, dass es sehr, sehr wenig Zeit brauchte, nämlich gerade mal sechs Tage. Und dann sagen sie, dass nur ein einziger Gott ist, nicht mehrere.

 

Der jüdische Altorientalist Umberto Cassuto faßt die Einmaligkeit von 1Mo 1 mit folgenden Worten zusammen:

 

«Nicht viele Götter, sondern  e i n  Gott; nicht Theogonie, denn ein Gott hat keinen Stammbaum; nicht Kriege und Kämpfe, noch das Zusammenprallen widerstreitender Willenskräfte, sondern nur   e i n   Wille, der alles beherrscht und durch nichts aufgehalten oder gehindert werden kann; nicht eine Gottheit, die ganz oder teilweise mit der Natur identisch ist, sondern ein Gott, der vollkommen über und außerhalb der Natur steht, so dass die Natur und alle ihre Bestandteile, sogar die Sonne und die übrigen Himmelskörper in aller ihrer Erhabenheit, lediglich seine Geschöpfe sind, nach seinem Willen erschaffen.»

 

Wie kommt es, dass die Hebräer aus der Reihe tanzen? Waren die Hebräer so anders? Waren sie schlauer als der Durchschnitt? Nein. Sie haben Insiderwissen von jemandem bekommen, der dabei war. Der hat es ihnen verraten. In biblischer Sprache ausgedrückt: Gott, der Schöpfer, hat es ihnen geoffenbart. Das ist das ganze Geheimnis.

          Keiner von uns war dabei, als die Welt entstand; kein Mensch hat es gesehen, wie aus dem Nichts ein pulsierendes Etwas und wie aus toter Materie Leben wurde. Darum kann es auch niemand wissen; nein, auch der Autor des Schulbuches nicht, obwohl er so tut, als sei er dabei gewesen, und darum so tut, als wisse er Bescheid.

 

4. Der Glaube an eine höhere Macht

Eigentlich muss man nicht sehr schlau sein, um zu merken, dass die Welt einen Urheber haben muss. Die meisten nennen das “eine höhere Macht”, oder “ein höheres Wesen”.

          Der “Brückenbauer” veröffentliche vor Ostern eine Umfrage über den Glauben der schweizerischen Jugend. Da stellte sich heraus:

 

  Drei Viertel der Jugendlichen glauben an eine höhere Macht.

 

  43 Prozent glauben, dass nach dem Tod alles vorbei ist.

 

• Fast die Hälfte betet nie

 

  Nur 4 Prozent besuchen jede Woche ein Gotteshaus

 

Es ist nicht erstaunlich, dass so viele an diese “höhere Macht” glauben. Der Apostel Paulus sagt im Römerbrief:

 

“Gottes unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige Kraft und Gottheit, wird gesehen an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt” (Röm 1:20).

 

Wie alles entstand, das wissen wir nicht, und das können wir nicht wissen. Aber wir können wissen, dass Gott im Anfang alles schuf.

          Alle Völker und Sippen haben irgend eine Vorstellung von einem göttlichen Wesen:

 

“Dass der menschliche Geist durch natürliches Ahnvermögen eine Art Empfindung für die Gottheit besitzt, steht für uns außer allem Streit. Denn Gott selbst hat allen Menschen eine Kenntnis seiner Gottheit zu eigen gemacht, damit ja niemand den Vorwand der Unwissenheit als Entschuldigung anführe. Diese Kenntnis frischt er stets auf und benetzt sie mit neuen Tröpflein...

Sollte irgendwo solches Wissen um Gott nicht vorhanden sein, so könnte das am ehesten noch unter den wildesten Völkern vorkommen, die von der menschlichen Gesittung am weitesten entfernt sind. Aber, wie schon ein heidnischer Denker sagt: Kein Volk ist so barbarisch, kein Stamm so verwildert, dass nicht die Überzeugung fest eingewurzelt wäre: es ist ein Gott  (Cicero, De Natura Deorum, I, 16,34).”

 (Johannes Calvin, Institutio I, 4,1).

 

Sogar in der fortschrittlichen Schweiz des Jahres 2000 glauben die meisten Menschen an irgend eine Art Gottheit. Die Natur, die unendliche Fülle der Lebensformen, die Komplexität unserer ganzen Existenz, all das sagt uns, dass irgend eine “höhere Macht” dahinter stehen muss. Was heisst aber “höher”? Was meint man, wenn man das sagt: “ein höheres Wesen”?

 

a) Dieses Wesen war da, bevor ich da war.

b) Dieses Wesen ist mir überlegen.

 

Wir wollen aus dieser Überzeugung einige logische Schlussfolgerungen ziehen.

 

a) Wenn es stimmt, dass dieses Wesen uns überlegen ist, dann muss es eine Person sein. Warum das? Weil Du eine Person bist, und Persönlichkeit ist sicher etwas höheres als blosse tote Kraft.

 

b) Wenn dieses Wesen “höher” ist, dann muss es mächtiger sein als wir.

Wäre es nicht mächtiger, wäre es nicht höher als wir.

 

c) Wenn dieses Wesen “höher” ist, muss es intelligenter sein als wir

 

d) Wenn dieses Wesen “höher” ist, muss es besser und gerechter sein als wir

 

Das ist logisch. Alles, was wir hier gefolgert haben, sagt die Bibel von Gott.

 

 

5. Wie ist Gott, der Schöpfer?

a) Gott ist eine Person

Er denkt und er spricht (1Mo 1:3,6,9 etc.). Er berät sich und er entscheidet (1Mo 1:26), d. h. er will. Er empfindet (1Mo 6:6).

 

b) Gott ist ewig.

Er war, bevor ich da war. Er war immer. Er war im Anfang. Er war, als nichts ausser ihm war. Er selber hat keinen Anfang; er hat keinen Ursprung. Hätte er einen Ursprung, wäre dieser Ursprung Gott.

 

“Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott” (Joh 1:1).

 

c) Gott ist allmächtig

und zwar an Wissen und Verstand und an Kraft.

 

“Alles ist durch das Wort gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist” (Joh 1:2,3).

 

d) Gott ist gerecht, rein, vollkommen

 

Alle diese Eigenschaften kommen im  Schöpfungsbericht zum Ausdruck.

 

Gottes Weisheit

Gott sprach, und es ward. Das steht achtmal in 1Mose 1. 

          Gott sprach: das ist Information, und Information setzt Verstand voraus. Je komplizierter die Information, desto grösser muss der Verstand sein. Die naturwissenschaftliche Forschung hat erst an der Oberfläche der belebten und der unbelebten Natur gekratzt, und das hat uns schon eine Vorstellung davon gegeben, welche unendlichen Menge an Information allem  Naturgeschehen zugrunde liegt.

 

Hier ein Beispiel: Jeder Mensch ist aus Milliarden von Zellen, den kleinsten Bauteilen des Lebens, zusammengesetzt. In jeder Zelle findet sich eingeschrieben die gesamte Information, die nötig war, um jede Zelle entstehen zu lassen und am rechten Ort zu plazieren. Diese Information legt fest, wie gross ein Mensch werden soll, welche Hautfarbe er haben wird, was für Haare, was für Augen, welche Nase und was für Ohren. Alles ist so genau programmiert, dass jede Zelle nicht nur am rechten Ort, sondern auch zur rechten Zeit entsteht. Wollte man die gesamte Information, die im Chromosomensatz eines jeden Menschen enthalten ist, aufschreiben, müsste man damit 1000 Bücher zu 500 Seiten in Kleindruck schreiben.

 

Gottes Macht

Gott sprach, und es ward. Alles, was Gott will, geschieht. Alles, was Er befiehlt, tritt ein. Das ist Allmacht:

 

“Aber unser Gott ist in dem Himmel; alles was ihm wohlgefällt, tut er” (Ps 115:3).

 

6. Die Krone der Schöpfung

Ganz am Schluss schuf Gott den Menschen. Die Erschaffung des Menschen wird als etwas ganz Besonderes beschrieben.

 

Zunächst stellen wir fest, dass die Regelmässigkeit in der Beschreibung der Schöpfungswerke durchbrochen wird:

 

“Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis”

 

Gott befiehlt nicht einfach wie am ersten Schöpfungstag: “Es werde Licht!”, und wie an allen folgenden Schöpfungstagen. Hier hält Gott mit sich selbst Rat und dann sagt er: “Lasst uns Menschen machen!” Das ist ein Ausdruck von Gottes Verlangen. Er schuf den Menschen aus Liebe, und aus Liebe machte er aus ihm etwas ganz Besonderes: Der Mensch – und nur der Mensch – ist Gott gleich. Was heisst das? Nein, nicht dass Gott so aussieht wie wir. Jesus Christus sagt:

 

“Gott ist Geist”  (Johannes 4:24)

 

Und Johannes sagt:

 

“Kein Mensch hat Gott gesehen” (Johannes 1:18).

 

Gott ist Geist; das heisst, dass er keinen Leib hat, dass er darum auch keine der Eigenschaften hat, die physikalische Körper auszeichnen, wie Ausdehnung, Gewicht, Dichte, Aggregatszustand, Farbe, Geruch. Nein, Gott ist nicht wie ein Mensch. Aber der Mensch wurde so geschaffen, dass er wie Gott war – nicht in jeder Beziehung natürlich, aber doch so, dass er etwas ganz Einmaliges unter allen Geschöpfen ist.

 

Der Mensch ist Gottes Bild und Gleichnis, weil er folgende Eigenschaften mit seinem Schöpfer gemeinsam hat:

 

a)  er ist schöpferisch

b)  er hat Willen, Verstand und Gefühl

c)   er hat Gottesbewusstsein

d)  er hat Selbstbewusstsein

e)  er hat moralisches Bewusstsein

f)   er ist ein Herr, ein Regent

 

Wenn e) stimmt, dann müssen daraus schliessen, dass Gott nicht nur ewig und mächtig und Geist ist. Er hat auch moralische Eigenschaften. Er ist Wahrheit und Liebe:

  “Gott ist Licht und gar keine Finsternis ist in ihm” (1Joh 1:5).

  “Gott ist Liebe” (1Joh 4:16).

  Das bedeutet, dass Gott ein sittliches Wesen ist. Und weil Gott von Wahrheit, Gerechtigkeit und Treue einerseits und Liebe, Freundlichkeit und Barmherzigkeit andererseits geprägt ist, besitzt auch der Mensch solche Anlagen.

  7. Etwas ist  schief gegangen

Wir wissen als Menschen, dass es so etwas wie Gerechtigkeit und Liebe gibt. Wir haben alle ein Bewusstsein für diese beiden Dinge. Wir regen uns über Ungerechtigkeit auf. Warum tun wir das? Weil das unseren Sinn für Gerechtigkeit verletzt. Wir wissen auch, dass wir alle liebesbedürftig sind, aber wir wissen auch, dass wir lieblos sein können.

 

Haben wir das wirklich verstanden? Wenn wir zu Ungerechtigkeit und zu Lieblosigkeit fähig sind, dann haben wir eigentlich zugegeben, dass wir nicht so sind, wie wir sein sollten. Das ist eine Einsicht von schier unermesslicher Tragweite.

 

Ich fasse noch einmal zusammen:

 

Wir haben eingesehen, dass es eine höhere Macht gibt. Ist es aber eine Macht, die höher ist als wir, dann ist sie nicht beschränkt wie wir, in keiner Weise. Sie hat keine Mängel, sie kennt keine Grenzen. Dann muss sie allmächtig und sittlich vollkommen sein. Gott ist ewig und allmächtig, und er ist vollkommen in seiner Gerechtigkeit und Liebe. Wir aber sind beschränkt, und wir haben Mängel; denn wir sind nicht immer gerecht und liebevoll, sondern oft ungerecht und lieblos.

          Wir sind, gemessen an Gott, mangelhaft. Wir haben, gemessen an unserer Schöpfungsbestimmung, versagt. Wir sind gescheiterte Existenzen.

          Woher kommt es, dass wir so sind? Die Bibel antwortet darauf. Nicht im ersten Kapitel, sondern erst im dritten. Im zweiten Kapitel erfahren wir zuerst einige Dinge über den Menschen, wie Gott ihn machte und wozu er ihn machte.